Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Apr. 2015 - 2 Sa 204/14

bei uns veröffentlicht am21.04.2015

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Kündigungsschutz gegen eine krankheitsbedingt ausgesprochene Kündigung seitens des Arbeitgebers sowie die Zahlung von Arbeitsentgelt und Schadenersatz wegen unwirksamer Kündigung.

2

Der Kläger mit Wohnsitz in Deutschland ist mindestens seit 21. Oktober 2004 als Ventilation Assistant an Bord von verschiedenen AIDA Kreuzfahrtschiffen beschäftigt gewesen. Sein Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsvertrag vom 21. Oktober 2004 (Kopie als Anlage B 2 überreicht, hier Blatt 60ff) die "C. C. S.p.A." Der in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

3

"…

4

02. Die monatliche Heuer beträgt gemäß freier Vereinbarung mit Wirkung ab 01.01.2005 EUR 3.252,00 brutto. … Mit der Heuer sind die in dem zwischen dem Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften gezeichneten Vertrag enthaltenen monetären Zuwendungen wie die Seefahrtszulage, Trennungsgeld, Weihnachts- und Osterbonus sowie das Verpflegungsgeld abgegolten.

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6

10. Im Falle einer Erkrankung während der Beschäftigungszeit erhält der Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu 42 Tagen Gehaltsfortzahlung.

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8

19. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen. Vertragsänderungen oder Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Anlagen, sofern vorhanden, sind Bestandteil dieses Vertrages.

9

20. Weiterführende Vereinbarungen und Bestimmungen, die im Arbeitsvertrag nicht berücksichtigt sind, regelt der mit den Gewerkschaften FILT-CGIL, FIT-CISL und ULTRASPORTI abgeschlossene Manteltarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieser ist Bestandteil dieses Vertrages.

10

21. Für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist ausschließlich italienisches Recht maßgeblich. Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist der Sitz des Arbeitgebers."

11

Zu diesem Arbeitsvertrag gibt es ein Addendum, das beide Parteien als Teil des Arbeitsvertrages begreifen (Kopie hier Blatt 64). Dort heißt es auszugsweise:

12

"Ergänzend zu Punkt 19 des Anstellungsvertrages wird folgendes zusätzlich vereinbart:

13

… 6. Der Arbeitgeber sichert ab 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Krankentagegeldzahlung bis zu 182 Tage zu."

14

Der in Ziffer 20 des Arbeitsvertrages erwähnte Manteltarifvertrag ist in einer deutschen Übersetzung als Anlage K 2 zur Akte gelangt (hier Blatt 38 ff). Er trägt den Titel "Manteltarifvertrag für die EU Mitarbeiter Deck und Maschine der AIDA Clubschiffe" und er ist am 20. August 2004 zwischen den "nationalen Sekretariaten" der drei im Arbeitsvertrag erwähnten Gewerkschaften und der C. C. S.p.A. abgeschlossen worden (Im Folgenden abgekürzt mit MTV AIDA bezeichnet). Der Text lautet auszugsweise:

15

"…

16

Art. 2 Anmusterung

17

Im Hafenamt von G. trägt C. C. S.p.A. für alle Besatzungsmitglieder der im Anhang unter A genannten Schiffe eine Musterrolle ein.

18

Art. 3 Arbeitsvertrag

19

Außer dem Arbeitsvertrag und den individuellen Vereinbarungen finden die hier explizit aufgeführten Bestimmungen des italienischen "Manteltarifvertrages" vom 25. Juli 1978 für die Anmusterung von Besatzung auf Kreuzfahrtschiffen Anwendung. Nicht ausdrücklich aufgeführte Bestimmungen hingegen sind nicht anwendbar. Die Parteien unterstreichen die bindende Wirkung dieses Dokuments als untrennbaren Bestandteil des Arbeitsvertrages.

20

21

Art. 7 Vorsorge

22

Die Gesellschaft führt die Beiträge zur italienischen Sozialversicherung ab. Diese werden gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen von der Bruttovergütung abgezogen.

23

Für alle Besatzungsmitglieder besteht gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen Versicherungsschutz:

24

a) bei Krankheit;
b) bei Unfällen;
c) bei Invalidität;
d) zur Altersversorgung;
e) bei nicht selbst verschuldeter Arbeitslosigkeit.

25

26

Art. 10 Vergütung

27

Unbefristete Vergütung

28

Die jährliche Vergütung je nach Qualifikation zahlbar in 12 Monatsraten ist pauschal bemessen und umfasst die Grundvergütung, die Zuschläge für Mehrarbeit sowie für Feiertags- und Wochenendarbeit gemäß Art. 6 dieses Vertrages, anteilmäßige Weihnachts- und Ostergratifikationen sowie das je nach Einsatzzeit zustehende Trennungsgeld (TFR).

29

30

Seefahrtszulage

31

Dem Besatzungsmitglied steht die Zahlung einer Seefahrtszulage zu. Aufgrund der besonderen Bedingungen während der Seefahrt sowie der Verpflichtung an Bord zu bleiben und der damit zusammenhängenden Unannehmlichkeiten wird für jeden tatsächlich auf See zugebrachten Tag eine Seefahrtszulage gezahlt. Mit den in der Bruttovergütung aufgeführten Beträgen sind die Ansprüche an eine Seefahrtsentschädigung abgegolten.

32

33

Art. 12 Trennungsgeld

34

Die Vergütungsposten, die im Sinne des Gesetzes Nr. 298 vom 29. Mai 1982 und insbesondere im Sinne des Art. 4 Abs. 2 desselben als Bemessungsgrundlage für das Trennungsgeld dienen, sind in der Pauschalvergütung bereits enthalten:

35

1. Grundvergütung;
2. anteilige Weihnachtsgratifikation;
3. anteilige Ostergratifikation;
4. vereinbarter Betrag für die Verpflegung;
5. ggf. Alterszuschläge.

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37

Art. 14 Andere Regelungen

38

Die Parteien verweisen auf den Manteltarifvertrag für die italienische Seeschifffahrt und die derzeit gültigen und vom Arbeitgeber verabschiedeten Vereinbarungen und Regelungen für die im Anhang unter A aufgeführten Schiffe."

39

Die Beklagte hat als Anlagenkonvolut B 3 (hier Blatt 88 ff) in deutscher Übersetzung eine schriftliche Einverständniserklärung zwischen der italienischen Versorgungsanstalt für Seeleute (IPSEMA) und der seinerzeitigen Eignerin der AIDA-Schiffe (Società di Crociere Mercurio S.r.l. mit Sitz in G.) aus dem Jahre 2009 vorgelegt, in der weitere Einzelheiten einer Krankentagegeldzahlung seitens der Versorgungsanstalt für erkrankte Arbeitnehmer auf den Kreuzfahrtschiffen geregelt sind. Diese Regelungen wurden von der Beklagten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger und darüber hinaus angewendet. Nach dieser Regelung zahlt die Beklagte als Auftragnehmer der IPSEMA die nach deren Regelungen gültigen Leistungen im Falle eines Arbeitsunfalls, einer Krankheit und im Fall des Mutterschutzes direkt an die betroffenen Arbeitnehmer aus, und rechnet dann später intern mit IPSEMA diese Leistungen ab (hier Blatt 82). Im dazu gehörenden Anhang 2 (hier Blatt 83 ff) werden Einzelheiten der Leistungen der IPSEMA für den Fall einer Krankheit beschrieben. Zur Dauer der von IPSEMA zu leistenden sozialen Absicherung des Seemanns heißt es dort (hier Blatt 84):

40

„Die Vergütung läuft ab dem Folgetag auf die Ausschiffung des Versicherten und wird vom Institut in der Höhe von fünfundsiebzig Prozent des effektiv zum Zeitpunkt der Ausschiffung empfangenen Gehalts solange ausgezahlt, wie die absolute Unfähigkeit andauert, die den Versicherten vollkommen und tatsächlich daran hindert, seiner Arbeit nachzugehen und in jedem Fall für die Höchstdauer eines Jahres ab dem Ausschiffungsvermerk im Register.

41

Die Gesetzlich vom Institut geschuldete finanzielle Leistung wird direkt von der Società di Crociere Mercurio S.r.l. vorausgezahlt."

42

Unter der Überschrift "Zusatzkrankheit" heißt es dort weiter:

43

"Für die Krankheit, von welcher in Art. 7 des Gesetzes Nr. 831/38 die Rede ist – einer Krankheit, die innerhalb von 28 Tagen nach der Ausschiffung aufgetreten ist – läuft der Tagessatz ab dem vierten Folgetag auf die Krankmeldung und wird in der Höhe von fünfundsiebzig Prozent des effektiv zum Zeitpunkt der Ausschiffung empfangenen Gehalts und jedenfalls für die Höchstdauer eines Jahres nach dem Ausschiffungsvermerk im Register ausgezahlt."

44

Sodann hießt es dann noch in dem Dokument bezogen auf Personal in einem festen Arbeitsverhältnis (hier Blatt 85):

45

"Die Società di Crociere Mercurio S.r.l. zahlt für die Seeleute mit einem festen Arbeitsverhältnis, die ein Recht auf die Vergütung bei vorübergehender Unfähigkeit infolge einer Krankheit, welche auch nach dem 28. Tag sowie innerhalb des 180. Tages nach der Ausschiffung auftritt, vorgesehenen Leistungen für die Höchstdauer eines Jahres ab diesem voraus."

46

Die Schiffe, auf denen der Kläger eingesetzt war, wurden seit 2004 unter italienischer Flagge betrieben mit Heimathafen G.. Die Entgelte der Arbeitnehmer wurden nach italienischem Steuerrecht behandelt und die Steuern wurden in Italien abgeführt.

47

Das Arbeitsentgelt des Klägers betrug zuletzt 3.982,00 Euro brutto.

48

Der Kläger hatte zuletzt erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten aufzuweisen. Der letzte Abstieg des Klägers vom Schiff war am 10. Juni 2011. Daran schloss sich bezahlter Urlaub bzw. Freizeitausgleich an. Während dieser Zeit ist der Kläger erkrankt und er war arbeitsunfähig vom 21. Juli 2011 bis zum 31. August 2012. Im Anschluss daran nahm der Kläger in der Zeit vom 1. September bis zum 6. November 2012 bezahlten Urlaub bzw. Freizeitausgleich. Für die Zeit nach seinem Urlaub war der Kläger von der Beklagten nicht zum Dienst auf einem Schiff eingeteilt worden. Nach Urlaubsende konnte der Kläger krankheitsbedingt die Arbeit ebenfalls nicht wieder aufnehmen. Vielmehr war er seit dem 7. November 2012 wiederum arbeitsunfähig erkrankt.

49

Während der Ausfallzeit hat der Kläger von der Beklagten bzw. über die Beklagte Entgeltfortzahlung und später Krankentagegeld bezogen bis einschließlich 11. Juni 2012. Für den weiteren Teil des Monats Juni sowie für die Monate Juli und August 2012 hat der Kläger kein Entgelt und keine Entgeltersatzleistung bezogen. Während des Urlaubs hat er Urlaubsentgelt bezogen. In die ersten Zeit der erneuten Arbeitsunfähigkeit seit dem 7. November 2012 hat die Beklagte den Kläger bis zum 11. November 2012 im Status "unbezahlte Freistellung" geführt (vgl. Anschreiben der Beklagten an den Kläger vom 13. November 2012, Kopie als Anlage K 3 zur Akte gereicht, hier Blatt 43) und ihm anheimgestellt, bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit seinen weiteren Urlaubsanspruch abzugelten. Über die Vergütung des Klägers nach Ablauf des 11. November 2012 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Ende Februar 2013 ist im Rechtsstreit nichts vorgetragen worden.

50

Mit Schreiben vom 15. November 2012 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 28. Februar 2013 gekündigt (Kopie der Kündigung ist als Anlage zur Klageschrift zur Akte gelangt, hier Blatt 6). Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist am 5. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht Rostock eingegangen. Die Klage ist vor dem Arbeitsgericht später noch um Zahlungsansprüche erweitert worden. Im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils sind die klägerischen Anträge wie folgt wiedergegeben:

51

1.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung vom 15. November zum 28.02.2013 beendet wurde sondern darüber hinaus fortbesteht.

52

2.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 15 Brutto-monatsgehältern somit € 59.730,00 zuzüglich Zinsen und Geldaufwertung gemäß dem italienischen ISTAT-Index vom 01.03.2013 zu zahlen.

53

Hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz bis zur Wiedereingliederung, mindestens 5 Monatsbruttogehälter, somit € 19.910,00 zuzüglich gesetzlicher italienischer Zinsen und Geldaufwertung gemäß italienischen ISTAT-Index vom 01.03.2013 zu zahlen.

54

3.
Die Beklagte wird verurteilt, nicht abgeführte gesetzliche Abgaben sowie Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Krankheit des Klägers sowie die Gehälter von Juli 2012 und August 2012 in Höhe von € 7.946,00 einschließlich italienischen Zinsen und Geldaufwertung gemäß italienischem ISTAT-Index ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

55

Das Arbeitsgericht Rostock (2 Ca 1968//12) hat die Klage insgesamt mit Urteil vom 13. Mai 2014 abgewiesen. Es hat die Kündigung als nach Artikel 2110 Codice Civile (CC) wirksam angesehen. Da die Kündigung wirksam sei, stehe dem Kläger auch der mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Schadensersatz wegen unwirksamer Kündigung nicht zu. Den dritten Antrag hat das Arbeitsgericht ausschließlich als Zahlungsantrag bezüglich des Entgelts für Juli und August 2012 angesehen und hat die Klage insoweit ebenfalls abgewiesen, da der Anspruch auf Krankentagegeld nach italienischem Sozialversicherungsrecht 1 Jahr nach dem letzten Abstieg ende.

56

Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

57

Der Kläger stützt seine Berufung ausweislich der Berufungsbegründung einzig auf den Umstand, dass das Arbeitsgericht es verabsäumt habe, das zur Klärung des Rechtsstreits notwendige Gutachten über krankheitsbedingte Kündigungen nach italienischem Arbeitsrecht einzuholen. Es sei verfahrensfehlerhaft, sich insoweit auf ein Gutachten zu stützen, das das Arbeitsgericht für einen anderen Rechtsstreit in Auftrag gegeben hatte, wobei sich der Fehler noch dadurch verstärkt habe, dass man dieses Gutachten dem Kläger vorenthalten habe, so dass er keine Chance gehabt habe, sich hiermit auseinander zu setzen. Mit Schriftsatz vom 20. April 2015 hat der Kläger daher außerhalb der Berufungsbegründungsfrist zusätzlich beantragt, den Rechtsstreit wegen der schweren Verfahrensfehler an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. – Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

58

Der Kläger beantragt sinngemäß,

59

1. das arbeitsgerichtliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht Rostock zurückzuverweisen;

60

2. Hilfsweise das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und nach dem Schlussantrag des Klägers in erster Instanz zu erkennen.

61

Die Beklagte beantragt,

62

die Berufung zurückzuweisen.

63

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Das Arbeitsgericht habe aufgrund seiner eigenen Kenntnisse des italienischen Arbeitsrechts, die es durch mehrere vergleichbare Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte inzwischen erworben habe, den Rechtsstreit entschieden. Es wäre daher nicht erforderlich gewesen, erneut einen Gutachter mit der Beurteilung der Rechtslage nach italienischem Recht zu betrauen. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits sei daher ausgeschlossen.

64

Das Arbeitsgericht habe auch in der Sache richtig entschieden. Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach Artikel 2110 CC hätten vorgelegen. Vorliegend sei von einer Schutzfrist von 180 Tagen auszugehen, die bereits bei weitem überschritten gewesen wäre. Das Kündigungsrecht sei auch nicht dadurch verloren gegangen, dass der Arbeitgeber Langmut gezeigt habe und das Arbeitsverhältnis erst 400 Tage nach dem letzten Abstieg krankheitsbedingt gekündigt habe. Es treffe auch nicht zu, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen auf den Schiffen und der Ausfallzeit des Klägers gibt. Da der Kläger seine diesbezügliche Vermutung nicht weiter untermauert habe, könne die Beklagte dazu auch nicht weiter vortragen.

65

Eine Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Entgelt für Juli und August 2012 habe der Kläger nicht aufgezeigt. Nach italienischem Sozialversicherungsrecht ende der Anspruch auf Krankentagegeld für Seeleute auf den AIDA-Schiffen 1 Jahr nach dem letzten Abstieg. Insofern sei maßgeblich auf Vereinbarung zwischen der Versorgungsanstalt für Seeleute (IPSEMA) und der Beklagten abzustellen, die die Beklagte in deutscher Übersetzung als Anlage B 3 zu ihrem Schriftsatz vom 24. Juli 2013 erstinstanzlich überreicht hatte (hier Blatt 81 ff).

66

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

67

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden. Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit wieder an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

I.

68

Die Person der Beklagten bedarf der Klarstellung. Beklagt ist die C. C. S.p.A mit Sitz in G./Italien (registriert bei der Handelskammer G. zur Nummer 0254590018). Das ergibt sich aus der Auslegung des Rubrums der Klageschrift unter Mitberücksichtigung des weiteren Vortrags der Parteien und der überreichten Urkunden.

