Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Feb. 2015 - 5 Sa 537/14
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 28. August 2014, Az. 8 Ca 914/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
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Die 1961 geborene Klägerin ist seit 2006 im Gebäudereinigungsunternehmen der Beklagten als Unterhaltsreinigerin mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Ihre Arbeitsstelle ist in Ludwigshafen. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV) vom 28.06.2011 Anwendung. Der Tariflohn für die Lohngruppe 1 betrug im Tarifgebiet ab 01.01.2013 € 9,00, ab 01.01.2014 € 9,31 brutto.
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Die Klägerin war im März 2014 insgesamt 29 Stunden arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete für diese Zeit Entgeltfortzahlung iHv. € 262,45 brutto. Da sie ihrer Berechnung den im RTV geregelten Referenzzeitraum von 12 Monaten zugrunde legte, betrug der Stundenfaktor € 9,05. Die Klägerin begehrt die Differenz zum tariflichen Stundenlohn von € 9,31; mithin € 7,54 brutto (29 Std. x € 0,26). Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, ihr im Arbeitsunfähigkeitszeitraum den aktuellen tariflichen Stundenlohn fortzuzahlen.
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Der RTV enthält - soweit vorliegend von Interesse - folgende Regelung:
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§ 6
Arbeitsversäumnis bei Arbeitsunfähigkeit
- 6
1. …
2. …
Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw. Arbeitsunfall erhält der/die Beschäftigte bis zu einer Dauer von sechs Wochen seinen/ihren durchschnittlichen Lohn der letzten zwölf Monate für seine/ihre regelmäßige aktuelle Arbeitszeit; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten usw. Dies gilt auch für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation gemäß § 9 des Entgeltfortzahlungsgesetzes.
Bei der Berechnung des Lohns bleiben außer Ansatz: Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz wie z.B. Gratifikationen, Fahrtkosten und Auslösung.
3. Sofern der/die Beschäftigte weniger als zwölf Monate im Unternehmen beschäftigt ist, werden diese Monate der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt.
4. Neu eingestellte Beschäftigte erhalten in den ersten vier Wochen der Beschäftigung keine Entgeltfortzahlung.
…
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§ 15
Urlaub
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1. Urlaubsanspruch
…
2. Urlaubslohn
2.1.Während des Urlaubs erhält der/die Beschäftigte den durchschnittlichen Lohn der letzten zwölf Monate für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten, usw.
Bei der Berechnung des Lohnes bleiben außer Ansatz: Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz, wie z.B. Gratifikation, Fahrtkosten und Auslösung.
Sofern der/die Beschäftigte weniger als zwölf Monate im Unternehmen beschäftigt ist, werden diese Monate der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt."
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 7,54 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2014 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.08.2014 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 9 des erstinstanzlichen Urteils vom 28.08.2014 Bezug genommen.
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Gegen das am 04.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 22.09.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 29.10.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.
- 15
Sie macht zur Begründung der Berufung geltend, die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 6 Ziff. 2 RTV müsse wie die Berechnung des Urlaubsentgelts gem. § 15 Ziffer 2.1. RTV erfolgen, denn die Tarifnormen seien inhalts- und wortgleich. Dies folge aus dem Zweck und der Systematik des RTV. Die Tarifvertragsparteien hätten durch die wortgleiche Ausgestaltung der Berechnungsmethode für das Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung für beide Fallgestaltungen eine identische Höhe des jeweiligen Anspruchs herbeiführen wollen. Beim Urlaubsentgelt sei die Bemessungsgrundlage für den Anspruch gem. § 11 Abs. 1 BUrlG nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG eingeschränkt tarifdispositiv. Die Tarifvertragsparteien müssten im Urlaub mindestens das Entgelt sicherstellen, dass bei Fortführung der Arbeit gewöhnlich verdient würde. Das BAG habe im Urteil vom 21.09.2010 (9 AZR 510/09) festgestellt, dass eine gezielte Herausnahme von Vergütungsbestandteilen, die ohne urlaubsbedingte Freistellung angefallen wären, den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien überschreite. Übertragen auf den RTV bedeute dies, dass bei Urlaub im Januar 2014 die Tariflohnerhöhung zum 01.01.2014 von 3,44 % keine Berücksichtigung fände. Beim Urlaub widerspräche die Kürzung des Urlaubsentgelts Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/ EG. Die Rechtsprechung des EuGH (Urteil 22.05.2014 - C-539/12) verlange, dass keine Anreize geschaffen werden dürfen, auf den Urlaub zu verzichten. Diese Rechtsprechung sei aufgrund der wortgleichen Ausgestaltung auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anzuwenden. Im Fall der Entgeltfortzahlung sei die tarifliche Öffnungsklausel, die in § 4 Abs. 4 EFZG verankert sei, noch enger. Die Entgeltfortzahlung dürfe in ihrer Substanz nicht angetastet werden. Auch die Tarifvertragsparteien seien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden. Dieser Grundsatz folge aus dem nichttarifdispositiven § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG iVm. § 4 Abs. 1 EFZG. Damit sei eine Reduzierung auf einen geringeren Prozentsatz des Arbeitsentgelts nicht zulässig (BAG Urteil 24.03.2004 - 5 AZR 346/03). Die Tarifnorm sei nichtig.
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Selbst wenn man § 6 Ziff. 2 RTV gesetzeskonform auslegen sollte, stehe ihr der Anspruch zu. Die durch die eingeschränkte Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG eingeräumte Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien finde ihre Grenze dort, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Substanz angetastet werde. Diese Beschränkung sei bei abweichenden tariflichen Regelungen sowohl im Hinblick auf Elemente des Zeitfaktors als auch des Geldfaktors zu beachten. § 6 Ziff. 2 RTV stelle auf die Entgelthöhe der letzten zwölf Monate ab. Die Regelung habe einen generell lohnsenkenden Charakter, da es seit Einführung des RTV nie zu Entgeltsenkungen gekommen sei. Eine Entgeltabsenkung sei im Krankheitsfall nicht zulässig.
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Auch bestehe eine Unklarheit über den von den Tarifvertragsparteien in § 6 Ziff. 2 RTV verwandten Begriff der "letzten zwölf Monate". Eine Interpretation als die letzten "zwölf abgerechneten Monate" verbiete der Wortlaut. Dies gelte auch für die auf den ersten Blick naheliegende Auslegung der letzten "zwölf vollen Monate". Damit sei eine taggenaue Abrechnung zu erstellen. Es sei aber auch unklar, ab welchem Datum zu rechnen sei. Wollte man auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt für die Entgeltfortzahlung abstellen, wäre dies der 15. des Folgemonats. Stelle man auf den konkreten Tag der Arbeitsunfähigkeit ab, wäre das Durchschnittsentgelt für jeden Tag gesondert zu bestimmen.
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§ 6 Ziff. 2 RTV widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der RTV gelte nur für die gewerblichen Beschäftigten, nicht für die Angestellten, für die das EFZG gelte. Das führe zu einer Schlechterstellung der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber den Angestellten. In Bezug auf die Entgeltfortzahlung sei eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar. Weiterhin führe § 6 Ziff. 2 und Ziff. 3 RTV zu einer Besserstellung der erst kurz Beschäftigten. Für diese habe der niedrigere Tariflohn des Vorjahres bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung keine oder nur geringe Auswirkungen. Dies sei kein zufälliges, sondern ein systematisch angelegtes Ergebnis der Berechnungsmethode. Eine Rechtfertigung hierfür sei nicht ersichtlich.
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Die tarifliche Regelung stelle in zweifacher Hinsicht eine nicht akzeptable Diskriminierung dar. Einerseits sei die Fluktuation in der Gebäudereinigungsbranche grundsätzlich bei jüngeren Arbeitnehmern größer, ältere Arbeitnehmer seien zum ganz überwiegenden Teil bereits länger beschäftigt. Darüber hinaus sei bei älteren Arbeitnehmern mit höheren Arbeitsunfähigkeitszeiten und tendenziell höheren Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen. Die Kürzung wirke sich daher für ältere Arbeitnehmer stärker aus, so dass eine mittelbare Diskriminierung vorliege. Gleiches gelte für behinderte und schwerbehinderte Menschen, die in den Belegschaften regelmäßig im gewerblichen Bereich überdurchschnittliche Arbeitsunfähigkeitszeiten aufweisen. Diese würden ebenfalls in gleichbehandlungswidriger Weise stärkeren Lohneinbußen ausgesetzt. In diesem Zusammenhang sei auch die Verletzung der Richtlinie 2000/78/EG zu rügen.
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Da durch den sehr langen Referenzzeitraum von zwölf Monaten jeweils weite Teile des Vorjahres miterfasst werden, Tariflohnerhöhungen jedoch regelmäßig im Jahresabstand erfolgten, führe die Berechnungsmethode in der Gebäudereinigungsbranche zu einer systematischen Verkürzung der Entgeltfortzahlung. Die tarifliche Regelung in § 6 Ziff. 2 RTV wäre nichtig, wenn keine gesetzeskonforme Auslegung möglich wäre. Diese habe sich am aktuellen Tariflohn zu orientieren.
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Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.10.2014 Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 28.08.2014, Az. 8 Ca 914/14, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 7,54 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2014 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 18.12.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2a ArbGG infolge Zulassung durch das Arbeitsgericht statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
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In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und der Begründung seiner Entscheidung zutreffend erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Monat März 2014 iHv. € 7,54 brutto nebst Zinsen hat.
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1. Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 29 Stunden im Monat März 2014 ergibt sich dem Grunde nach aus § 6 Ziff. 2 RTV iVm. § 3 Abs. 1 EFZG. Die Höhe des Anspruchs folgt aus § 6 Ziff. 2 RTV. Das Arbeitsgericht hat diese Regelung rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass für die Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts der durchschnittliche Lohn der letzten zwölf Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln ist. Die Beklagte hat die Höhe der Entgeltfortzahlung nach der tariflichen Regelung richtig berechnet, indem sie für die Höhe des Entgelts einen Durchschnittswert der letzten zwölf Monate gebildet und hierbei einen Satz von € 9,05 brutto pro Stunde errechnet hat. Den tarifvertraglichen Anspruch hat die Beklagte erfüllt.
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Eine Auslegung des § 6 Ziff. 2 RTV im Sinne der Klägerin, wonach allein der aktuell gültige Tariflohn (im März 2014 € 9,31 brutto) der Berechnung der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legen sei, lässt sich mit dem eindeutigen Wortlaut der tariflichen Regelung nicht vereinbaren. Die Tarifvertragsparteien haben in § 6 Ziff. 2 RTV bestimmt, dass bei der Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung der Durchschnitt der letzten zwölf Monate zu Grunde zu legen ist. Dies führt zwangsläufig dazu, dass auch geringere Tariflöhne, die in diesem Zwölf-Monats-Zeitraum bestanden, in die Ermittlung der Entgeltfortzahlung einfließen (sog. Referenzprinzip). Der Wortlaut des § 6 Ziff. 2 RTV lässt keinen Raum für eine anderweitige Auslegung.
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Die Argumentation der Klägerin, dass aufgrund des gleichen Wortlauts die tarifliche Regelung über die Berechnung des Urlaubsentgelts (§ 15 Ziff. 2.1. RTV) auch auf die Entgeltfortzahlung (§ 6 Ziff. 2 RTV) Anwendung finden müsse, ist schon im Ansatz verfehlt. Die Höhe der Entgeltfortzahlung und die Höhe des Urlaubsentgelts ist vielmehr getrennt nach dem jeweiligen Wortlaut der Tarifnorm und getrennt nach den jeweiligen Öffnungsklauseln in § 4 Abs. 4 EFZG und § 13 Abs. 1 BUrlG zu bestimmen. Es ist nicht zwingend, dass verschiedene gesetzliche und tarifliche Regelungen einheitlich ausgelegt werden müssen.
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Auch das Argument der Klägerin zu § 4 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG hinsichtlich der Öffnung des Gesetzes für tarifliche Regelungen verfängt nicht. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 4 Abs. 4 EFZG den Tarifvertragsparteien einen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnen müsse, sonst mache die Öffnungsklausel keinen Sinn. Wollte man der Ansicht der Klägerin folgen, dass jede tarifliche Regelung, die die Höhe der Entgeltfortzahlung zuungunsten der Arbeitnehmer beeinträchtige, gegen die Bestimmungen des EFZG verstoße, wäre die Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG überflüssig, was nicht angenommen werden kann.
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2. Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass § 6 Ziff. 2 RTV nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Insbesondere hält sich die Vorschrift im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG.
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Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Entgeltfortzahlung liegt damit ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Durch Tarifvertrag kann allerdings nach § 4 Abs. 4 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (vgl. BAG 16.07.2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16,17 mwN, Juris).
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In diesem Rahmen sind Abweichungen auch zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Im Gegensatz zu den Regelungen im BUrlG, namentlich den §§ 13, 1 BUrlG, enthält das EFZG keinerlei Einschränkung der Gestaltungsspielräume der Tarifvertragsparteien. Folglich steht es ihnen frei, in Abweichung von § 4 Abs.1 EFZG die Berechnung nach dem Referenzprinzip statt des gesetzlich vorgesehenen Lohnausfallprinzips vorzunehmen (so auch LAG Düsseldorf 01.07.2014 - 16 Sa 214/14 - Rn. 131, Juris). Zwar müssen die Tarifvertragsparteien bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen zwingende und nicht tarifdispositive Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird. Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (vgl. BAG 16.07.2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 18 mwN, Juris). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Tarifvertragsparteien das Referenzprinzip nicht einführen dürfen, weil sonst Tariflohnerhöhungen, die vor der Erkrankung im Referenzzeitraum erfolgt sind, nur anteilig wirksam werden, so dass der erkrankte Arbeitnehmer im Ergebnis schlechter steht, als wenn er gearbeitet hätte. Wie der Wortlaut des § 12 EFZG verdeutlicht, kann durch § 4 Abs. 4 EFZG gerade die Höhe der Entgeltfortzahlung zuungunsten der Arbeitnehmer geregelt werden. Schon mit den unterschiedlichen Berechnungsmethoden wird die Entgelthöhe beeinflusst. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es zulässig, dass Arbeitnehmer auf Grund der tariflichen Regelung eine geringere Entgeltfortzahlung als bei Anwendung des § 4 Abs. 1, 1a und 3 EFZG erhalten. Im Rahmen ihres zulässigen Anwendungsbereichs darf die beschränkte Tariföffnung ausgeschöpft werden. Ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten ist nach der Rechtsprechung des BAG unbedenklich (vgl. BAG 19.01.2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 57, Juris).
- 37
3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass § 6 Ziff. 2 RTV nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
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Die Tarifvertragsparteien sind jedenfalls mittelbar an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten (vgl. BAG 19.07.2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25 mwN; Juris). An diesen Maßstäben gemessen ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Der RTV findet nur Anwendung für die gewerblichen Beschäftigten des Gebäudereinigerhandwerks. Für die Angestellten wurde kein Tarifvertrag abgeschlossen. Es ist Ausfluss der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten Tarifautonomie, wenn die Tarifvertragsparteien bei ihrer Regelung darüber entscheiden, für welchen Personenkreis sie einen Tarifvertrag abschließen. Es ist nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb die Tarifvertragsparteien für die Angestellten kein tarifliches Regelwerk geschaffen haben. Für die Angestellten gelten die gesetzlichen Regelungen. Somit beruht die unterschiedliche Behandlung der Angestellten gegenüber den Arbeitern nicht auf einer pauschalen Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen von Arbeitnehmern, sondern auf einer gruppenspezifisch ausgestalteten unterschiedlichen Regelung der jeweiligen Arbeitsbedingungen.
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4. Die tarifliche Regelung in § 6 Ziff. 2 RTV ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Arbeitnehmer, die bereits länger als zwölf Monate in einem Gebäudereinigungsunternehmen beschäftigt sind, schlechter behandelt werden, als die kürzer beschäftigten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die tarifliche Regelung diskriminierungsfrei, denn das Referenzprinzip führt weder zu einer unmittelbaren noch einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters oder der Behinderteneigenschaft der Arbeitnehmer. Die tarifliche Regelung ist vielmehr hinsichtlich der Merkmale "Alter" und "Behinderung" neutral. Für die These der Klägerin, dass unterjährig beschäftigte Arbeitnehmer in der Gebäudereinigungsbranche jünger sind als Arbeitnehmer, die zwölf Monate oder länger beschäftigt sind, gibt es keinen empirisch gesicherten Anhaltspunkt. Dasselbe gilt für ihre These, dass behinderte und schwerbehinderte Menschen durch das in § 6 Ziff. 2 RTV geregelte Referenzprinzip im Krankheitsfall stärkeren Lohneinbußen ausgesetzt seien, als nichtbehinderte Arbeitnehmer.
III.
- 40
Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
- 41
Die Kammer hat gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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(1) Die Vorschriften der §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 gelten entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Ist der Arbeitnehmer nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse oder nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, gelten die §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 entsprechend, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ärztlich verordnet worden ist und in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation oder einer vergleichbaren Einrichtung durchgeführt wird.
(2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber den Zeitpunkt des Antritts der Maßnahme, die voraussichtliche Dauer und die Verlängerung der Maßnahme im Sinne des Absatzes 1 unverzüglich mitzuteilen und ihm
- a)
eine Bescheinigung über die Bewilligung der Maßnahme durch einen Sozialleistungsträger nach Absatz 1 Satz 1 oder - b)
eine ärztliche Bescheinigung über die Erforderlichkeit der Maßnahme im Sinne des Absatzes 1 Satz 2
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.
(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.
(1) Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbart ist. Im übrigen kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
(2) Für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, kann durch Tarifvertrag von den vorstehenden Vorschriften über die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Grenze hinaus abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Für den Bereich der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft sowie einer gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386) ausgegliederten Gesellschaft und für den Bereich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann von der Vorschrift über das Kalenderjahr als Urlaubsjahr (§ 1) in Tarifverträgen abgewichen werden.
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. März 2009 - H 2 Sa 164/08 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe von Urlaubsentgelt- und Urlaubsabgeltungsansprüchen.
-
Der 1961 geborene Kläger war vom 8. Mai 2006 bis zum 15. Januar 2007 bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen als Elektromechaniker beschäftigt. Die Beklagte überließ den Kläger durchgehend der A. GmbH zur Arbeitsleistung. Im Arbeitsvertrag vom 5. Mai 2006 heißt es ua.:
-
„§ 1
Vertragsgegenstand
…
a)
Tarifvertrag
Auf das Vertragsverhältnis findet der vom Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 22. Juli 2003 (nachstehend MTV BZA) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Im Folgenden ETV BZA und ERTV BZA genannt.
Beide Tarifverträge sind mit diesem Vertrag fest verbunden. Die Regelungen der vorgenannten Tarifverträge gelten uneingeschränkt, soweit nachstehend nichts anderes vereinbart wird. …
§ 3
Arbeitszeit
Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt auf der Grundlage des § 4 MTV BZA.
Die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt 151,67 Stunden (dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden). …
§ 4
Vergütung
Entsprechend ihrer vorgenannten Tätigkeit erfolgt eine Eingruppierung gemäß ERTV BZA in die
Entgeltgruppe
3
…
Außerdem erhalten Sie eine übertarifliche Leistung in Höhe von 0,00 Euro für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Diese übertarifliche Zulage kann mit dem tariflichen Anspruch nach § 4 und § 5 ETV BZA sowie gegebenenfalls mit Tariferhöhungen verrechnet werden. Eine übertarifliche Leistung kann jederzeit aus betrieblichen Gründen widerrufen werden. …
§ 8
Urlaub
Ihr Urlaubsanspruch richtet sich nach § 11 MTV BZA. Danach richtet sich ihre zustehende Urlaubsdauer nach der Dauer der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit. Danach beträgt der Urlaub
- im ersten Jahr:
24 Arbeitstage
…
Im Übrigen wird auf die Regelungen unter § 11 MTV BZA verwiesen.
…
§ 13
Ausschlussfristen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit (bei Ausscheiden ein Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) schriftlich geltend zu machen. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“
-
Die am selben Tag von den Parteien geschlossene „Vereinbarung über eine übertarifliche Zulage bei Kunde“ bestimmt ua.:
-
„Der/Die o. g. Mitarbeiter/-in erhält für die Dauer seines/ihres Einsatzes bei
A. GmbH, …
ab dem 08.05.2006 eine übertarifliche Zulage bei Kunde in Höhe von 0,58 EUR für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. …
Diese Vereinbarung ändert sich automatisch im Rahmen der gesetzlichen Änderungen und gilt längstens bis zur Anpassung und Einstufung des Mitarbeiters durch A. an den A.-Tarifvertrag.“
-
Ergänzend hierzu vereinbarten die Parteien unter dem 22. September 2006 als „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 08.05.2006“ ua. Folgendes:
-
„… In Ergänzung des Anstellungsvertrages wird mit Wirkung vom 01.09.2006 folgende Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag getroffen:
1.
Für die Dauer der Beschäftigung bei A. wurde der Mitarbeiter ab dem 01.09.2006 von A. in die Lohngruppe A 600 eingestuft.
2.
Das entspricht einem übertariflichen Stundenlohn in Höhe von EURO 16,11.
3.
Der Stundenlohn setzt sich wie folgt zusammen:
Tariflohn Mitarbeiter lt. Arbeitsvertrag
EURO
9,14
Übertarifliche Zulage pro Std.-A.
