Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 03. Apr. 2014 - 4 Sa 57/13

bei uns veröffentlicht am03.04.2014

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 08.02.2013 – 4 Ca 1588/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung vom 24.09.2010 am 10.10.2010 endete.

2

Der 1962 geborene Kläger war seit dem 12.05.2006 als "Second Engineer" und seit dem 17.06.2008 als "Chief Engineer" bei der Beklagten, die ihren Sitz in G., Italien hat, zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 7.819,00 € beschäftigt. Zum Inhalt des in Deutsch abgefassten Arbeitsvertrages wird auf die Anlagen K1 und K2 - BI. 11 ff. und 15 ff. der Akte - verwiesen. Soweit hier von Interesse heißt es in der Präambel:

3

" ...
zwischen C ... (Beklagte)

und

Herrn K .... K .... (Kläger) ...

wird unter der Voraussetzung, dass

a)
der Arbeitgeber der registrierte Eigner der im Annex A des mit den italienischen Gewerkschaften geschlossenen «Manteltarifvertrags» aufgeführten Kreuzfahrtschiffe ist und

b)
der Arbeitnehmer über die notwendigen Zertifikate und Qualifikationen für die zu besetzende Position an Bord der unter a) genannten Schiffe verfügt, folgendes vereinbart:
...


21.
Weiterführende Vereinbarungen und Bestimmungen, die im Arbeitsvertrag nicht berücksichtigt sind, regelt der mit den Gewerkschaften FILT-CGIL, FIT-CISL und ULTRASPORTI abgeschlossene Manteltarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieser ist Bestandteil dieses Vertrages.

22.
Für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist ausschließlich italienisches Recht maßgeblich. Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Anstellungsvertrag ist der Sitz des Arbeitgebers."

4

Der Einsatz des Klägers erfolgte auf A.-Kreuzfahrtschiffen.

5

Bei einem Unfall im privaten Bereich wurde dem Kläger am 06.10.2009 der linke Unterarm abgetrennt. Infolgedessen war der Kläger bis zum 24.09.2010 durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 01.12.2009 wurde dem Kläger eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 60 Prozent zuerkannt. Ende Februar 2010 wurde dem Kläger eine myoelektrische Prothese angepasst.

6

In der Folgezeit verweigerte die Berufsgenossenschaft Transport- und Verkehrswirtschaft dem Kläger die Erteilung einer Seediensttauglichkeitsbescheinigung. Zur Begründung berief sie sich auf Ziffer 20 der Anlage 1 der Seediensttauglichkeitsverordnung (SeeDTaugIV), wonach ein Seemann seedienstuntauglich ist, wenn ihm ein Glied fehlt.

7

Mit Schreiben vom 30.06.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er rechtliche Schritte unternehme, um die Bescheinigung zu erhalten.

8

Im gegen die Entscheidung der Berufsgenossenschaft eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Hamburg am 03.09.2010 die Berufsgenossenschaft Transport und Verkehr - Dienststelle Schiffssicherheit -, dem Kläger längstens für ein Jahr ein Seediensttauglichkeitszeugnis für die Tätigkeit eines leitenden Ingenieurs auf einem Kreuzfahrtschiff, auf dem ihm mindestens 50 Besatzungsmitglieder, darunter 10 Ingenieure, unterstellt sind, zu erteilen. Auf Antrag des Klägers wurde dieser Beschluss unter dem 22.09.2010 dahingehend abgeändert, dass die Mindestanzahl der unterstellten Besatzungsmitglieder auf 25 und die der Ingenieure auf 6 reduziert wurde. Mit Schreiben des Klägers vom 23.09.2010 ist der Beklagten an diesem Tag per Fax durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers angezeigt worden, dass die Entscheidung über eine Seediensttauglichkeit anstehe.

9

Am 24.09.2010 erhielt der Kläger von der Beklagten die arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Am 30.09.2010 wurde das Seediensttauglichkeitszeugnis von der Berufsgenossenschaft erteilt.

10

Mit beim Arbeitsgericht Rostock am 14.10.2010 eingegangener Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

11

Er hat behauptet, dass die Parteien nach Verweigerung der Seediensttauglichkeitsbescheinigung vereinbart hätten, dass der Kläger weiterhin krank geschrieben bleiben solle, bis ihm die Bescheinigung erteilt werde. In diesem Zusammenhang habe die Beklagte ihm zugesagt, dass er wieder zur See fahren könne, wenn ihm die Bescheinigung erteilt werde. Mit der gleichwohl erklärten Kündigung habe sich die Beklagte widersprüchlich verhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten gebe es weder nach italienischem Recht noch aus dem anwendbaren Manteltarifvertrag eine Festlegung einer nur 180tägigen Frist der Arbeitsunfähigkeit, nach deren Ablauf gekündigt werden könne. Im Übrigen sei der Kläger seit der Anpassung der Prothese im Februar 2010, mindestens aber zur Zeit des Ausspruchs der Kündigung wieder arbeitsfähig gewesen. Des Weiteren hat sich der Kläger auf ihm zustehenden Schutz als Schwerbehinderter berufen, den es auch nach italienischem Recht geben müsse. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Kläger für den Einsatz an Bord trotz seiner Prothese dienstfähig. Es könne nämlich keine Situation entstehen, in der der Kläger selbst Hand anlegen müsste.

12

Die Beklagte hat behauptet, zwischen der Beklagten und den Eignern in G. sei vereinbart worden, dass die deutsche Bescheinigung auch in Italien anerkannt werde. Zusätzlich sei festgelegt worden, dass sich alle "Deck und Engine"-Mitarbeiter eine Woche vor Dienstantritt beim Betriebsarzt der Beklagten vorzustellen hätten, um auch von ihm eine Diensttauglichkeitsbescheinigung zu erhalten. Vom Betriebsarzt hätte dem Kläger jedoch keine Diensttauglichkeit bescheinigt werden können, weil die nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg bestimmten Voraussetzungen gar nicht gegeben seien. Im Übrigen sei die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Selbst mit der Prothese sei der Kläger im Notfall nicht in der Lage, alle notwendigen Arbeiten zu verrichten.

13

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erstellt durch Herrn Prof. Dr. jur. Dres. h.c. B. zum italienischen Recht. Zum Inhalt dieses Gutachtens wird auf die Blätter 130 ff. der Akte verwiesen.

14

Mit Urteil vom 08.02.2013 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet habe. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da die Parteien wirksam die Anwendbarkeit italienischen Rechts vereinbart hätten. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX unwirksam, da der Schwerbehindertenschutz nach deutschem Recht nicht zur Anwendung gelange. Das italienische Recht sehe keinen entsprechenden Schutz vor. Nach italienischem Recht sei die Kündigung wirksam, da nach einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von mehr als 180 Tagen die Kündigung zulässig sei. Schließlich sei die Kündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte sich widersprüchlich verhalten hätte. Die Beklagte habe immer klar gemacht, dass der Kläger aus ihrer Sicht dauerhaft nicht für den Einsatz an Bord eines Schiffes geeignet sei.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der ausführlichen Begründung wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

16

Gegen dieses dem Kläger am 14.02.2013 zugestellte Urteil wendet er sich mit der rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht eingelegten und begründeten Berufung.

17

Der Kläger hält das Urteil für fehlerhaft und ist der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam sei. Er habe weiterbeschäftigt werden können.

18

Dazu vertritt der Kläger nunmehr die Auffassung, dass eine Voraussetzung zur Vereinbarung der Anwendung italienischen Rechts zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht mehr erfüllt gewesen sei. Die vereinbarte Geltung italienischen Rechts habe unter der Bedingung gestanden, dass der Kläger über die notwendigen "Zertifikate und Qualifikationen" verfüge. Diese Voraussetzung sei nachträglich weggefallen, da der Kläger nicht mehr über die Seediensttauglichkeitsbescheinigung verfügte. Jedenfalls sei die Vereinbarung italienischen Rechts gem. § 305 b Abs. 2 BGB unwirksam, da die Regelung unklar sei. Folglich sei deutsches Recht und damit auch das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden. Ein personenbedingter Kündigungsgrund habe nicht vorgelegen, da das Verwaltungsgericht noch nicht über die Frage der Erteilung eines Seediensttauglichkeitszeugnisses entschieden habe.

19

Jedenfalls aber sei die Kündigung nach §§ 85 ff. SGB IX unwirksam, da die Beklagte keine Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch der Kündigung eingeholt hatte. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme § 85 SGB IX trotz einer Rechtswahl zur Anwendung, da der Kläger über den Betriebssitz der Beklagten in C-Stadt einem inländischen Betrieb zugeordnet sei (wegen der weiteren Begründung des Klägers zu diesem Problemkreis wird auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz vom 28.10.2013 (Blatt 284 – 290; 360 - 362 d. A.)) verwiesen. Die Beklagte unterhalte einen Betrieb im Sinne von § 87 Abs. 1 SGB IX in C-Stadt, in dem die Kreuzfahrtschiffe betreffende organisatorische Entscheidungen getroffen werden. Ein Seeschiff stelle keinen eigenen Betrieb dar.

20

Weiter ist der Kläger der Auffassung, dass die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, da die Voraussetzungen nach italienischem Recht nicht vorgelegen hätten. Der Kläger sei bei Zugang der Kündigung nicht mehr wegen einer Erkrankung an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert gewesen. Der Kläger habe seit langem eine myoelektrische Prothese gehabt und demzufolge seine linke Hand voll einsetzen können. Er sei lediglich wegen des noch fehlenden Seediensttauglichkeitszeugnisses an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert gewesen. Tatsächlich sei er seit Februar 2010 wieder arbeitsfähig gewesen. Aus Sicht des behandelnden Hausarztes habe es keine Bedenken gegen eine Wiederaufnahme der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit durch den Kläger gegeben.

21

Auch sei die Kündigung wegen unzulässiger Rechtsausübung der Beklagten unzulässig. Zuständige Mitarbeiter der Beklagten hätten dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass er bei Vorliegen eines Seediensttauglichkeitszeugnisses wieder an Bord beschäftigt werden würde. Damit habe die Beklagte sich widersprüchlich verhalten. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger es unterlassen, Angebote zu einer anderweitigen Beschäftigung in Erwägung zu ziehen.

22

Schließlich sei die Kündigung auch nach § 7 Abs. 1, 2 AGG unwirksam. Die Beklagte habe sich stets darauf berufen, dass die Kündigung des Klägers allein darauf beruhe, dass ihm die linke Hand abgetrennt worden sei. Aufgrund dieses Umstandes sei die Entlassung wegen der Behinderung erfolgt. Die Entlassung sei auch nicht wegen spezifischer beruflicher Anforderungen im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt.

23

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 08.02.2013 - 4 Ca 1588/10 - abzuändern und festzustellen,

24

1. dass die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2010 das zwischen den Parteien seit dem 12.05.2006 bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat;

25

2. hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 10.10.2010 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

26

3. Die Beklagte wird vorbehaltlich der Erteilung eines Seediensttauglichkeitszertifikats verurteilt, den Kläger als Chief Engineer in Vollzeit auf Kreuzfahrtschiffen zu beschäftigen.

27

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

28

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen mit Rechtsausführungen.

29

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2013 (Blatt 370 – 373 d. A.) und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

30

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

B.

31

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Diese Kündigung war nicht an den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes zu messen, da dieses hier nicht zur Anwendung gelangt. Die Parteien haben wirksam eine Rechtswahl getroffen und ihr Arbeitsverhältnis dem italienischen Recht unterworfen. Nach den anzuwendenden Vorschriften war die Kündigung berechtigt. Die Kündigung ist nicht nach den § 85 ff. SGB IX wegen fehlender Beteiligung des Integrationsamtes unwirksam, da der deutsche Schwerbehindertenschutz nicht zur Anwendung kommt. Auch hat sich die Beklagte nicht widersprüchlich im Sinne von § 242 BGB mit dem Ergebnis verhalten, dass sie sich auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht berufen durfte. Schließlich ist die Kündigung auch nicht nach §§ 7 AGG, 134 BGB unwirksam.

I.

32

Der Vollständigkeit halber sei zunächst angemerkt, dass das Arbeitsgericht in der streitigen Entscheidung zutreffend gemäß § 21 ZPO in Verbindung mit Artikel 5 Nr. 5 EuGVVO von der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Rostock ausgegangen ist.

II.

33

Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam im Sinne des § 1 KSchG, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht deutschem, sondern italienischem Recht unterliegt.

1.

34

Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ist nach Art. 27 ff. EGBGB zu bestimmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet erst auf die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossenen Verträge Anwendung (Art. 28 VO 593/2008/EG). Altverträge unterstehen weiter dem bisherigen Recht (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 23; 20. April 2011 - 5 AZR 171/10 - Rn. 11, BAGE 137, 375).

35

Nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Die Parteien haben arbeitsvertraglich wirksam die ausschließliche Geltung italienischen Rechts vereinbart. Rechtliche Bedenken gegen die mit dem Arbeitsvertrag vereinbarte Anwendung italienischen Rechts bestehen nicht.

36

Die erstmals mit der Berufungsbegründung vertretene Auffassung des Klägers, dass die Vereinbarung italienischen Rechts gemäß § 305 b Abs. 2 BGB wegen Unklarheit unwirksam sei, übersieht, dass eine gesonderte Klauselkontrolle für vorformulierte Rechtswahlklauseln nicht in Betracht kommt (ErfK Schlachter, 14. Aufl., Art.9 Rom I-VO Rn. 6). Auch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, dass die vereinbarte Geltung italienischen Rechts unter der Bedingung gestanden hätte, dass der Kläger dauerhaft über die notwendigen "Zertifikate und Qualifikationen" verfüge. Die genannten "Zertifikate und Qualifikationen" waren Voraussetzung für die Einstellung des Klägers, nicht aber für die Anwendbarkeit italienischen Rechts. Jede andere Auslegung der Regelungen des Arbeitsvertrages verbietet sich angesichts des klaren Wortlauts.

2.

37

Diese Rechtswahl ist mit Art. 30 Abs. 1 EGBGB vereinbar. Danach darf bei Arbeitsverträgen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das italienische Recht wäre nach dieser Vorschrift auch dann das maßgebliche Recht, wenn die Parteien es nicht vereinbart hätten.

a)

38

Nach dem hier allein in Betracht kommenden Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB unterliegt ein Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet.

