Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 29. Aug. 2017 - 8 Sa 45/17
Gericht
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.11.2016, Az.: 8 Ca 726/16 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971 sowie über die Rückzahlung von geleisteter Überbrückungsbeihilfe.
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Der 1954 geborene Kläger war vom 15.06.1977 bis 31.07.2007 bei den Stationierungsstreitkräften als IT-Experte zuletzt mit 4.336,69 Euro brutto monatlich beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis sind bzw. waren die Tarifverträge für die Zivilbeschäftigten bei den Stationierungsstreitkräften TVAL-II und der Tarifvertrag Soziale Sicherung (im Folgenden: TV SozSich) anwendbar. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Personaleinschränkung im Sinne des § 2 Nr. 1 TV SozSich.
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Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:
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„§ 2 Anspruchsvoraussetzungen
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Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die
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1. wegen Personaleinschränkung
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a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
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b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie
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2. im Zeitpunkt der Entlassung
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a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
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b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ..
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d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen
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3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …
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…
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§ 4 Überbrückungsbeihilfe
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1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:
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a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
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b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
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c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.
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2.a) (1)..…..
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(2)….
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b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt – längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.
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3. a) (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13 : 3). Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.
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(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.
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b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Krankenoder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen – jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen – auszugehen.
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4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:
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Im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 v.H.
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vom 2. Jahr an 90 v.H. des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …
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5. a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung … oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.
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Protokollnotiz zu Ziffer 1a Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.
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….
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§ 7 Antragstellung und Zahlung
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…
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§ 8 Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschüsse
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1. Überbrückungsbeihilfe und Beitragszuschuss werden nicht gezahlt für Zeiten,
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a) die mehr als drei Monate vor dem Tag liegen, an dem der Antrag bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten eingegangen ist,
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b) im Anschluss an eine fristlose Kündigung des neuen Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers,
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c) nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der Erwerbsunfä- higkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt (siehe hierzu Protokollnotiz zu § 2 Ziffer 2d),
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d) nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer sein 65. Lebensjahr vollendet.
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2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der zahlenden Behörde
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a) die zur Feststellung der Anspruchsberechtigung (§ 2) und die zur Berechnung der Leistungen (§§ 4, 6) benötigten Unterlagen innerhalb einer Frist von 3 Monaten vorzulegen, und
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b) jede Änderung der dem Leistungsanspruch zugrunde liegenden Tatbestände unverzüglich mitzuteilen.
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3. Kommt der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nach vorstehender Ziffer 2a trotz schriftlicher Aufforderung nicht nach, so stehen ihm Leistungen nach diesem Tarifvertrag für die Zeiten nicht zu, für die er seine Nachweispflicht nicht innerhalb der Dreimonatsfrist erfüllt.
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4. Überbrückungsbeihilfe und Beitragszuschüsse, die aufgrund von vorsätzlich oder grobfahrlässig unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben des Antragsberechtigten gezahlt worden sind, hat der zu Unrecht Begünstigte in voller Höhe zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Empfänger nicht mehr bereichert ist.“
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Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld war der Kläger seit dem 10.11.2008 bei der nicht tarifgebundenen Firma G. K. und S. M. GbR Glashandel und Service aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 08.11.2008 (Bl. 49 ff. d. A.) über 22 Stunden als Aushilfsfahrer/Lagerarbeiter mit 450,00 Euro brutto monatlich, die sich ab dem 01.01.2013 auf 490,00 EUR brutto und ab dem 01.09.2014 auf 850,00 EUR brutto erhöhten, beschäftigt. Der Kläger erhielt von Beginn dieses Arbeitsverhältnisses an Überbrückungsbeihilfe gewährt. Im Zeitraum Januar 2012 bis September 2014 einschließlich wurden dem Kläger von der für die Beklagte die Überbrückungsbeihilfe verwaltende Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) insgesamt 131.515,65 EUR brutto an monatlichen Überbrückungsbeihilfen gezahlt.