EURO
6,97
EURO
16,11
Urlaub-/Weihnachtsgeldpauschale + 0,05
EURO
0,81
Je nach Einsatzbedingungen gelten folgende Berechnungen:
Grundlohn lt. Tariftabelle multipliziert mit:
…
2 Schicht-/Nachtarbeitspauschale (ggfs.) + 0,05
EURO
0,81
…
Schicht- und Erschwerniszuschläge werden pauschal vergütet, aber nur, wenn in Schicht oder unter erschwerten Bedingungen gearbeitet wird.
Nachtarbeit ist mit der Schichtarbeitspauschale abgegolten.
4.
Diese Vereinbarung entfällt mit der Beschäftigung bei A. und/oder wenn der A.-Tarifvertrag seine Gültigkeit verliert.“
- 5
-
Die Beklagte vergütete einen Tarifurlaub des Klägers mit insgesamt 84 Stunden im Dezember 2006 in Höhe von 10,88 Euro brutto je Stunde sowie einen Urlaub im Januar 2007 mit 42 Stunden in Höhe von 10,06 Euro brutto je Stunde. Weiterhin galt sie im Januar 2007 Urlaub mit 7 Stunden mit 9,37 Euro brutto je Stunde ab. Die A.-Zulage in Höhe von 6,97 Euro sowie die Schicht-/Nachtarbeitspauschale in Höhe von 0,81 Euro je Stunde zahlte die Beklagte während des Urlaubs und im Rahmen der Urlaubsabgeltung nicht.
- 6
-
Der Kläger machte mit Bevollmächtigtenschreiben vom 25. Januar 2007 für Dezember 2006 eine Urlaubsvergütung in Höhe von 17,73 Euro brutto je Stunde geltend. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26. Januar 2007 ab. Die Ablichtung des Ablehnungsschreibens trägt den Stempelaufdruck „Eingegangen 29. Jan. 2007“.
- 7
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Der Kläger hat mit gerichtlichem Eingang am 26. Februar 2007 die vorliegende Klage erhoben. Er hat für Dezember 2006 einen Differenzurlaubsentgeltanspruch iHv. 575,40 Euro brutto geltend macht. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat er die Klage um einen Differenzurlaubsentgelt- und -abgeltungsanspruch iHv. 360,66 Euro brutto für Januar 2007 erweitert. Darin heißt es am Ende: „Der Beklagten wurde die Klageerweiterung vorab per Fax zur Geltendmachung des Anspruchs zugesandt.“
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Der mit dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) abgeschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit in der Fassung vom 30. Mai 2006 (MTV BZA) enthält, soweit maßgeblich, folgende Regelungen:
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„§ 11
Urlaub
§ 11.1
Der Mitarbeiter hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
§ 11.22
Die dem Mitarbeiter zustehende Urlaubsdauer richtet sich nach der Dauer der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit.
Der Urlaub beträgt
• im ersten Jahr 24 Arbeitstage,
…
2 Protokollnotiz zu § 11.2
…
§ 11.3
Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden, so ist er abzugelten.
…
§ 11.6
Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes.
…
§ 13
Entgeltvorschriften
§ 13.1
Die Mitarbeiter erhalten ein Monatsentgelt auf Basis ihrer vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit, dass spätestens bis zum 15. Banktag des Folgemonats in der Regel unbar ausgezahlt wird.
§ 13.2
Das Monatsentgelt setzt sich aus den festen Entgeltbestandteilen des laufenden Monats (das jeweilige tarifliche Entgelt nach §§ 2 bis 4 des Entgelttarifvertrages) und den variablen Entgeltbestandteilen (z. B. Zuschläge und sonstige schwankende Entgelte) zusammen.
§ 13.3
Bei Anspruch des Mitarbeiters auf ein weiterzuzahlendes Arbeitsentgelt (z. B. bei Krankheit) werden die festen Entgeltbestandteile gemäß Abs. 2 weitergezahlt. Bei der Vergütung sind zusätzlich die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit zu zahlen, soweit der Mitarbeiter ohne den Urlaub Anspruch auf diese gehabt hätte.
…
§ 16
Ausschlussfristen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten (bei Ausscheiden ein Monat) nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.
Ansprüche die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“
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Ferner bestimmt der Entgelttarifvertrag Zeitarbeit in der Fassung vom 30. Mai 2006 (ETV BZA):
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„§ 2
Entgelte
Es werden folgende Stundensätze und Zuschläge gezahlt. Die Ansprüche auf Zahlung der Zuschläge ergeben sich aus § 4 dieses Tarifvertrages.
Stundensätze in den neun Entgeltgruppen (in EUR)
Jahr
M*
1
2
3
…
2004
…
…
…
…
2005
…
…
…
…
2006
…
…
…
9,14
…
2007
…
…
…
9,37
…“
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihm für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 das in den 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs stets erhaltene Entgelt von 17,73 Euro brutto je Stunde weiterzuzahlen. Es verstoße gegen § 1 BUrlG, das Urlaubsentgelt zu mindern.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger restliches Urlaubsentgelt für den Monat Dezember 2006 in Höhe von 575,40 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger restliches Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung für den Monat Januar 2007 in Höhe von 360,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 12
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, die Urlaubsvergütung des Klägers sei in § 13.3 MTV BZA abschließend bestimmt. Das schließe nur die feste tarifliche Vergütung sowie Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ein. Das dem Kläger im Dezember 2006 gewährte Urlaubsentgelt sei mit 10,88 Euro (zusammengesetzt aus 9,14 Euro festem Entgelt sowie den in den letzten 13 Wochen gezahlten Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit) zutreffend und sogar überhöht bemessen gewesen. Der Kläger habe nämlich im maßgeblichen Zeitraum weder Sonn- noch Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet. Auch die im Januar 2007 gewährte Urlaubsvergütung sei nicht zu beanstanden. Sie ergebe sich aus dem gemäß § 2 ETV BZA auf 9,37 Euro angehobenen Stundenentgelt sowie den - allerdings offensichtlich irrtümlich angenommenen - Durchschnittszulagen für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit iHv. 0,72 Euro.
-
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision seine Zahlungsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Beklagte hat die Urlaubsvergütung und den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers zu gering bemessen. Der Senat kann mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend über die Höhe des dem Kläger zustehenden Gesamtzahlungsanspruchs entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache muss deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
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Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat auch als Teil seiner Urlaubsvergütung/Urlaubsabgeltung Anspruch auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten A.-Zulage in Höhe von 6,97 Euro je Stunde. Er hat ebenso Anspruch auf Zahlung der Schicht-/Nachtarbeitspauschale in Höhe von 0,81 Euro je Stunde, allerdings nur nach einer Durchschnittsberechnung auf der Grundlage der dem Urlaub/der Urlaubsabgeltung vorhergehenden 13 Wochen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Für diese Durchschnittsberechnung fehlen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
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I. Gemäß § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf „bezahlten“ Urlaub, dh. auf Vergütung der infolge der Freistellung ausfallenden Arbeitszeiten (sog. Zeitfaktor). Wie diese Zeit zu vergüten ist, bestimmt sich nach dem in § 11 Abs. 1 BUrlG unter Zugrundelegung des Referenzprinzips geregelten Geldfaktor(vgl. Senat 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 52; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 14, 15, EzA BUrlG § 13 Nr. 60 ; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 100, 189). § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG stellt dazu als Berechnungsgrundlage auf den Verdienst ab, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn erhalten hat. Dazu zählt jede Form der Vergütung, die als Gegenleistung für erbrachte Tätigkeiten im Referenzzeitraum gezahlt wird. Ausgenommen sind für Überstunden geleistete Vergütungen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BUrlG) und Einmalzahlungen (vgl. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 29, aaO; 20. Juni 2000 - 9 AZR 437/99 - zu I 1 der Gründe, BAGE 95, 112). Umfasst sind alle Entgeltbestandteile, die der Arbeitnehmer gesetzlich oder vertraglich zu erhalten hätte (Senat 11. April 2000 - 9 AZR 266/99 - zu I 4 der Gründe, AP BUrlG § 11 Nr. 48 = EzA BUrlG § 11 Nr. 45).
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II. Die A.-Zulage und die Schicht-/Nachtarbeitspauschale sind gemäß Ziff. 3 der „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag“ Bestandteile des laufenden Arbeitsentgelts und werden somit als Gegenleistung für erbrachte Tätigkeit geschuldet. Sie sind deshalb gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG der Bemessung des Urlaubsentgelts und für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch der Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG zugrunde zu legen.
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III. Zwar wäre eine von § 11 Abs. 1 BUrlG abweichende Bemessung nicht ohne Weiteres unzulässig. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trifft aber der MTV BZA keine abweichende Regelung. Er bestimmt nicht, dass während des Urlaubs ausschließlich der tarifliche Stundenlohn sowie nur die in § 13.3 MTV BZA aufgeführten Zuschläge (für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit) fortzuzahlen sind.
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1. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei, jede ihnen als angemessen erscheinende andere Berechnungsmethode für das während des Tarifurlaubs fortzuzahlende Entgelt zu vereinbaren (vgl. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15, EzA BUrlG § 13 Nr. 60; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 100, 189; 9. November 1999 - 9 AZR 771/98 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 92, 343). Die gewählte Methode muss jedoch geeignet sein, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können. Das entspricht der Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs, der in Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie erkannt hat, der Begriff des „bezahlten Jahresurlaubs“ bedeute, dass der Arbeitnehmer „für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten“ müsse(16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Dieser Grundsatz gilt auch für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs iSv. § 3 Abs. 1 BUrlG, der identisch ist mit dem durch Unionsrecht gewährleisteten Mindesturlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG(Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9). Hieraus folgt für die Tarifvertragsparteien ein eingeschränkter Gestaltungsspielraum, der zum Beispiel die Berechnung des Urlaubsentgelts entsprechend dem konkreten Lohnausfall, die Erweiterung des gesetzlichen Referenzzeitraums, eine Vereinfachung der Entgeltberechnung anhand von Pauschalierungen für variable Lohnbestandteile oder auch eine Berücksichtigung von Zeiten der Kurzarbeit beinhalten kann (vgl. Senat 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 16, ZTR 2010, 367; 19. Januar 2010 - 9 AZR 427/09 - Rn. 46; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15, aaO; 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 39, 40, EzA BUrlG § 13 Nr. 59 ; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01 - zu I 1, 2 c der Gründe, BAGE 104, 65; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A II 2 der Gründe, aaO; 20. Februar 2000 - 9 AZR 107/99 - zu I 2 a, 4 der Gründe, BAGE 93, 376).
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Überschritten wird dieser Gestaltungsspielraum mit der zielgerichteten Herausnahme fester Vergütungsbestandteile, die ohne urlaubsbedingte Freistellung angefallen wären, wie etwa bei der Herausnahme von Zuschlägen für die Lage der Arbeitszeit, die nicht bloß der Abgeltung eines besonderen Aufwands dienen (Senat 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 27, ZTR 2010, 367; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 100, 189). Nur hinsichtlich des übergesetzlichen Mehrurlaubs sind die Arbeits- und Tarifvertragsparteien frei, weiter reichende Abweichungen von der Bemessungsabsicht des § 11 Abs. 1 BUrlG - wie hier - zu treffen. Die gesetzlichen Bestimmungen kommen allerdings dann wieder zur Geltung, wenn hinsichtlich des Mehrurlaubs eigenständige Regelungen fehlen (vgl. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 18, EzA BUrlG § 13 Nr. 60; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; 5. November 2002 - 9 AZR 658/00 - zu A II der Gründe, BAGE 103, 206; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A I 1 der Gründe, aaO).
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2. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien mit einer ersatzlosen Herausnahme des um 6,97 Euro erhöhten Stundenlohns und der übertariflichen Vergütungsbestandteile ihren Gestaltungsspielraum für den tariflichen Mehrurlaub überschritten hätten (vgl. zu den Grenzen tariflicher Regelungsmacht: Senat 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 27, ZTR 2010, 367). Die Auslegung des MTV BZA ergibt, dass hier keine derartige Regelung getroffen worden ist.
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a) Bereits nach dem Wortlaut von § 13.3 MTV BZA fehlt ein Hinweis darauf, übertarifliche Vergütungsbestandteile sollten nicht während des Urlaubs gezahlt werden. Dann hätte es beispielsweise heißen müssen: „werden nur die festen Entgeltbestandteile gemäß Abs. 2“ weitergezahlt, oder: „weitere Vergütungen werden während des Urlaubs nicht gezahlt“. Der Wortlaut spricht deshalb für die Beschränkung des Regelungswillens der Tarifvertragsparteien auf die tariflichen Ansprüche. Dies zeigt auch ein Vergleich zu anderen Tarifregelungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. So bestimmt Ziff. 10.1 des von der „Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA“ mit der „Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V.“ am 30. November 2004 geschlossenen Manteltarifvertrags, dass neben dem maßgeblichen Tarifentgelt alle sonstigen tariflichen und außertariflichen Zuschläge und Zulagen bei der Bemessung des Urlaubsentgelts unberücksichtigt bleiben. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass im Streitfall die hier vertragsschließenden Tarifvertragsparteien BZA und die Mitgliedsgewerkschaften des DGB einen vergleichsweisen Ausschluss aller Zulagen und Zuschläge treffen wollten. Ein solcher Eingriff hätte deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.
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b) Bei der Auslegung ist auch zu berücksichtigen, dass die unabdingbare Pflicht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG)besteht, die gewöhnlich zu erwartende Vergütung nach § 1 BUrlG, § 611 Abs. 1 BGB während des gesetzlichen Mindesturlaubs weiterzuzahlen. Soweit in Tarifverträgen auch für den Mindesturlaub Bemessungsregelungen getroffen werden, ist die Vergütung sicherzustellen, die die Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung gewöhnlich erwarten können. Diese Befugnis wird überschritten, wenn zielgerichtet zur Minderung des Entgelts solche Bestandteile aus der Berechnung herausgenommen werden, die ohne die urlaubsbedingte Freistellung von der Tätigkeit anfallen. Das gilt sowohl für die Vergütung solcher Stunden, die voraussichtlich angefallen wären, als auch für Zuschläge für die Lage der Arbeitszeit, soweit damit nicht die Abgeltung eines besonderen Aufwands verbunden ist (Senat 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09 - Rn. 27, ZTR 2010, 367). Anhaltspunkte dafür, dass die den MTV BZA schließenden Tarifvertragsparteien eine derartige gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG verstoßende Regelung treffen wollten, sind nicht erkennbar. Es gilt auch hier der Grundsatz, dass Vertragsparteien im Zweifel eine mit dem Gesetz vereinbare Regelung treffen wollen.
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c) Die Tarifvertragsparteien haben ihrer Entgeltregelung auch nicht die Qualität von Höchstarbeitsbedingungen beimessen wollen. Darauf weist die Revision zu Recht hin. Hiergegen spricht schon die im Tarifvertrag selbst angelegte Geltungsbereichsausnahme gemäß § 1.3 MTV BZA, die bei übertariflichem Jahresverdienst ausdrücklich Abweichungen vom Regelungsgefüge des MTV BZA zulässt. Ferner lassen sich arbeitnehmerbegünstigende einzelvertragliche Regelungen gemäß § 4 Abs. 3 TVG schon grundsätzlich nicht kraft Tarifvertrag ausschließen.
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d) Die Tarifnormen § 13.2 und § 13.3 MTV BZA sind auch keiner ergänzenden Auslegung zugänglich. Die ergänzende Tarifvertragsauslegung beschränkt sich auf unbewusste Tariflücken, deren Schließung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben mittels hinreichender Anhaltspunkte im Tarifvertrag selbst möglich ist (vgl. etwa BAG 28. Juli 2006 - 6 AZR 851/06 - Rn. 36 mwN, AP BAT § 15 Nr. 55). Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Lückenhaftigkeit der Entgeltregelungen in § 13 MTV BZA. Denn diese bilden ein in sich geschlossenes und nicht weiter ergänzbares Regelungsgefüge zum tariflichen Entgelt während des Urlaubs.
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IV. Nach der - mangels abweichender tariflicher Regelungen für übertarifliche Entgelte - heranzuziehenden gesetzlichen Vorschrift des § 11 Abs. 1 BUrlG hat der Kläger für Dezember 2006 und Januar 2007 Anspruch auf weitere Urlaubsvergütung/Urlaubsabgeltung unter Berücksichtigung der A.-Zulage in Höhe von 6,97 Euro sowie der Schicht-/Nachtarbeitspauschale in Höhe von 0,81 Euro jeweils je Stunde.
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1. Da die A.-Zulage arbeitsvertraglich den tariflichen Stundenlohn erhöht, ist sie auch für jede abgerechnete Urlaubsstunde zu zahlen.
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2. Für die Schicht-/Nachtarbeitspauschale ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG eine Durchschnittsberechnung vorzunehmen. Das Urlaubsentgelt bemisst sich deshalb nach dem entsprechenden durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den maßgeblichen letzten 13 Wochen. Nach Ziff. 3 der Zusatzvereinbarung vom 22. September 2006 wird die Schicht-/Nachtarbeitspauschale nur gezahlt, wenn in Schicht oder während der Nacht gearbeitet wird. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 maßgeblichen 13-wöchigen Referenzzeiträume aus seiner Sicht konsequent keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann deshalb den Anspruch der Höhe nach nicht berechnen. Das Landesarbeitsgericht hat die dazu notwendigen Feststellungen nachzuholen.
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V. Die Ansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Der Kläger hat alle Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht.
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1. Gemäß § 16 MTV BZA sind „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten (bei Ausscheiden ein Monat) nach Fälligkeit schriftlich“ sowie bei anschließender schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei „innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich“ geltend zu machen. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt unterliegt - anders als der Anspruch auf Urlaubsgewährung - dem tariflichen Verfall (vgl. Senat 19. April 2005 - 9 AZR 160/04 - zu I 2 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 12 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 178).
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2. Den Vorgaben der zweistufigen Ausschlussfrist war vorliegend genügt.
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a) Das Geltendmachungsschreiben der Klägerbevollmächtigten für die erhöhte Urlaubsvergütung aus Dezember 2006 ging der Beklagten spätestens am 26. Januar 2007 zu. Das Faxschreiben mit den Forderungen nach erhöhter Urlaubsvergütung für Januar 2007 und erhöhter Urlaubsabgeltung wurde spätestens am 28. Februar 2007 empfangen. Die schriftliche Geltendmachung der Urlaubsvergütung für Dezember 2006 lag nicht länger als zwei Monate seit Fälligkeit zurück, denn der Anspruch auf Urlaubsentgelt war abweichend von § 11 Abs. 2 BUrlG nicht vor Urlaubsantritt fällig geworden. Vielmehr galt für den Betrieb der Beklagten ein anderer Fälligkeitstermin als vereinbart, weil die Urlaubsvergütung des Arbeitnehmers in die allgemeine Abrechnung einbezogen wurde, die jeweils erst vom Letzten des Abrechnungsmonats datiert (vgl. Senat 19. April 2005 - 9 AZR 160/04 - zu II der Gründe, aaO; 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A II 4 e der Gründe, BAGE 100, 189). Deshalb hatte der bis zum 15. Januar 2007 beschäftigte Kläger für die Geltendmachung der Urlaubsvergütung sowohl für den Urlaub im Dezember 2006 (Abrechnung 31. Dezember 2006) und im Januar 2007 (Abrechnung 31. Januar 2007) als auch für die Urlaubsabgeltung (Abrechnung 31. Januar 2007) bis Ende Februar 2007 Zeit zur Geltendmachung.
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b) Auch die zweite Stufe der Verfallfrist ist gewahrt. Nachdem die Beklagte den geltend gemachten Anspruch mit Schreiben vom 26. Januar 2007 (Eingangsstempel der Klägerbevollmächtigten vom 29. Januar 2007) abgelehnt hatte, machte der Kläger mit Faxeingang bei Gericht am 26. Februar 2007 die Klage auf erhöhte Urlaubsvergütung für den im Dezember 2006 gewährten Urlaub anhängig. Das genügte zur fristwahrenden gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs entsprechend § 167 ZPO(vgl. Senat 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 22, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 191 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 190; BAG 5. Oktober 2003 - 5 AZR 562/02 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2).
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Die Ansprüche auf erhöhte Urlaubsvergütung für Januar 2007 und auf weitere Urlaubsabgeltung machte der Kläger mit seinem Klageerweiterungsschriftsatz geltend. Dieser ging noch rechtzeitig am 28. Februar 2007 bei Gericht ein. Damit sind beide Stufen der Verfallfrist des § 16 MTV BZA gewahrt.
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Düwell
Suckow
Krasshöfer
Faltyn
Jungermann
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbart ist. Im übrigen kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
(2) Für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, kann durch Tarifvertrag von den vorstehenden Vorschriften über die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Grenze hinaus abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Für den Bereich der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft sowie einer gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386) ausgegliederten Gesellschaft und für den Bereich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann von der Vorschrift über das Kalenderjahr als Urlaubsjahr (§ 1) in Tarifverträgen abgewichen werden.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Dezember 2012 - 10 Sa 230/12 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit.
- 2
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Der Kläger ist als Mechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (BMTV) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dieser bestimmt ua.:
-
„§ 3
Arbeitszeit
1.
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38 Stunden an in der Regel 5 Werktagen in der Woche.
2.
Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden in Betriebsvereinbarungen die regelmäßigen wöchentlichen betrieblichen Arbeitszeiten festgelegt. Dabei kann eine betriebliche Arbeitszeit von bis zu 48 Stunden in der Woche ohne Mehrarbeitszuschläge vereinbart werden. Näheres dazu regeln die Ziff. 3 bis 11.
