Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Mai 2018 - 8 SaGa 1/18

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0508.8SaGa1.18.00
08.05.2018

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. Dezember 2017 - 2 Ga 21/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Verfügungsklägers auf vertragsgemäße Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis.

2

Der Verfügungskläger ist seit dem 1. August 2008 bei dem verfügungsbeklagten Land beschäftigt. Laut schriftlichem Arbeitsvertrag vom selben Datum (Bl. 10 f. d.A.) ist der Verfügungskläger als "Vollbeschäftigter" des Landes eingestellt, unterliegt den Regelungen der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und erhält eine außertarifliche Vergütung nach Besoldungsgruppe B 3 LBesG.

3

Mit Schreiben vom 29. Juli 2008 (Bl. 12 d.A.) wurde dem Verfügungskläger ab 1. August 2008 die Leitung der Abteilung 000. "G." im Ministerium für A. (nunmehr Ministerium für S., im Folgenden "M.") übertragen. Seit März 2010 leitete er die der Abteilung 00x "S." im M.

4

Im September 2017 trat die Ministerin für S. Frau B.-L. an den Verfügungskläger heran und schlug ihm vor, die Vizepräsidentschaft des Landesamtes für S. zu übernehmen, was der Verfügungskläger ablehnte.

5

Am 19. Oktober 2017 erhielt der Verfügungskläger die schriftliche Information, dass seine Abteilung aufgelöst und nächstmöglich eine Stabsstelle "G. 2020, Projekte" gebildet werden solle. Es sei beabsichtigt, ihm die Leitung dieser neu eingerichteten Stabsstelle zu übertragen. Zu den Aufgaben der Stabsstelle solle die Projektkoordination "G. 2020" gehören. Die Stelle solle unmittelbar dem Amtschef nachgeordnet sein und einen Haushaltsansatz von ca. 1,8 Millionen Euro haben (vgl. Bl. 21 - 24 d.A.).

6

Am 2. November 2017 beantragte der Verfügungskläger die Mitwirkung des Personalrates hinsichtlich der Übertragung eines neuen Aufgabengebietes. Das Mitbestimmungsverfahren war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 8. Mai 2018 noch nicht abgeschlossen.

7

Die geplanten Organisationsänderungen im M. wurden mit dem Personalrat des M. im November und Dezember 2017 (Bl. 53 bis 55 d.A., Protokollvermerk vom 12. Dezember 2017) erörtert. Der Personalrat teilte am 14. Dezember 2017 mit, dass er die Erörterungen zu den Organisationsänderungen für abgeschlossen erachte.

8

Am 29. Dezember 2017 - nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils - informierte das verfügungsbeklagte Land den Verfügungskläger schriftlich darüber, dass die Abteilung 00x mit Wirkung zum 2. Januar 2018 aufgelöst werde. Ferner bot es dem Verfügungskläger an, vorübergehend, bis zum 28. Februar 2018, die Aufgaben des Leiters der zum 2. Januar 2018 einzurichtenden Stabsstelle "G. 2020, Projekte" wahrzunehmen (Bl. 191 d.A.). Dieses Angebot nahm der Verfügungskläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung mit Schreiben vom 2. Januar 2018 an (Bl. 193 d.A.). Seitdem übt er diese Tätigkeit (auch über den 28. Februar 2018 hinaus) tatsächlich aus.

9

Gemäß Organisationsverfügung des Staatssekretärs D. L. vom 2. Januar 2018 (Bl. 194 d.A.) wurde die Abteilung 00x "S." aufgelöst und die Stabsstelle "G. 2020, Projekte" gebildet. Die Organisationsverfügung ist am 2. Januar 2018 in Kraft getreten.

10

Mit Klageschrift vom 3. Januar 2018 hat der Verfügungskläger beim Arbeitsgericht Mainz ein Hauptsachverfahren anhängig gemacht.

11

Im vorliegenden Verfahren hat der Verfügungskläger mit seinem am 18. Dezember 2017 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine vertragsgemäße Beschäftigung geltend gemacht.

12

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. Dezember 2017 - 2 Ga 21/17 - (Bl. 91 - 99 d.A.) und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

13

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

14

1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Zwangsgeld in Höhe von bis zu € 250.000,00 ersatzweise Zwangshaft zu verpflichten, den Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unveränderten Bedingungen als Abteilungsleiter der Abteilung 00x "S." zu beschäftigen und ihm insbesondere folgende Kerntätigkeiten weiterhin zuzuweisen:

15

- Führen und Leiten der Abteilung
- Vertreten des Ministeriums nach außen in Vertretung der Hausspitze
- Sicherstellen der politischen Ziele des Ministeriums unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben
- themenbezogene fachpolitische Beratung
- Leiten von abteilungsübergreifenden Projekt- und Arbeitsgruppen
- Sicherstellen des Informationsflusses in der Abteilung.

16

2. hilfsweise, es der Antragsgegnerin aufzugeben,

17

es zu unterlassen, den Antragsteller bei Meidung eines Zwangsgeldes bis zu € 250,000,00 auf die Stabsstelle "G. 2020, Projekte" zu versetzen,

18

3. wiederum hilfsweise,

19

ihn als Leiter der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" einzusetzen und tätig werden zu lasen.

20

Das verfügungsbeklagte Land hat beantragt,

21

die Anträge insgesamt zurückzuweisen.

22

Mit Urteil vom 21. Dezember 2017 - 2 Ga 21/17 - hat das Arbeitsgericht Mainz die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege (für alle Anträge) kein ausreichender Verfügungsgrund iSd. §§ 935, 940 ZPO vor. Es fehle bereits am Hauptsacheverfahren. Darüber hinaus habe das verfügungsbeklagte Land sein Direktionsrecht noch nicht ausgeübt und es sei auch nicht absehbar, wann dies geschehen werde. Auch sei nicht ersichtlich, dass die vom Verfügungskläger prognostizierte Ausübung des Direktionsrechtes offensichtlich unzulässig wäre. Zur weiteren Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 10 bis 19 dieses Urteils (Bl. 99 - 108 d.A.) verwiesen.

23

Gegen das ihm am 3. Januar 2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Verfügungskläger mit am Montag, den 5. Februar 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 2. März 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

24

Der Verfügungskläger trägt vor,
er habe einen Anspruch darauf, als Abteilungsleiter im M. beschäftigt zu werden. Dies sei mit ihm einzelvertraglich vereinbart. Die Regelungen des TV-L, die eine grundsätzliche Versetzungsmöglichkeit vorsehen, seien unbeachtlich. Er habe sich explizit auf die vom verfügungsbeklagten Land ausgeschriebene Stelle als Abteilungsleiter beworben. Durch die in der Stellenausschreibung enthaltene Stellenbeschreibung sei das Direktionsrecht des verfügungsbeklagten Landes jedenfalls konkludent eingeschränkt. Zu keinem Zeitpunkt sei eine andere Verwendungsmöglichkeit im Bewerbungsverfahren thematisiert worden.

25

Die (auch vorrübergehende) Übertragung der Aufgaben des Leiters der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" sei unwirksam, weil nicht vom Direktionsrecht des verfügungsbeklagten Landes gedeckt. Die Tätigkeit als Leiter einer Stabsstelle "G. 2020, Projekte" weise nicht die notwendige Gleichwertigkeit zu der Beschäftigung als Leiter der Abteilung 00x "S." auf. Die Tätigkeit als Leiter einer Stabstelle sei in der Anlage des LBesG Rheinland-Pfalz weder unter der Besoldungsgruppe B 3 noch an anderer Stelle aufgeführt. Eine Abteilung sei durch gefestigte Strukturen gekennzeichnet, die insbesondere die personelle Leitung und Führung durch den Abteilungsleiter sowie die Vertretung nach außen erforderten. Bei einer projektorientierten Stabstelle handele es sich um eine deutlich kleinere Arbeitseinheit. Dies zeige sich auch durch die deutlich divergierende Finanzverantwortung von circa 12 Millionen EUR in der Abteilung 00x "S." zu circa 1,8 Millionen EUR in der Stabsstelle "G. 2020, Projekte". Die Aufgaben, die ihm dort übertragen seien, beschäftigten ihn allenfalls einen Bruchteil der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit. Ihm sei kein Personal zugeordnet, es müssten weder Besprechungen noch Rücksprachen mit Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern durchgeführt werden. Man habe ihn mehr oder weniger "kaltgestellt".

26

Der Verfügungsanspruch scheide nicht auch wegen der Auflösung der Abteilung 00x "S." zum 2. Januar 2018 durch die Organisationsverfügung des Staatssekretärs aus. Die Verlagerung von Arbeitsaufgaben führe in der Regel nicht zur Unmöglichkeit der jeweiligen Tätigkeiten, da die Aufgaben nicht wegfielen, sodass die weiterhin vorhandenen Tätigkeiten auch wieder zurückverlagert werden könnten. Die Auflösung der Abteilung 00x sei im Übrigen praktisch nicht umsetzbar, da er mit seiner vormaligen Tätigkeit voll ausgelastet gewesen sei und die Leiterin der Abteilung, der nun ein Großteil seiner vormaligen Aufgaben übertragen worden sei, keine Kapazitäten hierfür hätte.

27

Es liege auch ein Verfügungsgrund vor. Klage im Hauptsacheverfahren sei - was unstreitig ist - zwischenzeitlich erhoben worden. Nach gefestigter Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes ergebe sich der Verfügungsgrund bereits daraus, dass ein Verfügungsanspruch bestehe und durch Zeitablauf vereitelt werde (so LAG Hessen 10. Mai 2010 - 16 SaGa 341/10 -). Sollte es darüber hinaus auf eine besondere Dringlichkeit der Angelegenheit ankommen, liege auch diese vor. Er sei seit 2. Januar als Leiter der Stabsstelle tätig und seitdem den Wirkungen einer Versetzung und damit einer Degradierung bzw. Herabstufung ausgesetzt. Die Zuweisung der Leitung der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" sei offensichtlich rechtswidrig. Mangels Gleichwertigkeit sei ihm die Ausübung dieser Tätigkeit unzumutbar. Die Herabstufung von einem Abteilungsleiter zum Leiter einer Stabsstelle stelle für ihn innerhalb des Ministeriums einen erheblichen Ansehens- und Reputationsverlust dar. Ferner sei davon auszugehen, dass eine endgültige Herabstufung auch außerhalb des Ministeriums einen Ansehensverlust bedeute. Im Kammertermin am 8. Mai 2018 erklärte der Verfügungskläger, es gehe ihm gesundheitlich von Tag zu Tag schlechter. Auch habe er mittlerweile Migräne, was vorher nicht der Fall gewesen sei.

28

Der Verfügungskläger beantragt,

29

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. Dezember 2017 - 2 Ga 21/17 - abzuändern und

30

1. Das verfügungsbeklagte Land einstweilig bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft, zu verpflichten, den Verfügungskläger bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unveränderten Bedingungen als Abteilungsleiter der Abteilung 00x "S." zu beschäftigen und ihm insbesondere folgende Kerntätigkeiten weiterhin zuzuweisen:

31

- Führen und Leiten der Abteilung
- Vertreten des Ministeriums nach außen in Vertretung der Hausspitze
- Sicherstellen der politischen Ziele des Ministeriums unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben
- Themenbezogene fachliche Beratung
- Leitung von abteilungsübergreifenden Projekt- und Arbeitsgruppen
- Sicherstellen des Informationsflusses in der Abteilung,

32

hilfsweise,

33

2. das verfügungsbeklagte Land einstweilig bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft, zu verpflichten, den Verfügungskläger bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unveränderten Bedingungen als Abteilungsleiter im M. zu beschäftigen und ihm insbesondere folgende Kerntätigkeiten weiterhin zuzuweisen:

34

- Führen und Leiten der Abteilung
- Vertreten des Ministeriums nach außen in Vertretung der Hausspitze
- Sicherstellen der politischen Ziele des Ministeriums unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben
- Themenbezogene fachliche Beratung
- Leiten von abteilungsübergreifenden Projekt- und Arbeitsgruppen
- Sicherstellen des Informationsflusses in der Abteilung,

35

hilfsweise,

36

3. das verfügungsbeklagte Land zu verpflichten es zu unterlassen, den Verfügungskläger bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR , ersatzweise Zwangshaft, weiterhin als Leiter der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren einzusetzen und tätig werden zu lassen.

37

Das verfügungsbeklagte Land beantragt,

38

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.

39

Es meint, die Berufung sei bereits unzulässig, weil der Verfügungskläger sich mit dem Hauptargument des Arbeitsgerichts, es bestehe kein Verfügungsgrund, nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Die Berufung auf ein - vereinzelt gebliebenes - Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts zu stützen, reiche nicht aus.

40

Das verfügungsbeklagte Land verteidigt im Weiteren das erstinstanzliche Urteil. Es bestehe kein Verfügungsgrund. Darüber hinaus bestehe auch kein Verfügungsanspruch. Nach wie habe es keine einseitige Maßnahme getroffen. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 habe es den Verfügungskläger nicht einseitig versetzt, sondern ihm ein Angebot unterbreitet, das er (unstreitig) - unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung - mit Schreiben vom 2. Januar 2018 angenommen habe. Dieses Angebot sei dem Verfügungskläger weder im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung noch zur Vermeidung des Ausspruchs einer Änderungskündigung unterbreitet worden. Mit Blick auf den Konsens der Parteien über den - vorläufigen - Einsatz des Verfügungsklägers liege ein Sachverhalt vor, bei dem schon kein (Verfügungs-)Anspruch bestehe, bis auf Weiteres zu den früheren Bedingungen (wie bis Ende 2017) beschäftigt zu werden.

41

Unabhängig davon sei die Tätigkeit als Leiter der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" auch vertragsgemäß. Insbesondere sei es (das verfügungsbeklagte Land) durch den Arbeitsvertrag nicht dahin gebunden, dass es dem Verfügungskläger nur die Tätigkeit als Leiter der (aufgelösten) Abteilung 00x im M. oder die Leitung einer anderen Abteilung dieses Ministeriums zuweisen könne. Der Verfügungskläger sei nach dem Arbeitsvertrag als "Vollbeschäftigter" eingestellt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages stehe ihm zwar ein "außertarifliches Entgelt" zu. Die Zusage einer außertariflichen Vergütung besage jedoch nicht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zwingend eine Tätigkeit übertragen müsste, die nicht mehr vom Tarifvertrag erfasst werde.

42

Darüber hinaus sei die Leitung der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" in ihrer Wertigkeit unter Einschluss ihrer Verantwortung übertariflich einzuordnen. Es treffe nicht zu, dass der Verfügungskläger "kaltgestellt" und nicht in die Arbeit des M. eingebunden sei. Die Stabsstelle habe bereits jetzt und auch zukünftig eine Vielzahl von Aufgaben mit zum Teil hohem zeitlichem Aufwand in großer Verantwortlichkeit zu bewältigen, die sowohl im Hinblick auf die zeitliche und inhaltliche Beanspruchung als auch im Hinblick auf die Verantwortlichkeit mit den Aufgaben eines Abteilungsleiters vergleichbar seien.

43

Es sei ihm (dem verfügungsbeklagten Land) jedenfalls nicht zuzumuten, seine Organisationsentscheidung zur Auflösung der Abteilung 00x rückgängig zu machen. Eine gerichtliche Entscheidung, die dies erfordern würde, würde in die demokratisch unmittelbar legitimierte Entscheidung des Staatssekretärs des M. eingreifen; ein derartiger Eingriff in die Organisationshoheit der Exekutive sei den Gerichten für Arbeitssachen versagt.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

45

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Verfügungsklägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden.

46

Die Berufung ist auch - anders als das verfügungsbeklagte Land meint - ordnungsgemäß begründet worden. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ergibt(vgl. GMP/Schleusener 9. Aufl. § 64 Rn. 74). Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen (BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 21).

47

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung. Sie vertritt zwar (weiterhin) die Rechtsauffassung, nach der von ihr zitierten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts sei bei Vorliegen eines Verfügungsanspruchs auch der Verfügungsgrund gegeben. Sie meint aber weiter, dass auch eine besondere Dringlichkeit vorliege. Dies begründet sie mit der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Zuweisung der Leitung der Stabsstelle "G. 2020, Projekte": Da es eindeutig an einer Gleichwertigkeit der in Rede stehenden Stelle fehle, sei die Ausübung der Stabsstellenleitung unzumutbar. Auch seien schutzwürdige Interessen des Verfügungsklägers betroffen; aus der Herabstufung zum Stabsstellenleiter ergebe sich ein gesteigertes Abwehrinteresse. Mit diesen Ausführungen wird die Begründung des Arbeitsgerichts, ein Verfügungsgrund liege nicht vor, angegriffen.

48

Mit dem weiteren tragenden Begründungsstrang des Arbeitsgerichts, ein Verfügungsgrund scheitere schon daran, dass der Verfügungskläger noch als Leiter der Abteilung 00x beschäftigt werde und die konkrete Ausübung des Direktionsrechts und die Ausgestaltung der zuzuweisenden Tätigkeit noch nicht absehbar seien, musste sich die Berufungsbegründung nicht mehr auseinandersetzen. Da der Verfügungskläger seit dem 2. Januar 2018 die Leitung der Stabs-stelle - kommissarisch - übernommen hat, ist dieser Begründungsansatz durch die tatsächliche Entwicklung überholt.

II.

49

Die Berufung des Verfügungsklägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Anträge zu Recht abgewiesen. Auch der neu formulierte Hilfsantrag zu 2, der in der Sache lediglich eine Einschränkung des Hauptantrags darstellt, war abzuweisen. Dabei kann offen bleiben, ob der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch gegeben ist, denn es fehlt vorliegend - für alle Anträge - jedenfalls an dem notwendigen Verfügungsgrund.

50

1. Der Verfügungskläger begehrt mit seinem Hauptantrag im Wege der einstweiligen Verfügung (ebenso wie mit dem Hilfsantrag zu 2) die Verurteilung des verfügungsbeklagten Landes zu seiner tatsächlichen (vertragsgemäßen) Beschäftigung. Eine derartige Leistungsverfügung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und eine Entscheidung im ordentlichen Verfahren seine Interessen nicht ausreichend wahren kann.

51

Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen (LAG Köln 10. Februar 2017 – 4 SaGa 3/17 – Rn. 39).

52

a) Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers ergibt sich ein Verfügungsgrund nicht bereits daraus, dass anderenfalls der Beschäftigungsanspruch durch Zeitablauf sukzessive erlischt. Vielmehr muss der Arbeitnehmer ein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen und glaubhaft machen, aufgrund dessen er gerade auf die (beantragte) Beschäftigung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angewiesen ist (LAG Rheinland-Pfalz 14. April 2016 - 2 SaGa 3/16 - Rn. 31 mwN).

53

Der geltend gemachte Anspruch auf weitere Beschäftigung zu den ursprünglichen Bedingungen kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus der Unwirksamkeit der Zuweisung bzw. Ausübung der neuen Tätigkeit ergeben (BAG 25.08.2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15). Die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung erfordert ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers, wie es allenfalls bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens oder bei schweren Gewissenskonflikten bestehen kann (LAG Köln 10. Februar 2017 - 4 SaGa 3/17 - Rn. 39). Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 14. Mai 2013 - 6 SaGa 2/13 - Rn. 55; LAG Rheinland-Pfalz 20. März 2014 - 5 SaGa 13/13 - Rn. 26).

54

Regelmäßig ist es nämlich zumutbar, dass der Arbeitnehmer der Anweisung zunächst Folge leistet und deren Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren überprüfen lässt (LAG Köln 10. Februar 2017 - 4 SaGa 3/17 - Rn. 41; LAG Rheinland-Pfalz 20. März 2014 - 5 SaGa 13/13 - Rn. 26; LAG Rheinland-Pfalz 14. Mai 2013 - 6 SaGa 2/13 - Rn. 55, LAG Hessen 15. Februar 2011 - 13 SaGa 1934/10 - Rn. 49).

55

b) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen besteht vorliegend kein Verfügungsgrund.

56

aa) Ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Verfügungsklägers ist vorliegend nicht ersichtlich. Wesentliche Nachteile im rechtlichen Sinn, die mit der weiteren Ausübung der Tätigkeit als Leiter der Stabstelle zumindest bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren (voraussichtlich Anfang August 2018) verbunden wären, hat der Verfügungskläger nicht dargetan.

57

Es ist nicht ersichtlich, dass hierdurch eine irreparable Schädigung seines beruflichen Ansehens droht. Allein die pauschale Behauptung eines erheblichen Ansehens- und Reputationsverlustes innerhalb des M. reicht hierfür nicht aus. Schließlich führt der Verfügungskläger selbst aus, ein erheblicher Ansehensverlust auch außerhalb des Ministeriums werde (erst) mit der endgültigen Zuweisung der Stelle verbunden sein. Eine solche endgültige Zuweisung der Stelle ist aber derzeit nicht absehbar. Der Verfügungskläger hat (nur) das Angebot des verfügungsbeklagten Landes zur vorübergehenden, kommissarischen Leitung der Stabsstelle angenommen.

58

Soweit der Verfügungskläger vorbringt, er sei "kaltgestellt", nicht ausgelastet und habe kaum noch Kontakt zur Hausspitze, ergibt sich aus diesem Vortrag nicht, dass dies zu einem unwiederbringlichen Verlust von beruflichen Verbindungen und Qualifikationen führen würde.

59

Schließlich reicht auch der unsubstantiierte Hinweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht aus, um das Vorliegen erheblicher Gesundheitsgefahren für den Verfügungskläger wegen der Ausübung einer Tätigkeit als Leiter einer Stabsstelle im M. anzunehmen.

60

bb) Ein Verfügungsgrund ergibt sich vorliegend - entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers - auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer offenkundigen Rechtswidrigkeit des vom verfügungsbeklagten Land veranlassten - vorläufigen - Einsatzes des Verfügungsklägers als Leiter der Stabsstelle "G. 2020, Projekte".

61

(1) Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der entsprechende Einsatz des Verfügungsklägers und seine Tätigkeit in dieser Position nicht auf einer einseitigen Anweisung des verfügungsbeklagten Landes beruht. Vielmehr hat der Verfügungskläger auf das schriftliche Angebot des verfügungsbeklagten Landes (Schreiben vom 29. Dezember 2017, Bl. 191 f. d.A) mit anwaltlichen Schreiben (vom 2. Januar 2018. Bl. 193 d.A.) erklärt, er nehme dieses Angebot - unter Vorbehalt - an. Eine einseitige Ausübung des Direktionsrechts, die ggf. auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen wäre, liegt also nicht vor.

62

(2) Selbst wenn es man unterstellt, es handele sich - mangels Alternativen für den Verfügungskläger - um eine einseitige arbeitgeberseitige Maßnahme, wäre diese nicht offenkundig unwirksam. Eine offenkundige Unwirksamkeit liegt nur vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Maßnahme geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zutage liegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei feststehendem Sachverhalt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit unzweifelhaft ohne jeden Beurteilungsspielraum der Tatsachenrichters sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 24. Juni 2015 – 4 SaGa 2/15 – Rn. 35).

63

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die - unterstellte - Maßnahme des verfügungsbeklagten Landes nicht als offenkundig rechtswidrig dar. Dies folgt schon daraus, dass im Arbeitsvertrag vom 1. August 2008 als Tätigkeitsbeschreibung lediglich "Vollbeschäftigter" genannt ist. Dies erfordert zur Ermittlung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit die Auslegung des Vertrags, bei der neben der Formulierung der Tätigkeitsbeschreibung auch die weiteren Regelungen des Vertrags, insbesondere die Vereinbarung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (samt Versetzungsklausel) und die Vereinbarung eines außertariflichen Gehalts nach B 3 LBesG eine Rolle spielen. Nach Auffassung des Verfügungsklägers sollen darüber hinaus u.a. auch die Umstände des Bewerbungsverfahrens und die Stellenbeschreibung zu berücksichtigen sein.

64

Die Auslegung des Verfügungsklägers, es sei ausschließlich eine Tätigkeit als Abteilungsleiter im M. vereinbart, ist hierbei keinesfalls die einzig mögliche. Damit ist allein die - unterstellte - Zuweisung einer Tätigkeit, die nicht die eines Abteilungsleiters im M. ist, keineswegs offensichtlich rechtswidrig.