39

Nach dieser Regelanknüpfung verweist das objektive Arbeitsvertragsstatut zwar auf deutsches Recht. Die den Kläger einstellende Niederlassung der Beklagten befand und befindet sich in C-Stadt und der Kläger verrichtet seine Arbeit in der Regel nicht in einem und demselben Staat.

b)

40

Diese objektive Regelanknüpfung greift aber nach Art. 30 Abs. 2, 2. Halbs. EGBGB nicht. Danach gilt die nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EGBGB getroffene Zuordnung des Arbeitsverhältnisses nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden (BAG 03.05.1995 - 5 AZR 15/94; 09.07.2003 - 10 AZR 593/02 -). Maßgeblich ist die Gesamtheit der Umstände. Es muss eine Mehrzahl von Einzelumständen vorliegen, die auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweisen. Die Verbindung zu dem anderen Staat muss stärker sein als die durch die Regelanknüpfung zu dem Recht des Arbeitsorts oder der einstellenden Niederlassung hergestellte Beziehung. Primäre Anknüpfungskriterien sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitnehmers, also die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimension, also Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden (Schlachter in Anm. zu BAG 12.12.2001 - 5 AZR 255/00 - BAGE 100, 130). Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt.

c)

41

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zur Geltung italienischen Rechts. Sowohl die räumliche als auch die vertragsrechtliche Dimension des Arbeitsverhältnisses weisen im vorliegenden Fall objektiv eine deutlich vorherrschende italienische Prägung auf.

aa)

42

Für eine engere Beziehung des Arbeitsverhältnisse zu Italien als zur Bundesrepublik Deutschland spricht zunächst, dass die Beklagte ein italienisches Unternehmen mit Hauptsitz in Italien ist. Nachrangig ist entgegen der Auffassung des Klägers, dass die Beklagte mit einer Zweigniederlassung im Handelsregister des Amtsgerichts Rostock (Blatt 297 d. A.) eingetragen ist, denn dadurch unterliegen ihre Arbeitsverhältnisse nicht automatisch deutschem Recht. Allein durch die Errichtung einer Zweigniederlassung wird die als italienische Aktiengesellschaft firmierende Beklagte nicht zu einem deutschen Unternehmen.

43

Die größere Nähe zum italienischen Recht zeigt schließlich die Einbindung des Arbeitsverhältnisses in das italienische Sozialversicherungs- und Lohnsteuersystem (vgl. 03. des Anstellungsvertrages, Blatt 12. d. A.). Nach der Rechtsprechung des EuGH sind maßgeblich primär die Abgabepflichten in Bezug auf den Lohn. Dort wo der Arbeitnehmer Steuern auf seinen Lohn zahlt und dort, wo in die Sozialversicherung eingezahlt wird, liegt grundsätzlich der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses (EuGH, Urteil vom 12.09.2013, C-64/12, Schlecker). Weiter wird die größere Nähe zum italienischen Recht dadurch begründet, dass nach dem Arbeitsvertrag italienische Manteltarifverträge zur Anwendung kommen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als zunächst "Second" und dann als "Chief Engineer" der Natur der Tätigkeit nach auf den unter italienischer Flagge fahrenden Schiffen der Beklagten und damit auf italienischem Hoheitsgebiet stattfindet.

bb)

44

Für die Anwendung deutschen Rechts sprechen lediglich die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitz des Klägers, der Sitz der Zweigniederlassung in Deutschland und die Vertragssprache.

45

Das Kriterium der Staatsangehörigkeit der Arbeitsvertragsparteien kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn beide Vertragspartner dieselbe Staatsangehörigkeit haben; anderenfalls lässt sie keine Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zu (BAG 11.12.2003 - 2 AZR 627/02 Rn. 47 -). Auch der Wohnsitz des Klägers führt nicht zu einer größeren Nähe zum deutschen Recht, da dieser nicht das Zentrum seiner beruflichen Tätigkeit beinhaltete; eine Bedeutsamkeit für den Vertragszweck ist nicht ersichtlich. Die Vertragssprache ist angesichts der weiteren hier bewerteten Kriterien zu vernachlässigen. Die Tätigkeit des Klägers vollzog sich weder räumlich, noch inhaltlich im Wesentlichen im deutschen Sprachraum. Schließlich vermögen auch die insbesondere administrativen Zwecken dienende Tätigkeit der Zweigniederlassung in Deutschland und der damit verbundenen vom Kläger vorgetragenen Aufenthalte vor Ort keine engere Beziehung zum deutschen Recht zu begründen.

46

Die Vielzahl der Einzelumstände, die auf die italienische Rechtsordnung verweisen, verdrängen damit die durch die Regelanknüpfung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB an die deutsche Rechtsordnung hergestellte Beziehung.

47

Folglich findet italienisches Recht Anwendung, so dass das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung gelangt. Nur der Vollständigkeit halber ist ergänzend festzustellen, dass das Kündigungsschutzgesetz nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, nicht zu den Bestimmungen des deutschen Rechts nach Art. 34 EGBGB gehört, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln (BAG 24.08.1989 - 2 AZR 3/89 -).

48

Der Kündigungsschutzantrag (Antrag zu 1.), war daher wegen fehlender Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes abzuweisen. Eine Auslegung des Antrages als allgemeiner Feststellungsantrag war entbehrlich, da der Kläger einen entsprechenden Hilfsantrag (Antrag zu 2.) gestellt hatte

III.

49

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht über den 10.10.20210 hinaus fortbestanden. Die Beklagte war nach Art 2110 codice civile (künftig cc) des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren italienischen Rechts berechtigt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

50

Art. 2110 Satz 1 und 2 cc lauten:

51

"In caso d'infortunio, di malattia, di gravidanza o di puerperio, se la legge (o le norme corporative) non stabiliscono forme equivalenti di previdenza o di assistenza, è dovuta al prestatore di lavoro la retribuzione o un'indennità nella misura e per il tempo determinati dalle leggi speciali, (dalle norme corporative) dagli usi o secondo equità (att. 98).

52

Nei casi indicati nel comma precedente, l'imprenditore ha diritto di recedere dal contratto a norma dell'art. 2118, decorso il periodo stabilito dalla legge (dalle norme corporative), dagli usi o secondo equità."

53

"Bei Unfall, Krankheit, Schwangerschaft oder Mutterschaft steht dem Arbeitnehmer, wenn das Gesetz oder die Ständischen Vorschriften 1 ) keine gleichwertigen Formen der Vorsorge oder der Fürsorge festsetzen, die Entlohnung oder eine Entschädigung in dem Ausmaß und für die Zeit zu, wie sie von den Sondergesetzen, Ständischen Vorschriften 1), Gebräuchen oder von der Billigkeit bestimmt sind.

54

In den im vorhergehenden Absatz bezeichneten Fällen ist der Unternehmer berechtigt, nach Ablauf der vom Gesetz, von den Ständischen Vorschriften 1), von den Gebräuchen oder von der nach Billigkeit festgesetzten Frist vom Vertrag gemäß Artikel 2118 zurückzutreten."

55

1) Die Verweise auf die Ständischen Vorschriften sind heute als auf die in Dekreten mit Gesetzeskraft übernommenen Kollektivverträge (siehe Gesetz vom 14.7.1959, Nr. 741) und sogenannten Kollektivverträgen des allgemeinen Rechts bezogen und insofern als wirksam zu betrachten (siehe Artikel 2113)."
(zitiert nach: Italienisches Zivilgesetzbuch * Codice civile, zweisprachige Ausgabe, Verlagsanstalt Athesia, Bozen, 2004, Art. 2110).

56

Dem insoweit von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Ergebnis des Gutachtens folgend ist festzustellen, dass der allgemeine reale italienische Kündigungsschutz (tute le reale) kein Kündigungsverbot als solches beinhaltet. Es kommt für die Frage der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung lediglich darauf an, ob Art. 2110 cc überhaupt einschlägig ist und ob das in Art. 2110 cc enthaltene zeitweilige Kündigungsverbot, das "comporto" eingreift. Nach Art. 2110 cc kann sich der Unternehmer (Arbeitgeber) bei Unfall (infortunio), Krankheit (malattia) oder den beiden anderen aufgezählten, hier aber nicht maßgeblichen Gründen vom Arbeitsverhältnis einseitig lösen, wenn er die Frist des comporto einhält. Der comporto greift nur, wenn einer der Gründe vorliegt. Aus dem Umkehrschluss der Regelung ergibt sich, dass der Arbeitgeber nach dem Ablauf des comporto, sofern die Arbeitsunfähigkeit andauert, wegen der Krankheit kündigen kann (Ichino, a.o.O. S. 81 - zitiert nach dem Gutachten).

57

Dieses zu Grunde gelegt konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach italienischem Recht auflösen. Der Kläger war aufgrund des Unfalls im privaten Bereich erkrankt und wegen der erlittenen Verletzung nicht arbeitsfähig. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass im Sinne des Art. 2110 cc grundsätzlich dann von einer "malattia" auszugehen ist, wenn sie dazu führt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr arbeitsfähig ist. Anderenfalls gäbe es auch keinen Grund für einen Rücktritt/einer Kündigung vom Vertrag.

58

Die erforderliche Arbeitsunfähigkeit ist durch die bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegt worden. Davon geht die Kammer trotz des -bestrittenen- Vortrages des Klägers, bereits nach Anpassung der myoelektrischen Prothese wieder arbeitsfähig gewesen zu sein, aus. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellenden Arztes hat die Kammer nicht für zulässig gehalten. Bei einer solchen Beweisaufnahme hätte es sich um einen sogenannten Ausforschungsbeweis gehandelt. Erst die Beweisaufnahme hätte unter Umständen den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt, dass er bereits deutlich vor Ausspruch der Kündigung unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit arbeitsfähig war, bestätigt. Es fehlte an Vortrag des Klägers dazu, woraus sich die von ihm behauptete Arbeitsfähigkeit auch unter Berücksichtigung der berufsgenossenschaftlichen Vorgaben ergeben sollte, obwohl durchgängig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt worden waren. Eine bewusste Täuschung der Sozialversicherungsträger und der Beklagten durch den Arzt hat die Kammer -wie bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt- ausgeschlossen.

59

Grundsätzlich löste die Krankheit zunächst das Kündigungsverbot des Arbeitnehmers aus (vgl. Dei Punta, La sospensione dei rapporto di lavoro - malattia, infortunio, maternitä, servizio militare, Art. 2110 - 2111 [Wehrdienstregelung, Anm. des Gerichts], S. 3 ff.; Ichino, 11 contratto di lavoro, vol. 111, 2003, S. 48 ff. - zitiert nach dem Gutachter).

60

Da das comporto zum Zeitpunkt der Kündigung abgelaufen war, war die Kündigung zulässig. Mangels gesetzlicher oder kollektivrechtlicher Regelungen zum comporto kann nach dem Gutachten auf Gewohnheitsrecht zurückgegriffen werden. Danach sind die von der Beklagten herangezogenen 180 Tage als angemessen anzusehen. Diese Frist war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung lange verstrichen. Die Beklagte war folglich zur Kündigung berechtigt.

61

Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach oben Genanntem weiterhin nicht arbeitsfähig und damit krank im Sinne von Art. 2110 Abs. 1 cc. Die Kammer vermag sich nicht der Argumentation des Klägers anzuschließen, dass nach der Anpassung der myoelektrischen Prothese die Arbeitsunfähigkeit entfallen sei. Es mag zwar sein, dass der Kläger sich nach der Heilung seiner unmittelbaren Verletzung gesund gefühlt hat. Krankheit im Sinne von Art. 2110 cc ist jedoch gleichzusetzen mit der fehlenden Fähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In diesem Sinne unterliegt er einem Leiden, das es ihm nicht ermöglicht, die vertraglich geschuldeten Leistungen in vollem Umfang zu erbringen. Insoweit folgt die Kammer der Auffassung der Beklagten, dass die Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung auf Dauer nicht wieder hergestellt sein wird. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass ein 1. Offizier auf einem Kreuzfahrtschiff zum Schutz der Gesundheit und des Lebens aller Passagiere seediensttauglich sein muss und daher über alle Gliedmaßen, insbesondere beide Hände verfügen muss. So selten möglicherweise Havarien auftreten, müssen sie gleichwohl in Betracht gezogen werden. In derartigen Fällen muss jedes Bordmitglied uneingeschränkt in der Lage sein, bei den dann anstehenden Rettungsmaßnahmen direkt mit zuzufassen. Die angedeutete Auffassung des Klägers, dass sich in einem Havariefall ein Mannschaftsmitglied allein auf Weisungen beschränken könnte, ist aus Sicht der Kammer nicht haltbar.

62

Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Sie lässt sich unter dem Gesichtspunkt des berechtigten Grundes rechtfertigen (giustificato motivo). Nach der wohl herrschenden Meinung entfällt nach dem Ablauf des comporto eine nochmalige Prüfung des Vorliegens eines berechtigten Grundes (vgl. Dei Punta, a.a.O. S. 377 ff.; Vallauri, in: Grandi/Pera, Art. 2110 cc Anm. XII, S. 539 - zitiert im Gutachten).

63

Entgegen der im Kammertermin geäußerten Auffassung des Klägers gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der berechtigte Grund für die Kündigung, wenn nicht nach Ablauf von 180 Tagen gekündigt wird, verbraucht sein sollte. Dem Arbeitgeber muss die Möglichkeit erhalten bleiben, trotz Ablaufs der Frist nicht sofort das Arbeitsverhältnis beenden zu müssen.

IV.

64

Der Antrag auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses ist auch nicht nach Art. 34 EGBGB in Verbindung mit §§ 85 ff. SGB IX begründet. Nach § 85 SGB IX wäre die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, da die Beklagte vor Ausspruch derselben das Integrationsamt nicht beteiligt hatte. Der deutsche Schwerbehindertenschutz kommt hier jedoch auch nicht über Art. 34 EGBGB zur Anwendung.

1.

65

Nach Art. 34 EGBGB lassen die Kollisionsnormen des vertraglichen Schuldrechts die Anwendung derjenigen Bestimmungen des deutschen Rechts unberührt, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln (sog. Eingriffsnormen). Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Rechtsnormen sind zugleich nach Art. 34 EGBGB unabdingbar. Dies folgt für arbeitsrechtliche Vorschriften aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB. Diese Vorschrift wäre, soweit es die Anwendung deutschen Rechts angeht, überflüssig, wenn jede vertraglich unabdingbare arbeitsrechtliche Norm über Art. 34 EGBGB auf das Arbeitsverhältnis einwirken würde. Inländische Gesetze sind deshalb nur dann Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 EGBGB, wenn sie entweder ausdrücklich (so zB § 130 Abs. 2 GWB) oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen (BAG 12.12.2001 - 5 AZR 255/00 -; 03.05.1995 - 5 AZR 15/94 -; MünchKommBGB-Martiny 3. Aufl. EGBGB Art. 34 Rn. 6 f.; Erman/Hohloch BGB 10. Aufl. EGBGB Art. 34 Rn. 13). Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden (BAG 12.12.2001 - 5 AZR 255/00 -).

2.