3.
a)
Wird von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden abgewichen, so ist die sich daraus ergebende Zeitdifferenz einem für jeden Arbeitnehmer zu führenden Arbeitszeitkonto zu belasten bzw. mehrarbeitszuschlagsfrei, aber zuzüglich des Belastungsausgleiches gemäß § 3 Ziff. 4 gutzuschreiben.
b)
Minusstunden/Arbeitszeitdefizite sind auf 114 Stunden begrenzt.
c)
Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb verfallen Arbeitszeitdefizite zu Lasten des Arbeitgebers, soweit die Entstehung dieser Zeitdefizite nicht durch den Arbeitnehmer verursacht wurde und ein nicht erfolgter Zeitausgleich nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist.
4.
…
[Belastungsausgleich]
5.
Arbeitszeitguthaben, die sich aus der Differenz zwischen der tariflichen und der betrieblich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, entstehen an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung, d. h. nicht bei Urlaub, Krankheit und sonstigen arbeitsfreien Tagen mit oder ohne Entgeltfortzahlung.
…
10.
Unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Wochenarbeitszeit wird in jedem Monat das tarifliche bzw. einzelvertraglich vereinbarte Monatsentgelt gleichbleibend gezahlt.“
- 3
-
§ 10 Ziff. 1 BMTV regelt darüber hinaus, dass bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten.
- 4
-
Im Betrieb findet eine Betriebsvereinbarung über die Variable Arbeitszeit Anwendung. Auf dieser Grundlage war der Kläger in der Zeit vom 23. Mai bis zum 28. Mai 2011 dienstplanmäßig für 45,6 Stunden zur Arbeit eingeteilt. Vom 26. Mai bis zum 29. Mai 2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Für den 28. Mai 2011, einem Samstag, an dem der Kläger 7,6 Stunden hätte arbeiten sollen, schrieb die Beklagte seinem Arbeitszeitkonto keine Arbeitszeit gut.
- 5
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Gutschrift auch derjenigen geplanten Arbeitszeit, die die tarifliche Arbeitszeit übersteigt. Nach dem Entgeltausfallprinzip seien die Arbeitnehmer im Krankheitsfall so zu stellen, als hätten sie gearbeitet. § 3 Ziff. 5 BMTV überschreite den Regelungsrahmen des § 4 Abs. 4 EFZG, da ganze Zeiträume und nicht nur die Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung abweichend vom Gesetz geregelt würden. Die Norm verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die zu einer von der tariflichen Regelarbeitszeit abweichenden Arbeitszeit eingeteilt wurden, würden gegenüber solchen, die diese Arbeitszeit tatsächlich erbrachten, ohne sachlichen Grund ungleichbehandelt.
- 6
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, ihm für den 28. Mai 2011 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifnorm sei wirksam.
- 8
-
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
- 10
-
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwischen den Parteien besteht keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll (vgl. zu dieser Anforderung: BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 141, 88).
- 11
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto für den 28. Mai 2011.
- 12
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1. Aus § 3 Ziff. 3 Buchst. a BMTV ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.
- 13
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a) Zwar galt im streitgegenständlichen Zeitraum betrieblich eine längere als die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Einer Gutschrift der begehrten 7,6 Stunden steht jedoch § 3 Ziff. 5 BMTV entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und der Systematik der tariflichen Regelung kann ein Zeitguthaben aus der Differenz zwischen der tariflichen und einer höheren betrieblichen Arbeitszeit nur an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung entstehen, nicht hingegen bei Krankheit oder anderen arbeitsfreien Tagen. An dem Tag, für den der Kläger die Zeitgutschrift begehrt, war er arbeitsunfähig erkrankt.
- 14
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b) Für die vom Kläger in den Vorinstanzen vertretene Auffassung, § 3 Ziff. 5 BMTV erfasse nur Fälle, in denen eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit vorliege, gibt es im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch aus § 10 BMTV, nach dessen Ziff. 1 bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten, kein anderes Ergebnis, da nach § 4 Abs. 4 EFZG durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage festgelegt werden kann. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Ziff. 5 BMTV Gebrauch gemacht.
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2. § 3 Ziff. 5 BMTV hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG.
- 16
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a) Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Entgeltfortzahlung liegt damit ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Für die Entgeltfortzahlung ist maßgeblich, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 110, 90). Da Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nur eine andere Form von Entgelt sind, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird, sind im Krankheitsfall grundsätzlich auch Zeitgutschriften zu gewähren, unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt verstetigt ausgezahlt wird (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 58/03 - zu II 3 der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).
- 17
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b) Durch Tarifvertrag kann allerdings nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 110, 90; vgl. auch BT-Drs. 12/5798 S. 26). Arbeitszeit iSd. § 4 Abs. 4 EFZG meint dabei diejenige Arbeitszeit, für die der Arbeitnehmer in dem Zeitraum nach § 3 Abs. 1 EFZG Arbeitsentgelt bekommen hätte, wenn er nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte(BAG 26. September 2001 - 5 AZR 539/00 - zu I 3 a bb der Gründe, BAGE 99, 112).
- 18
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c) In diesem Rahmen sind Abweichungen auch zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90). Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - aaO).
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d) Hinsichtlich des Zeitfaktors erlaubt es § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG danach zwar nicht, die zu berücksichtigende Arbeitszeit lediglich anteilig in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen zu lassen. Für die Ermittlung der ausgefallenen Arbeitszeit muss aber nicht die individuelle Arbeitszeit maßgeblich sein, es kann vielmehr auch auf die betriebsübliche oder die regelmäßig tarifliche Arbeitszeit abgestellt werden (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 57; 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 110, 90).
- 20
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e) Dies ist durch § 3 Ziff. 5 BMTV erfolgt. Diese Bestimmung bewirkt im konkreten Fall - verglichen mit der Lage nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz selbst - eine Reduzierung des Entgeltfortzahlungsanspruchs um 7,6 Stunden, da sich der tarifliche Zeitfaktor für die Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts nach der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bemisst und nicht nach der individuellen Arbeitszeit des Klägers oder der in diesem Zeitraum vereinbarten betrieblichen Arbeitszeit. Diese Orientierung des Zeitfaktors an der tariflichen Arbeitszeit ist jedoch nach den obigen Grundsätzen zulässig; ein Eingriff in die Substanz des Entgeltfortzahlungsanspruchs liegt nicht vor.
- 21
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3. § 3 Nr. 5 BMTV verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Bezugnahme auf die tarifliche Arbeitszeit ist sachlich begründet (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 18; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 4 der Gründe, BAGE 110, 90).
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Linck
Brune
W. Reinfelder
Thiel
R. Bicknase
(1) Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbart ist. Im übrigen kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
(2) Für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, kann durch Tarifvertrag von den vorstehenden Vorschriften über die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Grenze hinaus abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Für den Bereich der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft sowie einer gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386) ausgegliederten Gesellschaft und für den Bereich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann von der Vorschrift über das Kalenderjahr als Urlaubsjahr (§ 1) in Tarifverträgen abgewichen werden.
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
Tenor
I.Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.12.2013 - 13 Ca 3905/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1,35 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.06.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen.
IV.Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des klägerischen Anspruchs auf Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
3Die Klägerin ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.01.2012 bei der Beklagten in einem Umfang von durchschnittlich drei Stunden am Tag im Rahmen einer 5-Tage-Woche tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk Anwendung.
4§ 15 des Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28. Juni 2011 (RTV) regelt:
5"1. Urlaubsanspruch
61.1 Der Jahresurlaub beträgt auf Grundlage einer 5-Tage-Woche:
7Im ersten Beschäftigungsjahr - 28 Arbeitstage,
8im zweiten Beschäftigungsjahr - 29 Arbeitstage,
9im dritten Beschäftigungsjahr - 30 Arbeitstage.
10Sofern die Beschäftigung mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche erfolgt, erhöht oder verringert sich die Anzahl der Urlaubstage entsprechend.
11Zeiten eines Berufsausbildungsverhältnisses gelten insoweit als Beschäftigungszeiten.
12Bei Ausscheiden innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses richtet sich der Urlaubsanspruch nach den §§ 3 und 5 des BUrlG.
131.2 Schwerbehinderte im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen erhalten jeweils einen zusätzlichen Urlaub nach gesetzlicher Maßgabe.
141.3 Der volle Jahresurlaubsanspruch bleibt erhalten bei Kuren oder Heilverfahren, die von einem Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger gewährt werden.
151.4 Beginnt oder endet das Beschäftigungsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch 1/12 für jeden vollen Kalendermonat, in dem das Beschäftigungsverhältnis während des betreffenden Urlaubsjahres bestand.
16Der gesetzliche Mindesturlaub darf nicht unterschritten werden.
171.5 Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Für die Berechnung der Urlaubsdauer sind die am 1. Januar des Urlaubsjahres erreichten Beschäftigungsjahre maßgebend.
182. Urlaubslohn
192.1 Während des Urlaubs erhält der/die Beschäftigte den durchschnittlichen Lohn der letzten 12 Monate für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten, usw.
20Bei der Berechnung des Lohnes bleiben außer Ansatz: Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz, wie z.B. Gratifikation, Fahrtkosten und Auslösung.
21Sofern der/die Beschäftigte weniger als 12 Monate im Unternehmen beschäftigt ist, werden diese Monate der Durchschnittsberechnung zugrunde gelegt."
22Unter Ziffer 3.4 RTV ist geregelt:
23"Bei der Gewährung von Urlaub wird zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch erfüllt, sodann der tarifliche. Im Falle der Übertragung erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der tarifliche Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres."
24Unter § 6 Ziffer 2 zweiter Absatz RTV ist geregelt:
25"Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw. Arbeitsausfall erhält der/die Beschäftigte bis zu einer Dauer von sechs Wochen seinen/ihren durchschnittlichen Lohn der letzten 12 Monate für seine/ihre regelmäßige aktuelle Arbeitszeit; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten usw. Dies gilt auch für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation gemäß § 9 des Entgeltfortzahlungsgesetzes."
26Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) regelt für Urlaubsansprüche:
27"Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich
28(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
29(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
30a) die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie
31b) bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.
32Artikel 7 Jahresurlaub
33(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
34(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.
35Artikel 18 Abweichungen im Wege von Tarifverträgen
36Von den Artikeln 3, 4, 5, 8 und 16 kann abgewichen werden im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene oder, bei zwischen den Sozialpartnern getroffenen Abmachungen, im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern auf niedrigerer Ebene."
37Die Klägerin wird teilweise als Innenreinigerin und teilweise als Vorarbeiterin beschäftigt und entsprechend den Eingruppierungsvorschriften in § 8 RTV nach Lohngruppe 1 bzw. 4 vergütet. Der Stundenlohn belief sich nach § 2 Ziffer 1 lit. b) des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 23. August 2011 (TV Mindestlohn) mit Wirkung zum 01.01.2013 für die Tätigkeit als Innenreinigerin auf 9,00 € und für die Tätigkeit als Vorarbeiterin auf 10,76 € brutto.
38Anfang 2013 hatte sie neben dem Anspruch auf Tarifurlaub für das Jahr 2013 noch Anspruch auf Urlaub aus dem Vorjahr mit fünf Tagen. Die Klägerin nahm im Januar 2013 einen Tag Urlaub, im Februar zwei weitere Tage und im März weitere 5 Tage Urlaub. Zudem wurde der Klägerin im Februar 2013 für 12 Tage Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit gezahlt.
39Die Beklagte rechnete unter Berufung auf § 15 bzw. § 6 RTV Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung wegen Krankheit ab, indem sie den Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate ermittelte und als Stundenlohn zugrunde legte. Dieser Schnitt lag im Februar 2013 für die Tätigkeit als Innenreinigerin bei 8,84 € und für die Tätigkeit als Vorarbeiterin bei 10,56 €. Für März 2013 errechnete die Beklagte einen Schnitt von 8,85 € für die Tätigkeit als Innenreinigerin.
40Entsprechend zahlte sie Urlaubsentgelt für Februar 2013 in Höhe von 26,52 € (3h x 8,84 €) und weiterer 31,68 € (3 x 10,56) und Entgeltfortzahlung in Höhe von 159,12 € (18 x 8,84) und weiterer 190,08 € (18 x 10,56). Für März 2013 vergütete die Beklagte Urlaubslohn in Höhe von 132,75 € (15 x 8,85).
41Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 11.04.2013 für Februar 2013 und mit Schreiben vom 25.04.2013 für März 2013 Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung auf Basis des aktuellen Stundenlohns von 9,00 € bzw. 10,76 €. Die Vergütungsdifferenzen belaufen sich für Februar 2013 auf 7,56 € und für März 2013 auf 2,25 €.
42Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten gewählte Methode zur Ermittlung des Urlaubsentgelts weder mit den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes noch mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar sei. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien sei insoweit eingeschränkt. Es müsse gewährleistet sein, dass ein Urlaubsentgelt in der Höhe gezahlt werde, wie es der Arbeitnehmer ohne Freistellung hätte erwarten können, oder, wie es der EuGH formuliert habe, dass das für diese Ruhezeit "gewöhnliche" Arbeitsentgelt gezahlt werde. Diese Anforderungen seien nicht erfüllt, wenn Verdiensterhöhungen unter Anwendung des reinen Referenzprinzips nur anteilig Berücksichtigung fänden.
43Demnach sei im Rahmen einer unionskonformen Auslegung § 15 Ziffer 2.1 RTV so zu verstehen, dass nicht nur vorübergehende Verdiensterhöhungen bei der Bestimmung der Urlaubsvergütung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen seien. Dass die entsprechende Regelung des § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG in § 15 RTV keine Aufnahme gefunden habe, stehe diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Aufgrund des zwingenden Charakters der gesetzlichen Vorschrift hätte die Wiederholung des Gesetzeswortlauts lediglich deklaratorischen Charakter gehabt und sei insoweit überflüssig gewesen.
44Da der die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs regelnde § 6 RTV wortgleich zu § 15 Ziffer 2.1 RTV formuliert sei, sei dieser entsprechend auszulegen.
45Die Klägerin hat mit am 19.06.2013 eingegangener und der Beklagten am 26.06.2013 zugestellter Klage, - nach Klagerücknahme im Übrigen, - beantragt,
46die Beklagte zu verurteilen, an sie 9,81 EUR (i.W. neun Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
47Die Beklagte hat beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es den Tarifvertragsparteien frei stünde, jede ihnen als angemessen erscheinende Berechnungsmethode zum Urlaubsentgelt und zur Entgeltfortzahlung zu vereinbaren. Hiervon sei in §§ 15 und 6 RTV in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht worden.
50Da § 15 RTV eine eigenständige Regelung zum Tarifurlaub enthalte, sei die Arbeitszeitrichtlinie gar nicht einschlägig.
51Die Abweichung in § 15 RTV von der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG sei von den Tarifvertragsparteien offensichtlich gewollt gewesen. Dies zeige sich daran, dass die gesetzliche Regelung zur Behandlung von Verdienstminderungen übernommen worden sei, die zu Verdiensterhöhungen hingegen nicht.
52Soweit § 6 RTV in Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Lohnausfallprinzip für die Vergütung von Arbeitsunfähigkeitszeiten das Referenzprinzip anwende, sei dies mit Blick auf die Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG zulässig.
53Die Übertragung etwaiger Auslegungsergebnisse zum Urlaubsentgelt auf die Regelungen zur Entgeltfortzahlung verbiete sich schon aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben im BUrlG und EFZG.
54Mit Urteil vom 20.12.2013 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass § 15 Ziffer 2.1 RTV dahingehend auszulegen sei, dass die Parteien eine von § 11 Abs.1 S. 2 BUrlG abweichende Regelung getroffen hätten. Dieser stehe der TV Mindestlohn nicht entgegen, da er lediglich Mindestentgeltsätze regle, zum Urlaubsentgelt hingegen keine Aussagen treffe. Soweit die tariflichen Regelungen den über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehenden Tarifurlaub regelten, seien weder das BUrlG noch die Arbeitszeitrichtlinie einschlägig. Auch hinsichtlich des gesetzlichen Urlaubs liege ein Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht vor. Die Unabdingbarkeit des § 1 BUrlG führe nicht dazu, dass jede tarifliche Abweichung von § 11 BUrlG unwirksam sei. Vielmehr lasse § 13 BUrlG diese ausdrücklich zu. Da § 11 BUrlG ebenso wie § 15 RTV das Referenzprinzip als Berechnungsmethode festlege und damit auch im Einzelfall Verdienstminderungen während des Urlaubs zulasse, sei nicht ersichtlich, warum gerade die von den Tarifvertragsparteien gewählte Regelung unwirksam sein solle. Die sich nur aus der anteiligen Berücksichtigung von Verdiensterhöhungen ergebenden Unterschiede bei der Höhe des Urlaubsentgelts seien keineswegs so bedeutend, dass die Abweichung als unangemessen angesehen werden müsse. Die tarifliche Regelung führe zu nicht weniger gerechten Ergebnissen, da sie Unterschiede in der Höhe des Urlaubsentgelts mildere für unmittelbar vor oder nach einer Tariferhöhung gewährten Urlaub. Auch die Arbeitszeitrichtlinie verbiete lediglich eine Aushöhlung des Urlaubsanspruches durch eine Kürzung beim Urlaubsentgelt, so dass § 15 RTV auch nicht gegen europarechtliche Vorgaben verstoße. Da die Argumente der Klägerin zur Unwirksamkeit des § 15 RTV nicht auf die Regeln zur Entgeltfortzahlung übertragbar seien, seien Gründe, die gegen die Wirksamkeit des § 6 RTV sprächen, nicht ersichtlich.
55Das Arbeitsgericht hat die Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2b ArbGG mit der Begründung zugelassen, dass die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung habe, da allein bei der Beklagten eine Vielzahl von Fällen existierten, in denen die Berechnung der Urlaubsvergütung streitig sei. Zudem betreffe der Rechtsstreit die Auslegung eines Tarifvertrages, dessen Geltungsbereich sich auf die gesamte Bundesrepublik erstrecke.
56Gegen das der Klägerin am 05.02.2014 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 05.03.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung ein-gelegt und am Montag, dem 07.04.2014, begründet.
57Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Ziel unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, dass auch der TV Mindestlohn ihr Auslegungsergebnis zu § 15 Ziffer 2.1 und § 6 RTV stütze. Dieser regle alle Entgeltformen einschließlich Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung und schreibe den vorgesehenen Mindestlohn als Untergrenze für diese vor.
58Da der Tarifvertrag gerade nicht zwischen gesetzlichem und Tarifurlaub differenziere, müsse die Berechnung des Urlaubsentgelts einheitlich erfolgen.
59Die Klägerin beantragt,
60das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.12.2013 (13 Ca 3905/13) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 9,81 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
61Die Beklagte beantragt,
62die Berufung zurückzuweisen.
63Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und führt ergänzend aus, dass für die Auslegung des § 15 RTV zur Frage der Berücksichtigung von Verdiensterhöhungen der deutlich später in Kraft getretene TV Mindestlohn nicht herangezogen werden könne.
64Bei der Auslegung der §§ 15 und 6 RTV sei auch zu berücksichtigen, dass diese Regelungen im Zusammenhang mit der vorübergehend gesetzlich vorgesehenen Kürzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf 80 % stünden. Der mit der Tarifregelung geschaffene Kompromiss, der unabhängig vom Gesetz eine Kürzung von Entgeltfortzahlungs- und Urlaubsentgeltansprüchen nicht zulasse, dafür aber Tariferhöhungen erst zeitlich verzögert berücksichtige, sei nicht zu beanstanden.
65Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
66E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
67Die zulässige Berufung ist begründet, soweit die Klägerin für den gesetzlichen Mindesturlaub ein Urlaubsentgelt auf der Basis ihres aktuellen Stundenlohns geltend macht. Die weitergehende Berufung betreffend die Berechnung des über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Tarifurlaubs und der Entgeltfortzahlung blieb erfolglos.
68A. Die Berufung ist aufgrund ihrer Zulassung gemäß §§ 64 Abs.3, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO zulässig sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
69B. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Urlaubsvergütung mit ihrem aktuellen Stundenlohn von 9,00 € gem. § 11 Abs.1 S. 2 BUrlG im Umfang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs. § 15 Ziffer 2.1 RTV ist nicht anzuwenden, da die Tarifnorm insoweit wegen Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 BUrlG und gegen Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie unwirksam ist.
70I.Der Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsvergütung unter Zugrundelegung des aktuellen Stundenlohns ergibt sich, anders als die Klägerin meint, nicht bereits aus § 15 Ziffer 2.1 RTV. Die Beklagte hat die Tarifnorm zutreffend angewandt, indem sie die Tariferhöhung unter Anwendung des Referenzprinzips bei der Abrechnung des Urlaubsentgelts nur anteilig berücksichtigt hat.
711.Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Ergänzend können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43).
722.Die Auslegung des § 15 Ziffer 2.1 RTV ergibt, dass eine von § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG abweichende Regelung geschaffen wurde.
73a)§ 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG oder eine inhaltsgleiche Regelung ist in die Tarifnorm nicht aufgenommen worden. Dies führt noch nicht ohne Weiteres zu der Annahme, dass Lohnerhöhungen anders als gesetzlich vorgesehen Berücksichtigung finden sollen. Es ließe sich mit der Klägerseite die Auffassung vertreten, dass die Tarifvertragsparteien lediglich auf eine rein deklaratorische Wiedergabe des nach ihrem Willen ohnehin geltenden Gesetzes verzichtet haben.
74b) Berücksichtigt man jedoch die Systematik des § 11 BurlG, der § 15 RTV grundsätzlich folgt, spricht dies für die Auslegung, dass der Tarifvertrag insoweit vom Gesetz abweicht.
