Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. März 2014 - 5 SaGa 13/13

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:0320.5SAGA13.13.0A
bei uns veröffentlicht am20.03.2014

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10. Oktober 2013, Az. 6 Ga 9/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über eine Versetzung.

2

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten als Packer zu einem Bruttomonatslohn zwischen € 1.700 und € 1.800 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die Beklagte produziert und vertreibt Kleinlederwaren, ihre Firmenzentrale mit ca. 150 Arbeitnehmern ist in Kirn. Der Kläger wurde seit 1977 ausschließlich in Kirn beschäftigt.

3

Mit Schreiben vom 19.09.2013 versetzte die Beklagte den Kläger wegen der Verlagerung eines Teils ihrer Logistik mit Wirkung zum 01.10.2013 nach Saarbrücken. Die Versetzung wurde auf den 14.10.2013 verschoben, weil sich die Verlagerung verzögerte. Mit seinem am 26.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

4

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

5

festzustellen, dass er bis zu einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen.

6

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

7

den Antrag zurückzuweisen.

8

Ein Hauptsacheverfahren machte der Kläger, der seit dem 14.10.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, zunächst nicht anhängig.

9

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 10.10.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Versetzung sei bei summarischer Betrachtung vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Der Arbeitsort des Klägers habe sich nicht auf Kirn konkretisiert. Die Beklagte habe ihr Ermessen bei Ausübung des Versetzungsrechts nicht fehlerhaft ausgeübt.

10

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 21.10.2013 zugestellt worden. Sein Prozessbevollmächtigter hat mit am 21.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sich die Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 20.12.2013 bis zum 17.01.2014 verlängern lassen. Die Berufungsbegründung ging am 17.01.2014 beim Landesarbeitsgericht ein.

11

Mit Schreiben vom 23.01.2014 versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab 01.02.2014 erneut von Kirn nach Saarbrücken. Um ihm die Anreise zu erleichtern, verkürzte sie seine Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um eine Stunde täglich. Außerdem sagte sie ihm zu, auf ihre Kosten ein Firmenfahrzeug zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, wenn mindestens fünf Arbeitnehmer der Versetzung nach Saarbrücken und der Fahrgemeinschaft zustimmen sollten. Am 06.02.2014 machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht gegen diese Versetzung erstmals ein Hauptsacheverfahren anhängig (Az. 5 Ca 64/14).

12

Der Kläger ist der Ansicht, das einstweilige Verfügungsverfahren habe sich trotz der zweiten Versetzung nicht erledigt, weil er keine bestimmte Versetzungsanordnung angegriffen habe. Sein Begehren sei darauf gerichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet zu sein, die Arbeitsleistung in Saarbrücken zu erbringen. Hieran habe sich nichts geändert. Sein Arbeitsort habe sich auf Kirn konkretisiert. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln könne er den neuen Arbeitsort nicht vor 8:30 Uhr erreichen, obwohl er ab 5:40 Uhr zweieinhalb Stunden anreisen müsste.

13

Die Monatskarte für die Bahnfahrt koste € 252,60. Diese Mehrkosten könne er sich bei seinem Einkommen und der familiären Belastungen (Ehefrau nicht berufstätig, drei minderjährige Kinder) nicht leisten. Ein Firmenfahrzeug stelle die Beklagte nur unter der Bedingung zur Verfügung, dass fünf Mitarbeiter mit der Versetzung einverstanden seien und der Fahrgemeinschaft zustimmten. Diesen Bedingungseintritt könne er nicht beeinflussen.

14

Der Verfügungskläger beantragt zweitinstanzlich,

15

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.10.2014, Az.6 Ga 9/13, abzuändern und der Verfügungsbeklagten aufzugeben, ihn bis zu einer rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache, nicht dazu zu verpflichten, seine Arbeitsleistung in Saarbrücken, zu erbringen.

16

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt unter Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichts. Eine Eilbedürftigkeit bestehe nicht, weil der Kläger erst am 06.02.2014 ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht habe. Bei der zweiten Versetzung zum 01.02.2014 sei sie den betroffenen sechs Mitarbeitern hinsichtlich Arbeitszeit und Fahrtkosten noch einmal erheblich entgegengekommen.

19

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind unter Beachtung der §§ 935, 940 ZPO nicht erfüllt.

21

Der Verfügungskläger ist verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Rechtsstreit 5 Ca 64/14 vor dem Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - in Saarbrücken zu erbringen, den er am 06.02.2014 anhängig gemacht hat.

22

Der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor.

23

Die mangelnde Dringlichkeit des Begehrens wird bereits dadurch indiziert, dass der Kläger seine Berufung, mit der er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt, erst am letzten Tag der Berufungsfrist am 21.11.2013 eingelegt, sich dann die Berufungsbegründungsfrist um vier Wochen verlängern lassen und die verlängerte Berufungsbegründungsfrist bis zum letzten Tag am 17.01.2014 voll ausgeschöpft hat. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit durch prozessuales Verhalten der antragstellenden Partei entfallen kann, sog. "Selbstwiderlegung der Dringlichkeit". Dies wird ua. dann angenommen, wenn sich der erstinstanzlich unterlegene Verfügungskläger die Berufungsbegründungsfrist nicht unerheblich verlängern lässt und diese Verlängerung voll ausschöpft (LAG Köln 15.10.2013 - 12 SaGa 3/13 - Rn. 66 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 27.09.2012 - 10 SaGa 8/12 - Rn. 23 mwN; jeweils Juris). Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

24

Die Gesamtbetrachtung des prozessualen Vorgehens des Klägers ergibt, dass er sein Begehren nicht mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt hat. Dies folgt auch daraus, dass er das Hauptsacheverfahren erst am 06.02.2014, also über vier Monate nach seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26.09.2013 eingeleitet hat. Dieses zeitverzögernde Verhalten verfehlt die den §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intension. Der verstrichene Zeitraum von über vier Monaten ist bei weitem zu lang, um das Interesse des Klägers an einer zügigen Rechtsdurchsetzung belegen zu können.

25

Vorliegend ergibt sich die fehlende Dringlichkeit überdies daraus, dass der Verfügungskläger seit 14.10.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig krank ist. Es ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungskammer nicht ersichtlich (gewesen), dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit des Verfügungsklägers absehbar ist. Zwar ist die letzte Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arzt ausgestellt hat, bis voraussichtlich 02.04.2014 befristet. Der Kläger hat jedoch nicht erklärt, dass er ab dem 03.04.2014 in jedem Fall wieder arbeiten kann. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer ist ohnehin an seiner Arbeitsleistung verhindert. Er muss weder arbeiten noch an seiner Beschäftigung mitwirken. Auch deswegen besteht kein Verfügungsgrund, der Verfügungsbeklagten die Versetzung des Verfügungsklägers zu untersagen (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz 20.04.2011 - 7 SaGa 2/11 - Rn. 33, Juris).

26

Dem Verfügungskläger ist auch ansonsten zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache eine Tätigkeit in Saarbrücken aufzunehmen. Ein Verfügungsgrund iSd. §§ 935, 940 ZPO kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 14.05.2013 - 6 SaGa 2/13- Rn. 55, Juris; mit zahlreichen Nachweisen). Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versetzung bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.

27

Nach alledem ist die Berufung des Verfügungsklägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

28

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Eine Revision ist in einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG unstatthaft.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 24. April 2012, Az.: 3 Ga 8/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung, der Beklagten zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt mit der Mitbewerberin Z. Y. bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu besetzen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 17.04.2012 beim Arbeitsgericht eingegangen; das Hauptsacheverfahren will die Klägerin mit Klageschrift vom 26.09.2012, einen Tag vor dem Berufungstermin, beim Arbeitsgericht eingeleitet haben.

2

Die 1967 geborene Klägerin ist von Beruf staatlich anerkannte Sozialarbeiterin. Sie ist seit Januar 2005 bei dem beklagten Jobcenter, einer gemeinsamen Einrichtung im Sinne des § 44b SGB II, zunächst als Fallmanagerin und nunmehr als Sachbearbeiterin im Bereich Bildung und Teilhabe vollzeitbeschäftigt. Die Klägerin ist seit April 2011 Vorsitzende des Personalrats und deshalb mit 50 % ihrer Arbeitszeit freigestellt. Sie wird nach Entgeltgruppe E 9 TVöD vergütet.

3

Nach § 18e Abs. 1 SGB II, der am 01.01.2011 in Kraft getreten ist, sind bei jeder gemeinsamen Einrichtung Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) zu bestellen. Die Beklagte hat die BCA-Stelle, die als 0,5-Planstelle konzipiert worden ist, erstmals am 22.02.2011 intern ausgeschrieben. Die Klägerin bewarb sich auf diese erste Ausschreibung vergeblich. Sie leitete die einstweiligen Verfügungsverfahren 3 Ga 16/11 (10 SaGa 11/11) und 3 Ga 1/12 ein. Die Beklagte hat das erste Auswahlverfahren abgebrochen und die BCA-Stelle am 09.12.2011 neu ausgeschrieben. Die Klägerin bewarb sich erneut. Die Stelle soll nun mit der Mitbewerberin Z. Y. besetzt werden. Die Gleichstellungsbeauftragte hat dieser Entscheidung zugestimmt, der Personalrat hat in seiner Sitzung vom 11.04.2012 beschlossen, die Zustimmung zu verweigern. Das Ablehnungsschreiben des Personalrats vom 12.04.2012 (BI. 70-72 d.A.) ist unter dem Namen der Klägerin verfasst und trägt auch ihre Unterschrift. Auf Nachfrage teilte die Klägerin erst im Berufungstermin am 27.09.2012 mit, sie habe zwar an der Personalratssitzung vom 11.04.2012 teilgenommen, jedoch nicht an der Beratung und Beschlussfassung zum Gegenstand, der sie betraf. Die Beklagte bestreitet dies mit Nichtwissen.