66

Dieses zu Grunde gelegt, hat sich seit der auch vom Gutachter zitierten und von den Parteien für ihre jeweilige Auffassung herangezogenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Schwerbehindertenschutz (BAG 30.04.1987 - 2 AZR 192/86 -) nichts geändert. Das Bundesarbeitsgericht hatte in dieser Entscheidung ausgeführt, dass das damalige Schwerbehindertengesetz zugunsten der schwerbehinderten Arbeitnehmer Regelungen enthalte, die ihrer Natur nach dem Privatrecht zuzuordnen seien. Es wäre aber durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts insoweit überlagert, als das Gesetz die notwendige Mitwirkung einer Behörde bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gegen den Willen des Arbeitnehmers anordne, und zwar aus Gründen der öffentlich-rechtlichen Fürsorge. Bestimmungen öffentlich-rechtlicher Natur beruhten auf der Regelungsgewalt des Staates auf seinem Gebiet, dem Gebietsstatut, sie könnten daher auf Rechtsverhältnisse, die im Ausland wurzelten, im Grundsatz keine Anwendung finden (Hinweis auf RAG 9, 40 zu § 13 SchwBeschG). Der durch das Schwerbehindertengesetz ausgestaltete Kündigungsschutz gelte daher selbst dann nicht bei Arbeitsverhältnissen im Ausland, wenn deutsches Recht Arbeitsstatut sei. Dem Gesetzgeber sei zwar die Durchbrechung des Territorialprinzips möglich, dafür müsse er aber durch eine Regelung deutlich machen, dass er den Schwerbehindertenschutz zumindest bei Inlandshandlungen des Arbeitgebers wünsche.

3.

67

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist der Gesetzgeber zu dem dort angesprochenen Problemkreis untätig geblieben. Als die damaligen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes in das SGB IX integriert wurden, wären entsprechende Regelungen möglich gewesen. Dieses ist jedoch unterblieben. So findet sich der bisherige § 14 SchwbG, dem das Bundesarbeitsgericht das Territorialprinz entnommen hatte, in § 87 SGB IX wieder. Indizien, aus denen man das oben hergeleitete Gemeinwohlinteresse ableiten könnte, sind nicht erkennbar. Die alleinige Verzahnung mit öffentlichem Recht (s. anders Juncker, IPRax 2000, 65, 70) dürfte nicht genügen. Ein Indiz könnte das Arbeitnehmerendsendegesetz (AEntG) vom 26.02.1996 sein. Damit hat der deutsche Gesetzgeber Mindestarbeitsbedingungen für den grenzüberschreitenden Verkehr im Vorgriff auf die Entsende-RL 96/71/EG und Art. 49 EGV geschaffen und damit deutlich gemacht, welche gesamtgesellschaftlichen Ziele gesehen werden (s. § 1 AEntG). Anhaltspunkt bietet hier vor allem § 2 AEntG. Da das AEntG zwischenzeitlich mehrfach mit der Entsende-RL abgeglichen und überarbeitet worden ist, wird gerade an diesem Gesetz deutlich, welche grundsätzlichen sozialpolitischen Ziele innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestehen. Die Rechtsprechung in den Mitgliedsstaaten soll der Rechtsangleichung dienen. Obwohl hier Bestimmungen erwähnt sind, wie Mutterschutz, Arbeitsschutz und Mindesturlaub, findet sich trotz der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Regelung zum Schwerbehindertenschutz. Ein öffentliches Gemeinwohlinteresse, welches es rechtfertigt, von einer Eingriffsnorm im Sinne von Art. 34 EGBGB auszugehen, lässt sich in Bezug auf den Schwerbehindertenschutz daher nicht begründen.

4.

68

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt § 85 SGB IX auch nicht aus anderen Gründen zur Anwendung. Das Integrationsamt in C-Stadt ist nicht zuständig.

a)

69

Die Zuständigkeitsregelung des SGB IX knüpft an die Zugehörigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu einem inländischen Betrieb an. Nach § 87 SGB IX hat der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung bei dem für den Sitz des Betriebes zuständigen Integrationsamt zu beantragen, wobei der Begriff des Betriebes sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz bestimmt. Nach § 87 Abs. 2 SGB IX holt das Integrationsamt eine Stellungnahme des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung ein. Die Zuständigkeit des Integrationsamtes richtet sich nach dem Sitz des Betriebes, in dem der zu kündigende Schwerbehinderte beschäftigt ist.

70

Das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch einer Kündigung besteht daher nur für Arbeitsverhältnisse im Inland und solche Arbeitsverhältnisse im Ausland, bei denen der Arbeitnehmer trotz der vorübergehenden Entsendung einem inländischen Betrieb zugeordnet bleibt (sog. Ausstrahlung, BAG 30.04.1987 - 2 AZR 192/86 -).

b)

71

Danach lässt sich keine Zuständigkeit des Integrationsamtes begründen.

72

Der Kläger ist bei seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Chief Engineer fast ausschließlich auf Schiffen der Beklagten tätig. Nach dem Arbeitsvertrag wurde der Kläger "…beim Arbeitgeber für den Dienst an Bord der von C.- betriebenen Kreuzfahrtschiffen fest angestellt."

73

Die vom Kläger arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als 1. Offizier kann denklogisch nur auf einem Schiff und nicht an Land erbracht werden. Von einem nur vorübergehenden Einsatz im Ausland kann daher nicht ausgegangen werden. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn berücksichtigt wird, dass das jeweilige Schiff bei Ab- bzw. Anfahrt auch deutsche Hoheitsgewässer befährt.

74

Das jeweilige Schiff ist auch als Betrieb, zumindest als eigenständiger Betriebsteil anzusehen.

75

Bei einem Seeschiff handelt es sich nicht um ein einzelnes Betriebsmittel sondern um eine Gesamtheit verschiedenster Gegenstände, die mit Hilfe einer arbeitsteilig eingesetzten Gruppe von Arbeitnehmern zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten eigenständigen arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt wird. Aufgrund des erforderlichen arbeitsteiligen Einsatzes der Arbeitnehmer auf einem im Dienst befindlichen Seeschiff findet sich dort auch die für den Betriebsteilbegriff wesentliche betriebliche Teilorganisation. Die Anordnungsbefugnis obliegt dem mit arbeitgeberähnlichen Kompetenzen ausgestatteten Kapitän. Dieser auf einem Seeschiff festzustellenden eigenständigen Teilorganisation hat der Gesetzgeber in §§ 114 ff. BetrVG Rechnung getragen. Unabhängig vom allgemeinen Betriebsbegriff bezeichnet er dort die Gesamtheit der Seeschiffe eines Seeschifffahrtsunternehmens als Seebetrieb. Die einzelnen Seeschiffe sieht er als organisatorisch eigenständige Teileinheiten dieses Betriebes an, indem er für sie, wenn dort nur mehr als fünf Besatzungsmitglieder beschäftigt sind, die Wahl einer eigenen Bordvertretung mit Betriebsratsaufgaben vorsieht (BAG 18.03.1997 - 3 AZR 729/95 -).

76

Der Kläger ist damit fast ausschließlich auf organisatorisch eigenständigen Teileinheiten des Seebetriebs im Einsatz. Diese Betriebe existieren neben dem Betrieb der Beklagten in C-Stadt, der überwiegend administrative Aufgaben wahrnimmt. Ob der jeweilige Kapitän eine Befugnis zur Kündigung von Mitarbeitern hat, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Jedenfalls hat er, was auch vom Kläger eingeräumt wird, die Weisungsbefugnis an Bord.

77

Alleine der Umstand der Dienst- und Einsatzplanung durch den Betrieb in C-Stadt, die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in Deutschland sowie Auswertungen in C-Stadt vermögen aus Sicht der Kammer keine Ausstrahlungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu begründen, die eine Zugehörigkeit zu dem Betrieb in C-Stadt zur Folge hätte. Das Integrationsamt in C-Stadt ist folglich nicht zuständig.

5.

78

Das italienische Arbeitsrecht kennt ausweislich des Gutachtens keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte. Der Schutz von Schwerbehinderten ist Gegenstand des Legge 12 marzo 1999 no. 68 "Norme per il diritto dei lavoro dei disabili". Es regelt den geschützten Personenkreis (Radoccia in Henssler/Braun, Arbeitsrecht in Europa, 3. Auflage, Dr. Otto Schmidt KG, Individualarbeitsrecht Italien Rn. 166), sieht Zwangszuweisungen und -einstellungen Schwerbehinderter vor und regelt die Verfahrensweise der staatlichen Überprüfung, bis hin zu Strafmaßnahmen (Radoccia, a.a.O. Rn. 172, 173). Darüber hinaus sieht Art. 10 Gesetz 68/1999 Informationspflichten des Arbeitgebers vor, wenn er einem Schwerbehinderten kündigen will. Im Umkehrschluss lässt sich dem Gutachten zufolge daraus entnehmen, dass ein Schwerbehinderter wie jeder andere Arbeitnehmer den üblichen Kündigungsbeschränkungen unterliegt (Corte costituzionale bei Grandi/Pera, Art. 10 Anm. VI, S. 1528; Denaro, 11 licenziamento individuale nel raporto di lavoro privato, 1984, S. 1279 ff.; Corte di Cassazione, 17.01.1983, zit. InAlbini/CrespilDi Seri, 11 nuovo diritto allavoro die disabili, 2000, S. 293 FN 204) - zitiert nach dem Gutachter). Auch der codice navigazione enthält für schwerbehinderte Seeleute keine besonderen Vorschriften.

V.

79

Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte sich widersprüchlich verhalten hätte.

80

Dabei handelt es sich um ein Rechtsinstitut der Verwirkung, das es ausweislich des Gutachtens ohne gesetzliche Regelung auch im italienischen Zivilrecht unter den Begriffen "perenzione", "decadenza" oder "rinuncia tacita" gibt. Die Verwirkung ist unter dem Gesichtspunkt des ordre public durch ein Gericht lex fori von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Art. 6 EGBGB).

81

Die Ausübung von Rechten kann unzulässig sein, wenn sie zum früheren Verhalten im Widerspruch steht (venire contra factum proprium). Es steht jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr zwar grundsätzlich frei, sein Verhalten oder seine Rechtsansichten zu ändern und sich damit in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten zu setzen. Ein solches Verhalten ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn der Erklärende durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten unbewusst oder bewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat (BAG 16.02.2012 - 6 AZR 553/10 -; 18.10.2000 - 2 AZR 494/99 -) Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden Unter dieser Prämisse konnte kein Vertrauensschutz beim Kläger entstehen. Es kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass man ihm angeraten hat, ein neues Seediensttauglichkeitszeugnis zu beantragen und vorerst während der Erkrankung bzw. Krankschreibung nicht kündigen zu wollen. Ein Vertrauen darauf, dass der Kläger dauerhaft nicht mit einer Kündigung rechnen musste, konnte bei ihm Kläger als Erklärungsempfänger jedoch nicht entstehen. Die Beklagte hat für ihn erkennbar deutlich gemacht, dass sie ihn nach dem Unfall nicht mehr für seetauglich gehalten hat. Dieses wurde bestätigt durch die Nichterteilung des Seediensttauglichkeitszeugnisses durch die zuständige Berufsgenossenschaft.

82

Unabhängig davon, ob die vom Kläger behaupteten Zusagen so und von tatsächlich berechtigten Personen getätigt wurden, konnte der inzwischen anwaltlich vertretene Kläger spätestens seit dem Antwortschreiben der Beklagtenvertreter vom 15.07.2010 (Blatt 332f. d. A.) nicht darauf vertrauen, dass er wieder an Bord eingesetzt werden würde. Die Beklagte hat unmissverständlich dargelegt, dass sie von einer dauerhaft fehlenden Tauglichkeit des Klägers für einen Einsatz an Bord ausgehe.

VI.

83

Die Kündigung ist auch nicht nach §§ 7 AGG, 134 BGB unwirksam. Diese Vorschriften kommen nach oben Ausgeführtem nicht zur Anwendung, da zwischen den Parteien wirksam die Anwendung italienischen Rechts vereinbart worden war.

84

Nur der Vollständigkeit halber sei auf das Vorbringen des Klägers hingewiesen, dass schon Zweifel bestehen, ob der Anwendungsbereich des AGG überhaupt betroffen ist. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht wegen seiner Behinderung, sondern wegen der länger als 180 Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit gekündigt worden. Mit der Kündigungserklärung hat sich die Beklagte eines zulässigen Gestaltungsmittels zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bedient. Sie hat die Kündigung auf Gründe in der Person des Klägers - konkret: die in der Vergangenheit aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten - gestützt. Die Äußerung eines Beendigungswillens des Arbeitsverhältnisses mag für den Erklärungsempfänger ungünstig und nachteilig sein. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber einem anderen, nicht behinderten Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder auch nur ähnlichem Umfang keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde. Dies behauptet der Kläger auch nicht.

85

Den klägerseitigen Vortrag, dass die Kündigung wegen der fehlenden Hand erfolgt ist, als zutreffend unterstellt, würde hier § 8 Abs. 1 AGG zur Anwendung kommen. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn sie

86

" … wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung wesentlich und entscheidend im Hinblick auf die beruflichen Anforderungen ist. Dabei muss der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sein."

87

Vorliegend besteht die Anforderung in einer Seediensttauglichkeitsbescheinigung, ohne die kein Besatzungsmitglied an Bord tätig sein kann. Nach Ziffer 20 der Anlage 1 der Seediensttauglichkeitsverordnung ist ein Seemann seedienstuntauglich bei "Fehlen eines Gliedes". Die Beklagte wie auch die zuständige Berufsgenossenschaft sind nachvollziehbar davon ausgegangen, dass dem Kläger keine Seediensttauglichkeitsgenehmigung erteilt werden kann und er trotz der Prothese nicht uneingeschränkt an Bord eingesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht von einer Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe auszugehen.

88

Höchst vorsorglich ist auf den Klägervortrag zur Anwendbarkeit italienischen Rechts im Zusammenhang mit Diskriminierung nach ausführlicher Prüfung der Kammer festzustellen, dass das italienische Recht keine Normen enthält, die ein für den Kläger günstigeres Ergebnis zulassen.

VII.

89

Der Antrag zu 3. (Weiterbeschäftigung) stand nicht zur Entscheidung an, da das Arbeitsverhältnis der Parteien am 10.10.2010 endete.

C.

90

Der vom Kläger im Kammertermin beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren. Der letzte Schriftsatz der Beklagten wie auch die Ausführungen des Gerichts zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 7 AGG betrafen ausschließlich Rechtsfragen. Gleichwohl hat die Kammer die zwischenzeitlich von beiden Parteien schriftsätzlich vorgetragenen ergänzenden Rechtsausführungen bei ihrer Entscheidung berücksichtigt.

91

Die Kammer hat auch keine Veranlassung gesehen, die vom Kläger formulierten Vorfragen dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

D.

92

Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

93

Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht, § 72 Abs. 2 ArbGG. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung. Bei der Frage der Unwirksamkeit der Kündigung nach den §§ 85 ff. SGB IX befindet sich die Kammer im Einklang mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.04.1987 - 2 AZR 192/86 -.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

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Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

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(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt

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Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG 2009 | § 2 Allgemeine Arbeitsbedingungen


(1) Die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen über folgende Arbeitsbedingungen sind auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehm

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 87 Verfahren des Beirats


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Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Aug. 2012 - 8 AZR 394/11

bei uns veröffentlicht am 23.08.2012

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. September 2010 - 10 Sa 333/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Feb. 2012 - 6 AZR 553/10

bei uns veröffentlicht am 16.02.2012

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Juni 2010 - 2 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Apr. 2011 - 5 AZR 171/10

bei uns veröffentlicht am 20.04.2011

Tenor 1. Auf die Revisionen des Klägers und des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revisionen im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10.