75§ 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG sieht ebenso wie die Tarifnorm im Grundsatz für die Berechnung des Urlausentgelts das Referenzprinzip vor. Dieses Prinzip wird im Gesetz zweifach zugunsten des Arbeitnehmers durchbrochen. Zum einen sollen Zeiträume mit Verdienstkürzungen aus bestimmten namentlich benannten Gründen nach § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG unberücksichtigt bleiben. Zum anderen sind dauerhafte Verdiensterhöhungen nach Satz 2 der Vorschrift als Berechnungsgrundlage zugrunde zu legen und zwar auch dann, wenn sie erst innerhalb des Referenzzeitraumes gewährt wurden (BAG v. 10. Dezember 2013 - 9 AZR 279/12, ArbR 2014, 294; 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BurlG; 21. September 2010 - 9 AZR 510/09, AP Nr. 68 zu § 11 BurlG). Es handelt sich demnach bei § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG um einen Ausnahmetatbestand. Dass die Tarifvertragsparteien auf die Übernahme dieser Sonderregelung verzichtet haben, spricht dafür, dass die Durchbrechung des Referenzprinzips bei Verdiensterhöhungen im Tarifbereich nicht gelten soll.
76c)Dies gilt umso mehr, als die erstgenannte Sonderregel für Verdienstminderungen Aufnahme in die tarifliche Regelung gefunden hat. § 15 Ziffer 2.1 RTV sieht vor, dass "unverschuldete Fehltage, wie z.B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten usw." unberücksichtigt bleiben. Ein Wille der Tarifvertragsparteien auf umfassende Übernahme der gesetzlichen Regelungen lässt sich nicht annehmen, wenn von zwei gesetzlichen Ausnahmetatbeständen nur einer tariflich geregelt wird. Insoweit wird auch nicht der Gesetzeswortlaut wiederholt, der von "Verdienstkürzungen…im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis" spricht. Es handelt sich also nicht um eine wortgetreue Übernahme des Gesetzes, sondern auch insoweit um eine eigenständige, wenn auch zumindest weitgehend inhaltsgleiche Regelung.
77d)Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Gegenüberstellung von § 15 RTV und § 11 BurlG gestützt.
78In § 15 RTV finden sich eine ganze Reihe von Übereinstimmungen, aber auch diverse Abweichungen vom Gesetz. So sieht § 15 RTV abweichend von § 11 BUrlG einen verlängerten Referenzzeitraum von 12 Monaten vor. Zudem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Grundlage für die Berechnung des Urlaubsentgelts die aktuelle regelmäßige Arbeitszeit ist, ein Hinweis, der in § 11 BUrlG, der lediglich Regelungen zum Geldfaktor des Urlaubsentgelts enthält, gänzlich fehlt. Einmalvergütungen und Aufwendungsersatz sind nach § 15 RTV herauszurechnen, Überstundenvergütung inklusive der Zuschläge, -insoweit ist § 15 RTV für den Arbeitnehmer günstiger als § 11 BurlG, - hingegen nicht. Alle diese Unterscheide zeigen, dass die Tarifvertragsparteien gerade nicht auf § 11 BUrlG als Grundlage für die Urlaubsentgeltberechnung zurückgegriffen haben, sondern eine umfassende, eigenständige Regelung getroffen wurde.
79e)Dieser in der Tarifnorm zum Ausdruck kommende Wille spiegelt auch die von den Tarifvertragsparteien verfolgten Absichten wider. So schilderte die Beklagte in der Berufungserwiderung, dass in der Regelung, die bereits im Jahre 2000 gleichzeitig mit § 6 RTV in den Tarifvertrag aufgenommen wurde, bewusst darauf verzichtet wurde, eine § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG entsprechende Regelung zu übernehmen. Ziel sei es gewesen, ein eigenständiges Regime zur Berechnung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub zu schaffen, das unabhängig von zukünftigen Gesetzesänderungen dem Arbeitnehmer ein Entgelt von 100 % gewährleiste. Diese etwaige Mehrbelastung der Arbeitgeber sollte dadurch abgemildert werden, dass Tariferhöhungen nicht sofort in vollem Umfang bei Urlaub und Krankheit berücksichtigt werden, sondern lediglich anteilig nach dem Referenzprinzip.
80II. Der Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsentgelts in Höhe von 9,00 € pro Stunde lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf § 2 Ziffer 1 lit b) TV Mindestlohn stützen.
811.Der TV Mindestlohn enthält selbst keine Regelungen zum Urlaubsentgelt. Tarifliche Grundlage für dessen Berechnung ist allein § 15 RTV. Dieser enthält wiederum keine Aussagen zum Lohnniveau des Arbeitnehmers, sondern regelt ausschließlich, mit welcher Berechnungsmethode der Verdienst für Ruhezeiten zu ermitteln ist. In diesen fließen eine ganze Reihe von Verdienstbestandteilen ein, von denen der tarifliche Stundenlohn nur ein Bestandteil ist. Der Stundenlohn wird in § 15 RTV demnach nicht abweichend vom TV Mindestlohn geregelt. Richtig ist natürlich, dass dann, wenn die letzte Erhöhung noch kein Jahr zurückliegt, der höhere Stundenlohn nur anteilig in die Berechnung mit einfließt. Ob dies zulässig ist, ist fraglich, weil es im Ergebnis, - wie bei der Klägerin geschehen, - dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer in Urlaubszeiten weniger verdient, als wenn er gearbeitet hätte. Die Beantwortung dieser Frage hängt jedoch allein davon ab, ob die Tarifnorm gegen höherrangiges Recht verstößt. Ein Fall einer Tarifkonkurrenz, bei der über den Vorrang einer Tarifnorm gegenüber einer anderen bei gleichem Regelungsgegenstand zu entscheiden wäre, liegt nicht vor.
822.Im Übrigen ist auch gar nicht einsichtig, warum gerade Verdiensterhöhungen, die ihre Grundlage im TV Mindestlohn haben, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts im Gegensatz zu anderen Verdiensterhöhungen bevorzugte Berücksichtigung finden sollen. Diese sind nur eine Ursache für die Erhöhung des Verdienstes eines Arbeitnehmers. Eine andere ist etwa die mit einer Beförderung verbundene Höhergruppierung, die im Zweifel erheblichere Auswirkungen auf den Verdienst des Arbeitnehmers hat als die tarifliche Anpassung des Mindestlohns.
83III.Mit dem genannten Auslegungsergebnis, dass Verdiensterhöhungen nur anteilig unter Anwendung des reinen Referenzprinzips zu berücksichtigen sind, ist § 15 Ziffer 2.1 RTV allerdings für den Anspruch auf Vergütung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht anwendbar. Die Regelung verstößt insoweit gegen §§ 13, 1 BUrlG und gegen Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie. Da die im Tarifvertrag vorgesehene Berechnungsmethode nicht zulässig ist, ist zur Berechnung der Höhe des Urlaubsentgelts für den gesetzlichen Mindesturlaub auf die Regelungen des BUrlG zurückzugreifen.
841.Hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs steht der Klägerin ein Urlaubsentgeltanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 11 Abs. 1 BUrlG unter Berücksichtigung der tariflichen Lohnerhöhung zu. § 15 Ziff. 2.1 RTV überschreitet insoweit die Grenzen des Regelungsspielraums, den § 13 Abs. 1 BUrlG den Tarifvertragsparteien einräumt.
85a)Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei, jede ihnen als angemessen erscheinende Berechnungsmethode für das während des Urlaubs fortzuzahlende Entgelt zu vereinbaren. Nach § 13 Abs. 1 BUrlG können sie dabei von den Bestimmungen des BUrlG auch zuungunsten der Arbeitnehmer abweichen. Ausgenommen sind aber die §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG. Dieses Verbot kann auch nicht durch einen mittelbaren Eingriff in die unabdingbaren Bestimmungen umgangen werden. § 1 BUrlG gewährt jedem Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. "Bezahlt" ist der Erholungsurlaub, wenn der den Arbeitnehmern zustehende Lohnanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit während des Urlaubs unberührt bleibt. Schon aus § 1 BUrlG ergibt sich die Pflicht, die Vergütung während des Urlaubs weiterzuzahlen (BAG v. 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BUrlG; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr.66 zu § 11 BUrlG; 09.November 1999 - 9 AZR 771/98, AP Nr. 47 zu § 11 BUrlG).
86b)Das entspricht auch der Entstehungsgeschichte des BUrlG. Im Gesetzgebungsverfahren (vgl. Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit BT-Drucks. IV/785 S 2, 4) ist zwar deutlich gemacht worden, die "Bedeutung der Tarifautonomie" für das Urlaubsrecht sei "nachdrücklich hervorzuheben". Die Tarifvertragsparteien sollten aber nur einen begrenzten "Spielraum" bei den "Einzelheiten der Gestaltung des Urlaubsrechts" haben. "Ausdrücklich ausgenommen" seien "von dieser Gestaltungsmöglichkeit jedoch die grundlegenden Bestimmungen über den Urlaubsanspruch selbst". Zu diesen grundlegenden Bestimmungen gehört die in § 1 BUrlG geregelte Fortzahlung der durch die Freistellung ausfallenden Arbeitszeit (BAG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00, BAGE 100, 189-203).
87c)Das heißt, die Tarifvertragsparteien müssen bei der Ausübung ihres Gestaltungsspielraums ein Urlaubsentgelt sicherstellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können (BAG v. 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BUrlG; 21. September 2010 - 9 AZR 510/09, BAGE 135, 301-312; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr.66 zu § 11 BUrlG).
88d)Diesen Gestaltungsspielraum haben die Tarifvertragsparteien mit § 15 Ziffer 2.1 RTV überschritten, indem sie eine von § 11 BUrlG abweichende Regelung geschaffen haben, die nicht vorübergehende Verdiensterhöhungen nur anteilig nach dem Referenzprinzip und nicht in vollem Umfang nach dem Lohnausfallprinzip berücksichtigt. Denn damit haben sie eine Berechnungsmethode gewählt, die systematisch zu Verdienstminderungen führt.
89aa)Die Klägerin erzielte dadurch, dass die zum 01.01.13 erfolgte Tariferhöhung nur soweit Berücksichtigung findet, als sie im Referenzzeitraum gezahlt wurde, einen geringeren Verdienst an ihren Urlaubstagen im Februar und März 2013, als wenn sie in dieser Zeit gearbeitet hätte.
90bb)Diese Verdienstminderung ist zwar, wie schon der Umfang der Klageforderung zeigt, überschaubar. Er beläuft sich für den Februar auf 0,16 bzw. 0,20 € pro Stunde und für März auf 0,15 € pro Stunde. Es sind jedoch andere Konstellationen denkbar, in denen die Differenz sehr viel deutlicher ausfällt. So würde beispielsweise der Beschäftigte, der erst kurz vor seinem Urlaubsantritt eine Beförderung vom Innenreiniger zum Vorarbeiter erhält, im Urlaub weiter wie ein Innenreiniger bezahlt werden und damit eine um drei Lohngruppen niedrigere Vergütung erhalten. Entscheidend für die Unangemessenheit der tariflich vorgesehenen Verdienstminderung ist dabei nicht, wie hoch sie im Einzelfall ausfällt, sondern dass sie als Bestandteil der tariflichen Systematik mit dem Ziel der Schlechterstellung des Arbeitnehmers implementiert wurde.
91cc)Dass die Tarifvertragsparteien sich grundsätzlich auf die Methode der Berechnung nach dem Referenzprinzip geeinigt haben, erscheint auf den ersten Blick unproblematisch. Dies ist im Gesetz in § 11 Abs.1 S. 1 BUrlG auch so vorgesehen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Höhe des gesetzlichen Urlaubsentgelts nicht allein anhand des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes im Bezugszeitraum, auf den § 11 Abs. 1 BUrlG abstellt, berechnet wird. Denn nach § 1 BUrlG ist das Entgelt nicht für die im Bezugszeitraum geleistete Arbeitszeit, sondern für die im Urlaubszeitraum ausfallende Arbeitszeit fortzuzahlen. Das Urlaubsentgelt ist folglich hinsichtlich der Anzahl der am jeweiligen Urlaubstag infolge der Freistellung ausfallenden Arbeitsstunden, dem sog. Zeitfaktor, und nach der in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelten Wertbemessung anhand des im Bezugszeitraums erzielten Durchschnittsarbeitsverdienstes, dem sog. Geldfaktor, zu berechnen. Das Urlaubsentgelt ist somit das Produkt aus Zeit- und Geldfaktor. In § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist ausschließlich die Bemessung des Geldfaktors geregelt. So ist etwa die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 1 BUrlG, das Entgelt für alle infolge der Arbeitsbefreiung ausfallenden Arbeitsstunden einschließlich der Überstunden, zu vergüten ist von der Änderung urlaubsrechtlicher Vorschriften durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 unberührt geblieben. Durch dieses Gesetz ist § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG geändert worden, um zu verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch gezielte Leistung von Überstunden im Bezugszeitraum ein höheres Urlaubsentgelt erlangen kann. Damit ist nicht ein Ausschluss des Entgelts für die wegen des Urlaubs im Freistellungszeitraum ausfallenden Überstunden verbunden (BAG v. 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BUrlG; 09. November 1999 - 9 AZR 771/98, BAGE 92, 343-349). Das bedeutet, dass der gesetzliche Urlaubsentgeltanspruch gerade nicht ausschließlich nach dem Referenzprinzip vergütet wird, sondern eine kombinierte Berechnungsmethode gewählt wurde. Hierbei wird, um eine Ermittlung des Verdienstes gerade bei unsteten Vergütungsbestandteilen zu ermöglichen, für den Geldfaktor auf den Verdienst aus der Vergangenheit abgestellt. Bei festen Vergütungsbestandteilen, wie etwa einem fixen Stundenlohn, gilt das Referenzprinzip nach § 11 Abs.1 S. 2 BUrlG aber gerade nicht. So wird sicher gestellt, dass das gesetzlich verfolgte Ziel der Vermeidung von finanziellen Nachteilen in Urlaubszeiten erreicht wird. Dies gewährleistet die tarifliche Regelung im Vergleich hierzu gerade nicht.
92dd)Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass nach § 13 BUrlG von § 11 BUrlG abweichende tarifliche Regelungen möglich sind und zwar auch zuungunsten des Arbeitnehmers, ist dies grundsätzlich zutreffend. Dies gilt etwa für abweichende Regelungen zur Vereinfachung der Berechnung durch Pauschalierung von variablen Lohnbestandteilen, selbst wenn im Einzelfall eine Verringerung des Entgeltanspruchs eintreten kann. Hierbei ist den Tarifvertragsparteien bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ein weiter Spielraum gegeben (BAG v. 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG). Die Tarifvertragsparteien haben in § 15 Ziffer 2.1 RTV jedoch nicht von ihrer Möglichkeit einer Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse Gebrauch gemacht. Wie die tatsächlichen Verhältnisse, sprich der Verdienst im Fall der Weiterarbeit, ausgesehen hätte, bedarf keiner pauschalierenden oder vergleichenden Betrachtung. Es ist klar, dass die Klägerin im Fall der Erbringung ihrer Arbeitsleistung 9,00 bzw. 10,76 € in der Stunde verdient hätte. Es wurde vielmehr für feste Vergütungsbestandteile abweichend vom Gesetz eine Berücksichtigung nach dem Referenzprinzip gewählt. Damit haben sich die Tarifvertragsparteien für eine Methode entschieden, die immer und damit systematisch und nicht lediglich in Einzelfällen finanzielle Nachteile beim Urlaubsentgelt mit sich bringt, wenn innerhalb der letzten 12 Monate eine Verdiensterhöhung eingetreten ist. Und dies ist wegen der Garantie des bezahlten Erholungsurlaubs nach §§ 13, 1 BUrlG ausgeschlossen. Denn Sinn und Zweck der Tariföffnungsklauseln in § 13 BUrlG ist es nicht, Arbeitgeber von den mit dem bezahlten Erholungsurlaub bzw. der Urlaubsabgeltung verbundenen Kosten zum Nachteil der Arbeitnehmer zu entlasten (BAG v. 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BUrlG).
93ee)Dieser finanzielle Nachteil lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass § 15 RTV im Rahmen seiner eigenen Systematik an anderer Stelle Vorteile gewährt, die insgesamt eine gleichwertige Vergütung für den Arbeitnehmer sicherstellen.
94aaa)Bei der Prüfung der Frage, ob die Tarifvertragsparteien Regelungen getroffen haben, die sich im Rahmen des § 13 Abs. 1 BUrlG halten, ist abstrakt darauf abzustellen, ob die Gesamtheit der tariflichen Regelungen, die die Höhe des Urlaubsentgelts bestimmen (Zeit- und Geldfaktor), die aufgezeigten Grenzen überschreitet oder nicht. Nicht einzubeziehen in diesen abstrakten Günstigkeitsvergleich sind über das BUrlG hinaus gewährte zusätzliche Leistungen, wie zB ein zusätzliches Urlaubsgeld oder eine die Mindestdauer überschießende Anzahl von Urlaubstagen (BAG v. 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG).
95bbb)Stellt man gesetzliche und tarifliche Regelung einander gegenüber, ist die gesetzliche Regelung die abstrakt günstigere. Denn Tarif und Gesetz sind in ihrer Systematik grundsätzlich gleich angelegt. Beide Regelungen gehen für die Ermittlung des Geldfaktors vom Referenzprinzip aus. Beide Regelungen korrigieren Nachteile für den Arbeitnehmer bei unverschuldeten Verdienstminderungen durch Herausnahme dieser Zeiträume aus dem Referenzzeitraum. Hingegen allein in der gesetzlichen Regelung vorgesehen ist die Zugrundelegung erhöhter verstetigter Verdienstbestandteile in § 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG. Dieser Nachteil des Arbeitnehmers wird im Tarif nicht ausgeglichen. Vielmehr hat die Beklagte durch die Schilderung, dass es sich bei der Einführung der §§ 15 und 6 RTV um einen Kompromiss der Tarifvertragsparteien handelte, deutlich gemacht, dass eine Entlastung der Arbeitgeber an dieser Stelle gewollt war. Für die garantierte 100%ige Vergütung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sollte vom Arbeitnehmer der finanzielle Nachteil einer zeitlich verzögerten Weitergabe von Tariferhöhungen in Kauf genommen werden. Das mag für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die vorübergehend gesetzlich auf 80 % gedeckelt war, ein kompensierender Vorteil gewesen sein. Für das Urlaubsentgelt, das zumindest in seinem Kern nach § 1 BUrlG als bezahlte Ruhezeit garantiert ist, ist es das nicht.
96ccc)Auch der Umstand, dass die tarifliche Regelung anders als im Gesetz vorgesehen Überstundenzuschläge aus dem Verdienst im Referenzzeitraum nicht herausrechnet, führt nicht dazu, dass die tarifliche Regelung einen im Vergleich zum Gesetz gleich günstigen Verdienst gewährleistet. Eine Schlechterstellung bei verstetigten Vergütungsbestandteilen tritt immer ein, da zumindest die üblicherweise jährlich gewährten Tariferhöhungen nicht vollständig berücksichtigt werden. Zuschläge fallen lediglich im Einzelfall in unvorhersehbarem Umfang und mit Blick auf die Vielzahl der in Teilzeit tätigen Mitarbeiter im Reinigungsgewerbe im Zweifel auch nur selten an.
97ff)Die Bewertung der Kammer steht auch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die ebenfalls die Vereinbarkeit tariflicher Regelungen mit §§ 13, 1 BUrlG zum Gegenstand hatte.
98aaa)So wurde zum Beispiel die Berechnung des Urlaubsentgelts entsprechend dem konkreten Lohnausfall, die Erweiterung des gesetzlichen Referenzzeitraums und auch eine Vereinfachung der Entgeltberechnung anhand von Pauschalierungen für variable Lohnbestandteile als zulässig angesehen (BAG v. 21. September 2010 - 9 AZR 510/09, BAGE 135, 301; 23. Februar 2010 - 9 AZR 52/09, ZTR 2010, 367; 17. November 2009 - 9 AZR 844/08, EzA BUrlG § 13 Nr. 59; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01, BAGE 104, 65; 20. Februar 2000 - 9 AZR 107/99, BAGE 93, 376). Allen diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie im Einzelfall im Vergleich zur gesetzlichen Konzeption zu einem niedrigeren Urlaubsentgelt führen können, in anderen Einzelfällen aber auch zu einem höheren Entgelt. Das heißt, eine permanente Schlechterstellung des Arbeitnehmers ist hiermit nicht verbunden. Für § 15 Ziffer 2.1 RTV gilt dies hingegen nicht.
99bbb)Als Überschreitung des Gestaltungsspielraums wurde hingegen die zielgerichtete Herausnahme fester Vergütungsbestandteile, die ohne urlaubsbedingte Freistellung angefallen wären, angesehen (BAG v. 21. September 2010 - 9 AZR 510/09, BAGE 135, 301; 22.01.2002 - 9 AZR 601/00, AP Nr. 55 zu § 11 BUrlG). § 15 Ziffer 2.1 RTV nimmt zwar nicht ganze Vergütungsbestandteile aus der Berechnung heraus, er führt aber im Ergebnis zumindest zu einer Kürzung fester Vergütungsbestandteile, die etwa im bereits genannten Beispielsfall einer Höhergruppierung erhebliche negative Auswirkungen auf den Verdienst des Arbeitnehmers haben kann.