4

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe das Auswahlverfahren fehlerhaft durchgeführt. Eine vollständige Dokumentation des Auswahlverfahrens sei nicht erfolgt. Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes seien jedoch verpflichtet, ein Anforderungsprofil festzulegen sowie die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Die Beklagte habe keine Vorstellungsgespräche durchgeführt. Hierzu sei der öffentliche Arbeitgeber auch bei Bewerbungen aus dem eigenen Haus verpflichtet. Im Übrigen hätte die Auswahlkommission auch mit einem Mitglied der Schwerbehindertenvertretung besetzt werden müssen. Die Beklagte habe gegen den Grundsatz der Bestenauslese verstoßen. Sie sei aufgrund ihrer Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle geradezu prädestiniert. Schließlich verstoße die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung gegen das Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG.

5

Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich beantragt,

6

der Verfügungsbeklagten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) mit der Bewerberin Z. Y. zu besetzen,
der Verfügungsbeklagten für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 ausgesprochene Verpflichtung anzudrohen, dass ein vom Gericht festzulegendes Ordnungsgeld verhängt werden kann.

7

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

8

die Anträge zurückzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Urteil vom 25.04.2012 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es bestehe kein Verfügungsgrund, denn die Klägerin könne ihre Rechte als Mitbewerberin im Hauptsacheverfahren sichern und ggf. bis zur eigenen Berücksichtigung im Bewerbungsverfahren durchsetzen. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16/09 - Juris) könne im Beamten- und Richterbereich eine Stellenbesetzung auf die Klage eines unterlegenen Bewerbers rückgängig gemacht werden. Dies müsse auch im Bereich des Arbeitsrechts gelten.

10

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 27.04.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 14.05.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der antragsgemäß um zwei Wochen bis zum 11.07.2012 verlängerten Begründungsfrist am 11.07.2012 begründet.

11

Sie ist der Ansicht, ein Verfügungsgrund liege vor. Ihr Bewerbungsverfahrensanspruch sei ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung gefährdet, weil sie - nachdem die Beklagte eine Mitbewerberin ausgewählt habe - damit rechnen müsse, dass die Stelle mit dieser besetzt werde und damit ihr Anspruch untergehe. Die vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des BVerwG vom 04.11.2010 (2 C 16/09) betreffe einen Sonderfall, der hier nicht vorliege. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Dringlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens noch gegeben, obwohl sie eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen beantragt habe.

12

Die Verfügungsklägerin beantragt,

13

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 25.04.2012 , 3 Ga 8/12, abzuändern und
der Verfügungsbeklagten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen, die Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) mit der Bewerberin Z. Y. zu besetzen,
der Verfügungsbeklagten für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 ausgesprochene Verpflichtung anzudrohen, dass ein vom Gericht festzulegendes Ordnungsgeld verhängt werden kann.

14

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie ist der Ansicht, es fehle bereits ein Verfügungsgrund, weil die Klägerin eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und mit der Begründung bis zum letzten Tag der Frist zugewartet habe.

17

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen.

I.

19

Der Klägerin ist es wegen des Fehlens eines Verfügungsgrundes verwehrt, gegen die Beklagte mit Erfolg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorzugehen.

20

1. Zwar ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei sogenannten Konkurrentenklagen zur Sicherung des Anspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich erforderlich, weil dieser Anspruch nach endgültiger Besetzung der Stelle nicht mehr durchsetzbar wäre (BVerfG vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - Juris; BAG vom 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - AP Nr. 56 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung des BVerwG vom 04.11.2010 (2 C 16/09 - Juris) missverstanden. Im dort entschiedenen Fall ist dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit genommen worden, die Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber durch eine Eilentscheidung zu verhindern. Verhindert die Verwaltung durch ihr Verhalten rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz oder setzt sie sich über dessen erfolgreiche Inanspruchnahme hinweg, so kann der unterlegene Bewerber trotz der mit der Stellenbesetzung grundsätzlich eingetretenen Erledigung weiterhin Rechtsschutz im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren suchen (BVerwG vom 04.11.2010 - 2 C 16/09, im Anschluss an BVerfG vom 24.09.2007 - 2 BvR 1586/07 - Juris).

21

Damit hat das BVerwG nicht etwa zum Ausdruck bringen wollen, für eine einstweilige Verfügung vor der Stellenbesetzung fehle ein Verfügungsgrund, wie das Arbeitsgericht meint. Hatte ein unterlegener Bewerber Gelegenheit, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung des Konkurrenten auszuschöpfen, so sind seine Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllt. Der Dienstherr muss die gerichtliche Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung ermöglichen und mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers zuwarten, bis die unterlegenen Bewerber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlte es zunächst nicht am erforderlichen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO i.V.m. § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG für die begehrte einstweilige Verfügung.

22

2. Im Streitfall ist der Verfügungsgrund ist jedoch nicht mehr gegeben, weil die Klägerin das Verfahren nicht mit der von ihr zu erwartenden Zügigkeit betrieben hat.

23

Zwar kann nicht generell angenommen werden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schon dann seine Dringlichkeit verliert, wenn nach abweisendem erstinstanzlichen Urteil der Verfügungskläger sowohl die Berufungsfrist als auch die Berufungsbegründungsfrist voll ausschöpft (ErfK/Koch 12. Aufl. § 62 Rn. 15; Stein/Jonas/Grunsky ZPO 22. Aufl. § 940 Rn. 8). Die sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit tritt nach überwiegender Auffassung im Allgemeinen jedoch dann ein, wenn sich der erstinstanzlich unterlegene Verfügungskläger die Berufungsbegründungsfrist nicht unerheblich verlängern lässt und diese Verlängerung in vollem Umfang ausschöpft (Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 940 Rn. 5; MünchKommZPO/ Drescher 3. Aufl. § 935 Rn. 19; jeweils m.w.N.). Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

24

Nach den maßgeblichen Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat die Klägerin das Eilverfahren nicht mit dem erforderlichen Nachdruck betrieben. Das Arbeitsgericht hat nach Eingang der Antragsschrift vom 17.04.2012 bereits am 25.04.2012 ein Urteil verkündet und der Klägerin die Entscheidung mit Begründung am 27.04.2012 zugestellt. Die Klägerin hat bis zum 11.07.2012 - über 10 Wochen - zugewartet, um die Berufung zu begründen. Hinzu kommt, dass sie ohne zwingenden Grund erst mit Klageschrift vom 26.09.2012 das Hauptsacheverfahren, bis zu dessen Abschluss die Besetzung der BCA-Stelle untersagt werden soll, eingeleitet hat. In einem Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen hätte in den fünf Monaten seit dem 17.04.2012 aber schon verhandelt und ein erstinstanzliches Urteil ergehen können. Damit hat die Klägerin die Besetzung der BCA-Stelle über Gebühr verzögert.

25

Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte auch ohne ausdrückliche gerichtliche Entscheidung verpflichtet ist, bis zum Abschluss des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes jede Maßnahme zu unterlassen, die geeignet ist, vollendete Tatsachen zu schaffen (BAG Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 277/08 - AP Nr. 70 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Damit kann die Klägerin die Besetzung der BCA-Stelle durch ihr prozessuales Verhalten blockieren. Art. 33 Abs. 2 GG dient nicht nur dem Interesse des einzelnen Bewerbers, sondern auch dem Interesse der öffentlichen Verwaltung an ihrer Leistungsfähigkeit. Die Erfordernisse effizienten Verwaltungshandelns setzen voraus, dass Stellen in absehbarer Zeit endgültig besetzt werden können. Im vorliegenden Fall ist es nicht mehr gerechtfertigt, der Beklagten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu untersagen, die Stelle zu besetzen.

II.

26

Auf die Frage, ob ein Verfügungsanspruch vorliegt, kommt es nicht an. Sie wäre zu verneinen, denn die Auswahl der Mitbewerberin Z. Y. ist nicht zu beanstanden.

27

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 (BGBl. 11112) wurden mit Wirkung zum 01.01.2011 auch für den Rechtskreis des SGB II Beauftragte für Chancengleichheit (BCA) eingeführt. Nach der gesetzlichen Regelung in § 18e SGB II haben die BCA in erster Linie die Aufgabe der externen Beratung und Unterstützung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in übergeordneten Fragen der Frauenförderung, der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer. Insoweit arbeiten sie auch mit denjenigen Stellen im Bezirk des Jobcenters zusammen, die sich mit Fragen der Frauenerwerbsarbeit befassen, also mit Themen wie etwa berufliche Aus- und Weiterbildung, beruflicher (Wieder-)Einstieg und Fortkommen von Frauen und Männern nach einer Familienphase (Kinderbetreuung, Pflege eines Angehörigen) sowie flexible Arbeitszeitgestaltung. Die BCA sind aber auch intern bei der frauen- und familiengerechten fachlichen Aufgabenerledigung ihrer Dienststellen zu beteiligen.

28

Warum die Erfüllung dieser Aufgaben zwingend eine Ausbildung zur staatlich anerkannte Sozialarbeiterin voraussetzt, wie sie die Klägerin abgeschlossen hat, erschließt sich nicht. Die Klägerin schildert ihre Ausbildung und ihre Aktivitäten während des Studiums (Mitgliedschaft und Vorsitz im AStA, Projekt in der offenen Mädchenarbeit, Praktikum in einem sozialen Brennpunkt) ausführlich. Sie legt auch ihre Arbeitszeugnisse seit 2002 in der Kinder- und Jugendarbeit und ein Zwischenzeugnis der Landrätin über ihre Tätigkeit als Fallmanagerin in der ARGE vor. In Bezug auf die gegenwärtige Eignung für die zu besetzende BCA-Stelle fehlt den vorgelegten Bescheinigungen und Zeugnissen die notwendige Aussagekraft. Ausweislich des erstinstanzlich vorgelegten Vermerks der Geschäftsführerin über die getroffene Auswahlentscheidung verfüge Frau Y. über Erfahrungen im Kontakt mit den Kunden im Jobcenter wie auch zu den Arbeitgebern und den Trägern. Für Frau Y. sprächen aus Sicht der Auswahlkommission, ihre vorhandenen Netzwerke im Jobcenterbezirk. Sie habe Kontakt zu allen gesellschaftspolitischen Gruppierungen, die für die Arbeit als BCA unumgänglich seien. Zudem sei ihre positive Außenwirkung bekannt.