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Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Hat jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.

(2) Der Gerichtsstand der Niederlassung ist auch für Klagen gegen Personen begründet, die ein mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigentümer, Nutznießer oder Pächter bewirtschaften, soweit diese Klagen die auf die Bewirtschaftung des Gutes sich beziehenden Rechtsverhältnisse betreffen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. September 2010 - 10 Sa 333/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens.

2

Der Beklagte wurde von der Klägerin als Projektentwickler seit dem 1. Januar 2002 in Chile beschäftigt. Seine Einkünfte musste er auch in Chile versteuern. Der Vertrag zur Beschäftigung des Beklagten im Ausland sah vor, dass er der Klägerin entsprechende Bestätigungen der Steuerbehörden in Chile unaufgefordert vorlegt. Die Klägerin sollte die Kosten für einen vom Beklagten ausgewählten Steuerberater tragen. Sofern der Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben sollte, wurde München als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart, außerdem wurde die Geltung deutschen Rechts bestimmt.

3

Um den Beklagten wirtschaftlich vor einer Doppelbesteuerung zu bewahren, schlossen die Parteien am 23. September 2002 einen Darlehensvertrag, in dem ua. bestimmt wurde:

        

㤠1 Arbeitgeberdarlehen

        

1.    

Der Arbeitgeber gewährt dem Mitarbeiter ein unverzinsliches Darlehen. Die Höhe entspricht der abzuführenden Einkommensteuer in Chile für das jeweilige Kalenderjahr. Für das Jahr 2002 werden für die Monate Januar bis August € 20.649,94 gewährt; zahlbar Ende August 2002. Ab dem Monat September ein Betrag von monatlich € 3.250,00. Der monatliche Betrag wird den jeweils aktuellen Verhältnissen angepasst. Jede Änderung ist unverzüglich vom Mitarbeiter zu melden.

        

...     

        
        

3.    

Das Darlehen wird für die Dauer gewährt, in denen der Mitarbeiter nach Chile entsandt ist. Sollte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen werden; endet die Darlehenszahlung mit dem Vormonat ab dem eine Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt vorliegt.

        

§ 2 Rückzahlung des Darlehensbetrages

        

1.    

Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr. Die Rückzahlung hat 8 Tage nach Zugang des deutschen Einkommensteuerbescheides für das abgelaufene Kalenderjahr zu erfolgen, spätestens jedoch zum 30.09. des Folgejahres.

        

2.    

Eine vorzeitige Tilgung des Darlehens ist möglich.

        

§ 3 Fälligkeit bei Ausscheiden des Mitarbeiters

        

Scheidet der Mitarbeiter vor vollständiger Darlehensrückzahlung aus den Diensten des Arbeitgebers aus, ist die noch offene Darlehensschuld mit dem Tage des Ausscheidens in einer Summe fällig.“

4

In Erfüllung des Darlehensvertrages zahlte die Klägerin in den Jahren 2002, 2003 und 2004 insgesamt 111.649,94 Euro an den Beklagten. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Befristung am 31. Dezember 2004.

5

Bis Mitte Mai 2004 hatte der Beklagte in einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten Wohnung in Santiago de Chile gelebt, sodann ist er dort an seine aktuelle Adresse verzogen. Zudem war der Kläger bis 31. Oktober 2005 in Deutschland unter der Anschrift seiner Eltern in B gemeldet, was auch als deutsche Kontaktadresse diente.

6

Auf der Basis eines entsprechenden Steuerbescheides wurden dem Beklagten im Jahr 2004 die für das Jahr 2002 abgeführten Steuern durch den deutschen Fiskus erstattet. Insoweit sind die Parteien vor dem Arbeitsgericht übereingekommen, dass die Rückzahlung des Darlehens für 2002 erst mit Zustellung des Steuerbescheides fällig sein sollte und nicht schon zum 30. September 2003, spätestens jedoch zum Fälligkeitszeitpunkt des § 3 des Darlehensvertrages. Eine entsprechende Steuererstattung für 2003 erfolgte im Jahr 2007 und für das Jahr 2004 im Jahr 2008.

7

Im Januar 2005 schickte die Klägerin ein Schreiben an die deutsche Adresse des Beklagten, dessen Annahme verweigert wurde. Daraufhin wandte sie sich mit einer E-Mail vom 17. Januar 2005 an den Beklagten, mit der sie ihn aufforderte, die Darlehensschuld binnen vier Tagen per Fax anzuerkennen, andernfalls sie den Rechtsweg beschreiten werde. Der Beklagte reagierte nicht. Eine Melderegisterauskunft vom 29. März 2007 gab nur noch die aktuelle Wohnanschrift des Beklagten in Chile an.

8

Mit der am 31. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des darlehensweise gewährten Betrags von 111.649,94 Euro.

9

Nach Übersetzung von Klageschrift und Anlagen sowie Legalisierung der Unterschrift der Kammervorsitzenden hat das Arbeitsgericht die Zustellung der Klageschrift im Rechtshilfeverkehr mit Chile eingeleitet und mit Verfügung vom 9. April 2008 die Klägerin ua. auf eine Mindestzustellzeit von sechs Monaten hingewiesen. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Chile bestätigte mit Schreiben vom 30. Juli 2008 die Weiterleitung des Zustellungsantrages mit Verbalnote vom 20. Juli 2008 an den chilenischen Obersten Gerichtshof und teilte mit, dass über den weiteren Fortgang der Angelegenheit unaufgefordert unterrichtet werde.

10

Im ersten Gütetermin vom 18. Dezember 2008 hat die Vorsitzende dem allein erschienenen Klägervertreter mitgeteilt, dass noch kein Zustellnachweis vorliegt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2009 hat der Klägervertreter beim Arbeitsgericht um Mitteilung des Sachstands gebeten, was das Gericht zu einer Anfrage bei der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile vom 15. Juni 2009 veranlasste. Die Zustellung der Klage an den Beklagten erfolgte dann am 31. Juli 2009 an seiner Wohnanschrift.

11

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, alles veranlasst zu haben, um eine demnächst erfolgende Zustellung zu ermöglichen. Die Zustellungsdauer in Chile habe sie nicht zu vertreten, vielmehr sei diese den besonderen Umständen einer Auslandszustellung in Chile geschuldet. Daher sei sie auch 19 Monate nach Einreichung der Klage noch „demnächst“ erfolgt. Der Beklagte erhebe rechtsmissbräuchlich die Einrede der Verjährung.

12

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 111.649,94 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2005 zu zahlen.

13

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und dazu die Meinung vertreten, dass § 167 ZPO auch dem Schuldnerschutz diene. Es gebe für die Zustellung mit Rückwirkung eine Zeitgrenze von neun bis zehn Monaten nach Klageeinreichung. Danach überwiege das Interesse des Schuldners an der eingetretenen Verjährung. Zudem habe er seinen Wohnsitz seit 2004 nicht gewechselt, die Klägerin hätte schon vorher Klage erheben können.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts zugelassenen Revision (Beschluss vom 18. Mai 2011 - 10 AZN 213/11 -) verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Beklagten ist unbegründet, da er zur Rückzahlung des ihm gewährten und der Höhe nach unstreitigen Darlehens nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie zur Zahlung der geltend gemachten Zinsen nach § 308 ZPO iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB verpflichtet ist. Der Rückzahlungsanspruch ist nicht verjährt.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei nicht nach § 214 Abs. 1 BGB zur Verweigerung der Darlehensrückzahlung wegen eingetretener Verjährung berechtigt. Die am letzten Tag der Verjährungsfrist, dem 31. Dezember 2007, eingereichte und am 31. Juli 2009 zugestellte Klage habe die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), da die Zustellung auch angesichts eines verstrichenen Zeitraums von 19 Monaten noch „demnächst“ erfolgt sei (§ 167 ZPO). „Demnächst“ sei nicht allein zeitlich zu verstehen. Die Vorschrift schütze vor Verzögerungen in der Klagezustellung, auf die kein Einfluss genommen werden könne und an denen eine klagende Partei keine Mitschuld trage. Die durch die Auslandszustellung in Chile verursachten Verzögerungen müsse sich die Klägerin nicht zurechnen lassen. Die ihr obliegenden Angaben in der Klageschrift habe die Klägerin korrekt gemacht, die gesamte Verjährungsfrist habe sie ausschöpfen und erst am letzten Tag der Frist Klage erheben dürfen.

17

B. Diese Entscheidung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

I. Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig.

19

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch unter der Geltung von § 545 Abs. 2 ZPO eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung(vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 562/08 - Rn. 14, AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 23 = EzA ZPO 2002 § 38 Nr. 1; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 16, BAGE 125, 24 = AP EGBGB nF Art. 27 Nr. 8 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 9; 16. Februar 2000 - 4 AZR 14/99 - zu I der Gründe, BAGE 93, 328 = EzA TVG § 4 Seeschiffahrt Nr. 1; GMP/Prütting 7. Aufl. Einleitung Rn. 275).

20

2. Die internationale Zuständigkeit ist nach den Regelungen der EuGVVO zu beurteilen, die den nationalen zivilprozessualen Regelungen vorgeht (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 562/08 - Rn. 15 mwN, AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 23 = EzA ZPO 2002 § 38 Nr. 1; 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 26, BAGE 132, 182 = AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4), seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der EU gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV, entspr. ex Art. 249 Abs. 2 EG).

21

3. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich für den vorliegenden arbeitsrechtlichen, also zivilrechtlichen Streit aus Art. 24 EuGVVO. Danach wird das Gericht eines Vertragsstaates jedenfalls dann zuständig, wenn sich die beklagte Partei vor ihm auf das Verfahren eingelassen hat. Der Begriff der rügelosen Einlassung ist autonom auszulegen und so zu verstehen, dass jede Verteidigungshandlung genügt, die auf eine Klageabweisung zielt (vgl. BAG 2. Juli 2008 - 10 AZR 355/07 - Rn. 23, BAGE 127, 111 = AP Verordnung Nr. 44/2001/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 3; Musielak/Stadler Art. 24 EuGVVO Rn. 3; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. Art. 24 EuGVO Rn. 8). Der Beklagte hat im Gütetermin erklärt, die Rüge der örtlichen Zuständigkeit nicht aufrecht zu erhalten und dies später durch Schriftsatz vom 9. März 2010 bestätigt. Damit liegt eine rügelose Einlassung auch zur internationalen Zuständigkeit im Sinne von Art. 24 EuGVVO vor. Unerheblich ist es, dass der Beklagte in keinem Mitgliedsstaat der EU einen Wohnsitz hat (vgl. MünchKommZPO/Gottwald aaO; Musielak/Stadler aaO; Hk-ZPO/Dörner Art. 24 EuGVVO Rn. 1). Da die rügelose Einlassung vorrangig ist (EuGH 7. März 1985 - C-48/84 - [Spitzley] Slg. 1985, 787), kommt es auf die in § 12 des Auslandsbeschäftigungsvertrages getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nicht an.

22

II. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung.

23

1. Die Frage des auf den Streitfall anzuwendenden Rechts bestimmt sich nach Art. 27 EGBGB aF. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom-I-VO) findet erst auf die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossenen Verträge Anwendung, Art. 28 VO 593/2008/EG. Infolge dieser intertemporalen Kollisionsnorm sind für die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge weiter die Art. 27, 30 und 34 EGBGB aF anzuwenden(vgl. HWK/Tillmanns 5. Aufl. Art. 3, 8, 9 Rom-I-VO Rn. 8; MünchKommBGB/Martiny 5. Aufl. Art. 28 Rom I-VO Rn. 4; DFL/Krebber 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 Rom I-VO Rn. 4; Palandt/Thorn 71. Aufl. (IPR) Rom I Vorbemerkung Rn. 1).

24

2. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl soll ausdrücklich erfolgen, kann sich aber auch aus den Umständen des Falles ergeben, Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Ist die Rechtswahl nicht ausdrücklich erfolgt, muss sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24 = AP EGBGB nF Art. 27 Nr. 8 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 9; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130 = AP EGBGB nF Art. 30 Nr. 10 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 5; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19). Die Rechtswahl muss nicht zwingend bei Vertragsschluss erfolgen, sondern kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB.

25

3. In § 12 Abs. 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Auslandsbeschäftigungs-/Entsendevertrages vom 6. Dezember 2002 ist für den Fall des Fehlens eines allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten in Deutschland bestimmt, dass München als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart wird, die sich in beiderseitigem Einvernehmen nicht klären lassen; sie sollen nach deutschem Recht entschieden werden. Damit haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls alle mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Streitigkeiten nach deutschem Recht zu beurteilen sind. Der am 23. September 2002 geschlossene Darlehensvertrag steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem geschlossenen Arbeitsvertrag, wie sich § 1 des Darlehensvertrages entnehmen lässt. Danach entspricht die Darlehenshöhe der in Chile abzuführenden Einkommenssteuer (§ 1 Nr. 1) und die Gewährung des Darlehens erfolgt für die Dauer, die der Mitarbeiter nach Chile entsandt ist. Eine solche Streitigkeit über die Rückzahlung des im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährten Darlehens soll nach dem Parteiwillen nach deutschem Recht beurteilt werden.

26

III. Dem aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB folgenden Rückzahlungsanspruch der Klägerin in unstreitiger Höhe von 111.649,94 Euro kann der Beklagte kein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht aus § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Der Eintritt der Verjährung wurde nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die am 31. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht München eingereichte Klage gehemmt.

27

1. Die Verjährungsfrist endete für sämtliche Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehensvertrag am 31. Dezember 2007.

28

a) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Entstanden ist ein Anspruch, wenn er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 Abs. 2 Halbs. 1 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann (vgl. BGH 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07 - Rn. 17, NJW-RR 2009, 378; Palandt/Ellenberger 71. Aufl. § 199 BGB Rn. 3).

29

b) Abweichend von § 2 Nr. 1 Satz 2 des Darlehensvertrages haben die Parteien vereinbart, dass die Rückzahlung des Darlehens für 2002 erst mit Zustellung des Steuerbescheides, also im Verlauf des Jahres 2004 fällig geworden sein sollte und nicht, wie ursprünglich im Vertrag vorgesehen, zum 30. September 2003. Damit begann die Verjährungsfrist auch für den Rückzahlungsanspruch, das Jahr 2002 betreffend, mit Ablauf des 31. Dezember 2004 als dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Das Gleiche gilt für den Rückzahlungsanspruch der im Jahre 2003 geflossenen Darlehensbeträge, die nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Darlehensvertrages zum 30. September 2004 fällig wurden. Der Fälligkeitszeitpunkt hinsichtlich der Darlehenszahlung für das Jahr 2004 ist nach § 3 des Darlehensvertrages der 31. Dezember 2004. Damit ist die Klage hinsichtlich aller Teilansprüche innerhalb der mit Ablauf des 31. Dezember 2007 endenden Verjährungsfrist eingereicht worden.