65

Klar ist allerdings, dass die neue Tätigkeit mit der vorigen Tätigkeit gleichwertig sein müsste. Auch hier ist der oben dargestellte Prüfungsmaßstab zu beachten. Legt man nur den Vortrag des verfügungsbeklagten Landes zu Grunde - die tatsächlichen Inhalte der Tätigkeit als Leiter der Stabsstelle sind zwischen den Parteien umfänglich streitig - so drängt sich unter Heranziehung der arbeitsvertraglichen Regelungen die Unwirksamkeit der - unterstellten - Maßnahme keineswegs auf. Dies wäre aber nach den oben dargestellten Voraussetzungen für das Vorliegen offenkundiger Unwirksamkeit erforderlich. Allein der Wechsel von einer leitend-administrativen Abteilungsleiterstelle zu einer konzeptionell ausgerichteten Position als Stabsstellenleiter reicht hierfür nicht aus.

66

2. Aus den oben dargestellten Gründen war auch der neu formulierte Hilfsantrag zu 2 abzuweisen. Auch insoweit fehlt es jedenfalls am Verfügungsgrund.

67

3. Mangels Verfügungsgrund war auch der Hilfsantrag zu 3 abzuweisen, mit dem der Verfügungskläger die Verpflichtung des verfügungsbeklagten Landes erreichen will, seinen Einsatz als Leiter der Stabsstelle "G. 2020, Projekte" zu unterlassen.

68

Darüber hinaus dürfte für eine einstweilige Verfügung, die dem Arbeitgeber verbieten soll, dem Arbeitnehmer eine vertraglich nicht geschuldete Arbeit zuzuweisen oder ihn nicht vertragsgemäß zu beschäftigen, generell weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund existieren (vgl. LAG München 1. Dezember 2004 - 5 Sa 913/04 - Rn. 22 f.).

69

Ein Arbeitnehmer ist nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht - auch nicht vorläufig - an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt(BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 58). Für Weisungen, die arbeitsvertraglichen oder tariflichen Bestimmungen widersprechen oder sonst unwirksam sind, gilt dies ohnehin (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 22; auch nach der zu unbilligen Weisung (bis 2017) abweichenden Rechtsprechung des Fünften Senats, vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24). An das Nichtbefolgen einer solchen Weisung kann der Arbeitgeber demnach keine Sanktionen knüpfen. Die Wirksamkeit der Anweisung kann über einen Feststellungsantrag im Hauptsacheverfahren geklärt werden (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -), einer vorläufigen Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren bedarf es insoweit nicht.

III.

70

Der Verfügungskläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

71

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

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Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten, die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert.

3

In einer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten führte die Klägerin aus, seit einigen Jahren würden „Guerilla-Aktionen“ gegen sie geführt, sie habe eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden. Sie würde es als unfair erachten, wenn der Vorstandsvorsitzende davon aus der amerikanischen Presse oder der „Oprah-Winfrey-Show“ erführe. Bei ihrem „Chef“ handele es sich um einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Die Klägerin wies in der E-Mail darauf hin, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder habe.

4

Mit ebenfalls an den damaligen Vorstandsvorsitzenden gerichteter E-Mail vom 5. Februar 2009 teilte die Klägerin erneut mit, dass sie unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. In der E-Mail hieß es auszugsweise:

        

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz.“

5

Mit E-Mail vom 30. März 2009 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Sie hielt ihm Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik sowie unsachliche und leere Bemerkungen vor, ferner, dass er seine Position nur innehabe, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Seine Fähigkeiten reichten offensichtlich nicht dazu, als Führungskraft zu fungieren. Er verstehe nicht einmal „den Unterschied zwischen Kosten und Preis“. Die Klägerin versandte die E-Mail an weitere zwölf Mitarbeiter der Beklagten.

6

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2009 darauf hin, dass ihre Äußerungen durch ihr Beschwerderecht und das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die in der E-Mail vom 5. Februar 2009 enthaltenen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben lautete auszugsweise:

        

„Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von Ihnen informierten Personen und der S AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis zum 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

        

Sollten derartige oder sinngemäß gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

        

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei.“

7

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 16. April 2009 Stellung. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ sei „auch für (ihren) Geschmack … ein wenig zu scharf geraten“, dessen frauenfeindliches Verhalten habe aber zur Verschärfung des Konflikts beigetragen. Sie habe den Ausdruck nicht zum Zwecke der Beleidigung oder Rufschädigung verwandt. Gegen den Vorwurf, den Abteilungsleiter als „Rassisten“ bezeichnet zu haben, verwahre sie sich.

8

Mit Schreiben vom 21. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30. Juni 2009 zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben - bestehend aus Deckblatt und Anhang - waren weitere Anlagen beigefügt. Ob auch die Anlagen „2a“ bis „2c“ dazu gehörten, ist zwischen den Parteien streitig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung unter dem 24. April 2009 zu.

9

Mit Schreiben ebenfalls vom 24. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009.

10

Hiergegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat außerdem die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die von ihr getätigten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 3. April 2009 selbst zum Ausdruck gebracht, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe, wenn sie, die Klägerin, bestimmte Verhaltensweisen richtigstelle. Eine Abmahnung sei daher nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge außer Acht, die erst zur Störung des Betriebsfriedens geführt hätten. Überdies sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf dem Anhörungsbogen sei ihm mitgeteilt worden, dass sie eine Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber einem Kind habe, obwohl die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt habe, dass sie drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Das Zitat zum „Judenvergleich“ sei nicht vollständig und damit entstellt wiedergegeben worden. Die Anlagen „2a“ bis „2c“ seien dem Betriebsrat nicht zugeleitet worden. Der hierzu als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende habe sich widersprüchlich geäußert.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 14. September 2001 geregelten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung als Stratege im Global Procurement in N bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

13

Die Beklagte hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Sie hat gemeint, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Sie habe ihre Führungskräfte beleidigt, in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten ihres Vorgesetzten in Frage gestellt und die Umstände im Unternehmen mit dem Leid der Juden während der NS-Zeit verglichen. Einer Abmahnung habe es nach dem Schreiben vom 3. April 2009 nicht mehr bedurft. Mit ihrer Stellungnahme vom 16. April 2009 habe die Klägerin ihre Pflichtverletzungen noch manifestiert und verstärkt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat behauptet, diesem sei die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin zum einen aus deren E-Mail vom 21. September 2008 bekannt gewesen, die dem Anhörungsschreiben als Anlage „2c“ beigefügt gewesen sei, zum anderen habe er von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ohnehin Kenntnis gehabt. Aus der Anlage „2c“ sei ihm auch der vollständige Inhalt des von der Klägerin angestellten „Judenvergleichs“ bekannt gewesen.

14

Zur Begründung des Auflösungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe sie in zahlreichen Äußerungen gegenüber der Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Von ihrem „Judenvergleich“ habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern sie, die Beklagte, bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24. Februar 2010 habe die Klägerin eine Strafanzeige gegen sie gestellt. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen zwei ihrer Mitarbeiter erstattet. Die Klägerin habe die Namen der Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt sowie der Presse mitgeteilt und dadurch deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Sie habe zudem in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den sie auf ihrer Homepage veröffentlich habe, das Ansehen der Firma beschädigt. Dem Betriebsrat habe sie vorgeworfen, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

15

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag könnten nur Sachverhalte berücksichtigt werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden seien. Gründe für eine Auflösung seien im Übrigen nicht gegeben. Einem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere, sei es schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verwehrt, von der Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Auf den Hilfsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 37.600,00 Euro brutto zum 30. Juni 2009 aufgelöst. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt für den Fall, dass die Revision der Beklagten zurückgewiesen wird, mit ihrer Revision ihr Klagebegehren - soweit dieses erfolglos geblieben ist - weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Über die Revision der Klägerin war nicht zu entscheiden.

18

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht als sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

19

1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon deshalb unbegründet, weil ihre Berufung unzulässig gewesen wäre.

20

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(BAG 26. März 2013 - 3 AZR 101/11 - Rn. 12). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9 mwN).

21

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 13). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13  - Rn. 18 ).

22

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie stellt die Bewertung des Arbeitsgerichts in Frage, die Kündigung sei mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, weil die erheblichen Pflichtverletzungen der Klägerin einen irreparablen Vertrauensverlust begründet hätten und damit bereits eine negative Prognose vorgelegen habe. Damit hat die Beklagte Umstände bezeichnet, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sich nicht hinreichend mit dem Prognoseprinzip auseinandergesetzt, auf welches das erstinstanzliche Urteil unter anderem gestützt sei, verkennt, dass die Beklagte sich hiermit durchaus befasst, eine negative Prognose aber anders als das Arbeitsgericht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung als gegeben erachtet hat.

23

2. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

24

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen(BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20; zu § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 19; 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO mwN). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 39).

25

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

26

c) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.

27

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Ein Rechtsfehler ist diesbezüglich weder aufgezeigt noch objektiv ersichtlich.

28

(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 33; 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 11 f.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 24, BAGE 125, 208).

29

(2) Beim Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 handelt es sich um eine atypische Willenserklärung. Deren Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu prüfen.

30

(3) Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

31

bb) Hatte die Beklagte demnach nicht auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, bleibt nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts unklar, inwiefern dem Umstand, dass sie ihre Erwartungen an die Klägerin nicht klar genug formuliert habe, für die soziale Rechtfertigung der Kündigung „entscheidende Bedeutung“ zukomme.

32

(1) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe durch eine unklare Formulierung dazu beigetragen, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist die erwarteten Erklärungen abgegeben habe. Dies sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zu würdigen.

33

(2) Wie es diese Würdigung vorgenommen, insbesondere welche weiteren Umstände es in seine Erwägungen einbezogen hat, lässt sich dem Berufungsurteil jedoch nicht entnehmen. Es bleibt sowohl offen, welche Äußerungen der Klägerin das Landesarbeitsgericht überhaupt als Pflichtverletzungen gewertet noch welche Schwere es ihnen ggf. beigemessen hat.

34

cc) Sollte der Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Vorstellung zugrunde gelegen haben, es sei ausreichend, dass die Beklagte eine Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage zunächst selbst für möglich gehalten habe, läge darin eine Verkennung der Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab(für den wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; HK-ArbR/Griebeling 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 58; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 22). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349 ). An der danach erforderlichen Prüfung, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach den objektiv gegebenen Umständen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - auch ohne eine vorherige Abmahnung - gerechtfertigt war, fehlt es bislang.

35

3. Der Senat kann die Würdigung, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, nicht selbst vornehmen. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen.

36

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 43; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 f .; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.). Mit den E-Mails vom 21. September 2008 und 5. Februar 2009 kann eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die - amerikanischen - Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche - wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen - nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedarf es der Auslegung der E-Mails gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Daran fehlt es bisher. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, ist bislang nichts ersichtlich. Den Parteien wird insofern Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

b) In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21. September 2008 kann eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30. März 2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45).

38

c) Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 5. Februar 2009 wird durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen ist. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 19), wie die Beklagte gemeint hat, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin hat ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

39

d) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, wird es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen haben, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar war, das Arbeitsverhältnis - ggf. nach Abmahnung - auf Dauer fortzusetzen.

40

aa) Hierbei kann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gab, wie sie behauptet hat. Das wird das Landesarbeitsgericht ggf. näher aufzuklären haben. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin - wie sie geltend gemacht hat - in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck hatte, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

41

bb) Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung - objektiv - unzumutbar war, kann außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, mag dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits hat sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies hat sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

42

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

43

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gem. Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

44

aa) Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert(BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46).

45

bb) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO; Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO).

46

b) Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. April 2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet.

47

aa) Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung hatte die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin wurden ebenso in Bezug genommen wie das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009. Die Beklagte teilte ihre Einschätzung mit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails verwies die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen.

48

bb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme waren diese Anlagen - einschließlich der Anlage „2c“ - dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt.

49

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Es ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Seine Würdigung muss in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 37, BAGE 149, 355; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21).

50

(2) Das Landesarbeitsgericht hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen hielt, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E zum Teil widersprachen. Es hat dies nachvollziehbar auf eine Verunsicherung durch die dem Zeugen gestellten Zwischenfragen zurückgeführt. Maßgeblich war für das Landesarbeitsgericht, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21. April 2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es hat daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

51

cc) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe einen von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis über die Dauer der Verlesung von 29 Textseiten übergangen, ist unzulässig. Die Klägerin hat die erforderliche Kausalität zwischen dem vermeintlichen Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils nicht aufgezeigt (zu diesem Erfordernis vgl.: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

52

(1) Die Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten hätte die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden erschüttert, so dass das Landesarbeitsgericht ihre Glaubhaftigkeit deutlich zurückhaltender beurteilt hätte. Weder innerhalb der nur eine Stunde dauernden (ersten) Betriebsratssitzung noch unter Berücksichtigung einer Befassung in einer weiteren Sitzung hätten die gesamten Unterlagen verlesen werden können.

53

(2) Die Klägerin verkennt, dass für das Landesarbeitsgericht die zu veranschlagende Dauer für eine Verlesung der Anlagen nicht entscheidungserheblich war. Dieses hat lediglich angenommen, der Betriebsrat habe sich mit der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung in zwei Sitzungen befasst. Es ist nicht davon ausgegangen, dass dabei die Anlagen verlesen worden seien. Auch der Zeuge E hat lediglich bekundet, nach seiner Erinnerung habe er alle Unterlagen vorgelesen.

54

dd) Die Anhörung des Betriebsrats war nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Allerdings ist die Angabe in dem Anhörungsschreiben falsch gewesen. Die Klägerin war nicht einem, sondern drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Für das Landesarbeitsgericht stand aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Insofern bedarf keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten Kenntnis von der zutreffenden Anzahl der Unterhaltspflichten der Klägerin jedenfalls aufgrund der Angabe in ihrer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen war. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass sich aus ihrer Lohnsteuerkarte nur ein zu berücksichtigendes Kind ergeben habe. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin kannte, war ebenfalls erkennbar, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin handeln konnte.

55

ee) Einer näheren Darlegung im Rahmen der Anhörung, wie die Beklagte die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hatte, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, implizierte eine Abwägung zulasten der Klägerin (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

56

c) Die Beklagte hat die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag.

57

II. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie über die Anträge der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Den Auflösungsantrag hat die Beklagte nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin Erfolg hat. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ausdrücklich nur für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Da er nur dann Erfolg haben kann, wenn außerdem der Auflösungsantrag abgewiesen wird, steht er konkludent auch unter dieser weiteren - innerprozessualen - Bedingung. Ebenso ist der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag zu verstehen, da die Klägerin mit ihm nach dem vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten und von ihr nicht beanstandeten Verständnis ein Zwischenzeugnis nur für den Fall des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses begehrt.

58

III. Über die Revision der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, entsprechend der materiell- und prozessrechtlichen Lage nur für den Fall weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags, dass sie mit ihrem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, Erfolg hat. Diese - innerprozessuale - Bedingung ist nicht eingetreten. Von der Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der erfolgreichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag sind im Übrigen die Entscheidungen über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Anträge der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits erfasst.

59

IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat - sollte das Landesarbeitsgericht wiederum über den Auflösungsantrag zu entscheiden haben - darauf hin, dass es diesem mit der bisherigen Begründung nicht stattgeben durfte.

60

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 3 b aa der Gründe; BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 d cc der Gründe; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 114, 362).

61

2. Das Landesarbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu Recht angenommen, die Beklagte sei mit Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst in der Berufungsinstanz beantragt hat. Im Gesetzeswortlaut ist eine solche Beschränkung der für die Zukunftsprognose zu berücksichtigenden Gründe nicht angelegt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck der Norm. Nur aus einer umfassenden Gesamtschau der zum Zeitpunkt der Auflösungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann eine gesicherte Prognose darüber getroffen werden, ob für die Zukunft noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu erwarten ist. Dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nicht weit zurückliegende Vorfälle ohne Aussagekraft für die zukünftig zu erwartende Zusammenarbeit als Auflösungsgründe heranzuziehen, ist dadurch Rechnung getragen, dass es auf die Beurteilung der objektiven Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe).

62

3. Die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - verfassungskonform(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

63

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist trotz sozial ungerechtfertigter Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht zu erwarten ist. Die Bestimmung dient damit ebenso wie die übrigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein über die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehender Bestandsschutz ist durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - aaO).

64

b) Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränkt nicht in grundrechtswidriger Art und Weise die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr - auch unter Berücksichtigung von § 10 KSchG - um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden bei Erklärung einer sozial ungerechtfertigten Kündigung erst dann zu grundrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers durch das Gericht zurückgewiesen wird (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 3 der Gründe, BAGE 46, 42).

65

c) Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor (BVerfG 13. August 1991 - 1 BvR 128/87 - zu II der Gründe; 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 46, 42). Dem Gesetzgeber obliegt es, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Grundrechtsprinzipien angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Durch die §§ 9, 10 KSchG wird keiner dieser Grundsätze verletzt. Für den Arbeitnehmer ist im Kündigungsschutzprozess von Anfang an erkennbar, dass ein Verzugslohnanspruch von der Möglichkeit eines Auflösungsantrags beschränkt ist und dass dieses Gestaltungsinstrument bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung gegeben ist (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Die gesetzliche Vorgabe, den Auflösungszeitpunkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses bei unterstellter Wirksamkeit der Kündigung zu bestimmen, liegt ebenfalls innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 2 der Gründe, aaO). Der Einwand der Klägerin, damit habe es allein der Arbeitgeber in der Hand, die Auflösung herbeizuführen, trifft nicht zu. Voraussetzung für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist neben einem Antrag des Arbeitgebers, dass die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nach Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

66

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei für die Zukunft nicht zu erwarten, wird jedoch von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.

67

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lasse nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder aufträten, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen würden. Es hat die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten aufgrund der unter II 2 c cb der Entscheidungsgründe aufgeführten Umstände als gegeben erachtet. Dieses Ergebnis hat es - soweit ersichtlich - aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände gewonnen und nicht angenommen, jeder dieser Faktoren rechtfertige bereits für sich genommen die Auflösung.

68

b) Zumindest der Gesichtspunkt, der Klägerin sei es auch im Berufungsverfahren „nicht gelungen, von ihrem ‚Angriffsmodus’ abzukehren“, lässt nicht erkennen, welche Tatsachen das Landesarbeitsgericht insoweit zugrunde gelegt hat. Zudem wird aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich, ob und ggf. inwiefern das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung darauf Bedacht genommen hat, dass das Verhalten einer Partei in einem Gerichtsverfahren durch berechtigte Interessen gedeckt sein kann. Die Verfahrensbeteiligten dürfen zur Rechtsverteidigung alles vortragen, was rechtserheblich sein kann und sich dabei auch starker, eindringlicher Ausdrücke und Schlagworte bedienen, selbst wenn eine vorsichtigere Formulierung möglich gewesen wäre (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22).

69

c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich auch nach der Kündigung nicht in ausreichendem Maße mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 3. April 2009 auseinandergesetzt, bleibt unklar, weshalb es für sie noch nach Ausspruch der Kündigung Veranlassung gegeben habe, sich um eine „Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person“ zu bemühen, bzw. weshalb dies „nahegelegen“ habe. Das Landesarbeitsgericht hat auf die „Bildung“ der Klägerin und ihr „selbst in Anspruch genommene(s) internationale(s) Format(…)“ verwiesen. Es hat aber nicht gewürdigt, dass die Beklagte selbst durch die Erklärung der Kündigung zu verstehen gegeben hatte, dass sie für eine künftige Zusammenarbeit mit der Klägerin keine Grundlage mehr sah.

70

d) Mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Strafanzeige, die die Klägerin gegen Mitarbeiter der Beklagten erstattet habe, fehlt es an Feststellungen sowohl zu ihrem näheren Inhalt als auch zu den Umständen ihrer Erstattung.

71

e) Für die Beurteilung, ob der offene Brief an die Bundeskanzlerin einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegensteht, ist nicht unerheblich, welchen Kreisen von Lesern er zugänglich war und wie lange die Veröffentlichung zurückliegt. Dazu sind bislang keine Feststellungen getroffen. Bei der Würdigung der in dem Brief enthaltenen Aussagen ist überdies angemessen auf die Meinungsfreiheit der Klägerin Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35).

72

f) Entsprechendes gilt für die Kritik der Klägerin am Betriebsrat.

73

aa) In der E-Mail vom 23. April 2009 hat die Klägerin es als bedauerlich bezeichnet, dass sich „die Arbeitnehmervertretung (…) derart dämlich verhält“. Insofern bedarf der Auslegung, ob dies für die Mitglieder des Betriebsrats als gegen sie - alle - persönlich gerichtete Kritik zu verstehen war. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Erklärung aber noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Person herabsetzen soll (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).

74

bb) Die E-Mail vom 31. August 2009 schließt „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“. Die Klägerin hat darin aber auch die im Zusammenhang mit der Kündigung stehenden Ereignisse und die - vermeintliche - Rolle des Betriebsrats dabei aus ihrer Sicht dargestellt. Sie hat dem Betriebsrat in der Sache vorgeworfen, sowohl den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Zugriff auf ihr E-Mail-Konto gebilligt zu haben als auch eine gesetzeswidrige Öffnung der Büroschränke.

75

g) Hinsichtlich aller geltend gemachter Auflösungsgründe bedarf im Übrigen der Prüfung, ob und inwiefern ihnen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, weiterhin Bedeutung für eine zukünftige Zusammenarbeit der Parteien zukommt.

76

h) Ein Teil des Vorbringens der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags ist bislang unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte hat sich auf „zahlreiche Äußerungen (der Klägerin) gegenüber der Presse“ berufen, was auch die Namen der Mitarbeiter, gegen die sie Strafanzeige gestellt habe, umfasse.

77

V. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Für den Senat stellen sich keine für seine Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht. Es bedarf auch keiner näheren Untersuchung, ob die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen nicht nur die Anwendung, sondern die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Bislang ist nicht festgestellt, dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, sie werde diskriminiert, nicht reagiert hätte.

        

    Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft
ist infolge seiner Versetzung in den Ruhestand
mit Ablauf des 31. Januar 2016 an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Berger    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Niebler    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.

2

Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

        

㤠1

        

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.

        

….    

                 
        

§ 7

        

Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“

3

Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:

        

„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“

4

Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.

6

Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.

12

1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

13

2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.

14

II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

15

1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.

16

Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.

17

2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

18

a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.

19

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).

20

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

21

b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.

23

c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:

24

aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).

25

Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).

26

bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

27

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).

28

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).

29

(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

30

(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.

31

d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

32

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.

33

a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.

34

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).

35

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.

36

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.

37

Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.

38

III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.

39

Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Alex    

        

    Frese    

        

        

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.02.13, AZ: 9 Ga 2/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darüber, ob und unter welchen Umständen der Verfügungskläger, der bislang als Betriebsratsvorsitzender freigestellt war, verpflichtet ist, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.

2

Der Verfügungskläger ist seit 01. Januar 1990 bei der Klimageräte fertigenden Verfügungsbeklagten beschäftigt. Zuletzt war er ab 1. November 1992 in die Lohngruppe D 1 als Prüfer eingestuft. Seit 1998 ist der Verfügungskläger Mitglied des bei der Verfügungsbeklagten gewählten Betriebsrates und seit 1999 dessen Vorsitzender. Er ist seit Juli 2001 gemäß § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG als einziges Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Zuletzt wurde der siebenköpfige Betriebsrat am 09. März 2010 gewählt. Die Verfügungsbeklagte gewährt dem Verfügungskläger seit Oktober 2010 im Rahmen des beruflichen Entwicklungsschutzes Vergütung nach der Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RPS-Koordinator) mit einer weiteren Zulage von 400,00 Euro. Der Verfügungskläger hat an einer Fortbildung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 bislang nicht teilgenommen und war in der Lohngruppe F2 auch nicht tätig.