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Ab Oktober 2014 stellte die ADD die Zahlungen ein, da sie die Auffassung vertrat, dass insbesondere im Hinblick auf die geringe Vergütung keine „ anderweitige Beschäftigung“ im Sinne des § 4 TV SozSich gegeben sei.
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Die vom Kläger daraufhin erhobene Klage zur Feststellung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - Az.: 8 Ca 229/15 wurde mit Urteil vom 19.05.2015 abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 06.04.2016 - Az.: 4 Sa 324/15 als unzulässig verworfen.
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Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma G. K. und S. M. GbR endete aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung zum 30.11.2015. Der Kläger erhielt sodann wegen der seit dem 22.09.2015 gegebenen Arbeitsunfähigkeit ab dem 03.11.2015 bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit am 25.05.2016 von der Krankenkasse ein Krankengeld in Höhe von 14,93 EUR netto kalendertäglich ausgezahlt (vgl. Schreiben der Barmer GEK vom 24.11.2015, Bl. 6 d.A.)
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Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld für den Monat Dezember 2015 sowie für die Monate Januar 2016 und Februar 2016 und den Zeitraum 01.03.2016 bis 25.03.2016. Nachdem die Beklagte außergerichtlich vergeblich mit Schreiben vom 20.11.2015 den Kläger zur Rückzahlung der im Zeitraum Januar 2012 bis September 2014 gezahlten Überbrückungsbeihilfe aufgefordert hat, verfolgt sie diese Forderung nun im Wege der Widerklage weiter.
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Der Kläger hat vorgetragen,
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er sei seit dem 22.09.2015 arbeitsunfähig infolge eines Darmverschlusses mit sofortiger Notoperation gewesen. Sein damaliger Arbeitgeber habe ihm bis zum 02.11.2015 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet. Es bestehe seitdem ein striktes ärztliches Verbot mehr als 15 Kg zu heben, er habe daher nur noch in sehr geringem Umfang bei seinem Arbeitgeber eingesetzt werden können, weshalb er sich auch nicht gegen die sodann ausgesprochene Kündigung gerichtlich gewehrt habe, zumal - insoweit unstreitig - es sich bei seinem damaligen Arbeitgeber um einen Kleinbetrieb im Sinne des KSchG gehandelt habe. Sein damaliger Arbeitgeber habe ihm wegen des alten Führerscheins, mit dem er bis 7,49 t fahren dürfe, eine Beschäftigung in Teilzeit angeboten. Die vereinbarte Vergütung damals sei üblich und angemessen gewesen. Auch stünde der begehrten Rückzahlung entgegen, dass er entreichert sei, da er die gewährten Überbrückungsbeihilfen monatlich vollständig für seinen Lebensunterhalt verwandt habe. Etwaige Rückzahlungsansprüche seien zudem nach § 49 TVAL-II mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Zudem erhebe er die Einrede der Verjährung, die zumindest hinsichtlich etwaiger Forderungen aus dem Jahr 2012 auch durchgreife.
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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
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1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.156,27 Euro (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. Februar 2016 zu zahlen.
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2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.832,12 Euro (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. März 2016 zu zahlen.
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3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.522,37 Euro (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. April 2016 zu zahlen.