30

2. Die Zustellung der Klage an den Beklagten am 31. Juli 2009 hemmt nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung, da sie zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist, jedoch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO vorgenommen wurde.

31

a) Ob eine Klagezustellung „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt ist, kann nicht aufgrund einer rein zeitlichen Betrachtungsweise entschieden werden. Vielmehr ist der Begriff ohne eine absolute zeitliche Grenze im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Da die Zustellung von Amts wegen geschieht und Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs nicht von der die Zustellung veranlassenden Partei beeinflusst werden können, muss diese vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des Geschäftsbetriebs der Gerichte geschützt werden. Verzögerungen der Zustellung, die durch die Sachbearbeitung des Gerichts verursacht sind, muss sich der Kläger grundsätzlich nicht zurechnen lassen; dies gilt auch bei mehrmonatigen Verzögerungen (st. Rspr., vgl. BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6, WuM 2011, 540; 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 17, BGHZ 168, 306; 9. Februar 2005 - XII ZB 118/04 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2005, 1194; 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 145, 358; 26. September 1957 - II ZR 267/56 - zu II 1 a der Gründe, BGHZ 25, 250).

32

b) Allerdings muss der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben, sofern es nicht ohnehin zu einer nur geringfügigen Verzögerung gekommen ist (vgl. BGH 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 18, BGHZ 168, 306; 9. Februar 2005 - XII ZB 118/04 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2005, 1194; 6. April 1972 - III ZR 210/69 - NJW 1972, 1948 zu § 261b Abs. 3 ZPO aF). Einer Partei sind nur solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. „Demnächst“ im Wortsinn bedeutet, dass die Zustellung der „dem“ Einreichen der Klage „nächste“ Schritt sein können muss. Daran fehlt es in der Regel bei Mängeln der Klageschrift, etwa wenn die Angabe einer falschen oder unzureichenden Anschrift des Beklagten erfolgte (BGH 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe mwN, BGHZ 145, 358). Ebenso fehlt es an einer ohne Weiteres, also „demnächst“ möglichen Zustellung, wenn der zu leistende Gerichtskostenvorschuss nicht oder nach seiner Anforderung nicht innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt (vgl. BGH 16. Januar 2009 - V ZR 74/08 - Rn. 16, BGHZ 179, 230).

33

c) Für eine solche Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

34

aa) § 190 der Zivilprozessordnung vom 30. Januar 1877 sah für Auslandszustellungen und öffentliche Zustellungen vor, dass die Wirkung der Zustellung bereits mit Überreichung des Gesuchs eintritt. Bereits nach der Gesetzesbegründung hierzu wurde darauf verwiesen, dass in solchen Fällen die Partei zur Bewirkung einer Zustellung ihrerseits nichts „weiter thun kann, als bei dem Gerichte ein begründetes Gesuch anzubringen, und die rechtzeitige Zustellung von prompter Rechtshülfe der Behörden und einer Anzahl zufälliger Umstände abhängig ist“ (vgl. Hahn/Mugdan Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 2. Aufl. Bd. 2 Begründung zu § 183 S. 234; Gaupp Die Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich 1881 § 190 S. 490).

35

bb) Im Übrigen wurde erst zum 1. Juni 1909 für den Amtsgerichtsprozess die Zustellung von Amts wegen anstelle des Parteibetriebs eingeführt (§ 496 ZPO in der ab dem 1. Juni 1909 geltenden Fassung). Der erste veröffentlichte Entwurf zu § 496 Abs. 3 ZPO aF sah vor, dass eine Rückwirkung nur dann erfolgt, wenn die Zustellung binnen einer Frist von zwei Wochen, bei Zustellungen mittels Ersuchens anderer Behörden oder Beamten(im Ausland) oder mittels öffentlicher Zustellung binnen einer Frist von sechs Monaten durchgeführt ist. Dieses Zeiterfordernis wurde im Gesetzgebungsverfahren später fallen gelassen und durch den Ausdruck „demnächst“ ersetzt (§ 496 Abs. 3 ZPO aF). Hieraus ergibt sich, dass es für die Rückwirkung der Zustellung auf ihre tatsächliche Ausführung ankommen sollte, nicht aber, dass von einer zeitlichen Grenze für die Zustellung auszugehen ist. Bereits das Reichsgericht erkannte daraufhin, dass der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass der Weg der gesetzlichen Festlegung eines äußersten Zustellungstermins nicht gangbar sei, jedenfalls im Interesse der Parteien nicht eingeschlagen werden solle (RG 8. Dezember 1922 - III 120/22 - RGZ 105, 422, 425). Der Begründung zu § 32 des „Gesetzes betreffend die Gewerbegerichte“ vom 29. Juli 1890, auf dessen entsprechende Regelungen der Entwurf zu § 496 ZPO aF zurückgriff, ist nichts anderes zu entnehmen(vgl. Materialien zum Gesetz betreffend die Gewerbegerichte vom 29. Juli 1890, Begründung des Entwurfs vom 6. Mai 1890 § 21 S. 27, § 26 S. 29 entsprechend § 32 Abs. 4 Gewerbegerichtsgesetz idF vom 29. September 1901).

36

d) Das Gebot des fairen Verfahrens, den Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, verbietet es, etwaige Fristversäumnisse, die auf Verzögerungen durch das Gericht beruhen, dem Bürger anzulasten. In Fristfragen muss für den Rechtssuchenden erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG 29. August 2005 - 1 BvR 2138/03 - NJW 2005, 3346; 28. Juli 1993 - 1 BvR 1464/91 -, - 1 BvR 1623/91 - AP GG Art. 2 Nr. 37). Daher ist entgegen der Auffassung der Revision eine „Abwägung der widerstreitenden Interessen“ zur Bestimmung des Begriffs „demnächst“ abzulehnen. Der klagenden Partei kann nicht die Verantwortung für solche Verzögerungen der Zustellung aufgebürdet werden, auf die sie keinen Einfluss hat und die ausschließlich im Geschäftsablauf des zustellenden Gerichts begründet sind (BGH 6. April 1972 - III ZR 210/69 - NJW 1972, 1948). Der Kläger, der seinerseits bereits alles für eine ordnungsgemäße Klagezustellung getan hat, darf erwarten, dass in dieser prozessualen Situation das Gericht im Weiteren das Zustellungsverfahren in eigener Zuständigkeit ordnungsgemäß betreibt (BGH 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 23, BGHZ 168, 306).

37

3. Mit der Klageeinreichung am 31. Dezember 2007 hatte die Klägerin alles für eine Zustellung Gebotene getan. Zu nicht nur geringfügigen Verzögerungen, welche die Klägerin oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können, ist es nicht gekommen.

38

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt es keine Verzögerung der Zustellung dar, dass die Klägerin die Klage erst am letzten Tag der Verjährungsfrist bei Gericht eingereicht hat. Die Klägerin durfte die Verjährungsfrist bis zur Grenze ausnutzen, ohne dass ihr dies als Verschulden angerechnet wird (BGH 18. Mai 1995 - VII ZR 191/94 - zu II 2 c der Gründe, NJW 1995, 2230; 27. Mai 1993 - I ZR 100/91 - NJW 1993, 2320; 7. April 1983 - III ZR 193/81 - zu II 1 der Gründe, MDR 1984, 124).

39

b) Mit der Einreichung der Klageschrift und der Angabe der Adresse des Beklagten in Chile hatte die Klägerin alles Erforderliche getan, um die Auslandszustellung einzuleiten. Insbesondere hatte die Klägerin keinen Kostenvorschuss zu leisten, da nach § 11 GKG in den Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen Kostenvorschüsse nicht erhoben werden.

40

c) Dass es zunächst bis zum 20. Juli 2008 dauerte, bis die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland den Zustellungsantrag über das chilenische Außenministerium an den chilenischen Obersten Gerichtshof weiterleiten konnte, war den für die Auslandszustellung notwendigen Vorbereitungen geschuldet. Zunächst hatte das Arbeitsgericht zu prüfen, ob es einschlägige Staatsverträge gibt, und die für Auslandszustellungen ergangenen Ausführungsregelungen zu ermitteln und im Anschluss die dort genannten Anforderungen zu erfüllen. Hierfür trug allein das Gericht, nicht aber die Klägerin die Verantwortung; die Verantwortung für die korrekte und effiziente Durchführung des Verfahrens bei Zustellungen im Ausland liegt nach der gesetzlichen Regelung allein bei den Justizbehörden (vgl. BGH 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - zu III 2 b cc der Gründe, NJW 2003, 2830; MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Rohe 3. Aufl. § 183 ZPO Rn. 43).

41

d) Eine im Ausland zu bewirkende Zustellung erfolgt durch das Gericht. Die Zustellung der Klageschrift (§ 271 ZPO) hatte auf Veranlassung der Vorsitzenden (vgl. MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 9 f.) nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der bis zum 12. November 2008 geltenden Fassung unter Beachtung der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) vom 19. Oktober 1956 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 1976, nach dem zuletzt veröffentlichen Stand vom Februar 2005 (abgedruckt in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Teil G I) zu erfolgen. Da im Verhältnis zu Chile weder multilaterale (bspw. das Haager Zustellübereinkommen 1965) noch bilaterale Abkommen bei der Zustellung zur Anwendung kommen (sog. vertragsloser Rechtshilfeverkehr; vgl. Länderteil ZRHO), ergeben sich die Einzelheiten zur Zustellung allein aus der ZRHO.

42

aa) In Chile ist für förmliche Zustellungen weder der konsularische Weg noch der unmittelbare Verkehr zugelassen. Deshalb hatte das Gericht den diplomatischen Weg (§ 6 Abs. 2 ZRHO) als umständlichen und zeitraubenden, aber einzig verbliebenen Weg zu wählen (vgl. MünchKommZPO/Häublein § 183 Rn. 11). Dem Ersuchen waren ein Begleitschreiben (§ 22 ZRHO) und beglaubigte Übersetzungen (§ 25 ZRHO) sämtlicher Anlagen beizufügen. Für eine in Chile zu bewirkende Zustellung war auch eine Legalisation der Unterschrift der Vorsitzenden (§ 18 ZRHO) notwendig. Im Anschluss hatte die Prüfstelle iSv. § 9 ZRHO, dh. die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, das Ersuchen nach einer Prüfung weiterzuleiten (§ 29 ZRHO). Bereits diese notwendigen Schritte zur Übergabe des Zustellungsersuchens an chilenische Behörden nahmen naturgemäß eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch.

43

bb) Mit Verbalnote vom 20. Juli 2008 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Santiago de Chile dann das Zustellungsersuchen über das chilenische Außenministerium an den chilenischen Obersten Gerichtshof weitergeleitet. Selbst innerhalb der EU sind für Auslandszustellungen ein bis drei Monate, in Spanien sechs Monate zu veranschlagen (Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 674). Die Dauer der Zustellung, die allein auf die Zeit zwischen Weiterleitung des Zustellungsgesuchs an die chilenischen Behörden im Juli 2008 bis zur Zustellung an den Beklagten am 31. Juli 2009 entfiel, entspricht der üblicherweise in Chile für eine Auslandszustellung zu veranschlagenden Zeit. Das Auswärtige Amt führt eine Liste zu Fragen des Übermittlungswegs für Auslandszustellungen, der - auf der Grundlage aktueller Berichterstattung der Auslandsvertretungen - teilweise die zu erwartende Dauer entnommen werden kann. Diese weist für Chile eine Bearbeitungszeit von sechs bis zwölf Monaten aus (abrufbar unter: http://www.konsularinfo.diplo.de/contentblob/2462970/Daten/1196279/Laenderliste.pdf Stand: 23. März 2011). Unabhängig davon, dass die Klägerin keinerlei Verzögerung der Zustellung zu verantworten hat, weicht auch die Gesamtdauer der Zustellung nicht von der zu erwartenden Dauer für eine in Chile vorzunehmende Zustellung ab, wenn sie sich auch am oberen Ende des üblicherweise erwartbaren Zeitspektrums bewegt.

44

4. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht schließlich nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht zutreffend keine Abwägung der materiell-rechtlichen Interessen der Parteien zur Bestimmung des Begriffs „demnächst“ vorgenommen. Im Übrigen hat der Beklagte über seine Rechtsansicht hinaus keine Tatsachen vorgetragen, die einen schutzwürdigen Belang ergeben könnten.

45

5. Eine wirksame Zustellung als weitere Voraussetzung der Rückwirkung liegt vor. Die hier vorgenommene Zustellung nach § 181 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aF wird durch das Zeugnis der ersuchten Behörde(§ 181 Abs. 2 ZPO aF) nachgewiesen, welchem die Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO zukommt(BGH 13. November 2001 - VI ZB 9/01 - NJW 2002, 521).

46

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Hauck    

        

    Bloesinger    

                 

Tenor

1. Auf die Revisionen des Klägers und des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revisionen im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. September 2009 - 1 Sa 52/09 - in Ziff. 1 teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 27. Januar 2009 - 5 Ca 1876/08 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.160,19 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.789,19 Euro seit dem 1. Januar 2008 sowie aus 371,00 Euro seit dem 16. Januar 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 83 % und der Beklagte 17 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung für einen Auslandseinsatz.

2

Der Beklagte ist Inhaber eines Betriebs des Baugewerbes mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern. Der 1986 geborene Kläger, ausgebildeter Beton- und Stahlbetonbauer, war bei ihm vom 23. März bis zum 15. Dezember 2007 als Maurer beschäftigt. Dabei war er überwiegend auf Baustellen in Dänemark eingesetzt. Der Kläger erhielt für die Beschäftigungszeit einen Lohn iHv. 8.366,00 Euro brutto.

3

In ihrem schriftlichen, auf den 26. März 2007 datierten und mit der Ortsangabe B versehenen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 3 Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

(1)     

Der Arbeitnehmer wird als Maurer eingestellt. Das Arbeitsgebiet des Arbeitnehmers umfasst folgende Aufgaben:

                 

Montagearbeiten, Klinkern.

        

(2)     

Das Arbeitsverhältnis bezieht sich auf eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

        

…       

        
        

§ 7 Vergütung

        

(1)     

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung von 1.500.- € Brutto.

        

(2)     

Die Vergütung wird monatlich spätestens bis zum zwanzigsten Tag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monat abgerechnet und ausgezahlt.

        

…       

        
        

§ 11 Vertragsänderungen

        

(1)     

Dieser Vertrag stellt die gesamte Vereinbarung zwischen den Parteien dar. Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages (einschließlich dieser Klausel) bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.

        

(2)     

Alle zwischen den Vertragsparteien vor dem Abschluss dieses Vertrages getroffenen Vereinbarungen sind durch den Abschluss dieses Vertrages überholt.