69

Ist eine Parteibezeichnung in der Klageschrift nicht eindeutig, ist die beklagte Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählte Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung kann jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht, vergleiche nur BAG 18.10.2012 – 6 AZR 41/11 – AP Nr. 196 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA 2013, 1007 = DB 2013, 586; BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – AP Nr. 67 zu § 4 KSchG 1969 = NJW 2009, 1293 = NZA 2009, 221; vgl. auch BGH 23. September 2008 – X ZR 135/04 – NJW-RR 2009, 539).

70

Der Kläger hat das Beklagtenrubrum erkennbar aus der Kündigung vom 15. November 2012 übernommen (Kopie hier Blatt 6), wo es im Kopf lediglich unspezifisch "C." heißt und in der Fußzeile der Kündigende sich selbst mit "C. · " bezeichnet, was der Kläger in das Rubrum seiner Klage übernommen hat. Da eine Niederlassung einer juristischen Person keine eigene juristische Person darstellt, kann man davon ausgehen, dass der Kläger die Aktiengesellschaft italienischen Rechts mit Namen C. C. S.p.A und mit Sitz in G. verklagen wollte. Dass der Kläger erkennbar diese juristische Person beklagen wollte, ergibt sich indirekt auch daraus, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass diese Person zuletzt Arbeitgeber im gekündigten Arbeitsverhältnis war.

71

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte unter der Firma der im R. Handelsregister eingetragenen Niederlassung verklagt wird. Allerdings muss hervorgehoben werden, dass der Handelsregistereintrag zur Niederlassung der Beklagten in C-Stadt in sich widersprüchlich ist. Denn im Handelsregister des Amtsgerichts Rostock zur Nummer HRB 10559 ist die dort eingetragene Firma ("C. – German Branch of C. C. S.p.A") als Zweigniederlassung der Società di Crociere Mercurio S.r.l. mit Sitz in G./Italien (Handelsregister der Kammer für Handel, Industrie, Landwirtschaft und Handwerk, G./Italien, registriert unter der Nr. 01709000994) bezeichnet. Und auch unter der Überschrift "Rechtsform" findet sich im Handelsregister die offensichtlich inzwischen nicht mehr zutreffende Eintragung "Societa a resposabilia limitata, Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht". Da sich die R. Niederlassung im Geschäftsverkehr als Niederlassung der C. C. S.p.A. bezeichnet und sie mit dieser Firma hier auch eingetragen ist, ist davon auszugehen, dass die weiteren Angaben im hiesigen Handelsregister veraltet ist.

II.

72

Die Arbeitsgerichtgerichtsbarkeit im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig.

73

Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Artikel 19 Absatz 1 Nr. 1 und Artikel 60 VO (EG) Nr. 44/2001. Danach kann ein Arbeitgeber vor den Gerichten des Mitgliedstaates verklagt werden, in dem er seinen Wohnsitz hat. Gesellschaften und juristische Personen haben nach Artikel 60 VO (EG) Nummer 44/2001 ihren Wohnsitz an dem Ort an dem sich (a) ihr satzungsgemäßer Sitz, oder (b) ihre Hauptverwaltung oder (c) ihre Hauptniederlassung befindet. Die Beklagte betreibt in C-Stadt entweder ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung, damit hat sie ihren Wohnsitz im Sinne der VO (EG) 44/2001 auch in C-Stadt. Weiterer Aufklärung dazu bedarf es nicht, denn die Zuständigkeit der hiesigen Gerichte ergibt sich auch daraus, dass sich die Beklagte rügelos auf die vom Kläger hier anhängig gemachte Klage in der Sache eingelassen hat.

III.

74

Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag zutreffend als unbegründet erachtet. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung bestehen nach dem anzuwendenden italienischen Arbeitsrecht keine durchgreifenden Bedenken.

1.

75

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach Ziffer 21 des Arbeitsvertrages ausschließlich italienisches Recht, hier also italienisches Arbeitsrecht, Anwendung.

76

Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ist nach Artikel 27 ff. EGBGB aF zu bestimmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet erst auf die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossenen Verträge Anwendung (Art. 28 VO 593/2008/EG). Altverträge – hier gegeben – unterstehen weiter dem bisherigen Recht (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 23; 20. April 2011 - 5 AZR 171/10 - Rn. 11, BAGE 137, 375; so auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 3. April 2014 – 4 Sa 57/13 – juris.de).

77

Nach Art. 27 Absatz 1 EGBGB aF unterliegt der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Die Parteien haben arbeitsvertraglich wirksam die ausschließliche Geltung italienischen Rechts vereinbart. Rechtliche Bedenken gegen die mit dem Arbeitsvertrag vereinbarte Anwendung italienischen Rechts bestehen nicht. Weitere Erörterungen hierzu sind nicht geboten, da beide Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass italienisches Arbeitsrecht zur Anwendung kommt.

2.

78

Die streitgegenständliche Kündigung ist nach Artikel 2110 Absatz 2 Codice Civile (CC) wirksam.

a)

79

Artikel 2110, 2118 CC lauten in der deutschen Übersetzung, die die Autonome Provinz Bozen veranlasst und über das Internet verfügbar gemacht hat und die das Gericht seiner Entscheidung zu Grunde legt, wie folgt:

80

Art. 2110. (Unfall, Krankheit, Schwangerschaft, Mutterschaft)

81

Bei Unfall, Krankheit, Schwangerschaft oder Mutterschaft steht dem Arbeitnehmer, wenn das Gesetz oder die Ständischen Vorschriften keine gleichwertigen Formen der Vorsorge oder der Fürsorge festsetzen, die Entlohnung oder eine Entschädigung in dem Ausmaß und für die Zeit zu, wie sie von den Sondergesetzen, Ständischen Vorschriften, Gebräuchen oder von der Billigkeit bestimmt sind.

82

In den im vorhergehenden Absatz bezeichneten Fällen ist der Unternehmer berechtigt, nach Ablauf der vom Gesetz, von den Ständischen Vorschriften, von den Gebräuchen oder von der nach Billigkeit festgesetzten Frist vom Vertrag gemäß Artikel 2118 zurückzutreten.

83

Die Zeit der Abwesenheit von der Arbeit aus einem der vorerwähnten Gründe ist auf das Dienstalter anzurechnen.

84

Art. 2118. (Rücktritt von einem Vertrag auf unbestimmte Zeit)

85

Jeder der Vertragsteile kann von einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag zurücktreten, indem er dies innerhalb der Frist und auf die Art und Weise vorankündigt, wie sie von den Ständischen Vorschriften, von den Gebräuchen oder nach Billigkeit festgesetzt sind.

86

Bei Unterlassung der Vorankündigung ist der Zurücktretende verpflichtet, dem anderen Teil eine Entschädigung zu leisten, die dem Betrag der Entlohnung entspricht, die ihm für die Zeit der Vorankündigung zugestanden wäre.

87

Die gleiche Entschädigung wird vom Arbeitgeber für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Todes des Arbeitnehmers geschuldet.

88

Artikel 2110 Absatz 1 CC ist eine Arbeitnehmerschutzvorschrift, die sicherstellt, dass der Arbeitnehmer im Falle eines Verdienstausfalls wegen Krankheit, Schwangerschaft oder wegen eines der weiteren dort erwähnten Umstände finanziell abgesichert ist. Satz 1 der Norm hat in seiner Hauptaussage lediglich eine klarstellende Funktion, denn dort ist nur ausgesagt, dass für den Fall, dass die soziale Absicherung in einem Gesetz oder in einer ständischen Vorschrift vorgesehen ist, dieses Gesetz oder diese Vorschrift anzuwenden ist. Für den Fall, dass es kein (allgemeines) Gesetz oder eine solche ständische Vorschrift gibt, die die soziale Absicherung des Arbeitnehmers regeln, soll sich die soziale Absicherung entweder nach bestehenden Sondergesetzen oder entsprechenden ständischen Vorschriften richten, oder aber nach den Bräuchen oder letztlich nach dem Maßstab der Billigkeit festgesetzt werden.

89

Die im Einzelfall maßgebliche Dauer der sozialen Absicherung wird also in einer vierstufigen Prüfung ermittelt. Maßgeblich sind in erster Linie allgemeine Gesetze oder Sondergesetze, die den Sachverhalt ausdrücklich regeln, in zweiter Linie ständische Vorschriften, die den Sachverhalt ausdrücklich regeln, in dritter Linie die Verkehrsüblichkeit ("Bräuche") und in vierter Linie der Maßstab der Billigkeit.

90

Keine soziale Arbeitnehmerschutzvorschrift ist dagegen Artikel 2110 Absatz 2 CC. Denn diese Norm schafft für den Arbeitgeber ein kündigungsgleiches Recht zum Rücktritt vom Arbeitsvertrag für den Fall, dass die Ausfallzeit über die in Absatz 1 erwähnte oder geregelte Zeit der sozialen Absicherung hinaus andauert. Beide Absätze von Artikel 2110 CC beziehen sich damit erkennbar auf dieselben sozialen Schutzvorschriften zur Einkommensabsicherung, die in beiden Absätzen erwähnten Schutzfristen sind dieselben. Der italienische Gesetzgeber mutet dem Arbeitgeber zu, mindestens so lange an dem nicht aktiv durchgeführten Arbeitsverhältnis festzuhalten, bis die soziale Absicherung des Arbeitnehmers in den erwähnten Schicksalsfällen endet. Nach Ablauf dieser Schutzfrist ist dann allerdings eine Lösung vom Arbeitsverhältnis möglich, wobei Artikel 2110 Absatz 2 CC als eigenständiger und in sich geschlossener Kündigungstatbestand begriffen wird, so dass weitere Voraussetzungen nicht zu prüfen sind (Bovenberg, Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht, Verlag Dr. Kovac, Hamburg, 2003, Seiten 89, 91 f mit weiteren Nachweisen und mit der Darstellung der abweichenden Mindermeinung).

b)

91

Will man also ermessen, ob die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger am 15. November 2012 kündigen durfte, muss man zunächst ermitteln, für welchen Zeitraum der Kläger nach welchen Vorschriften für die Zeit seiner Krankheit sozial abgesichert war.

92

Das Arbeitsgericht hat das Vorliegen von Gesetzen und ständischen Vorschriften verneint und ist unter Anwendung des Kriteriums der Bräuche (Verkehrsüblichkeit) zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schutzfrist 180 Kalendertage umfasst, wohl gemessen ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Bei der Frage, was im vorliegenden Falle der Verkehrsüblichkeit entspricht, hat sich das Arbeitsgericht auf Umstände bezogen, die dadurch gerichtsbekannt wurden, dass sie Herr Rechtsanwalt P. aus H. einen ähnlichen Fall einen anderen Arbeitnehmer der Beklagten betreffend in seinem vom Arbeitsgericht Rostock in Auftrag gegebenen Gutachten erwähnt hat. Denn der Gutachter hatte in jenem Verfahren in seinem Gutachten mitgeteilt, dass auch im allgemeinen Seearbeitsrecht in Italien eine Schutzfrist von 180 Kalendertagen gelte und diese Dauer der Schutzfrist in einem ganz allgemeinen Sinne als Auffangschutzfrist angesehen werden könne, da sie in verschiedensten Branchen, die er in seinem Gutachten näher bezeichnet hat, gültig sei.

93

Das erkennende Gericht will weder die von Herrn Rechtsanwalt P. in dem anderen Rechtsstreit mitgeteilten Umstände, noch die von ihm daraus gezogenen Folgerungen in Frage stellen. Dennoch meint das Gericht, dass vorliegend die Schutzfrist 1 Jahr nach dem letzten Abstieg vom Schiff beträgt. Denn für diesen Zeitraum war der Kläger durch die Zahlung von Krankentagegeld sozial abgesichert. Das ergibt sich zum einen bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte entsprechend lange Lohnersatzleistungen an den Kläger ausgezahlt hat. Zum anderen ergibt sich diese Frist indirekt aber auch aus der schriftlichen Einverständniserklärung mit IPSEMA, die im Tatbestand des Urteils zitiert ist. Da in dem IPSEMA-Dokument von gesetzlichen Pflichten der Versorgungsanstalt die Rede ist, geht das Gericht davon aus, dass die Einverständniserklärung nicht konstitutiv die soziale Absicherung regelt, sondern sich diese aus dort nicht im einzelnen erwähnten Gesetzen, die man nach deutschem Recht dem Sozialrecht zuordnen würde, ergeben. Da Artikel 2110 CC die Person oder Stelle nicht benennt, die die soziale Absicherung des erkrankten Arbeitnehmers sicherzustellen hat, darf der Blick nicht auf den Arbeitgeber als Schuldner der sozialen Absicherung verengt werden. Die Schutzfrist kann sich auch aus Gesetzen ergeben, die man in Deutschland dem Sozialrecht zuordnen würde.

94

Diese Schutzfrist war im Falle des Klägers im Juni 2012 abgelaufen. Seit diesem Zeitpunkt war für die Beklagte die Möglichkeit der Kündigung nach Artikel 2110 Absatz 2 CC eröffnet.

95

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für diese Feststellung nicht darauf an, ob im vorliegenden Falle von einer einfachen Schutzfrist ("periodo di comporto secco") oder von einer erweiterten Schutzfrist ("periodo di comporto per sommatoria") auszugehen ist. Das ist eine Differenzierung, auf die es nicht ankommt, da keine der Vorschriften, die die soziale Absicherung des Klägers während seiner Krankheit sicherstellen, auf diesen Unterschied abhebt. Das mag in anderen Branchen oder für andere Arbeitnehmer im italienischen Arbeitsrecht anders sein, spielt im vorliegenden Falle jedoch keine Rolle. Jedenfalls hat der Kläger kein soziales Schutzgesetz, keine ständische Vorschrift oder auch nur einen entsprechenden Brauch benannt, der über den Gedanken der erweiterten Schutzfrist ("periodo di comporto per sommatoria") eine längere soziale Absicherung bei Krankheit vermittelt, als das der Entscheidung des Gerichts zu Grunde gelegte eine Jahr nach dem letzten Abstieg. Für das Gericht besteht auch kein Anlass, durch ein Rechtsgutachten zu erforschen, ob die Beklagte eigentlich verpflichtet gewesen wäre, auch über den Juni 2012 hinaus Lohnersatzleistungen zu gewähren. Dazu hätte der Kläger sich wenigstens laienhaft auf ein dahingehendes Rechtsinstitut oder eine entsprechende Vorschrift berufen müssen. Im Übrigen ist der Kläger der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts, die erweiterte Schutzfrist sei für Fälle der häufigen Kurzerkrankungen von Bedeutung – eine Fallgestaltung, die vorliegend ersichtlich keine Rolle spielen kann – nicht entgegen getreten. Auch aus diesem Grund besteht kein Anlass, durch Rechtsgutachten der Frage nachzugehen, ob vorliegend eine erweiterte Schutzfrist zur Anwendung gelangen könnte, und von welcher Dauer diese dann wäre.

c)

96

Das der Beklagten zustehende Kündigungsrecht aus Artikel 2110 Absatz 2 CC ist nicht dadurch eingeschränkt oder ausgeschlossen, dass die Beklagte wegen der vom Kläger behaupteten Duldung der schlechten Arbeitsbedingungen auf den Schiffen für das Auftreten der Ausfallzeit des Klägers mitverantwortlich gewesen sei. Für diese Feststellung kann offen bleiben, ob das italienische Arbeitsrecht bei der Kündigung nach Artikel 2110 Absatz 2 CC überhaupt auf die Frage Rücksicht nimmt, ob der Arbeitgeber an dem Auftreten der Ausfallzeit eine Mitverantwortung trägt, denn der Kläger hat seinen gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwurf nicht weiter mit Tatsachenvortrag untermauert. Er kann daher der gerichtlichen Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen festgestellt und der Kläger ist darauf in der Berufung nicht eingegangen.

d)

97

Die Beklagte hat sein Kündigungsrecht aus Artikel 2110 Absatz 2 CC auch durch den weiteren Lauf der Dinge bis zum tatsächlichen Ausspruch der Kündigung Mitte November 2011 nicht wieder verloren.

98

Das Arbeitsgericht hat die Frage aufgeworfen, ob mit der Arbeitsunfähigkeit, die unmittelbar nach Beendigung des Urlaubs am 7. November 2012 festgestellt wurde, eine neue Schutzfrist zu laufen begonnen hat. Nach Artikel 2110 CC hängt das davon ab, ob der Kläger für diese Zeit der erneuten Arbeitsunfähigkeit erneut sozial abgesichert im Sinne von Artikel 2110 Absatz 1 CC war. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Kläger trägt selber vor, dass die Beklagte ihn in der ersten Woche dieser Periode der erneuten Arbeitsunfähigkeit "unbezahlt freigestellt" habe (Anlage K 3 zum erstinstanzlichen Schriftsatz vom 8. März 2013, hier Blatt 43) und für die Zukunft Inanspruchnahme von Urlaub empfohlen habe. Der insoweit beweisbelastete Kläger hat sich zu seinen Einkommensverhältnissen bzw. zu seiner sozialen Absicherung nach Ablauf der erwähnten Freistellungs-Woche nicht geäußert und auch die Beklagte hat sich dazu ausgeschwiegen. Nach den in den Rechtsstreit eingeführten Unterlagen kann der Kläger in dieser Zeit nicht durch Lohnersatzleistungen sozial abgesichert gewesen sein, da alle denkbaren Leistungen spätestens 1 Jahr nach dem letzten Abstieg ausgelaufen waren. Gegen eine erneut beginnende Schutzfrist spricht im vorliegenden Fall auch der vom Kläger in den Rechtsstreit eingeführte Umstand, dass er für die Zeit nach Ablauf seines Urlaubs im November 2012 nicht für einen Einsatz auf einem Schiff eingeplant war. Damit kann der erste Krankheitstag unmittelbar nach Ablauf des Urlaubs auch nicht fiktiv als ein erneuter Abstieg vom Schiff gewertet werden.