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4. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.064,92 Euro (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. Mai 2016 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Darüber hinaus hat sie widerklagend beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, 131.515,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. November 2015 an die Beklagte zu bezahlen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Meinung vertreten,
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dass schon im Hinblick auf die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015 im Verfahren Az.: 8 Ca 229/15 die Unbegründetheit der Klage und die Begründetheit der Widerklage folge. Es könne nicht sein, dass für die Anknüpfungsleistung aus dem Arbeitsvertrag beim Glashandel der Kläger, wie entschieden, keine Überbrückungsbeihilfe erhalte, dafür aber Krankengeld, das wegen der sittenwidrig zu niedrigen Arbeitsvergütung auch zu niedrig sei. Hilfsweise werde insoweit auch mit der widerklagend geltend gemachten Forderung aufgerechnet. Die Feststellungen aus dem Urteil vom 19.05.2015 Az.: 8 Ca 229/15, dass ein sittenwidriges Arbeitsverhältnis bestanden habe, hätten auch für die Vergangenheit Geltung und führten zu einem Rückzahlungsanspruch nach § 8 Ziff. 4 TV SozSich. Der Kläger habe gewusst, dass die Zahlungen rechtswidrig gewesen seien. Deshalb könne er sich nach § 818 Abs. 3 BGB auch nicht auf Entreicherung berufen. Im Übrigen sei der Kläger aber auch nicht entreichert, da er sich Aufwendungen in gleicher Höhe erspart habe. Mit seiner Verjährungseinrede könne der Kläger keinen Erfolg haben, denn bis zum 08.04.2015 habe die ADD nichts von der Nähe des Klägers zum Mehrheitsgesellschafter der Fa. G. K. und S. M. GbR gewusst und auch nichts von der Vergütungshöhe nach dem einschlägigen Tarifvertrag im Glashandel. Wie das LAG Hessen zutreffend entschieden habe, griffen die Ausschlussfristen aus dem TVAL-II nicht ein.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.11.2016 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 c TV SozSich begründet sei, da die Anspruchsvoraussetzungen in Form des Bezugs von Krankengeld erfüllt seien. Der Tarifvertrag verlange nicht darüber hinaus, dass auch vor Bezug von Krankengeld ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe bestanden habe. Hingegen sei die Widerklage unbegründet, da die Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs nach § 8 Abs. 4 TV SozSich nicht vorlägen. § 812 BGB fände keine Anwendung. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne der §§ 823, 826 BGB sei nicht erkennbar.
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Die Beklagte hat gegen das am 05.01.2017 zugestellte Urteil mit beim Landesarbeitsgericht am 02.02.2017 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 06.03.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte macht insoweit zusammengefasst geltend,
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ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 c) TV SozSich bestehe, nicht. Das Arbeitsgericht habe insoweit verkannt, dass es sich beim Krankengeld um eine Lohnersatzleistung handele. Wer wegen eines sittenwidrigen Lohns keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziffer 1 c) TV SozSich habe, dürfe erst recht keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zur Lohnersatzleistung Krankengeld haben. Das Arbeitsgericht habe so zudem die rechtskräftige Entscheidung vom 19.05.2015 im Verfahren 8 Ca 229/15 missachtet. Auch hinsichtlich der Widerklage sei das Arbeitsgericht zu Unrecht von deren Unbegründetheit ausgegangen. Dabei habe es gleichfalls die Rechtskraftwirkung des Urteils des Arbeitsgerichts vom 19.05.2015 - Az. 8 Ca 229/15 außer Acht gelassen. Im Übrigen folge die Sittenwidrigkeit der im Zeitraum Januar 2012 bis September 2014 gezahlten Vergütung auch aus dem im Glashandwerk Rheinland-Pfalz jeweils gültigen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Betriebe des Glashandwerks, der Glasveredler, der Glasapparatebauer sowie die Glas- und Porzellanmaler vom 01.08.2010, vom 25.05.2012 und vom 02.08.2013. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 TV SozSich seien ebenfalls zu Unrecht verneint worden, da der Kläger gewusst habe, dass er sich mit einer aberwitzig niedrigen bzw. sittenwidrigen Vergütung von 4,72 EUR bzw. 5,12 EUR brutto zufrieden gegeben habe. Auch sperre diese tarifliche Regelung nicht § 812 BGB, da es sich um ein aliud handele.
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Die Beklagte beantragt,
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auf die Berufung der Beklagten und Widerklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.11.2016 – Az.: 8 Ca 726/16 abgeändert und die Klage des Klägers wird abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten wird der Kläger verurteilt 131.515,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2015 an die Beklagte zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und verweist insbesondere darauf, dass sich die Rechtskraft des (nach seiner Ansicht zudem falschen) Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015 Az.: 8 Ca 229/15 allein auf Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt bei seiner Beschäftigung im ausgeurteilten Zeitraum vom 02.10.2014 bis 30.11.2015 erstrecke.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.