        

…“    

        
4

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger mit Schreiben der IG Bauen-Agrar-Umwelt vom 6. März 2008 Zahlung „des Mindestlohns“ gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Dieser lehnte weitere Zahlungen mit Schreiben vom 15. März 2008 ab.

5

Mit seiner am 25. April 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Beklagten am 30. April 2008 zugestellten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Vergütungsvereinbarung über einen Monatslohn von 1.500,00 Euro brutto sei sittenwidrig und damit unwirksam. Unter Berufung auf § 612 Abs. 2 BGB hat der Kläger für an 192 Tagen gearbeitete 1.536 Stunden die übliche Vergütung beansprucht. Diese bemesse sich nach dem in Dänemark üblichen Lohn für Maurer, der umgerechnet bei 3.670,00 Euro brutto monatlich bzw. 21,17 Euro brutto je Stunde liege. Zumindest schulde ihm der Beklagte den Mindestlohn West nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Juli 2005 (TV Mindestlohn).

6

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.151,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, für den Auslandseinsatz des Klägers hätten die Parteien in Dänemark mündlich eine Vergütung von ca. 1.100,00 Euro netto monatlich vereinbart. Die Vergütungsabrede sei nicht sittenwidrig. Dänische Maurer erhielten üblicherweise Leistungslohn. Der Kläger habe weit unter Durchschnitt gearbeitet und nicht die Arbeitsleistung eines „vollwertigen dänischen Maurers“ erbracht.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe des Mindestlohns West stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten dem Kläger nur den Mindestlohn Ost zugesprochen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag, der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Klägers und des Beklagten sind teilweise begründet. Der Kläger kann mangels einer anderweitigen Vergütungsvereinbarung für seinen Auslandseinsatz in Dänemark (nur) den Mindestlohn Ost verlangen, § 612 Abs. 2 BGB. Die (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate März bis Juli 2007 sind aber mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen, § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn. Ein Schadensersatzanspruch in Höhe der verfallenen Ansprüche steht dem Kläger nicht zu. Soweit das Arbeitsgericht dem Kläger für in der Bundesrepublik Deutschland geleistete Arbeit (18. bis 21. Juni 2007) Differenzvergütung auf der Basis des Mindestlohns West zugesprochen hat, ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden. Die Berufung des Beklagten ist diesbezüglich unzulässig.

10

I. Der Kläger hat für seinen Arbeitseinsatz in Dänemark gemäß § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf Vergütung nach dem TV Mindestlohn in Höhe des Mindestlohns Ost.

11

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet, auch soweit es den Arbeitseinsatz des Klägers auf Baustellen in Dänemark betrifft, deutsches Recht Anwendung. Das steht zwischen den Parteien außer Streit und folgt aus den im streitgegenständlichen Zeitraum noch geltenden Art. 27 ff. EGBGB. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) ist am 17. Dezember 2009 in Kraft getreten. Nach dessen Art. 28 gilt sie nur für Verträge, die nach diesem Datum geschlossen wurden. Altverträge unterstehen weiter dem bisherigen Recht (vgl. Deinert RdA 2009, 144; Schneider NZA 2010, 1380).

12

2. Einen gesetzlichen Mindestlohn, der für aus dem Ausland nach Dänemark entsandte Arbeitnehmer gelten würde, gab es im streitgegenständlichen Zeitraum in Dänemark nicht (vgl. dazu Waltermann NJW 2010, 801). Einen solchen, sich aus dänischem Recht ergebenden Mindestlohn macht der Kläger auch nicht geltend.

13

3. Im Ansatz zutreffend geht der Kläger davon aus, dass er für seinen Auslandseinsatz in Dänemark mangels wirksamer Vergütungsvereinbarung die übliche Vergütung beanspruchen kann, § 612 Abs. 2 BGB.

14

a) Dass die Tätigkeit des Klägers auf Baustellen in Dänemark vergütet werden sollte, ist zwischen den Parteien unstreitig. Eine Vergütungsabrede haben sie dafür aber nicht getroffen.

15

Die in § 7 Abs. 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 26. März 2007 vereinbarte Vergütung von 1.500,00 Euro brutto monatlich bezieht sich - wie der gesamte schriftliche Arbeitsvertrag - auf eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag. Eine - vom Beklagten behauptete, vom Kläger bestrittene - mündliche Vergütungsvereinbarung für den Auslandseinsatz haben die Parteien jedenfalls nicht wirksam getroffen. Unbeschadet der Frage, ob der dahingehende Sachvortrag des Beklagten überhaupt hinreichend substantiiert und angesichts seiner Variationen durch die Instanzen schlüssig ist, wäre eine Vereinbarung von „circa 1.100,00 Euro netto“ nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam.

16

b) Die nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldete übliche Vergütung ist diejenige, die am gleichen Ort in ähnlichen Gewerben und Berufen für entsprechende Arbeit bezahlt zu werden pflegt; maßgeblich ist die übliche Vergütung im vergleichbaren Wirtschaftskreis (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 26 mwN, BAGE 118, 66; ErfK/Preis 11. Aufl. § 612 BGB Rn. 37 f. mwN).

17

Vergleichsmaßstab ist hiernach nicht die übliche Vergütung eines in Dänemark bei einem dort ansässigen Bauunternehmen angestellten Maurers. Abzustellen ist vielmehr auf die übliche Vergütung eines von einem inländischen Bauunternehmen vorübergehend nach Dänemark entsandten Maurers, wobei dahingestellt bleiben kann, wie der vergleichbare Wirtschaftskreis genau zu bestimmen wäre. Denn es fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers dafür, inländische Bauunternehmen oder zumindest solche in Mecklenburg-Vorpommern würden nach Dänemark entsandten Arbeitnehmern die dort üblichen Maurerlöhne zahlen.

18

c) Nachdem der Kläger Sachvortrag zu der tatsächlich von inländischen Bauunternehmen an nach Dänemark entsandte Maurer gezahlten Vergütung nicht geleistet hat, richtet sich - gleichsam als Untergrenze - die im Streitfall zu zahlende übliche Vergütung nach dem TV Mindestlohn. Unbeschadet der Erstreckung der §§ 1 - 3 TV Mindestlohn ab dem 1. September 2005 auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Fünfte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 29. August 2005 (BAnz. Nr. 164 vom 31. August 2005 S. 13199), folgt dies schon daraus, dass sich der TV Mindestlohn auf alle Arbeitsverhältnisse erstreckt und damit im Rahmen seines fachlichen Anwendungsbereichs faktisch angewandt wurde (vgl. - zum Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk - BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 30, EzA BBiG 2005 § 4 Nr. 1).

19

Der TV Mindestlohn gilt nach seinem § 1 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe(BRTV-Bau) für Betriebe des Baugewerbes wie dem des Beklagten. Der Kläger unterfiel dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags, denn er war als gewerblicher Arbeitnehmer und - worüber zwischen den Parteien kein Streit besteht - versicherungspflichtig tätig. Auch der räumliche Geltungsbereich des TV Mindestlohn ist eröffnet. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wobei der systematische Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 zeigt, dass insoweit der Sitz des Betriebs und nicht der jeweilige Tätigkeitsort des Arbeitnehmers entscheidend ist. Die Grenze wird - allenfalls - dadurch gezogen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterfällt (vgl. dazu auch BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 113, 149; 20. Juni 2007 - 10 AZR 302/06 - Rn. 12, AP TVG § 1 Tarifverträge: Holz Nr. 26 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 135).

20

Für die Annahme, inländische oder zumindest mecklenburg-vorpommerische Bauunternehmen würden nach Dänemark entsandten Maurern überwiegend eine geringere Vergütung als die nach dem TV Mindestlohn zahlen, gibt der Sachvortrag des Beklagten keinen Anhaltspunkt. Sein Einwand, in Dänemark werde typischerweise „auf Leistung“ gearbeitet und entsprechend vergütet, bezieht sich ersichtlich auf den Sachvortrag des Klägers zum üblichen Entgelt dänischer Maurer und meint Arbeitnehmer dänischer Arbeitgeber.

21

d) Ob bei dem Auslandseinsatz eines Bauarbeiters über § 612 Abs. 2 BGB der Mindestlohn West oder der Mindestlohn Ost geschuldet ist, bestimmt sich nach dem Einstellungsort. Gemäß § 3 Satz 2 TV Mindestlohn behalten auswärts beschäftigte Arbeitnehmer den Anspruch auf den Mindestlohn ihres Einstellungsortes. Dieser liegt im Streitfall im Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Einen - höheren - Mindestlohn für eine im Ausland gelegene Baustelle sehen weder § 3 noch § 2 TV Mindestlohn vor.

22

4. Die nach dem TV Mindestlohn berechnete Vergütung ist allerdings nur insoweit üblich iSv. § 612 Abs. 2 BGB, als sie nicht nach § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn verfallen ist. Die Ausschlussfrist ist als Teil des üblichen Entgelts anzusehen (BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 33, EzA BBiG 2005 § 4 Nr. 1, insoweit zust. Sagan BB 2011, 572, 574).

23

a) § 2 TV Mindestlohn lautet auszugsweise:

        

„…    

        
        

(4)     

Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.

        

…       

        
        

(5)     

Abweichend von § 15 BRTV verfallen Ansprüche auf den Mindestlohn von Arbeitnehmern in den Lohngruppen 1 und 2 sechs Monate nach ihrer Fälligkeit.

        

…“    

        
24

Nach dem in Bezug genommenen BRTV-Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden (§ 15 Nr. 1 BRTV-Bau). Lehnt diese - wie hier - den Anspruch ab, verfällt er, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird (§ 15 Nr. 2 BRTV-Bau).

25

Das Gefüge dieser Normen zeigt, dass die Tarifvertragsparteien einen inneren Zusammenhang zwischen dem Mindestlohn und der Ausschlussfrist herstellen wollten. In Abweichung von allgemeinen, an sich branchenüblichen Regelungen haben sie gerade für den Mindestlohn eine Sonderregelung getroffen. Das ist bei der Feststellung der üblichen Vergütung zu berücksichtigen.

26

b) Danach sind (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate März bis Juli 2007 verfallen. Der - jüngste - (Differenz-)Vergütungsanspruch für Juli 2007 war nach § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn spätestens am 15. August 2007 fällig. Diesen - und die zeitlich davor liegenden - hat der Kläger aber erstmals mit Schreiben vom 6. März 2008 und damit außerhalb der Frist des § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn geltend gemacht.

27

5. Die verfallenen (Differenz-)Vergütungsansprüche stehen dem Kläger nicht als Schadensersatz zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte schuldhaft seine Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG verletzt hat. Denn der Kläger hat keinen schlüssigen Vortrag zur Kausalität einer Pflichtverletzung des Beklagten (unterbliebener Nachweis) für seinen - zeitlich gestaffelt - eingetretenen Schaden (Verfall der restlichen Lohnansprüche) gehalten. Er hat nicht vorgetragen, er habe als im Bereich des Baugewerbes Ausgebildeter weder die Ausschlussfrist des § 15 BRTV-Bau noch die des § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn gekannt und damit nicht gewusst, dass eine Ausschlussfrist auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, und er hätte bei rechtzeitigem Nachweis die Ausschlussfrist beachtet. Über die fehlende Darlegung des Klägers zur Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem eingetretenen Schaden hilft auch die vom Senat bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aufgestellte Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens nicht hinweg(BAG 5. November 2003 - 5 AZR 676/02 - zu III 3 c der Gründe, AP NachwG § 2 Nr. 7 = EzA NachwG § 2 Nr. 6).

28

II. Nach diesen Grundsätzen gilt Folgendes:

29

1. Für die in den Monaten August bis Dezember 2007 auf Baustellen in Dänemark geleisteten 784 Stunden hat der Kläger Anspruch auf Vergütung in Höhe des Mindestlohns Ost (9,80 Euro brutto/Stunde). Abzüglich des vom Beklagten für diesen Zeitraum gezahlten Lohns (3.676,00 Euro brutto) ergibt sich ein restlicher Betrag von 4.007,20 Euro brutto.

30

Die (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate August bis Dezember 2007 sind nicht verfallen. Der Kläger hat sie mit Schreiben seiner Gewerkschaft vom 6. März 2008 rechtzeitig geltend gemacht, § 2 Abs. 5 iVm. Abs. 4 Satz 1 TV Mindestlohn. Wollte man annehmen, § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn modifiziere nur die erste Stufe der zweistufigen Ausschlussfrist des § 15 BRTV-Bau, hätte der Kläger auch deren zweite Stufe gewahrt. Auf das Ablehnungsschreiben des Beklagten vom 15. März 2008 hat er mit seinem beim Arbeitsgericht am 25. April 2008 eingegangenen und dem Beklagten am 30. April 2008 zugestellten Schriftsatz vom 22. April 2008 innerhalb der Frist des § 15 Nr. 2 BRTV-Bau Klage erhoben.

31

2. Der Kläger kann für vier Arbeitstage im Juni 2007 für im Inland geleistete Arbeit die vom Arbeitsgericht zuerkannte Differenzvergütung auf der Basis des Mindestlohns West (152,99 Euro brutto) beanspruchen. In dieser Höhe ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden, weil die Berufung des Beklagten insoweit unzulässig ist. Das hat der Senat von Amts wegen zu prüfen (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Hinsichtlich der Differenzvergütung für Arbeit im Inland genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO(zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 526/07 - Rn. 15, AP ZPO § 520 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 7; 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 7 f., NZA 2011, 62). Aus den Berufungsangriffen lässt sich nicht erkennen, mit welchen rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten der Beklagte die Entscheidung des Arbeitsgerichts bezüglich der Arbeitstage vom 18. bis zum 21. Juni 2007, für die die Berufungsbegründung selbst als Arbeitsort „Deutschland“ angibt, bekämpfen will.

32

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hinsichtlich des (Differenz-)Vergütungsanspruchs für den Monat Dezember 2007 kann der Kläger Verzugszinsen allerdings erst ab dem 16. Januar 2008 beanspruchen. Die Fälligkeit der Dezembervergütung nach § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn (15. Januar 2008) wird von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Dezember 2007 nicht berührt (vgl. BAG 8. November 1978 - 5 AZR 358/77 - zu 5 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 100 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 60; ErfK/Preis 11. Aufl. § 614 BGB Rn. 6).

33

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU stehen öffentlichen Auftraggebern das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft nach ihrer Wahl zur Verfügung. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb steht nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist.

(2) Abweichend von § 132 Absatz 3 ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn der Wert der Änderung nicht mehr als 20 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

Ziele des Gesetzes sind die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen durch die Erstreckung der Rechtsnormen von Branchentarifverträgen. Dadurch sollen zugleich sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten und die Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie gewahrt werden.

(1) Die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen über folgende Arbeitsbedingungen sind auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend anzuwenden:

1.
die Entlohnung einschließlich der Überstundensätze ohne die Regelungen über die betriebliche Altersversorgung,
2.
der bezahlte Mindestjahresurlaub,
3.
die Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten,
4.
die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen,
5.
die Sicherheit, der Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz, einschließlich der Anforderungen an die Unterkünfte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt werden, unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,
6.
die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen,
7.
die Gleichbehandlung der Geschlechter sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen und
8.
die Zulagen oder die Kostenerstattung zur Deckung der Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aus beruflichen Gründen von ihrem Wohnort entfernt sind.