29

Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte mit dieser Auswahlbegründung den Grundsätzen der Bestenauslese zuwidergehandelt hätte, bei der die Rechte der Klägerin auf ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens verletzt worden sein könnten. Soweit die Klägerin eine Dokumentation der Entscheidungsfindung ver-vermisst, hat die Geschäftsführerin in ihrem Vermerk die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niedergelegt.

30

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen ihrer Personalratstätigkeit benachteiligt wird. Das mit der Ausschreibung vom 22.02.2011 eingeleitete erste Auswahlverfahren wurde rechtmäßig aufgehoben und somit wirksam beendet (LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 09.02.2012 - 10 SaGa 11/11- Juris). Ein aus diesem Verfahren herzuleitender Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin ist damit untergegangen; maßgeblich ist insofern lediglich noch das mit der Ausschreibung vom 09.12.2011 eingeleitete zweite Auswahlverfahren. Dass die Auswahlkommission im zweiten Verfahren die Freistellung der Klägerin mit 50 % ihrer Arbeitszeit wegen der Personalratstätigkeit zu ihren Lasten berücksichtigt hätte, hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Der vorgelegte Auszug aus einem Sitzungsprotokoll zur 5. Sitzung der Trägerversammlung (mit unleserlichem Datum), die jedenfalls vor dem 24.10.2011 stattgefunden haben muss, weil laut TOP 7.4 die nächste Sitzung für dieses Datum vereinbart worden ist, ist nicht geeignet, eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Freistellung zu indizieren.

31

Die Auswahlentscheidung ist nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte - mit den vier internen - Bewerberinnen keine Vorstellungsgespräche geführt hat. Die Beklagte ist nicht gezwungen, Auswahlentscheidung nach Vorstellungsgesprächen zu treffen, wenn sie alle Bewerberinnen hinreichend gut kennt. Anhand welcher Mittel die Behörden die Eignung, Befähigung und Leistung der Bewerber feststellen, ist durch Art. 33 Abs. 2 GG nicht im Einzelnen festgelegt. Lediglich bei schwerbehinderten Bewerbern ist der Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet.

32

Soweit die Klägerin rügt, die Auswahlkommission sei fehlerhaft besetzt gewesen, weil ihr kein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung angehört habe, hat die Be- klagte unwidersprochen vorgetragen, dass eine Schwerbehindertenvertretung nicht besteht.

III.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

34

Gegen dieses Urteil findet ein Rechtsmittel nicht statt. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zulässig.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.12.2010 - Az.: 4 Ga 28/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision kann nicht zugelassen werden.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.970,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Verfügungskläger ist seit vielen Jahren in dem zuletzt von der Verfügungsbeklagten betriebenen Werk in Z, Z-Straße XX, beschäftigt bzw. beschäftigt gewesen (s. dazu bereits den Arbeitsvertrag vom 09.07.1976 mit der W AG für das dortige Werk "S" = Bl. 206 d.A.). Der - soweit ersichtlich - zeitlich letzte Arbeitsvertrag des Verfügungsklägers datiert vom 03.01.2002 (Anstellungsvertrag = Bl. 19 ff. d.A.). In dem (vom Betriebsrat freilich angefochtenen) Sozialplan vom 16.09.2010 (Einigungsstellenspruch; Bl. 72 ff. d. A.) heißt es in der Präambel u.a.:

2

"…Y [= die Verfügungsbeklagte] wird den bisher am Standort Z betriebenen Betrieb in dem Zeitraum vom 01.09.2010 bis zum 31.12.2010 sukzessive mit allen Arbeitsplätzen nach C-Stadt [C-Stadt/V; Arbeitsgerichtsbezirk Darmstadt] verlegen…

3

Der Sozialplan wird zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile geschlossen, die den bisher am Standort Z beschäftigten Mitarbeitern von Y infolge der Betriebsverlegung entstehen…."

4

(die Zusätze in den eckigen Klammern von hier; der Anfechtungsantrag des Betriebsrates wurde erstinstanzlich am 16.02.2011 von dem Arbeitsgericht Koblenz unter dem Az. - 4 BV 31/10 - zurückgewiesen; der Antrag des Betriebsrates eine neue Einigungsstelle zu errichten, blieb erfolglos: LAG Rheinland-Pfalz vom 12.04.2011 - 3 TaBV 6/11 -).

5

Mit dem Schreiben vom 08.12.2010 (Bl. 22 f. d.A.) schrieb die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger u.a. wie folgt an:

6

"…Bis zur Erklärung der Änderungskündigung und dem Ablauf der nach der Änderungskündigung für die arbeitsvertragliche Änderung Ihres Arbeitsortes dann maßgebliche Kündigungsfrist bitten wir Sie deshalb, sich ab dem 20.12.2010 zur Aufnahme und Fortsetzung Ihrer Arbeit am Standort in C-Stadt einzufinden…

7

…. Sollten Sie zur Erbringung Ihrer Arbeitsleistung bis zur Änderungskündigung und dem Ablauf der für die Wirksamkeit der Änderungskündigung relevanten Kündigungsfrist am Standort C-Stadt ab dem 20.12.2010 bereit sein, bitten wir Sie uns bis spätestens 30.12.2010, 10.00 Uhr, eine schriftliche Mitteilung darüber zu machen….".

8

Im Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 17.12.2010 (Bl. 202 d.A.) an den Verfügungskläger heißt es u.a.:

9

"… Wir weisen Sie daher in Ausübung unseres Direktionsrechts dazu an, Ihre Arbeitsleistung ab dem 20.12.2010 bis zur Erklärung der Änderungskündigung und dem Ablauf der nach der Änderungskündigung für die arbeitsvertragliche Änderung Ihres Arbeitsortes dann maßgeblichen Kündigungsfrist auf Ihrem bisherigen Arbeitsplatz am Standort C-Stadt zu erbringen….".

10

In dem Schreiben vom 24.02.2011 (Bl. 205 d.A.) an den Verfügungskläger führt die Verfügungsbeklagte u.a. aus:

11

"…Ihr Arbeitsplatz ist bereits seit dem 20.12.2010 am Standort C-Stadt eingerichtet. Das zwischenzeitlich bereits vollständig geräumte ehemalige Betriebsgrundstück in Z wurde auch schon an den Vermieter zurückgegeben. Vor diesem Hintergrund ist eine Beschäftigung in Z nicht mehr möglich. Wir weisen Sie daher in Ausübung unseres Direktionsrechts erneut dazu an, Ihre Arbeitsleitung - unmittelbar nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit - nunmehr auf Ihrem bisherigen Arbeitsplatz am Standort C-Stadt zu erbringen…".

12

In dem Beschlussverfahren - 4 BV 38/10 - ArbG Koblenz begehrt die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrates (- der Verfügungskläger ist Betriebsratsmitglied -) zur außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist des Verfügungsklägers und für den Fall der Ablehnung des Änderungsangebots zu der außerordentlichen Beendigungskündigung mit Auslauffrist zu ersetzen. Mit dem Beschluss vom 16.02.2011 - 4 BV 38/10 - wies das Arbeitsgericht das Antragsbegehren der Verfügungsbeklagten zurück mit der tragenden Begründung, die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung wäre unwirksam, weil sie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel sei es nicht erforderlich, den Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt in Frage zu stellen, denn der Arbeitsort C-Stadt könne durch arbeitgeberseitige Anordnung zugewiesen werden.

13

Die Verfügungsbeklagte hat gegen den vorbezeichneten Beschluss des Arbeitsgerichts die (Beschluss-)Beschwerde gemäß den § 87 Abs. 1 ArbGG eingelegt (Az. des Beschwerdeverfahrens: - 10 TaBV 14/11 - LAG Rheinland-Pfalz).

14

Bereits mit dem Schreiben vom 27.10.2010 (Bl. 223 ff. d.A.) hatte der Verfügungskläger die Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung am Standort C-Stadt gemäß § 7 des Sozialplans vom 16.09.2010 gegenüber der Verfügungsbeklagten geltend gemacht. Der Verfügungskläger leidet unter den gesundheitlichen Beeinträchtigungen/Krankheiten, die sich aus den ärztlichen Attesten vom 22.10.2010 und vom 23.02.2011 (B. 228 f. d.A.) ergeben. Gemäß der ärztlichen Bescheinigung vom 14.04.2011 (Bl. 303 d.A.) ist der Verfügungskläger zur Zeit arbeitsunfähig.

15

Erstinstanzlich hat der Verfügungskläger zuletzt beantragt:

16

Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Antragsteller in die Betriebsstätte C-Stadt zu versetzen und dort zu beschäftigen,

17

hilfsweise

18

der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Bedingungen in der Betriebsstätte in Z als technischen Angestellten zu beschäftigen.

19

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 15.12.2010 - 4 Ga 28/10 - (dort Seite 2 ff. = Bl. 115 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Gegen das ihm am 27.12.2010 zugestellte Urteil vom 15.12.2010 - 4 Ga 28/10 - hat der Verfügungskläger am 25.01.2011 Berufung eingelegt und diese am 28.02.2011 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 27.02.2011 begründet. Der dort formulierte Berufungsantrag des Verfügungsklägers ging im Wesentlichen dahin, der Verfügungsbeklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils aufzuerlegen,

20

"die Versetzungsanordnung vom 17.12.2010 und 24.02.2011" nicht weiter aufrechtzuerhalten und (es) zukünftig zu unterlassen, dem Verfügungskläger weitere Versetzungsanordnungen auszusprechen.