II.
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Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht sowohl der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben hat als auch die Widerklage der Beklagten zutreffend abgewiesen hat.
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1. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 c TV SozSich einen Anspruch auf die von ihm begehrte Überbrückungsbeihilfe für den geltend gemachten Zeitraum vom 1.12.2015 bis 25.03.2016.
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a) Danach wird Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind.
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Der Kläger erhielt von der gesetzlichen Krankenkasse wegen seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung ab dem 22.09.2015 seit dem 03.11.2015 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 14,93 EUR netto. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die begehrte Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld vor. Der TV SozSich selbst normiert ausdrücklich keine weiteren einschränkenden Bedingungen. Insbesondere enthält er keinerlei Verweise auf § 4 Ziffer 1a) TV SozSich.
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b) Entgegen der Auffassung der Berufung folgt vorliegend auch nichts anderes aus der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015 Az.: 8 Ca 229/15. In dem damaligen Arbeitsgerichtsprozess begehrte der Kläger die (Weiter-)Bezahlung der Überbrückungsbeihilfe zu seinem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis mit der Firma G. K. und S. M. GbR Glashandel und Service ab Oktober 2014 bis zu dessen Beendigung am 30.11.2015, nachdem die Beklagte die Zahlung der bisher gewährten Überbrückungsbeihilfe eingestellt hatte. Mit rechtskräftigen Urteil vom 19.05.2015 - Az.: 8 Ca 229/15 hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern diese Klage abgewiesen.
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aa) Rechtskräftige Urteile entfalten gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit Bindungswirkung für ein nachfolgendes Verfahren, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, dass heißt auf die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet. Einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden dagegen von der Rechtskraft nicht erfasst (BGH 26.06.2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 a der Gründe, NJW 2003, 3058). Danach besteht eine Bindungswirkung, wenn der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der im neuen Prozess geltend gemachten Rechtsfolge gehört (BAG 20.11.2012 – 1 AZR 611/11- Rn. 90 m.w.N., NZA 2013, 437 ff.). Der rechtskräftig festgestellte Anspruch bildet nach materiellem Recht eine Voraussetzung für die Entscheidung über den Gegenstand des Zweitprozesses (MünchKomm ZPO/Gottwald 5. Aufl. 2016, § 322 Rn. 51). Das Gericht hat die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Verfahren zugrunde zu legen, wenn diese eine Vorfrage darstellt. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BAG 15.06.2106 – 4 AZR 485/14, NZA 2017, 593 ff. m.w.N.; BGH 24.06.1993 - III ZR 43/92 - zu III 1 der Gründe, NJW 1993, 3204; 6. Oktober 1989 - V ZR 263/86 - zu II 2 b der Gründe, WM 1989, 1897). Im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruchs erwächst danach in Rechtskraft, dass der Kläger am Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch hatte (BGH 24.06.1993 - III ZR 43/92 - zu III 1 der Gründe m.w.N., NJW 1993, 3204)
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bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorliegend allein die Feststellung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015 - Az.: 8 Ca 229/15 bindend, dass kein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte für den eingeklagten Zeitraum Oktober 2014 bis November 2015 bestand. Diese Feststellung ist zwar auch in Folgeprozessen bindend. Da es jedoch für die vorliegende Entscheidung über den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld für die nachfolgenden Monate Dezember 2015 bis 25.03.2016 nach dem Tarifwortlaut überhaupt nicht darauf ankommt, ob auch vor dem Krankengeldbezug ein Zahlungsanspruch auf Überbrückungsbeihilfe bestand, kommt der damaligen Entscheidung vorliegend keinerlei Rechtswirkung für die Begründetheit der vorliegende Klage zu. Zumal es sich auch um völlig unterschiedliche Streitgegenstände handelt.