(2) Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland beschäftigt einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin auch dann im Inland, wenn er ihn oder sie einem Entleiher mit Sitz im Ausland oder im Inland überlässt und der Entleiher den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin im Inland beschäftigt.

(3) Absatz 1 Nummer 8 gilt für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin

1.
zu oder von seinem oder ihrem regelmäßigen Arbeitsort im Inland reisen muss oder
2.
von dem Arbeitgeber von seinem oder ihrem regelmäßigen Arbeitsort im Inland vorübergehend zu einem anderen Arbeitsort geschickt wird.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Juni 2010 - 2 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der mit einem GdB von 60 schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin. Am 8. Januar 2009 ordnete das Amtsgericht Arnsberg (- 21 IN 21/09 -) das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Zugleich übertrug es ihm das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

In seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter gab der Beklagte zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der Sozialdaten an sämtliche Arbeitnehmer Fragebögen aus. Erfragt wurden das Geburtsdatum, der Familienstand, die Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder sowie das Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger antwortete in den Feldern „Schwerbehinderung“ und „Gleichstellung“ jeweils mit „Nein“.

4

Auf der Grundlage eines am 20. Mai 2009 geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis am 26. Mai 2009 ordentlich zum 30. Juni 2009. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am folgenden Tag zu.

5

Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Ansicht vertreten, die ohne Beteiligung des Integrationsamtes erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Frage nach der Schwerbehinderung stelle eine verbotene Benachteiligung iSd. §§ 1, 7 AGG dar. Ein Arbeitnehmer habe deshalb während des gesamten Arbeitsverhältnisses ein Recht zur wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft. Vor Ablauf der Regelfrist für die Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes drei Wochen nach Zugang der Kündigung sei der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung zu offenbaren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 26. Mai 2009 aufgelöst wird, sondern über den 30. Juni 2009 hinaus ungekündigt fortbesteht.

7

Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der Kläger sich widersprüchlich verhalten habe und sich deshalb nach der wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft auf diese nicht mehr berufen könne.

8

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt, die Frage nach der Schwerbehinderung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Er macht weiter geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte die Frage nach der Schwerbehinderung im Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Angabe von Gründen gestellt habe. Für den Kläger sei deshalb die Intention der Frage nicht erkennbar gewesen, so dass er sich durch die wahrheitswidrige Beantwortung dieser Frage nicht treuwidrig verhalten habe.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Kündigung des Beklagten vom 26. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2009 beendet. Das hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.

10

A. Die Kündigung ist nicht nach § 134 BGB nichtig. Sie bedurfte zwar an sich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX, an der es hier fehlt. Der Kläger hat sich auch innerhalb von drei Wochen und damit innerhalb einer angemessenen Frist auf den im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits bestehenden Schwerbehindertenschutz berufen, so dass dieser Schutz nicht verwirkt ist (st. Rspr. zuletzt BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 22, EzA SGB IX § 85 Nr. 7). Dem Kläger ist es dennoch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter zu berufen. Das Berufen des Klägers auf diesen Schutz nach Erklärung der Kündigung trotz Verneinung der ihm im Vorfeld eben dieser Kündigung rechtmäßig gestellten Frage nach der Schwerbehinderung ist als widersprüchliches Verhalten unbeachtlich.

11

I. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, dh. ggf. nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen. Der Arbeitnehmer hat die Frage aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB wahrheitsgemäß zu beantworten.

12

1. Aus einem Schuldverhältnis erwächst einer Vertragspartei auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Vertragspartner sind verpflichtet, ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 31, BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 26, BAGE 134, 296).

13

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte der Beklagte den Kläger, der im bestehenden Arbeitsverhältnis den Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX bereits erworben hatte, zur Vorbereitung von Kündigungen nach einer Schwerbehinderteneigenschaft fragen. Für diese Frage bestand ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Beklagten. Sie stand im Zusammenhang mit seiner Pflichtenbindung durch das Erfordernis, bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG die Schwerbehinderung zu berücksichtigen sowie den Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu beachten. Die verlangte Auskunft belastete den Kläger in dieser Situation nicht übermäßig. Sie benachteiligte ihn auch nicht iSv. §§ 1, 7 AGG wegen seiner Behinderung. Schließlich wurden auch datenschutzrechtliche Belange des Klägers dadurch nicht verletzt (vgl. zu diesen Anforderungen grundlegend bereits BAG 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15, 22).

14

a) Die Frage nach der Schwerbehinderung ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzulassen, um dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten zu ermöglichen, etwa im Zusammenhang mit seinen Pflichten zur behinderungsgerechten Beschäftigung(§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX), Zahlung einer Ausgleichsabgabe (§ 77 SGB IX) und Gewährung von Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) (vgl. Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 18c; Griebeling in Hauck/Noftz SGB IX K § 85 Rn. 27a; unklar MünchKommBGB/Thüsing 6. Aufl. § 11 AGG Rn. 24, der eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers nach Einstellung bejaht). Insbesondere im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung zeigt der Arbeitgeber mit dieser Frage, dass er seine zum Schutz des Schwerbehinderten bei einer Kündigung bestehenden Pflichten nach § 1 Abs. 3 KSchG und §§ 85 ff. SGB IX erfüllen will (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 950; Schaub/Koch aaO; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 63).

15

b) Andere, gleich geeignete und gleich zuverlässige Möglichkeiten des Arbeitgebers, sich die zur Erfüllung dieser Pflichten erforderliche Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft rechtssicher zu verschaffen, bestehen nicht.

16

aa) Insbesondere kann der Arbeitgeber entgegen der vom Kläger in der Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht nicht auf die Einholung eines sog. Negativattests verwiesen werden. Mit einem solchen Bescheid weist das Integrationsamt den form- und fristgerecht gestellten Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung zur Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung als unzulässig ab, weil eine Zustimmung zur Kündigung nicht erforderlich ist. Obwohl dieses Institut im SGB IX nicht vorgesehen ist und obwohl es nicht die Aufgabe des Integrationsamtes, sondern gemäß § 69 SGB IX iVm. §§ 1, 6 KOVVfG die des Versorgungsamtes ist, die Schwerbehinderteneigenschaft eines bestimmten Arbeitnehmers zu klären(BAG 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355, 358 ; BVerwG 15. Dezember 1988 - 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84), wird es allgemein für zulässig gehalten (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 54; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 28; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 55; Düwell in LPG-SGB IX 3. Aufl. § 85 Rn. 37; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Liegt ein solcher bestandskräftiger Bescheid vor der Erklärung der Kündigung vor, entfaltet er Bindungswirkung auch gegenüber den Arbeitsgerichten und beseitigt ebenso wie die Zustimmung des Integrationsamtes die Kündigungssperre des § 85 SGB IX(BAG 6. September 2007 - 2 AZR 324/06 - Rn. 15, BAGE 124, 43; grundlegend 27. Mai 1983 - 7 AZR 482/81 - BAGE 42, 169, 174).

17

Folgte man der Ansicht des Klägers, müsste der Arbeitgeber vor jeder von ihm beabsichtigten Kündigung ein Negativattest einholen. Allein das würde, insbesondere bei Massenentlassungen, selbst dann zu erheblichen, dem Arbeitgeber unzumutbaren Verzögerungen bei der Umsetzung des Kündigungsentschlusses führen, wenn ein bestandskräftiger Bescheid des Integrationsamtes erginge (vgl. BAG 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355, 358). Der Arbeitnehmer kann zudem als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens, das zum Negativattest führt, gegen dieses Widerspruch und bei Nichtabhilfe Anfechtungsklage erheben (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 56; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 66 f.; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Der Arbeitnehmer kann also einerseits durch die bloße Erhebung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln die Möglichkeit des Arbeitgebers, rechtssicher eine Kündigung ohne Verletzung seiner ihm gegenüber Schwerbehinderten obliegenden Pflichten zu erklären, erheblich hinauszögern. Bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Integrationsamtes trägt der Arbeitgeber andererseits das Risiko, dass sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens doch noch die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung herausstellt (Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler aaO Rn. 70). Die Einholung eines Negativattests ist daher für den Arbeitgeber keine gleich geeignete Alternative zur Frage nach der Schwerbehinderung, um ihm die Kenntnis zu verschaffen, die er zur Erfüllung der ihm gesetzlich gegenüber Schwerbehinderten obliegenden Pflichten benötigt.

18

bb) Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber nach Erklärung einer Kündigung zum Erhalt des Sonderkündigungsschutzes binnen angemessener Frist auf die Schwerbehinderung hinzuweisen, schützt entgegen der Auffassung von Deinert/Neumann (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2. Aufl. § 17 Rn. 29) den Arbeitgeber nicht hinreichend, weil dies die Einhaltung der dem Arbeitgeber bereits vor Erklärung der Kündigung obliegenden Pflichten nicht sicherstellen kann.

19

c) Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer Kündigung diskriminiert den Arbeitnehmer nicht wegen seiner Behinderung unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

20

aa) Allerdings kann die Frage nach der Schwerbehinderung nur von Trägern dieses Merkmals wahrheitswidrig beantwortet werden. Weder die Frage selbst noch deren wahrheitsgemäße Beantwortung führen jedoch zu dem vom Kläger angenommenen Nachteil für den behinderten Menschen, also zu einer „weniger günstigen Behandlung“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Ob ein solcher Nachteil vorliegt, ist objektiv aus der Sicht eines verständigen Dritten zu beurteilen (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 33, BAGE 133, 265).

21

(1) Durch die Frage nach der Schwerbehinderung und deren wahrheitsgemäße Beantwortung werden behinderte Arbeitnehmer gegenüber Nichtbehinderten nicht zurückgesetzt (zu dieser Definition des Nachteils iSd. § 3 Abs. 1 AGG für das Merkmal „Alter“ siehe BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 25, BAGE 133, 265). Die Frage nach der Schwerbehinderung soll es bei objektiver Betrachtung dem Arbeitgeber ermöglichen, den besonderen Schutz des Schwerbehinderten zu verwirklichen, insbesondere den Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes zu beachten. Dieser öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz ist präventiver Art. Er unterwirft die Ausübung des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts einer vorherigen Kontrolle durch das Integrationsamt, indem er die Kündigung einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterstellt, um so bereits im Vorfeld der Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des SGB IX unvereinbare Kündigung zu verhindern. Dem Integrationsamt obliegt im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes die Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen, dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen und sicherzustellen, dass er gegenüber Letzteren nicht ins Hintertreffen gerät (vgl. BVerwG 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275; 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287; 31. Juli 2007 - 5 B 81.06 - Rn. 5). Die Frage dient also der Wahrung der Rechte und Interessen des Schwerbehinderten, nicht aber dazu, ihn gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern zurückzusetzen. Die Belange des schwerbehinderten Menschen sollen durch § 1 Abs. 3 KSchG sowie in dem nach §§ 85 ff. SGB IX einzuhaltenden Verfahren gerade gewahrt werden. Das setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft Kenntnis hat oder zumindest die Möglichkeit hat, sich diese durch Nachfrage zu verschaffen.

22

Dies steht auch im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG). Nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 16 strebt diese durch das AGG umgesetzte Richtlinie Maßnahmen an, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 27 will sie der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit widmen. Diesen Zwecken dienen ua. § 1 Abs. 3 KSchG und der in §§ 85 ff. SGB IX geregelte Sonderkündigungsschutz.

23

(2) Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er werde gegenüber einem Behinderten, der durch den Fragebogen „vorgewarnt“ den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter erst nach Ausfüllen des Fragenbogens gestellt und sich erst dann den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz verschafft habe, zurückgesetzt, verfängt nicht. Deckt die Frage nach der Schwerbehinderung nicht alle denkbaren Konstellationen des noch zu erwerbenden Schutzes als Schwerbehinderter ab, folgt daraus nicht, dass die Frage nach einem bereits bestehenden Schutz unzulässig ist. Es ist Sache des Arbeitgebers, die Frage nach einem bestehenden Sonderkündigungsschutz zu formulieren und dadurch ihre Reichweite festzulegen. Fragt er, wie im vorliegenden Fall, nicht nach einem bereits gestellten Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter, fordert er auch nicht dazu auf, erst später gestellte Anträge mitzuteilen und lässt einige Zeit zwischen der Beantwortung der Frage und Kündigungserklärung verstreichen, hat er die sich aus einer solch unzureichenden Fragestellung für ihn eventuell ergebenden nachteiligen Folgen zu tragen, setzt aber nicht den Arbeitnehmer, der iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX als schwerbehindert anerkannt ist, gegenüber dem im Zeitpunkt der Fragebogenaktion lediglich iSd. § 2 Abs. 1 SGB IX behinderten Arbeitnehmer zurück.

24

bb) Schließlich überzeugt auch das Argument der Revision, ein wirksamer Diskriminierungsschutz sei nur gewährleistet, wenn bereits die Vorbereitung einer möglichen Diskriminierung ausgeschlossen werde, nicht. Im Unterschied zur Situation der Vertragsanbahnung (zum Streitstand hinsichtlich der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft des Stellenbewerbers vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 17, NZA 2012, 34) befindet sich der behinderte Arbeitnehmer in der hier vorliegenden Situation bereits in einer gesetzlich besonders geschützten Rechtsstellung, die gerade zum Ziel hat, Diskriminierungen des Behinderten zu vermeiden. Meint der Arbeitnehmer, dass es nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers von einer Schwerbehinderung zu einer solchen Diskriminierung gekommen ist, ist er auf den gesetzlichen Diskriminierungsschutz zu verweisen.

25

d) Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen.

26

aa) § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG lässt die Frage nach der Schwerbehinderung bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung des dadurch umgesetzten Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG) zu, wenn wie im vorliegenden Fall nach der von den nationalen Gerichten vorzunehmenden, am Zweck der RL 95/46/EG orientierten Abwägung das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Behinderung das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt.

27

(1) Die vorliegende Fragebogenaktion wird vom Bundesdatenschutzgesetz erfasst. Auch Sammlungen ausgefüllter Formulare sind nicht automatisierte Dateien iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG(Dammann in Simitis BDSG 7. Aufl. § 3 Rn. 99; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1150 mwN).

28

(2) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Diese Voraussetzungen sind bei der Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Erwerb des Behindertenschutzes und zur Vorbereitung konkret bevorstehender Kündigungen erfüllt.

29

(a) Die Frage nach der Behinderung verlangt Angaben zur Gesundheit und stellt damit eine Erhebung besonderer Arten personenbezogener Daten (sensitiver Daten) iSv. § 3 Abs. 9 BDSG dar(Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 3 Rn. 56a; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1151).