21

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 27.02.2011 (Bl. 148 ff. d.A.) verwiesen. Der Verfügungskläger führt dort dazu aus, dass sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund zu bejahen seien. Ein Verfügungsgrund sei im vorliegenden Fall der offensichtlichen rechtswidrigen Versetzungsanweisung deswegen gegeben, da ansonsten das Recht des Verfügungsklägers auf den arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigungsort zumindest zeitweise unwiederbringlich nicht durchgesetzt werden könnte und er zudem zusätzlichen gesundheitlichen Belastungen und der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nachweislich ausgesetzt sei, - dessen Behandlung und Heilung wesentlich erschwert werde, je länger diese ungeregelte Zeit fortdauere. Aus den von ihm dargelegten Gründen hält es der Verfügungskläger für unzumutbar, dass er eine Tätigkeit in C-Stadt aufnehme. Eine bei summarischer Prüfung auf den ersten Blick offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versetzungsmaßnahme und die Nichtberücksichtigung des billigen Ermessens sei vorliegend gegeben. Ergänzend äußert sich der Verfügungskläger in den Schriftsätzen vom 11.03.2011 (Bl. 231 d.A.) und vom 18.04.2011 (Bl. 302 d.A.), worauf Bezug genommen wird.

22

Der Verfügungskläger beantragt (- nach Rücknahme des Antrages "bezüglich der Versetzungsanordnung vom 17.12.2010 und 24.2.2011" -) zuletzt

23

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.12.2010 - 4 Ga 28/10 - nach den Schlussanträgen des Verfügungsklägers in erster Instanz zu erkennen und der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, die Versetzungsanordnung vom 08.12.2010 für die Zeit bis zur Aussprache der Änderungskündigung und Ablauf der für ihn entsprechenden Änderungskündigungsfrist nicht weiter aufrechtzuerhalten und zukünftig zu unterlassen, dem Verfügungskläger weitere Versetzungsanordnungen auszusprechen.

24

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

25

die Berufung des Verfügungsklägers zurückzuweisen.

26

Die Verfügungsbeklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 14.04.2011 (Bl. 240 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

27

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt - insbesondere auf die von den Parteien vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die Berufung ist (jedenfalls) unbegründet.

29

Das Arbeitsgericht hat das Gesuch zu recht als unbegründet abgewiesen. Es ist jedenfalls der notwendige Verfügungsgrund (§§ 935 und 940 ZPO) zu verneinen. Es fehlt die Dringlichkeit im Sinne des Gesetzes.

30

1. In einem Fall der vorliegenden Art liegt ein Verfügungsgrund nur dann vor, wenn die dem Verfügungskläger drohenden Nachteile schwer wiegen und außer Verhältnis stehen zu dem Schaden, den die gegnerische Partei (Verfügungsbeklagte) erleiden kann (§§ 935 und 940 ZPO: „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen"…; vgl.Huber/Musielak 8. Auflage ZPO § 940 Rz 14). Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren (Hauptsacheverfahren, für das der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 ArbGG gilt) vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine sog. Leistungsverfügung erlassen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (vgl. B/L/A/Hartmann 64. Aufl. ZPO § 916 Grundzüge Rz 9: "stets scharfe Anforderungen ... an den Nachweis des Verfügungsgrundes"). Speziell für den Fall einer arbeitsrechtlichen Versetzung ist es anerkanntes Recht, dass nur in seltenen Ausnahmefällen ein entsprechender rechtfertigender Verfügungsgrund - und zudem meist nur für eine kurz bemessene Übergangszeit - gegeben sein kann. Freilich kann auch bei einer Versetzung ein Verfügungsgrund u.U. – etwa aus dem Gesichtspunkt offenkundiger Rechtswidrigkeit der strittigen Maßnahme - doch zu bejahen sein (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 9.2.2011 – 7 Ta 7/11 - ).

31

Im hier zu entscheidenden Fall führt dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt jedoch nicht dazu, dass die einstweilige Verfügung entweder so wie beantragt oder mit einem anderen Inhalt zu erlassen wäre.

32

2. a) Die von der Verfügungsbeklagten als Arbeitgeber vorgenommene Zuordnung/Versetzung des Verfügungsklägers zum neuen Arbeitsort „C-Stadt“ ist nicht (von vornherein) offensichtlich rechtswidrig. Nach Ziffer 1 Satz 2 des schriftlichen Anstellungsvertrages kann die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger eine andere, gleichwertige Tätigkeit innerhalb des Unternehmens übertragen. Hieraus folgt, dass der Verfügungskläger unternehmensweit einsetzbar ist. Zumindest zu dem Zeitpunkt der Versetzungsanordnung gehörte zu dem Unternehmen der Verfügungsbeklagten auch ein Produktionsbetrieb in C-Stadt/V, so dass eine Versetzung des Verfügungsklägers zu diesem Zeitpunkt nach C-Stadt, ausgehend vom Vertragswortlaut, wohl nicht ohne weiteres ausgeschlossen war (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 1.2.2011 – 7 Ta 278/10- ). Diese Rechtsauffassung hat das ArbG Koblenz am 16.2.2011 - was den Parteien und dem Berufungsgericht wegen des Verfahrens - 10 TaBV 14/11 - bekannt ist - zwischenzeitlich auch in dem regulären Erkenntnisverfahren (Beschlussverfahren - 4 BV 38/10 - ) vertreten. Dabei handelt es sich um die Entscheidung eines Kollegialgerichts einer Fachgerichtsbarkeit (ebenso ArbG Koblenz - jeweils vom 16.2.2011 - in den Verfahren - 4 BV 34/10 - und - 4 BV 37/10 - ). Auch wenn der Verfügungskläger diese Rechtsauffassung nicht teilt (und sie mit möglicherweise durchaus vertretbar erscheinender Argumentation bekämpft), ist jedenfalls der Tatbestand einer offensichtlich rechtswidrigen Versetzungsanordnung im Hinblick auf die eben zitierten gerichtlichen Entscheidungen zu verneinen. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist wegen seines notwendigerweise summarischen Charakters grundsätzlich ungeeignet, die Wirksamkeit von Versetzungsanordnungen zu klären (vgl. Rolfs/Giesen/Hamacher-BeckOKStand: 01.03.2011, ArbGG § 62 Rn 84.1: bei unklarer Rechtslage stelle ein Antrag auf einstweilige Verfügung regelmäßig nichts anderes als ein Antrag auf ein „in Urteilsform gefasstes Zwischengutachten des Gerichts“ dar). Dem Arbeitnehmer ist es grundsätzlich zumutbar, für den Zeitraum des erstinstanzlichen Hauptverfahrens entweder die neu zugewiesene Tätigkeit unter Vorbehalt auszuüben (Hamacher aaO) oder aber ( - bei Vorliegen aller hierfür erforderlichen Voraussetzungen; vgl. dazu Preis/Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. Rn 690 - ) ein etwaiges Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.

33

b) Vorliegend ergibt sich die fehlende Dringlichkeit überdies daraus, dass der Verfügungskläger derzeit arbeitsunfähig krank ist. Es ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungskammer nicht ersichtlich (gewesen), dass das Ende der - bereits seit einiger Zeit bestehenden - Arbeitsunfähigkeit des Verfügungsklägers absehbar ist. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer ist ohnehin an seiner Arbeitsleistung verhindert. Er muss weder arbeiten noch an seiner Beschäftigung mitwirken. Deswegen besteht kein Verfügungsgrund, der Verfügungsbeklagten - im Sinne der entsprechenden denkbar weiten gefassten Anträge - generell die Versetzung des Verfügungsklägers nach C-Stadt und die Beschäftigung dort zu untersagen, und der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zukünftig zu unterlassen, dem Verfügungskläger weitere Versetzungsanordnungen auszusprechen. Erst recht ist dieser Verfügungsgrund in Bezug auf das Begehren zu verneinen, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den Verfügungskläger "in der Betriebsstätte in Z" zu beschäftigen. Insoweit hat der Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte in Z überhaupt noch eine Betriebsstätte unterhält. Demgegenüber hat die Verfügungsbeklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass das Betriebsgrundstück zwischenzeitlich - jedenfalls deutlich vor dem 20.4.2011 - an die Vermieterin zurückgegeben worden ist, so dass der Verfügungskläger dort (in der Z-Straße XX in Z) nicht mehr in betriebswirtschaftlich sinnvoller Weise beschäftigt werden kann. Von Letzterem ist die Berufungskammer überzeugt.

34

c) Lediglich ergänzend nimmt die Berufungskammer im übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts. Das Berufungsvorbringen des Verfügungsklägers rechtfertigt es letztlich nicht, das Gesuch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtlich anders zu bewerten als dies im erstinstanzlichen Urteil geschehen ist. Dahingestellt bleiben kann, ob sich - soweit der Verfügungskläger dem Gericht sein Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen eines sog. Globalantrages unterbreitet hat - weitere Bedenken gegen die beantragte einstweilige Verfügung ergeben. Dahingestellt bleiben kann weiter, ob und wie es sich gegebenenfalls jeweils rechtlich bzw. prozessual auswirkt,

35

- dass die Auslegung des Schreibens vom 8.12.2010 gemäß § 133 BGB ergibt, dass die Verfügungsbeklagte dort überhaupt keine Bestimmung i.S.d. § 106 S. 1 GewO bzw. des § 315 BGB getroffen hat , sondern lediglich eine Bitte an den Verfügungskläger herangetragen hat, die dieser ablehnen konnte oder nicht,

36

- dass der Verfügungskläger seinen Antrag in Bezug auf die Versetzungsanordnungen vom 17.12.2010 und vom 24.2.2011 zurückgenommen hat, und

37

- dass der Verfügungskläger die 2-monatige Berufungsbegründungsfrist voll ausgeschöpft hat ( - was "für den Gläubiger schädlich sein" kann; vgl. B/L/A/Hartmann 64. Aufl. ZPO § 940 Rz 8).

II.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Mit Rücksicht auf die vom Verfügungskläger konkret verfolgten Anträge erscheint es angemessen, den Streitwert des Berufungsverfahrens mit ca. einer Monatsvergütung zu bewerten bzw. festzusetzen.