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cc) Schließlich verfängt auch nicht der Einwand der Beklagten, dass es sich beim Krankengeld um eine Lohnersatzleistung handelt, so dass es zu einem Wertungswiderspruch käme, wenn, obwohl zuvor zum Arbeitsentgelt nach § 4 Ziffer 1 a TV SozSich keine Überbrückungsbeihilfe geleistet werden müsste, sodann zum Krankengeld ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe bestünde.
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Denn Anspruchsvoraussetzungen und Umfang des Krankengeldes als sozialrechtliche Lohnersatzleistung sind in den sozialrechtlichen Normen eigenständig geregelt (vgl. § 44 SGB V). Insbesondere bedarf es danach auch nicht eines Beschäftigungsverhältnisses mit einer arbeitsvertraglichen wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden, wie dies hingegen § 4 Ziffer 1 a) TV SozSich für die Überbrückungsbeihilfe zu einem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis vorsieht. Indem der TV SozSich dennoch in § 4 Ziffer 1 c) TV SozSich das Krankengeld als eigene Anknüpfungsleistung für die Überbrückungsbeihilfe normiert, kommt es gerade nicht darauf an, ob der beantragende Arbeitnehmer auch vor dem Krankengeldbezug Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hatte.
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Die einzelnen Fallgruppen des § 4 Ziffer 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander (vgl. so bereits BAG 22.12.1994 – 6 AZR 337/94 – zu II. 2 der Gründe, NZA 1995, 1168, 1169) und lassen keinerlei Schlüsse darauf zu, dass die Überbrückungsbeihilfe im Falle von Krankengeld nur gewährt werden soll, wenn auch zuvor ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe im anderweitigen Beschäftigungsverhältnis bestand.
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Hätten die Tarifvertragsparteien Krankengeld als Anknüpfungsleistung nur dann gewollt, wenn zuvor ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt nach § 4 Ziffer 1a) TV SozSich bestand, so hätte dies auch im Tarifwortlaut Anklang finden müssen. Nach der Regelung des § 4 TV SozSich reicht es hingegen aus, dass die gesetzliche Krankenkasse aufgrund Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung Krankengeld zahlt, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hierzu zu erhalten und zwar unabhängig davon, ob zuvor überhaupt ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziffer 1 a) oder b) TVSozSich bestand. Etwas anderes kann dem Tarifvertrag nicht entnommen werden.
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c) Die Klageansprüche sind auch der Höhe nach begründet. Nach § 4 Ziff. 3 b) TV SozSich ist Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach § 4 Ziff. 3 a) TV SozSich. Dementsprechend hat der Kläger zutreffend jeweils Nettobeträge eingeklagt. Ferner hat der Kläger auch die Höchstgewährdauer von maximal 12 Wochen innerhalb eines Kalenderjahres bei Überbrückungsbeihilfe zum Krankgeld nach § 4 Ziffer 2 b) TV SozSich beachtet.
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2. Schließlich besteht auch der von der Beklagten geltend gemachte Gegenanspruch auf Rückzahlung überzahlter Überbrückungsbeihilfe nicht, so dass die von ihr erklärte Aufrechnung - auch soweit die Pfändungsfreigrenze überschritten ist - nicht durchgreift und auch die Widerklage unbegründet ist.
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Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung der im Zeitraum Januar 2012 bis September 2014 geleistete Überbrückungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 131.515,65 EUR brutto.
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a) Ein solcher Rückzahlungsanspruch folgt nicht aus § 8 Abs. 4 TV SozSich.