100ccc)Ebenfalls als unzulässig angesehen wurde eine tarifliche Regelung, die dazu führte, dass Zeiten unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit im Referenzzeitraum zu einer Verminderung der Urlaubsvergütung führten und somit sogar nur ein Anspruch auf unbezahlten Urlaub entstehen konnte. Dies stehe im Widerspruch zu den Bestimmungen des BUrlG. Das strenge Referenzprinzip, nach dem Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung unbeschränkte Berücksichtigung finden, sei nicht geeignet, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung hätte erwarten können (BAG v. 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11, AP Nr. 70 zu § 11 BUrlG). Für die Bewertung der Angemessenheit einer tariflichen Berechnungsmethode ist es demnach gerade nicht ausreichend, darauf hinzuweisen, dass diese sich ebenso wie das Gesetz das Referenzprinzip gewählt hat und dieses lediglich ohne Einschränkungen anwende. Vielmehr ist eine Ergebniskontrolle durchzuführen, ob die Methode zumindest im Grundsatz dem Ziel der Sicherung eines Verdienstes dient, der mit dem Lohn für geleistete Arbeit vergleichbar ist. Die Anwendung des reinen Referenzprinzips ohne Korrekturen bei Verdienstminderungen gewährleistet dies ebenso wenig wie die in § 15 Ziffer 2.1 RTV fehlende Sonderregelung für Verdiensterhöhungen.
101gg)Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Vereinbarkeit des § 15 Ziffer 2.1 RTV auch nicht dadurch rechtfertigen lässt, dass der Gesetzgeber immerhin selbst durch die Änderung des § 11 Abs. 1 BUrlG mit Art. 2 Nr. 2 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1476) in dieses Prinzip des bezahlten Erholungsurlaubs eingegriffen hat. Er hat die zusätzliche Überstundenvergütung aus der Bemessung des Geldfaktors herausgenommen, um Missbrauch durch die gezielte vermehrte Ableistung von Überstunden vor Urlaubszeiten zu begegnen. Damit war keine entsprechende Erweiterung der Regelungsbefugnis verbunden, die den Tarifvertragsparteien in § 13 Abs. 1 BUrlG eingeräumt ist (BAG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00, BAGE 100, 189-203). Das auch von den Tarifvertragsparteien zu beachtende Ziel der Gewährleistung eines vergleichbaren Verdienstes in Urlaubszeiten ist hiervon nicht berührt. Der Gesetzgeber wollte lediglich verhindern, dass Arbeitnehmer es in der Hand haben, rechtsmissbräuchlich eine Erhöhung des Urlaubsentgelts herbeizuführen.
1022.§ 15 Ziffer 2.1 RTV steht auch nicht im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben und ist deshalb auf den garantierten Mindesturlaubsanspruch nicht anwendbar.
103a)Die Arbeitszeitrichtlinie enthält keine Vorgaben, welche Berechnungsmethode bei der Bemessung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen ist. Sie enthält jedoch klare Grundsätze, an denen § 15 Ziffer 2.1 RTV zu messen ist, soweit dieser den europarechtlich garantierten Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr mitregelt.
104aa)So ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft anzusehen, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der Richtlinie ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürfen. Dies zeigt sich etwa daran, dass Artikel 18 der Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit vorsieht, unter bestimmten Voraussetzungen von mehreren Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinie abzuweichen, wobei der den Urlaubsanspruch regelnde Artikel 7 gerade nicht genannt wird (EuGH v. 16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04, C-131/04, C-257/04, AP Nr.2 zu Richtlinie 93/104/EG; 26. Juni 2001 - C-173/99, BECTU, Slg. 2001, I-4881).
105bb)Um dieses Ziel zu gewährleisten, ist der Begriff des "bezahlten Jahresurlaubs" in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie dahin ausgelegt worden, dass der Arbeitnehmer "für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten" müsse. Das in Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie vorgeschriebene Urlaubsentgelt soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, tatsächlich zu nehmen (EuGH v. 16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04, C-131/04, C-257/04, AP Nr.2 zu Richtlinie 93/104/EG).
106cc)Dies führt zur Verpflichtung der nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts, dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (EuGH v. 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Slg. 2010, I-365; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki ua.] Slg. 2009, I-3071; 5. Oktober 2004 - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Slg. 2004, I-8835; BAG v. 07. August 2012 - 9 AZR 353/10 , BAGE 142, 371-390).
107Dem ist das BAG nachgekommen, indem § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG anhand des Wortlauts und des Zwecks der Arbeitszeitrichtlinie dahingehend ausgelegt wird, dass diese Vorschrift einer Kürzung der Mindesturlaubsansprüche von Arbeitnehmern entgegen steht (BAG v. 07. August 2012 - 9 AZR 353/10, BAGE 142, 371-390). Die Frage nach der Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 11 Abs.1 S.2 BUrlG im Sinne eines Optimierungsgebots stellt sich hier nicht, da die Norm ihrem Regelungsinhalt nach gerade dem europäischen Ziel, ein gewöhnliches Arbeitsentgelt zu gewährleisten, dient.
108b)Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass § 15 RTV europarechtswidrig und damit unwirksam ist.
109Der in Art. 7 enthaltene Begriff des bezahlten Jahresurlaubs bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiter zu gewähren ist. Der Arbeitnehmer muss mit anderen Worten für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten. Daher läuft eine Tarifregel, die Verdienstminderungen für Urlaubszeiten vorsieht, darauf hinaus, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach Artikel 7 der Richtlinie über eine Kürzung dieses Arbeitsentgelts ausgehöhlt wird. Ein solches Ergebnis läuft Artikel 18 Absatz 3 der Richtlinie zuwider.
110IV.Dies führt zur Entstehung eines weiteren Zahlungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 1,35 € brutto für drei Urlaubstage im März 2013.
1111.Von den insgesamt sieben streitgegenständlichen Urlaubstagen sind drei Tage auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen für das Jahr 2013 anzurechnen.
112a)Gewährt ein Arbeitgeber Urlaub, so ist dieser grundsätzlich zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzurechnen (BAG v. 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00, BAGE 100, 189-203; 12. Januar 1989 - 8 AZR 404/87 - BAGE 61, 1). Dies ist auch in § 15 Ziffer 3.4 RTV ausdrücklich klargestellt, wonach zunächst der gesetzliche und anschließend der tarifliche Urlaub gewährt werden, der wiederum im Fall der Übertragung auf das Folgejahr binnen der ersten drei Monate zur Vermeidung des Verfalls zu nehmen ist.
113b)Danach sind die ersten fünf im Urlaubsjahr 2013 gewährten Tage auf den noch vorhandenen Tarifurlaub aus 2012 anzurechnen. Hierauf wurden ein Tag im Januar, zwei weitere im Februar und die letzten beiden Tage im März gewährt. Da im März insgesamt fünf Tage Urlaub genommen wurden, sind die restlichen drei Urlaubstage auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch für das Jahr 2013 gewährt worden.
1142.Die nachzuzahlende Differenz beläuft sich auf 1,35 € brutto.
115Nach § 11 Abs.1 S. 2 BUrlG ist bei der Berechnung des Urlaubsentgelts der mit Wirkung zum 01.01.2013 dauerhaft erhöhte Stundenlohn von 9,00 € zugrunde zu legen. Die Beklagte rechnete den Urlaub mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 8,85 € ab. Demnach sind für insgesamt 9 Stunden (3 Tage à 3 Stunden) jeweils 0,15 € brutto nachzuzahlen.
116V.Der Anspruch ist nicht nach § 23 RTV untergegangen, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die nicht binnen zwei Monaten ab Fälligkeit schriftlich und binnen weiterer zwei Monate nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, verfallen.
117Die Klägerin machte ihren Anspruch auf ein höheres Urlaubsentgelt für März, das nach § 9 Ziffer 2 RTV zum 15. des Folgemonats fällig geworden ist, bereits mit Schreiben ihrer Gewerkschaft vom 25.04.2013 geltend und reichte unter dem 19.06.2013 Klage ein.
118VI. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 288 Abs. 1 Satz 1, § 291, 187 Abs. 1 BGB. Die ab Rechtshängigkeit geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin ab dem auf die Zustellung der Klage am 26.06.2013 folgenden Tag zu.
119C.Die weitergehende Berufung ist hingegen unbegründet.
120I.Es besteht kein Anspruch auf weiteres Urlaubsentgelt für Tarifurlaub, soweit er über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgeht. Insoweit richtet sich der Anspruch allein nach § 15 RTV, der von der Beklagten vollständig erfüllt worden ist. Höherrangiges Recht steht der Anwendung des § 15 RTV insoweit nicht entgegen.
1211.§ 15 Ziffer 2.1 RTV sieht die Vergütung von Urlaub lediglich in Höhe des innerhalb der letzten 12 Monate durchschnittlich erzielten Verdienstes vor. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm, wie unter B I) der Entscheidungsgründe ausgeführt. Diesen Anspruch hat die Beklagte unstreitig erfüllt.
1222.Weder die §§ 1, 13 BUrlG noch Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie sind unmittelbar auf den tariflichen Mehrurlaub anwendbar.
123a)Für den Urlaub, der den gesetzlichen Mindestanspruch übersteigt, ist die in § 11 Abs. 1 BUrlG für das Urlaubsentgelt bestimmte Berechnung nicht einschlägig. Das BUrlG regelt nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Daraus folgt, dass es sowohl den Arbeits- als auch den Tarifvertragsparteien freisteht, für weitergehende Urlaubsansprüche eigenständige Regelungen zu treffen (BAG v. 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG; 5. November 2002 - 9 AZR 658/00, BAGE 103, 206).
124b)Entsprechendes gilt für die Arbeitszeitrichtlinie. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt (BAG v. 12. April 2011 - 9 AZR 80/10, BAGE 137, 328-338; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).
1253.Gegen die Anwendbarkeit des § 15 Ziffer 2.1 RTV spricht auch nicht, dass die Norm für den unionsrechtlich und nationalrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie iVm. § 134 BGB unwirksam ist. Eine in Bezug auf Mindesturlaubsansprüche unwirksame Regelung bleibt für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, gemäß § 139 BGB wirksam (BAG v. 12. April 2011 - 9 AZR 80/10, BAGE 137, 328-338).
1264.Ein Rückgriff auf die gesetzliche Regelung des § 11 BUrlG zur Berechnung des Urlaubsentgelts ist ausgeschlossen, da §15 Ziffer 2.1 RTV eine eigenständige Regelung zur Berechnung des Urlaubsentgelts enthält.
127a)Vorschriften des BUrlG sind nicht auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden, wenn ein Tarifvertrag eigenständige Regelungen trifft. Dazu muss die Auslegung ergeben, dass der Tarifvertrag vom grundsätzlichen Gleichlauf zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub abweicht. Das ist der Fall, wenn er entweder zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub unterscheidet oder sowohl für Mindest- als auch Mehrurlaub wesentlich vom Gesetz abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln bestimmt (BAG v. 12. April 2011 - 9 AZR 80/10, BAGE 137, 328-338).
128b) Die Tarifvertragsparteien haben im § 15 Ziffer 2.1 RTV zwar nicht zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub unterschieden. Eine ausdrückliche Unterscheidung ist lediglich für die Regeln zum Verfall des Urlaubs in § 15 Ziffer 3.4 RTV getroffen worden.
129Sie sind jedoch bewusst vom Gesetz abgewichen, indem sie keine dem § 11 Abs. 1 S.2 BUrlG entsprechende Regelung getroffen haben. Der Wille der Tarifvertragsparteien ist für den Mehrurlaub von den durch den Tarifvertrag gebundenen Tarifparteien hinzunehmen. Das heißt, es ist nicht zu beanstanden, dass der Arbeitnehmer für den tariflichen Mehrurlaub ggf. einen geringeren Verdienst erzielt, als wenn er gearbeitet hätte. Will er eine Verdienstminderung für Urlaubszeiten nicht hinnehmen, muss er auf die Gewährung dieses Mehrurlaubs verzichten.
130II.Es besteht auch kein Anspruch auf höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 EFZG. Der Anspruch richtet sich der Höhe nach allein nach § 6 RTV und ist insoweit unstreitig erfüllt worden. Die Tarifnorm steht in Einklang mit höherrangigem Recht und ist demnach anwendbar.
1311.§ 6 RTV führt lediglich zu einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten 12 Monate, der erfüllt worden ist. Anhaltspunkte, wonach die Regelung abweichend vom wortgleichen § 15 RTV auszulegen wäre, bestehen nicht.
1322.Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich.
133a)Die Tarifnorm, die das Referenzprinzip heranzieht, weicht von § 4 Abs. 1 EFZG, der sich am Lohnausfallprinzip orientiert, ab. Diese Möglichkeit ist den Tarifvertragsparteien jedoch mit der Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG ausdrücklich eingeräumt worden. Im Gegensatz zu den Regelungen im BUrlG, namentlich den §§ 13, 1 BUrlG, enthält das EFZG keinerlei Einschränkung der Gestaltungsspielräume der Tarifvertragsparteien. Folglich steht es ihnen frei, in Abweichung von § 4 Abs.1 EFZG die Berechnung nach dem Referenzprinzip statt des gesetzlich vorgesehenen Lohnausfallprinzips vorzunehmen.
134b)Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben existieren auch nicht, sind insbesondere in der Arbeitszeitrichtlinie nicht enthalten.
1353.Dies zweifelt auch die klagende Partei nicht an, die einen Anspruch auf höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit einer unionskonformen Auslegung des § 15 RTV begründet hatte, die für den wortgleichen § 6 RTV auch gelten müsse. Da die Kammer jedoch zu einer abweichenden Auslegung des § 15 RTV und damit auch des § 6 RTV kommt, scheitert der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bereits an der Prämisse, dass § 6 RTV dahingehend zu verstehen sei, dass die Tarifvertragsparteien Verdiensterhöhungen nach dem Lohnausfallprinzip berücksichtigen wollten.
136D. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz waren diese der Klägerin insgesamt aufzuerlegen. Die Kostentragungspflicht resultiert zum einen aus § 269 ZPO, da die ursprüngliche Klageforderung von 56,69 € in Höhe eines Teilbetrages von 46,88 € zurückgenommen worden ist. Hinsichtlich des zuletzt noch rechtshängigen Betrages von 9,81 €, der auch Gegenstand des Berufungsverfahrens war, hat sie lediglich mit einem Teilbetrag von 1,35 € obsiegt, so dass ihr nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten insgesamt aufzuerlegen waren.
137Die Kosten des Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 i.V.m. §§ 91, 97 ZPO der Klägerin mit 86 %, der Beklagten mit 14 % aufzuerlegen, da die Berufung nur teilweise erfolgreich war.
138E. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Entscheidungserheblich ist die Auslegung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, der im gesamten Bundesgebiet Anwendung findet.
139R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
140Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
141R E V I S I O N
142eingelegt werden.
143Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
144Bundesarbeitsgericht
145Hugo-Preuß-Platz 1
14699084 Erfurt
147Fax: 0361-2636 2000
148eingelegt werden.
149Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
150Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1511.Rechtsanwälte,
1522.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1533.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
154In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
155Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
156Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
157* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
158Schönbohm Weihs Dietz
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Dezember 2012 - 10 Sa 230/12 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers für Zeiten seiner Arbeitsunfähigkeit.
- 2
-
Der Kläger ist als Mechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (BMTV) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dieser bestimmt ua.:
-
„§ 3
Arbeitszeit
1.
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38 Stunden an in der Regel 5 Werktagen in der Woche.
2.
Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden in Betriebsvereinbarungen die regelmäßigen wöchentlichen betrieblichen Arbeitszeiten festgelegt. Dabei kann eine betriebliche Arbeitszeit von bis zu 48 Stunden in der Woche ohne Mehrarbeitszuschläge vereinbart werden. Näheres dazu regeln die Ziff. 3 bis 11.
3.
a)
Wird von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden abgewichen, so ist die sich daraus ergebende Zeitdifferenz einem für jeden Arbeitnehmer zu führenden Arbeitszeitkonto zu belasten bzw. mehrarbeitszuschlagsfrei, aber zuzüglich des Belastungsausgleiches gemäß § 3 Ziff. 4 gutzuschreiben.
b)
Minusstunden/Arbeitszeitdefizite sind auf 114 Stunden begrenzt.
c)
Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb verfallen Arbeitszeitdefizite zu Lasten des Arbeitgebers, soweit die Entstehung dieser Zeitdefizite nicht durch den Arbeitnehmer verursacht wurde und ein nicht erfolgter Zeitausgleich nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist.
4.
…
[Belastungsausgleich]
5.
Arbeitszeitguthaben, die sich aus der Differenz zwischen der tariflichen und der betrieblich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, entstehen an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung, d. h. nicht bei Urlaub, Krankheit und sonstigen arbeitsfreien Tagen mit oder ohne Entgeltfortzahlung.
…
10.
Unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Wochenarbeitszeit wird in jedem Monat das tarifliche bzw. einzelvertraglich vereinbarte Monatsentgelt gleichbleibend gezahlt.“
- 3
-
§ 10 Ziff. 1 BMTV regelt darüber hinaus, dass bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten.
- 4
-
Im Betrieb findet eine Betriebsvereinbarung über die Variable Arbeitszeit Anwendung. Auf dieser Grundlage war der Kläger in der Zeit vom 23. Mai bis zum 28. Mai 2011 dienstplanmäßig für 45,6 Stunden zur Arbeit eingeteilt. Vom 26. Mai bis zum 29. Mai 2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Für den 28. Mai 2011, einem Samstag, an dem der Kläger 7,6 Stunden hätte arbeiten sollen, schrieb die Beklagte seinem Arbeitszeitkonto keine Arbeitszeit gut.
- 5
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Gutschrift auch derjenigen geplanten Arbeitszeit, die die tarifliche Arbeitszeit übersteigt. Nach dem Entgeltausfallprinzip seien die Arbeitnehmer im Krankheitsfall so zu stellen, als hätten sie gearbeitet. § 3 Ziff. 5 BMTV überschreite den Regelungsrahmen des § 4 Abs. 4 EFZG, da ganze Zeiträume und nicht nur die Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung abweichend vom Gesetz geregelt würden. Die Norm verstoße auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die zu einer von der tariflichen Regelarbeitszeit abweichenden Arbeitszeit eingeteilt wurden, würden gegenüber solchen, die diese Arbeitszeit tatsächlich erbrachten, ohne sachlichen Grund ungleichbehandelt.
- 6
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, ihm für den 28. Mai 2011 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifnorm sei wirksam.
- 8
-
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
- 10
-
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwischen den Parteien besteht keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll (vgl. zu dieser Anforderung: BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 141, 88).
- 11
-
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 7,6 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto für den 28. Mai 2011.
- 12
-
1. Aus § 3 Ziff. 3 Buchst. a BMTV ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.
- 13
-
a) Zwar galt im streitgegenständlichen Zeitraum betrieblich eine längere als die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Einer Gutschrift der begehrten 7,6 Stunden steht jedoch § 3 Ziff. 5 BMTV entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und der Systematik der tariflichen Regelung kann ein Zeitguthaben aus der Differenz zwischen der tariflichen und einer höheren betrieblichen Arbeitszeit nur an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung entstehen, nicht hingegen bei Krankheit oder anderen arbeitsfreien Tagen. An dem Tag, für den der Kläger die Zeitgutschrift begehrt, war er arbeitsunfähig erkrankt.
- 14
-
b) Für die vom Kläger in den Vorinstanzen vertretene Auffassung, § 3 Ziff. 5 BMTV erfasse nur Fälle, in denen eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit vorliege, gibt es im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch aus § 10 BMTV, nach dessen Ziff. 1 bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten, kein anderes Ergebnis, da nach § 4 Abs. 4 EFZG durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage festgelegt werden kann. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Ziff. 5 BMTV Gebrauch gemacht.
- 15
-
2. § 3 Ziff. 5 BMTV hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG.
- 16
-
a) Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Entgeltfortzahlung liegt damit ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Für die Entgeltfortzahlung ist maßgeblich, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 110, 90). Da Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nur eine andere Form von Entgelt sind, das lediglich nicht (sofort) ausgezahlt, sondern verrechnet wird, sind im Krankheitsfall grundsätzlich auch Zeitgutschriften zu gewähren, unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt verstetigt ausgezahlt wird (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 58/03 - zu II 3 der Gründe; 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256).
- 17
-
b) Durch Tarifvertrag kann allerdings nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage“ im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 der Gründe mwN, BAGE 110, 90; vgl. auch BT-Drs. 12/5798 S. 26). Arbeitszeit iSd. § 4 Abs. 4 EFZG meint dabei diejenige Arbeitszeit, für die der Arbeitnehmer in dem Zeitraum nach § 3 Abs. 1 EFZG Arbeitsentgelt bekommen hätte, wenn er nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte(BAG 26. September 2001 - 5 AZR 539/00 - zu I 3 a bb der Gründe, BAGE 99, 112).
- 18
-
c) In diesem Rahmen sind Abweichungen auch zulasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 EFZG zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des EFZG verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 110, 90). Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - aaO).
- 19
-
d) Hinsichtlich des Zeitfaktors erlaubt es § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG danach zwar nicht, die zu berücksichtigende Arbeitszeit lediglich anteilig in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen zu lassen. Für die Ermittlung der ausgefallenen Arbeitszeit muss aber nicht die individuelle Arbeitszeit maßgeblich sein, es kann vielmehr auch auf die betriebsübliche oder die regelmäßig tarifliche Arbeitszeit abgestellt werden (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 57; 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 110, 90).