39

In einem Fall der vorliegenden Art kann die Revision nicht zugelassen werden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde findet nicht statt (vgl. § 72 Abs. 4 ZPO).

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.02.13, AZ: 9 Ga 2/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darüber, ob und unter welchen Umständen der Verfügungskläger, der bislang als Betriebsratsvorsitzender freigestellt war, verpflichtet ist, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.

2

Der Verfügungskläger ist seit 01. Januar 1990 bei der Klimageräte fertigenden Verfügungsbeklagten beschäftigt. Zuletzt war er ab 1. November 1992 in die Lohngruppe D 1 als Prüfer eingestuft. Seit 1998 ist der Verfügungskläger Mitglied des bei der Verfügungsbeklagten gewählten Betriebsrates und seit 1999 dessen Vorsitzender. Er ist seit Juli 2001 gemäß § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG als einziges Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Zuletzt wurde der siebenköpfige Betriebsrat am 09. März 2010 gewählt. Die Verfügungsbeklagte gewährt dem Verfügungskläger seit Oktober 2010 im Rahmen des beruflichen Entwicklungsschutzes Vergütung nach der Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RPS-Koordinator) mit einer weiteren Zulage von 400,00 Euro. Der Verfügungskläger hat an einer Fortbildung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 bislang nicht teilgenommen und war in der Lohngruppe F2 auch nicht tätig.

3

Die Zahl der Mitarbeiter der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten, die in der Vergangenheit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeiter bzw. Leiharbeitnehmer beschäftigte, entwickelte sich seit Juli 2012 ebenso wie die Zahl der von der Verfügungsbeklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer rückläufig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine vorübergehende Personalschwankung handelt. Die Zahl der Belegschaftsmitglieder einschließlich der Verwaltungsmitarbeiter stellt sich von Juli 2012 bis Januar 2013 unter Berücksichtigung des Krankenstandes und der Urlaubsabwesenheiten - vom Verfügungskläger im Berufungsrechtszug zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt - wie folgt dar:

4

Monate

Stammgesellschaft

Leiharbeitnehmer

Krankheits- und
Urlaubsabwesenheit

Juli
2012

227     

19    

59    

August
2012

217     

21    

57    

September 2012

208     

21    

50    

Oktober
2012

194     

17    

42    

November
2012

187     

12    

28    

Dezember
2012

184     

0       

34    

Januar
2013

183     

0       

        
5

Die Verfügungsbeklagte, die mit dem Betriebsrat in der Vergangenheit zahlreiche Beschlussverfahren geführt hat, ua. hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern, teilte dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 mit, auf der Basis des voraussichtlich auch im 1. Quartal 2013 nicht verbesserten rückläufigen Auftragsvolumens seien alle noch verbliebenen Leiharbeitnehmer abgekündigt worden; da die Anzahl der regelmäßigen Beschäftigten künftig deutlich unter der Grenze des § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG liege, entfalle die Freistellung des Verfügungsklägers. Die Verfügungsbeklagte kündigte an, den Verfügungskläger ab 07. Januar 2013 wieder im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzusetzen und schlug verschiedene Tätigkeiten in der Produktion zur Abstimmung vor, nicht jedoch eine Tätigkeit in Lohngruppe F2 als Schichtführer/RPS-Koordinator. In seiner Sitzung vom 11. Dezember 2012 beschloss der Betriebsrat vorsorglich, den Verfügungskläger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender vollständig von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen.

6

Der zuletzt arbeitsunfähig erkrankte Verfügungskläger hat am 14. Januar 2013 vorliegendes Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz beim Arbeitsgericht eingeleitet, mit dem er die Aufhebung der Arbeitszuweisung durch die Verfügungsbeklagte unter weiterer Freistellung begehrt und hilfsweise verlangt hat, ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme seiner Tätigkeit zu geben bzw. die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme zu unterlassen, bis ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung gegeben worden sei.

7

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich - unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - im Wesentlichen geltend gemacht, die Weisung vom 05. Dezember 2012 stelle den letzten Schritt im Rahmen der arbeitgeberseitigen Attacken gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden dar. Er sei weiter freizustellen, da ein dauerhaftes Absinken der Belegschaftsstärke nicht zu erwarten sei, die nahezu während seiner gesamten drei Amtsperioden über der Grenze von 200 Arbeitnehmern gelegen habe. Hiervon könne insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Betriebsrat stets behauptet habe, hinsichtlich der Auftrags- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können. Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Auftragszahlen würden mit Nichtwissen bestritten. Vorübergehende Schwankungen der Belegschaftsstärke seien irrelevant. Der Verfügungskläger hat vorgetragen, im Übrigen sei wegen der zahlreichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat seine vollständige Freistellung auch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt. Der Verfügungskläger hat die Auffassung vertreten, seine Rückkehr auf den Arbeitsplatz sei erst möglich, wenn er über die für seine zuletzt innegehabte Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RSP-Koordinator) erforderliche Qualifikation verfüge, da eine Beschäftigung unterhalb der Lohngruppe F2 dem betrieblichen Entwicklungsschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG widerspreche. Die Eilbedürftigkeit für das von ihm angestrengte, seine arbeitsvertragliche Position betreffende Individualverfahren ergebe sich aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte ganz offenbar beabsichtige, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, da sie in den geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten habe.

8

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt,

9

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

10

hilfsweise,

11

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

12

hilfsweise,

13

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

14

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

15

die Anträge zurückzuweisen.

16

Sie hat - unter Vorlage Eidesstattlicher Versicherungen des J H (undatiert), des R L vom 30. Januar 2013 und des H M vom 30. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Hauptantrag könne nicht im Urteilsverfahren, sondern müsse im Beschlussverfahren anhängig gemacht werden. Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass ein Verfügungsanspruch nicht bestehe, weil die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend unter den Schwellenwert nach § 38 BetrVG abgesunken sei, weshalb der Freistellungsanspruch automatisch entfalle. Die Grobplanung 2013 sehe monatlich etwa 175 bis 180 Mitarbeiter vor. Sie habe sich entschlossen, außer in Sonderfällen (Krankheits- und Urlaubsvertretung in den zwei Haupturlaubsmonaten) die Abrufe von Leiharbeitnehmern auf Null zu reduzieren. Ihre einzige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, habe sich aufgrund von stark schwankender Zuverlässigkeit und Liefertreue bei der Verfügungsbeklagten entschieden, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten verstärkt an andere Produktionsgesellschaften zu vergeben, da die Geräte auch an anderen Standorten der L Group in Italien, den USA, China und Indien gefertigt werden könnten. Die derzeit vorgesehene Produktionskapazität betrage 340 Kühlgeräte täglich, wobei die Arbeitnehmerkapazität nach der Formal zwei Geräte pro Mitarbeiter pro Tag umgerechnet werden könne. Bei der gegebenen Kapazitätsplanung führe das dazu, dass im Jahr 2013 die Auftragslage jedenfalls nicht für mehr als 180 Arbeitnehmeräquivalente ausreichen werde. Dieser Prognose stehe nicht entgegen, dass die konkrete Schicht- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von einem Monat besitze, da sich diese Planung - unabhängig davon, dass die grundsätzliche Personalkapazitätsplanung wie dargestellt erfolge - erst vornehmen lasse, wenn mit einem Vorlauf von ca. einem Monat feststehe, wie der effektive Auftragseingang aussehe. Angesichts der Ankündigung ihrer Auftraggeberin sei mit höheren Auftragszahlen, die in der Vergangenheit mit Leiharbeitnehmern abgedeckt worden seien, in Zukunft nicht zu rechnen, wobei sie nicht gedenke, sich wie in der Vergangenheit in monatliche Streitigkeiten nach §§ 99, 100 BetrVG mit dem Betriebsrat zu begeben, um kurzfristig eingehende Mehraufträge mit Leiharbeitnehmern abdecken zu können. Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es fehle auch am Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger durch die Freistellungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG bei konkret anfallender Betriebsratsarbeit ausreichend geschützt sei. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und -grund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe keinen Anspruch auf - insoweit unverständlich, unspezifisch und pauschal - „Fortbildung und Einarbeitung“ vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit, zumal Arbeitsplätze als Schichtführer und RPS-Koordinatoren derzeit nicht frei seien und auch nicht frei würden.

17

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge mit Urteil vom 05. Februar 2013 (Bl. 96 - 107 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, der Hauptantrag sei im Urteilsverfahren zulässig, da der Verfügungskläger nach seiner Auswahl zur Freistellung durch den Betriebsrat zu Beginn seiner Amtszeit einen abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung habe. Es fehle dem Hauptantrag jedoch sowohl am im Verfahren auf Einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsanspruch, als auch am Verfügungsgrund. Die Arbeitnehmerzahl des Betriebes der Verfügungsbeklagten sei seit November 2012 auf unter 200 Arbeitnehmer prognostisch dauerhaft abgesunken. Die völlige Freistellung des Verfügungsklägers sei zwar gegebenenfalls in Betracht gekommen, wenn sie weiterhin erforderlich gewesen sei. Hierfür fehle es jedoch am nötigen substantiierten Tatsachenvortrag des Verfügungsklägers, zumal derzeit lediglich drei weitere weitgehend ausgeschriebene Verfahren beim erkennenden Gericht anhängig seien und weitere Verfahren zur Einstellung von Leiharbeitnehmern, die der Betriebsrat im Übrigen immer gleichlautend abgelehnt habe, angesichts des glaubhaft gemachten Vortrags der Verfügungsbeklagten nicht zu erwarten seien. Die Angelegenheit sei angesichts des Rechts zur anlassbezogenen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch nicht dringlich. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe nicht vorgetragen, dass im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes die verlangte berufliche Entwicklung möglich sei. Da angesichts der bisherigen Freistellung von drei Amtsperioden der Zeitraum der Nachholung zwei Jahre betrage, sei auch keine Dringlichkeit gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 bis 107 ff. d. A. Bezug genommen