3

Die Zahl der Mitarbeiter der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten, die in der Vergangenheit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeiter bzw. Leiharbeitnehmer beschäftigte, entwickelte sich seit Juli 2012 ebenso wie die Zahl der von der Verfügungsbeklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer rückläufig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine vorübergehende Personalschwankung handelt. Die Zahl der Belegschaftsmitglieder einschließlich der Verwaltungsmitarbeiter stellt sich von Juli 2012 bis Januar 2013 unter Berücksichtigung des Krankenstandes und der Urlaubsabwesenheiten - vom Verfügungskläger im Berufungsrechtszug zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt - wie folgt dar:

4

Monate

Stammgesellschaft

Leiharbeitnehmer

Krankheits- und
Urlaubsabwesenheit

Juli
2012

227     

19    

59    

August
2012

217     

21    

57    

September 2012

208     

21    

50    

Oktober
2012

194     

17    

42    

November
2012

187     

12    

28    

Dezember
2012

184     

0       

34    

Januar
2013

183     

0       

        
5

Die Verfügungsbeklagte, die mit dem Betriebsrat in der Vergangenheit zahlreiche Beschlussverfahren geführt hat, ua. hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern, teilte dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 mit, auf der Basis des voraussichtlich auch im 1. Quartal 2013 nicht verbesserten rückläufigen Auftragsvolumens seien alle noch verbliebenen Leiharbeitnehmer abgekündigt worden; da die Anzahl der regelmäßigen Beschäftigten künftig deutlich unter der Grenze des § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG liege, entfalle die Freistellung des Verfügungsklägers. Die Verfügungsbeklagte kündigte an, den Verfügungskläger ab 07. Januar 2013 wieder im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzusetzen und schlug verschiedene Tätigkeiten in der Produktion zur Abstimmung vor, nicht jedoch eine Tätigkeit in Lohngruppe F2 als Schichtführer/RPS-Koordinator. In seiner Sitzung vom 11. Dezember 2012 beschloss der Betriebsrat vorsorglich, den Verfügungskläger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender vollständig von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen.

6

Der zuletzt arbeitsunfähig erkrankte Verfügungskläger hat am 14. Januar 2013 vorliegendes Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz beim Arbeitsgericht eingeleitet, mit dem er die Aufhebung der Arbeitszuweisung durch die Verfügungsbeklagte unter weiterer Freistellung begehrt und hilfsweise verlangt hat, ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme seiner Tätigkeit zu geben bzw. die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme zu unterlassen, bis ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung gegeben worden sei.

7

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich - unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - im Wesentlichen geltend gemacht, die Weisung vom 05. Dezember 2012 stelle den letzten Schritt im Rahmen der arbeitgeberseitigen Attacken gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden dar. Er sei weiter freizustellen, da ein dauerhaftes Absinken der Belegschaftsstärke nicht zu erwarten sei, die nahezu während seiner gesamten drei Amtsperioden über der Grenze von 200 Arbeitnehmern gelegen habe. Hiervon könne insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Betriebsrat stets behauptet habe, hinsichtlich der Auftrags- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können. Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Auftragszahlen würden mit Nichtwissen bestritten. Vorübergehende Schwankungen der Belegschaftsstärke seien irrelevant. Der Verfügungskläger hat vorgetragen, im Übrigen sei wegen der zahlreichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat seine vollständige Freistellung auch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt. Der Verfügungskläger hat die Auffassung vertreten, seine Rückkehr auf den Arbeitsplatz sei erst möglich, wenn er über die für seine zuletzt innegehabte Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RSP-Koordinator) erforderliche Qualifikation verfüge, da eine Beschäftigung unterhalb der Lohngruppe F2 dem betrieblichen Entwicklungsschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG widerspreche. Die Eilbedürftigkeit für das von ihm angestrengte, seine arbeitsvertragliche Position betreffende Individualverfahren ergebe sich aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte ganz offenbar beabsichtige, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, da sie in den geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten habe.

8

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt,

9

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

10

hilfsweise,

11

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

12

hilfsweise,

13

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

14

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

15

die Anträge zurückzuweisen.

16

Sie hat - unter Vorlage Eidesstattlicher Versicherungen des J H (undatiert), des R L vom 30. Januar 2013 und des H M vom 30. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Hauptantrag könne nicht im Urteilsverfahren, sondern müsse im Beschlussverfahren anhängig gemacht werden. Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass ein Verfügungsanspruch nicht bestehe, weil die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend unter den Schwellenwert nach § 38 BetrVG abgesunken sei, weshalb der Freistellungsanspruch automatisch entfalle. Die Grobplanung 2013 sehe monatlich etwa 175 bis 180 Mitarbeiter vor. Sie habe sich entschlossen, außer in Sonderfällen (Krankheits- und Urlaubsvertretung in den zwei Haupturlaubsmonaten) die Abrufe von Leiharbeitnehmern auf Null zu reduzieren. Ihre einzige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, habe sich aufgrund von stark schwankender Zuverlässigkeit und Liefertreue bei der Verfügungsbeklagten entschieden, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten verstärkt an andere Produktionsgesellschaften zu vergeben, da die Geräte auch an anderen Standorten der L Group in Italien, den USA, China und Indien gefertigt werden könnten. Die derzeit vorgesehene Produktionskapazität betrage 340 Kühlgeräte täglich, wobei die Arbeitnehmerkapazität nach der Formal zwei Geräte pro Mitarbeiter pro Tag umgerechnet werden könne. Bei der gegebenen Kapazitätsplanung führe das dazu, dass im Jahr 2013 die Auftragslage jedenfalls nicht für mehr als 180 Arbeitnehmeräquivalente ausreichen werde. Dieser Prognose stehe nicht entgegen, dass die konkrete Schicht- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von einem Monat besitze, da sich diese Planung - unabhängig davon, dass die grundsätzliche Personalkapazitätsplanung wie dargestellt erfolge - erst vornehmen lasse, wenn mit einem Vorlauf von ca. einem Monat feststehe, wie der effektive Auftragseingang aussehe. Angesichts der Ankündigung ihrer Auftraggeberin sei mit höheren Auftragszahlen, die in der Vergangenheit mit Leiharbeitnehmern abgedeckt worden seien, in Zukunft nicht zu rechnen, wobei sie nicht gedenke, sich wie in der Vergangenheit in monatliche Streitigkeiten nach §§ 99, 100 BetrVG mit dem Betriebsrat zu begeben, um kurzfristig eingehende Mehraufträge mit Leiharbeitnehmern abdecken zu können. Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es fehle auch am Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger durch die Freistellungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG bei konkret anfallender Betriebsratsarbeit ausreichend geschützt sei. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und -grund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe keinen Anspruch auf - insoweit unverständlich, unspezifisch und pauschal - „Fortbildung und Einarbeitung“ vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit, zumal Arbeitsplätze als Schichtführer und RPS-Koordinatoren derzeit nicht frei seien und auch nicht frei würden.

17

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge mit Urteil vom 05. Februar 2013 (Bl. 96 - 107 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, der Hauptantrag sei im Urteilsverfahren zulässig, da der Verfügungskläger nach seiner Auswahl zur Freistellung durch den Betriebsrat zu Beginn seiner Amtszeit einen abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung habe. Es fehle dem Hauptantrag jedoch sowohl am im Verfahren auf Einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsanspruch, als auch am Verfügungsgrund. Die Arbeitnehmerzahl des Betriebes der Verfügungsbeklagten sei seit November 2012 auf unter 200 Arbeitnehmer prognostisch dauerhaft abgesunken. Die völlige Freistellung des Verfügungsklägers sei zwar gegebenenfalls in Betracht gekommen, wenn sie weiterhin erforderlich gewesen sei. Hierfür fehle es jedoch am nötigen substantiierten Tatsachenvortrag des Verfügungsklägers, zumal derzeit lediglich drei weitere weitgehend ausgeschriebene Verfahren beim erkennenden Gericht anhängig seien und weitere Verfahren zur Einstellung von Leiharbeitnehmern, die der Betriebsrat im Übrigen immer gleichlautend abgelehnt habe, angesichts des glaubhaft gemachten Vortrags der Verfügungsbeklagten nicht zu erwarten seien. Die Angelegenheit sei angesichts des Rechts zur anlassbezogenen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch nicht dringlich. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe nicht vorgetragen, dass im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes die verlangte berufliche Entwicklung möglich sei. Da angesichts der bisherigen Freistellung von drei Amtsperioden der Zeitraum der Nachholung zwei Jahre betrage, sei auch keine Dringlichkeit gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 bis 107 ff. d. A. Bezug genommen

18

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 11. Februar 2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 06. März 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

19

Der Verfügungskläger macht mit der Berufungsbegründung und mit den weiteren Schriftsätzen vom 10. April 2013 und 08. Mai 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d. A.; 202 ff. d. A.; 231 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend,

20

das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Arbeitnehmerzahl werde dauerhaft unter 200 liegen. Im Hinblick auf die gerichtsbekannten Streitigkeiten über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit und der Herbeiführung eines Tarifvertrages müsse davon ausgegangen werden, dass die etwaige - schriftlich nicht vorgelegte - Ankündigung der Auftragsverlagerungen durch die R GmbH & Co. KG ins Ausland als reines Druckmittel in den Auseinandersetzungen eingesetzt werde und sich die Auftragsvergabe schlagartig ändern werde, sobald den Wünschen des dortigen Geschäftsführers Herrn F L bei den Verhandlungen Rechnung getragen worden sei. Der von der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren behauptete weitere Personalabbau von 15 Stellen im März 2013, der ihm angesichts seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt sei, werde bestritten. Im Übrigen habe der Arbeitgeber, der sich auf eine rückläufige Belegschaftszahl berufen und das bisher freigestellte Betriebsratsmitglied wieder zur Arbeit auffordern wolle, im Streitfall eine gerichtliche Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren herbeizuführen. Hinsichtlich der trotz reduzierter Belegschaftsstärke unveränderten Arbeitsbelastung des Betriebsratsvorsitzenden werde nunmehr eine Aufstellung der einzelnen regelmäßig anfallenden Aufgaben vorgelegt (Bl. 156 d. A.), aus der sich ein täglicher Arbeitsaufwand in Höhe von ca. 8,5 Stunden im Mittelwert ergebe, wobei noch im einzelnen dargestellte Aufgaben hinzukämen, die in längeren Zeitrhythmen anfielen (Bl. 157 d. A.). Hinzu komme die durch das Arbeitsgericht nicht näher bewertete zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat, welche durch die Drohungen der Geschäftsführung bzw. des Herrn L, den Betrieb zu schließen bzw. Arbeitnehmer zu entlassen, in den Betrieb hineingetragen worden seien. Auch wenn er nur Durchschnittswerte angeben könne, sei damit der Zeitaufwand für Betriebsratstätigkeiten bestimmbar. Der Vortrag der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren, sein Stellvertreter verrichte derzeit lediglich 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit werde mit Nichtwissen bestritten; zudem habe dieser ihm telefonisch bestätigt, dass die bisher weitgehend von ihm erledigten Aufgaben nunmehr auch auf die Übrigen Betriebsratsmitglieder verteilt seien. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass angesichts der Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung nicht davon ausgegangen werden könne, dass Freistellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 BetrVG hingenommen würden und es ihm nicht zuzumuten sei, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein. Der Verfügungskläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe bei der Beurteilung der Hilfsanträge die Darlegungs- und Beweislast verkannt, da die Arbeitgeberseite vortragen müsse, dass und welche zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten seiner Beschäftigung in der Funktion des Schichtführers bzw. RPS-Koordinators entgegenstehen. Auch verkenne das Arbeitsgericht durch den Verweis auf die Zweijahresfrist, dass der Arbeitgeber die Durchführung von geeigneten Fortbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen nicht auf den berühmten „Sanktnimmerleinstag“ verzögern dürfe. § 37 Abs. 5 BetrVG enthalte eine partielle Versetzungssperre. Außerdem habe die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG zur streitgegenständlichen Maßnahme nicht eingeholt. Der Hilfsantrag zu 3) werde im Hinblick auf das zwischenzeitlich eingeleitete Hauptsacheverfahren gestellt.

21

Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,

22

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

23

hilfsweise,

24

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

25

hilfsweise,

26

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

27

hilfsweise,

28

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Versetzung des Verfügungsklägers in die Produktion gemäß Schreiben vom 05. Dezember 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit dem Aktenzeichen 9 Ca 1305/13 zu unterlassen.

29

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

30

die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 15. April 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 186 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor,

32

die Prognose des Arbeitsgerichts, die Belegschaftsstärke liege dauerhaft unter 200, sei zutreffend und müsse auch nicht revidiert werden. Da die geplanten Aufträge der R GmbH & Co. KG nicht in vollem Umfang eingegangen seien, sei im März 2013 eine weitere Reduktion der Beschäftigtenzahl um 15 Personen eingeleitet worden. Der gesamte übrige Vortrag der Beschwerdeschrift bestehe in den aus den übrigen Verfahren bekannten, üblichen allgemeinen Vorwürfen gegenüber der Verfügungsbeklagten und würden inzwischen nicht mehr beantwortet. Angesichts § 37 Abs. 2 BetrVG sei ein Verfügungsgrund nicht gegeben. Eine dauerhafte Freistellung für die Zukunft sei nicht erforderlich. Derzeit gebe es keine gerichtliche Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In seiner Aufstellung gebe der Verfügungskläger im Einzelnen benannte Tätigkeiten an, welche - aus im einzelnen dargelegten Gründen - betriebsverfassungsrechtlich nicht relevant, substanzlos oder nicht erforderlich seien, mehrfach benannt würden, täglich nicht anfielen oder nicht den Tatsachen entsprächen, zumal der Stellvertreter des erkrankten Verfügungsbeklagten mit weniger als 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit auskomme. Auch für den Hilfsantrag sei weder ein Anspruch auf Schulung vor Arbeitsbeginn ersichtlich, noch Eilbedürftigkeit.

33

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

A. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist in der Sache nicht erfolgreich.

35

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und hinreichend begründet

36

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Haupt- und Hilfsanträge des Verfügungsklägers im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Auch hinsichtlich des vom Verfügungskläger im Berufungsverfahren zur Entscheidung gestellten weiteren Hilfsantrags blieb das Rechtsmittel erfolglos. Die Berufung war zurückzuweisen.

37

1. Der zulässige Hauptantrag ist nicht begründet. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, die Weisung zurückzunehmen, die Arbeit in der Produktion wieder aufzunehmen, und ihn auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen.

38

1.1. Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere ergeben sich keine Bedenken hinsichtlich der zutreffenden Verfahrensart. Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger sein Hauptbegehren vorliegend im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG verfolgen konnte. Die Berufungskammer hat gemäß § 65 ArbGG hinsichtlich des Hauptantrags nicht mehr die erstinstanzlich zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen, ob das Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart ist.

39

1.1.1. Gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob die Verfahrensart zulässig ist. Von diesem Grundsatz ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluss, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart mitentschieden hat (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 09; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - Rn. 63, jeweils zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 65 Rn. 14; Hauck/Helml-Hauck ArbGG 3. Aufl. § 65 Rn. 5; ebenso zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 21. Mai 1999 - 5 AZB 31/98 - Rn. 37, zitiert nach juris). Der beschwerten Partei steht in einem solchen Falle entweder das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde oder das Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Verfügung, es gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung. Das Rechtsmittelgericht ist in diesem Falle berechtigt, auch die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges oder der Verfahrensart bzw. Zuständigkeit zu überprüfen (BAG 26. März 1992 - 2 AZR 443/91 - Rn. 40 ff. zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann ArbGG § 65 ArbGG Rn. 14 aaO; vgl. Hauck/Helml-Hauck ArbGG § 65 Rn. 5 aaO). Hat das Arbeitsgericht trotz erhobener Rüge verfahrensfehlerhaft keine Vorabentscheidung getroffen, wird die Rüge im Berufungsverfahren jedoch nicht mehr wiederholt, ist das Landesarbeitsgericht an einer erneuten Prüfung gemäß § 65 ArbGG gehindert(vgl. zur Rechtswegrüge: Schwab Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 286).

40

1.1.2. Danach stand der Berufungskammer nach § 65 ArbGG die Prüfung, ob das Urteilsverfahren vorliegend die zutreffende Verfahrensart war, nicht zu. Zwar hat das Arbeitsgericht trotz entsprechender Rüge der Verfügungsbeklagten über die Frage der Verfahrensart nicht im Wege des Vorabbeschlusses entschieden, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache angenommen, das Urteilsverfahren sei die zutreffende Verfahrensart, obwohl auch das um vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 937 ff ZPO ersuchte Gericht die Zulässigkeit der beschrittenen Verfahrensart gemäß § 17a GVG zu prüfen hat(vgl. zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 25. Mai 2000 - 5 AZB 66/99 - Rn. 9; LAG Sachsen 10. Dezember 2008 - 2 SaGa 19/08 - Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Da die Verfügungsbeklagte als insoweit beschwerte Partei jedoch weder ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Verfahrensart ergriffen, noch an ihrer Rüge zur zutreffenden Verfahrensart im Berufungsverfahren festgehalten hat, verblieb es bei der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Berufungskammer nach § 65 ArbGG.

41

1.2. Der Hauptantrag ist in der Sache nicht erfolgreich. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.

42

1.2.1. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob dem Verfügungskläger der erforderliche Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zusteht, von der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion - auch nur einstweilen - abzusehen und ihn weiter als Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeitsleistung freizustellen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Voraussetzungen für eine weitere Freistellung des Verfügungsklägers weder nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, noch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gegeben sind.

43

a) Nach der Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten ist eine weitere Freistellung des Verfügungsbeklagten gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht länger gerechtfertigt.

44

aa) Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der Betriebsgröße abhängig. Maßgeblich hierfür ist die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 7 ABR 3/03 - jeweils zitiert nach juris). Gemäß 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte gewählt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden, im Rahmen ihrer Freistellung widmen sie sich nur noch der Erfüllung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Sie unterliegen insoweit auch nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Fitting 26. Aufl. § 38 Rn. 77; DKK-Wedde 11. Aufl. § 38 Rn. 62; vgl. Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 36; MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 § 220 Rn. 65).

45

Zur Beurteilung, wie viele Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG von einem Arbeitgeber in der Regel beschäftigt werden, ist auf den Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses abzustellen. Denn in der Vorschrift wird die Mindestanzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder geregelt, um Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber zu vermeiden, ob die Freistellungen im Einzelfall erforderlich sind. Die Erforderlichkeit wird deshalb - gestaffelt nach der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl - unwiderleglich vermutet. Um damit Freistellungen rechtfertigen zu können, muss die Erforderlichkeit, dh. also die Arbeitnehmerzahl, gegenwärtig sein. Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen (BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 20, vgl. auch BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 31, jeweils zitiert nach juris). Die Zahl der Freistellungen kann sich daher im Laufe einer Amtszeit - in beide Richtungen - ändern (MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 Rn. 48; ErfK-Koch 13. Aufl. § 38 BetrVG Rn. 1, Fitting aaO § 38 Rn. 15; Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG aaO § 38 Rn. 10 DKK-Wedde aaO § 38 Rn. 10).

46

bb) Vorliegend ist die Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten nicht nur vorübergehend unter 200 Arbeitnehmer gesunken und der Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daher nicht mehr erreicht.

47

Auch wenn die Belegschaftsstärke in der Vergangenheit überwiegend über dem Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelegen haben mag, ist die Prognose gerechtfertigt, dass der Schwellenwert bis zum Ende der aktuellen Amtszeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der nächsten Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 nicht mehr überschritten wird. Zwischen den Parteien ist zuletzt nicht mehr streitig, dass die Zahl der Beschäftigten der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten in den Monaten Oktober 2012 (194), November 2012 (187) und Dezember 2012 (184) jeweils unter 200 lag. Auch im Januar 2013 ist dies mit 183 Mitarbeitern der Fall. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Verfahren zur Akte gereichten Eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre alleinige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten im Jahr 2013 verstärkt an andere Produktionsgesellschaften im Ausland vergeben werde, weshalb nur noch eine durchschnittliche Produktionskapazität von ca. 340 Kühlgeräten zu erwarten sei, was rechnerisch zu einem Personalbedarf von ca. 175 Mitarbeiter führen werde.

48

Es besteht keine Veranlassung, die Prognose in Zweifel zu ziehen, der unterste Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werde dauerhaft bis zum Ende der Amtszeit unterschritten. Auch ohne Berücksichtigung des vom Verfügungskläger bestrittenen weiteren Personalabbaus von 15 Mitarbeitern im März 2013 wird der Schwellenwert von 200 Mitarbeitern angesichts der unstreitigen Zahlen nicht erreicht. Auch der Verfügungskläger stellt nicht in Abrede, dass die Verfügungsbeklagte Leiharbeitnehmer nicht länger abgerufen hat und Befristungen nicht verlängert wurden. Soweit er bemängelt, die Verfügungsbeklagte habe in der Vergangenheit stets behauptet, wegen der Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können, hat die Verfügungsbeklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die genaue Produktions- und Personalplanung erst nach Eingang der konkreten Aufträge und daher erst mit einem Vorlauf von etwa einem Monat möglich ist. Mit der - keinem Schriftformerfordernis unterliegenden - Ankündigung der einzigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten, künftig weniger Aufträge bei der Verfügungsbeklagten in Produktion geben zu wollen, steht dies nicht in Zusammenhang. Soweit der Verfügungskläger anführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Auftragsvergabe als reines Druckmittel benutzt und sich schlagartig wieder ändern werde, sobald den Wünschen des Geschäftsführers der alleinigen Auftraggebergesellschaft L bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat Rechnung getragen worden sei, berührt dies die Prognose nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass ausreichende Anhaltspunkte für diese bloße Vermutung des Verfügungsklägers nicht ersichtlich sind, verkennt dieser, dass die Frage der Art und Weise der Auftragsvergabe ausschließlich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der alleinigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten obliegt.

49

b) Auch die Voraussetzungen einer generellen Freistellung des Verfügungsklägers nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht gegeben.

50

aa) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Für Betriebe, deren Belegschaftsstärke in der Regel 200 Arbeitnehmer nicht überschreitet, kann in Ausnahmefällen nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs. 2 BetrVG die völlige oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes geboten sein, wenn diese Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist(vgl. BAG 13. November 1991 - 7 ABR 5/91 - Rn. 18; 2. April 1974 - 1 ABR 43/73 - Rn. 12; jeweils zitiert nach juris). Voraussetzung für die zusätzliche Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds ist die Darlegung, dass nach Art und Umfang des Betriebes die zusätzliche Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist (vgl. BAG 22. Mai 1973 - 1 ABR 10/73 -; 9. Oktober 1973 - 1 ABR 29/73 -, jeweils zitiert nach juris). Hinsichtlich des Umfanges der Darlegungslast ist zu berücksichtigen, dass für den Regelfall der Bedarf an Freistellungen bereits durch § 38 BetrVG abgedeckt ist(vgl. BAG Urteil vom 21. November 1978 - 6 AZR 247/76 -, zitiert nach juris). Es sind daher Abweichungen von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG gesetzlich unterstellten Normalfall darzutun, aufgrund derer die Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrates in zeitlicher Hinsicht derart erhöht ist, dass eine zusätzliche generelle Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes für die gesamte Amtszeit erforderlich ist. Aus dem Tatsachenvortrag muss ersichtlich werden, dass weder die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Betriebsratsmitglieder noch die Möglichkeit konkreter Freistellungen der übrigen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichen, um sämtliche erforderlichen Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Dazu ist die so detaillierte Beschreibung der besonderen Umstände erforderlich, dass die sich daraus voraussichtlich ergebenden zeitlichen Belastungen zumindest bestimmbar werden. Da die erstrebte über § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellung für die gesamte restliche Amtszeit erfolgen soll, muss aus dem Tatsachenvortrag überdies für das Gericht erkennbar werden, dass die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung für diese gesamte Restdauer der Wahlperiode besteht. Wenigstens eine Schätzung des Mindestumfanges der zeitlichen Mehrbelastung des gesamten Betriebsrates muss möglich sein. Die Untergrenze der regelmäßigen Mehrbelastung muss daher nach dem Tatsachenvortrag einer Pauschalierung zugänglich sein. Zugleich muss die Darlegung der zeitlichen Mehrbelastung des Betriebsrates so detailliert sein, dass dem Arbeitgeber eine sachliche Erwiderung möglich ist (vgl. insoweit zur Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds: BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 29 ff, zitiert nach juris).