- 20
-
e) Dies ist durch § 3 Ziff. 5 BMTV erfolgt. Diese Bestimmung bewirkt im konkreten Fall - verglichen mit der Lage nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz selbst - eine Reduzierung des Entgeltfortzahlungsanspruchs um 7,6 Stunden, da sich der tarifliche Zeitfaktor für die Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts nach der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bemisst und nicht nach der individuellen Arbeitszeit des Klägers oder der in diesem Zeitraum vereinbarten betrieblichen Arbeitszeit. Diese Orientierung des Zeitfaktors an der tariflichen Arbeitszeit ist jedoch nach den obigen Grundsätzen zulässig; ein Eingriff in die Substanz des Entgeltfortzahlungsanspruchs liegt nicht vor.
- 21
-
3. § 3 Nr. 5 BMTV verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Bezugnahme auf die tarifliche Arbeitszeit ist sachlich begründet (BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 18; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 4 der Gründe, BAGE 110, 90).
- 22
-
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Linck
Brune
W. Reinfelder
Thiel
R. Bicknase
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Januar 2009 - 10 Sa 446/08 - wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, wie die tariflichen Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu berechnen sind.
- 2
-
Der 1974 geborene Kläger war für die Beklagte seit November 1999 als gewerbliche Sicherheitsfachkraft in der Münchner U-Bahn-Bewachung gegen einen Stundenlohn von zuletzt 14,06 Euro tätig. Seine Arbeitszeit betrug idR 176 Stunden im Monat. Er arbeitete im Dreischichtbetrieb bei einem regelmäßigen Schichtrhythmus von vier Arbeitstagen und zwei anschließenden freien Tagen. In einigen Monaten war der Kläger auch fünf Tage mit zwei anschließenden Freischichttagen tätig.
-
Auf das Arbeitsverhältnis war kraft Allgemeinverbindlichkeit und vertraglicher Verweisung der am 1. August 2006 in Kraft getretene Manteltarifvertrag Nr. 10 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 1. August 2006 anzuwenden (MTV Nr. 10). Er lautet auszugsweise:
-
„§ 7
URLAUB
I.
Allgemeine Urlaubsbestimmungen
1.
Jeder Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr Anspruch auf Urlaub unter Fortzahlung seiner Bezüge. Der Urlaub wird auf der Basis von vollen Kalendertagen (00:00 Uhr - 24:00 Uhr) gewährt. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
2.
Der Anspruch auf Jahresurlaub entsteht erstmalig nach sechsmonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. …
Ist die Wartezeit von sechs Monaten im Urlaubsjahr noch nicht erfüllt, so wird der Urlaub für das laufende Urlaubsjahr anteilmäßig gewährt. Als voller Kalendermonat gilt auch der Kalendermonat, in dem das Beschäftigungsverhältnis vor dem 16. beginnt oder nach dem 15. endet. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
…
4.
Ein Urlaubsteil muss mindestens 14 aufeinander folgende Kalendertage umfassen.
…
II.
Höhe des Urlaubs
1.
Der Erholungsurlaub für Arbeitnehmer ab vollendetem 18. Lebensjahr beträgt 32 Kalendertage.
2.
Darüber hinaus erhalten die Arbeitnehmer folgenden Zusatzurlaub:
Nach
3-jähriger Betriebszugehörigkeit
4 Kalendertage
Nach
5-jähriger Betriebszugehörigkeit
6 Kalendertage
Nach
7-jähriger Betriebszugehörigkeit
8 Kalendertage
Nach
9-jähriger Betriebszugehörigkeit
10 Kalendertage
bis zu einer Höchstdauer von 42 Kalendertagen.
3.
Bei der Berechnung des Anspruches auf Urlaub werden die in die Urlaubszeit fallenden Sonn- und Feiertage mitgerechnet.
4.
Maßgebend bei der Urlaubsgewährung nach Betriebszugehörigkeit ist die Vollendung des betreffenden Beschäftigungsjahres während des Urlaubsjahres.
…
IV.
Urlaubsentgelt
1.
Das Urlaubsentgelt errechnet sich nach dem Bruttoverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 12 Abrechnungsmonaten vor Beginn des Urlaubs erhalten hat. Einmalzahlungen, wie z. B. Jahressonderzahlung, Fahrtkostenzuschüsse, Spesen und Jubiläumszahlungen werden dem Bruttoarbeitsverdienst nicht zugerechnet. Das kalendertägliche Urlaubsentgelt errechnet sich aus 1/364, bei Arbeitnehmern in der Lohngruppe 7 c) und Lohngruppe 9 aus 1/338.
…
War der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum vom Betrieb abwesend, ohne dass dafür ein Lohnanspruch bestand, z. B. unbezahlter Urlaub, Teilnahme an Lehrgängen usw., verkürzt sich der Divisor um die Zahl der Tage, an denen kein Lohnanspruch bestand.
…
§ 8
ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL
…
2.
Bis zur Dauer von sechs Wochen wird das Arbeitsentgelt bezahlt. Das Arbeitsentgelt errechnet sich nach dem Bruttoverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 12 Abrechnungsmonaten vor Beginn der Krankheit erhalten hat. Einmalzahlungen, wie z. B. Jahressonderzahlung, Fahrtkostenzuschüsse, Spesen und Jubiläumszuwendungen werden dem Bruttoarbeitsverdienst nicht hinzugerechnet. Das kalendertägliche Krankengeld errechnet sich aus 1/364, bei Arbeitnehmern in der Lohngruppe 7 c) und Lohngruppe 9 aus 1/338.
…
War der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum vom Betrieb abwesend, ohne dass dafür ein Lohnanspruch bestand, z. B. unbezahlter Urlaub, Teilnahme an Lehrgängen usw., verkürzt sich der Divisor um die Zahl der Tage, an denen kein Lohnanspruch bestand.
…
6.
Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“
- 4
-
Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2007 15 Tage Urlaub. Für zwei Tage Urlaub im Mai 2007 leistete sie ein Urlaubsentgelt von je 87,93 Euro brutto, für einen Urlaubstag im August 2007 89,54 Euro brutto, für sieben Urlaubstage im September 2007 je 90,75 Euro brutto und für fünf Urlaubstage im Oktober 2007 je 91,10 Euro brutto. Sie ermittelte das Urlaubsentgelt, indem sie den Bruttoverdienst der dem Urlaubsteil vorangehenden zwölf Abrechnungsmonate durch 364 teilte.
- 5
-
Der Kläger war 2007 an neun Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Für die drei Tage vom 13. bis 15. Februar 2007 leistete die Beklagte je 85,36 Euro brutto Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, für drei Tage im Juni 2007 je 88,54 Euro brutto und für drei Tage im August 2007 je 89,54 Euro brutto.
- 6
-
Der Kläger hat behauptet, er habe in den zwölf Abrechnungsmonaten vor Beginn der jeweiligen Urlaubs- und Krankheitszeiten im Jahr 2007 100 Freischichttage gehabt. Sein Jahresbruttoverdienst habe in den Abrechnungsmonaten vor Beginn der Urlaubs- und Krankheitsperioden stets 29.694,72 Euro betragen. Der Kläger meint, die Beklagte habe seine Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall falsch berechnet. Sie habe seinen Bruttoverdienst vor Beginn der Urlaubs- und Krankheitszeiten zwar richtig ermittelt. Die jährlichen 100 Freischichttage seien jedoch von dem tariflichen Divisor abzuziehen. Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall errechneten sich deshalb nicht mit einem Teiler von 364, sondern mit einem Divisor von 264.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 818,46 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
-
aus 96,99 Euro brutto seit 1. Juni 2007,
-
aus 167,21 Euro brutto seit Klageerhebung,
-
aus 135,64 Euro brutto seit 1. September 2007,
-
aus 240,52 Euro brutto seit 1. Oktober 2007 und
-
aus 178,10 Euro brutto seit 1. November 2007
zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger in den jeweiligen zwölf Abrechnungsmonaten vor Beginn der Urlaubs- und Krankheitszeiten 100 Freischichten gehabt habe. Die Freischichten variierten im Schichtbetrieb. Sie wirkten sich jedenfalls nicht auf den Divisor aus. Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des Tarifvertrags mit 1/364 pro Tag zu berechnen. Der vom Kläger behauptete Bruttojahresverdienst vor Beginn der Urlaubs- und Krankheitsperioden treffe nicht zu.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist erfolglos. Die Klage ist unbegründet.
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A. Die erhobenen Ansprüche auf Urlaubsentgelt haben keine tarifliche Grundlage. Der Senat kann offenlassen, ob die Tarifvertragsparteien eine Umrechnung in Arbeitstage ausgeschlossen haben, indem sie in § 7 MTV Nr. 10 auf Kalendertage abgestellt haben. Die auf Urlaubsentgelt gerichtete Klage ist auch in diesem Fall erfolglos. Das trifft in gleicher Weise bei einer Umrechnung der Kalendertage in Arbeitstage zu.
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I. Der normative Teil eines Tarifvertrags ist grundsätzlich nach den für Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschluss über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die der tariflichen Regelung Geltung verschafft (für die st. Rspr. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 34).
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II. Die Tarifvertragsparteien haben einen weiten Spielraum bei der Gestaltung von Urlaubsfragen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Sofern der Mindesturlaub der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG unberührt bleibt, können sie für Arbeitnehmer in einer Schichtplanung, die alle Wochentage umfasst, ein „gemischtes“ System von Urlaubs- und Freischichttagen schaffen. Dabei kann als Zeiteinheit der Kalendertag herangezogen werden, um die Berechnung zu vereinfachen.
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1. Knüpft ein Tarifvertrag - wie hier - nach gebotener Auslegung an Kalendertage an, verbindet er inzident Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitausgleich (vgl. zB Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 47). Diese Ansprüche unterscheiden sich inhaltlich in mehrerer Hinsicht.
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a) Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (vgl. nur Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Legt der Arbeitgeber „Freischichttage“ fest, erfüllt er - hier durch Tarifvertrag begründete - Ansprüche auf Zeitausgleich. Der Arbeitgeber ist aufgrund der Ausgleichsansprüche unabhängig vom Erholungszweck verpflichtet, den Arbeitnehmer zu bestimmten Zeiten von seiner Arbeitspflicht freizustellen (vgl. BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 341/08 - Rn. 13, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 44 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 17).
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b) Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer gewährten Erholungsurlaub abbricht oder unterbricht (vgl. für den gesetzlichen Mindesturlaub Senat 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 95, 104). Er kann Ansprüche auf Freizeitausgleich demgegenüber auch durch eine Freistellung erfüllen, die regelmäßig widerruflich ist. Gewährt der Arbeitgeber Zeitausgleich, um ein Arbeitszeitguthaben des Arbeitnehmers abzubauen, handelt es sich idR nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit iSv. § 106 Satz 1 GewO. Eine widerrufliche Freistellung von der Arbeitspflicht zum Abbau eines Zeitguthabens ist deshalb geeignet zu bewirken, dass der Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt(vgl. Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 27, AP BUrlG § 7 Nr. 41 = EzA BUrlG § 7 Nr. 121; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 b bb (3) der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer widerruflich von der Arbeitspflicht frei, um einen Anspruch auf Zeitausgleich zu erfüllen, behält er sich vor, den Arbeitnehmer jederzeit wieder zur Arbeit heranzuziehen. Dieses Widerrufsrecht kann auf kollektiv- oder einzelvertraglicher Grundlage ausgeschlossen werden.
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c) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann der Arbeitgeber die zeitliche Festlegung eines Urlaubswunschs lediglich aus den im Gesetz genannten Gründen ablehnen. Bei der Festlegung eines Ausgleichszeitraums hat er dagegen nur billiges Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zu üben, soweit sein Ermessen nicht durch Gesetz, Kollektivrecht oder Vertrag beschränkt ist.
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d) Der gesetzliche Mindestanspruch auf Erholungsurlaub kann nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur unter der Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden. Die Abgeltung von Ansprüchen auf Zeitausgleich unterliegt keiner derartigen Beschränkung.
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2. Verbindet ein Tarifvertrag Ansprüche auf Erholungsurlaub und Zeitausgleich, indem er auf Kalendertage abstellt, ist keine Umrechnung in Werk- oder Arbeitstage erforderlich, wenn die Arbeit - wie im Streitfall - nicht in der Sechs- oder in der Fünftagewoche geleistet wird.
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a) Eine solche Verbindung von Urlaub und Freizeitausgleich enthält zB § 11 des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 3. Februar 2003 (WachSichHEMantelTV). § 11 Abschn. I Nr. 4 Abs. 1 WachSichHEMantelTV sieht vor, dass der Urlaubsanspruch mindestens 28 Kalendertage beträgt, wenn Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. § 11 Abschn. II Nr. 1 und 2 WachSichHEMantelTV erhöht den Grundurlaubsanspruch ab 2005 auf 35 Kalendertage und weist nach Betriebszugehörigkeit gestaffelten Zusatzurlaub in Kalendertagen aus. § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. a WachSichHEMantelTV bestimmt, dass die innerhalb des Urlaubszeitraums liegenden Samstage, Sonntage, Feiertage und Freischichttage bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mitgerechnet werden. Liegen vor und nach einem zusammenhängenden Urlaubszeitraum von mehr als fünf Tagen Freischichttage, wird nach § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. b WachSichHEMantelTV nur ein Freischichtzeitraum auf den Urlaubsanspruch angerechnet. Bei einzelnen Kurzurlauben von einem Tag bis zu fünf Tagen sieht § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. c WachSichHEMantelTV vor, dass bei Erreichen von jeweils fünf Urlaubstagen zusätzlich zwei Urlaubstage auf den bestehenden Urlaubsanspruch angerechnet und vergütet werden, bis der Gesamturlaubsanspruch des laufenden Kalenderjahres verbraucht ist.
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b) Der hier anzuwendende § 7 Abschn. II Nr. 3 MTV Nr. 10 enthält keine so eindeutige Regelung. Nach dieser Tarifnorm werden bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs ausdrücklich nur die in die Urlaubszeit fallenden Sonn- und Feiertage mitgerechnet. Freischichttage sind nicht erwähnt. Wird unterstellt, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Bezug auf Kalendertage nicht verdeckt eine nötige Umrechnung in Werk- oder Arbeitstage ausdrücken wollten, kommt nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 7 MTV Nr. 10 jedoch nur ein gemischtes System von Urlaubs- und Zeitausgleichstagen in Betracht. Die Zusammenfassung von Urlaub und Zeitausgleich kommt vor allem in den langen sog. Urlaubszeiten von mindestens 32 und höchstens 42 Kalendertagen zum Ausdruck (vgl. § 7 Abschn. II Nr. 1 und 2 MTV Nr. 10). Auf eine von den Tarifvertragsparteien gewollte Anrechnung von Freischichttagen deutet ferner die Berechnung des Urlaubsentgelts mithilfe eines kalendertäglichen Divisors von 364 hin (vgl. § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. MTV Nr. 10). Der Kläger muss sich deswegen auch dann die gewährten Freischichttage auf seine sog. Urlaubszeiten anrechnen lassen, wenn auf Kalendertage abgestellt wird. Die Klage ist auf dieser Berechnungsgrundlage unbegründet.
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III. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien in § 7 MTV Nr. 10 eine feste Zahl von Urlaubstagen - bemessen nach Kalendertagen - festlegen wollten oder ob die Kalendertage für die Arbeitnehmer, die nicht an allen Wochentagen arbeiten, in die entsprechende Zahl von Arbeitstagen umgerechnet werden müssen. Die Klage bleibt auch dann in der Sache erfolglos, wenn die in § 7 MTV Nr. 10 genannte Zahl der Kalendertage in Arbeitstage umgerechnet wird. Die Ansprüche des Klägers auf Urlaub und Urlaubsentgelt errechnen sich in diesem Fall nach der Formel
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tarifvertraglicher Gesamturlaubsanspruch in Kalendertagen/Jahr x reale Arbeitstage
= Urlaubstage
364 Kalendertage
x
Bruttoverdienst der zwölf Abrechnungsmonate vor Beginn des Urlaubs(-teils) x tariflicher Gesamturlaubsanspruch
= Urlaubsentgelt.
: 364 Kalendertage
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Die Freischichten des Klägers sind unter dieser Prämisse bei der Berechnung seines Urlaubsanspruchs zu berücksichtigen. Sie gehen über die Umrechnungsformel für die Urlaubsansprüche in die Berechnung des Urlaubsentgelts ein.
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Der Senat kann den Urlaubsanspruch des Klägers, an den sein Anspruch auf Urlaubsentgelt anknüpft, im Fall der nötigen Umrechnung nicht berechnen. Der Kläger hat seine realen Arbeitstage in den Tatsacheninstanzen nicht vorgebracht. Dem Kläger standen für das Jahr 2007 jedenfalls nicht die von § 7 Abschn. II Nr. 1 und Nr. 2 3. Var. MTV Nr. 10 vorgesehenen 40 Kalendertage als Urlaubstage iSd. Urlaubsrechts zu. Das ergibt die Auslegung von § 7 MTV Nr. 10.
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1. Der Kläger hatte für das Jahr 2007 nach § 7 Abschn. I Nr. 1 und 2, Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 3. Var. MTV Nr. 10 keinen Jahresurlaubsanspruch von 40 Tagen, wenn unterstellt wird, dass die Tarifvertragsparteien mit in Kalendertagen bemessenem „Urlaub“ allein die Freistellung von der Arbeitspflicht für Erholungsurlaub und nicht auch Zeitausgleich meinten. Der Anspruch des Klägers, der sich auf 40 Kalendertage beläuft, ist in Urlaubstage umzurechnen.
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2. Im Unterschied zu anderen Fällen im Bereich des Urlaubs bei vollkontinuierlicher Wechselschicht ohne regelmäßigen Wochenbezug, über die der Senat bereits entschieden hat, knüpft § 7 MTV Nr. 10 an Kalendertage, nicht an Arbeits- oder Werktage an. Die hier anzuwendende Tarifvorschrift trifft auch keine ausdrückliche Umrechnungsbestimmung für Arbeit in Wechselschicht (vgl. dagegen die tariflichen Umrechnungsregelungen, die zB den Entscheidungen des Senats vom 9. September 2003 [- 9 AZR 468/02 - zu II 2 und 3 der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6] und 5. November 2002 [- 9 AZR 470/01 - zu B I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4] zugrunde lagen).
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3. Die von § 7 Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 3. Var. MTV Nr. 10 vorgesehenen 40 Kalendertage sind schon deshalb umzurechnen, weil der Kläger in Wechselschicht tätig war.
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a) Der Kläger arbeitete regelmäßig an vier Tagen, an die sich zwei Freischichttage anschlossen. Er war damit in manchen Wochen an vier Tagen tätig (zB mittwochs bis samstags), in anderen Wochen an fünf Tagen (bspw. montags bis donnerstags und sonntags). Hinzu kommt, dass der Kläger in einigen Monaten auch fünf Tage mit zwei anschließenden Freischichttagen arbeitete. Die Freischichten variierten demnach.
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b) Aus dieser Wechselschichttätigkeit ergibt sich ein Umrechnungserfordernis, wenn angenommen wird, die Tarifvertragsparteien hätten kein gemischtes System aus Urlaub und Zeitausgleich gewählt. Urlaub kann nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit eigentlich hätte arbeiten müssen (für die st. Rspr. Senat 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 1 der Gründe). Urlaubsgewährung ist die Befreiung von der Arbeitspflicht für einen bestimmten künftigen Zeitraum (Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 33, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).
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aa) Freischichttage sind keine Arbeitstage, sondern Wochentage, an denen der Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Sie verringern rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht (Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6).
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bb) Ist die Arbeitszeit innerhalb der Woche nicht gleichmäßig auf Arbeitstage verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage durch Umrechnung ermittelt werden (Senat 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 251). Die Umrechnungsnotwendigkeit ergibt sich aus dem in § 125 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB IX ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedanken und § 3 Abs. 1 BUrlG. Ist die Arbeitszeit eines schwerbehinderten Menschen auf weniger oder mehr als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, vermindert oder erhöht sich der Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB IX entsprechend. Dieser Grundsatz beruht auf einem allgemeinen Rechtsgedanken, der auf das gesamte Urlaubsrecht anwendbar ist (Senat 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a aa der Gründe, aaO; 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 2 der Gründe).
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4. § 7 MTV Nr. 10 steht einer Umrechnung nicht entgegen. Die Tarifnorm knüpft einheitlich an Kalendertage an (vgl. § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 2, Nr. 4 Abs. 1, Abschn. II Nr. 1 und 2, Abschn. III, Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 und 2 MTV Nr. 10). Der in Wortlaut und Zusammenhang zum Ausdruck gebrachte Wille der Tarifvertragsparteien verlangt eine Umrechnung, wenn angenommen wird, die Tarifvertragsparteien seien von keinem gemischten System aus Urlaub und Zeitausgleich ausgegangen.
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a) Schon der vorrangig zu berücksichtigende Wortlaut von § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 2, Abschn. II Nr. 1 und Nr. 2 3. Var. MTV Nr. 10 macht den Zweck deutlich, für alle unterschiedlichen Arbeitszeitverteilungsmodelle eine gleichwertige, durch Urlaub ausfallende Arbeitszeit sicherzustellen (vgl. zu der Frage der Gleichwertigkeit zB Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a aa der Gründe, BAGE 102, 251). Dafür spricht die ungewöhnliche Anknüpfung an Kalendertage anstelle von Arbeits- oder Werktagen. Dieser Bezug auf Kalendertage ist bei einem reinen Urlaubssystem nur sinnvoll, wenn unterschiedliche Arbeitszeitverteilungsmodelle einheitlich im Sinne einer Rechengröße geregelt werden sollen. Die Tarifvertragsparteien können aus arbeitszeitrechtlichen Gründen nicht angenommen haben, dass an allen Kalendertagen Arbeit geleistet werden darf (vgl. § 3 Satz 1, § 6 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2, § 12 Satz 1 ArbZG). Im Zweifel ist eine Auslegung vorzunehmen, die der tariflichen Regelung gesetzeskonforme Geltung verschafft. Die vereinheitlichende Anknüpfung an Kalendertage erklärt zudem, weshalb die Tarifvertragsparteien in einem Gewerbe, das von Wechselschicht geprägt ist, dem Wach- und Sicherheitsgewerbe, keine ausdrückliche Umrechnungsregelung getroffen haben (vgl. im Unterschied dazu bspw. die tarifliche Umrechnungsregelung, die der Entscheidung des Senats vom 5. November 2002 [- 9 AZR 470/01 - zu B I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4] zugrunde lag).