99

Es kann auch dahinstehen ob der dem deutschen Rechtsdenken entlehnte Begriff der Verwirkung des Kündigungsrechts eine Entsprechung im italienischen Recht hat. Denn selbst wenn man den deutschen Begriff der Verwirkung des Kündigungsrechts zu Grunde legt, kann vorliegend kein Fall der Verwirkung festgestellt werden. Das Arbeitsgericht hatte den Kläger zur Vorbereitung der Kammerverhandlung mit Schreiben vom 18. Juli 2013 (hier Blatt 75) gebeten mitzuteilen, wie sich genau seine Krankheiten (vor und nach dem Urlaub) entwickelt hatten. Auf diese gerichtliche Verfügung ist der Kläger weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht eingegangen. Damit fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger tatsächlich vor oder zum Antritt seines Urlaubs wieder genesen war und er erst dann nach Ablauf des Urlaubs erneut erkrankt ist. Wenn es aber an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers überhaupt unterbrochen war, sieht das Gericht auch keinen Anlass, über die Verwirkung des im Juni 2012 entstandenen Kündigungsrechts nachzudenken. Die klägerische Unfähigkeit, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, führt jeden Tag erneut zu einer Belastung des Arbeitsverhältnisses, so dass für eine Verwirkung des Kündigungsrechts allein wegen der Dauer der Eröffnung der Kündigungsmöglichkeit kein Raum ist.

3.

100

Der Kündigungsschutzantrag ist nicht anders zu entscheiden, wenn man die Regeln des internationalen Privatrechts nach Artikel 27 ff EGBGB (in der Fassung bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Rom I-VO) mit berücksichtigt.

101

Nach Artikel 30 Absatz 1 EGBGB aF darf die Rechtswahl der Parteien im Arbeitsverhältnis nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels einer arbeitsvertraglichen Rechtswahl anzuwenden wäre. Da im Arbeitsverhältnis der Parteien auch dann italienisches Arbeitsrecht anwendbar gewesen wäre, wenn die Parteien dies im Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich geregelt hätten, kann dahinstehen, ob die Kündigung nach dem deutschen Arbeitsrecht Bestand hätte.

102

Wenn die Parteien keine Rechtswahl im Vertrag getroffen haben, unterliegen Arbeitsverträge in der Regel dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Artikel 30 Absatz 2 Nr. 1 EGBGB aF). Das ist hier Italien, da die Schiffe, auf denen der Kläger gearbeitet hat, unter italienischer Flagge betrieben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitsort "Seeschiff" dem Staat zugehörig, dessen Flagge zu führen das Schiff berechtigt ist (BAG 24. September 2009 – 8 AZR 306/08 – BAGE 132, 182 = AP Nr. 1 zu Art 18 EuGVVO = NZA-RR 2010, 604).

103

Aber selbst dann, wenn man diese Zuordnung nach der Flagge nicht für überzeugend hält, wäre ohne Rechtswahl italienisches Arbeitsrecht anzuwenden. Denn wenn man dem Seeschiff keine Sonderrolle durch die Zuordnung zum Flaggenstaat zubilligt, müsste man in Anlehnung an die Arbeitsverhältnisse auf Flugzeugen oder für Personal im internationalen Zug- und Straßenverkehr zu der Feststellung kommen, dass es für den Arbeitnehmer auf See keinen gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne von Artikel 30 Absatz 2 Nr. 1 EGBGB aF gibt, weil der Arbeitsort ständig wechselt. In diesem Falle würde sich die Zuordnung zu einer Rechtsordnung nach Artikel 30 Absatz 2 Nr. 2 EGBG aF richten. Danach kommt es – leicht verkürzt ausgedrückt – darauf an, wo die Stelle gelegen ist, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, es sei denn, das sich "aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass … das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist", dessen Arbeitsrecht dann anzuwenden ist.

104

Es kann dahinstehen, ob der Kläger in Deutschland eingestellt wurde, denn die Gesamtheit der Umstände ergibt dennoch, dass das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu Italien aufweist. Neben dem Sitz des Arbeitgebers in Italien (G.) ist von Bedeutung, dass das Arbeitsverhältnis auch durch einen Tarifvertrag mit italienischen Gewerkschaften geprägt wird und dass Steuern und Sozialversicherung nach italienischem Recht abgeführt werden, worauf der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 12. September 2013 (C-64/12 – Schlecker – NZA 2013, 1163) zutreffend maßgeblich abgestellt hat.

IV.

105

Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, steht dem Kläger auch weder Entschädigung noch Schadensersatz wegen unwirksamer Kündigung zu. Der Klageantrag zu 2 ist daher zu Recht vom Arbeitsgericht abgewiesen worden.

106

Durch die Formulierung des Klageantrages zu 2 nimmt der Kläger erkennbar Bezug auf das Arbeitnehmerstatut (Statuto die lavoratori – Gesetz Nr. 300 vom 17. Mai 1970). Dieses sieht in seinem Artikel 18 allerdings nur dann eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers vor, wenn die von ihm ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Da die Beklagte vorliegend eine wirksame Kündigung ausgesprochen hat, hat der Kläger keine weiteren Zahlungsansprüche aus Artikel 18 Arbeitnehmerstatut.

107

Der Klageantrag zu 2 kann nicht – auch nicht hilfsweise – als Antrag auf Zahlung des Trennungsgeldes nach Artikel 2120 CC (trattamento di fine rapporto – TFR) verstanden werden. Zum einen hat der Kläger seinen Klageantrag zu 2 zu keinem Zeitpunkt mit Artikel 2120 CC begründet und zum anderen passt die nach dem Gesetz vorgesehene Berechnungsweise der TFR nicht zu dem klägerischen Antrag, sondern nur zu Artikel 18 Arbeitnehmerstatut. Da nach italienischem Recht beide Ansprüche unabhängig voneinander bestehen, kann das Gericht auch nicht eine Umdeutung des unbegründeten Schadensersatzanspruchs in einen Anspruch auf Zahlung von Trennungsgeld vornehmen.

V.

108

Auch der Klageantrag zu 3 ist nicht begründet.

1.

109

Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 3 die Zahlung von Entgelt für Juli und August 2012 fordert, hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die zutreffende Begründung macht sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen.

110

Der Kläger hat es verabsäumt, eine Anspruchsgrundlage für seinen Anspruch darzulegen. Da der Kläger in den beiden Streitmonaten unstreitig wegen Arbeitsunfähigkeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit war, hätte er eine Anspruchsgrundlage vortragen müssen, aus der sich ergibt, dass er auch über den Juni 2012 hinaus Anspruch auf soziale Absicherung im Krankheitsfalle hat. Das hat der Kläger verabsäumt.

111

Eine Anspruchsgrundlage ist auch nicht ersichtlich. Der Rechtsstreit ist auch insoweit ohne Einholung eines weiteren Gutachtens zur Rechtslage in Italien entscheidungsreif. Wie bereits oben bei der Anwendung von Artikel 2110 CC ausgeführt, stehen die Vorschriften fest, aus denen sich die soziale Absicherung des Klägers im Krankheitsfalle ergeben. Danach hatte der Kläger in den beiden Streitmonaten keinen Anspruch auf weitere soziale Absicherung mehr. Will ein Kläger in einer solchen Situation weitergehende Ansprüche geltend machen, muss er dem Gericht zumindest laienhaft Hinweise geben, unter welchem Gesichtspunkt sich weitergehende Ansprüche ergeben könnten. Ohne solche Hinweise besteht kein Anlass, sozusagen ins Blaue hinein weitere Gutachten in Auftrag zu geben.

2.

112

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat sich herausgestellt, dass der Kläger seinen Klageantrag zu 3 umfassender versteht, nämlich auch als einen – unbezifferten – Antrag auf Zahlung des Trennungsgeldes nach Artikel 2120 CC (trattamento di fine rapporto – TFR).

113

Das Gericht lässt wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles offen, ob der Kläger erkennen konnte, dass das Arbeitsgericht gemessen an seinem in der mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht formulierten Begehren lediglich ein Teilurteil gesprochen hat. Denn der Anspruch kann ihm schon aus prozessualen Gründen nicht zugesprochen werden, denn der dahingehende Antrag ist unzulässig, da es an einem bestimmten Antrag im Sinne von § 253 ZPO fehlt. In materiell-rechtlicher Hinsicht mag der Hinweis genügen, dass die im MTV AIDA vorgesehene Abgeltung des TFR-Anspruchs mit dem monatlichen Entgelt vom hiesigen Landesarbeitsgericht in einem insoweit vergleichbaren Fall als mit dem Recht vereinbar angesehen wurde (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 22. Januar 2014 – 3 Sa 267/12 – juris.de, derzeit im Revisionsverfahren beim Bundesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 8 AZR 216/14).

3.

114

Der Klageantrag zu 3 enthält zwar textlich noch ein weitere Element ("nicht abgeführte gesetzliche Abgaben"). Da im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht ermittelt werden konnte, wie man das damit gemeinte Begehren justizförmig formulieren könnte, hat das Landesarbeitsgericht zu diesen Teil des Antrages keine Entscheidung getroffen.

115

Auf das zitierte Textelement im Antrag bezieht sich zwar eine Passage des erstinstanzlichen klägerischen Schriftsatzes vom 8. März 2013, mit dem der Antrag mit diesem Textelement erstmals im Rechtsstreit angekündigt wurde (hier Blatt 29 ff). Unter der Überschrift "III. Zu den Folgen der unwirksamen Kündigung" heißt es dort auf Seite 6 (hier Blatt 34) auszugsweise:

116

"Die Beklagte hat keine korrekte Buchführung geführt. Beispielsweise ist dem Kläger unbekannt, ob die Beiträge für die Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ("trattamento di fine rapporto") ordnungsgemäß zurückgelegt worden sind. Beweis: Schreiben des National Insurance Contributions Office von 28. Januar 2008, Anlage K 4 …"

117

Die erwähnte Anlage K 4 (hier Blatt 44) besteht aus einer Kopie eines Anschreibens der erwähnten englischen Behörde, in dem diese dem Kläger mitteilt, dass das Konto seine staatliche Grundrente betreffend ("basic state Pension") entgegen einer zuvor gegebenen Mitteilung doch über ausreichende Einzahlungen verfügt.

118

Auf das Thema der angeblich nicht korrekten Buchführung und der angeblich nicht abgeführten Abgaben, ist der Kläger im weiteren Verlauf des Rechtsstreits nicht wieder zurückgekommen. Die Gesamtheit dieser Umstände lassen nur den Schluss zu, dass dem Textelement "nicht abgeführte gesetzliche Abgaben" im Klageantrag zu 3 kein eigenständiges klägerisches Begehren entspricht.

VI.

119

Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Es besteht weder ein Anlass noch die rechtliche Möglichkeit, den Rechtsstreit unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils wie vom Kläger begehrt an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Dies musste im Tenor des Berufungsurteils nicht gesondert hervorgehoben werden, sondern ergibt sich indirekt aus der Zurückweisung der klägerischen Berufung.

120

Da der Kläger vor einem deutschen Gericht klagt, ist deutsches Verfahrensrecht anwendbar. Für das Recht und die Pflicht des Berufungsgerichts das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Vordergericht zurückzuverweisen, gilt im Grundsatz über die Verweisungsnorm aus § 64 Absatz 6 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) § 538 Absatz 2 ZPO. Davon abweichend ist allerdings nach § 68 ArbGG die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht wegen eines Mangels im Verfahren (§ 538 Absatz 2 Nr. 1 ZPO) unzulässig.

121

Vorliegend begehrt der Kläger die Zurückverweisung wegen eines Mangels des Verfahrens, denn er meint, ihm sei im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Gerichtsverfahrens kein ausreichendes rechtliches Gehör geschenkt worden. Das wird einerseits damit begründet, dass das Gericht von einer ständigen Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Rostock zur Dauer der Schutzfrist im Sinne von Artikel 2110 CC ausgegangen sei, ohne die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen dieser Rechtsprechung offen zu legen. Zum anderen habe das Arbeitsgericht offensichtlich selber bei der Rechtsfindung auf ein Gutachten von Herrn Rechtsanwalt P. in einem vergleichbaren Rechtsstreit zurückgegriffen, ohne dem Kläger durch Überlassung des Gutachtens die Chance zu geben, sich mit den dort vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen.

122

Zu Gunsten des Klägers kann hier unterstellt werden, das Arbeitsgericht habe tatsächlich das rechtliche Gehör des Klägers im behaupteten Umfang verletzt. Eine Zurückverweisung kommt dennoch nicht in Betracht.

123

§ 68 ArbGG schließt zu Gunsten des Beschleunigungsgrundsatzes im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht wegen Mängeln im Verfahren aus. Eine Zurückverweisung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Mangel im Berufungsrechtszug nicht reparabel ist (Koch in ErfK § 68 ArbGG RNr. 1). Demnach kommt eine Zurückverweisung wegen nicht ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich nicht in Betracht, denn dieser Mangel kann im Berufungsrechtszug durch eine ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs behoben werden. Dabei ist hervorzuheben, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren im Berufungsrechtszug nach wie vor noch eine vollständige Tatsacheninstanz ist, bei der sich die mündliche Verhandlung ohne Einschränkung auf alle in Streit stehenden Streitgegenstände bezieht. §§ 522 Absatz 2, 526 und 529 ZPO finden im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung.

124

Dem Kläger ist auch im Berufungsrechtszug insbesondere soweit er das Verfahren vor dem Arbeitsgericht bemängelt hat, ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Das Berufungsgericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der ständigen Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Rostock zur Dauer der Schutzfrist aus Artikel 2110 CC ausführlich erörtert. Der Kammervorsitzende hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass das Arbeitsgericht Rostock davon ausgeht, dass es für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf den AIDA-Kreuzfahrtschiffen keine ausdrücklichen Gesetze oder ständische Vorschriften zur Dauer der Schutzfrist gibt und daher im Sinne der Verkehrsüblichkeit ("Bräuche") ermittelt werden müsse, von welcher Dauer der Schutzfrist man im Allgemeinen oder in der Branche der Seeschifffahrt im Besonderen ausgehen müsse. Der Kammervorsitzende hat dann weiter erläutert, dass durch das Gutachten, das Rechtsanwalt P. in einem anderen Rechtsstreit eine krankheitsbedingte Kündigung durch die Beklagte betreffend erstellt hat, gerichtsbekannt geworden ist, dass in der Seeschifffahrt in Italien im Allgemeinen von einer Schutzfrist von 180 Tagen auszugehen sei und diese Schutzfrist sich auch in anderen Branchen wiederfinde, so dass möglicherweise sogar die Aussage erlaubt ist, mangels geeigneter konkreterer Anhaltspunkte für eine andere Dauer der Schutzfrist könne man immer von einer Schutzfrist im Umfang von 180 Tagen ausgehen. Damit konnte der vom Kläger behauptete Mangel des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht im Berufungsrechtszug behoben werden.

125

Da der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigte offensichtlich überrascht davon war, dass das Berufungsgericht zum Ende der mündlichen Verhandlung die Sache für entscheidungsreif gehalten hat, hat das Gericht zu Gunsten des Klägers in dem unbegründeten Hauptantrag auf Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung hilfsweise einen Antrag auf Gewährung von Schriftsatznachlassfrist erblickt. Es besteht jedoch kein Anlass eine Schriftsatznachlassfrist zu gewähren, da an keiner Stelle der mündlichen Verhandlung erkennbar geworden war, was der Kläger noch gedenkt vortragen zu wollen, sofern er eine Chance dazu bekommen sollte.

VII.