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Gemäß § 8 Abs. 4 TV SozSich hat der zu Unrecht Begünstigte Überbrückungsbeihilfe, die aufgrund von vorsätzlich oder grobfahrlässig unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben des Antragsberechtigten gezahlt worden sind, in voller Höhe zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Empfänger nicht mehr bereichert ist.“
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Eine Rückforderung nach dieser tarifvertraglichen Regelung scheitert vorliegend daran, dass der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht oder solche unterlassen hat. Der Kläger ist seiner Verpflichtung aus den §§ 7 Ziffer 2, 8 Ziffer 2 TV SozSich stets nachgekommen und hat die danach benötigten Angaben zur Feststellung der Anspruchsberechtigung (§ 2) und die zur Berechnung der Leistungen (§§ 4, 6) benötigten Unterlagen eingereicht. So hat er unstreitig insbesondere den Arbeitsvertrag und seine Lohnabrechnungen eingereicht. Die Beklagte bzw. die für sie die Überbrückungsbeihilfe verwaltende ADD konnte daher jederzeit diese Angaben prüfen und auch den vereinbarten Stundenlohn selbst ausrechnen. Daher ist bereits nicht ersichtlich, welche Angaben des Klägers falsch oder unvollständig sein sollen bzw. welche Angaben er pflichtwidrig unterlassen haben soll. Der Kläger und sein damaliger Arbeitgeber, die Firma G. K. und S. M. GbR Glashandel und Service, waren nicht tarifgebunden, auch haben sie nicht die Anwendung von Tarifverträgen vereinbart, so dass für den Kläger keinerlei Verpflichtung bestand, Angaben zu etwaigen Tariflöhnen im Glashandwerk zu machen. Wobei auch völlig offen bleibt, woher ihm überhaupt dieser Tarifvertrag als nicht tarifgebundener Arbeitnehmer geläufig sein sollte. Der Beklagten bzw. der für sie die Überbrückungsbeihilfe verwaltende ADD hingegen stand es jedoch frei, jederzeit Nachfragen zur Art der Tätigkeit zu stellen, wie sie dies sodann auch beginnend im September 2014 getan hat. Zudem stellt die Frage, ob ein sittenwidriger Lohn im Sinne des § 138 BGB gezahlt wird, eine rechtliche Bewertung dar. Es muss bewertet werden, ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen Missverhältnis zu dem für die Arbeit gezahlten Entgelt steht. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind regelmäßig die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs oder – wenn die verkehrsübliche Vergütung geringer ist – das allgemeine Entgeltniveau im Wirtschaftsgebiet (vgl. zu den Einzelheiten std. Rspr z.B. BAG 17.10.2012 – 5 AZR 792/11 – zu I. 3. a) aa), NZA 2013, 266, 267). Beide Ausgangspunkte betreffen bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer schon nicht die nach den §§ 7, 8 TV SozSich zu machenden Angaben zum Erhalt der Überbrückungsbeihilfe, so dass eine Pflichtverletzung des Klägers insoweit nicht in Betracht kommt.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015 Az. 8 Ca 229/15. Denn dieses klageabweisende Urteil hat allein verbindlich festgestellt, dass keine Zahlungsverpflichtung der Beklagten für den Zeitraum Oktober 2014 bis November 2015 bestand. Diese Feststellung ist jedoch nicht vorgreiflich für die Frage, ob der Kläger im Zeitraum Januar 2012 bis September 2014 Überbrückungsbeihilfe zu Unrecht, verursacht durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers, erhalten hat. Zumal es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt.
- 94
b) Ebenso wenig konnte die Beklagte ihr Begehren auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB wegen ungerechtfertigter Bereicherung stützten.
- 95
Denn die Tarifvertragsparteien haben nach Auffassung der Kammer in § 8 Abs. 4 TV SozSich die Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfe tariflich geregelt. Das gesetzliche Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) wird hierdurch verdrängt und kommt nicht zur Anwendung (a.M. ohne nähere Begründung Hessisches Landesarbeitsgericht 15.11.2000 – 6 Sa 670/2000, LAG Berlin-Brandenburg 10.07.2007 – 3 Sa 765/07).
- 96
Ebenso wie individualvertragliche und schuldrechtliche Regelungen zur Rückabwicklung Vorrang vor der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung haben (vgl. hierzu Martinek in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 812 BGB Rn. 172), gehen auch tarifvertraglichen Regelungen zur Rückforderung dem allgemeinen Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) vor (vgl. etwa zu letzterem std. Rspr des BAG zu §§ 22 Abs. 4 S. 2 TVöD, 71 Abs. 2 Unterabs. 5 BAT: BAG 12.05.2016 – 6 AZR 365/15 – Rn. 1, 07.02.2007 – 5 AZR 260/06, Rn. 14).