30

(b) Allerdings ist die Erhebung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht zur „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung“ eines Anspruchs des Arbeitgebers iSd. Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB, also eines Rechts, von einer anderen Person ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, erforderlich. Sie ist, wie bereits ausgeführt, lediglich Voraussetzung für die Erfüllung der dem Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 KSchG und § 85 SGB IX obliegenden Pflichten. Die Datenerhebung findet also im Vorfeld der Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Arbeitgebers statt und dient dazu, diesem die Kenntnis zu verschaffen, die erforderlich ist, um ihm anschließend ein gesetzeskonformes Handeln zu ermöglichen. Auch eine solche Datenerhebung zur Klärung von gegen den Arbeitgeber gerichteten Ansprüchen, die sich für diesen spiegelbildlich als Pflichten darstellen, ist jedoch unter Berücksichtigung der RL 95/46/EG von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG gedeckt(Gola RDV 2001, 125, 127).

31

(aa) § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG setzen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers(BT-Drucks. 14/4329 S. 43) Art. 8 RL 95/46/EG, insbesondere Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie, um. Nach dieser Bestimmung ist die Verarbeitung von Daten, worunter nach Art. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch deren Erhebung fällt, zulässig, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist. Ein Wille des Gesetzgebers, durch die Formulierung der Voraussetzungen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts engere Grenzen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vorgesehen zu setzen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola RDV 2001, 125, 127). Es handelt sich vielmehr lediglich um eine missglückte Formulierung (vgl. Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1152). Deshalb kann dahinstehen, ob es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt gewesen wäre, die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG niedergelegten Grundsätze weiter einzuschränken (vgl. für Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional] Rn. 35 f., 48, NZA 2011, 1409).

32

(bb) Eine „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche“ als Voraussetzung einer Datenerhebung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG liegt deshalb in Übereinstimmung mit der Formulierung des Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch vor, wenn die Datenerhebung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Dazu gehören auch die Pflichten des Arbeitgebers zur Beachtung der Schwerbehinderung im Rahmen der Sozialauswahl und zur Wahrung des Schwerbehindertenschutzes nach §§ 85 ff. SGB IX (vgl. bejahend zur Zulässigkeit der Frage nach der Schwerbehinderung unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten auch Seifert in Simitis BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 68 für § 32 BDSG nF; zur Datenerhebung im bestehenden Arbeitsverhältnis allgemein Gola RDV 2001, 125, 127).

33

(c) Letztlich sind damit die Anforderungen an das rechtmäßige Interesse bei der Frage nach einer Schwerbehinderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber und die Anforderungen des Datenschutzes deckungsgleich. Die RL 95/46/EG schränkt das Fragerecht nach der Schwerbehinderung, sofern diese unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist, nicht ein. Sie soll das Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphäre wahren. Dieses angemessene Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen ist vor allem bei der Anwendung des die RL 95/46/EG umsetzenden nationalen Rechts zu finden, wobei die durch das Unionsrecht geschützten Rechte der Betroffenen zu wahren sind (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 97, 85, 87, Slg. 2003, I-12971). Ein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Privatsphäre liegt nicht vor. Die Frage nach der Schwerbehinderung dient, wie wiederholt ausgeführt, letztlich der Wahrung der Rechte, die dem Arbeitnehmer gerade wegen der Schwerbehinderung zukommen. (Erst) in dem Verfahren nach § 85 SGB IX sind die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen und die durch das Unionsrecht, insbesondere die RL 2000/78/EG, gewährleisteten Rechte des Arbeitnehmers zu wahren.

34

bb) Wird dem Arbeitgeber das Recht zur Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld von Kündigungen zugestanden, verletzt dies den schwerbehinderten Arbeitnehmer auch nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

35

(1) Es kann dahinstehen, ob die Überprüfung des Fragerechts im Allgemeinen und des diese Frage nach Vorstehendem zulassenden § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG im Besonderen am Maßstab des Grundgesetzes im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts entbehrlich ist.

36

(a) Das Bundesverfassungsgericht übt - jenseits des Ultra-vires- und des Verfassungsidentitätsvorbehalts - über die Anwendbarkeit von Unionsrecht als Rechtsgrundlage für die nationalen Gerichte und Behörden seine Gerichtsbarkeit nicht mehr aus und überprüft dieses Recht nicht mehr am Maßstab der Grundrechte, solange die Europäische Union einen gleich wirksamen Grundrechtsschutz verbürgt. Dies gilt allerdings bei innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die Richtlinien des Unionsrechts umsetzen, nur dann, wenn das Unionsrecht zwingende Vorgaben macht, also dem nationalen Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum lässt (BVerfG 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 46, NJW 2012, 45). Lässt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten dagegen einen Umsetzungsspielraum, ist dieser grundgesetzkonform auszufüllen. In diesem unionsrechtlich nicht oder jedenfalls nicht vollständig determinierten Normenbereich müssen die nationalen Fachgerichte den Einfluss der Grundrechte bei der Auslegung von Vorschriften des nationalen Rechts nach wie vor zur Geltung bringen. Ob ein solcher die Grundrechtsprüfung der Fachgerichte eröffnender Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers besteht, hat das Fachgericht durch Auslegung des einschlägigen Unionsrechts zu ermitteln, wobei es gegebenenfalls die Voraussetzungen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV - auch in Bezug auf den Schutz der durch das Unionsrecht verbürgten Grundrechte - in Betracht ziehen muss (BVerfG 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 - [Cassina] Rn. 88 f., NJW 2011, 3428).

37

(b) Die RL 95/46/EG eröffnet dem nationalen Gesetzgeber durch Art. 5 Handlungsspielräume, aufgrund derer er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze näher bestimmen kann. Es ist ihm lediglich verwehrt, zusätzliche Bedingungen vorzusehen, durch die die Tragweite eines der in der RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze verändert wird (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional] Rn. 35, NZA 2011, 1409; 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-12971). Insbesondere kann er gemäß Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG, sofern „angemessene Garantien“ bestehen, aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses andere als die in Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG genannten Ausnahmen vorsehen.

38

(c) Ob damit nach vorstehenden Grundsätzen die Grundrechtsprüfung eröffnet ist oder ob jedenfalls in Bezug auf das Fragerecht des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG dem deutschen Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum ließ, kann dahinstehen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die Frage nach der Schwerbehinderung unter den genannten Voraussetzungen nicht verletzt. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Umsetzungsspielraums des nationalen Gesetzgebers im streitbefangenen Zusammenhang bedarf es deshalb nicht.

39

(2) Das von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten. Vom Schutzbereich dieses Grundrechts sind persönliche oder personenbezogene Daten umfasst, worunter Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen sind (BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1, 42 f.). Darunter fällt auch die Schwerbehinderung.

40

(3) Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist jedoch durch § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG gerechtfertigt(zu den Anforderungen an die Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1, 46). Aus dem Grundgesetz ergeben sich insoweit keine weitergehenden Anforderungen als aus dem Unionsrecht.

41

e) Entgegen der Auffassung der Revision wird durch das Bejahen eines Fragerechts des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung im Vorfeld von beabsichtigten Kündigungen die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach dem schwerbehinderten Arbeitnehmer der Sonderkündigungsschutz noch zukommt, sofern er seine Schwerbehinderung dem Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 4 KSchG offenlegt(zuletzt 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, BAGE 133, 249), nicht unterlaufen. Auch der von ihr gezogene Schluss, aus dieser Rechtsprechung folge, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, vor Ablauf der Frist des § 4 KSchG seine Schwerbehinderung zu offenbaren, trägt nicht. Diese Rechtsprechung dient dem Vertrauensschutz sowie der Rechtssicherheit und verwehrt es dem Arbeitnehmer, seine sich aus der Schwerbehinderung ergebenden Rechte gegenüber dem Arbeitgeber, der bei Erklärung der Kündigung von der Schwerbehinderung bzw. einem bereits gestellten Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung keine Kenntnis hat, illoyal verspätet geltend zu machen. Sie verwehrt es aber nicht dem Arbeitgeber, diese Rechtsunsicherheit bereits im Vorfeld der Kündigung durch die Frage nach der Schwerbehinderung zu beseitigen.

42

II. Die Revision nimmt zu Unrecht an, die Frage nach der Schwerbehinderung des Klägers sei jedenfalls deshalb unzulässig gewesen, weil der Beklagte den Anlass dieser Frage nicht konkret dargelegt habe, so dass der Kläger schon deshalb die Frage habe wahrheitswidrig beantworten dürfen, zumal er dem Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter ohnehin nicht zur Auskunft verpflichtet gewesen sei.

43

1. Wie bereits ausgeführt, ist die Frage nach einer Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzulassen, um dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten zu ermöglichen. Der Arbeitgeber muss deshalb den konkreten Anlass seiner Frage dem Arbeitnehmer nicht mitteilen.

44

2. Darüber hinaus war die Frage für den Kläger erkennbar im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigungswelle gestellt worden, damit der Beklagte die ihm bei der Umsetzung dieses Kündigungsentschlusses im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung von Arbeitnehmern obliegenden Pflichten erfüllen konnte.

45

a) Die Revision macht insoweit geltend, das Landesarbeitsgericht habe zwar im Tatbestand ausgeführt, dass die Frage zur Vermeidung von Fehlern bei der Sozialauswahl erfolgt sei. Der Beklagte habe jedoch nicht vorgetragen, dass er dem Kläger die Intention seiner Frage erläutert habe. Richtig sei dagegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, wonach für den Kläger bei der Frage nicht ersichtlich gewesen sei, welchen Zweck der Beklagte damit verfolgt habe.

46

b) Mit dieser Argumentation berücksichtigt der Kläger nicht, dass der Fragebogen im Insolvenzeröffnungsverfahren verteilt worden ist. Wenn in einem derartigen Verfahren vom vorläufigen Insolvenzverwalter eine Umfrage zur „Vervollständigung bzw. Überprüfung“ der Sozialdaten erfolgt, liegt auf der Hand, dass dies der Vorbereitung von Kündigungen, wie sie in einer Insolvenz im Regelfall erforderlich sind, dient. Ebenso liegt auf der Hand, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter mit einer solchen Fragebogenaktion zum Ausdruck bringt, dass er insbesondere den Schwerbehindertenschutz verwirklichen will. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass der (vorläufige) Verwalter gesetzmäßig handelt (vgl. BGH 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09 - Rn. 26, BGHZ 186, 242).

47

3. Der Kläger war auch gegenüber dem Beklagten, der im Zeitpunkt der Durchführung der Fragebogenaktion noch „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter war, zur Auskunft verpflichtet.

48

a) Das Insolvenzgericht hat dem Beklagten mit Beschluss vom 8. Januar 2009 das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen, übertragen. Es hat ihn damit zum sog. „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (zu diesem Begriff Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 22 Rn. 13 ff.). Zwar ist eine pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO unzulässig. Das Insolvenzgericht darf jedoch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu einzelnen, bestimmt bezeichneten Maßnahmen berechtigen und verpflichten. Dazu gehört auch die Ermächtigung zur Kündigung bestimmbarer Arten von Dauerschuldverhältnissen (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01 - BGHZ 151, 353, 365). Der Beklagte war demnach bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren jedenfalls hinsichtlich der Kündigungsberechtigung in die Arbeitgeberstellung eingerückt und war berechtigt, alle damit verbundenen Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen.

49

b) Darüber hinaus hat auch ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter, dem das Insolvenzgericht keine Arbeitgeberbefugnisse übertragen hat, einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzverwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Diese Norm gilt gemäß § 101 Abs. 2 InsO entsprechend auch für die Angestellten des Schuldners und damit ohne Beschränkung auf den arbeitsrechtlichen Angestelltenbegriff für alle im Betrieb tätigen Personen des Schuldners(Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 101 Rn. 5). Die Verpflichtung zur Auskunft besteht kraft der Verweisung in § 22 Abs. 3 Satz 3 InsO schon im Eröffnungsverfahren, wobei es unerheblich ist, ob der vorläufige Insolvenzverwalter „stark“ oder „schwach“ ist(Unterbusch Der vorläufige Insolvenzverwalter S. 131; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 97 Rn. 14).

50

Der Begriff der „Auskunft“ ist weit auszulegen, da er sich am Verfahrenszweck der Haftungsverwirklichung orientiert. Er umfasst alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände, die für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens oder von Gläubigerforderungen in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können (BGH 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08 - Rn. 5, NZI 2010, 264; Kayser in HK-InsO 6. Aufl. § 97 Rn. 11; HambKomm/Wendler 3. Aufl. § 97 Rn. 3; Unterbusch Der vorläufige Insolvenzverwalter S. 134). Hierunter fällt auch die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft, die sich auf die Dauer eines Arbeitsverhältnisses mit entsprechender Entgeltzahlungspflicht auswirken kann.

51

III. Auch die Rüge der Revision, der Beklagte habe nichts zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 94 BetrVG vorgetragen, was aber zur Darlegung der Rechtfertigung der Frage nach der Schwerbehinderung erforderlich gewesen sei, verhilft ihr nicht zum Erfolg. Damit macht die Revision einen rechtlichen Gesichtspunkt geltend, der neuen Tatsachenvortrag des Beklagten zur Beteiligung des Betriebsrats erforderlich macht. Neues tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren kann aber nur unter Voraussetzungen erfolgen bzw. erzwungen werden, die hier nicht vorliegen. Ohnehin berechtigt eine solche Verletzung von Mitbestimmungsrechten den Arbeitnehmer zwar möglicherweise, die Antwort auf die gestellten Fragen zu verweigern, nicht jedoch, seinen Arbeitgeber zu täuschen (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 724/98 - BAGE 93, 41, 47).

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IV. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

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1. Grundsätzlich steht es jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs frei, sein Verhalten oder seine Rechtsansicht zu ändern und sich damit in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten zu setzen. Ein solches Verhalten ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn der Erklärende durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten unbewusst oder bewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 894/07 - Rn. 17, BAGE 130, 14; 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04 - BAGE 114, 33, 42 f.).

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2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Der Kläger hat durch das Leugnen seiner anerkannten Schwerbehinderung den Beklagten im Glauben bestärkt, er könne ohne die Beteiligung des Integrationsamtes wirksam kündigen, und ihn dadurch davon abgehalten, vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Erst bei der Folgekündigung vom 20. August 2009 konnten die Rechte des Klägers aus § 85 SGB IX gewahrt werden. Bliebe sein Verhalten folgenlos, würde das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seiner Schwerbehinderung länger fortbestehen als das eines nicht behinderten, ansonsten vergleichbaren Arbeitnehmers oder eines Schwerbehinderten, der seine Schwerbehinderung offengelegt hätte. Eine derartige Bevorzugung ist aber nicht Zweck des Sonderkündigungsschutzes, der, wie ausgeführt, nur dem Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile dient (BAG 26. Juni 2001 - 9 AZR 244/00 - BAGE 98, 114, 122; BVerwG 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275).

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B. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kündigung vom 26. Mai 2009 aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO) und auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist. Gegen die entsprechende Würdigung des Landesarbeitsgerichts und die dieser zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen erhebt die Revision auch keine Rügen.

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C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolgslosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    B. Bender    

                 

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.