126

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

127

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor. Dabei ist hervorzuheben, dass im vorliegenden Urteil der nicht bezifferte Antrag auf Zahlung von TFR als unzulässig verworfen wurde, so dass eine Zulassung der Revision wegen der noch offenen Rechtsfrage, ob die TFR bereits monatlich mit dem Gehalt abgegolten werden kann (siehe oben unter V.2.), vorliegend nicht in Betracht kommt. Es liegt auch kein Fall der Divergenz zu der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 4. April 2014 (4 Sa 57/13 – juris.de, derzeit 2 AZR 720/14 beim Bundesarbeitsgericht) vor. Unter der Juris-Randnummer 60 hat das Gericht seiner Entscheidung die Aussage zu Grunde gelegt, in dem von ihm entschiedenen Falle gebe es keine gesetzlichen oder ständischen Vorschriften, die die Dauer der Schutzfrist regeln würden und hat daher unter Rückgriff auf ein Gutachten von Prof. B., das in jenem Fall vom Arbeitsgericht in Auftrag gegeben wurde, eine gewohnheitsrechtliche Schutzfrist im Sinne von Artikel 2110 CC von 180 Tagen zu Grunde gelegt. Das Landesarbeitsgericht hat in der vorliegenden Entscheidung diese Bestimmung der Dauer der Schutzfrist nicht in Frage gestellt, sondern lediglich aufgrund des besonderen Sachvortrages im vorliegenden Verfahren (Vereinbarung mit IPSEMA, siehe oben III.2.b) die Dauer der Schutzfrist anders bestimmt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Apr. 2015 - 2 Sa 204/14

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Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Apr. 2015 - 2 Sa 204/14 zitiert 10 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 68 Zurückverweisung


Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Apr. 2015 - 2 Sa 204/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Sept. 2008 - X ZR 135/04

bei uns veröffentlicht am 23.09.2008

Berichtigt durch Beschluss vom 4. November 2008 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 135/04 Verkündet am: 23. September 2008 Wermes Justizamt

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. Jan. 2014 - 3 Sa 267/12

bei uns veröffentlicht am 22.01.2014

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 18.09.2012 – 1 Ca 1848/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Okt. 2012 - 6 AZR 41/11

bei uns veröffentlicht am 18.10.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. November 2010 - 3 Sa 397/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Aug. 2012 - 8 AZR 394/11

bei uns veröffentlicht am 23.08.2012

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. September 2010 - 10 Sa 333/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Apr. 2011 - 5 AZR 171/10

bei uns veröffentlicht am 20.04.2011

Tenor 1. Auf die Revisionen des Klägers und des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revisionen im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10.

Referenzen

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. November 2010 - 3 Sa 397/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen zwei ordentliche, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigungen des beklagten Insolvenzverwalters.

2

Die Schuldnerin, die zuletzt unter D GmbH & Co. KG firmierte, unterhielt im Jahr 2008 311 Verkaufsstandorte. Darunter waren ua. 125 sog. Minis, dh. Filialen mit einer Verkaufsfläche von höchstens 770 m², und 184 sog. Traditionals, dh. Verkaufshäuser mit einer Verkaufsfläche von 600 bis 4.000 m². Die Schuldnerin beschäftigte in ihrem Unternehmen über 9.000 Arbeitnehmer.

3

Die 1973 geborene Klägerin trat 1994 in ein Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin. Sie arbeitete als Mitarbeiterin im Verkauf in Teilzeit von 114,48 Stunden monatlich im Jahresdurchschnitt. Im Arbeitsvertrag ist auf Arbeitgeberseite neben der Schuldnerin „Ld-Nr. 6 B“ genannt. Dabei handelte es sich um einen „Mini“. Neben der Klägerin waren in B mindestens sieben weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt.

4

In Nr. 5.1 des Arbeitsvertrags vom 25. April 2002 ist bestimmt:

        

„Der/Die Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, alle ihr/ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen, im zumutbaren Rahmen nach Bedarf auch andere Arbeiten zu übernehmen, Mehrarbeit zu leisten, sich auch vorübergehend andere Tätigkeiten zu den dort gültigen Arbeitsbedingungen zuweisen zu lassen und vertretungsweise auch in anderen W-Läden zu arbeiten.“

5

Die Klägerin befand sich von Mai 2009 bis 28. April 2010 in Elternzeit.

6

Am 23. Juni 2009 trafen die Schuldnerin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat unter Mitwirkung des damaligen vorläufigen Insolvenzverwalters, des Beklagten, eine Übereinkunft „Rahmenbetriebsvereinbarung und Dach-Interessenausgleich“. Sie lautet auszugsweise wörtlich:

        

„A. II. Fortführungs- und Verwaltungskonzeption

        

Aufbauend auf bereits vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen und marktempirischen Erhebungen sehen die Geschäftsleitung und die vorläufige Insolvenzverwaltung eine Möglichkeit der Fortführung der sog. Traditionals im Wege einer Sanierenden Übertragung auf eine NewCo. Voraussetzung ist eine Verringerung der Kosten in den Bereichen Miete, Personal, Logistik und Overhead bei gleichzeitiger Vereinheitlichung der Verkaufsflächen auf eine Größe von ca. 1000 m² bis 1500 m² und einer erheblichen Verschlankung des Sortiments in Richtung ‚Discounter’; bezüglich der Einzelheiten verweisen die Betriebsparteien auf den Rohentwurf, welchen die Unternehmensberatung C den Betriebsparteien in der Sitzung vom 12. Mai 2009 ausgehändigt hat - künftig nur: C-Konzept. Der GBR erhält jeweils die aktuelle Fassung des Konzepts unaufgefordert.

        

Für die Minis lässt sich ein positives operatives Fortführungskonzept im Rahmen einer Sanierenden Übertragung nicht darstellen, so dass hier grundsätzlich eine Schließung hingenommen werden muss. Der damit verbundene Arbeitsplatzabbau soll jedoch dadurch vermieden werden, als versucht wird, mit Mitbewerbern, die an einer Übernahme der entsprechend freiwerdenden Verkaufsflächen interessiert sind, eine Vereinbarung auch zur Übernahme von Verkaufspersonal zu treffen. Davon abgesehen sind sowohl Traditionals wie auch sonstige Filialen, für die sich ein rentables Fortführungskonzept nicht darstellen lässt, zu schließen.

        

Schließlich ist die Fortführung aller Filialen auch von der erfolgreichen Anpassung der im Zentralbereich anfallenden Overheadkosten an den verringerten Warenumschlag und die Discountausrichtung abhängig.

        

…       

        

D. III. Interessenausgleich

        

1.)     

Personelle Maßnahmen

        

(a.)   

Betriebsaufgabe

                 

Im Falle der Betriebsaufgabe eines, mehrerer oder aller Betriebe werden die Arbeitsverhältnisse der dort Beschäftigten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und dieser Vereinbarung beendet. Die nachfolgenden Regeln der Sozialauswahl finden nur bei einer Betriebseinschränkung, nicht bei einer Betriebsschließung Anwendung.

        

...     

        
        

3.    

Anhörung

                 

Die Beteiligung des Betriebsrates bzw. des GBR gem. § 17 Abs. 3 KSchG erfolgt ebenfalls zeitgleich mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich, wobei dieses Dokument zugleich die in § 17 Abs. 3 KSchG genannte Mitteilung an den Betriebsrat bzw. des GBR und dessen Stellungnahme darstellt.

        

4.    

Massenentlassungsanzeige

                 

Nach Unterzeichnung des Interessenausgleiches und der durchgeführten Anhörungen des Betriebsrates gem. den §§ 102 BetrVG und 17 Abs. 3 KSchG erfolgt nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH und des BAG sowie der Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit die Erstattung der Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG sowie unverzüglich anschließend der Ausspruch der betriebsbedingten Beendigungs- sowie ggf. Änderungskündigungen.

        

...“   

        
7

Die Schuldnerin und vier in B beschäftigte Arbeitnehmerinnen sowie eine Arbeitnehmerin, die als Springerin in verschiedenen Filialen eingesetzt wurde, schlossen zum 30. Juni 2009 dreiseitige Verträge, mit denen die Arbeitnehmerinnen in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechselten. Zwei weitere Arbeitsverhältnisse mit Arbeitsort in B endeten am 30. Mai 2009 und 30. Juni 2009.

8

Am 1. Juli 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Spätestens zum 31. August 2009 stellte der Beklagte den Verkauf in der Filiale in B ein und schloss sie. Seit einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt danach nutzte die Drogeriemarktkette S das Ladenlokal. Soweit Filialen - insbesondere „Traditionals“ - nicht von der neu gegründeten D W GmbH oder anderen Unternehmen übernommen wurden, schloss der Beklagte auch diese.

9

Auf Antrag des Beklagten erklärte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin durch Bescheid vom 30. März 2010 unter der Bedingung für zulässig, dass der Betrieb zum 31. August 2009 tatsächlich stillgelegt worden sei und kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden habe.

10

Mit Schreiben vom 6. April 2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Juli 2010. Eine weitere Kündigung erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 14. Mai 2010 zum 31. August 2010.

11

Mit ihrer Klage wehrt sich die Klägerin gegen die beiden Kündigungen. Die erste - am 16. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene - Klage hat die Klägerin zunächst gegen die „Firma W D GmbH & Co. KG i. L., vertreten durch den Insolvenzverwalter“ gerichtet. Sie hat der Klage das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 6. April 2010 beigefügt. Sie hat geltend gemacht, die Anhörung eines Gesamtbetriebsrats sei fraglich. In B habe kein Betriebsrat bestanden. Die Kündigungen seien nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, weil große Teile der Verkaufsstätten auf die neu gegründete D W GmbH übertragen worden seien. Bei „W“ habe es sich um einen Betrieb gehandelt. Alle maßgeblichen Entscheidungen seien zentralisiert getroffen worden. Kleinste organisatorische Einheit sei zumindest die Gebietsebene gewesen. Die Schließung einer einzelnen Filiale sei daher kein Kündigungsgrund. Arbeitnehmer der Verkaufsstätte in B seien weiter bei „W“ tätig. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, auch der Klägerin anzubieten, in einer fortgeführten Filiale weiterbeschäftigt zu werden. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Vorrangig hätte weniger schutzwürdigen Arbeitnehmern gekündigt werden müssen.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 6. April 2010 und durch die Kündigung vom 14. Mai 2010 nicht aufgelöst worden ist.

13

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG sei nicht gewahrt, weil sich die Klage zunächst nicht gegen ihn gerichtet habe. In B sei ein Betriebsrat gebildet gewesen. Dessen Amtszeit habe am 1. Juli 2009 geendet, ohne dass ein Restmandat bestanden habe. Der Betrieb in B sei aufgrund des Ausscheidens mehrerer Arbeitnehmer mit dem 30. Juni 2009 nicht mehr betriebsratsfähig gewesen. Mit der Stilllegung des Betriebs in B sei das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin entfallen. Eine Sozialauswahl sei nicht zu treffen gewesen. Die Filiale in B sei ein eigenständiger Betrieb gewesen. Der Geschäftsleiter sei ua. für die Einstellung und Einarbeitung von Arbeitnehmern sowie für „Schwundverhütungsmaßnahmen“ zuständig gewesen. Die Filiale habe außerdem über ein eigenes Lager verfügt. Zu einem Betriebsübergang sei es nicht gekommen. Seit 1. Juli 2009 habe der Beklagte keine Verkaufsstätten mehr geführt. Lediglich außerhalb des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin seien Teile des Unternehmens der Schuldnerin durch die D W GmbH fortgeführt worden. Das gelte auch für die Filialen in K und L.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren erstmals die Frage aufgeworfen, ob die Unterrichtungs- und Beratungspflichten bei Massenentlassungen nach § 17 KSchG eingehalten worden seien. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Kündigungsschutzanträge mit Sach- und Verfahrensrügen weiter. Sie beruft sich ua. auf eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern.

Entscheidungsgründe

15

A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klage war abzuweisen, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben. Die Kündigung vom 6. April 2010 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Juli 2010. Auf die zweite Kündigung vom 14. Mai 2010, die zum 31. August 2010 wirken sollte, kommt es deshalb nicht an.

16

I. Die Kündigung vom 6. April 2010 gilt nicht bereits nach § 7 Halbs. 1 KSchG als rechtswirksam. Die am 16. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, die sich gegen die „Firma W D GmbH & Co. KG i. L., vertreten durch den Insolvenzverwalter“ richtete, wahrte die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG.

17

1. Die Parteien eines Prozesses sind vom Kläger in der Klageschrift zu bezeichnen.

18

a) Ist eine Parteibezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Das Revisionsgericht hat die in der Klageschrift enthaltene Parteibezeichnung als prozessuale Willenserklärung selbst auszulegen (vgl. zB BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 67 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 86; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 14, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Entscheidend ist, dass die rechtliche Identität gewahrt bleibt. Bleibt die Partei nicht dieselbe, handelt es sich um eine Parteiänderung. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung kann dagegen jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - Rn. 14, aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76; BGH 23. September 2008 - X ZR 135/04 - Rn. 9 f., NJW-RR 2009, 539, jeweils mwN).

19

b) Ist ein Insolvenzverwalter nach deutschem Insolvenzrecht bestellt, ist eine Kündigungsschutzklage gegen ihn in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu erheben. Eine Klage gegen die Schuldnerin macht den Insolvenzverwalter nicht zur Partei des Rechtsstreits und kann die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht wahren(vgl. BAG 21. September 2006 - 2 AZR 573/05 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 58 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 75; 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 232 = EzA BGB § 613a Nr. 207; 17. Januar 2002 - 2 AZR 57/01 - zu B I 2 b der Gründe, EzA KSchG § 4 nF Nr. 62). Ist nach dem Rubrum der Klageschrift anstelle des Insolvenzverwalters die Schuldnerin verklagt, ist jedoch stets zu prüfen, ob der Fehler behoben werden kann, indem das Rubrum klargestellt wird. Die formelle Parteibezeichnung ist nicht allein maßgeblich. Ergibt sich aus den gesamten Umständen, wer als beklagte Partei gemeint ist, kann das Rubrum unbedenklich „berichtigt“ werden. Das gilt vor allem dann, wenn der Klageschrift das Kündigungsschreiben beigefügt ist, aus dem sich ergibt, dass die Kündigung vom Insolvenzverwalter ausgesprochen wurde (vgl. BAG 21. September 2006 - 2 AZR 573/05 - Rn. 25, aaO; 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - zu II 2 c der Gründe, aaO; 17. Januar 2002 - 2 AZR 57/01 - aaO).

20

2. Nach diesen Grundsätzen ist die unrichtige Beklagtenbezeichnung in der Klageschrift dahin auszulegen, dass sich die Klage von vornherein gegen den Insolvenzverwalter richtete und mit ihr die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt wurde. Für den Insolvenzverwalter war erkennbar, dass die Kündigungsschutzklage gegen ihn erhoben werden sollte. Dafür spricht insbesondere das der Klageschrift beigefügte Kündigungsschreiben, das der Insolvenzverwalter verfasst und unterzeichnet hatte. Hinzu kommt, dass die Klägerin den Insolvenzverwalter im Passivrubrum der Klageschrift als Vertreter der Schuldnerin bezeichnet hatte. Damit konnte aus Rechtsgründen nur der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gemeint sein.

21

II. Die Kündigung des Beklagten vom 6. April 2010 ist wirksam.

22

1. Die Kündigung ist formell nicht zu beanstanden. Ihrer Wirksamkeit stehen § 18 Abs. 1 BEEG, § 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 KSchG nicht entgegen.

23

a) Die zuständige Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd erklärte die Kündigung vom 6. April 2010 vor ihrem Ausspruch mit bestandskräftigem Bescheid vom 30. März 2010 für zulässig (§ 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG).

24

aa) An diesen bestandskräftigen Verwaltungsakt sind die Arbeitsgerichte gebunden (vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 107/10 - Rn. 20, AP BGB § 613a Nr. 408 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 126; 20. Januar 2005 - 2 AZR 500/03 - zu II 1 a der Gründe, AP BErzGG § 18 Nr. 8 = EzA BErzGG § 18 Nr. 7). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verwaltungsakt nichtig ist.

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Bescheid vom 30. März 2010 nicht unter einer unzulässigen Bedingung erteilt wurde. Beantragt ein Arbeitgeber - wie hier -, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Arbeitnehmerin in Elternzeit für zulässig zu erklären, weil sein Betrieb stillgelegt worden sei, darf die zuständige Behörde die Zulässigkeitserklärung nicht mit der Begründung verweigern, es liege ein Betriebsübergang vor. Diese Entscheidung ist den Arbeitsgerichten vorbehalten. Die Zulässigkeitserklärung wird in einem solchen Fall vorsorglich erteilt. Der „vorsorgliche Verwaltungsakt“ wirkt rechtlich nur dann, wenn die Arbeitsgerichte einen Betriebsübergang in einer rechtskräftigen Entscheidung verneint haben (vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 107/10 - Rn. 20 f. mwN, AP BGB § 613a Nr. 408 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 126).

26

b) Die Kündigung vom 6. April 2010 ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

27

aa) Das Erfordernis der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG besteht nur, wenn für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird und dem er daher betriebsverfassungsrechtlich zuzuordnen ist, ein funktionsfähiger Betriebsrat gebildet ist. Das hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner gestuften Behauptungslast darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 66, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132; 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28).

28

bb) Die Klägerin hat die Existenz eines funktionsfähigen Betriebsrats des Betriebs in B oder eines für diesen Betriebsteil zuständigen Betriebsrats nicht dargelegt. Sie macht vielmehr umgekehrt geltend, ein Betriebsrat habe in B nicht bestanden. Den Vortrag des Beklagten, für die Filiale in B sei ein Betriebsrat gewählt worden, hat sich die Klägerin nicht hilfsweise zu eigen gemacht. Es kommt deswegen nicht darauf an, ob ein Restmandat nach § 21b BetrVG bestand. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.

29

cc) Wird in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin unterstellt, für die Verkaufsstätte in B habe kein funktionsfähiger Betriebsrat bestanden, war der Gesamtbetriebsrat nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören.

30

(1) Bei Erklärung der Kündigung am 6. April 2010 waren die Betriebsteile, die von der D W GmbH übernommen wurden, auch nach dem Vortrag der Klägerin seit geraumer Zeit übertragen. Die Klägerin hat nicht behauptet, bei Abgabe der Kündigungserklärung habe ein funktionsfähiger, für sie zuständiger Gesamtbetriebsrat bestanden.