- 97
(1) Die Tarifvertragsparteien haben vorliegend eine solche tarifvertragliche Rückabwicklungsregelung getroffen.
- 98
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. 8. 2013 – 10 AZR 701/12 – Rn. 13 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 227).
- 99
Der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung ist insoweit eindeutig. Für die Rückforderung einer zu Unrecht gezahlten Beihilfe reicht es danach nicht aus, dass anders als nach § 812 BGB kein Rechtsgrund für die Zahlung bestand. Vielmehr verlangt § 8 Abs. 4 TV SozSich für eine Rückforderungsmöglichkeit darüber hinaus, dass der Anspruchsberechtigte die zu Unrecht erfolgte Zahlung auch selbst vorsätzlich oder grob fährlässig durch unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben mit veranlasst hat. Andererseits wird im Gegenzug bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Rückzahlungspflicht auch nicht mehr dadurch ausgeschlossen, dass der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Diese Regelung geht weit über § 819 Abs. 1 BGB hinaus, der allein eine verschärfte Haftung im Falle von Kenntnis des mangelenden Rechtsgrundes vorsieht. Darüber hinaus zeigt der Wortlaut bereits deutlich, dass es den Tarifvertragsparteien eben nicht allein darum ging, den Entreicherungseinwand abweichend von §§ 818 Abs. 3 u. 4, § 819 BGB zu regeln. Denn dann hätte es der ausdrücklichen Regelung der Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht in § 8 Ziffer 4 S. 1 TV SozSich nicht bedurft.
- 100
Der tarifliche Gesamtzusammenhang des TV SozSich bestätigt dies. Die Überbrückungsbeihilfe wird von der Beklagten aufgrund ihrer Verpflichtung aus dem TV SozSich gezahlt. Es handelt sich um einen tarifvertraglichen Anspruch. Dabei geben die Überschriften der Tarifnormen des TV SozSich den jeweiligen Regelungszusammenhang wieder. Enthält eine Tarifnorm mehrere Regelungen, so gibt dies auch die Überschrift wieder. Die Überschrift zu § 8 TV SozSich lautet Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen. § 8 TV SozSich regelt danach, wann eine Zahlung der Überbrückungsbeihilfe ausgeschlossen ist (§ 8 Ziffern 1-3 TV SozSich) und wann nach dem tarifvertraglichen Verständnis eine Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfe erfolgt bzw. damit korrespondierend, wann eine Rückzahlungspflicht bei überzahlter Überbrückungsbeihilfe besteht (§ 8 Ziffer 4 TV SozSich).
- 101
Durch die Leistung der Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich erhalten ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die betriebsbedingt wirksam entlassen worden sind, noch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Unterstützungsleistungen. Ihr Lebensunterhalt soll gesichert werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankengeldbezug ergeben, sollen überbrückt werden (std. Rspr. vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 – 6 AZN 835/16 – Rn. 7, AP Nr. 7 zu § 4 TVSozSich).
- 102
Für diese spezielle tarifvertragliche (steuerfinanzierte) soziale Sonderleistung regeln die Tarifvertragsparteien im TV SozSich eigenständig die Anspruchsvoraussetzungen (§ 2 TV SozSich), die Anknüpfungsleistungen sowie die Höhe der Überbrückungsbeihilfe (§ 4 TV SozSich), die Anrechnung von anderen Leistungen (§ 5 TV SozSich), das Erfordernis der Antragsstellung und die Zahlungsmodalitäten (§ 7 TV SozSich) sowie den Ausschluss der Zahlung (trotz Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen) und eben auch die Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfe (§ 8 TV SozSich).