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b) Der Zusammenhang der den Urlaubsanspruch begründenden Tarifvorschriften mit § 7 Abschn. I Nr. 4 Abs. 1 MTV Nr. 10 stützt dieses Auslegungsergebnis. Danach muss ein Urlaubsteil mindestens 14 aufeinanderfolgende Kalendertage umfassen. Die Bestimmung zeigt das Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine Umrechnung in Wochen zu ermöglichen (vgl. zum Wochenbezug etwa Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 e der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 3 c aa der Gründe). Die 14 Kalendertage entsprechen den von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG in der Sechstagewoche vorgesehenen zwölf Werktagen. Der Arbeitnehmer soll Anspruch auf einen zusammenhängenden Urlaubsteil von zwei Wochen haben.
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5. Die Zahl der 40 Kalendertage, die sich für das Jahr 2007 aus § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 2, Abschn. II Nr. 1 und Nr. 2 3. Var. MTV Nr. 10 ergibt, ist nicht „fix“, sondern im Verhältnis zu den Tagen mit Arbeitspflicht in Urlaubstage umzurechnen.
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a) Für die nötige Umrechnung ist grundsätzlich auf Arbeitstage abzustellen. Die Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht ist mit der Anzahl der Urlaubstage ins Verhältnis zu setzen.
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b) Für diese Berechnung ist der Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird (vgl. Senat 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4). Das ist hier nach § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 3 MTV Nr. 10 ein Kalenderjahr. Das Kalenderjahr ist abweichend von § 191 2. Alt. BGB nicht mit 365 Tagen zu berechnen, sondern mit 364 Tagen (vgl. zu § 191 BGB Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, aaO). Darauf deutet die Regelung in § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. MTV Nr. 10 hin. Danach errechnet sich das kalendertägliche Urlaubsentgelt aus 1/364 des Bruttoverdienstes. Das tarifliche Urlaubsentgelt knüpft zwar an den Bruttoverdienst der letzten zwölf Abrechnungsmonate vor Beginn des Urlaubs an (§ 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 10) und nicht an das vorausgehende Kalenderjahr. Die für das Urlaubsentgelt getroffene Regelung macht jedoch die von den Tarifvertragsparteien gewollte Berechnungsmethode für Jahreszeiträume deutlich.
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c) Die anzuwendende Umrechnungsformel für die Urlaubsansprüche des Klägers lautet also:
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tarifliche Urlaubstage in Kalendertagen/Jahr x tatsächliche Arbeitstage/Jahr
= Urlaubstage
364 Kalendertage
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Da die tarifliche Urlaubsregelung bei einem unterstellten reinen Urlaubssystem an Kalendertage und nicht an Arbeits- oder Werktage anknüpft, ist auf einen Divisor von 364 Kalendertagen und nicht auf einen Teiler von möglichen Arbeitstagen im Jahr abzustellen (vgl. zu einer tariflichen Regelung, die sich auf Arbeitstage bezog, dagegen Senat 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4). Die Senatsrechtsprechung, die einen Divisor von 312 Tagen zugrunde legt, bezieht sich auf Tarifbestimmungen, die die Urlaubsdauer anhand von Werktagen und nicht mithilfe von Kalendertagen berechnen (vgl. 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 251).
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d) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2007 errechnet sich aus folgenden Werten:
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40 Urlaubstage in Kalendertagen/Jahr x reale Arbeitstage/Jahr
= Urlaubstage
364 Kalendertage
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Der Senat kann schon die Urlaubsformel nicht ausfüllen und das von ihr abhängige Urlaubsentgelt nicht errechnen, weil der Kläger seine realen Arbeitstage in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen hat. Die Sache ist dennoch entscheidungsreif und nicht nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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6. Die Aufklärungsrüge, mit der die Revision den unterbliebenen Hinweis des Landesarbeitsgerichts (§ 139 ZPO) auf erforderlichen weiteren Sachvortrag beanstandet, ist erfolglos.
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a) Sie ist bereits unzulässig.
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aa) Wird eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Landesarbeitsgericht gerügt, reicht es nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO nicht aus, wenn die Partei, die die Rüge erhebt, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinweist. Sie muss vielmehr im Einzelnen vortragen, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sie auf den vermissten Hinweis hin vorgebracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das angefochtene Urteil möglicherweise kausal war (vgl. Senat 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145; siehe auch BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - Rn. 58, AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98).
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bb) Diesem Erfordernis wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Der Kläger hat zur Begründung der Verfahrensrüge weder die in den Referenzzeiträumen angefallenen Arbeitstage noch die Freischichttage dargelegt.
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b) Die von der Revision erhobene Aufklärungsrüge dringt zudem inhaltlich nicht durch. Der Senat darf das mit der Rüge gehaltene neue Vorbringen deswegen nicht berücksichtigen (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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aa) Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei oder das Gericht erster Instanz darauf hingewiesen hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (vgl. zum Hinweis der anderen Partei zB Senat 14. Oktober 2003 - 9 AZR 636/02 - zu B II 3 c bb (3) (3.2) der Gründe, BAGE 108, 103).
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bb) Das Arbeitsgericht hat die Klage selbst dann für unschlüssig gehalten, wenn der Rechtsansicht des Klägers zu folgen sei, dass die Divisoren des § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 MTV Nr. 10 und des § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 4 MTV Nr. 10 von 364 um die Freischichttage zu verringern seien. Der Kläger habe die Freischichttage nicht vorgetragen, sondern sei pauschal von 100 Freischichttagen im Referenzzeitraum ausgegangen. Der Kläger hätte die Freischichttage, die in den zwölf Monaten vor dem jeweiligen Urlaubs- oder Krankheitszeitraum anfielen, mit Blick auf die Erwägungen des Arbeitsgerichts spätestens in der Berufungsbegründung nennen müssen. Nur auf diese Weise hätten die angefallenen Arbeitstage errechnet werden können.
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7. Die Auffassung des Klägers, die in den Tatsacheninstanzen nicht im Einzelnen vorgetragenen Freischichttage seien für das Urlaubsentgelt divisormindernd zu berücksichtigen, entspricht unter der Voraussetzung eines reinen Urlaubssystems nicht § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 und 3 MTV Nr. 10. Dagegen sprechen Wortlaut, Zusammenhang und Zweck der Tarifbestimmungen. Das haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt. Auf die umstrittene Höhe des Bruttoverdienstes des Klägers im zwölfmonatigen Referenzzeitraum kommt es daher nicht an.
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a) Der Wortlaut des § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. MTV Nr. 10 nennt einen Divisor von 364 Tagen und erwähnt die im Bewachungsgewerbe regelmäßig anfallenden Freischichttage nicht einschränkend. Das ist auch nicht erforderlich. Die Freischichttage gehen über die für die Berechnung des Urlaubsanspruchs nötige Umrechnung der von § 7 Abschn. II Nr. 1 und 2 MTV Nr. 10 vorgesehenen Kalendertage in Urlaubstage ohnehin in die Berechnung des Urlaubsentgelts ein. Das Entgelt für den einzelnen Urlaubstag kann mithilfe des Divisors von 364 gelöst von der Urlaubsformel errechnet werden, nicht aber die Gesamthöhe des Entgelts für den Jahresurlaub.
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b) Freischichttage fallen entgegen der Ansicht der Revision nicht unter die divisormindernde Regelung in § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 3 MTV Nr. 10. Danach verkürzt sich der Divisor um die Zahl der Tage, an denen kein Lohnanspruch bestand, wenn der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum vom Betrieb abwesend war, ohne dass dafür ein Lohnanspruch bestand, zB bei unbezahltem Urlaub, der Teilnahme an Lehrgängen usw. Die Tarifvorschrift nennt mit unbezahltem Urlaub und Lehrgangsteilnahmen beispielhaft verhältnismäßig seltene Fälle der Abwesenheit vom Betrieb ohne Lohnanspruch. Hätten die Tarifvertragsparteien den sehr viel häufiger auftretenden und für das Wach- und Sicherheitsgewerbe typischen Sachverhalt der Freischichttage regeln wollen, hätte es nahegelegen, ihn ausdrücklich in die beispielhafte Aufzählung einzubeziehen. Fielen die Freischichttage unter § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 3 MTV Nr. 10, würde zudem der Sinn des Bezugs auf Kalendertage, der § 7 MTV Nr. 10 durchgängig prägt, vereitelt. Die ungewöhnliche Anknüpfung des Urlaubsanspruchs an Kalendertage dient unter der Prämisse eines reinen Urlaubssystems dazu, unterschiedliche Arbeitszeitverteilungsmodelle einheitlich im Sinne einer Rechengröße zu regeln.
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8. Die Tarifregelung in § 7 Abschn. IV Nr. 1 MTV Nr. 10, die von der besonderen Ausgestaltung des Referenzprinzips in § 11 Abs. 1 BUrlG abweicht, ist von der Tariföffnung des § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gedeckt. Tarifvertragsparteien können das Referenzprinzip bei der Berechnung des Geldfaktors zugunsten des Lohnausfallprinzips verlassen (vgl. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01 - zu I 1 der Gründe, BAGE 104, 65). Behalten sie das Referenzprinzip bei, dürfen sie den Referenzzeitraum, wie hier, verlängern. Ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten ist auch dann unbedenklich, wenn das für den gesetzlichen Mindesturlaub zu zahlende Entgelt betroffen ist (Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01 - zu I 2 c aa der Gründe, aaO). Das unabdingbare Grundniveau des § 1 BUrlG wird durch solche Gestaltungen nicht unterschritten. Die Tarifvertragsparteien können den Referenzzeitraum auch verkürzen oder, wie im Streitfall, auf die abgerechneten Monate zurückgreifen (vgl. Senat 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01 - zu I 2 c bb der Gründe, aaO).
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B. Auch die auf höhere Entgeltfortzahlungsbeträge im Krankheitsfall gerichtete Klage ist unbegründet.
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I. Im Rahmen der Auslegung von § 8 Nr. 2 Abs. 1 und 3 MTV Nr. 10 gelten die zum Urlaubsentgelt angestellten Überlegungen mit Ausnahme des Umrechnungserfordernisses entsprechend. § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 3 MTV Nr. 10 ist hinsichtlich der Berechnungsmethodik inhaltsgleich mit § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 und 3 MTV Nr. 10.
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II. § 8 Nr. 2 Abs. 1 und 3 MTV Nr. 10 verstößt - jedenfalls soweit hier entscheidungserheblich - nicht gegen höherrangiges Recht.
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1. Nach § 4 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen „das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen“. Durch Tarifvertrag kann eine hiervon abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden (§ 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG). Bemessungsgrundlage iSv. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Dazu gehören Berechnungsmethode und Berechnungsgrundlage der Entgeltfortzahlung. Die Berechnungsmethode meint das Ausfall- oder das Referenzprinzip. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 110, 90; 13. März 2002 - 5 AZR 648/00 - zu III 2 b der Gründe, AP EntgeltFG § 4 Nr. 58 = EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 6). § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG öffnet damit nicht nur den Geldfaktor, die Fortzahlung des dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts, für Tarifverträge. Auch der Zeitfaktor, die ausgefallene Arbeitszeit, darf modifiziert werden, wenn der Grundsatz der vollen sechswöchigen Entgeltfortzahlung für den gesamten Zeitraum der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach § 3 EFZG gewahrt bleibt(§ 12 EFZG).
- 57
-
2. Das auf zwölf Abrechnungsmonate ausgerichtete Referenzprinzip in § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 MTV Nr. 10 und die Anknüpfung an Kalendertage in § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 4 MTV Nr. 10 ist nach diesen Grundsätzen von der Tariföffnung des § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG gedeckt. Der Tarifvertrag muss nicht auf die für den Arbeitnehmer maßgebende individuelle Arbeitszeit abstellen, sondern kann Werktage oder Kalendertage zur Grundlage des Entgeltfortzahlungsanspruchs machen und sich damit vom konkreten Lohnausfallprinzip lösen (vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a bb der Gründe, BAGE 110, 90; 9. Oktober 2002 - 5 AZR 356/01 - zu I 1 e aa und bb der Gründe, BAGE 103, 60).
-
C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
-
Düwell
Krasshöfer
Gallner
Heilmann
Brossardt
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - wird zurückgewiesen.
-
Die Revision der Klägerin zu 1. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie mit dem Feststellungsantrag eine Entscheidung auch für den Zeitraum begehrt, in dem sie selbst Altersrente, vorgezogenes Ruhegeld oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht (§ 13 Abs. 7 Satz 2 VTV 98).
-
Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin zu 1. unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 - 7 Sa 956/08 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
-
Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15. Mai 2008 - 1 Ca 105/08 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
-
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. 27.770,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30. November 2007 zu zahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin zu 1. ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.276,81 Euro zusteht.
-
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
-
Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 1. zu 1/36, der ursprünglich mitverklagte Kläger zu 2. zu 1/9 und die Beklagte zu 31/36 zu tragen.
-
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. in erster und zweiter Instanz haben die Beklagte zu 97/100 und die Klägerin zu 1. selbst zu 3/100 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten erster und zweiter Instanz hat der ursprünglich mitverklagte Kläger zu 2. zu 1/9, die Klägerin zu 1. zu 1/36 und die Beklagte selbst zu 31/36 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des ursprünglich mitverklagten Klägers zu 2. hat dieser selbst zu tragen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin zu 1. zu 3/100 und die Beklagte zu 97/100 zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin zu 1. (künftig: Klägerin) und die Beklagte streiten in der Revision noch über die Berechnung der Hinterbliebenenrente der Klägerin.
- 2
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Die Klägerin ist die Witwe des am 14. April 2005 verstorbenen H R. Dieser war seit dem 14. Juli 1980 als leitender Redakteur bei der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Die Klägerin ist seit dem 1. Februar 1985 ebenfalls bei der Beklagten tätig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung erzielte sie eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.844,23 Euro brutto.
-
Der Arbeitsvertrag des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vom 27. Juni 1980 enthält ua. folgende Regelungen:
-
„…
§ 2
Für alle sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages der DW in seiner jeweils gültigen Fassung.
…
§ 7
Die DW gewährt - unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen - Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung aufgrund des Versorgungstarifvertrages vom 1.8.1966 in der jeweils maßgebenden Fassung. Dem Arbeitnehmer werden gemäß § 4 des Versorgungstarifvertrages _ Jahre und _ Monate auf die Wartezeit angerechnet.
…“
-
Der in § 7 des Arbeitsvertrages erwähnte Versorgungstarifvertrag war am 31. Januar 1969 rückwirkend zum 1. August 1966 als Haustarifvertrag abgeschlossen worden. Später kam es zum Abschluss weiterer, auch die Versorgung betreffender Tarifverträge. Ua. wurde am 30. Juni 1981 ein Haustarifvertrag abgeschlossen, der jedoch zum 31. März 1993 gekündigt wurde. Am 11. Februar 1998 schloss die Beklagte mit der IG Medien, der Deutschen Angestelltengewerkschaft, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und der Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden einen neuen Versorgungstarifvertrag (künftig: VTV 1998). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
-
„Der zum 31.03.1993 gekündigte Versorgungstarifvertrag vom 30.06.1981 wird rückwirkend zum 01.04.1993 in Kraft gesetzt. Er erhält unter Einbeziehung des ab 01.11.1994 geltenden Tarifvertrages vom 23.02.1995 nachstehende Neufassung.
§ 1
Geltungsbereich
(1)
Dieser Versorgungstarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer der Deutschen Welle, die von ihr vor dem 01. April 1993 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis eingestellt worden sind und bei Eintritt des Versorgungsfalles im unbefristeten Arbeitsverhältnis außerhalb der arbeitsvertraglichen Probezeit stehen, soweit Abs. 2 bis 4 keine abweichende Regelung vorsieht.
…
§ 2
Versorgungsberechtigte
(1)
Die Deutsche Welle gewährt ihren im § 1 genannten Arbeitnehmern Versorgungsleistungen aufgrund dieses Versorgungstarifvertrages.
…
§ 3
Versorgungsleistungen
(1)
Versorgungsleistungen sind
a)
Altersrente (Regelaltersrente, sonstige Altersrente),
…
e)
Witwen- und Witwerrente,
…
§ 5
Anrechnungsfähige Dienstzeit
(1)
Anrechnungsfähige Dienstzeit ist die Zeit, die der Arbeitnehmer … in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der DW verbracht hat … Ausgenommen bleiben Zeiten, für die der Arbeitnehmer weder Gehalt noch Krankenbezüge zu beanspruchen hat, wenn solche Zeiten zusammenhängend einen Monat übersteigen. In gleicher Weise werden Dienstzeiten bei anderen Rundfunkanstalten der ARD einschließlich RIAS, DeutschlandRadio und ZDF oder deren Gemeinschaftseinrichtungen angerechnet, sofern sie unmittelbar vor der Einstellung bei der DW lagen.
(2)
Sonstige Berufszeiten werden bis zu insgesamt 4 Jahren angerechnet, wenn sie … in einem Arbeitsverhältnis oder einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (Beamtenverhältnis) unmittelbar vor dem Eintritt bei der Deutschen Welle verbracht worden sind und eine Tätigkeit zum Inhalt hatten, welche der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Zeitpunkt seiner Einstellung bei der DW im wesentlichen gleichartig war. …
§ 7
Ruhegeldfähige Vergütung
(1)
Ruhegeldfähige Vergütung ist das monatliche Grundgehalt vor Eintritt des Versorgungsfalles auf der Basis eines Vollzeitbeschäftigten oder - falls für den Berechtigten günstiger - das höchste monatliche Grundgehalt - bzw. soweit zur Grundvergütung noch ein zusätzliches 1 1/3-Gehalt gezahlt wurde, das 13 1/3 Zwölftel des höchsten monatlichen Grundgehaltes -, das während der letzten 10 Dienstjahre vor Eintritt des Versorgungsfalles mindestens 1 Jahr ununterbrochen von der Deutschen Welle gezahlt worden ist.
…
§ 8
Höhe der Rentenansprüche
Die Höhe des Anspruchs auf Altersrente und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beträgt nach Erfüllung der Wartezeit 40 v.H. der ruhegeldfähigen Vergütung (§ 7). Der Anspruch steigt mit jedem über die Erfüllung der Wartezeit hinausgehenden Dienstjahr um 1,25 v.H. und mit jedem weiteren vollen Kalendermonat um 0,104 v.H. der ruhegeldfähigen Vergütung bis zu einem Höchstsatz von 60 v.H.
…
§ 13
Witwen- und Witwerrente
(1)
Der überlebende Ehegatte des Berechtigten erhält, wenn die Ehe bis zum Tode des Berechtigten bestanden hat, eine Witwen- oder Witwerrente, falls der Berechtigte im Zeitpunkt seines Todes Altersrente oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten hat oder zu beanspruchen gehabt hätte.
…
(3)
Witwen- und Witwerrente betragen 60 % der Altersrente oder der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
…
(7)
Solange der überlebende Ehegatte aufgrund eines Arbeitsverhältnisses von der DW Vergütung bezieht, besteht ein Anspruch auf 25 v.H. der Witwen-/Witwerrente.
Liegen die Voraussetzungen sowohl auf Zahlung der Altersrente, vorgezogenem Ruhegeld oder Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als auch von Witwen- bzw. Witwerrente vor, so werden dem überlebenden Ehegatten seine erworbenen Versorgungsleistungen gewährt. Daneben erhält er Witwen- oder Witwerrente gemäß Satz 1.
…
§ 17
Anrechnungen
(1)
Hat der Berechtigte Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so ist diese Rente einschließlich der darin enthaltenen Beitragszuschüsse auf die Leistung nach diesem Vertrag anzurechnen. Nicht zu berücksichtigen ist dabei der Teil der Sozialversicherungsrente, der auf freiwilligen Beiträgen sowie auf Höherversicherungsbeiträgen basiert, an denen sich die Deutsche Welle oder ein früherer Arbeitgeber nicht beteiligt hat.
…
§ 29
Schluß- und Übergangsbestimmungen
(1)
Dieser Versorgungstarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.07.1981 in Kraft. Er tritt an die Stelle der Versorgungsordnung vom 31.01.1969 in der Fassung vom 26.07.1972.
…
III.
Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am 11. Februar 1998 in Kraft; dies gilt für Abschnitt II dieses Tarifvertrages, soweit die ab 11. Februar 1998 geltende Neufassung des Versorgungstarifvertrages vom 30.06.1981 Änderungen gegenüber seiner bis zum 10. Februar 1998 geltenden Fassung enthält.“
-
Bereits am 24. März 1997 hatten mehrere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, darunter auch die Beklagte, mit der IG Medien, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und der Deutschen Orchestervereinigung e.V. mit Wirkung zum 1. März 1997 einen weiteren Versorgungstarifvertrag (künftig: VTV ARD 1997) abgeschlossen. Hinsichtlich des Geltungsbereichs enthält er folgende Regelung:
-
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach dem Manteltarifvertrag eine Versorgungszusage beanspruchen können (nachfolgend: versorgungsfähiges Arbeitsverhältnis) und
...
bei der Deutschen Welle nach dem 31.03.1993
…
eingestellt worden sind.“
-
Der bei der Beklagten gültige Manteltarifvertrag (künftig: MTV) bestimmt ua.:
-
„810
Ausschlußfristen
811
Ansprüche auf Zahlung von Familienzuschlag, Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschlag, Zeitzuschlägen, Kostenerstattung, Abordnungsgeld, Trennungsentschädigung, Umzugskostenerstattung, Reisekostenerstattung, Zehrgeld, Essengeldzuschuß sind innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit, spätestens drei Monate nach der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend zu machen.
Sonstige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlußfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit, spätestens aber 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geltend zu machen; dies gilt auch für Ansprüche der Rundfunkanstalten. Bei Schadenersatzansprüchen beginnt die Ausschlußfrist in dem Zeitpunkt, in welchem der Anspruchsberechtigte von dem Schaden und dem Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.
…“
- 7
-
Zum 1. März 2001 trat der Ehemann der Klägerin in den Ruhestand. Er erhielt bis zu seinem Tod im April 2005 von der Beklagten eine Betriebsrente nach dem VTV 1998 in Höhe von zuletzt 2.177,85 Euro. Wäre seine Betriebsrente nach dem VTV ARD 1997 berechnet worden, hätte sich für ihn eine Betriebsrente von lediglich 810,41 Euro ergeben. Die Witwenrente beträgt nach § 5 Abs. 4 VTV ARD 1997 60 % der Altersrente des Berechtigten. Eine Kürzung oder Anrechnung für den Fall, dass die Witwe oder der Witwer eigenes Erwerbseinkommen bezieht, sieht dieser Tarifvertrag nicht vor.
- 8
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Die Beklagte zahlt an die Klägerin seit August 2005 eine Witwenrente von 319,20 Euro monatlich. Aufgrund einer Neuberechnung geht die Beklagte davon aus, dass dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zuletzt nicht die tatsächlich gezahlte Betriebsrente in Höhe von 2.177,85 Euro monatlich, sondern nur eine Betriebsrente von 2.128,02 Euro monatlich zustand. Davon legte sie zur Berechnung der Witwenrente 60 % zugrunde und kürzte den sich so ergebenden Betrag wegen des eigenen bei der Beklagten erzielten Einkommens der Klägerin auf 25 %.
- 9
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Hiergegen hat sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stehe die volle Witwenrente zu. Maßgeblich für die Versorgungsansprüche ihres Ehemannes sei nicht der VTV 1998, sondern der Versorgungstarifvertrag vom 31. Januar 1969. Zudem verstoße die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 gegen den Gleichheitssatz. Das ergebe sich ua. daraus, dass eine Kürzung der Witwenrente nur stattfinde, wenn die Witwe in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehe, nicht jedoch, wenn Einkünfte von einem anderen Arbeitgeber bezogen würden. Der Versorgungstarifvertrag sehe eine Kürzung der Witwenrente nicht nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch während der Rentenzeit vor. Bei der Berechnung ihrer Hinterbliebenenrente sei außerdem nicht die neu berechnete Rente ihres verstorbenen Ehemannes, sondern die diesem tatsächlich von der Beklagten gezahlte Rente zugrunde zu legen. Ihre Ansprüche seien nicht aufgrund der Ausschlussfrist in Nr. 811 MTV verfallen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihr eine Witwenrente in Höhe von insgesamt 1.306,71 Euro monatlich zu zahlen. Für den Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2007 ergebe sich ein nachzuzahlender Betrag in Höhe von 28.637,79 Euro.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Witwenrente in Höhe von 28.637,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2007 nachzuzahlen;
2.
festzustellen, dass der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.306,71 Euro zusteht.
- 11
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 12
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Sie hat die Ansicht vertreten, die Ansprüche der Klägerin richteten sich nach dem VTV 1998. Die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin habe bei richtiger Berechnung zuletzt eine Betriebsrente von 2.128,02 Euro zugestanden. Dieser Betrag sei für die Ermittlung der Witwenrente maßgeblich. Die Nachzahlungsansprüche seien teilweise nach Nr. 811 MTV verfallen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 einen Nachzahlungsbetrag iHv. 17.875,37 Euro nebst Zinsen zugesprochen sowie festgestellt, dass der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente iHv. 1.276,81 Euro zusteht. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre KIageanträge, soweit sie abgewiesen wurden, weiter. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die vollständige Klageabweisung. Beide Parteien begehren die Zurückweisung der gegnerischen Revision.
Entscheidungsgründe
- 14
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Die Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg, während diejenige der Beklagten erfolglos bleibt.
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A. Die Revision der Klägerin ist unzulässig, soweit sie mit dem Feststellungsantrag eine Entscheidung über die Höhe ihrer Witwenrente auch für die Zeit ihres eigenen Ruhestands begehrt. Hierin liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung. Die Frage, wie sich die Hinterbliebenenansprüche der Klägerin für die Zeit ihres Ruhestands errechnen, war nicht Gegenstand des beim Landesarbeitsgericht gestellten Feststellungsantrags.
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I. In der Revisionsinstanz können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Das Revisionsgericht hat zu prüfen, ob das Berufungsgericht über das Klagebegehren rechtsfehlerfrei entschieden hat. Dabei unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Urteilsgrundlage wird mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Eine Klageerweiterung ist deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht möglich, da sie in der Regel weitere tatsächliche Feststellungen erfordert, die vom Revisionsgericht nicht getroffen werden können (st. Rspr., vgl. etwa BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Das Anbringen eines weiteren Streitgegenstandes stellt eine Klageerweiterung dar oder steht ihr zumindest gleich (vgl. BAG 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - Rn. 16 mwN, BAGE 130, 202).
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II. Indem die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Feststellungsantrag erstrecke sich auch auf ihre Hinterbliebenenansprüche für die Zeit ihres eigenen Ruhestands, hat sie die Klage erweitert. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, welche Ansprüche sich ergeben, wenn die Klägerin selbst Empfängerin einer Altersversorgung wird. Die Klägerin hat zwar in den Tatsacheninstanzen darauf hingewiesen, die von ihr angegriffene Anrechnungsregelung entfalte auch Wirkung, sobald sie - die Klägerin - in Ruhestand trete. Die Klägerin hat es jedoch bei diesem die Rechtslage beschreibenden Hinweis belassen. Ihre Ausführungen sind nicht so zu verstehen, dass sie auch eine gerichtliche Klärung der daraus zu ziehenden Folgerungen für die Höhe ihrer Betriebsrente begehrt hätte. Die Klägerin hat in ihrem Sachvortrag die Auswirkungen der Anrechnungsregelung in § 13 Abs. 7 VTV 1998 bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Zurruhesetzung weder näher beschrieben noch daraus Schlussfolgerungen hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Versorgungsleistung gezogen.
- 18
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III. Da der Feststellungsantrag in den Vorinstanzen die Zeit des eigenen Ruhestands der Klägerin nicht erfasst hat, ist eine entsprechende zeitliche Begrenzung im Tenor des Feststellungsanspruchs zu Recht unterblieben. Soweit sich in der Zukunft aufgrund der Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse die Zahlungspflicht der Beklagten ändert, entfällt die Rechtskraftwirkung des Feststellungsausspruchs. Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft sind dann überschritten (vgl. BGH 14. Juli 1995 - V ZR 171/94 - zu II 3 der Gründe, NJW 1995, 2993).
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B. Die Revision der Klägerin ist, soweit sie zulässig ist, teilweise begründet. Die Revision der Beklagten ist hingegen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht hinsichtlich der geltend gemachten Witwenrente für die Zeit vor November 2006 für unbegründet gehalten. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind diese Ansprüche nicht nach Nr. 811 MTV verfallen. Das Landesarbeitsgericht ist hingegen zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin eine monatliche Witwenrente iHv. 1.276,81 Euro beanspruchen kann. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten gezahlten Betrages von 319,20 Euro monatlich errechnet sich für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 ein Zahlungsanspruch iHv. 27.770,69 Euro. Insoweit ist dem Zahlungsantrag unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben. Ab Januar 2008 hat die Beklagte der Klägerin monatlich 1.276,81 Euro zu zahlen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen dahingehenden Feststellungsausspruch getroffen.
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I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Im Streitfall betrifft der Feststellungsantrag ein Rechtsverhältnis, nämlich die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung in der von ihr geltend gemachten Höhe zu zahlen. Da die Beklagte diese Pflicht leugnet, hat die Klägerin auch ein Feststellungsinteresse. Die Möglichkeit, eine Klage auf künftige Leistung nach §§ 257 ff. ZPO zu erheben, beseitigt das Feststellungsinteresse nicht. Der Klägerin stand ein Wahlrecht zu (vgl. BAG 22. Februar 2000 - 3 AZR 39/99 - zu A der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3).
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II. Die Klage ist hinsichtlich der verlangten Nachzahlung für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2007 iHv. 27.770,69 Euro und hinsichtlich der begehrten Feststellung einer monatlichen Witwenrente ab dem 1. Januar 2008 iHv. 1.276,81 Euro begründet. Im Übrigen haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
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Der Witwenrentenanspruch der Klägerin richtet sich nach dem VTV 1998. Der Berechnung ist das dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zuletzt zustehende Ruhegeld in Höhe von 2.128,02 Euro zugrunde zu legen. Soweit § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 eine Kürzung der Witwenrente deshalb vorsieht, weil die Klägerin Einkünfte aus einer Tätigkeit für die Beklagte erzielt, verstößt dies gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf eine ungekürzte Witwenrente. Die für die Zeit vor dem 1. November 2006 geltend gemachten Ansprüche sind nicht nach Nr. 811 MTV verfallen.
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1. Das Landesarbeitsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich die Ruhegeldansprüche des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und damit auch die Hinterbliebenenversorgung nicht nach dem am 31. Januar 1969 abgeschlossenen, mit Wirkung ab dem 1. August 1966 in Kraft getretenen Versorgungstarifvertrag richten, sondern nach dem VTV 1998. Dies ergibt sich aus § 7 des Arbeitsvertrages des verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Danach wird eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung aufgrund des Versorgungstarifvertrages vom 1. August 1966 in der jeweils geltenden Fassung gewährt. Da der VTV 1998 aufgrund § 29 Abs. 1 an die Stelle des Tarifvertrages vom 31. Januar 1969 getreten ist, ist diese Regelung für die Versorgungsansprüche maßgeblich. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet auch der VTV ARD 1997 keine Anwendung, da der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht nach dem 31. März 1993 bei der Beklagten eingetreten ist und daher nach § 1 dieses Tarifvertrages nicht dessen persönlichen Geltungsbereich unterfällt.
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2. Der Klägerin steht gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 3 VTV 1998 eine Witwenrente in Höhe von 60 % der Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes zum Zeitpunkt seines Todes zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Witwenrente nach § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 auf 25 % zu kürzen, weil die Klägerin Vergütung von der Beklagten bezieht. Die Kürzungsregelung verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und ist deshalb unwirksam. Die Klägerin hat daher Anspruch auf eine ungekürzte Witwenrente.
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a) Die Tarifvertragsparteien sind jedenfalls mittelbar an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden(dazu ausführlich: BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II der Gründe, BAGE 111, 8; vgl. auch 16. Dezember 2003 - 3 AZR 668/02 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 109, 129). Eine Tarifnorm verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten. Die Tarifparteien haben danach eine Einschätzungsprärogative, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Rechtsfolgen geht, sowie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben. Sie dürfen im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit auch typisierende Regelungen treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (vgl. etwa BAG 29. November 2001 - 4 AZR 762/00 - zu II 5 a der Gründe, AP GG Art. 3 Nr. 296 = EzA GG Art. 3 Nr. 94; 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, BAGE 133, 33). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, aaO).
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b) § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 hält danach einer Überprüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht stand. Die Tarifvertragsparteien durften nicht anordnen, dass lediglich Arbeitseinkommen, das die Witwe von der Beklagten erhält, nicht hingegen anderweitig erzieltes Arbeitseinkommen zu einer Kürzung der Witwenrente führt. Es ist - auch unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien - kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, deren Hinterbliebene Einkommen von der Beklagten beziehen, gegenüber Arbeitnehmern, deren Hinterbliebene Einkommen von anderen Arbeitgebern erzielen, rechtfertigen könnte. Diese Ungleichbehandlung kann nach dem Rechtsgedanken aus § 328 BGB auch der Hinterbliebene geltend machen(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 52, BAGE 129, 105).
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aa) Die Ungleichbehandlung ist nicht deshalb zulässig, weil die Beklagte als eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 des Deutsche-Welle-Gesetzes [in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Januar 2005, BGBl. I S. 90]) aus Zuschüssen des Bundeshaushalts finanziert wird (§ 45 Deutsche-Welle-Gesetz) und deshalb eine Privilegierung der von ihr selbst geleisteten Vergütungszahlungen angebracht wäre.
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(1) Allerdings hat es der Senat bisher sowohl bezogen auf die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (30. Oktober 1980 - 3 AZR 1177/78 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 242 Ruhegehalt - Zusatzversorgung Nr. 5) als auch hinsichtlich der Versorgung der Angestellten des Landes Berlin (16. Februar 1978 - 3 AZR 624/76 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 178 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 71) für zulässig gehalten, Kürzungen von Ruhegeldleistungen vorzunehmen, wenn in einer Person mehrere Versorgungsansprüche oder ein Versorgungsanspruch mit einem Einkommen aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst zusammentreffen. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, wenn die Versorgungsordnung eine Anrechnung nur bei Einkommen aus Tätigkeiten im öffentlichen Dienst vorsehe, während die Versorgung ungeschmälert bleibe, wenn der Versorgungsberechtigte Arbeitseinkommen aus einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis erziele(BAG 30. Oktober 1980 - 3 AZR 1177/78 - zu I 2 der Gründe, aaO). Ebenso hat der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder angenommen, es sei zulässig, dass die Versorgungsrente eines Versorgungsberechtigten ruht, solange er Einkünfte aus öffentlichen Mitteln bezieht. Die Beschränkung auf derartige Einkünfte verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Die VBL-Satzung folge dem Herkunftsprinzip und lehne sich mit ihren Ruhensbestimmungen eng an die Regelungen des Beamtenversorgungsrechts an. Dort rechtfertige sich die vorgesehene Leistungsminderung aus der Eigenart des Alimentationsanspruchs. Der Alimentationsverpflichtung werde genügt, wenn die Alimentierung aus irgendeiner Kasse der öffentlichen Hand komme und sei es als Vergütung für die Leistung des Berechtigten (vgl. BGH 11. Dezember 1985 - IVa ZR 251/83 - zu III 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 11).
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Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit eine Anlehnung an das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip mit einer unterschiedlichen Anrechnung von Einkünften je nach deren Quelle im Betriebsrentenrecht weiterhin möglich ist und die bisherigen Grundsätze noch Geltung beanspruchen können. Bedenken könnten insbesondere deshalb bestehen, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Unwirksamkeit von § 18 BetrAVG in der früheren Fassung(15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 ua. - zu C II der Gründe, BVerfGE 98, 365) die rechtliche Übereinstimmung zwischen den Rechtsverhältnissen von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und solchen in der Privatwirtschaft und die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlich geregelten Dienstverhältnissen und Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst betont hat. Jedenfalls können Grundsätze, die auf dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip beruhen, Unterschiede bei der Versorgung von Arbeitnehmern allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich die Versorgungsordnung insgesamt an den Strukturprinzipien des Beamtenversorgungsrechts orientiert.
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(2) Eine solche Orientierung ist beim VTV 1998 nicht gegeben. Das wird schon daraus deutlich, dass die Altersrente - unter Anrechnung der gesetzlichen Rente - maximal 60 vH der ruhegeldfähigen Vergütung, also des monatlichen Grundgehalts vor Eintritt des Versorgungsfalles, erreicht (§ 7 Abs. 1, §§ 8, 17 Abs. 1 Satz 1 VTV 1998). Die Beamtenversorgung ist deutlich höher. Diese beläuft sich bei Bundesbeamten auf 71,75 vH der Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).
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Auch bei der Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern stellt der VTV 1998 nicht darauf ab, ob eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zurückgelegt ist. Auch dies entspricht nicht beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen. Während nach dem Beamtenversorgungsrecht alle Beamtenverhältnisse unabhängig vom Dienstherrn gleich zu behandeln sind (vgl. zB § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und auch Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ruhegehaltsfähig sein können (§ 10 BeamtVG), ist nach § 5 Abs. 1 VTV 1998 grundsätzlich nur eine Tätigkeit bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt eine anrechnungsfähige Dienstzeit(§ 5 Abs. 1 VTV 1998). Sonstige Dienstzeiten können nach dem Tarifvertrag - auch wenn sie in einem Beamtenverhältnis verbracht wurden - nur dann angerechnet werden, wenn sie mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers bei der Deutschen Welle vergleichbar sind und dieser Tätigkeit unmittelbar vorangingen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VTV 1998).
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bb) Die Regelung lässt sich auch nicht deshalb rechtfertigen, weil sich durch den Bezug von Entgeltleistungen der Beklagten der Absicherungsbedarf bei den Hinterbliebenen, die von § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 erfasst sind, verringert.
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Der Zweck der Hinterbliebenenrente besteht darin, den Arbeitnehmer von der Sorge um die Erfüllung des Versorgungsbedarfs seiner Angehörigen nach seinem Ableben zu entlasten (BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 77 mit Nachweisen, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 26 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Deshalb kann durch die Berücksichtigung anderweitiger Bezüge einem geringeren Versorgungsbedarf Rechnung getragen werden, soweit dadurch keine unverhältnismäßige wirtschaftliche Entwertung eintritt (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 97/08 - Rn. 30 ff., AP BetrAVG § 5 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 35; BGH 20. September 2006 - IV ZR 304/04 - BGHZ 169, 122 und 24. Februar 2010 - IV ZR 7/09 - NVwZ-RR 2010, 689). Die Kürzungsregelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1998 stellt aber nicht auf das den Versorgungsbedarf mindernde anderweitige Einkommen als solches ab, sondern auf die Quelle des Einkommens. Das ist kein einleuchtendes Unterscheidungskriterium. Auch Einkommen bei einem anderen Arbeitgeber verringert den Versorgungsbedarf und enthebt den Arbeitnehmer der Sorge um die Versorgung seiner Hinterbliebenen.
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cc) Die Regelung dient auch nicht der Begrenzung eines Versorgungsrisikos.
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Versorgungsregelungen können allerdings den Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale begrenzen. Dies liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken in sich birgt. Das rechtfertigt aber nicht jede beliebige Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung. Vielmehr muss ein ausreichender Zusammenhang mit einleuchtenden Risikoerwägungen bestehen (vgl. BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa und bb der Gründe, BAGE 115, 317). Die in der Versorgungsordnung getroffene Unterscheidung knüpft jedoch nicht daran an, dass der Arbeitgeber etwa mit größerer Wahrscheinlichkeit oder länger in Anspruch genommen wird und sich dagegen schützen will. Mit derartigen Risikogesichtspunkten hat die getroffene Regelung nichts zu tun.
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c) Die Klägerin hat danach Anspruch auf Berechnung ihrer Betriebsrente ohne Anwendung der unwirksamen Anrechnungsregelung in § 13 Abs. 7 VTV 1998.
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Verstößt eine tarifliche Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, haben die unzulässigerweise ausgeschlossenen Personen dann Anspruch auf die vorenthaltene Vergünstigung, wenn entweder die Tarifvertragsparteien nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen können oder wenn anzunehmen ist, dass sie bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätten (BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 79, 236). Da die Tarifvertragsparteien nur der kleinen Gruppe von Personen, die als Hinterbliebene Einkommen von der Beklagten beziehen, die ungekürzte Witwenrente vorenthalten haben, nicht jedoch der großen Gruppe von Hinterbliebenen, die anderweitig Einkommen beziehen, ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis des Gleichheitsverstoßes auf die Kürzungsregelung verzichtet hätten.
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3. Der Klägerin steht eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.276,81 Euro zu. Das ergibt für August 2005 bis Dezember 2007 einen rückständigen Betrag von 27.770,69 Euro.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bei der Berechnung der Witwenrente die monatliche Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von 2.128,02 Euro zugrunde zu legen und nicht in Höhe von 2.177,85 Euro. Nach dem VTV 1998 kommt es für die Berechnung der Hinterbliebenenrente nicht auf die dem früheren Arbeitnehmer der Beklagten tatsächlich gezahlte Altersrente an, sondern auf die diesem zustehende Altersrente. Dies ist nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien vor dem Landesarbeitsgericht der Betrag von 2.128,02 Euro. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, warum ihrem verstorbenen Ehemann eine höhere Betriebsrente zugestanden haben soll.
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4. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht für die Zeit vor dem 1. November 2006 aufgrund der Ausschlussfristen in Nr. 811 MTV verfallen. Eine am Zweck tariflicher Ausschlussfristen orientierte Auslegung ergibt regelmäßig, dass sie auf Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung keine Anwendung finden (vgl. BAG 12. Juni 2007 - 3 AZR 186/06 - Rn. 28, BAGE 123, 82; überholt dagegen BAG 19. April 1983 - 3 AZR 4/81 - zu II der Gründe, AP BetrAVG § 6 Nr. 6 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 6). Hier gilt nichts anderes.
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5. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
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Gräfl
Zwanziger
Schlewing
Oberhofer
H. Kappus
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.