31

(2) Bei personellen Einzelmaßnahmen wie einer Kündigung geht das Gesetz zudem von dem einzelnen Betrieb und dem örtlichen Betriebsrat aus. Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist für personelle Einzelmaßnahmen deshalb grundsätzlich nicht begründet. Sie kommt lediglich in Betracht, wenn ein Arbeitsverhältnis zugleich mehreren Betrieben des Unternehmens zuzuordnen ist (vgl. BAG 21. März 1996 - 2 AZR 559/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 82, 316). Ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben.

32

c) Der Beklagte verstieß nicht gegen § 17 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Der Senat kann offenlassen, ob eine Verletzung der in zweiter Instanz infrage gestellten Erfüllung der Anzeige- und Konsultationspflichten aus § 17 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 6. April 2010 führte. Er braucht auch nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin Verstöße gegen § 17 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG entweder bereits in erster Instanz beanstandet hat oder das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt und die Klägerin die Rügen im zweiten Rechtszug wirksam nachgeholt hat(vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 11 ff., AP KSchG 1969 § 6 Nr. 6 = EzA KSchG § 6 Nr. 4). Der Geltungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist nach dem Vorbringen der Klägerin nicht eröffnet.

33

aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit idR mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer, in Betrieben mit idR mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer oder in Betrieben mit idR mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17, ZIP 2012, 2412; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 41 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3). Für die Berechnung der Zahlen ist nicht auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, sondern auf den Zeitpunkt der Kündigung abzustellen (vgl. für die st. Rspr. BAG 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 17 Nr. 19). Es ist Sache des Arbeitnehmers, zunächst die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG - die Zahlen der beschäftigten und der gekündigten Arbeitnehmer - darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 72, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132; 24. Februar 2005 - 2 AZR 207/04 - zu B II 2 b aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 20 = EzA KSchG § 17 Nr. 14).

34

bb) Die Klägerin hat nicht ausgeführt, dass einer der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG bei Zugang der Kündigung vom 6. April 2010 erreicht gewesen sei. Den Beklagten trafen daher keine Pflichten aus § 17 KSchG.

35

2. Die Kündigung vom 6. April 2010 ist auch materiell wirksam. Sie verstößt weder gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, noch ist sie nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt.

36

a) Die Kündigung ist nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 134 BGB nichtig. Sie wurde nicht wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils ausgesprochen.

37

aa) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Eine wirtschaftliche Einheit ist eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen, die darauf ausgerichtet ist, auf Dauer eine wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung auszuüben. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Teilaspekte der Gesamtwürdigung sind ua. die Art des Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kunden- und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang versehenen Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben (vgl. nur EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34, Slg. 2011, I-95; siehe im Einzelnen auch BAG 13. Dezember 2007 - 8 AZR 937/96 - Rn. 12 mwN, AP BGB § 613a Nr. 341 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 88).

38

bb) Einem Betriebsübergang steht der Übergang eines Betriebsteils gleich. Betriebsteile sind Teileinheiten oder Teilorganisationen eines Betriebs. Sie müssen bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils aufweisen (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 455/10 - Rn. 36, AP BGB § 613a Nr. 415 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 129; 7. April 2011 - 8 AZR 730/09 - Rn. 23, AP BGB § 613a Nr. 406 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 124). Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen (vgl. BAG 24. August 2006 - 8 AZR 556/05 - Rn. 22, 30, AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59). Der übertragene Betriebsteil muss seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren. Es genügt, dass der Betriebs(-teil)erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es möglich ist, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 47 f. mwN, Slg. 2009, I-803).

39

cc) Es ist Sache des Arbeitnehmers, der sich auf die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB beruft, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen wurde. Der Arbeitnehmer muss also auch vortragen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllt sind (vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 107/10 - Rn. 32, AP BGB § 613a Nr. 408 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 126; 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 29, AP BGB § 613a Nr. 409 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125).

40

dd) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsverbots in § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB erfüllt sind.

41

(1) Die Klägerin hat keinen Betriebs(-teil)übergang des „Minis“ in B auf die Firma S aufgezeigt. Mit dieser Organisationseinheit wurde ein abgrenzbarer Teilzweck verfolgt, die Versorgung des örtlichen Umfelds mit den angebotenen Waren und Dienstleistungen. Die Klägerin hat nicht behauptet, die Firma S habe materielle Betriebsmittel übernommen. Vielmehr hat sie selbst vorgetragen, Inventar und ggf. noch vorhandenes Warensortiment seien nach F abtransportiert worden. Sie hat nicht vorgebracht, die Firma S habe einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft des „Minis“ in B in den dortigen Räumlichkeiten weiterbeschäftigt. Schließlich hat die Klägerin auch nicht behauptet, dass die Firma S allein dadurch, dass sie das Ladenlokal genutzt habe, identitätswahrend die wirtschaftliche Einheit des „W-Minis“ in B fortgeführt habe.

42

(2) Es kann offenbleiben, ob es zu einem Betriebs(-teil)übergang aller oder einzelner sog. Traditionals auf die D W GmbH kam. Die Klägerin wurde nicht in einer dieser ggf. übergegangenen Filialen beschäftigt und war auch keinem „Traditional“ zugeordnet.

43

(a) Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer dem übertragenen Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet ist (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 273). Für die Zuordnung des Arbeitnehmers ist darauf abzustellen, ob er in den übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil tatsächlich eingegliedert war. Es reicht nicht aus, dass er Tätigkeiten für den übertragenen Teil verrichtete, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein (vgl. EuGH 12. November 1992 - C-209/91 - [Watson Rask und Christensen] Rn. 16, Slg. 1992, I-5755; 7. Februar 1985 - C-186/83 - [Botzen ua.] Rn. 15, Slg. 1985, 519; BAG 24. August 2006 - 8 AZR 556/05 - Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59; 25. September 2003 - 8 AZR 446/02 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 256 = EzA ZPO 2002 § 50 Nr. 2).

44

(b) Sollte es zu Betriebsteilübergängen von Filialen des Beklagten auf die D W GmbH gekommen sein, gingen nur die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer über. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war nach objektiven Kriterien dem stillgelegten „Mini“ in B zuzuordnen. Die Klägerin war ausschließlich in der Filiale in B beschäftigt und in deren Struktur eingegliedert. Um sie einer anderen (übernommenen) Filiale zuzuordnen, wäre eine ausdrückliche oder konkludente Zuordnungsentscheidung der Schuldnerin oder des Beklagten erforderlich gewesen (vgl. BAG 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - zu II 3 der Gründe, BAGE 87, 120; 18. März 1997 - 3 AZR 729/95 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 85, 291). Eine solche Zuordnungsentscheidung wurde nicht getroffen.

45

b) Die Kündigung vom 6. April 2010 ist jedenfalls nicht sozialwidrig nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erreicht war.

46

aa) Die Kündigung vom 6. April 2010 ist durch ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, das einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstand. Davon ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen.

47

(1) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs und Betriebseinschränkungen durch Stilllegung einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils. Unter einer Betriebs(-teil)stilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebs(-teil)zweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (vgl. für die st. Rspr. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37, NZA-RR 2012, 465).

48

(2) Die Schließung der Filiale in B war nach diesen Grundsätzen zumindest eine Betriebsteilstilllegung. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die Filiale zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 6. April 2010 - im Einklang mit den Regelungen des Interessenausgleichs vom 23. Juni 2009 und den dort festgehaltenen unternehmerischen Entscheidungen - tatsächlich stillgelegt. Es kommt nicht darauf an, ob Arbeitnehmer noch im September oder Oktober 2009 zu Abwicklungsarbeiten herangezogen wurden. Das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer, die in der Filiale in B gearbeitet hatten, entfiel mit der endgültigen Stilllegung. Bereits zuvor - nach der nicht bestrittenen Behauptung des Beklagten zum 1. Juli 2009 - waren Betriebe oder jedenfalls Betriebsteile, sog. Traditionals, veräußert worden. Das führte zu keinem Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin, weil das Arbeitsverhältnis den übertragenen Einheiten nicht zuzuordnen war. Mit der Schließung der „Minis“ legte der Beklagte die bei ihm verbliebenen Betriebsteile still. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, der Beklagte führe noch einen Betrieb in der Rechtsnachfolge der Schuldnerin.

49

bb) Die Klägerin konnte nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden.

50

(1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (vgl. zB BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154).

51

(2) Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie sich eine Beschäftigung durch den Beklagten vorstellt. Sie hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts insbesondere nicht behauptet, der Beklagte habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 6. April 2010 noch „Minis“ oder andere Filialen betrieben, in denen freie Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien. Soweit sich die Klägerin auf Beschäftigungsangebote in K gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen bezogen hat, hat sie nicht behauptet, dass der Beklagte diese Beschäftigungsangebote unterbreitet habe oder die anderen Arbeitnehmerinnen beschäftige. Die Klägerin hat den Vortrag des Beklagten, nicht er habe die Filiale in K seit 1. Juli 2009 geführt, nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bestritten.

52

(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der D W GmbH bestand nicht. Der Beklagte führte mit diesem Unternehmen keinen Gemeinschaftsbetrieb.

53

(a) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (vgl. BAG 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147).

54

(b) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die D W GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung der „Minis“ durch den Beklagten im Jahr 2009 jedenfalls aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der D W GmbH weiterbeschäftigt wird.

55

cc) Die Kündigung vom 6. April 2010 ist auch nicht deswegen unwirksam, weil die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz davon ausgeht, im Konzern weiterbeschäftigt werden zu können.

56

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in dem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Das ergibt sich schon daraus, dass Vertragspartner des Arbeitnehmers das vertragsschließende Unternehmen, der Arbeitgeber, ist. Die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen führt zwangsläufig zu einem Vertragspartnerwechsel (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - zu B III 2 b aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 135; grundlegend 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - zu B II der Gründe, BAGE 41, 72).

57

(2) Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kann ausnahmsweise bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat. Entsprechendes gilt, wenn sich eine Unterbringungsverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 22 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). In solchen Fallgestaltungen kann der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Verschaffung eines Arbeitsvertrags haben (vgl. BAG 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - zu B III 2 b bb der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 135). Weitere Voraussetzung einer unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungspflicht ist ein bestimmender Einfluss des vertragsschließenden Unternehmens auf die „Versetzung” (vgl. zB BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - aaO; Gallner FS Düwell S. 208, 214 ff. mwN; Rost FS Schwerdtner S. 169, 171; weiter gehend Lingemann FS Bauer S. 661, 666; kritisch zum sog. Durchsetzungskriterium etwa Bayreuther NZA 2006, 819, 820 ff.).

58

(3) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (vgl. BAG 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 46, BAGE 122, 264).

59

(4) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin (vgl. BAG 27. Februar 2008 - 5 AZB 43/07 - Rn. 7, BAGE 126, 117; BGH 28. März 2007 - VII ZB 25/05 - Rn. 7, BGHZ 172, 16). Schon deshalb ist nicht ersichtlich, wie er auf die „Versetzung“ der Klägerin zur D W GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können. Einen früheren bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss der Schuldnerin auf dieses Unternehmen hat die Klägerin nicht behauptet.

60

(5) Die Klägerin hat ferner nicht dargelegt, dass die D W GmbH und die Schuldnerin oder später der Beklagte einen Konzern bildeten.

61

(a) Ein Konzern ist nach § 18 AktG die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Dabei wird zwischen dem Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 AktG) und dem Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) unterschieden.

62

(b) Die Klägerin hat nicht schlüssig behauptet, dass die Schuldnerin oder später der Beklagte und die D W GmbH unter einheitlicher Leitung zusammengefasst waren. Die Klägerin hat vielmehr vorgetragen, dass es sich bei der D W GmbH um eine neu gegründete Gesellschaft gehandelt habe. Die Klägerin hat auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite Versetzungsmöglichkeit nicht vor. Er bestimmt lediglich, dass die Klägerin verpflichtet ist, „vertretungsweise auch in anderen W-Läden zu arbeiten“. Diese Regelung bezieht sich nur auf Filialen der Schuldnerin (später des Beklagten) und lediglich auf einen „vertretungsweisen“, dh. keinen dauerhaften Einsatz. Die Klägerin hat schließlich nicht behauptet, es sei üblich gewesen, dass die Schuldnerin oder der Beklagte sie entsandt hätten, um in anderen Konzernunternehmen zu arbeiten.

63

dd) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte im Kündigungszeitpunkt keine vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.

64

(1) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der „Mini“ in B und andere Filialen nicht zu einem Betrieb gehörten, lässt außer Acht, dass die weitergeführten „Traditionals“ seit 1. Juli 2009 von der D W GmbH, einem anderen Unternehmen, fortgeführt wurden. Die beim Beklagten verbliebenen Betriebe oder Betriebsteile wurden demgegenüber stillgelegt. Die Sozialauswahl war betriebsbezogen durchzuführen (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 199/05 - Rn. 24 f., AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 66). Sie konnte sich daher nur auf den vom Beklagten geführten Betrieb, dem die Klägerin zuzuordnen war, beziehen, nicht auf ein anderes Unternehmen. Die Klägerin hat - wie bereits ausgeführt - keine tatsächlichen Umstände dafür vorgetragen, dass der Beklagte mit der D W GmbH zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb führte.

65

(2) Die Klägerin hat zudem nicht behauptet, der Beklagte habe noch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung weniger schutzwürdige Arbeitnehmer beschäftigt.

66

(a) Sie meint, maßgeblicher Zeitpunkt der zu treffenden Sozialauswahl sei der Zeitpunkt der Schließung der Filialen am 1. Juli 2009 oder 31. August 2009 gewesen. Dabei übersieht sie, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtswirksamkeit der Kündigung ihr Zugang ist.

67

(b) Dass andere Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin von der D W GmbH oder ihrer Rechtsnachfolgerin beschäftigt werden, ist darauf zurückzuführen, dass deren Arbeitsverhältnisse - anders als das der Klägerin - nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergingen oder die Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge schlossen. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts betrieb der Beklagte über den 31. August 2009 hinaus keine Filialen mehr, die ursprünglich von der Schuldnerin unterhalten worden waren.

68

B. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Lorenz    

        

    Kammann    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Berichtigt durch Beschluss
vom 4. November 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 135/04 Verkündet am:
23. September 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Multiplexsystem
PatG §§ 81 ff.; § 81 Abs. 1 Satz 2

a) Zur Frage, ob die Erklärung, dass das Streitpatent im Patentnichtigkeitsverfahren
eingeschränkt verteidigt werde, nur von dem materiell am Patent Berechtigten
abgegeben werden kann.