- 103
Dementsprechend lassen diese Regelungen keinen Raum für die Anwendung des allgemeinen Bereicherungsrechts. Dieses Ergebnis ist nach Auffassung der Kammer hinsichtlich der Rückforderung (aufgrund eines Antrags) überzahlter Überbrückungsbeihilfe auch interessengerecht, da es zum einen das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten hinsichtlich der gezahlten Überbrückungsbeihilfe, die immerhin wie ein verdientes Arbeitsentgelt auch der Sicherung seines (monatlichen) Lebensunterhalts dient, angemessen berücksichtigt. Und zum anderen aber auch das Interesse der Beklagten an der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Überbrückungsbeihilfe nicht außer Acht lässt, indem es für den Fall, dass die zu Unrecht erfolgte Zahlung nicht allein auf ein Verschulden der für die Beklagte handelnde ADD zurückzuführen ist, sondern vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Antragsberechtigten mitverursacht wurde einen Rückzahlungsanspruch in voller Höhe sichert, da der Einwand der Entreicherung bei vorsätzlich oder grobfahrlässig unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben ausgeschlossen ist. Die Risikosphären des Anspruchsberechtigten und der Beklagten hinsichtlich einer Überzahlung werden so zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt der Rückzahlungsverpflichtung. Denn es kommt anders als nach § 812 BGB nicht entscheidend darauf an, dass eine Leistung ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht erfolgte, sondern vielmehr ausschlaggebend darauf an, ob dies auf einen Umstand zurückzuführen ist, der der Beklagten oder dem Anspruchsinhaber zuzurechnen ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Zahlung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben des Anspruchsinhabers beruht. Hat der Anspruchsberechtigte vorsätzlich oder grob fahrlässig durch seine Angaben die unrechte Leistung (mit)verursacht, so ist er nicht schutzwürdig. Es lassen sich so alle möglichen auftretenden Fälle der Überzahlung sachgerecht lösen.
- 104
(2) Dementsprechend bedurfte es vorliegend keiner Entscheidung, in welcher Höhe, wenn überhaupt ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB bestehen würde, da selbst eine zugunsten der Beklagten unterstellte sittenwidrige Lohnvereinbarung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB nicht zur Nichtigkeit des gesamten Arbeitsvertrags führt, sondern vielmehr allein einen Anspruch auf die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB begründet (vgl. hierzu bereits LAG Rheinland-Pfalz 23.03.2012 – 9 Sa 684/12 zu II. 2 a) cc) der Gründe), so dass allenfalls hinsichtlich eines Differenzbetrages eine Überzahlung vorliegen könnte. Ebenso wenig bedurfte es einer Entscheidung, ob vorliegend der Entreicherungseinwand des Klägers nach § 818 Abs. 3 BGB durchgreift, was letztlich davon abhängt, ob hierzu die Rechtsprechungsgrundsätze zur Darlegungs- und Beweislast beim Wegfall der Bereicherung nach Lohnüberzahlungen angewendet werden (dafür LAG Köln 14.03.1996 – 10 Sa 110/95-, BeckRS 1996, 30908461). Schließlich bedurfte es auch keiner Entscheidung, ob die Ausschlussfrist des § 49 TVAL-II für diesen Anspruch einschlägig ist.
- 105
c) Ferner kamen vorliegend auch keine deliktischen Schadensersatzansprüche aus den §§ 823, 826 BGB in Betracht. Der Kläger hat alle seine nach dem TV SozSich zur Zahlung der Überbrückungsbeihilfe treffenden Pflichten erfüllt. Es war vielmehr Sache der Beklagten selbst, zu prüfen, ob und in welcher Höhe aufgrund dieser Angaben ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem damaligen Arbeitgeber, der Firma G. K. und S. M. GbR Glashandel und Service, bestand. Eine unerlaubte widerrechtliche Handlung des Klägers ist daher nicht gegeben. Ebenso wenig ist ein Vorsatz hinsichtlich einer sittenwidrigen Schädigung der Beklagten anzunehmen.
III.
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(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.
(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben
- 1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben, - 2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung), - 3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben, - 4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.
(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.
(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) (weggefallen)
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)