51

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Verfügungskläger nicht dargelegt, dass seine Freistellung trotz Nichterreichens des Schwellenwertes des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gerechtfertigt ist. Der Verfügungskläger hat lediglich eine abstrakte Auflistung von Betriebsratsaufgaben vorgenommen, die weder den Schluss zulassen, dass eine Mehrbelastung tatsächlich eintreten wird, noch dass dies für die gesamte restliche Dauer der Amtszeit der Fall sein wird. Bereits aufgrund der vom Verfügungskläger angegebenen Schwankungsbreite des täglichen Zeitaufwandes für Betriebsratstätigkeiten (ohne die zurzeit durch Betriebsratsbeschluss ausgesetzte Teilnahme an Produktionsbesprechungen) zwischen insgesamt 3,6 Stunden (mindestens) und 13,16 Stunden (höchstens) lässt erkennen, dass der Aufstellung eine verlässliche Prognose über die Erforderlichkeit einer weiteren Freistellung nicht entnommen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn man die - ebenfalls mit Schwankungsbreite angegebenen - nicht täglich zu verrichtenden Aufgaben mitberücksichtigt, deren pauschale Darlegung eine konkrete Zuordnung zu tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten überwiegend nicht möglich macht. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Verfügungskläger seiner Aufstellung abschließend die Bemerkung angefügt hat, je nach anstehenden aktuellen Themen und Planungen der Geschäftsführung könne sich der Zeitaufwand für die Tätigkeiten erheblich verändern. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass bei Teilen der vom Verfügungskläger angegebenen Tätigkeiten gerade aufgrund ihrer Pauschalität - wie beispielsweise das Lesen aktueller politischer und regionaler Nachrichten oder Recherchen im Internet zu aktuellen Themen bis zu 120 Minuten täglich - zweifelhaft ist, ob es sich vollumfänglich um Betriebsratsarbeit handelt und dass Teile der Tätigkeiten doppelt genannt scheinen (E-Mail Posteingang des BR bzw. I. A. lesen und bearbeiten/ Beantwortung von E-Mail; Aufnahme von Stimmungen und Meinungen/ Gespräche mit Mitarbeitern, Gruppensprechern, Schichtführern). Soweit der Verfügungskläger im Berufungsverfahren bemängelt hat, dass Arbeitsgericht habe die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat nicht näher bewertet, so war eine konkrete Bewertung seines lediglich auf zwei Vorfälle gestützten Vortrages (Betriebliche Folgen des arbeitgeberseitigen Verhaltens auf der Mitarbeiterversammlung am 04. Juli 2012 und der Ankündigung betriebsbedingter Entlassungen im Januar 2013) auch der Berufungskammer nicht möglich, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten der überwiegende Teil der zwischen den Betriebspartnern geführten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischenzeitlich erledigt ist.

52

c) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten mit dem Absinken der Betriebsgröße unter den Schwellenwert nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG automatisch wieder auflebte oder ob sie angesichts der fehlenden Abberufung des Verfügungsklägers durch den Betriebsrat wegen der zwischen den Betriebspartnern bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - worauf sich der Verfügungskläger zuletzt im Berufungsverfahren gestützt hat - eine Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hätte herbeiführen müssen, bevor sie den Verfügungskläger zur Wiederaufnahme seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit auffordern durfte.

53

Nach § 38 Abs. 2 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Dauer der Freistellung. Diese erfolgt daher in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 47/04 - Rn. 14 mwN; zitiert nach juris). Der Betriebsrat kann jedoch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied jederzeit von dieser Funktion abberufen und durch ein anderes Betriebsratsmitglied ersetzen. Ändert sich die Zahl der Beschäftigten nicht nur vorübergehend, sondern dergestalt, dass in der Regel eine höhere oder niedrigere Zahl von Freistellungen nach der Tabelle vorzunehmen wäre, so hat der Betriebsrat erneut zu beschließen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Wird dies unterlassen, kann der Arbeitgeber eine Entscheidung im Beschlussverfahren herbeiführen (MünchArbR-Joost § 220 Rn. 48 3. Aufl. 2009; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/ Hoß - Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Abschnitt B Rn. 733; Wlotzke/Preis-Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 10). Ob bei einem dauerhaften Absinken der Betriebsgröße während der laufenden Amtszeit unter den Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein derartiges Verfahren Voraussetzung für ein Wiederaufleben des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gegenüber dem einzigen freigestellten Betriebsratsmitglied ist(wohl verneinend: LAG Hamm 19. August 2009 - 10 Sat 295/09 - Rn. 65, zitiert nach juris), konnte offen bleiben.

54

1.2.2 Der Verfügungskläger ist vorliegend jedenfalls verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder aufzunehmen, weil er weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass für seinen im Eilverfahren gestellten Antrag auf Unterlassung der Zuweisung arbeitsvertraglicher Tätigkeit und auf weitere Freistellung ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO vorliegt.

55

a) Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine so genannte Leistungsverfügung getroffen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz 20. April 2011 - 7 SaGa 1/11 -; LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris). Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (LAG Köln 14. August 2009 - 9 Ta 264/09 - zitiert nach juris). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris LAG Hamm, 05. Februar 2008 - 11 SaGa 4/08 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12. Mai 2009 - 5 SaGa 4/08 - jeweils zitiert nach juris).

56

b) Gemessen hieran ist der Verfügungskläger gehalten, der Weisung der Verfügungsbeklagten, eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen, zunächst nachzukommen und die Frage, ob der Verfügungsbeklagten nach dauerhaftem Absinken der Belegschaftsstärke unter den für die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG das in Anspruch genommene Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO) zusteht oder er - vorerst - weiter freizustellen ist, im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.

57

(1) Der Verfügungskläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die dafür sprechen würden, dass ihm die Aufnahme einer Produktionstätigkeit, wie er sie auch vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat, unzumutbar wäre. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Wenn der Verfügungskläger sich insoweit zuletzt darauf berufen hat, es fehle die vor einer Versetzung einzuholende Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG, übersieht er, dass es sich bei der Zuweisung der vorherigen arbeitsvertraglichen Tätigkeit gegenüber einem Betriebsratsmitglied nach Beendigung einer Freistellung iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt. Hierfür wäre nach § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches erforderlich, woran es nach Beendigung der Freistellung und Zuweisung der früheren Tätigkeit fehlt, da Betriebsratsmitglieder während ihrer Freistellung von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten gerade entbunden sind und sich nur noch der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben widmen.

58

(2) Auch ist nicht ersichtlich, dass im Falle der Arbeitsaufnahme durch den Verfügungskläger die Wahrung der Rechte des Betriebsrates gefährdet würde und deshalb eine besondere Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über seine weitere Freistellung anzunehmen wäre. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen (vgl. BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 135/09 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris). Dementsprechend ist dem Verfügungskläger auch ohne generelle Freistellung die Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben ohne weiteres möglich. Der Einwand des Verfügungsklägers, die Verfügungsbeklagte beabsichtige offenbar, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, ist ebenso wenig wie seine in der Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013 geäußerte Vermutung, die Geschäftsführung wolle ihn von der ordnungsgemäßen Abwicklung der umfangreichen Betriebsratstätigkeiten abhalten, geeignet, einen Verfügungsgrund abzugeben. Der Verfügungskläger hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die die Befürchtung rechtfertigen, dass die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger in rechtswidriger Weise in seiner Arbeit als Betriebsratsmitglied behindern wird. Das vom Verfügungskläger herangezogene Argument, die Verfügungsbeklagte habe in den zwischen den Betriebspartnern geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten, ist hierzu nicht geeignet, da der Verfügungsbeklagten - ebenso wie dem Betriebsrat - die Ausschöpfung der von der Betriebsverfassung eingeräumten Rechte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zusteht. Soweit der Verfügungskläger sich darauf berufen hat, es sei ihm nicht zuzumuten, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein, sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiges schikanöses Verhalten der Verfügungsbeklagten zu erwarten wäre, nicht ersichtlich. Auch der Verfügungskläger stellt zumindest nicht in Abrede, dass während seiner derzeitigen Erkrankung die Betriebsratstätigkeit vertretungsweise von den nicht freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats wahrgenommen wird. Hinweise für deren Behinderung durch die Verfügungsbeklagte bestehen nicht.

59

2. Die vom Verfügungskläger zur Entscheidung gestellten, im Urteilsverfahren zulässigen Hilfsanträge zu 1) und 2) sind in der Sache nicht erfolgreich. Dem Verfügungskläger steht weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund zu.

60

2.1. Der Verfügungskläger begehrt mit dem Hilfsantrag zu 1) die Einräumung der Fortbildungs- und Einarbeitungsmöglichkeit in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme einer Produktionstätigkeit und mit dem Hilfsantrag zu 2) die Unterlassung der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion bis er Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung hatte. Mit beiden Hilfsanträgen verfolgt der Verfügungskläger demnach das Ziel, dass ihm vor Aufnahme jeglicher (bis dahin nicht zuzuweisender) vertraglicher Tätigkeit in der Produktion Gelegenheit zu einer Fortbildung und Einarbeitung gegeben wird. Ein derartiger Anspruch steht dem Verfügungskläger nicht zu.

61

2.1.1. Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BetrVG dürfen freigestellte Betriebsratsmitglieder von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres - bei Freistellung für drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten innerhalb von zwei Jahren - nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen (§ 38 Abs. 4 Satz 2, 3 BetrVG). Nach § 37 Abs. 5 BetrVG iVm. § 37 Abs 4 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig sind. Der berufliche Tätigkeitsschutz nach § 37 Abs. 5 BetrVG bedeutet zum einen, dass ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht mit einer Tätigkeit beschäftigt werden darf, die nicht mindestens derjenigen, die es vor Antritt des Betriebsratsamtes ausgeübt hat, gleichwertig ist. Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, sofern vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung inzwischen eine höherwertige Tätigkeit ausüben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Betriebsratsmitglied die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation besitzt (Fitting BetrVG 26. Auflage § 37 Rn. 133; Richardi/Thüsing BetrVG 13. Aufl. § 37 Rn. 75; GK-Wiese BetrVG 9. Aufl. § 37 Rn. 129; HSG-Glaubitz BetrVG § 37 Rn. 95). Dies ergibt sich daraus, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit auch in seiner beruflichen Entwicklung nicht begünstigt werden darf (§ 78 Satz 2 BetrVG). Auch wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht die Qualifikation erwerben konnte, besteht kein Anspruch auf Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, solange die für sie erforderliche Qualifikation nicht erworben ist; allerdings darf in diesem Fall infolge des Arbeitsentgeltschutzes nach § 37 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer(Fitting aaO; Richardi/Thüsing aaO; HSG-Glaubitz aaO).

62

2.1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hilfsanträge zu 1) und 2) ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Der Verfügungskläger, der unstreitig nicht über die erforderliche Qualifikation für eine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer/RPS-Koordinator) verfügt, hat keinen Anspruch darauf, vor Erwerb der entsprechenden Qualifikation für Aufgaben der Lohngruppe F2 nicht mit Tätigkeiten in der Produktion betraut zu werden. Der Verfügungskläger behauptet nicht, dass die ihm von der Verfügungsbeklagten zugedachten Produktionstätigkeiten nicht zumindest denjenigen gleichwertig sind, die er vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat. Auch wird der Verfügungskläger unstreitig nach der Freistellung nach Lohngruppe F2 vergütet, so dass der Arbeitsentgeltschutz gewährleistet ist. Würde man dem Verfügungskläger zugestehen, ausschließlich die geltend gemachte höherwertige Tätigkeit der Lohngruppe F2 in der Produktion zu verrichten und bis zum Erwerb der unstreitig insoweit nicht vorliegenden Qualifikation überhaupt nicht in der Produktion tätig zu werden, würde er entgegen § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Art und Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit bevorzugt. Darauf, dass die Verfügungsbeklagte ohnehin vorgetragen hat, im Betrieb sei keine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer /RPS-Koordinator) verfügbar, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Einen Anspruch ausschließlich auf Schulung für die höherwertige Tätigkeit trotz (gleichzeitiger) Tätigkeit in der Produktion zu den von der Verfügungsbeklagten angeordneten Bedingungen hat der Verfügungskläger nicht geltend gemacht, sondern sich ausschließlich darauf berufen, die Verfügungsbeklagte solle verpflichtet werden, ihn bis zur verlangten Fortbildung überhaupt nicht in der Produktion einzusetzen. Die Frage nach einem isolierten Schulungsanspruch war daher nicht zu beantworten.

63

2.2. Ungeachtet des fehlenden Verfügungsanspruchs steht dem Verfügungskläger auch kein Verfügungsgrund im Sinne besonderer Dringlichkeit zu. Aus den bereits unter A II 1.2.2. dargestellten Gründen ist es dem Verfügungskläger zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache zunächst eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen.

64

3. Auch der zuletzt im Berufungsverfahren gestellte im Urteilsverfahren zulässige weitere Hilfsantrag zu 3) ist nicht begründet. Der Verfügungskläger hat den weiteren Hilfsantrag, der inhaltlich nicht über das mit dem Hauptantrag verfolgte Ziel hinaus geht, die Weisung zur Arbeitsaufnahme in der Produktion zurückzunehmen, lediglich im Hinblick auf das zwischenzeitlich anhängig gemachte Hauptsacheverfahren gestellt. Auch diesem Antrag fehlt es zumindest am Verfügungsgrund. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II.1.2. Bezug genommen.

65

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

66

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10. Oktober 2013, Az. 6 Ga 9/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über eine Versetzung.

2

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten als Packer zu einem Bruttomonatslohn zwischen € 1.700 und € 1.800 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die Beklagte produziert und vertreibt Kleinlederwaren, ihre Firmenzentrale mit ca. 150 Arbeitnehmern ist in Kirn. Der Kläger wurde seit 1977 ausschließlich in Kirn beschäftigt.

3

Mit Schreiben vom 19.09.2013 versetzte die Beklagte den Kläger wegen der Verlagerung eines Teils ihrer Logistik mit Wirkung zum 01.10.2013 nach Saarbrücken. Die Versetzung wurde auf den 14.10.2013 verschoben, weil sich die Verlagerung verzögerte. Mit seinem am 26.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

4

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

5

festzustellen, dass er bis zu einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen.

6

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

7

den Antrag zurückzuweisen.

8

Ein Hauptsacheverfahren machte der Kläger, der seit dem 14.10.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, zunächst nicht anhängig.

9

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 10.10.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Versetzung sei bei summarischer Betrachtung vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Der Arbeitsort des Klägers habe sich nicht auf Kirn konkretisiert. Die Beklagte habe ihr Ermessen bei Ausübung des Versetzungsrechts nicht fehlerhaft ausgeübt.

10

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 21.10.2013 zugestellt worden. Sein Prozessbevollmächtigter hat mit am 21.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sich die Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 20.12.2013 bis zum 17.01.2014 verlängern lassen. Die Berufungsbegründung ging am 17.01.2014 beim Landesarbeitsgericht ein.

11

Mit Schreiben vom 23.01.2014 versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab 01.02.2014 erneut von Kirn nach Saarbrücken. Um ihm die Anreise zu erleichtern, verkürzte sie seine Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um eine Stunde täglich. Außerdem sagte sie ihm zu, auf ihre Kosten ein Firmenfahrzeug zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, wenn mindestens fünf Arbeitnehmer der Versetzung nach Saarbrücken und der Fahrgemeinschaft zustimmen sollten. Am 06.02.2014 machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht gegen diese Versetzung erstmals ein Hauptsacheverfahren anhängig (Az. 5 Ca 64/14).

12

Der Kläger ist der Ansicht, das einstweilige Verfügungsverfahren habe sich trotz der zweiten Versetzung nicht erledigt, weil er keine bestimmte Versetzungsanordnung angegriffen habe. Sein Begehren sei darauf gerichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet zu sein, die Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen. Hieran habe sich nichts geändert. Sein Arbeitsort habe sich auf Kirn konkretisiert. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln könne er den neuen Arbeitsort nicht vor 8:30 Uhr erreichen, obwohl er ab 5:40 Uhr zweieinhalb Stunden anreisen müsste.

13

Die Monatskarte für die Bahnfahrt koste € 252,60. Diese Mehrkosten könne er sich bei seinem Einkommen und der familiären Belastungen (Ehefrau nicht berufstätig, drei minderjährige Kinder) nicht leisten. Ein Firmenfahrzeug stelle die Beklagte nur unter der Bedingung zur Verfügung, dass fünf Mitarbeiter mit der Versetzung einverstanden seien und der Fahrgemeinschaft zustimmten. Diesen Bedingungseintritt könne er nicht beeinflussen.

14

Der Verfügungskläger beantragt zweitinstanzlich,

15

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.10.2014, Az.6 Ga 9/13, abzuändern und der Verfügungsbeklagten aufzugeben, ihn bis zu einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache, nicht dazu zu verpflichten, seine Arbeitsleistung in Saarbrücken, zu erbringen.

16

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt unter Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichts. Eine Eilbedürftigkeit bestehe nicht, weil der Kläger erst am 06.02.2014 ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht habe. Bei der zweiten Versetzung zum 01.02.2014 sei sie den betroffenen sechs Mitarbeitern hinsichtlich Arbeitszeit und Fahrtkosten noch einmal erheblich entgegengekommen.

19

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind unter Beachtung der §§ 935, 940 ZPO nicht erfüllt.

21

Der Verfügungskläger ist verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Rechtsstreit 5 Ca 64/14 vor dem Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - in Saarbrücken zu erbringen, den er am 06.02.2014 anhängig gemacht hat.

22

Der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor.

23

Die mangelnde Dringlichkeit des Begehrens wird bereits dadurch indiziert, dass der Kläger seine Berufung, mit der er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt, erst am letzten Tag der Berufungsfrist am 21.11.2013 eingelegt, sich dann die Berufungsbegründungsfrist um vier Wochen verlängern lassen und die verlängerte Berufungsbegründungsfrist bis zum letzten Tag am 17.01.2014 voll ausgeschöpft hat. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit durch prozessuales Verhalten der antragstellenden Partei entfallen kann, sog. "Selbstwiderlegung der Dringlichkeit". Dies wird ua. dann angenommen, wenn sich der erstinstanzlich unterlegene Verfügungskläger die Berufungsbegründungsfrist nicht unerheblich verlängern lässt und diese Verlängerung voll ausschöpft (LAG Köln 15.10.2013 - 12 SaGa 3/13 - Rn. 66 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 27.09.2012 - 10 SaGa 8/12 - Rn. 23 mwN; jeweils Juris). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

24

Die Gesamtbetrachtung des prozessualen Vorgehens des Klägers ergibt, dass er sein Begehren nicht mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt hat. Dies folgt auch daraus, dass er das Hauptsacheverfahren erst am 06.02.2014, also über vier Monate nach seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26.09.2013 eingeleitet hat. Dieses zeitverzögernde Verhalten verfehlt die den §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intension. Der verstrichene Zeitraum von über vier Monaten ist bei weitem zu lang, um das Interesse des Klägers an einer zügigen Rechtsdurchsetzung belegen zu können.

25

Vorliegend ergibt sich die fehlende Dringlichkeit überdies daraus, dass der Verfügungskläger seit 14.10.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig krank ist. Es ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungskammer nicht ersichtlich (gewesen), dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit des Verfügungsklägers absehbar ist. Zwar ist die letzte Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arzt ausgestellt hat, bis voraussichtlich 02.04.2014 befristet. Der Kläger hat jedoch nicht erklärt, dass er ab dem 03.04.2014 in jedem Fall wieder arbeiten kann. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer ist ohnehin an seiner Arbeitsleistung verhindert. Er muss weder arbeiten noch an seiner Beschäftigung mitwirken. Auch deswegen besteht kein Verfügungsgrund, der Verfügungsbeklagten die Versetzung des Verfügungsklägers zu untersagen (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz 20.04.2011 - 7 SaGa 2/11 - Rn. 33, Juris).

26

Dem Verfügungskläger ist auch ansonsten zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache eine Tätigkeit in Saarbrücken aufzunehmen. Ein Verfügungsgrund iSd. §§ 935, 940 ZPO kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 14.05.2013 - 6 SaGa 2/13- Rn. 55, Juris; mit zahlreichen Nachweisen). Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versetzung bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.

27

Nach alledem ist die Berufung des Verfügungsklägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

28

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Eine Revision ist in einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG unstatthaft.

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.02.13, AZ: 9 Ga 2/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darüber, ob und unter welchen Umständen der Verfügungskläger, der bislang als Betriebsratsvorsitzender freigestellt war, verpflichtet ist, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.

2

Der Verfügungskläger ist seit 01. Januar 1990 bei der Klimageräte fertigenden Verfügungsbeklagten beschäftigt. Zuletzt war er ab 1. November 1992 in die Lohngruppe D 1 als Prüfer eingestuft. Seit 1998 ist der Verfügungskläger Mitglied des bei der Verfügungsbeklagten gewählten Betriebsrates und seit 1999 dessen Vorsitzender. Er ist seit Juli 2001 gemäß § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG als einziges Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Zuletzt wurde der siebenköpfige Betriebsrat am 09. März 2010 gewählt. Die Verfügungsbeklagte gewährt dem Verfügungskläger seit Oktober 2010 im Rahmen des beruflichen Entwicklungsschutzes Vergütung nach der Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RPS-Koordinator) mit einer weiteren Zulage von 400,00 Euro. Der Verfügungskläger hat an einer Fortbildung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 bislang nicht teilgenommen und war in der Lohngruppe F2 auch nicht tätig.

3

Die Zahl der Mitarbeiter der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten, die in der Vergangenheit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeiter bzw. Leiharbeitnehmer beschäftigte, entwickelte sich seit Juli 2012 ebenso wie die Zahl der von der Verfügungsbeklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer rückläufig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine vorübergehende Personalschwankung handelt. Die Zahl der Belegschaftsmitglieder einschließlich der Verwaltungsmitarbeiter stellt sich von Juli 2012 bis Januar 2013 unter Berücksichtigung des Krankenstandes und der Urlaubsabwesenheiten - vom Verfügungskläger im Berufungsrechtszug zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt - wie folgt dar:

4

Monate

Stammgesellschaft

Leiharbeitnehmer

Krankheits- und
Urlaubsabwesenheit

Juli
2012

227     

19    

59    

August
2012

217     

21    

57    

September 2012

208     

21    

50    

Oktober
2012

194     

17    

42    

November
2012

187     

12    

28    

Dezember
2012

184     

0       

34    

Januar
2013

183     

0       

        
5

Die Verfügungsbeklagte, die mit dem Betriebsrat in der Vergangenheit zahlreiche Beschlussverfahren geführt hat, ua. hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern, teilte dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 mit, auf der Basis des voraussichtlich auch im 1. Quartal 2013 nicht verbesserten rückläufigen Auftragsvolumens seien alle noch verbliebenen Leiharbeitnehmer abgekündigt worden; da die Anzahl der regelmäßigen Beschäftigten künftig deutlich unter der Grenze des § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG liege, entfalle die Freistellung des Verfügungsklägers. Die Verfügungsbeklagte kündigte an, den Verfügungskläger ab 07. Januar 2013 wieder im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzusetzen und schlug verschiedene Tätigkeiten in der Produktion zur Abstimmung vor, nicht jedoch eine Tätigkeit in Lohngruppe F2 als Schichtführer/RPS-Koordinator. In seiner Sitzung vom 11. Dezember 2012 beschloss der Betriebsrat vorsorglich, den Verfügungskläger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender vollständig von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen.

6

Der zuletzt arbeitsunfähig erkrankte Verfügungskläger hat am 14. Januar 2013 vorliegendes Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz beim Arbeitsgericht eingeleitet, mit dem er die Aufhebung der Arbeitszuweisung durch die Verfügungsbeklagte unter weiterer Freistellung begehrt und hilfsweise verlangt hat, ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme seiner Tätigkeit zu geben bzw. die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme zu unterlassen, bis ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung gegeben worden sei.

7

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich - unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - im Wesentlichen geltend gemacht, die Weisung vom 05. Dezember 2012 stelle den letzten Schritt im Rahmen der arbeitgeberseitigen Attacken gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden dar. Er sei weiter freizustellen, da ein dauerhaftes Absinken der Belegschaftsstärke nicht zu erwarten sei, die nahezu während seiner gesamten drei Amtsperioden über der Grenze von 200 Arbeitnehmern gelegen habe. Hiervon könne insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Betriebsrat stets behauptet habe, hinsichtlich der Auftrags- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können. Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Auftragszahlen würden mit Nichtwissen bestritten. Vorübergehende Schwankungen der Belegschaftsstärke seien irrelevant. Der Verfügungskläger hat vorgetragen, im Übrigen sei wegen der zahlreichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat seine vollständige Freistellung auch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt. Der Verfügungskläger hat die Auffassung vertreten, seine Rückkehr auf den Arbeitsplatz sei erst möglich, wenn er über die für seine zuletzt innegehabte Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RSP-Koordinator) erforderliche Qualifikation verfüge, da eine Beschäftigung unterhalb der Lohngruppe F2 dem betrieblichen Entwicklungsschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG widerspreche. Die Eilbedürftigkeit für das von ihm angestrengte, seine arbeitsvertragliche Position betreffende Individualverfahren ergebe sich aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte ganz offenbar beabsichtige, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, da sie in den geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten habe.