b) Zur Behandlung einer unrichtigen Bezeichnung des Beklagten im Patentnichtigkeitsverfahren.
BGH, Urt. v. 23. September 2008 - X ZR 135/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. September 2008 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das durch Beschluss vom 7. September 2004 berichtigte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 30. Juni 2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 308 449 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage teilweise für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Verfahren zum verbindungslosen Übertragen von Meldungen (20) variabler Länge in einem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten (4) von einem Ausgangsknoten (42) mit einer Ausgangsadresse (SA) zu einem Bestimmungsknoten (46) mit einer Bestimmungsadresse (DA), mit den folgenden Verfahrensschritten: Jede Meldung (20) variabler Länge wird in eine Vielzahl von Schlitzen (32) fester Länge, alle Schlitze fester Länge mit gleicher Länge, unter Einschluss eines ersten Schlitzes, folgender Schlitze und eines letzten Schlitzes segmentiert, wobei jeder der Schlitze mit fester Länge ein Kopffeld (34, 36, 38) und ein Meldungssegment (40) enthält; die Schlitze fester Länge werden von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen; und das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge, die an dem Bestimmungsknoten (46) empfangen werden, in die Mel- dung variabler Länge wird auf der Basis der Information in dem Kopffeld gesteuert; dadurch gekennzeichnet, dass ein eindeutig der von dem Ausgangsknoten zu übertragenden Meldung variabler Länge zugeordneter Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einem Ausgangsidentifizierungsfeld (38) in dem Kopffeld jedes der Schlitze (32) fester Länge vorgesehen wird; dass die Bestimmungsadresse (DA) nur in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes fester Länge eingegeben wird und dass der erste Schlitz neben der Bestimmungsadresse (DA) einen ersten Teil eines Informationsfeldes (28) der Meldung (20) enthält; dass das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge an dem Bestimmungsknoten in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) der an dem Bestimmungsknoten (46) empfangenen Schlitze (32) fester Länge gesteuert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, enthaltend den Verfahrensschritt, ein Typenfeld (36) in dem Kopffeld jedes Schlitzes fester Länge vorzusehen und in das Typenfeld einen ersten, zweiten oder dritten Code einzucodieren, der einen Meldungsbeginn (BOM), eine Meldungsfortführung (COM) bzw. ein Meldungsende (EOM) darstellt , und wobei das Wiederzusammensetzen der empfangenen Schlitze (32) fester Länge an dem Bestimmungsknoten (46) in Übereinstimmung mit dem ersten, zweiten und dritten Code gesteuert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die Meldung (20) variabler Länge ein Bestimmungsadressfeld (22) enthält, das auf eine Übereinstimmung mit einer dem Bestimmungsknoten zugeordneten Adresse überprüft wird, und bei dem das Adressfeld (22) in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes (32) fes- ter Länge übertragen wird, der zum Übertragen der Meldung (20) variabler Länge verwendet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, bei dem das Verfahren den Verfahrensschritt umfasst, Meldungssegmente (40), die einer einzelnen Meldung (20) variabler Länge zugeordnet sind, in einem Puffer (77) an dem Bestimmungsknoten zu speichern.
5. Verfahren nach Anspruch 4, bei dem, wenn der erste Code (BOM) an dem Bestimmungsknoten festgestellt wird, der Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einen Komparator (82) eingegeben wird, und wenn ein zweiter einem anschließend empfangenen Schlitz zugeordneter Code (COM) festgestellt wird, dessen Ausgangsidentifizierer (SI) ebenfalls in dem Komparator zur Überprüfung einer Übereinstimmung eingegeben wird, und dann, wenn eine Übereinstimmung auftritt, das Meldungssegment (40) des anschließend empfangenen Schlitzes fester Länge in dem Puffer (77) gespeichert wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, bei dem bei Feststellen des dritten Codes (EOM) die zusammengesetzte Meldung (20) variabler Länge in dem Puffer (77) aus dem Puffer (77) ausgegeben wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, enthaltend den Verfahrensschritt, dass mehrfache Komparatoren (82) und Puffer (77) an dem Bestimmungsknoten vorgesehen werden, zur Ermöglichung eines gleichzeitigen Empfangs einer Vielzahl von Meldungen (20) variabler Länge, die jeweils ihren eigenen Ausgangsidentifizierungscode (SI) aufweisen, wobei die Meldungssegmente (40) jeder Meldung (20) variabler Länge in einem einzelnen Puffer (77) gespeichert werden.
8. Verfahren nach Anspruch 1, enthaltend den Verfahrensschritt, dass zwei oder mehr Meldungen (20) variabler Länge gleichzeitig von dem Ausgangsknoten (42) zu dem Bestimmungsknoten (46) in dem Netzwerk übertragen werden.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ein Viertel und die Beklagte drei Viertel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war bei Klageerhebung Inhaberin des am 17. März 1988 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung im Australischen Bund vom 17. März 1987 im Weg der internationalen Anmeldung angemeldeten europäischen Patents 308 449 (Streitpatents), dessen deutscher Teil in der Folgezeit am 20. Mai 2003 auf die Q. GmbH in M. umgeschrieben wurde und das während des Berufungsverfahrens wegen Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschen ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent betrifft die Nachrichtenübertragung in einem Multiplexsystem und umfasst 29 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut : "1. A method of transmitting variable length messages (20) on a network having a plurality of nodes (4) from a source node (42) having a source address (SA) to a destination node (46) having a destination address (DA), said method including the steps of: segmenting each variable length message (20) into a plurality of fixed length slots (32) including a first slot, continuing slots, and a last slot, each of said fixed length slots including a header field (34, 36, 38) and a message segment (40); transmitting the fixed length slots from the source node to the network; and controlling reassembly of fixed length slots received at the destination node (46) into the variable length message on the basis of information in the header field; characterised by: a source identifier code (SI) uniquely associated with the variable length message to be transmitted from the source node being provided in a source identifier field (38) in the header field of each of said fixed length slots (32); the destination address (DA) being entered only in the message segment (40) of the first fixed length slot; and said reassembly of fixed length slots at the destination node being controlled in accordance with the source identifier code (SI) of fixed length slots (32) received at the destination node (46).”
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lautet dieser Patentanspruch : "1. Verfahren zum Übertragen von Meldungen (20) variabler Länge in einem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten (4) von einem Ausgangsknoten (42) mit einer Ausgangsadresse (SA) zu einem Bestimmungsknoten (46) mit einer Bestimmungsadresse (DA), mit folgenden Verfahrensschritten: Jede Meldung (20) variabler Länge wird in eine Vielzahl von Schlitzen (32) fester Länge unter Einschluß eines ersten Schlitzes, folgender Schlitze und eines letzten Schlitzes segmentiert, wobei jeder der Schlitze mit fester Länge ein Kopffeld (34, 36, 38) und ein Meldungssegment (40) enthält; die Schlitze fester Länge werden von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen und das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge, die an dem Bestimmungsknoten (46) empfangen werden, in die Meldung variabler Länge wird auf der Basis der Information in dem Kopffeld gesteuert; dadurch gekennzeichnet, daß ein eindeutig der von dem Ausgangsknoten zu übertragenden Meldung variabler Länge zugeordneter Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einem Ausgangsidentifizierungsfeld (38) in dem Kopffeld jedes der Schlitze (32) fester Länge vorgesehen wird; daß die Bestimmungsadresse (DA) nur in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes fester Länge eingegeben wird; und daß das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge an dem Bestimmungsknoten in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) der an dem Bestimmungsknoten (46) empfangenen Schlitze (32) fester Länge gesteuert wird."
3
Wegen der weiteren Patentansprüche in der Verfahrenssprache und in deutscher Übersetzung wird auf die Patentschrift des Streitpatents verwiesen.
4
Die Klägerin, die von der Lizenznehmerin der Beklagten gemeinsam mit einer weiteren Partei vor dem Landgericht München I wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist, hat die Klage zunächst gegen die "Q. Ltd." unter einer Anschrift in München gerichtet, die diejenige der Lizenznehmerin ist, sich jedoch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens darauf berufen, dass insoweit eine bloße Falschbezeichnung vorgelegen habe. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn u.a. die Veröffentlichungen von William Stallings, Local Networks, An Introduction, New York 1984 (Anlagen K3, K54, K59, K64), Andrew S. Tanenbaum, Computer Networks, Englewood Cliffs 1981 (Anlagen K4, K20), Ken-ichi Yukimatsu, Naoya Watanabe und Takashi Honda, Multicast Communication Facilities in a High Speed Packet Switching Network, in P. Kühn (Hrsg.), New Communication Services: A Challenge to Computer Technology, ICCC 1986, S. 276 - 281 (Anlage K28), Steven Temple, The design of a Ring Communication Network, Diss. Cambridge 1984 (Anlage K35) und die US-Patentschrift 4 493 021 (Agrawal u.a.; Anlage K29) bildeten, nicht schutzfähig sei. Wegen zweier weiterer, nunmehr nicht mehr im Streit stehender Patentansprüche hat sie die Nichtigkeitsgründe der mangelhaften ausführbaren Offenbarung und der Erweiterung gegenüber dem Inhalt der europäischen Patentanmeldung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3) geltend gemacht. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
5
Die Beklagte hat sich zunächst gegen die Zulässigkeit der Klage gewandt und im Übrigen beantragt, diese abzuweisen. Hilfsweise hat sie das Streitpatent in eingeschränkten Fassungen nach zwei Hilfsanträgen in deutscher Sprache verteidigt. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
6
Mit ihrer Berufung vertieft die Beklagte ihren Vortrag zur Zulässigkeit der Klage und stellt die mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatents in Abrede. Sie hat zuletzt den Antrag gestellt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass nur noch die aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Patentansprüche 1 bis 8 verteidigt werden. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. B. P.
ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat gutachterliche Stellungnahmen von Prof. H. J. C. und Dr. J. F. M. vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Patentgericht hat zu Recht die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe sachlich geprüft, denn die Klägerin hat nicht eine "falsche", d.h. nicht passiv- legitimierte Partei, sondern die bei Klageerhebung im deutschen Patentregister eingetragene damalige Patentinhaberin, gegen die die Nichtigkeitsklage nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG zu richten war, allerdings unter einer unvollständigen Firmenbezeichnung und unter einer nicht zutreffenden Anschrift, verklagt. Beides erweist sich vorliegend, wie dies schon das Bundespatentgericht zu Recht angenommen hat, als unschädlich:
9
1. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung ist der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich Anlagen zu berücksichtigen. Wird daraus unzweifelhaft deutlich, welche Partei wirklich gemeint ist, so stände der entsprechenden Auslegung nicht einmal entgegen, dass der Kläger irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person gewählt hat (Sen.Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582 = MDR 2008, 524).
10
Der Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine Parteibezeichnung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (so auch BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urt. v. 26.2.1987 - VII ZR 58/86, NJW 1987, 1946 m.w.N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH NJW 1987, 1946 aaO; Sen.Beschl. v. 28.3.1995 - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764 m.w.N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (so ausdrücklich BAG, Urt. v. 12.2.2004 - 2 AZR 136/03, AP Nr. 50 zu § 4 KSchG 1969). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn der Mangel in Anbetracht der jewei- ligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lässt, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (so BAG aaO). Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert wird, ankommt (so BGHZ 4, 328, 334). An diesen Grundsätzen, die auch im Patentnichtigkeitsverfahren anzuwenden sind, hält der Senat fest. Ihre Anwendung ergibt im vorliegenden Fall, dass sich die Klage von Anfang an gegen die bei Klageerhebung als Patentinhaberin im Register eingetragene Q. Pty. Ltd. gerichtet hat.
11
2. Demnach bezeichnete die Angabe in der Klageschrift keine unter der dort genannten Bezeichnung und mit dem genannten Sitz tatsächlich existierende Partei, denn eine Q. mit Ltd. Sitz in M. gab und gibt es nicht. Aus der Anlage K1 zur Klageschrift ergab sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich die Nichtigkeitsklage gegen die Patentinhaberin des Streitpatents, die sich in einer Presseerklärung selbst (weitgehend entsprechend ihrer ursprünglichen Bezeichnung) verkürzt als Q. Ltd. bezeichnet hatte, richten sollte, und nicht gegen das als Lizenznehmerin bezeichnete Tochterunternehmen ("wholly-owned subsidiary") Q. GmbH, dessen Sitz sich bei Klageerhebung in M. befand und das das Streitpatent erst zu einem späteren Zeitpunkt erworben hat. Aus Seite 3 der Klageschrift ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine "australische Gesellschaft mbH" als Inhaberin des Streitpatents verklagt werden sollte; der Firmenbestandteil in der Firma der Beklagten "Pty." (Proprietary limited company) entspricht dabei im Wesentlichen der Rechtsform der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dass die Klägerin nicht die korrekte und vollständige Firmenbezeichnung der Beklagten verwendet, sondern den Firmenbestandteil "Pty." weggelassen hat, ist zudem schon deshalb unschädlich, weil die Beklagte selbst öffentlich unter Weglassung dieses Zusatzes aufgetreten ist (vgl. die von der Beklagten herrührende Anlage K1 zur Klage). Die Klageschrift unterscheidet zudem deut- lich zwischen der Patentinhaberin, gegen die die Nichtigkeitsklage gerichtet sein sollte, und deren Lizenznehmerin, deren Klage gegen die Nichtigkeitsklägerin und eine weitere Partei, die S. AG, Anlass für die Nichtigkeitsklage war.
12
3. Da sich die Klage somit von Anfang an gegen die tatsächlich als Patentinhaberin passivlegitimierte Partei gerichtet hat, kommt es auf die von den Beklagtenvertretern vorgebrachte (und nach Aktenlage zutreffende) Erwägung, dass die Q. Pty. Ltd. im Zeitpunkt der Richtigstellung der Parteibezeichnung im Schriftsatz der Klägerin vom 3. Juli 2004 nicht mehr als Patentinhaberin im maßgeblichen Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen war, nicht an. Die mit der Klageerhebung begründete Beklagtenstellung der Q. Ltd. Pty. blieb vielmehr trotz der Umschreibung erhalten (vgl. BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer).
13
II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent weiterhin zulässigerweise eingeschränkt verteidigt.
14
1. Der Wirksamkeit der eingeschränkten Verteidigung steht nicht entgegen , dass die Beklagte zwar weiterhin prozessführungsbefugt ist, aber nicht festgestellt werden kann, dass sie auch sachbefugt und damit zu Verfügungen über das Patent berechtigt ist. An der Befugnis des zwar prozessual legitimierten , aber nicht materiell berechtigten Beklagten, im Patentnichtigkeitsverfahren durch beschränkte Verteidigung zu verfügen, sind Zweifel geäußert worden (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. 2008 Rdn. 160). Es kann indessen offen bleiben, ob insoweit die Rechtslage nicht anders zu beurteilen als beim (Teil-)Verzicht auf das Patent, der für seine Wirksamkeit als Verfügung über das Patent voraussetzt, dass der Verfügende sachbefugt ist (vgl. Schwendy in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003 Rdn. 15 zu § 20; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005 Rdn. 12 zu § 20; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 593; so schon RG, Urt. v. 8.10.1930 - I 88/30, MuW XXXI, 34, 35). Im vorliegenden Fall könnte die Sachbefugnis allenfalls auf die nunmehr im Register eingetragene Q. GmbH übergegangen sein, für die die Prozessbevollmächtigten der Beklag- ten nach ihrem eigenen Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, ebenfalls erklärungsbefugt waren. Eine entsprechende Einverständniserklärung wurde abgegeben. Dabei ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass der materiell Berechtigte dem Verfahren beitritt (a.A. Keukenschrijver aaO); der Senatsbeschluss BGHZ 172, 98, 106 ff. - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil dort nicht ausgesagt ist, dass der materiell Berechtigte nur im Weg des Beitritts seine Rechte geltend machen kann. Auf den Beitritt kann es zudem schon deshalb nicht ankommen, weil nur die materiellrechtliche Wirksamkeit der Verfügung, nicht aber auch deren prozessuale Wirksamkeit zweifelhaft sein kann.
15