18

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 11. Februar 2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 06. März 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

19

Der Verfügungskläger macht mit der Berufungsbegründung und mit den weiteren Schriftsätzen vom 10. April 2013 und 08. Mai 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d. A.; 202 ff. d. A.; 231 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend,

20

das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Arbeitnehmerzahl werde dauerhaft unter 200 liegen. Im Hinblick auf die gerichtsbekannten Streitigkeiten über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit und der Herbeiführung eines Tarifvertrages müsse davon ausgegangen werden, dass die etwaige - schriftlich nicht vorgelegte - Ankündigung der Auftragsverlagerungen durch die R GmbH & Co. KG ins Ausland als reines Druckmittel in den Auseinandersetzungen eingesetzt werde und sich die Auftragsvergabe schlagartig ändern werde, sobald den Wünschen des dortigen Geschäftsführers Herrn F L bei den Verhandlungen Rechnung getragen worden sei. Der von der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren behauptete weitere Personalabbau von 15 Stellen im März 2013, der ihm angesichts seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt sei, werde bestritten. Im Übrigen habe der Arbeitgeber, der sich auf eine rückläufige Belegschaftszahl berufen und das bisher freigestellte Betriebsratsmitglied wieder zur Arbeit auffordern wolle, im Streitfall eine gerichtliche Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren herbeizuführen. Hinsichtlich der trotz reduzierter Belegschaftsstärke unveränderten Arbeitsbelastung des Betriebsratsvorsitzenden werde nunmehr eine Aufstellung der einzelnen regelmäßig anfallenden Aufgaben vorgelegt (Bl. 156 d. A.), aus der sich ein täglicher Arbeitsaufwand in Höhe von ca. 8,5 Stunden im Mittelwert ergebe, wobei noch im einzelnen dargestellte Aufgaben hinzukämen, die in längeren Zeitrhythmen anfielen (Bl. 157 d. A.). Hinzu komme die durch das Arbeitsgericht nicht näher bewertete zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat, welche durch die Drohungen der Geschäftsführung bzw. des Herrn L, den Betrieb zu schließen bzw. Arbeitnehmer zu entlassen, in den Betrieb hineingetragen worden seien. Auch wenn er nur Durchschnittswerte angeben könne, sei damit der Zeitaufwand für Betriebsratstätigkeiten bestimmbar. Der Vortrag der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren, sein Stellvertreter verrichte derzeit lediglich 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit werde mit Nichtwissen bestritten; zudem habe dieser ihm telefonisch bestätigt, dass die bisher weitgehend von ihm erledigten Aufgaben nunmehr auch auf die Übrigen Betriebsratsmitglieder verteilt seien. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass angesichts der Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung nicht davon ausgegangen werden könne, dass Freistellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 BetrVG hingenommen würden und es ihm nicht zuzumuten sei, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein. Der Verfügungskläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe bei der Beurteilung der Hilfsanträge die Darlegungs- und Beweislast verkannt, da die Arbeitgeberseite vortragen müsse, dass und welche zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten seiner Beschäftigung in der Funktion des Schichtführers bzw. RPS-Koordinators entgegenstehen. Auch verkenne das Arbeitsgericht durch den Verweis auf die Zweijahresfrist, dass der Arbeitgeber die Durchführung von geeigneten Fortbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen nicht auf den berühmten „Sanktnimmerleinstag“ verzögern dürfe. § 37 Abs. 5 BetrVG enthalte eine partielle Versetzungssperre. Außerdem habe die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG zur streitgegenständlichen Maßnahme nicht eingeholt. Der Hilfsantrag zu 3) werde im Hinblick auf das zwischenzeitlich eingeleitete Hauptsacheverfahren gestellt.

21

Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,

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die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

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hilfsweise,

24

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

25

hilfsweise,

26

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

27

hilfsweise,

28

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Versetzung des Verfügungsklägers in die Produktion gemäß Schreiben vom 05. Dezember 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit dem Aktenzeichen 9 Ca 1305/13 zu unterlassen.

29

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 15. April 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 186 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor,

32

die Prognose des Arbeitsgerichts, die Belegschaftsstärke liege dauerhaft unter 200, sei zutreffend und müsse auch nicht revidiert werden. Da die geplanten Aufträge der R GmbH & Co. KG nicht in vollem Umfang eingegangen seien, sei im März 2013 eine weitere Reduktion der Beschäftigtenzahl um 15 Personen eingeleitet worden. Der gesamte übrige Vortrag der Beschwerdeschrift bestehe in den aus den übrigen Verfahren bekannten, üblichen allgemeinen Vorwürfen gegenüber der Verfügungsbeklagten und würden inzwischen nicht mehr beantwortet. Angesichts § 37 Abs. 2 BetrVG sei ein Verfügungsgrund nicht gegeben. Eine dauerhafte Freistellung für die Zukunft sei nicht erforderlich. Derzeit gebe es keine gerichtliche Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In seiner Aufstellung gebe der Verfügungskläger im Einzelnen benannte Tätigkeiten an, welche - aus im einzelnen dargelegten Gründen - betriebsverfassungsrechtlich nicht relevant, substanzlos oder nicht erforderlich seien, mehrfach benannt würden, täglich nicht anfielen oder nicht den Tatsachen entsprächen, zumal der Stellvertreter des erkrankten Verfügungsbeklagten mit weniger als 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit auskomme. Auch für den Hilfsantrag sei weder ein Anspruch auf Schulung vor Arbeitsbeginn ersichtlich, noch Eilbedürftigkeit.

33

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist in der Sache nicht erfolgreich.

35

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und hinreichend begründet

36

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Haupt- und Hilfsanträge des Verfügungsklägers im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Auch hinsichtlich des vom Verfügungskläger im Berufungsverfahren zur Entscheidung gestellten weiteren Hilfsantrags blieb das Rechtsmittel erfolglos. Die Berufung war zurückzuweisen.

37

1. Der zulässige Hauptantrag ist nicht begründet. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, die Weisung zurückzunehmen, die Arbeit in der Produktion wieder aufzunehmen, und ihn auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen.

38

1.1. Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere ergeben sich keine Bedenken hinsichtlich der zutreffenden Verfahrensart. Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger sein Hauptbegehren vorliegend im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG verfolgen konnte. Die Berufungskammer hat gemäß § 65 ArbGG hinsichtlich des Hauptantrags nicht mehr die erstinstanzlich zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen, ob das Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart ist.

39

1.1.1. Gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob die Verfahrensart zulässig ist. Von diesem Grundsatz ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluss, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart mitentschieden hat (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 09; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - Rn. 63, jeweils zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 65 Rn. 14; Hauck/Helml-Hauck ArbGG 3. Aufl. § 65 Rn. 5; ebenso zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 21. Mai 1999 - 5 AZB 31/98 - Rn. 37, zitiert nach juris). Der beschwerten Partei steht in einem solchen Falle entweder das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde oder das Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Verfügung, es gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung. Das Rechtsmittelgericht ist in diesem Falle berechtigt, auch die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges oder der Verfahrensart bzw. Zuständigkeit zu überprüfen (BAG 26. März 1992 - 2 AZR 443/91 - Rn. 40 ff. zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann ArbGG § 65 ArbGG Rn. 14 aaO; vgl. Hauck/Helml-Hauck ArbGG § 65 Rn. 5 aaO). Hat das Arbeitsgericht trotz erhobener Rüge verfahrensfehlerhaft keine Vorabentscheidung getroffen, wird die Rüge im Berufungsverfahren jedoch nicht mehr wiederholt, ist das Landesarbeitsgericht an einer erneuten Prüfung gemäß § 65 ArbGG gehindert(vgl. zur Rechtswegrüge: Schwab Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 286).

40

1.1.2. Danach stand der Berufungskammer nach § 65 ArbGG die Prüfung, ob das Urteilsverfahren vorliegend die zutreffende Verfahrensart war, nicht zu. Zwar hat das Arbeitsgericht trotz entsprechender Rüge der Verfügungsbeklagten über die Frage der Verfahrensart nicht im Wege des Vorabbeschlusses entschieden, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache angenommen, das Urteilsverfahren sei die zutreffende Verfahrensart, obwohl auch das um vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 937 ff ZPO ersuchte Gericht die Zulässigkeit der beschrittenen Verfahrensart gemäß § 17a GVG zu prüfen hat(vgl. zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 25. Mai 2000 - 5 AZB 66/99 - Rn. 9; LAG Sachsen 10. Dezember 2008 - 2 SaGa 19/08 - Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Da die Verfügungsbeklagte als insoweit beschwerte Partei jedoch weder ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Verfahrensart ergriffen, noch an ihrer Rüge zur zutreffenden Verfahrensart im Berufungsverfahren festgehalten hat, verblieb es bei der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Berufungskammer nach § 65 ArbGG.

41

1.2. Der Hauptantrag ist in der Sache nicht erfolgreich. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.

42

1.2.1. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob dem Verfügungskläger der erforderliche Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zusteht, von der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion - auch nur einstweilen - abzusehen und ihn weiter als Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeitsleistung freizustellen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Voraussetzungen für eine weitere Freistellung des Verfügungsklägers weder nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, noch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gegeben sind.

43

a) Nach der Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten ist eine weitere Freistellung des Verfügungsbeklagten gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht länger gerechtfertigt.

44

aa) Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der Betriebsgröße abhängig. Maßgeblich hierfür ist die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 7 ABR 3/03 - jeweils zitiert nach juris). Gemäß 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte gewählt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden, im Rahmen ihrer Freistellung widmen sie sich nur noch der Erfüllung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Sie unterliegen insoweit auch nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Fitting 26. Aufl. § 38 Rn. 77; DKK-Wedde 11. Aufl. § 38 Rn. 62; vgl. Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 36; MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 § 220 Rn. 65).