8

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt,

9

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

10

hilfsweise,

11

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

12

hilfsweise,

13

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

14

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

15

die Anträge zurückzuweisen.

16

Sie hat - unter Vorlage Eidesstattlicher Versicherungen des J H (undatiert), des R L vom 30. Januar 2013 und des H M vom 30. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Hauptantrag könne nicht im Urteilsverfahren, sondern müsse im Beschlussverfahren anhängig gemacht werden. Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass ein Verfügungsanspruch nicht bestehe, weil die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend unter den Schwellenwert nach § 38 BetrVG abgesunken sei, weshalb der Freistellungsanspruch automatisch entfalle. Die Grobplanung 2013 sehe monatlich etwa 175 bis 180 Mitarbeiter vor. Sie habe sich entschlossen, außer in Sonderfällen (Krankheits- und Urlaubsvertretung in den zwei Haupturlaubsmonaten) die Abrufe von Leiharbeitnehmern auf Null zu reduzieren. Ihre einzige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, habe sich aufgrund von stark schwankender Zuverlässigkeit und Liefertreue bei der Verfügungsbeklagten entschieden, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten verstärkt an andere Produktionsgesellschaften zu vergeben, da die Geräte auch an anderen Standorten der L Group in Italien, den USA, China und Indien gefertigt werden könnten. Die derzeit vorgesehene Produktionskapazität betrage 340 Kühlgeräte täglich, wobei die Arbeitnehmerkapazität nach der Formal zwei Geräte pro Mitarbeiter pro Tag umgerechnet werden könne. Bei der gegebenen Kapazitätsplanung führe das dazu, dass im Jahr 2013 die Auftragslage jedenfalls nicht für mehr als 180 Arbeitnehmeräquivalente ausreichen werde. Dieser Prognose stehe nicht entgegen, dass die konkrete Schicht- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von einem Monat besitze, da sich diese Planung - unabhängig davon, dass die grundsätzliche Personalkapazitätsplanung wie dargestellt erfolge - erst vornehmen lasse, wenn mit einem Vorlauf von ca. einem Monat feststehe, wie der effektive Auftragseingang aussehe. Angesichts der Ankündigung ihrer Auftraggeberin sei mit höheren Auftragszahlen, die in der Vergangenheit mit Leiharbeitnehmern abgedeckt worden seien, in Zukunft nicht zu rechnen, wobei sie nicht gedenke, sich wie in der Vergangenheit in monatliche Streitigkeiten nach §§ 99, 100 BetrVG mit dem Betriebsrat zu begeben, um kurzfristig eingehende Mehraufträge mit Leiharbeitnehmern abdecken zu können. Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es fehle auch am Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger durch die Freistellungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG bei konkret anfallender Betriebsratsarbeit ausreichend geschützt sei. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und -grund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe keinen Anspruch auf - insoweit unverständlich, unspezifisch und pauschal - „Fortbildung und Einarbeitung“ vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit, zumal Arbeitsplätze als Schichtführer und RPS-Koordinatoren derzeit nicht frei seien und auch nicht frei würden.

17

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge mit Urteil vom 05. Februar 2013 (Bl. 96 - 107 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, der Hauptantrag sei im Urteilsverfahren zulässig, da der Verfügungskläger nach seiner Auswahl zur Freistellung durch den Betriebsrat zu Beginn seiner Amtszeit einen abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung habe. Es fehle dem Hauptantrag jedoch sowohl am im Verfahren auf Einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsanspruch, als auch am Verfügungsgrund. Die Arbeitnehmerzahl des Betriebes der Verfügungsbeklagten sei seit November 2012 auf unter 200 Arbeitnehmer prognostisch dauerhaft abgesunken. Die völlige Freistellung des Verfügungsklägers sei zwar gegebenenfalls in Betracht gekommen, wenn sie weiterhin erforderlich gewesen sei. Hierfür fehle es jedoch am nötigen substantiierten Tatsachenvortrag des Verfügungsklägers, zumal derzeit lediglich drei weitere weitgehend ausgeschriebene Verfahren beim erkennenden Gericht anhängig seien und weitere Verfahren zur Einstellung von Leiharbeitnehmern, die der Betriebsrat im Übrigen immer gleichlautend abgelehnt habe, angesichts des glaubhaft gemachten Vortrags der Verfügungsbeklagten nicht zu erwarten seien. Die Angelegenheit sei angesichts des Rechts zur anlassbezogenen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch nicht dringlich. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe nicht vorgetragen, dass im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes die verlangte berufliche Entwicklung möglich sei. Da angesichts der bisherigen Freistellung von drei Amtsperioden der Zeitraum der Nachholung zwei Jahre betrage, sei auch keine Dringlichkeit gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 bis 107 ff. d. A. Bezug genommen

18

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 11. Februar 2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 06. März 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

19

Der Verfügungskläger macht mit der Berufungsbegründung und mit den weiteren Schriftsätzen vom 10. April 2013 und 08. Mai 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d. A.; 202 ff. d. A.; 231 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend,

20

das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Arbeitnehmerzahl werde dauerhaft unter 200 liegen. Im Hinblick auf die gerichtsbekannten Streitigkeiten über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit und der Herbeiführung eines Tarifvertrages müsse davon ausgegangen werden, dass die etwaige - schriftlich nicht vorgelegte - Ankündigung der Auftragsverlagerungen durch die R GmbH & Co. KG ins Ausland als reines Druckmittel in den Auseinandersetzungen eingesetzt werde und sich die Auftragsvergabe schlagartig ändern werde, sobald den Wünschen des dortigen Geschäftsführers Herrn F L bei den Verhandlungen Rechnung getragen worden sei. Der von der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren behauptete weitere Personalabbau von 15 Stellen im März 2013, der ihm angesichts seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt sei, werde bestritten. Im Übrigen habe der Arbeitgeber, der sich auf eine rückläufige Belegschaftszahl berufen und das bisher freigestellte Betriebsratsmitglied wieder zur Arbeit auffordern wolle, im Streitfall eine gerichtliche Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren herbeizuführen. Hinsichtlich der trotz reduzierter Belegschaftsstärke unveränderten Arbeitsbelastung des Betriebsratsvorsitzenden werde nunmehr eine Aufstellung der einzelnen regelmäßig anfallenden Aufgaben vorgelegt (Bl. 156 d. A.), aus der sich ein täglicher Arbeitsaufwand in Höhe von ca. 8,5 Stunden im Mittelwert ergebe, wobei noch im einzelnen dargestellte Aufgaben hinzukämen, die in längeren Zeitrhythmen anfielen (Bl. 157 d. A.). Hinzu komme die durch das Arbeitsgericht nicht näher bewertete zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat, welche durch die Drohungen der Geschäftsführung bzw. des Herrn L, den Betrieb zu schließen bzw. Arbeitnehmer zu entlassen, in den Betrieb hineingetragen worden seien. Auch wenn er nur Durchschnittswerte angeben könne, sei damit der Zeitaufwand für Betriebsratstätigkeiten bestimmbar. Der Vortrag der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren, sein Stellvertreter verrichte derzeit lediglich 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit werde mit Nichtwissen bestritten; zudem habe dieser ihm telefonisch bestätigt, dass die bisher weitgehend von ihm erledigten Aufgaben nunmehr auch auf die Übrigen Betriebsratsmitglieder verteilt seien. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass angesichts der Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung nicht davon ausgegangen werden könne, dass Freistellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 BetrVG hingenommen würden und es ihm nicht zuzumuten sei, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein. Der Verfügungskläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe bei der Beurteilung der Hilfsanträge die Darlegungs- und Beweislast verkannt, da die Arbeitgeberseite vortragen müsse, dass und welche zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten seiner Beschäftigung in der Funktion des Schichtführers bzw. RPS-Koordinators entgegenstehen. Auch verkenne das Arbeitsgericht durch den Verweis auf die Zweijahresfrist, dass der Arbeitgeber die Durchführung von geeigneten Fortbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen nicht auf den berühmten „Sanktnimmerleinstag“ verzögern dürfe. § 37 Abs. 5 BetrVG enthalte eine partielle Versetzungssperre. Außerdem habe die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG zur streitgegenständlichen Maßnahme nicht eingeholt. Der Hilfsantrag zu 3) werde im Hinblick auf das zwischenzeitlich eingeleitete Hauptsacheverfahren gestellt.

21

Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,

22

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

23

hilfsweise,

24

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

25

hilfsweise,

26

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

27

hilfsweise,

28

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Versetzung des Verfügungsklägers in die Produktion gemäß Schreiben vom 05. Dezember 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit dem Aktenzeichen 9 Ca 1305/13 zu unterlassen.

29

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

30

die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 15. April 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 186 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor,

32

die Prognose des Arbeitsgerichts, die Belegschaftsstärke liege dauerhaft unter 200, sei zutreffend und müsse auch nicht revidiert werden. Da die geplanten Aufträge der R GmbH & Co. KG nicht in vollem Umfang eingegangen seien, sei im März 2013 eine weitere Reduktion der Beschäftigtenzahl um 15 Personen eingeleitet worden. Der gesamte übrige Vortrag der Beschwerdeschrift bestehe in den aus den übrigen Verfahren bekannten, üblichen allgemeinen Vorwürfen gegenüber der Verfügungsbeklagten und würden inzwischen nicht mehr beantwortet. Angesichts § 37 Abs. 2 BetrVG sei ein Verfügungsgrund nicht gegeben. Eine dauerhafte Freistellung für die Zukunft sei nicht erforderlich. Derzeit gebe es keine gerichtliche Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In seiner Aufstellung gebe der Verfügungskläger im Einzelnen benannte Tätigkeiten an, welche - aus im einzelnen dargelegten Gründen - betriebsverfassungsrechtlich nicht relevant, substanzlos oder nicht erforderlich seien, mehrfach benannt würden, täglich nicht anfielen oder nicht den Tatsachen entsprächen, zumal der Stellvertreter des erkrankten Verfügungsbeklagten mit weniger als 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit auskomme. Auch für den Hilfsantrag sei weder ein Anspruch auf Schulung vor Arbeitsbeginn ersichtlich, noch Eilbedürftigkeit.

33

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

A. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist in der Sache nicht erfolgreich.

35

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und hinreichend begründet

36

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Haupt- und Hilfsanträge des Verfügungsklägers im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Auch hinsichtlich des vom Verfügungskläger im Berufungsverfahren zur Entscheidung gestellten weiteren Hilfsantrags blieb das Rechtsmittel erfolglos. Die Berufung war zurückzuweisen.

37

1. Der zulässige Hauptantrag ist nicht begründet. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, die Weisung zurückzunehmen, die Arbeit in der Produktion wieder aufzunehmen, und ihn auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen.

38

1.1. Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere ergeben sich keine Bedenken hinsichtlich der zutreffenden Verfahrensart. Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger sein Hauptbegehren vorliegend im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG verfolgen konnte. Die Berufungskammer hat gemäß § 65 ArbGG hinsichtlich des Hauptantrags nicht mehr die erstinstanzlich zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen, ob das Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart ist.

39

1.1.1. Gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob die Verfahrensart zulässig ist. Von diesem Grundsatz ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluss, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart mitentschieden hat (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 09; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - Rn. 63, jeweils zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 65 Rn. 14; Hauck/Helml-Hauck ArbGG 3. Aufl. § 65 Rn. 5; ebenso zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 21. Mai 1999 - 5 AZB 31/98 - Rn. 37, zitiert nach juris). Der beschwerten Partei steht in einem solchen Falle entweder das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde oder das Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Verfügung, es gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung. Das Rechtsmittelgericht ist in diesem Falle berechtigt, auch die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges oder der Verfahrensart bzw. Zuständigkeit zu überprüfen (BAG 26. März 1992 - 2 AZR 443/91 - Rn. 40 ff. zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann ArbGG § 65 ArbGG Rn. 14 aaO; vgl. Hauck/Helml-Hauck ArbGG § 65 Rn. 5 aaO). Hat das Arbeitsgericht trotz erhobener Rüge verfahrensfehlerhaft keine Vorabentscheidung getroffen, wird die Rüge im Berufungsverfahren jedoch nicht mehr wiederholt, ist das Landesarbeitsgericht an einer erneuten Prüfung gemäß § 65 ArbGG gehindert(vgl. zur Rechtswegrüge: Schwab Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 286).

40

1.1.2. Danach stand der Berufungskammer nach § 65 ArbGG die Prüfung, ob das Urteilsverfahren vorliegend die zutreffende Verfahrensart war, nicht zu. Zwar hat das Arbeitsgericht trotz entsprechender Rüge der Verfügungsbeklagten über die Frage der Verfahrensart nicht im Wege des Vorabbeschlusses entschieden, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache angenommen, das Urteilsverfahren sei die zutreffende Verfahrensart, obwohl auch das um vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 937 ff ZPO ersuchte Gericht die Zulässigkeit der beschrittenen Verfahrensart gemäß § 17a GVG zu prüfen hat(vgl. zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 25. Mai 2000 - 5 AZB 66/99 - Rn. 9; LAG Sachsen 10. Dezember 2008 - 2 SaGa 19/08 - Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Da die Verfügungsbeklagte als insoweit beschwerte Partei jedoch weder ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Verfahrensart ergriffen, noch an ihrer Rüge zur zutreffenden Verfahrensart im Berufungsverfahren festgehalten hat, verblieb es bei der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Berufungskammer nach § 65 ArbGG.

41

1.2. Der Hauptantrag ist in der Sache nicht erfolgreich. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.

42

1.2.1. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob dem Verfügungskläger der erforderliche Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zusteht, von der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion - auch nur einstweilen - abzusehen und ihn weiter als Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeitsleistung freizustellen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Voraussetzungen für eine weitere Freistellung des Verfügungsklägers weder nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, noch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gegeben sind.

43

a) Nach der Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten ist eine weitere Freistellung des Verfügungsbeklagten gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht länger gerechtfertigt.

44

aa) Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der Betriebsgröße abhängig. Maßgeblich hierfür ist die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 7 ABR 3/03 - jeweils zitiert nach juris). Gemäß 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte gewählt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden, im Rahmen ihrer Freistellung widmen sie sich nur noch der Erfüllung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Sie unterliegen insoweit auch nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Fitting 26. Aufl. § 38 Rn. 77; DKK-Wedde 11. Aufl. § 38 Rn. 62; vgl. Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 36; MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 § 220 Rn. 65).

45

Zur Beurteilung, wie viele Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG von einem Arbeitgeber in der Regel beschäftigt werden, ist auf den Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses abzustellen. Denn in der Vorschrift wird die Mindestanzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder geregelt, um Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber zu vermeiden, ob die Freistellungen im Einzelfall erforderlich sind. Die Erforderlichkeit wird deshalb - gestaffelt nach der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl - unwiderleglich vermutet. Um damit Freistellungen rechtfertigen zu können, muss die Erforderlichkeit, dh. also die Arbeitnehmerzahl, gegenwärtig sein. Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen (BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 20, vgl. auch BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 31, jeweils zitiert nach juris). Die Zahl der Freistellungen kann sich daher im Laufe einer Amtszeit - in beide Richtungen - ändern (MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 Rn. 48; ErfK-Koch 13. Aufl. § 38 BetrVG Rn. 1, Fitting aaO § 38 Rn. 15; Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG aaO § 38 Rn. 10 DKK-Wedde aaO § 38 Rn. 10).

46

bb) Vorliegend ist die Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten nicht nur vorübergehend unter 200 Arbeitnehmer gesunken und der Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daher nicht mehr erreicht.

47

Auch wenn die Belegschaftsstärke in der Vergangenheit überwiegend über dem Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelegen haben mag, ist die Prognose gerechtfertigt, dass der Schwellenwert bis zum Ende der aktuellen Amtszeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der nächsten Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 nicht mehr überschritten wird. Zwischen den Parteien ist zuletzt nicht mehr streitig, dass die Zahl der Beschäftigten der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten in den Monaten Oktober 2012 (194), November 2012 (187) und Dezember 2012 (184) jeweils unter 200 lag. Auch im Januar 2013 ist dies mit 183 Mitarbeitern der Fall. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Verfahren zur Akte gereichten Eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre alleinige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten im Jahr 2013 verstärkt an andere Produktionsgesellschaften im Ausland vergeben werde, weshalb nur noch eine durchschnittliche Produktionskapazität von ca. 340 Kühlgeräten zu erwarten sei, was rechnerisch zu einem Personalbedarf von ca. 175 Mitarbeiter führen werde.

48

Es besteht keine Veranlassung, die Prognose in Zweifel zu ziehen, der unterste Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werde dauerhaft bis zum Ende der Amtszeit unterschritten. Auch ohne Berücksichtigung des vom Verfügungskläger bestrittenen weiteren Personalabbaus von 15 Mitarbeitern im März 2013 wird der Schwellenwert von 200 Mitarbeitern angesichts der unstreitigen Zahlen nicht erreicht. Auch der Verfügungskläger stellt nicht in Abrede, dass die Verfügungsbeklagte Leiharbeitnehmer nicht länger abgerufen hat und Befristungen nicht verlängert wurden. Soweit er bemängelt, die Verfügungsbeklagte habe in der Vergangenheit stets behauptet, wegen der Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können, hat die Verfügungsbeklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die genaue Produktions- und Personalplanung erst nach Eingang der konkreten Aufträge und daher erst mit einem Vorlauf von etwa einem Monat möglich ist. Mit der - keinem Schriftformerfordernis unterliegenden - Ankündigung der einzigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten, künftig weniger Aufträge bei der Verfügungsbeklagten in Produktion geben zu wollen, steht dies nicht in Zusammenhang. Soweit der Verfügungskläger anführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Auftragsvergabe als reines Druckmittel benutzt und sich schlagartig wieder ändern werde, sobald den Wünschen des Geschäftsführers der alleinigen Auftraggebergesellschaft L bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat Rechnung getragen worden sei, berührt dies die Prognose nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass ausreichende Anhaltspunkte für diese bloße Vermutung des Verfügungsklägers nicht ersichtlich sind, verkennt dieser, dass die Frage der Art und Weise der Auftragsvergabe ausschließlich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der alleinigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten obliegt.

49

b) Auch die Voraussetzungen einer generellen Freistellung des Verfügungsklägers nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht gegeben.

50

aa) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Für Betriebe, deren Belegschaftsstärke in der Regel 200 Arbeitnehmer nicht überschreitet, kann in Ausnahmefällen nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs. 2 BetrVG die völlige oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes geboten sein, wenn diese Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist(vgl. BAG 13. November 1991 - 7 ABR 5/91 - Rn. 18; 2. April 1974 - 1 ABR 43/73 - Rn. 12; jeweils zitiert nach juris). Voraussetzung für die zusätzliche Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds ist die Darlegung, dass nach Art und Umfang des Betriebes die zusätzliche Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist (vgl. BAG 22. Mai 1973 - 1 ABR 10/73 -; 9. Oktober 1973 - 1 ABR 29/73 -, jeweils zitiert nach juris). Hinsichtlich des Umfanges der Darlegungslast ist zu berücksichtigen, dass für den Regelfall der Bedarf an Freistellungen bereits durch § 38 BetrVG abgedeckt ist(vgl. BAG Urteil vom 21. November 1978 - 6 AZR 247/76 -, zitiert nach juris). Es sind daher Abweichungen von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG gesetzlich unterstellten Normalfall darzutun, aufgrund derer die Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrates in zeitlicher Hinsicht derart erhöht ist, dass eine zusätzliche generelle Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes für die gesamte Amtszeit erforderlich ist. Aus dem Tatsachenvortrag muss ersichtlich werden, dass weder die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Betriebsratsmitglieder noch die Möglichkeit konkreter Freistellungen der übrigen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichen, um sämtliche erforderlichen Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Dazu ist die so detaillierte Beschreibung der besonderen Umstände erforderlich, dass die sich daraus voraussichtlich ergebenden zeitlichen Belastungen zumindest bestimmbar werden. Da die erstrebte über § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellung für die gesamte restliche Amtszeit erfolgen soll, muss aus dem Tatsachenvortrag überdies für das Gericht erkennbar werden, dass die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung für diese gesamte Restdauer der Wahlperiode besteht. Wenigstens eine Schätzung des Mindestumfanges der zeitlichen Mehrbelastung des gesamten Betriebsrates muss möglich sein. Die Untergrenze der regelmäßigen Mehrbelastung muss daher nach dem Tatsachenvortrag einer Pauschalierung zugänglich sein. Zugleich muss die Darlegung der zeitlichen Mehrbelastung des Betriebsrates so detailliert sein, dass dem Arbeitgeber eine sachliche Erwiderung möglich ist (vgl. insoweit zur Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds: BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 29 ff, zitiert nach juris).

51

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Verfügungskläger nicht dargelegt, dass seine Freistellung trotz Nichterreichens des Schwellenwertes des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gerechtfertigt ist. Der Verfügungskläger hat lediglich eine abstrakte Auflistung von Betriebsratsaufgaben vorgenommen, die weder den Schluss zulassen, dass eine Mehrbelastung tatsächlich eintreten wird, noch dass dies für die gesamte restliche Dauer der Amtszeit der Fall sein wird. Bereits aufgrund der vom Verfügungskläger angegebenen Schwankungsbreite des täglichen Zeitaufwandes für Betriebsratstätigkeiten (ohne die zurzeit durch Betriebsratsbeschluss ausgesetzte Teilnahme an Produktionsbesprechungen) zwischen insgesamt 3,6 Stunden (mindestens) und 13,16 Stunden (höchstens) lässt erkennen, dass der Aufstellung eine verlässliche Prognose über die Erforderlichkeit einer weiteren Freistellung nicht entnommen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn man die - ebenfalls mit Schwankungsbreite angegebenen - nicht täglich zu verrichtenden Aufgaben mitberücksichtigt, deren pauschale Darlegung eine konkrete Zuordnung zu tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten überwiegend nicht möglich macht. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Verfügungskläger seiner Aufstellung abschließend die Bemerkung angefügt hat, je nach anstehenden aktuellen Themen und Planungen der Geschäftsführung könne sich der Zeitaufwand für die Tätigkeiten erheblich verändern. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass bei Teilen der vom Verfügungskläger angegebenen Tätigkeiten gerade aufgrund ihrer Pauschalität - wie beispielsweise das Lesen aktueller politischer und regionaler Nachrichten oder Recherchen im Internet zu aktuellen Themen bis zu 120 Minuten täglich - zweifelhaft ist, ob es sich vollumfänglich um Betriebsratsarbeit handelt und dass Teile der Tätigkeiten doppelt genannt scheinen (E-Mail Posteingang des BR bzw. I. A. lesen und bearbeiten/ Beantwortung von E-Mail; Aufnahme von Stimmungen und Meinungen/ Gespräche mit Mitarbeitern, Gruppensprechern, Schichtführern). Soweit der Verfügungskläger im Berufungsverfahren bemängelt hat, dass Arbeitsgericht habe die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat nicht näher bewertet, so war eine konkrete Bewertung seines lediglich auf zwei Vorfälle gestützten Vortrages (Betriebliche Folgen des arbeitgeberseitigen Verhaltens auf der Mitarbeiterversammlung am 04. Juli 2012 und der Ankündigung betriebsbedingter Entlassungen im Januar 2013) auch der Berufungskammer nicht möglich, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten der überwiegende Teil der zwischen den Betriebspartnern geführten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischenzeitlich erledigt ist.

52

c) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten mit dem Absinken der Betriebsgröße unter den Schwellenwert nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG automatisch wieder auflebte oder ob sie angesichts der fehlenden Abberufung des Verfügungsklägers durch den Betriebsrat wegen der zwischen den Betriebspartnern bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - worauf sich der Verfügungskläger zuletzt im Berufungsverfahren gestützt hat - eine Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hätte herbeiführen müssen, bevor sie den Verfügungskläger zur Wiederaufnahme seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit auffordern durfte.