2. Die eingeschränkte Verteidigung hält sich auch im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung in der europäischen Patentanmeldung und des erteilten Patents. Insbesondere ergibt sich das in Patentanspruch 1 eingefügte Merkmal, dass der erste Schlitz neben der Bestimmungsadresse (DA) einen ersten Teil eines Informationsfeldes (28) der Meldung (20) enthält, mit hinreichender Deutlichkeit aus Figur 1 der ursprünglich eingereichten und in der Patentschrift enthaltenen Zeichnungen. Die Änderungen führen nicht zu formalen Beanstandungen. Namentlich kann das Patent mit Patentansprüchen in deutscher Sprache verteidigt werden (st. Rspr.; u.a. BGHZ 118, 221 - Linsenschleifmaschine ; BGHZ 147, 306, 314 - Taxol), wenn es auch häufig zweckmäßiger sein wird, das Patent mit Patentansprüchen in der Verfahrenssprache zu verteidigen , um Zweifel an der vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung der Sprachfassungen auszuschließen.
16
III. 1. Soweit das Streitpatent über die Fassung hinausgeht, in der es in zulässiger Weise beschränkt verteidigt wird, ist es ohne Weiteres für nichtig zu erklären. Dies betrifft insbesondere die Vorrichtungsansprüche 10 und 23 mit den auf diese rückbezogenen Unteransprüchen, daneben auch sämtliche Verfahren zum verbindungsorientierten Übertragen von Meldungen.
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2. Soweit das Streitpatent noch verteidigt wird, hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig und das Streitpatent deshalb auf die auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Schutzfähigkeit gestützte Klage (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52, 54, 56 EPÜ) insgesamt für nichtig zu erklären ist.
18
a. Das Streitpatent betrifft in seiner verteidigten Fassung die Übertragung von Meldungen in einem Multiplexsystem und lehrt hierzu Verfahren für die Übertragung von Meldungen willkürlicher, jedoch begrenzter Länge in (ursprünglich ) verbindungslosen Übertragungssystemen, wobei das Verfahren für die wirksame Unterstützung jedweder Adressierungsart selbst in einem System mit kurzen, als Schlitze (slots) bezeichneten Zeitscheiben sorgt. Bei der Datenkommunikation in Multiplexsystemen können Daten in Einheiten, sog. Paketen, ausgetauscht werden, die aus einem Kopffeld (header field), das die Steuerung und vielfach auch das Adressieren der Einheit übernimmt, und der tatsächlichen Information bestehen. In neuen Entwürfen werden hierzu nach den Angaben im Streitpatent nur kleine Schlitze mit fester Länge (fixed length slots) geschaltet. Dies ist dahin zu verstehen, dass die Schlitze auch untereinander gleiche Länge haben können und vielfach auch haben sollen; dies wird in der Regel auch dann der Fall sein, wenn lediglich eine maximale Länge angegeben wird, weil das rationelle Ausnützen der Übertragungskapazitäten in aller Regel dahin führen wird, die maximale Länge jeweils auszunützen; dass sich dabei je nach der Länge der Meldung bei der Übertragung des letzten Schlitzes Schwierigkeiten ergeben können, diese Länge zu erreichen, wird auch durch die Lehre des Streitpatents nicht vermieden. Wenn die schnelle Paketvermittlung eine Kommunikation variabler Länge tragen solle, müsse, so das Streitpatent, die ursprüngliche Meldung segmentiert und an der Bestimmungsstelle wieder zusammengesetzt werden. Bei der Segmentierung müsse die Meldung lediglich in Einheiten einer Größe aufgeteilt werden, die gleich oder kleiner der Schlitzgröße sei. Bei der Übertragung müssten aber von der Bestimmungsstelle alle Segmente der Meldung empfangen und zugeordnet werden. Deshalb sei eine logische Zuordnung zwischen allen Schlitzen der einzelnen Meldung erforderlich.
19
b. Durch das Streitpatent sollen der Aufwand für Adressierung und Steuerung der Datenpakete gering gehalten und eine einfache Wiederzusammensetzung der Meldungen an der Bestimmungsadresse ermöglicht werden.
20
c. Hierzu lehrt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 mit den Einfügungen , die die verteidigte Fassung vorsieht, 1. ein Verfahren zum verbindungslosen Übertragen 1.1 von Meldungen variabler Länge 1.2 ineinem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten 1.3 von einem Ausgangsknoten mit einer Ausgangsadresse 1.4 zu einem Bestimmungsknoten mit einer Bestimmungsadresse (destination address) mit folgenden Verfahressschritten: 2. Jede Meldung variabler Länge wird segmentiert 2.1 in eine Vielzahl von Schlitzen (slots) 2.2 die Schlitze 2.2.1 sind von fester und gleicher Länge 2.2.2 sind ein erster, folgende und ein letzter Schlitz, 2.2.3 enthalten jeweils 2.2.3.1 ein Kopffeld (header field) 2.2.3.2 und ein Meldungssegment (message segment), 2.2.4 der erste Schlitz enthält neben der Bestimmungsadresse einen ersten Teil eines Informationsfelds der Meldung, 3. im Kopffeld jedes Schlitzes ist ein Ausgangsidentifizierungsfeld (source identifier field) vorgesehen, 3.1 in das ein Ausgangsidentifizierungscode (source identifier code) eingetragen wird, 3.2 der eindeutig der Meldung zugeordnet (uniquely associated) ist, 4. dieBestimmungsadressewird nur im Meldungssegment des ersten Schlitzes eingegeben, 5. die Schlitze werden 5.1 von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen, 5.2 am Bestimmungsknoten empfangen und 5.3 wieder zusammengesetzt zu der Meldung, 5.3.1 wobei die Steuerung hierzu erfolgt 5.3.1.1 auf der Basis der Information in dem Kopffeld und 5.3.1.2 in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode.
21
d. Unter Schlitzen (slots) sind dabei Dateneinheiten zu verstehen. Die Paketvermittlung stellt sicher, dass die Übertragungsleitung durch einen Benutzer nicht für mehr als einige hundertstel Sekunden blockiert wird (Tanenbaum, unten III. 3. a, Anlage K4, S. 116, Textblock Z. 8 - 10).
22
Die nunmehr nur noch beanspruchte verbindungslose Übertragung erfasst alle Übertragungen, bei denen - unabhängig vom Verbindungsweg - zwischen Senderknoten und Empfängerknoten eine wie auch immer geartete und auch rein logische Verknüpfung hergestellt wird.
23
Das Informationsfeld der Meldung (Merkmal 2.2.4) versteht der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen dahin, dass dieses die zu übertragenden Daten enthält. Das Meldungssegment umfasst demgegenüber einen Teil dieses Informationsfelds, beim ersten Schlitz zusätzlich die Bestimmungsadresse und gegebenenfalls bestimmte weitere Felder (vgl. Fig. 1, Bezugszeichen 24 und 26), aber nicht den Ausgangsidentifizierungscode (SI) (vgl. Fig. 1); diese Information wird im Kopffeld transportiert (Merkmale 2.2.3.1 und 3). Die Anzeige, ob es sich um den ersten, einen folgenden oder den letzten Schlitz handelt, kann ebenfalls im Kopffeld übermittelt werden, Patentanspruch 1 trifft dafür aber keine Festlegung.
24
Wie der Ausgangsidentifizierungscode eindeutig der Meldung zugeordnet wird, überlässt die Patentschrift des Streitpatents dem Können des nacharbeitenden Fachmanns.
25
3. Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung ist neu (Art. 54 EPÜ). Das Ergebnis von Verhandlung und Beweisaufnahme lässt auch nicht die Wertung zu, dass sich sein Gegenstand für den Fachmann, einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragung in Multiplexsystemen, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hätte (Art. 56 EPÜ).
26
Sowohl das Buch von Tanenbaum (Anlagen K4, K20) als auch die Dissertation von Temple (Anlage K35), der Aufsatz von Yukimatsu (Anlage K28) und das Patent von Agrawal (Anlage K29) beschreiben verbindungsorientierte Übertragungen. Das Buch von Stallings liegt von der nunmehr noch schutzbeanspruchenden Lehre noch weiter ab und hat in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt.
27
a. Das 1981 erschienene Buch "Computer Networks" von Andrew S. Tanenbaum (jeweils Auszüge in Anlagen K4, K20 sowie die in der Berufungsverhandlung einzeln überreichten Seiten 194/195) beschreibt das X.25-Protokoll , das zwischen 1976 und 1984 als Telekommunikationsstandard entwickelt worden ist. Das dort beschriebene Verfahren offenbart, dass die virtuelle Kanalnummer (virtual circuit number), die dem Wiederzusammensetzen der Meldung dient und dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) entsprechen mag, zwischen der Sendestelle und der Empfangsstelle ausgehandelt wird. Der erste Schlitz, der auch als Vorschlitz angesprochen werden kann, dient dem Verbindungsaufbau , nämlich der Anfrage, ob der Anruf angenommen wird (call request und call accepted; vgl. Fig. 5-26 (a)). Dieser Verbindungsaufbau entfällt bei der verbindungslosen Übertragung. In dem ersten Schlitz wird nach dem X.25-Protokoll kein Teil des Informationsfelds der Meldung übermittelt (Merkmal 2.2.4). Dies mag zwar auf den ersten Blick anders erscheinen, da Fig. 5-26 (a) in dem ersten Schlitz auch "user data" vorsieht und diese nicht näher spezifiziert werden. Dass es sich dabei indessen nicht um die Daten handeln kann, die übertragen werden sollen, erhellt schon daraus, dass der erste Schlitz dem Verbindungsaufbau dient und dass bei seiner Absendung noch nicht feststeht, ob eine Verbindung überhaupt zustande kommt. Dem Fachmann drängt sich mit dieser Erkenntnis die Überlegung auf, dass es bloße Ressourcenverschwendung wäre, mit der Rufanfrage im ersten Schlitz, deren Ergebnis nicht voraussehbar ist, bereits zu übertragende Daten zu versenden. Damit fehlt es auch an jeglicher Anregung, im ersten Schlitz bereits zu versendende Daten zu übermitteln. In dem ersten Schlitz wird zwar die Bestimmungsadresse (called address) übermittelt, aber nicht im Meldungssegment. Damit ist Merkmal 4 des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht verwirklicht. Die Über- mittlung der Bestimmungsadresse erfolgt vielmehr in einem vorgelagerten Bereich des Schlitzes. Damit wird der Vorteil, den das Streitpatent dadurch erzielt, dass der Kopfteil durch Herausnahme der Bestimmungsadresse klein gehalten wird, nicht verwirklicht.
28
b. Die Dissertation von Steve Temple (Anlage K35) beschreibt Architektur, Protokolle und Realisierung eines lokalen Netzes hoher Leistung (high speed local area network). Die Dissertation entwirft ein neues Netz, den Cambridge Fast Ring, und entwickelt diesen als grundlegende Kommunikationsstruktur. Dabei werden Funktionen für das Senden und Empfangen von Dateneinheiten fester Länge bereitgestellt. Die Daten sowie die Adresse des Ausgangsknotens und des Bestimmungsknotens werden zusammen mit weiterer Steuerinformation in einer als minipacket bezeichneten, festen und unveränderbaren Datenstruktur übertragen. Das in Kapitel 8 beschriebene basic protocol stellt ein Rahmenwerk für die Definition unterschiedlicher weiterer Protokolle dar, so für das Single Shot Protocol (SSP) zum Austausch von Meldungen variabler Länge und das Byte Stream Protocol (BSP) zur verbindungsorientierten Übertragung zwischen beliebigen Knoten im Netz. Dabei werden in jedem minipacket die Adressen des Ausgangsknotens und des Bestimmungsknotens übermittelt, um eine Kommunikationsstruktur für beliebige Anwendungen bereitzustellen. Die Veröffentlichung stellt damit ein universell einsetzbares System zur Verfügung.
29
Jedenfalls im Single Shot Protocol entspricht dabei, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Kanalnummer dem Ausgangsidentifizierungscode (SI). Allerdings weist die Kanalnummer nicht die Eindeutigkeit auf, wie sie beim Streitpatent vorgesehen ist, denn verschiedene Bestimmungsknoten könnten die gleiche Kanalnummer auswählen. Damit reicht der Ausgangsidentifizierungscode (die Kanalnummer) in der Form, wie er bei Temple generiert wird, nicht immer zur eindeutigen Zuordnung des minipacket zu einer bestimmten Meldung aus. Auf die jeweilige Übertragung der Bestimmungsadresse kann deshalb in einem universell einsetzbaren System nicht verzichtet werden. Sofern der Fachmann erkennen konnte, dass unter entsprechenden Rahmenbedingungen die Identifizierung über die Kanalnummer eindeutig wie im Streitpatent gestaltbar war, musste er zugleich erkennen, dass er damit die universelle Einsetzbarkeit der Lehre von Temple beeinträchtigen konnte. Auch wenn die Problematik, die sich aus dem Umfang des Kopffelds ergeben konnte ("overhead"-Problem), nach Auskunft des gerichtlichen Sachverständigen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt war, erlaubt zur Überzeugung des Senats die auf der anderen Seite zu berücksichtigende Einschränkung der universellen Einsetzbarkeit bei Verzicht auf die Übermittlung der Bestimmungsadresse in jedem minipacket nicht die sichere Würdigung dahin, dass dem Fachmann das Weglassen der Bestimmungsadresse in den folgenden Schlitzen nahegelegt war. Dass der Fachmann, wie es das Bundespatentgericht angenommen hat, nicht davon abgehalten wird, nach entsprechenden Wegen zu suchen, um die Leistungsfähigkeit des Netzes zu steigern, reicht nicht aus, um ein Naheliegen dieser Maßnahme allein aus der Dissertation von Temple und den fachlichen Fähigkeiten des Fachmanns zu bejahen.
30
c. Die Veröffentlichung von Ken-ichi Yukimatsu, Naoya Watanabe und Takashi Honda "Multicast Communication Facilities in a High Speed Packet Switching Network" (Multicast-Kommunikationsanlagen in einem Hochgeschwindigkeitsnetzwerk mit Paketvermittlung; Anlage K28) aus dem Jahr 1986 betrifft ein Paket-Multiplexverfahren in einem Ringnetz (logische Schleife) und entsprechende Protokolle. Sie schlägt die Multiplexierung von Meldungen auf kurze Rahmen fester Länge vor, darunter die distance-indexed frame multiple- xing method (das abstandsindizierte Rahmenmultiplexverfahren). Die Bestimmungsadressen werden nur im ersten Rahmen der Meldung übertragen. Jedoch können schon die Abstandsindices nicht mit dem Ausgangsidentifizierungscode gleichgesetzt werden, denn sie sind nicht meldungsspezifisch und, wie der gerichtliche Sachverständige angegeben hat, schwerfällig. Eine Anregung , von den Abstandsindices, die allerdings ebenfalls zur eindeutigen Zuordnung der Meldungsteile geeignet sein mögen, auf einen Ausgangsidentifizierungscode überzugehen, ist der Veröffentlichung nicht zu entnehmen. Dass das erste Paket (call setup packet) auch Information übertragen soll, wird nicht eindeutig beschrieben. Nach S. 280 linke Spalte vorletzter und letzter Absatz soll das call setup packet ein Gruppenlabel und die Zieladressen (destination addresses) enthalten. Soweit ein Rufaufbaupaket für eine empfängerselektive Multicast-Kommunikation, wie es im Folgeabsatz beschrieben ist, auch die Inhalte (the contents) der folgenden Informationspakete enthalten soll, kann dies ersichtlich nicht die zu übermittelnde Nachricht betreffen, sondern allenfalls eine Art Inhaltsverzeichnis oder Angabe des Informationstyps. Jedenfalls kann der Aussage nicht deutlich entnommen werden, dass bereits ein Teil der zu übermittelnden Meldung übertragen werden soll. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin erscheint als durch die Lehre des Streitpatents vermittelt. Zudem ist die Angabe der Bestimmungsadresse im Kopffeld und nicht im Meldungsfeld vorgesehen. Das ebenfalls beschriebene Paketmultiplexverfahren arbeitet nicht mit festen Paketgrößen.
31
d. Die US-Patentschrift 4 493 021 (Agrawal; Anlage K29) beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung für ein lokales Netz, die für den Austausch von Daten beliebiger, variabler Länge unter einer Vielzahl am Netz angeschlossener Rechner geeignet sind. Ein Rechner segmentiert dabei eine Datei in eine Anzahl Blöcke mit variabler, aber begrenzter Länge. Die Blöcke werden einem Netzwerk-Adapter übergeben, der sie in Pakete maximaler Länge (256 bytes) segmentiert (s. die Zusammenfassung, "abstract"). Die Segmentierung findet auf zwei Ebenen statt, nämlich zunächst als Segmentierung von Dateien in eine Sequenz von Blöcken (Beschr. Sp. 5 Z. 28 - 30) und sodann als Segmentierung der Blöcke in eine Sequenz von Paketen (Beschr. Sp. 5 Z. 32 - 34), die zusätz- lich mit Steuerinformation versehen werden. Letzteres ist zwar mit der Segmentierung von Meldungen in Schlitze nach dem Streitpatent vergleichbar. Jedoch führt die Anfügung von Steuerinformation an die Pakete (packet header und transport header) ersichtlich zu einer Vermehrung der mitzutransportierenden Steuerdaten, während das Streitpatent darauf abzielt, die Steuerdaten im Kopffeld zu vermindern.
32
e. Auch eine Zusammenschau der genannten Entgegenhaltungen führt nicht in naheliegender Weise zu Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung. Es fehlt schon an der Anregung, auf das auf einen call request setzende verbindungsorientierte System zu verzichten, das sämtliche Entgegenhaltungen kennzeichnet und das, wie ausgeführt, der Erkenntnis entgegensteht , bereits im ersten Schlitz Teile der zu transportierenden Information zu übermitteln (Merkmal 2.2.4). Aber auch wenn der Fachmann in Erwägung zog, die Verbindung ohne "Vorschlitz" aufzubauen, erhielt er noch keine Anregung , sich gerade die jetzt noch verteidigte Lösung zu erschließen. Denn weder der Veröffentlichung von Temple noch denen von Tanenbaum oder Yukimatsu ist zu entnehmen, dass es ausreichen könnte, die Bestimmungsadresse im Meldungsfeld des ersten Schlitzes zu übermitteln, und in der US-Patentschrift ist diese Erkenntnis jedenfalls verstellt, weil die nur im ersten Rahmen enthaltene Bestimmungsadresse bei unbefangener Betrachtung dort als Teil des Kopffelds erscheint. Letzteres schließt der Senat aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach ein Kopffeld als der Bereich angesehen wurde , der sich durch eine vorbestimmte Reihung von Feldern bestimmter Länge mit den erforderlichen Steuerdaten auszeichnet. Schließlich handelt es sich bei der Merkmal 4 ausfüllenden Maßnahme auch nicht um eine selbstverständliche oder im Belieben des Fachmanns stehende Maßnahme (vgl. hierzu Senat BGHZ 156, 179, 189 f. - blasenfreie Gummibahn I), denn sie erfüllt die Funktion , den Kopfteil des Schlitzes "schlank" zu halten und nicht mit dort nicht mehr notwendigen Informationen zu befrachten. Damit sind Umstände gegeben, die auch eine Wertung dahin, dass der Fachmann allein auf Grund seines Fachwissens oder seines Fachkönnens in naheliegender Weise in der Lage gewesen wäre, die Bestimmungsadresse im Meldungsfeld und nicht im Kopf des Schlitzes unterzubringen, nicht erlauben. Das gilt unabhängig von der Feststellung , dass das "overhead"-Problem zum Prioritätszeitpunkt bekannt war.
33
4. Die verteidigten Patentansprüche 2 bis 8 werden von Patentanspruch 1 mitgetragen.
34
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 91, 92, 97 ZPO. In der beschränkten Verteidigung des Streitpatents in der Berufungsinstanz sieht der Senat keine teilweise Berufungsrücknahme (vgl. Sen.Urt. v. 17.2.2004 - X ZR 48/00, GRUR 2004, 583, 584 - Tintenstandsdetektor).
Scharen Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.06.2004 - 4 Ni 8/03 (EU) -