45

Zur Beurteilung, wie viele Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG von einem Arbeitgeber in der Regel beschäftigt werden, ist auf den Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses abzustellen. Denn in der Vorschrift wird die Mindestanzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder geregelt, um Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber zu vermeiden, ob die Freistellungen im Einzelfall erforderlich sind. Die Erforderlichkeit wird deshalb - gestaffelt nach der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl - unwiderleglich vermutet. Um damit Freistellungen rechtfertigen zu können, muss die Erforderlichkeit, dh. also die Arbeitnehmerzahl, gegenwärtig sein. Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen (BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 20, vgl. auch BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 31, jeweils zitiert nach juris). Die Zahl der Freistellungen kann sich daher im Laufe einer Amtszeit - in beide Richtungen - ändern (MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 Rn. 48; ErfK-Koch 13. Aufl. § 38 BetrVG Rn. 1, Fitting aaO § 38 Rn. 15; Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG aaO § 38 Rn. 10 DKK-Wedde aaO § 38 Rn. 10).

46

bb) Vorliegend ist die Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten nicht nur vorübergehend unter 200 Arbeitnehmer gesunken und der Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daher nicht mehr erreicht.

47

Auch wenn die Belegschaftsstärke in der Vergangenheit überwiegend über dem Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelegen haben mag, ist die Prognose gerechtfertigt, dass der Schwellenwert bis zum Ende der aktuellen Amtszeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der nächsten Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 nicht mehr überschritten wird. Zwischen den Parteien ist zuletzt nicht mehr streitig, dass die Zahl der Beschäftigten der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten in den Monaten Oktober 2012 (194), November 2012 (187) und Dezember 2012 (184) jeweils unter 200 lag. Auch im Januar 2013 ist dies mit 183 Mitarbeitern der Fall. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Verfahren zur Akte gereichten Eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre alleinige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten im Jahr 2013 verstärkt an andere Produktionsgesellschaften im Ausland vergeben werde, weshalb nur noch eine durchschnittliche Produktionskapazität von ca. 340 Kühlgeräten zu erwarten sei, was rechnerisch zu einem Personalbedarf von ca. 175 Mitarbeiter führen werde.

48

Es besteht keine Veranlassung, die Prognose in Zweifel zu ziehen, der unterste Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werde dauerhaft bis zum Ende der Amtszeit unterschritten. Auch ohne Berücksichtigung des vom Verfügungskläger bestrittenen weiteren Personalabbaus von 15 Mitarbeitern im März 2013 wird der Schwellenwert von 200 Mitarbeitern angesichts der unstreitigen Zahlen nicht erreicht. Auch der Verfügungskläger stellt nicht in Abrede, dass die Verfügungsbeklagte Leiharbeitnehmer nicht länger abgerufen hat und Befristungen nicht verlängert wurden. Soweit er bemängelt, die Verfügungsbeklagte habe in der Vergangenheit stets behauptet, wegen der Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können, hat die Verfügungsbeklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die genaue Produktions- und Personalplanung erst nach Eingang der konkreten Aufträge und daher erst mit einem Vorlauf von etwa einem Monat möglich ist. Mit der - keinem Schriftformerfordernis unterliegenden - Ankündigung der einzigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten, künftig weniger Aufträge bei der Verfügungsbeklagten in Produktion geben zu wollen, steht dies nicht in Zusammenhang. Soweit der Verfügungskläger anführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Auftragsvergabe als reines Druckmittel benutzt und sich schlagartig wieder ändern werde, sobald den Wünschen des Geschäftsführers der alleinigen Auftraggebergesellschaft L bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat Rechnung getragen worden sei, berührt dies die Prognose nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass ausreichende Anhaltspunkte für diese bloße Vermutung des Verfügungsklägers nicht ersichtlich sind, verkennt dieser, dass die Frage der Art und Weise der Auftragsvergabe ausschließlich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der alleinigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten obliegt.

49

b) Auch die Voraussetzungen einer generellen Freistellung des Verfügungsklägers nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht gegeben.

50

aa) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Für Betriebe, deren Belegschaftsstärke in der Regel 200 Arbeitnehmer nicht überschreitet, kann in Ausnahmefällen nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs. 2 BetrVG die völlige oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes geboten sein, wenn diese Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist(vgl. BAG 13. November 1991 - 7 ABR 5/91 - Rn. 18; 2. April 1974 - 1 ABR 43/73 - Rn. 12; jeweils zitiert nach juris). Voraussetzung für die zusätzliche Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds ist die Darlegung, dass nach Art und Umfang des Betriebes die zusätzliche Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist (vgl. BAG 22. Mai 1973 - 1 ABR 10/73 -; 9. Oktober 1973 - 1 ABR 29/73 -, jeweils zitiert nach juris). Hinsichtlich des Umfanges der Darlegungslast ist zu berücksichtigen, dass für den Regelfall der Bedarf an Freistellungen bereits durch § 38 BetrVG abgedeckt ist(vgl. BAG Urteil vom 21. November 1978 - 6 AZR 247/76 -, zitiert nach juris). Es sind daher Abweichungen von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG gesetzlich unterstellten Normalfall darzutun, aufgrund derer die Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrates in zeitlicher Hinsicht derart erhöht ist, dass eine zusätzliche generelle Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes für die gesamte Amtszeit erforderlich ist. Aus dem Tatsachenvortrag muss ersichtlich werden, dass weder die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Betriebsratsmitglieder noch die Möglichkeit konkreter Freistellungen der übrigen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichen, um sämtliche erforderlichen Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Dazu ist die so detaillierte Beschreibung der besonderen Umstände erforderlich, dass die sich daraus voraussichtlich ergebenden zeitlichen Belastungen zumindest bestimmbar werden. Da die erstrebte über § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellung für die gesamte restliche Amtszeit erfolgen soll, muss aus dem Tatsachenvortrag überdies für das Gericht erkennbar werden, dass die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung für diese gesamte Restdauer der Wahlperiode besteht. Wenigstens eine Schätzung des Mindestumfanges der zeitlichen Mehrbelastung des gesamten Betriebsrates muss möglich sein. Die Untergrenze der regelmäßigen Mehrbelastung muss daher nach dem Tatsachenvortrag einer Pauschalierung zugänglich sein. Zugleich muss die Darlegung der zeitlichen Mehrbelastung des Betriebsrates so detailliert sein, dass dem Arbeitgeber eine sachliche Erwiderung möglich ist (vgl. insoweit zur Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds: BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 29 ff, zitiert nach juris).

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bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Verfügungskläger nicht dargelegt, dass seine Freistellung trotz Nichterreichens des Schwellenwertes des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gerechtfertigt ist. Der Verfügungskläger hat lediglich eine abstrakte Auflistung von Betriebsratsaufgaben vorgenommen, die weder den Schluss zulassen, dass eine Mehrbelastung tatsächlich eintreten wird, noch dass dies für die gesamte restliche Dauer der Amtszeit der Fall sein wird. Bereits aufgrund der vom Verfügungskläger angegebenen Schwankungsbreite des täglichen Zeitaufwandes für Betriebsratstätigkeiten (ohne die zurzeit durch Betriebsratsbeschluss ausgesetzte Teilnahme an Produktionsbesprechungen) zwischen insgesamt 3,6 Stunden (mindestens) und 13,16 Stunden (höchstens) lässt erkennen, dass der Aufstellung eine verlässliche Prognose über die Erforderlichkeit einer weiteren Freistellung nicht entnommen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn man die - ebenfalls mit Schwankungsbreite angegebenen - nicht täglich zu verrichtenden Aufgaben mitberücksichtigt, deren pauschale Darlegung eine konkrete Zuordnung zu tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten überwiegend nicht möglich macht. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Verfügungskläger seiner Aufstellung abschließend die Bemerkung angefügt hat, je nach anstehenden aktuellen Themen und Planungen der Geschäftsführung könne sich der Zeitaufwand für die Tätigkeiten erheblich verändern. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass bei Teilen der vom Verfügungskläger angegebenen Tätigkeiten gerade aufgrund ihrer Pauschalität - wie beispielsweise das Lesen aktueller politischer und regionaler Nachrichten oder Recherchen im Internet zu aktuellen Themen bis zu 120 Minuten täglich - zweifelhaft ist, ob es sich vollumfänglich um Betriebsratsarbeit handelt und dass Teile der Tätigkeiten doppelt genannt scheinen (E-Mail Posteingang des BR bzw. I. A. lesen und bearbeiten/ Beantwortung von E-Mail; Aufnahme von Stimmungen und Meinungen/ Gespräche mit Mitarbeitern, Gruppensprechern, Schichtführern). Soweit der Verfügungskläger im Berufungsverfahren bemängelt hat, dass Arbeitsgericht habe die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat nicht näher bewertet, so war eine konkrete Bewertung seines lediglich auf zwei Vorfälle gestützten Vortrages (Betriebliche Folgen des arbeitgeberseitigen Verhaltens auf der Mitarbeiterversammlung am 04. Juli 2012 und der Ankündigung betriebsbedingter Entlassungen im Januar 2013) auch der Berufungskammer nicht möglich, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten der überwiegende Teil der zwischen den Betriebspartnern geführten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischenzeitlich erledigt ist.

52

c) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten mit dem Absinken der Betriebsgröße unter den Schwellenwert nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG automatisch wieder auflebte oder ob sie angesichts der fehlenden Abberufung des Verfügungsklägers durch den Betriebsrat wegen der zwischen den Betriebspartnern bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - worauf sich der Verfügungskläger zuletzt im Berufungsverfahren gestützt hat - eine Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hätte herbeiführen müssen, bevor sie den Verfügungskläger zur Wiederaufnahme seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit auffordern durfte.