53

Nach § 38 Abs. 2 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Dauer der Freistellung. Diese erfolgt daher in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 47/04 - Rn. 14 mwN; zitiert nach juris). Der Betriebsrat kann jedoch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied jederzeit von dieser Funktion abberufen und durch ein anderes Betriebsratsmitglied ersetzen. Ändert sich die Zahl der Beschäftigten nicht nur vorübergehend, sondern dergestalt, dass in der Regel eine höhere oder niedrigere Zahl von Freistellungen nach der Tabelle vorzunehmen wäre, so hat der Betriebsrat erneut zu beschließen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Wird dies unterlassen, kann der Arbeitgeber eine Entscheidung im Beschlussverfahren herbeiführen (MünchArbR-Joost § 220 Rn. 48 3. Aufl. 2009; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/ Hoß - Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Abschnitt B Rn. 733; Wlotzke/Preis-Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 10). Ob bei einem dauerhaften Absinken der Betriebsgröße während der laufenden Amtszeit unter den Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein derartiges Verfahren Voraussetzung für ein Wiederaufleben des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gegenüber dem einzigen freigestellten Betriebsratsmitglied ist(wohl verneinend: LAG Hamm 19. August 2009 - 10 Sat 295/09 - Rn. 65, zitiert nach juris), konnte offen bleiben.

54

1.2.2 Der Verfügungskläger ist vorliegend jedenfalls verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder aufzunehmen, weil er weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass für seinen im Eilverfahren gestellten Antrag auf Unterlassung der Zuweisung arbeitsvertraglicher Tätigkeit und auf weitere Freistellung ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO vorliegt.

55

a) Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine so genannte Leistungsverfügung getroffen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz 20. April 2011 - 7 SaGa 1/11 -; LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris). Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (LAG Köln 14. August 2009 - 9 Ta 264/09 - zitiert nach juris). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris LAG Hamm, 05. Februar 2008 - 11 SaGa 4/08 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12. Mai 2009 - 5 SaGa 4/08 - jeweils zitiert nach juris).

56

b) Gemessen hieran ist der Verfügungskläger gehalten, der Weisung der Verfügungsbeklagten, eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen, zunächst nachzukommen und die Frage, ob der Verfügungsbeklagten nach dauerhaftem Absinken der Belegschaftsstärke unter den für die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG das in Anspruch genommene Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO) zusteht oder er - vorerst - weiter freizustellen ist, im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.

57

(1) Der Verfügungskläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die dafür sprechen würden, dass ihm die Aufnahme einer Produktionstätigkeit, wie er sie auch vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat, unzumutbar wäre. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Wenn der Verfügungskläger sich insoweit zuletzt darauf berufen hat, es fehle die vor einer Versetzung einzuholende Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG, übersieht er, dass es sich bei der Zuweisung der vorherigen arbeitsvertraglichen Tätigkeit gegenüber einem Betriebsratsmitglied nach Beendigung einer Freistellung iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt. Hierfür wäre nach § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches erforderlich, woran es nach Beendigung der Freistellung und Zuweisung der früheren Tätigkeit fehlt, da Betriebsratsmitglieder während ihrer Freistellung von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten gerade entbunden sind und sich nur noch der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben widmen.

58

(2) Auch ist nicht ersichtlich, dass im Falle der Arbeitsaufnahme durch den Verfügungskläger die Wahrung der Rechte des Betriebsrates gefährdet würde und deshalb eine besondere Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über seine weitere Freistellung anzunehmen wäre. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen (vgl. BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 135/09 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris). Dementsprechend ist dem Verfügungskläger auch ohne generelle Freistellung die Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben ohne weiteres möglich. Der Einwand des Verfügungsklägers, die Verfügungsbeklagte beabsichtige offenbar, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, ist ebenso wenig wie seine in der Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013 geäußerte Vermutung, die Geschäftsführung wolle ihn von der ordnungsgemäßen Abwicklung der umfangreichen Betriebsratstätigkeiten abhalten, geeignet, einen Verfügungsgrund abzugeben. Der Verfügungskläger hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die die Befürchtung rechtfertigen, dass die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger in rechtswidriger Weise in seiner Arbeit als Betriebsratsmitglied behindern wird. Das vom Verfügungskläger herangezogene Argument, die Verfügungsbeklagte habe in den zwischen den Betriebspartnern geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten, ist hierzu nicht geeignet, da der Verfügungsbeklagten - ebenso wie dem Betriebsrat - die Ausschöpfung der von der Betriebsverfassung eingeräumten Rechte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zusteht. Soweit der Verfügungskläger sich darauf berufen hat, es sei ihm nicht zuzumuten, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein, sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiges schikanöses Verhalten der Verfügungsbeklagten zu erwarten wäre, nicht ersichtlich. Auch der Verfügungskläger stellt zumindest nicht in Abrede, dass während seiner derzeitigen Erkrankung die Betriebsratstätigkeit vertretungsweise von den nicht freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats wahrgenommen wird. Hinweise für deren Behinderung durch die Verfügungsbeklagte bestehen nicht.

59

2. Die vom Verfügungskläger zur Entscheidung gestellten, im Urteilsverfahren zulässigen Hilfsanträge zu 1) und 2) sind in der Sache nicht erfolgreich. Dem Verfügungskläger steht weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund zu.

60

2.1. Der Verfügungskläger begehrt mit dem Hilfsantrag zu 1) die Einräumung der Fortbildungs- und Einarbeitungsmöglichkeit in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme einer Produktionstätigkeit und mit dem Hilfsantrag zu 2) die Unterlassung der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion bis er Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung hatte. Mit beiden Hilfsanträgen verfolgt der Verfügungskläger demnach das Ziel, dass ihm vor Aufnahme jeglicher (bis dahin nicht zuzuweisender) vertraglicher Tätigkeit in der Produktion Gelegenheit zu einer Fortbildung und Einarbeitung gegeben wird. Ein derartiger Anspruch steht dem Verfügungskläger nicht zu.

61

2.1.1. Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BetrVG dürfen freigestellte Betriebsratsmitglieder von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres - bei Freistellung für drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten innerhalb von zwei Jahren - nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen (§ 38 Abs. 4 Satz 2, 3 BetrVG). Nach § 37 Abs. 5 BetrVG iVm. § 37 Abs 4 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig sind. Der berufliche Tätigkeitsschutz nach § 37 Abs. 5 BetrVG bedeutet zum einen, dass ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht mit einer Tätigkeit beschäftigt werden darf, die nicht mindestens derjenigen, die es vor Antritt des Betriebsratsamtes ausgeübt hat, gleichwertig ist. Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, sofern vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung inzwischen eine höherwertige Tätigkeit ausüben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Betriebsratsmitglied die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation besitzt (Fitting BetrVG 26. Auflage § 37 Rn. 133; Richardi/Thüsing BetrVG 13. Aufl. § 37 Rn. 75; GK-Wiese BetrVG 9. Aufl. § 37 Rn. 129; HSG-Glaubitz BetrVG § 37 Rn. 95). Dies ergibt sich daraus, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit auch in seiner beruflichen Entwicklung nicht begünstigt werden darf (§ 78 Satz 2 BetrVG). Auch wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht die Qualifikation erwerben konnte, besteht kein Anspruch auf Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, solange die für sie erforderliche Qualifikation nicht erworben ist; allerdings darf in diesem Fall infolge des Arbeitsentgeltschutzes nach § 37 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer(Fitting aaO; Richardi/Thüsing aaO; HSG-Glaubitz aaO).

62

2.1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hilfsanträge zu 1) und 2) ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Der Verfügungskläger, der unstreitig nicht über die erforderliche Qualifikation für eine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer/RPS-Koordinator) verfügt, hat keinen Anspruch darauf, vor Erwerb der entsprechenden Qualifikation für Aufgaben der Lohngruppe F2 nicht mit Tätigkeiten in der Produktion betraut zu werden. Der Verfügungskläger behauptet nicht, dass die ihm von der Verfügungsbeklagten zugedachten Produktionstätigkeiten nicht zumindest denjenigen gleichwertig sind, die er vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat. Auch wird der Verfügungskläger unstreitig nach der Freistellung nach Lohngruppe F2 vergütet, so dass der Arbeitsentgeltschutz gewährleistet ist. Würde man dem Verfügungskläger zugestehen, ausschließlich die geltend gemachte höherwertige Tätigkeit der Lohngruppe F2 in der Produktion zu verrichten und bis zum Erwerb der unstreitig insoweit nicht vorliegenden Qualifikation überhaupt nicht in der Produktion tätig zu werden, würde er entgegen § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Art und Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit bevorzugt. Darauf, dass die Verfügungsbeklagte ohnehin vorgetragen hat, im Betrieb sei keine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer /RPS-Koordinator) verfügbar, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Einen Anspruch ausschließlich auf Schulung für die höherwertige Tätigkeit trotz (gleichzeitiger) Tätigkeit in der Produktion zu den von der Verfügungsbeklagten angeordneten Bedingungen hat der Verfügungskläger nicht geltend gemacht, sondern sich ausschließlich darauf berufen, die Verfügungsbeklagte solle verpflichtet werden, ihn bis zur verlangten Fortbildung überhaupt nicht in der Produktion einzusetzen. Die Frage nach einem isolierten Schulungsanspruch war daher nicht zu beantworten.

63

2.2. Ungeachtet des fehlenden Verfügungsanspruchs steht dem Verfügungskläger auch kein Verfügungsgrund im Sinne besonderer Dringlichkeit zu. Aus den bereits unter A II 1.2.2. dargestellten Gründen ist es dem Verfügungskläger zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache zunächst eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen.

64

3. Auch der zuletzt im Berufungsverfahren gestellte im Urteilsverfahren zulässige weitere Hilfsantrag zu 3) ist nicht begründet. Der Verfügungskläger hat den weiteren Hilfsantrag, der inhaltlich nicht über das mit dem Hauptantrag verfolgte Ziel hinaus geht, die Weisung zur Arbeitsaufnahme in der Produktion zurückzunehmen, lediglich im Hinblick auf das zwischenzeitlich anhängig gemachte Hauptsacheverfahren gestellt. Auch diesem Antrag fehlt es zumindest am Verfügungsgrund. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II.1.2. Bezug genommen.

65

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

66

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.03.2015, Az.: 12 Ga 11/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Verfügungsklägerin begehrt von der Vergütungsbeklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung ihre Beschäftigung auf der Grundlage einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden.

2

Der zwischen den Parteien unter dem 24.09.2002 geschlossene Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:

3

"3. Arbeitszeit

4

Die jeweils gültige regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen sowie durch die entsprechenden betrieblichen Regelungen bzw. Betriebsvereinbarungen festgelegt.
...

5

7. Sonstige Vereinbarungen

6

Sie werden in Teilzeit eingesetzt. Ihre normale Arbeitszeit beträgt 2 Schichten je Woche. Die Arbeitszeit richtet sich nach den betriebsüblichen Schichten. Hiernach können Sie in Früh-, Spät-, Nachtschicht oder in den Wochenendschichten eingesetzt werden. Bei Bedarf kann die Arbeitszeit bis zur Vollzeit flexibilisiert werden.“
…."

7

Die Verfügungsklägerin war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis auf wenige Ausnahmen von der Verfügungsbeklagten in Vollzeit beschäftigt worden. Bei der Verfügungsbeklagten entsprechen seit dem 01.01.2015 zwei Schichten pro Woche einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 15,2 Stunden, fünf Schichten pro Woche einer Vollzeitbeschäftigung von 38 Wochenstunden.

8

Seit dem 19.01.2015 wird die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten nicht mehr in Vollzeit, sondern lediglich noch in zwei Schichten pro Woche in der Produktion eingesetzt.

9

Bereits im Sommer 2014 hat die Verfügungsklägerin vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine Klage auf Beschäftigung in Vollzeit erhoben. Das Arbeitsgericht hat Kammertermin auf den 25.08.2015 anberaumt.

10

Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, sie habe einen Anspruch auf Beschäftigung in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von derzeit 38 Stunden, den sie im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend machen könne. Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund seien gegeben. Der Verfügungsanspruch ergebe sich daraus, dass die Regelung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages offensichtlich unwirksam sei, da die einseitige variable Festlegung der abrufbaren Arbeitszeit von zwei Schichten pro Woche bis hin zur Vollzeit die von der Rechtsprechung festgelegte zulässige Grenze von 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit überschreite. Die Unwirksamkeit dieser Regelung führe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vertragsdurchführung in der Vergangenheit zum Vorliegen einer Vollzeitbeschäftigung. Der erforderliche Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass der Verfügungsanspruch offensichtlich bestehe und ihr ein Abwarten auf eine Entscheidung der Hauptsache nicht zugemutet werden könne. Darüber hinaus sei sie aus finanziellen Gründen auf eine Vollzeitbeschäftigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache angewiesen.

11

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

12

der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Verfügungsklägerin bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Rechtsstreites 12 Ca 2473/14 vor dem Arbeitsgericht Koblenz auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 24.09.2002 als Mitarbeiterin in der Abteilung Produktion in Vollzeit mit einer wöchent-lichen Arbeitszeit von derzeit 38 Stunden zu beschäftigen.

13

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

14

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

15

Die Verfügungsbeklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, weder bestehe ein Verfügungsanspruch noch sei ein Verfügungsgrund gegeben. Ziffer 7 des Arbeitsvertrages sei nicht unwirksam, sondern konkretisiere lediglich die allgemeinen Bestimmungen in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages. Selbst im Falle der Unwirksamkeit der Regelung führe dies nicht zum Vorliegen eines Vollzeitbeschäftigungsverhältnisses. Im Hinblick auf den derzeitigen Krankengeldbezug der Klägerin stehe auch fest, dass diese derzeit nicht aus finanziellen Gründen auf eine Vollzeitbeschäftigung angewiesen sei.

16

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.03.2015 (Bl. 203 bis 205 d. A.) Bezug genommen.

17

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 10.03.2015 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 206 bis 209 d. A.) verwiesen.

18

Gegen das ihr am 13.03.2015 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin am 10.04.2015 Berufung eingelegt und diese am 24.04.2015 begründet.

19

Die Verfügungsklägerin macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der für den Erlass einer Einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund gegeben, da der Verfügungsanspruch zweifelsfrei bestehe und daher auch im Hauptsacheverfahren anerkannt werden müsse. Im Hinblick auf den vorliegend offensichtlich bestehenden Verfügungsanspruch bedürfe es keiner (weitergehenden) Beeinträchtigung ideeller Belange. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung auch verkannt, dass die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei nicht vertragsgemäßer Beschäftigung an jedem Tag erfolge, an dem der Arbeitnehmer nicht vertragsgemäß beschäftigt werde und dass dadurch die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit jedem einzelnen Tag verstärkt werde. Im Übrigen entspreche die Reduzierung der Arbeitszeit auf zwei Schichten pro Woche keineswegs billigem Ermessen i. S. v. § 106 GewO.

20

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Verfügungsklägerin wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 24.04.2015 (Bl. 234 bis 238 d. A.) Bezug genommen.

21

Die Verfügungsklägerin beantragt,

22

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Verfügungsklägerin bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren als Mitarbeiterin in der Abteilung Produktion in Vollzeit in einer wöchentlichen Arbeitszeit von derzeit 38 Stunden zu beschäftigen.

23

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Die Verfügungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 05.06.2015 (Bl. 267 f. d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vielmehr zu Recht abgewiesen.

II.

27

Der Antrag ist unbegründet.

28

Dabei kann offen bleiben, ob der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch gegeben ist, denn es fehlt vorliegend jedenfalls an dem notwendigen Verfügungsgrund.

29

Allein der aufgrund Zeitablaufs drohende Rechtsverlust des von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Beschäftigungsanspruchs begründet nach überwiegender und zutreffender Auffassung noch nicht den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die zu der Erkenntnis führen, dass der Verfügungskläger auf den Erlass einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung angewiesen ist. Aufgrund des Gebots der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechts ist daher zu prüfen, ob das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers der Sicherung durch eine einstweilige Verfügung bedarf. Dies setzt ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse voraus (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.03.2011 - 4 SaGa 2600/11 - m. w. N.).

30

Zur Begründung des besonderen Beschäftigungsinteresses für den Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Arbeitnehmer daher darlegen und glaubhaft machen, dass er zur Erhaltung seiner beruflichen Qualifikation oder zur Verwirklichung seines Persönlichkeitsrechts gerade auf die Beschäftigung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache angewiesen ist.

31

Derartiges hat die Verfügungsklägerin nicht vorgetragen. Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte eine Beschäftigung der Verfügungsklägerin keineswegs in Gänze, sondern lediglich deren Beschäftigung in Vollzeit ablehnt. Die Verfügungsklägerin ist daher nicht zur Untätigkeit gezwungen. Sie kann sich weiterhin durch ihre Arbeit bei der Verfügungsbeklagten verwirklichen und ihre soziale Stellung nach außen hinhalten. Der Verlust des Beschäftigungsanspruchs im Allgemeinen steht daher im Streitfall nicht zur Debatte.

32

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin infolge der Beschäftigung in Teilzeit anstelle der begehrten Beschäftigung in Vollzeit ihre Fähigkeiten zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit verliert. Ebensowenig hat die Klägerin dargelegt, dass sie durch die Nichtbeschäftigung in ihrem Ansehen herabgewürdigt würde oder sonstwie mit Nachteilen rechnen müsste.

33

Auch das wirtschaftliche Interesse der Verfügungsklägerin an der Erzielung von Lohneinkünften begründet nicht den erforderlichen Verfügungsgrund. Ein entsprechender Beschäftigungstitel enthielte nämlich nicht zugleich eine Verurteilung zur Lohnzahlung und wäre daher ungeeignet, die wirtschaftliche Existenz der Verfügungsklägerin zu sichern (vgl. LAG Köln v. 10.09.2004 - 4 Ta 298/04 - zitiert nach juris).

34

Ein Verfügungsgrund ergibt sich vorliegend - entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin - auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer offensichtlichen Unwirksamkeit der von der Verfügungsbeklagten veranlassten Arbeitszeitreduzierung.

35

Bei der Prüfung der Frage, ob eine arbeitgeberseitige Maßnahme bzw. Weisung als offensichtlich unwirksam anzusehen ist, können die zum allgemeinen Beschäftigungsanspruch nach Kündigung entwickelten Grundsätze herangezogen werden (LAG Sachsen v. 08.02.1996 - 3 Sa 77/96 - zitiert nach juris). Eine offensichtliche Unwirksamkeit liegt danach nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Maßnahme geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zutage liegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei feststehendem Sachverhalt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit unzweifelhaft ohne jeden Beurteilungsspielraum der Tatsachenrichters sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

36

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die Maßnahme der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin nur noch in Teilzeit zu beschäftigen, nicht als offensichtlich unwirksam dar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Arbeitsvertrag der Parteien in Ziffer 7 Satz 1 und 2 ausdrücklich eine Beschäftigung der Verfügungsklägerin in Teilzeit (zwei Schichten pro Woche) vorsieht. Ein Anspruch der Klägerin auf Vollzeitbeschäftigung kann sich daher nur aus einer unter Heranziehung der Entscheidung des BAG vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04 - ergebenden Unwirksamkeit der in Ziffer 7 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Bestimmung und einer danach erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Maßnahme der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin nur noch in zwei Schichten pro Woche einzusetzen, kann daher keine Rede sein. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Ansicht der Verfügungsklägerin, die Maßnahme der Verfügungsbeklagten entspreche nicht billigem Ermessen im Sinne von § 106 GewO. Auch dies ergibt sich nämlich keineswegs bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Vielmehr bedarf es insoweit (stets) einer Abwägung des wechselseitigen Interesses, wobei dem Tatsachenrichter ein gewisser Beurteilungsspielraum eröffnet ist.

III.

37

Die Berufung der Verfügungsklägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

38

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15 - wird zurückgewiesen, soweit das Revisionsverfahren nicht durch Beschluss vom 18. Oktober 2017 abgetrennt worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und hiermit in Zusammenhang stehende Ansprüche auf Entfernung zweier Abmahnungen.

2

Der 1962 geborene Kläger war seit dem 1. April 2001 bei der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (DeTeImmobillien) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 enthält ua. folgende Bestimmungen:

        

§ 1   

        
        

Art und Ort der Beschäftigung

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in Münster als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.

        
        

2.    

Die DeTeImmobilien ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.

        
        

3.    

Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.

        
        

§ 2     

        

Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)

        

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“

3

§ 4 des Manteltarifvertrags vom 14. Oktober 1998 (MTV Immobilien 1998), geschlossen von der DeTeImmobilien und der Deutschen Postgewerkschaft, bestimmt:

        

Versetzung

        

Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“

4

Das Arbeitsverhältnis wurde ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt mit der Beklagten fortgesetzt.

5

Mit Änderungsvertrag vom 21. Dezember 2009 änderten die Parteien § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags dahingehend, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2010 „in Dortmund im Team C als Assistent K“ beschäftigt wurde. Mit Änderungsvertrag vom 10. März 2010 wurde § 1 Abs. 1 rückwirkend zum 1. Januar 2010 erneut geändert und vereinbart: „Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Assistent K im Bereich RE3123 vollzeitbeschäftigt.“ Die übrigen Vertragsbestimmungen sollten jeweils unberührt bleiben. Der letzte Änderungsvertrag vom 25. November 2010 enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 1   

        

Änderung des Arbeitsvertrages

        

1.    

§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:

                 

Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Immobilienkaufmann im Bereich C and P im Team RE3330 vollbeschäftigt.

                 

…       

        

§ 2     

        

Schlussbestimmungen

        

1.    

Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.“

6

Der Kläger war auf dieser Grundlage zu einer Bruttovergütung von 4.165,00 Euro im Team RE3330 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist, die zentralisiert am Standort Dortmund durchgeführt werden. Das Team ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher vorrangig Verwaltungsaufgaben für das Facility Management ausführt.

7

Unter dem 24. April 2013 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen „Arbeitszeitbetrugs“ aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war in beiden Instanzen erfolgreich (Landesarbeitsgericht Hamm 3. Juli 2014 - 15 Sa 169/14 -). Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt.

8

Unter dem 18. März 2014 sandte eine Mitarbeiterin aus dem Team RE3330 eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden, worin es heißt: „Wir, das Team RE3330, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn N in Zukunft ab!“ Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht. Am 25. März 2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE3330 und dem Betriebsratsvorsitzenden statt, das ohne Ergebnis blieb. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.

9

Mit E-Mail vom 6. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab dem 1. November 2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort Berlin eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob Einwände gegen die Versetzungsankündigung und wies ua. auf die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung hin. Die Beklagte erklärte daraufhin, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses auf. In einem Gespräch am 28. Januar 2015 konnten einvernehmliche Lösungen nicht erzielt werden.

10

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde befristet für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 30. September 2015 im Team RE3113, Team D, am Standort Berlin eingesetzt. Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3440 unterstützt. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden. Die Beklagte sagte dem Kläger eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in Dortmund spätestens bis zum 6. März 2015 zurückzugeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. März 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Weisung zurückzunehmen, was diese mit Schreiben vom 12. März 2015 ablehnte.

11

Die Beklagte hörte den Betriebsrat REM mit Sitz in Frankfurt am Main zu der Versetzung an. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG unter Hinweis auf Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Team in Dortmund. Ein daraufhin eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren (Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 10 BV 229/15 -) wurde zwischenzeitlich für erledigt erklärt. Unter dem 11. März 2015 wurde dem Betriebsrat die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt, der Kläger wurde entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.

12

Der Kläger nahm die Arbeit am Standort Berlin nicht auf, worauf ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2015 wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit abmahnte. Er wies die Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom 1. April 2015 zurück. Unter dem 22. April 2015 erging eine zweite Abmahnung.

13

Mit Schreiben vom 28. Mai 2015, zugegangen am selben Tag, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31. Dezember 2015 aus. Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 8. September 2015 der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 17. März 2016 (- 17 Sa 1661/15 -) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die zugelassene Revision ist beim Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (- 2 AZR 329/16 -) anhängig.

14

Die Beklagte meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab und nahm ab April 2015 keine Gehaltszahlungen mehr vor. Der Kläger erhielt ab dem 21. April 2015 Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit. Mit Schreiben vom 15. April 2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung der für die Zeit vom 16. März 2015 bis zum 31. März 2015 geleisteten Vergütung iHv. 1.113,66 Euro auf.

15

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weisung vom 23. Februar 2015 sei unwirksam und er habe sie nicht befolgen müssen. Die Abmahnungen seien deshalb unwirksam. Maßgeblich hinsichtlich des Arbeitsorts sei ausschließlich der Änderungsvertrag vom 25. November 2010. Unabhängig hiervon sei aber auch aus dem Arbeitsvertrag vom 2. Februar 2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten; vorübergehende Versetzungen erfasse die Versetzungsklausel nicht. Bei einem weiter gehenden Verständnis wäre die Bestimmung intransparent, jedenfalls aber unangemessen benachteiligend, da sie die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam, denn er sei nicht ausreichend entsprechend der Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des MTV Immobilien 1998 und der „Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräche bei S PFS“ vom 24. Februar 2010 (GBV Mitarbeitergespräche) angehört worden. Die Weisung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Die Versetzung sei darauf angelegt, das obsiegende Urteil hinsichtlich der Kündigung vom 24. April 2013 zu unterlaufen und ihn zu maßregeln.

16

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass er nicht verpflichtet war, in der Zeit vom 16. März 2015 bis 30. September 2015 seine Arbeitsleistung gemäß Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 im Team RE3113, Team D am Standort Berlin zu erbringen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus der Personalakte zu entfernen;

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versetzungsanweisung vom 23. Februar 2015 sei rechtmäßig. Die Angabe des Arbeitsorts im letzten Änderungsvertrag sei rein deklaratorisch. Die Versetzungsklausel entspreche - ebenso wie § 4 MTV Immobilien 1998 - inhaltlich § 106 GewO und halte einer Inhalts- und Transparenzkontrolle stand. Die Weisung entspreche billigem Ermessen. Eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team sei aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich gewesen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit am Standort Dortmund habe nicht bestanden. Die Unstimmigkeiten im Team hätten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess resultiert, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe die Beklagte nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Die Aufgaben in dem Projekt in Berlin hätten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden sollen. Der Kläger sei angehört und das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt, da er dieser zunächst hätte folgen müssen.

19

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision noch von Interesse - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte eine vollständige Klageabweisung. Soweit die Vorinstanzen auch über Annahmeverzugsansprüche des Klägers und eine Widerklage auf Rückzahlung von Vergütung entschieden haben, hat der Senat diesen Teil des Rechtsstreits im Hinblick auf die Vorgreiflichkeit des Verfahrens - 2 AZR 329/16 - gemäß §§ 145, 148 ZPO abgetrennt und ausgesetzt.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 widersprach zwar weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen und verstieß auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Die Weisung entsprach aber - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB. Deshalb war der Kläger nicht - auch nicht vorläufig - verpflichtet, ihr nachzukommen. Er hat aus diesem Grund auch einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte.

21

I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

22

1. Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann ein Kläger zugleich mit seinem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist dessen Eignung, über den konkreten Gegenstand hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestand des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss und darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 17 mwN; vgl. auch BGH 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - Rn. 12, BGHZ 169, 153). Ein Zwischenfeststellungsantrag ist allerdings dann unzulässig, wenn bereits durch die Entscheidung über den Leistungsantrag die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten erschöpfend geklärt wird (BAG 18. Januar 2017 - 7 ABR 60/15 - Rn. 19 mwN).

23

2. Hiernach ist der Zwischenfeststellungsantrag zulässig. Er ist nach der vor dem Landesarbeitsgericht erfolgten Klarstellung auf den Umfang der Leistungspflicht des Klägers gerichtet und damit auf ein Element eines Rechtsverhältnisses (vgl. dazu BAG 30. November 2016 - 10 AZR 673/15 - Rn. 17). Die begehrte Feststellung ist vorgreiflich für die Klageanträge auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers, auf Vergütungszahlung sowie für die Entscheidung über die Widerklage und hat darüber hinaus Bedeutung für das anhängige Kündigungsschutzverfahren (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 21 ff.). Die Rechtsbeziehung der Parteien wird durch eine Entscheidung über den Antrag auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und die Zahlungsanträge nicht erschöpfend geklärt. Die Rechtskraft der Entscheidung hierüber erfasst nicht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger verpflichtet war, der Weisung vom 23. Februar 2015 Folge zu leisten.

24

II. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht aus.

25

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).

26

2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 16).

27

3. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 19; krit. zur Beschränkung auf die Ausübungskontrolle bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts Hromadka NZA 2012, 233, 238; offengelassen in BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 28, BAGE 143, 217).

28

4. Nach diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Parteien mit dem Änderungsvertrag vom 25. November 2010 konstitutiv die Beschäftigung in einem bestimmten Team in Dortmund festgelegt haben. Vielmehr fehlt es an einer vertraglichen Festlegung des Orts der Arbeitsleistung, sodass § 106 GewO unmittelbar Anwendung findet, der dem Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts im Rahmen billigen Ermessens erlaubt. Auf die Wirksamkeit der Versetzungsklausel kommt es nicht an.

29

a) § 1 Ziff. 1 des Änderungsvertrags vom 25. November 2010 bestimmt zwar, dass der Kläger in Dortmund beschäftigt wird. Bereits die Wortwahl der Regelung deutet allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine konstitutive Festlegung, sondern um eine Wiedergabe des aktuellen Aufgabenbereichs und Arbeitsorts des Klägers handelt. Entscheidend ist, dass nach § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Identische Bestimmungen gab es in den vorhergehenden Änderungsverträgen. Zu den übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2001 gehörte dessen § 1 Ziff. 2. Danach behielt sich die Beklagte ua. das Recht vor, den Kläger unter Veränderung des Arbeitsorts einzusetzen. Dafür, dass § 1 Ziff. 2 nicht fortgelten oder von § 2 Ziff. 1 des Änderungsvertrags nicht erfasst sein sollte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Auch bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit einer solchen Klausel. Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, führt allein der Umstand, dass die Parteien jede Änderung der Arbeitsaufgabe, des Teams und des Arbeitsorts schriftlich niedergelegt haben, zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Andernfalls hätte es nahegelegen, die vertragliche Versetzungsklausel aufzuheben oder zu ersetzen.

30

b) Auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts kommt es daher nicht an, auch wenn vieles dafür spricht, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, die Klausel halte einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB stand (vgl. zu einer ähnlichen Klausel BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 41).

31

5. Der Arbeitsort des Klägers hat sich - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - nicht auf Dortmund konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Eine Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum liegt hier nicht vor, im Übrigen würde sie für die Annahme einer Konkretisierung nicht genügen (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN).

32

6. Aus § 4 MTV Immobilien 1998 ergibt sich keine Beschränkung des Weisungsrechts der Beklagten, die über § 106 GewO hinausginge. Die Vorschrift bestimmt, dass eine Abwägung der Interessen des Betriebs mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen ist und soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies entspricht dem Maßstab der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB(vgl. dazu zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 29).

33

III. Es kann dahinstehen, ob der Kläger gemäß § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags bzw. gemäß § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998 vor Ausspruch der Versetzung angehört wurde. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass auch eine fehlende oder unvollständige Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme führen würde.

34

1. Nach § 1 Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer vor der Übertragung einer neuen Tätigkeit, einer Veränderung des Arbeitsorts, Einsatzgebiets oder Aufgabenbereichs zu hören. Dies entspricht § 4 Satz 3 MTV Immobilien 1998, wonach der Arbeitnehmer vor seiner Versetzung zu hören ist. Regelungen über die Rechtsfolgen ihrer Nichteinhaltung enthalten diese Bestimmungen nicht. Insbesondere ergeben sich weder aus Wortlaut noch aus Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrags oder des MTV Immobilien 1998 Anhaltspunkte dafür, dass deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge haben soll, obwohl es hierfür Beispiele in gesetzlichen (zB § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) und tariflichen Regelungen (vgl. dazu zB BAG 18. April 1986 - 7 AZR 114/85 - BAGE 51, 375) gibt. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung der Unwirksamkeit schließt eine solche Annahme allerdings auch nicht aus (vgl. zB BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - BAGE 63, 240). Vielmehr ist nach Sinn und (Schutz-)Zweck der jeweiligen Regelung zu ermitteln, ob eine so weitgehende Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Maßnahme geboten ist (vgl. zum Schutzzweck gesetzlicher Bestimmungen zuletzt zB BAG 14. Dezember 2016 - 7 AZR 717/14 - Rn. 32 f. [zu § 14 Abs. 4 TzBfG]; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 20 [zum BDSG]; 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 41 [zum AÜG]).

35

2. Die tarifliche und vertragliche Regelung ähnelt derjenigen, die in § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT enthalten war bzw. nunmehr in § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L enthalten ist. Danach waren bzw. sind Beschäftigte anzuhören, wenn sie auf Dauer an eine Dienststelle/Betrieb außerhalb des bisherigen Arbeitsorts versetzt oder für mehr als drei Monate dorthin abgeordnet werden sollen. Nach der Rechtsprechung diente § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT dazu sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die belastenden Folgen einer beabsichtigten Versetzung richtig einschätzen und seine Versetzungsentscheidung aufgrund einer alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung treffen kann(BAG 30. Oktober 1985 - 7 AZR 216/83 - zu 2 der Gründe; LAG Berlin 4. August 2005 - 10 Sa 687/05 - zu 2.2 der Gründe). Ziel war damit insbesondere, ein „richtiges“ Ergebnis zu erreichen. Eine Versetzungsentscheidung zulasten des Arbeitnehmers sollte nur erfolgen können, wenn diese auch billiges Ermessen wahrt. Da es im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Versetzung nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen ankommt, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den vertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28), verlangt der Zweck des Anhörungsrechts nicht, die Maßnahme nur deshalb als unwirksam anzusehen, weil der Arbeitnehmer seine Interessen nicht zuvor selbst eingebracht hat (ebenso - allerdings ohne Begründung - zu § 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD LAG Niedersachsen 15. Oktober 2010 - 6 Sa 282/10 - zu II 2 b cc der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand September 2015 § 4 Rn. 20; Sponer/Steinherr TVöD Stand Mai 2017 § 4 Rn. 79). Wenn der Arbeitgeber wegen der fehlenden Anhörung erhebliche Belange des Arbeitnehmers nicht hinreichend berücksichtigt, wird sich die Maßnahme im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung, in der der Arbeitnehmer seine Interessen noch vorbringen kann, regelmäßig als unwirksam erweisen.

36

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht zu § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT - der im TVöD/TV-L keine Entsprechung mehr findet - angenommen hat, dass die vorherige Anhörung des Angestellten zu einer Abmahnung deren Wirksamkeitsvoraussetzung ist und ihr Fehlen zu einem Entfernungsanspruch führt(BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 63, 240). Dies wurde zum einen mit der Friedensfunktion der Anhörung begründet und zum anderen damit, dass Sinn und Zweck des Anhörungsrechts nicht genügt werde, wenn ein Vorwurf bereits in Form eines zu den Personalakten genommenen Schreibens manifestiert sei. Im Übrigen könnten die Personalakten bei einer späteren Herausnahme lückenhaft werden und dies zu für den Angestellten nachteiligen Spekulationen führen. Diese Erwägungen können auf die Anhörung vor einer Versetzung nicht übertragen werden (aA ArbG Bielefeld 30. April 2003 - 3 Ca 408/03 -). Im Fall der Versetzung liegt das Risiko der Unwirksamkeit der Maßnahme beim Arbeitgeber, der die volle Darlegungs- und Beweislast für deren Wirksamkeit und Billigkeit hat (st. Rspr., zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28).

37

4. Die GBV Mitarbeitergespräche ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Maßnahme nicht einschlägig. Sie enthält ausschließlich Bestimmungen über Inhalt und Ablauf eines regelmäßigen jährlichen Mitarbeitergesprächs; zu Versetzungen oder sonstigen Ausübungen des Weisungsrechts trifft sie keine Regelungen.

38

IV. Der Kläger wendet sich nicht mit einer Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß gemäß §§ 99, 100 BetrVG beteiligt worden(vgl. zu den individualrechtlichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung BAG 21. Februar 2017 - 1 AZR 367/15 - Rn. 22 mwN). Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.

39

1. Das Landesarbeitsgericht konnte im Hinblick auf den insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten und den vorgelegten Zuordnungstarifvertrag davon ausgehen, dass für den Geschäftsbereich REM zum Zeitpunkt der Versetzung ein einheitlicher Betriebsrat mit Übergangsmandat nach § 21a BetrVG bestand, der sowohl für die Betriebsstätte Dortmund als auch für die Betriebsstätte Berlin zuständig war. Die Beklagte hat diesen Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor Wirksamwerden der Versetzung über die Maßnahme informiert und um dessen Zustimmung gebeten. Nach Verweigerung der Zustimmung hat die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingeleitet, das zwischenzeitlich wegen Erledigung der Maßnahme eingestellt worden ist.

40

2. Über die von der Beklagten beabsichtigte vorläufige Durchführung der Maßnahme ist der Betriebsrat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG informiert worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert, sodass ein Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht erforderlich war. Die Beklagte hat damit das für die Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme vorgesehene Verfahren eingehalten (vgl. BAG 15. April 2014 - 1 ABR 101/12 - Rn. 18, BAGE 148, 61).

41

V. Soweit sich der Kläger mit einer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, die Versetzung vom 23. Februar 2015 sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a iVm. § 134 BGB nichtig, hat diese keinen Erfolg.

42

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Der Kläger trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 38 mwN). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(ebenso zur Würdigung der vom Landesarbeitsgericht gewonnen Überzeugung einer Kausalität zwischen einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal und einem Nachteil BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 29 mwN, BAGE 152, 134).

43

2. Einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 612a BGB nur vorliegt, wenn die zulässige Rechtsausübung nicht nur äußerer Anlass, sondern tragender Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen ist. Auf dieser Grundlage hat es den vorgetragenen Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt und das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen verneint. Vielmehr habe die Beklagte im Kern die Weigerung des früheren Teams des Klägers, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten, zum Anlass für die Versetzung genommen. Diese Würdigung der Tatsachen hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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VI. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Weisung vom 23. Februar 2015 die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) nicht gewahrt hat.

45

1. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28 f. mwN).

46

2. Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei dessen Anwendung steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch im Fall der Kontrolle der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB(bisher regelmäßig offengelassen, zuletzt zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92, BAGE 135, 128; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]). Der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [zum unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“]).

47

a) Die revisionsrechtliche Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe findet nach der Rechtsprechung aller Senate des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur eingeschränkt statt (vgl. zB BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 868/09 - Rn. 14 [allg. zu unbestimmten Rechtsbegriffen in Tarifverträgen]; 15. Dezember 2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 12 [Sozialwidrigkeit einer Kündigung]; 13. Oktober 2016 - 3 AZR 439/15 - Rn. 35 [„sachlich-proportionale Gründe“]; 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 24 mwN [allg. zu Rechtsbegriffen bei der Eingruppierung]; 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 14, BAGE 121, 133 [„Zumutbarkeit“ bei § 615 Satz 2 BGB]; 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 [zu § 125 InsO]; 14. Dezember 2016 - 7 ABR 8/15 - Rn. 23 [„Erforderlichkeit“]; 11. August 2016 - 8 AZR 809/14 - Rn. 37 [„unzulässige Rechtsausübung“]; 29. April 2015 - 9 AZR 108/14 - Rn. 13 [„angemessene Vergütung“ iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG]; 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 36, BAGE 153, 378 [„angemessen“ in § 6 Abs. 5 ArbZG]). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt zB BGH 15. März 2017 - VIII ZR 270/15 - Rn. 24; 15. Dezember 2016 - III ZR 387/14 - Rn. 14; 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - Rn. 25 [zur Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB]; 9. Dezember 2008 - VI ZR 277/07 - Rn. 26 [allg. zum tatrichterlichen Ermessen]) und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. zB Zöller/Heßler 31. Aufl. § 546 Rn. 12; Düwell/Lipke/Düwell 4. Aufl. § 73 Rn. 24; ErfK/Koch 17. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 5; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 9; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 18; kritisch GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 27 ff.).

48

b) Der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff(BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83; 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2017 § 73 Rn. 33). Hierüber herrscht - soweit erkennbar - kein Streit. Trotzdem ist die Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit dessen (volle) Überprüfung durch das Tatsachengericht vom Revisionsgericht zu überprüfen ist, uneinheitlich (GK-ArbGG/Mikosch aaO: „nicht konsequent“).

49

aa) Der Vierte Senat hatte in einer Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) angenommen, dem Revisionsgericht stehe bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB gegenüber der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu. Dabei ging es allerdings nicht um eine einzelfallbezogene Weisung eines Arbeitgebers, sondern um eine auf tariflicher Grundlage vom Arbeitgeber erlassene Kinderzuschlagsordnung. Die weitreichende Überprüfung wurde mit dem Umstand begründet, dass „die einseitige Bestimmung der Höhe des Kinderzuschlages durch den Arbeitgeber [sich] für alle Arbeitsverhältnisse im Bereiche des Beklagten auswirkt und daher in ihrer rechtlichen Bedeutung typischen Arbeitsverträgen, Satzungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichkommt“. Dabei wurde Bezug genommen auf Entscheidungen zur Reichweite der revisionsrechtlichen Überprüfung solcher Rechtsquellen (zB BAG 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22). Auch die nachfolgende Entscheidung des Fünften Senats vom 28. November 1984 (- 5 AZR 123/83 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 47, 238) betraf nicht das Weisungsrecht, sondern eine tarifliche Bestimmungsklausel über die Verkürzung der Arbeitszeit.

50

bb) Im Folgenden hat sich diese Rechtsprechung allerdings „verselbständigt“ und auch bei der Kontrolle der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts wurde teilweise eine unbeschränkte Nachprüfung in der Revisionsinstanz vorgenommen, ohne dies allerdings näher zu begründen (vgl. BAG 23. Januar 1992 - 6 AZR 87/90 - zu II 2 c der Gründe; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu IV 1 der Gründe). Hingegen hatte Achte Senat bereits in einer Entscheidung vom 12. Januar 1989 (- 8 AZR 251/88 - zu B I 2 d cc der Gründe, BAGE 60, 362) im Hinblick auf eine tarifliche Klausel über die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub (§ 50 Abs. 2 BAT) angenommen, dass eine Leistungsbestimmung, die der Tatrichter getroffen habe, nur der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliege. Auch der Siebte Senat ist in einer Entscheidung vom 28. August 1996 (- 7 ABR 42/95 - zu B I 2 der Gründe) davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begriff der Billigkeit iSv. § 315 Abs. 3 BGB um einen unbestimmten Rechtsbegriff handle, dessen richtige Anwendung in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüfbar sei.

51

cc) Der Sechste Senat hatte in neuerer Zeit in Bezug auf das arbeitsvertragliche Weisungsrecht und die Entwicklungsklausel in einem Chefarztvertrag seine Rechtsprechung zur vollen Überprüfbarkeit fortgeführt (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 557/01 - zu II 1 der Gründe; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Gleiches gilt für den Neunten Senat im Zusammenhang mit dem Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen (BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - zu A II der Gründe, BAGE 104, 55; 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 23; 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 [bereits zurückhaltender]) und ausdrücklich auch hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle von Versetzungen nach § 106 GewO(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 50, BAGE 118, 22; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22).

52

dd) In neuester Zeit haben hingegen sowohl der Sechste Senat (7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 33) als auch der Zehnte Senat (zB 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 27; 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 32, BAGE 145, 341; 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 23; vgl. aber BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23 [nur eingeschränkte Überprüfung]) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Der Neunte Senat hat in einer Entscheidung vom 23. Juni 2015 (- 9 AZR 125/14 - Rn. 25) betreffend einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nunmehr ausgeführt, entgegen der früheren Rechtsprechung spreche vieles dafür, nur eine eingeschränkte Überprüfung vorzunehmen. Der Vierte Senat ist schließlich hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit einer Weisung nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zuletzt ausdrücklich von einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit ausgegangen (BAG 27. Januar 2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 26, BAGE 154, 83).

53

c) Es gibt keinen sachlichen Grund, bei der revisionsrechtlichen Kontrolle der Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nach billigem Ermessen ausgeübt hat, vom allgemeinen Maßstab der Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe abzuweichen. Eine Begründung dafür wurde in der Vergangenheit nicht gegeben und ist nicht erkennbar. Die für den Vierten Senat in der Entscheidung vom 28. September 1977 (- 4 AZR 743/76 -) maßgebenden Gründe tragen jedenfalls für individuelle Weisungen nicht, sodass dahinstehen kann, ob diese in anderen Fällen der Anwendung des § 315 BGB von Bedeutung sein können.

54

d) Einer Anfrage beim Neunten Senat - der im Übrigen zwischenzeitlich die hier vertretene Auffassung zu teilen scheint - bedarf es gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG nicht, da nach Ziff. 10.1.7 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Bundesarbeitsgerichts nunmehr der Zehnte Senat für Verfahren betreffend die Arbeits- und Beschäftigungspflicht zuständig ist. Ebenso wenig ist eine Anfrage beim Sechsten Senat erforderlich. Die Entscheidungen des Sechsten Senats betreffen ausschließlich Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des § 106 GewO lagen. Damit ist eine für die Anfrage erforderliche Identität der Rechtslage nicht mehr gegeben (vgl. dazu BAG 19. September 2012 - 5 AZR 924/11 - Rn. 29; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, BAGE 142, 202). Andere Senate haben sich zum Weisungsrecht nach § 106 GewO nicht abweichend geäußert; der Vierte Senat teilt die hier vertretene Auffassung.

55

3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nach diesen Grundsätzen stand.

56

a) Das Landesarbeitsgericht ist unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat alle von den Parteien vorgetragenen Umstände in den Blick genommen. Dabei hat es angenommen, dass das Interesse der Beklagten, durch die Versetzung des Klägers die Probleme in dessen ehemaligem Team zu lösen und den Betriebsfrieden in Dortmund wiederherzustellen, grundsätzlich einen betrieblichen Grund für die Maßnahme darstellen könne. Gleichzeitig hat es gewürdigt, dass die Beklagte aus ihrer Sicht selbst keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um den Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Es hat weiter berücksichtigt, dass es trotz der Beschäftigung des Klägers in einem Prozessarbeitsverhältnis keine Konflikte mehr gegeben, die Beklagte solche jedenfalls nicht vorgetragen habe. Im Übrigen hat es vertretbar angenommen, dass die lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung nicht geeignet gewesen sei. Daraus hat es den nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßenden Schluss gezogen, dass im Hinblick auf das anerkennenswerte Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund und die - trotz der Kostenerstattung - erheblichen Auswirkungen einer Versetzung nach Berlin keine überwiegenden Interessen der Beklagten für die Versetzung vorgelegen hätten. Insoweit hat es auch den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, diese strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung von Stammarbeitnehmern in dem Projekt in Berlin an, in den Blick genommen. Diesen hat es jedoch mit nachvollziehbaren Erwägungen als nicht ausreichend substanziiert angesehen, da es an Darlegungen zur tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gefehlt habe.

57

b) Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Beklagte rügt dabei nicht, dass das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt habe oder von einem falschen Rechtsverständnis hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens ausgegangen sei. Sie legt auch nicht dar, dass die Würdigung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht widersprüchlich sei. Vielmehr setzt die Beklagte lediglich ihre Würdigung der Umstände an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts und kommt zu dem Ergebnis, dass ihre Interessen gegenüber denen des Klägers überwogen hätten. Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung Ausführungen zu Reisekosten macht und vorträgt, sie hätte die Zeit, in der sich der Kläger in Berlin befunden hätte, nutzen können, um Maßnahmen der Konfliktbereinigung in Dortmund durchzuführen oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers zu prüfen, handelt es sich teilweise um neuen Sachvortrag, der in der Revision gemäß § 559 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden kann. Im Übrigen hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem Thema „Konfliktbereinigung“ auseinandergesetzt. Insgesamt ist damit die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe mit ihrer Weisung vom 23. Februar 2015 billiges Ermessen nicht gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

58

VII. Der Kläger musste der unbilligen Weisung vom 23. Februar 2015 nicht - auch nicht vorläufig - Folge leisten. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Beklagte nicht Sanktionen knüpfen (so schon BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164 [Unwirksamkeit einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Glaubenskonflikt]; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung - unbillige Weisung zu einem Personalgespräch]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

59

1. Allerdings hat der Fünfte Senat mit Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Schrifttum Zustimmung erfahren (LAG Rheinland-Pfalz 17. März 2014 - 3 Sa 535/13 - zu II der Gründe [in einem obiter dictum]; LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -; DLW/Dörner 13. Aufl. Kap. 1 Rn. 624; Hromadka NZA 2017, 601 ff.; ders. FS von Hoyningen-Huene 2014 S. 145 ff., 152 ff.; Hromadka/Maschmann ArbR Bd. 1 6. Aufl. § 6 Rn. 23; Schmitt-Rolfes AuA 2015, 695; ders. AuA 2013, 200; Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 315 BGB Rn. 16; Erman/Hager BGB 14. Aufl. § 315 Rn. 22 [jeweils allg. zu § 315 BGB]), überwiegend aber deutliche Ablehnung (LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; AR/Kolbe 8. Aufl. § 106 GewO Rn. 63; BeckOK/Tillmanns Stand: 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57; Boemke jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 1; ders. NZA 2013, 6 ff.; Busemann ZTR 2015, 63 ff., 70 f.; ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 7a; Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger KSchR 10. Aufl. § 2 KSchG Rn. 80; Eickmanns Die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen durch Vertragsgestaltung Diss. 2014, S. 77; Fischer FA 2014, 38 ff.; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116 f.; Kühn NZA 2015, 10 ff., 13; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 68, 77 ff.; Preis NZA 2015, 1 ff., 5 ff.; Preis/Wieg AuR 2016, 313 ff., 319; Schauß ArbR-aktuell 2016, 518 ff., 520; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 45 Rn. 18 ff.; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 BGB Rn. 418; Thüsing JM 2014, 20 ff.; Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2). Diese Kritik ist berechtigt.