53

Nach § 38 Abs. 2 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Dauer der Freistellung. Diese erfolgt daher in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 47/04 - Rn. 14 mwN; zitiert nach juris). Der Betriebsrat kann jedoch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied jederzeit von dieser Funktion abberufen und durch ein anderes Betriebsratsmitglied ersetzen. Ändert sich die Zahl der Beschäftigten nicht nur vorübergehend, sondern dergestalt, dass in der Regel eine höhere oder niedrigere Zahl von Freistellungen nach der Tabelle vorzunehmen wäre, so hat der Betriebsrat erneut zu beschließen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Wird dies unterlassen, kann der Arbeitgeber eine Entscheidung im Beschlussverfahren herbeiführen (MünchArbR-Joost § 220 Rn. 48 3. Aufl. 2009; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/ Hoß - Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Abschnitt B Rn. 733; Wlotzke/Preis-Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 10). Ob bei einem dauerhaften Absinken der Betriebsgröße während der laufenden Amtszeit unter den Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein derartiges Verfahren Voraussetzung für ein Wiederaufleben des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gegenüber dem einzigen freigestellten Betriebsratsmitglied ist(wohl verneinend: LAG Hamm 19. August 2009 - 10 Sat 295/09 - Rn. 65, zitiert nach juris), konnte offen bleiben.

54

1.2.2 Der Verfügungskläger ist vorliegend jedenfalls verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder aufzunehmen, weil er weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass für seinen im Eilverfahren gestellten Antrag auf Unterlassung der Zuweisung arbeitsvertraglicher Tätigkeit und auf weitere Freistellung ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO vorliegt.

55

a) Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine so genannte Leistungsverfügung getroffen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz 20. April 2011 - 7 SaGa 1/11 -; LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris). Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (LAG Köln 14. August 2009 - 9 Ta 264/09 - zitiert nach juris). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris LAG Hamm, 05. Februar 2008 - 11 SaGa 4/08 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12. Mai 2009 - 5 SaGa 4/08 - jeweils zitiert nach juris).

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b) Gemessen hieran ist der Verfügungskläger gehalten, der Weisung der Verfügungsbeklagten, eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen, zunächst nachzukommen und die Frage, ob der Verfügungsbeklagten nach dauerhaftem Absinken der Belegschaftsstärke unter den für die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG das in Anspruch genommene Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO) zusteht oder er - vorerst - weiter freizustellen ist, im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.

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(1) Der Verfügungskläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die dafür sprechen würden, dass ihm die Aufnahme einer Produktionstätigkeit, wie er sie auch vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat, unzumutbar wäre. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Wenn der Verfügungskläger sich insoweit zuletzt darauf berufen hat, es fehle die vor einer Versetzung einzuholende Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG, übersieht er, dass es sich bei der Zuweisung der vorherigen arbeitsvertraglichen Tätigkeit gegenüber einem Betriebsratsmitglied nach Beendigung einer Freistellung iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt. Hierfür wäre nach § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches erforderlich, woran es nach Beendigung der Freistellung und Zuweisung der früheren Tätigkeit fehlt, da Betriebsratsmitglieder während ihrer Freistellung von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten gerade entbunden sind und sich nur noch der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben widmen.

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(2) Auch ist nicht ersichtlich, dass im Falle der Arbeitsaufnahme durch den Verfügungskläger die Wahrung der Rechte des Betriebsrates gefährdet würde und deshalb eine besondere Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über seine weitere Freistellung anzunehmen wäre. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen (vgl. BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 135/09 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris). Dementsprechend ist dem Verfügungskläger auch ohne generelle Freistellung die Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben ohne weiteres möglich. Der Einwand des Verfügungsklägers, die Verfügungsbeklagte beabsichtige offenbar, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, ist ebenso wenig wie seine in der Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013 geäußerte Vermutung, die Geschäftsführung wolle ihn von der ordnungsgemäßen Abwicklung der umfangreichen Betriebsratstätigkeiten abhalten, geeignet, einen Verfügungsgrund abzugeben. Der Verfügungskläger hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die die Befürchtung rechtfertigen, dass die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger in rechtswidriger Weise in seiner Arbeit als Betriebsratsmitglied behindern wird. Das vom Verfügungskläger herangezogene Argument, die Verfügungsbeklagte habe in den zwischen den Betriebspartnern geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten, ist hierzu nicht geeignet, da der Verfügungsbeklagten - ebenso wie dem Betriebsrat - die Ausschöpfung der von der Betriebsverfassung eingeräumten Rechte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zusteht. Soweit der Verfügungskläger sich darauf berufen hat, es sei ihm nicht zuzumuten, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein, sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiges schikanöses Verhalten der Verfügungsbeklagten zu erwarten wäre, nicht ersichtlich. Auch der Verfügungskläger stellt zumindest nicht in Abrede, dass während seiner derzeitigen Erkrankung die Betriebsratstätigkeit vertretungsweise von den nicht freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats wahrgenommen wird. Hinweise für deren Behinderung durch die Verfügungsbeklagte bestehen nicht.

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2. Die vom Verfügungskläger zur Entscheidung gestellten, im Urteilsverfahren zulässigen Hilfsanträge zu 1) und 2) sind in der Sache nicht erfolgreich. Dem Verfügungskläger steht weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund zu.

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2.1. Der Verfügungskläger begehrt mit dem Hilfsantrag zu 1) die Einräumung der Fortbildungs- und Einarbeitungsmöglichkeit in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme einer Produktionstätigkeit und mit dem Hilfsantrag zu 2) die Unterlassung der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion bis er Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung hatte. Mit beiden Hilfsanträgen verfolgt der Verfügungskläger demnach das Ziel, dass ihm vor Aufnahme jeglicher (bis dahin nicht zuzuweisender) vertraglicher Tätigkeit in der Produktion Gelegenheit zu einer Fortbildung und Einarbeitung gegeben wird. Ein derartiger Anspruch steht dem Verfügungskläger nicht zu.

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2.1.1. Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BetrVG dürfen freigestellte Betriebsratsmitglieder von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres - bei Freistellung für drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten innerhalb von zwei Jahren - nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen (§ 38 Abs. 4 Satz 2, 3 BetrVG). Nach § 37 Abs. 5 BetrVG iVm. § 37 Abs 4 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig sind. Der berufliche Tätigkeitsschutz nach § 37 Abs. 5 BetrVG bedeutet zum einen, dass ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht mit einer Tätigkeit beschäftigt werden darf, die nicht mindestens derjenigen, die es vor Antritt des Betriebsratsamtes ausgeübt hat, gleichwertig ist. Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, sofern vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung inzwischen eine höherwertige Tätigkeit ausüben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Betriebsratsmitglied die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation besitzt (Fitting BetrVG 26. Auflage § 37 Rn. 133; Richardi/Thüsing BetrVG 13. Aufl. § 37 Rn. 75; GK-Wiese BetrVG 9. Aufl. § 37 Rn. 129; HSG-Glaubitz BetrVG § 37 Rn. 95). Dies ergibt sich daraus, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit auch in seiner beruflichen Entwicklung nicht begünstigt werden darf (§ 78 Satz 2 BetrVG). Auch wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht die Qualifikation erwerben konnte, besteht kein Anspruch auf Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, solange die für sie erforderliche Qualifikation nicht erworben ist; allerdings darf in diesem Fall infolge des Arbeitsentgeltschutzes nach § 37 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer(Fitting aaO; Richardi/Thüsing aaO; HSG-Glaubitz aaO).

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2.1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hilfsanträge zu 1) und 2) ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Der Verfügungskläger, der unstreitig nicht über die erforderliche Qualifikation für eine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer/RPS-Koordinator) verfügt, hat keinen Anspruch darauf, vor Erwerb der entsprechenden Qualifikation für Aufgaben der Lohngruppe F2 nicht mit Tätigkeiten in der Produktion betraut zu werden. Der Verfügungskläger behauptet nicht, dass die ihm von der Verfügungsbeklagten zugedachten Produktionstätigkeiten nicht zumindest denjenigen gleichwertig sind, die er vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat. Auch wird der Verfügungskläger unstreitig nach der Freistellung nach Lohngruppe F2 vergütet, so dass der Arbeitsentgeltschutz gewährleistet ist. Würde man dem Verfügungskläger zugestehen, ausschließlich die geltend gemachte höherwertige Tätigkeit der Lohngruppe F2 in der Produktion zu verrichten und bis zum Erwerb der unstreitig insoweit nicht vorliegenden Qualifikation überhaupt nicht in der Produktion tätig zu werden, würde er entgegen § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Art und Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit bevorzugt. Darauf, dass die Verfügungsbeklagte ohnehin vorgetragen hat, im Betrieb sei keine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer /RPS-Koordinator) verfügbar, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Einen Anspruch ausschließlich auf Schulung für die höherwertige Tätigkeit trotz (gleichzeitiger) Tätigkeit in der Produktion zu den von der Verfügungsbeklagten angeordneten Bedingungen hat der Verfügungskläger nicht geltend gemacht, sondern sich ausschließlich darauf berufen, die Verfügungsbeklagte solle verpflichtet werden, ihn bis zur verlangten Fortbildung überhaupt nicht in der Produktion einzusetzen. Die Frage nach einem isolierten Schulungsanspruch war daher nicht zu beantworten.

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2.2. Ungeachtet des fehlenden Verfügungsanspruchs steht dem Verfügungskläger auch kein Verfügungsgrund im Sinne besonderer Dringlichkeit zu. Aus den bereits unter A II 1.2.2. dargestellten Gründen ist es dem Verfügungskläger zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache zunächst eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen.

64

3. Auch der zuletzt im Berufungsverfahren gestellte im Urteilsverfahren zulässige weitere Hilfsantrag zu 3) ist nicht begründet. Der Verfügungskläger hat den weiteren Hilfsantrag, der inhaltlich nicht über das mit dem Hauptantrag verfolgte Ziel hinaus geht, die Weisung zur Arbeitsaufnahme in der Produktion zurückzunehmen, lediglich im Hinblick auf das zwischenzeitlich anhängig gemachte Hauptsacheverfahren gestellt. Auch diesem Antrag fehlt es zumindest am Verfügungsgrund. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II.1.2. Bezug genommen.

65

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

66

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.