60

2. § 106 GewO regelt nunmehr für alle Arbeitsverhältnisse(§ 6 Abs. 2 GewO) das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Es handelt sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, das doppelte Relevanz hat: Einerseits ist es notwendige Bedingung, um überhaupt vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. vom Status als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn ausgehen zu können (st. Rspr., vgl. zB zuletzt BAG 17. Januar 2017 - 9 AZR 76/16 - Rn. 14; vgl. seit 1. April 2017 auch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers - hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38; 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 15, BAGE 148, 16).

61

a) Bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO war anerkannt, dass das Weisungsrecht wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses ist(st. Rspr., vgl. zB BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 80; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe mwN). Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht durfte der Arbeitgeber stets - und nicht nach § 315 Abs. 1 BGB „im Zweifel“ - nur nach billigem Ermessen ausüben(vgl. zB BAG 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe mwN, BAGE 47, 363) und diese Ausübung unterlag der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu I 1 der Gründe; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b aa der Gründe). Nach diesem Maßstab wirksame Weisungen wurden (und werden) als verbindlich angesehen, der Arbeitnehmer muss sie befolgen (allgM, vgl. zB BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48, BAGE 118, 22). Weisungen, die dieser Kontrolle nicht standhielten, also unbillig waren, wurden hingegen als unwirksam angesehen, der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ihnen zu folgen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen konnten auf solche Weisungen nicht gestützt werden (vgl. zB BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25 [Unwirksamkeit einer Abmahnung]; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe [Unwirksamkeit einer Kündigung - unbillige Zuweisung von Bereitschaftsdiensten]; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363 [jeweils zu Kündigungen nach einer wegen Nichtbeachtung einer Gewissensentscheidung unbilligen Weisung]). Die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unbillige Weisungen vorläufig bis zu einer gerichtlichen Entscheidung befolgen, wurde - soweit erkennbar - weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Ebenso wenig wurden durch die Gerichte im Bereich des Weisungsrechts über Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung Ersatzleistungsbestimmungen iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen, also unbillige Weisungen durch eine „gerichtliche Weisung“ ersetzt(anders aber bei „Ermessensreduzierung auf null“ aufgrund von Verwaltungsvorschriften, zB BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - zu II der Gründe).

62

b) Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 hat der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung der Gewerbeordnung mit § 106 GewO erstmals eine gesetzliche Regelung über das Weisungsrecht geschaffen, die für alle Arbeitsverhältnisse gilt. Dabei sollte unter wesentlicher Übernahme des Inhalts des im Gegenzug aufgehobenen § 121 GewO die bisherige Rechtsprechung „in moderner Sprache“ im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kodifiziert werden(BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24). Inhaltliche Veränderungen waren damit nicht verbunden (ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1), sieht man von der besonderen Vorschrift zur Berücksichtigung von Behinderungen ab (vgl. § 106 Satz 3 GewO). Seither ist § 106 GewO ua. gesetzliches Leitbild für die Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - BAGE 135, 239; zur rein klarstellenden Bedeutung von § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, BAGE 132, 210).

63

3. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine - auch keine vorläufige - Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.

64

a) § 106 Satz 1 GewO trifft keine ausdrückliche Regelung über die Rechtsfolgen von Weisungen, die billigem Ermessen nicht entsprechen. Allerdings legt bereits der Wortlaut nahe, dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur dann näher bestimmen kann, wenn er billiges Ermessen wahrt (ähnlich Preis NZA 2015, 1 ff., 5). Hält er diese Grenzen nicht ein, verlässt er den Rahmen, den das Gesetz für sein Bestimmungsrecht vorgibt (BeckOK/Tillmanns Stand 1. Juni 2017 § 106 GewO Rn. 57 „Leistungspflicht nicht entsprechend konkretisiert“). An eine solchermaßen gesetzwidrige Weisung kann regelmäßig ohne ausdrückliche Anordnung keine Bindung bestehen.

65

b) Systematik und Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung sprechen gegen eine solche vorläufige Bindung. Dies gilt insbesondere auch im Kontext des § 315 BGB, soweit er auf das Weisungsrecht Anwendung findet.

66

aa) Dass die Weisungsgebundenheit das Arbeitsverhältnis prägt, trifft zwar zu, sagt aber entgegen der Auffassung des Fünften Senats ( 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34 ) über eine vorläufige Bindung nichts aus. Es handelt sich nicht etwa um einen vorläufig vollziehbaren Verwaltungsakt (vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 420). Auch kann das Arbeitsverhältnis nach heutigem Verständnis nicht als Subordinationsverhältnis angesehen werden (zugespitzt Däubler/Deinert/Zwanziger/Zwanziger 10. Aufl. § 2 KSchR Rn. 80 „Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, aber keine Soldaten“). Soweit der Gesetzgeber für bestimmte Arbeitnehmergruppen weiterreichende Verpflichtungen vorsieht, hat er diese angeordnet. So bestimmt § 124 Abs. 1 Satz 1 SeeArbG, dass Besatzungsmitglieder „vollziehbare Anordnungen der Vorgesetzten unverzüglich zu befolgen“ haben; nach Satz 2 gilt dies insbesondere in Gefahrensituationen. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die über die heuervertragliche „Folgeleistungspflicht“ nach § 32 Abs. 1 Satz 2 SeeArbG hinausgeht(Bubenzer/Noltin/Peetz/Mallach/Bubenzer SeeArbG § 32 Rn. 7, § 124 Rn. 1 f.; Lindemann SeeArbG § 124 Rn. 3 f.; zur Vorgängerregelung Bemm/Lindemann SeemannsG 6. Aufl. § 29 Rn. 10 ff.; vgl. auch § 23 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz).

67

bb) Eine vorläufige Verpflichtung, einer unbilligen Weisung nachzukommen, ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit der Situation nach Ausspruch einer Änderungskündigung. Mit der Änderungskündigung wird das bisher bestehende Arbeitsverhältnis beendet und die Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt auf Basis neuer vertraglicher Bedingungen, die der Arbeitnehmer, wenn auch unter Vorbehalt, akzeptiert hat (Ziemann jurisPR-ArbR 42/2016 Anm. 2 unter B.; aA Hromadka NZA 2017, 601 ff., 603; ders. FS von Hoyningen-Huene aaO S. 153). Der Arbeitnehmer schließt bei Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt einen auflösend bedingten Vertrag, der für ihn bis zur Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung verbindlich ist. Bei der unbilligen Weisung geht es jedoch nicht um den Vertragsschluss, sondern um die Konkretisierung der aus dem Vertrag folgenden Arbeitspflichten.

68

cc) Ähnliches gilt im Verhältnis zu § 275 Abs. 3 BGB. Nach dieser Norm besteht ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (nur) im Fall der Unzumutbarkeit der Leistung. Daraus kann aber nicht der (Umkehr-)Schluss gezogen werden, dass im Anwendungsbereich des § 106 GewO unbillige Weisungen verbindlich sind(so aber Hromadka NZA 2017, 601 ff.), eine solche Regelung trifft die Norm nicht. Vielmehr gibt § 106 GewO seinerseits den - gegenüber § 275 Abs. 3 BGB abweichenden - Maßstab vor(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 31, BAGE 137, 164). Andernfalls hätte es nahegelegen, im später in Kraft getretenen § 106 GewO auf § 275 Abs. 3 BGB zu verweisen und als Maßstab nicht die Unbilligkeit, sondern die Unzumutbarkeit zu normieren. Dies schließt allerdings nicht aus, dass weitergehend auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 275 Abs. 3 BGB erfüllt sein können(vgl. dazu Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 444, 457 ff.) oder die Norm Anwendung finden kann, wenn die Weisung zum Zeitpunkt ihrer Erteilung zwar rechtmäßig war, aber später Unzumutbarkeit eintritt, zB wegen eines erst nach erteilter Weisung entstehenden Gewissenskonflikts (vgl. dazu Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41 mwN).

69

dd) Ebenso wenig ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB eine vorläufige Bindung. Zwar findet § 315 BGB bei der Überprüfung einer Weisung gemäß § 106 GewO grundsätzlich entsprechend Anwendung, nicht aber § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und die dort vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung.

70

(1) § 106 Satz 1 GewO verweist hinsichtlich der Ausübung und der Kontrolle billigen Ermessens nicht ausdrücklich auf § 315 BGB. Allerdings ging die Rechtsprechung bereits vor Inkrafttreten des § 106 GewO davon aus, dass sich die Überprüfung einer Weisung am Maßstab billigen Ermessens an den zu § 315 BGB entwickelten Grundsätzen zu orientieren hatte. Dies galt trotz des Umstands, dass mit der Weisung nicht die Leistung des Arbeitgebers bestimmt wird, sondern die hinsichtlich des Umfangs bereits vertraglich festgelegte Gegenleistung des Arbeitnehmers konkretisiert wird (weshalb im Schrifttum teilweise § 316 BGB zur Begründung des Weisungsrechts zusätzlich herangezogen wird, vgl. von Hoyningen-Huene Die Billigkeit im Arbeitsrecht 1978 S. 143). Hieran hat der Gesetzgeber angeknüpft (vgl. Schönleiter/Viethen GewArch 2003, 129 ff., 135) und die befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts haben auch zu § 106 GewO an der (entsprechenden) Anwendung des § 315 BGB festgehalten. Die Vorschriften wurden dabei regelmäßig „in einem Atemzug“ („§ 315 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB“, „§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB“) genannt (vgl. zB BAG 30. November 2016 - 10 AZR 11/16 - Rn. 28; 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 17, BAGE 137, 164; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 48 ff., BAGE 118, 22; ebenso zB AR/Kolbe § 106 GewO Rn. 50; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 9; Kühn NZA 2015, 10, 12; MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 67; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 21; Staudinger/Rieble Stand Januar 2015 § 315 Rn. 185). Nach anderer Auffassung soll § 315 BGB neben § 106 GewO als arbeitsrechtlicher Spezialnorm nicht anwendbar sein(insbesondere ErfK/Preis 17. Aufl. § 106 GewO Rn. 1; Hromadka FS von Hoyningen-Huene S. 145 ff.; NK-GA/Boecken/Pils § 106 Rn. 6, 66 ff.; kritisch wohl auch Thüsing jM 2014, 20, 21), wobei auch die Vertreter dieser Auffassung wohl weder den Begriff des billigen Ermessens noch das gerichtliche Kontrollsystem verändert sehen wollen.

71

(2) An einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weisungsrechts ist festzuhalten. Dabei hat die Ausübung des Weisungsrechts nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gemäß § 106 Satz 1 BGB immer nach billigem Ermessen zu erfolgen, insoweit wird die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB verdrängt. Hinsichtlich des Begriffs des billigen Ermessens gibt es hingegen keinen Grund, im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO von den allgemeinen Maßstäben abzuweichen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 315 Abs. 2 BGB, wonach die Leistungsbestimmung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil zu erfolgen hat. Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil (nur) verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies gilt auch für das Weisungsrecht nach § 106 GewO. Dabei folgt aus der Norm im Umkehrschluss zunächst, dass die Leistungsbestimmung für den Berechtigten grundsätzlich verbindlich ist (vgl. dazu BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 649/10 - Rn. 40 f. mwN, BAGE 139, 296). Dies gilt auch im Bereich der Ausübung des Weisungsrechts. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für diesen Bestand, bis sie von ihm durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 18). Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist - anders als zB bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr - mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich (diesen Aspekt übersieht Hromadka NZA 2017, 601, 603). Für den Arbeitnehmer ist die Weisung hingegen - wie § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bereits nach seinem Wortlaut anordnet - nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht(BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 16, 39 - unklar aber Rn. 25 -, BAGE 137, 164; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 25; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - zu II 2 b der Gründe; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b ff. der Gründe, BAGE 62, 59; 20. Dezember 1984 - 2 AZR 436/83 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 47, 363; HWK/Lembke 7. Aufl. § 106 GewO Rn. 116a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 67; Münchner Handbuch ArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 29; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 186; Tettinger/Wank/Ennuschat/Wank aaO GewO 8. Aufl. § 106 Rn. 33; vgl. zur Diskussion, ob bei einem Glaubens- und Gewissenskonflikt vorrangig § 275 Abs. 3 BGB Anwendung finden muss einerseits BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 30 f. aaO, andererseits Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 41).

72

(3) Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich nichts anderes; die Norm ist im Bereich des Weisungsrechts nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.

73

(a) Entspricht eine einseitige Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung grundsätzlich durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt. Die Klage kann auch unmittelbar auf die Leistung gerichtet werden (vgl. zB BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 26/12 - Rn. 32 mwN auch aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung). Ohne eine solche gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung könnte der Anspruchsinhaber im Bereich der „klassischen“ Leistungsbestimmungsrechte bei einer unbilligen oder verzögerten Leistungsbestimmung seinen Anspruch nicht durchsetzen, er kennt ihn nicht einmal. Auf etwa vorher festgesetzte Leistungen kann - da es sich um einen neuen Anspruch auf Leistungsfestsetzung handelt - nicht zurückgegriffen werden. Dies betrifft insbesondere Geldleistungen, so zB Bonuszahlungen (vgl. zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - [umfangreich zur gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung] Rn. 29 f.).

74

(b) Anders ist dies im Anwendungsbereich des § 106 Satz 1 GewO bei der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts. Diese betrifft die Gegenleistung des Arbeitnehmers. Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat insoweit Bestand, bis sie vom Arbeitgeber durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239). Damit sind für beide Vertragsparteien regelmäßig die wechselseitigen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung bestimmt, sofern es auch nur einmal zur wirksamen Ausübung des Weisungsrechts kam. Unterlässt der Arbeitgeber jegliche Ausübung des Weisungsrechts auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. fehlt es insoweit an einer wirksamen Weisung, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mangels entsprechender Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers nicht erbringen (vgl. zu einem Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber das Risiko der Vergütungs- bzw. Schadensersatzpflicht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Annahmeverzugs- und Schadensersatzansprüchen BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296) zu tragen, ohne im Gegenzug mangels wirksamer Mitwirkungshandlung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erhalten. Seinen Beschäftigungsanspruch kann der Arbeitnehmer wiederum geltend machen, indem er eine Leistungsklage auf tatsächliche Beschäftigung erhebt. Dabei kann (und muss) der Antrag bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist (näher dazu BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 44, BAGE 152, 1; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 19, BAGE 130, 195).

75

(c) Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet hingegen im Anwendungsbereich des § 106 GewO aus. Durch sein Weisungsrecht konkretisiert der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Betrieb. Die Mitwirkungshandlung iSv. §§ 295, 296 BGB ist erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 38), der Arbeitnehmer kann sich einer rechtlich einwandfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO nicht entziehen, indem er eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet(BAG 30. April 2008 - 5 AZR 502/07 - Rn. 24, BAGE 126, 316). Ebenso wenig könnte im Fall einer unbilligen Leistungsbestimmung das Gericht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung an Stelle des Arbeitgebers festlegen. Ein solches Gestaltungsurteil scheidet aus, es würde sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln (vgl. dazu zB BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 27 f.), den § 106 GewO weder vorsieht noch zulässt(vgl. zB AR/Kolbe aaO § 106 GewO Rn. 66; Busemann ZTR 2015, 63, 66, 71; Fischer FA 2014, 38, 39; Hromadka/Maschmann 6. Aufl. § 6 Rn. 24a; MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 BGB Rn. 67; NK-GA/Boecken/Pils § 106 GewO Rn. 67 [bereits generell die Anwendbarkeit des § 315 ablehnend]; Staudinger/Rieble aaO § 315 BGB Rn. 187; im Ergebnis ebenso für den Fall der „Unzufriedenheit mit bestimmten vom Arbeitgeber übertragenen Arbeiten“ bereits Söllner Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis 1966 S. 125; aA ohne Begründung MünchArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 31). Auch in der Rechtsprechung sind - ohne dies überhaupt zu thematisieren - weder vor noch nach Inkrafttreten des § 106 GewO Weisungen im Wege der Ersatzleistungsbestimmung ausgeurteilt worden(vgl. zur Abgrenzung auch BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - BAGE 148, 16 [für den Fall der Nichtausübung des Weisungsrechts, allerdings missverständlich § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zitierend]). Soweit der Vierte Senat in der Entscheidung vom 27. Januar 2016 (- 4 AZR 468/14 - Rn. 19 ff., BAGE 154, 83) § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB erwähnt, wird klargestellt, dass der Arbeitnehmer, der mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelung des öffentlichen Dienstes angreift, regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“ anstrebt. Dies habe nach den tariflichen Vorschriften zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an dauerhaft übertragen gilt. Ähnliches gilt bei tariflichen Ansprüchen auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (vgl. zB zuletzt BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 30).

76

(d) Entgegen der Auffassung des Fünften Senats (22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) lassen sich daher aus der Gestaltungswirkung der Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB keine Anhaltspunkte für die Frage der Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung herleiten. Die als Beleg zitierten Entscheidungen (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 859/09 -; 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 -; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - BGHZ 167, 139) betrafen dementsprechend nicht die Ausübung des Weisungsrechts, sondern Ersatzleistungsbestimmungen nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine Klageobliegenheit des von der unbilligen Weisung betroffenen Arbeitnehmers ergibt sich daraus nicht (Boemke NZA 2013, 6 ff., 10; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19; allg. MüKoBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 44 ).

77

c) Sinn und Zweck des Weisungsrechts in der Form, wie es durch § 106 GewO ausgestaltet ist, verlangen gleichfalls keine vorläufige Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung, sondern stehen einer solchen vielmehr entgegen.

78

aa) Das Weisungsrecht soll dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitsvertrag und die dort regelmäßig nur rahmenmäßig ausgestaltete Arbeitspflicht in der von ihm gewollten Form zu konkretisieren. § 106 GewO normiert dabei ausdrücklich Grenzen, die zum einen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag, Gesetz) und zum anderen im billigen Ermessen liegen. Dabei soll die Ausübung des Weisungsrechts - anders als noch der Wortlaut von § 121 GewO nahelegte, ohne dass die Rechtsprechung die Vorschrift so verstand - nicht in einem „Über- oder Unterordnungsverhältnis“ erfolgen, sondern in einem „eher partnerschaftliche[n] Miteinander“ im Arbeitsverhältnis(so ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/8796 S. 24 ). Mit einer solchen Zielrichtung ist ein Verständnis, wonach der Arbeitnehmer sanktionsbewehrt an unbillige Weisungen gebunden sein soll, nicht vereinbar.

79

bb) Es bestehen auch keine praktischen Gründe, von einer vorläufigen Verbindlichkeit auszugehen. Spricht der Arbeitgeber eine Weisung aus, ist diese für ihn als Bestimmungsberechtigten verbindlich. Befolgt der Arbeitnehmer diese Weisung und erbringt er - unabhängig von einer möglichen Unbilligkeit - seine Arbeitsleistung, wird das Arbeitsverhältnis in der Form durchgeführt, die der Arbeitgeber begehrt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht, vielmehr kann er diese hinnehmen (vgl. zB LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2013 - 6 Sa 373/13 - zu 1.1.1.3.3.3 der Gründe; Staudinger/Rieble aaO § 315 Rn. 414). Ändert der Arbeitnehmer insoweit seine Auffassung, kann sein Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit - wie jedes andere Recht - verwirken (vgl. zu diesem Aspekt: LAG Düsseldorf 6. April 2016 - 12 Sa 1153/15 - zu A II 3 c der Gründe; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19 a). Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt(vgl. zur Risikoverteilung: BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32; 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29). Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber Sanktionen aussprechen und der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Erzwingen könnte der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO in keinem Fall. Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber - soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden (vgl. zu einer ähnlichen Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Versorgungsunternehmen: BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 -; 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82 -; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 19a). Bei Annahme einer vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen könnte der Arbeitgeber diese hingegen risikolos erteilen. Folgt der Arbeitnehmer ihnen nicht, wäre er Sanktionen bis hin zur Kündigung ausgesetzt, obwohl die Weisung nicht den gesetzlichen Anforderungen und damit der objektiven Rechtslage entspricht (vgl. zu diesem Aspekt LAG Köln 28. August 2014 - 6 Sa 423/14 - zu II 2 der Gründe). Folgt ihr der Arbeitnehmer hingegen und stellt das Gericht später deren Unbilligkeit fest, bliebe dies für den Arbeitgeber faktisch folgenlos. Damit geht es nicht um die Beseitigung von Rechtsunklarheiten (so aber LAG Köln 13. Januar 2014 - 2 Sa 614/13 -), sondern es erscheint nicht völlig polemisch, eine solche Situation als „Spielwiese für trennungswillige Arbeitgeber“ zu qualifizieren (Schauß ArbR Aktuell 2016, 518, 519).

80

d) Schließlich spricht - wie bereits dargelegt - auch die Entstehungsgeschichte des § 106 GewO für die hier vertretene Auffassung. Obwohl der Wortlaut des § 121 GewO vielleicht noch auf ein anderes Verständnis hindeutete(„den Anordnungen der Arbeitgeber … Folge zu leisten“), hatte die Rechtsprechung bereits aus dieser Norm solche Schlussfolgerungen nicht gezogen, sondern eine Unwirksamkeit unbilliger Weisungen angenommen. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen und sich ein mögliches anderes Verständnis von § 121 GewO nicht zu eigen gemacht (BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24).

81

4. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 14. Juni 2017 (- 10 AZR 330/16 (A) -) mit Beschluss vom 14. September 2017 (- 5 AS 7/17 -) entschieden, dass er an der im Urteil vom 22. Februar 2012 (- 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34) vertretenen Rechtsauffassung zur vorläufigen Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung nicht mehr festhält.

82

VIII. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen vom 26. März 2015 und vom 22. April 2015 aus seiner Personalakte. Die auch insoweit zulässige Klage ist begründet.

83

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2015 - 9 AZR 860/13 - Rn. 31; 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331). Einen solchen Anspruch macht der Kläger im Wege des Leistungsantrags hinsichtlich beider erteilter Abmahnungen geltend.

84

2. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Entfernung der Abmahnung besteht. Mit den beiden Abmahnungen wird ausschließlich gerügt, dass der Kläger seine Tätigkeit in Berlin nicht aufgenommen hat. Dazu war er - wie ausgeführt - wegen der Unbilligkeit der erteilten Weisung nicht verpflichtet.

85

IX. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Petri    

        

    Klein    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.

2

Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.

3

Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:

        

„Sehr geehrte Damen und Herren,

        

leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.

        

Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.

        

…       

        

Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.

        

(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)

        

Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.

        

Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.

        

Hochachtungsvoll

        

…“    

4

Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.

5

Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.

6

Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:

        

„Sehr geehrter Herr R,

        

aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.

        

Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“

7

Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.

8

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.

10

In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,

        

den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

14

I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).

15

II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.

16

1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).

17

2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.

18

3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:

19

a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.

20

b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.

21

aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.

22

bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

23

(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.

24

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).

25

cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.

26

(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.

27

(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.

28

(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.

29

III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).

30

IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.

2

Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

        

㤠1

        

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.

        

….    

                 
        

§ 7

        

Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“

3

Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:

        

„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“

4

Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.

6

Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.

12

1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

13

2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.

14

II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.

15

1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.

16

Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.

17

2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

18

a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.

19

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).

20

Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).

21

b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

22

Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.

23

c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:

24

aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).

25

Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).

26

bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

27

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).

28

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).

29

(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).

30

(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.

31

d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

32

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.

33

a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.

34

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).

35

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.

36

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.

37

Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.

38

III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.

39

Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Alex    

        

    Frese    

        

        

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.