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. September 2010 - 10 Sa 333/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens.

2

Der Beklagte wurde von der Klägerin als Projektentwickler seit dem 1. Januar 2002 in Chile beschäftigt. Seine Einkünfte musste er auch in Chile versteuern. Der Vertrag zur Beschäftigung des Beklagten im Ausland sah vor, dass er der Klägerin entsprechende Bestätigungen der Steuerbehörden in Chile unaufgefordert vorlegt. Die Klägerin sollte die Kosten für einen vom Beklagten ausgewählten Steuerberater tragen. Sofern der Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben sollte, wurde München als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart, außerdem wurde die Geltung deutschen Rechts bestimmt.

3

Um den Beklagten wirtschaftlich vor einer Doppelbesteuerung zu bewahren, schlossen die Parteien am 23. September 2002 einen Darlehensvertrag, in dem ua. bestimmt wurde:

        

㤠1 Arbeitgeberdarlehen

        

1.    

Der Arbeitgeber gewährt dem Mitarbeiter ein unverzinsliches Darlehen. Die Höhe entspricht der abzuführenden Einkommensteuer in Chile für das jeweilige Kalenderjahr. Für das Jahr 2002 werden für die Monate Januar bis August € 20.649,94 gewährt; zahlbar Ende August 2002. Ab dem Monat September ein Betrag von monatlich € 3.250,00. Der monatliche Betrag wird den jeweils aktuellen Verhältnissen angepasst. Jede Änderung ist unverzüglich vom Mitarbeiter zu melden.

        

...     

        
        

3.    

Das Darlehen wird für die Dauer gewährt, in denen der Mitarbeiter nach Chile entsandt ist. Sollte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen werden; endet die Darlehenszahlung mit dem Vormonat ab dem eine Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt vorliegt.

        

§ 2 Rückzahlung des Darlehensbetrages

        

1.    

Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr. Die Rückzahlung hat 8 Tage nach Zugang des deutschen Einkommensteuerbescheides für das abgelaufene Kalenderjahr zu erfolgen, spätestens jedoch zum 30.09. des Folgejahres.

        

2.    

Eine vorzeitige Tilgung des Darlehens ist möglich.

        

§ 3 Fälligkeit bei Ausscheiden des Mitarbeiters

        

Scheidet der Mitarbeiter vor vollständiger Darlehensrückzahlung aus den Diensten des Arbeitgebers aus, ist die noch offene Darlehensschuld mit dem Tage des Ausscheidens in einer Summe fällig.“

4

In Erfüllung des Darlehensvertrages zahlte die Klägerin in den Jahren 2002, 2003 und 2004 insgesamt 111.649,94 Euro an den Beklagten. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Befristung am 31. Dezember 2004.

5

Bis Mitte Mai 2004 hatte der Beklagte in einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten Wohnung in Santiago de Chile gelebt, sodann ist er dort an seine aktuelle Adresse verzogen. Zudem war der Kläger bis 31. Oktober 2005 in Deutschland unter der Anschrift seiner Eltern in B gemeldet, was auch als deutsche Kontaktadresse diente.

6

Auf der Basis eines entsprechenden Steuerbescheides wurden dem Beklagten im Jahr 2004 die für das Jahr 2002 abgeführten Steuern durch den deutschen Fiskus erstattet. Insoweit sind die Parteien vor dem Arbeitsgericht übereingekommen, dass die Rückzahlung des Darlehens für 2002 erst mit Zustellung des Steuerbescheides fällig sein sollte und nicht schon zum 30. September 2003, spätestens jedoch zum Fälligkeitszeitpunkt des § 3 des Darlehensvertrages. Eine entsprechende Steuererstattung für 2003 erfolgte im Jahr 2007 und für das Jahr 2004 im Jahr 2008.

7

Im Januar 2005 schickte die Klägerin ein Schreiben an die deutsche Adresse des Beklagten, dessen Annahme verweigert wurde. Daraufhin wandte sie sich mit einer E-Mail vom 17. Januar 2005 an den Beklagten, mit der sie ihn aufforderte, die Darlehensschuld binnen vier Tagen per Fax anzuerkennen, andernfalls sie den Rechtsweg beschreiten werde. Der Beklagte reagierte nicht. Eine Melderegisterauskunft vom 29. März 2007 gab nur noch die aktuelle Wohnanschrift des Beklagten in Chile an.

8

Mit der am 31. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des darlehensweise gewährten Betrags von 111.649,94 Euro.

9

Nach Übersetzung von Klageschrift und Anlagen sowie Legalisierung der Unterschrift der Kammervorsitzenden hat das Arbeitsgericht die Zustellung der Klageschrift im Rechtshilfeverkehr mit Chile eingeleitet und mit Verfügung vom 9. April 2008 die Klägerin ua. auf eine Mindestzustellzeit von sechs Monaten hingewiesen. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Chile bestätigte mit Schreiben vom 30. Juli 2008 die Weiterleitung des Zustellungsantrages mit Verbalnote vom 20. Juli 2008 an den chilenischen Obersten Gerichtshof und teilte mit, dass über den weiteren Fortgang der Angelegenheit unaufgefordert unterrichtet werde.

10

Im ersten Gütetermin vom 18. Dezember 2008 hat die Vorsitzende dem allein erschienenen Klägervertreter mitgeteilt, dass noch kein Zustellnachweis vorliegt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2009 hat der Klägervertreter beim Arbeitsgericht um Mitteilung des Sachstands gebeten, was das Gericht zu einer Anfrage bei der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile vom 15. Juni 2009 veranlasste. Die Zustellung der Klage an den Beklagten erfolgte dann am 31. Juli 2009 an seiner Wohnanschrift.

11

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, alles veranlasst zu haben, um eine demnächst erfolgende Zustellung zu ermöglichen. Die Zustellungsdauer in Chile habe sie nicht zu vertreten, vielmehr sei diese den besonderen Umständen einer Auslandszustellung in Chile geschuldet. Daher sei sie auch 19 Monate nach Einreichung der Klage noch „demnächst“ erfolgt. Der Beklagte erhebe rechtsmissbräuchlich die Einrede der Verjährung.

12

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 111.649,94 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2005 zu zahlen.

13

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und dazu die Meinung vertreten, dass § 167 ZPO auch dem Schuldnerschutz diene. Es gebe für die Zustellung mit Rückwirkung eine Zeitgrenze von neun bis zehn Monaten nach Klageeinreichung. Danach überwiege das Interesse des Schuldners an der eingetretenen Verjährung. Zudem habe er seinen Wohnsitz seit 2004 nicht gewechselt, die Klägerin hätte schon vorher Klage erheben können.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts zugelassenen Revision (Beschluss vom 18. Mai 2011 - 10 AZN 213/11 -) verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Beklagten ist unbegründet, da er zur Rückzahlung des ihm gewährten und der Höhe nach unstreitigen Darlehens nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie zur Zahlung der geltend gemachten Zinsen nach § 308 ZPO iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB verpflichtet ist. Der Rückzahlungsanspruch ist nicht verjährt.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei nicht nach § 214 Abs. 1 BGB zur Verweigerung der Darlehensrückzahlung wegen eingetretener Verjährung berechtigt. Die am letzten Tag der Verjährungsfrist, dem 31. Dezember 2007, eingereichte und am 31. Juli 2009 zugestellte Klage habe die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), da die Zustellung auch angesichts eines verstrichenen Zeitraums von 19 Monaten noch „demnächst“ erfolgt sei (§ 167 ZPO). „Demnächst“ sei nicht allein zeitlich zu verstehen. Die Vorschrift schütze vor Verzögerungen in der Klagezustellung, auf die kein Einfluss genommen werden könne und an denen eine klagende Partei keine Mitschuld trage. Die durch die Auslandszustellung in Chile verursachten Verzögerungen müsse sich die Klägerin nicht zurechnen lassen. Die ihr obliegenden Angaben in der Klageschrift habe die Klägerin korrekt gemacht, die gesamte Verjährungsfrist habe sie ausschöpfen und erst am letzten Tag der Frist Klage erheben dürfen.

17

B. Diese Entscheidung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

I. Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig.

19

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch unter der Geltung von § 545 Abs. 2 ZPO eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung(vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 562/08 - Rn. 14, AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 23 = EzA ZPO 2002 § 38 Nr. 1; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 16, BAGE 125, 24 = AP EGBGB nF Art. 27 Nr. 8 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 9; 16. Februar 2000 - 4 AZR 14/99 - zu I der Gründe, BAGE 93, 328 = EzA TVG § 4 Seeschiffahrt Nr. 1; GMP/Prütting 7. Aufl. Einleitung Rn. 275).

20

2. Die internationale Zuständigkeit ist nach den Regelungen der EuGVVO zu beurteilen, die den nationalen zivilprozessualen Regelungen vorgeht (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 562/08 - Rn. 15 mwN, AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 23 = EzA ZPO 2002 § 38 Nr. 1; 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 26, BAGE 132, 182 = AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4), seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der EU gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV, entspr. ex Art. 249 Abs. 2 EG).

21

3. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich für den vorliegenden arbeitsrechtlichen, also zivilrechtlichen Streit aus Art. 24 EuGVVO. Danach wird das Gericht eines Vertragsstaates jedenfalls dann zuständig, wenn sich die beklagte Partei vor ihm auf das Verfahren eingelassen hat. Der Begriff der rügelosen Einlassung ist autonom auszulegen und so zu verstehen, dass jede Verteidigungshandlung genügt, die auf eine Klageabweisung zielt (vgl. BAG 2. Juli 2008 - 10 AZR 355/07 - Rn. 23, BAGE 127, 111 = AP Verordnung Nr. 44/2001/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 3; Musielak/Stadler Art. 24 EuGVVO Rn. 3; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. Art. 24 EuGVO Rn. 8). Der Beklagte hat im Gütetermin erklärt, die Rüge der örtlichen Zuständigkeit nicht aufrecht zu erhalten und dies später durch Schriftsatz vom 9. März 2010 bestätigt. Damit liegt eine rügelose Einlassung auch zur internationalen Zuständigkeit im Sinne von Art. 24 EuGVVO vor. Unerheblich ist es, dass der Beklagte in keinem Mitgliedsstaat der EU einen Wohnsitz hat (vgl. MünchKommZPO/Gottwald aaO; Musielak/Stadler aaO; Hk-ZPO/Dörner Art. 24 EuGVVO Rn. 1). Da die rügelose Einlassung vorrangig ist (EuGH 7. März 1985 - C-48/84 - [Spitzley] Slg. 1985, 787), kommt es auf die in § 12 des Auslandsbeschäftigungsvertrages getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nicht an.

22

II. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung.

23

1. Die Frage des auf den Streitfall anzuwendenden Rechts bestimmt sich nach Art. 27 EGBGB aF. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom-I-VO) findet erst auf die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossenen Verträge Anwendung, Art. 28 VO 593/2008/EG. Infolge dieser intertemporalen Kollisionsnorm sind für die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge weiter die Art. 27, 30 und 34 EGBGB aF anzuwenden(vgl. HWK/Tillmanns 5. Aufl. Art. 3, 8, 9 Rom-I-VO Rn. 8; MünchKommBGB/Martiny 5. Aufl. Art. 28 Rom I-VO Rn. 4; DFL/Krebber 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 Rom I-VO Rn. 4; Palandt/Thorn 71. Aufl. (IPR) Rom I Vorbemerkung Rn. 1).

24

2. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl soll ausdrücklich erfolgen, kann sich aber auch aus den Umständen des Falles ergeben, Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Ist die Rechtswahl nicht ausdrücklich erfolgt, muss sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24 = AP EGBGB nF Art. 27 Nr. 8 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 9; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130 = AP EGBGB nF Art. 30 Nr. 10 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 5; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19). Die Rechtswahl muss nicht zwingend bei Vertragsschluss erfolgen, sondern kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB.

25

3. In § 12 Abs. 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Auslandsbeschäftigungs-/Entsendevertrages vom 6. Dezember 2002 ist für den Fall des Fehlens eines allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten in Deutschland bestimmt, dass München als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart wird, die sich in beiderseitigem Einvernehmen nicht klären lassen; sie sollen nach deutschem Recht entschieden werden. Damit haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls alle mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Streitigkeiten nach deutschem Recht zu beurteilen sind. Der am 23. September 2002 geschlossene Darlehensvertrag steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem geschlossenen Arbeitsvertrag, wie sich § 1 des Darlehensvertrages entnehmen lässt. Danach entspricht die Darlehenshöhe der in Chile abzuführenden Einkommenssteuer (§ 1 Nr. 1) und die Gewährung des Darlehens erfolgt für die Dauer, die der Mitarbeiter nach Chile entsandt ist. Eine solche Streitigkeit über die Rückzahlung des im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährten Darlehens soll nach dem Parteiwillen nach deutschem Recht beurteilt werden.

26

III. Dem aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB folgenden Rückzahlungsanspruch der Klägerin in unstreitiger Höhe von 111.649,94 Euro kann der Beklagte kein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht aus § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Der Eintritt der Verjährung wurde nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die am 31. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht München eingereichte Klage gehemmt.

27

1. Die Verjährungsfrist endete für sämtliche Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehensvertrag am 31. Dezember 2007.

28

a) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Entstanden ist ein Anspruch, wenn er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 Abs. 2 Halbs. 1 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann (vgl. BGH 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07 - Rn. 17, NJW-RR 2009, 378; Palandt/Ellenberger 71. Aufl. § 199 BGB Rn. 3).

29

b) Abweichend von § 2 Nr. 1 Satz 2 des Darlehensvertrages haben die Parteien vereinbart, dass die Rückzahlung des Darlehens für 2002 erst mit Zustellung des Steuerbescheides, also im Verlauf des Jahres 2004 fällig geworden sein sollte und nicht, wie ursprünglich im Vertrag vorgesehen, zum 30. September 2003. Damit begann die Verjährungsfrist auch für den Rückzahlungsanspruch, das Jahr 2002 betreffend, mit Ablauf des 31. Dezember 2004 als dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Das Gleiche gilt für den Rückzahlungsanspruch der im Jahre 2003 geflossenen Darlehensbeträge, die nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Darlehensvertrages zum 30. September 2004 fällig wurden. Der Fälligkeitszeitpunkt hinsichtlich der Darlehenszahlung für das Jahr 2004 ist nach § 3 des Darlehensvertrages der 31. Dezember 2004. Damit ist die Klage hinsichtlich aller Teilansprüche innerhalb der mit Ablauf des 31. Dezember 2007 endenden Verjährungsfrist eingereicht worden.

30

2. Die Zustellung der Klage an den Beklagten am 31. Juli 2009 hemmt nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung, da sie zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist, jedoch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO vorgenommen wurde.

31

a) Ob eine Klagezustellung „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt ist, kann nicht aufgrund einer rein zeitlichen Betrachtungsweise entschieden werden. Vielmehr ist der Begriff ohne eine absolute zeitliche Grenze im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Da die Zustellung von Amts wegen geschieht und Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs nicht von der die Zustellung veranlassenden Partei beeinflusst werden können, muss diese vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des Geschäftsbetriebs der Gerichte geschützt werden. Verzögerungen der Zustellung, die durch die Sachbearbeitung des Gerichts verursacht sind, muss sich der Kläger grundsätzlich nicht zurechnen lassen; dies gilt auch bei mehrmonatigen Verzögerungen (st. Rspr., vgl. BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6, WuM 2011, 540; 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 17, BGHZ 168, 306; 9. Februar 2005 - XII ZB 118/04 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2005, 1194; 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 145, 358; 26. September 1957 - II ZR 267/56 - zu II 1 a der Gründe, BGHZ 25, 250).

32

b) Allerdings muss der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben, sofern es nicht ohnehin zu einer nur geringfügigen Verzögerung gekommen ist (vgl. BGH 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 18, BGHZ 168, 306; 9. Februar 2005 - XII ZB 118/04 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2005, 1194; 6. April 1972 - III ZR 210/69 - NJW 1972, 1948 zu § 261b Abs. 3 ZPO aF). Einer Partei sind nur solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. „Demnächst“ im Wortsinn bedeutet, dass die Zustellung der „dem“ Einreichen der Klage „nächste“ Schritt sein können muss. Daran fehlt es in der Regel bei Mängeln der Klageschrift, etwa wenn die Angabe einer falschen oder unzureichenden Anschrift des Beklagten erfolgte (BGH 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe mwN, BGHZ 145, 358). Ebenso fehlt es an einer ohne Weiteres, also „demnächst“ möglichen Zustellung, wenn der zu leistende Gerichtskostenvorschuss nicht oder nach seiner Anforderung nicht innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt (vgl. BGH 16. Januar 2009 - V ZR 74/08 - Rn. 16, BGHZ 179, 230).

33

c) Für eine solche Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

34

aa) § 190 der Zivilprozessordnung vom 30. Januar 1877 sah für Auslandszustellungen und öffentliche Zustellungen vor, dass die Wirkung der Zustellung bereits mit Überreichung des Gesuchs eintritt. Bereits nach der Gesetzesbegründung hierzu wurde darauf verwiesen, dass in solchen Fällen die Partei zur Bewirkung einer Zustellung ihrerseits nichts „weiter thun kann, als bei dem Gerichte ein begründetes Gesuch anzubringen, und die rechtzeitige Zustellung von prompter Rechtshülfe der Behörden und einer Anzahl zufälliger Umstände abhängig ist“ (vgl. Hahn/Mugdan Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 2. Aufl. Bd. 2 Begründung zu § 183 S. 234; Gaupp Die Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich 1881 § 190 S. 490).

35

bb) Im Übrigen wurde erst zum 1. Juni 1909 für den Amtsgerichtsprozess die Zustellung von Amts wegen anstelle des Parteibetriebs eingeführt (§ 496 ZPO in der ab dem 1. Juni 1909 geltenden Fassung). Der erste veröffentlichte Entwurf zu § 496 Abs. 3 ZPO aF sah vor, dass eine Rückwirkung nur dann erfolgt, wenn die Zustellung binnen einer Frist von zwei Wochen, bei Zustellungen mittels Ersuchens anderer Behörden oder Beamten(im Ausland) oder mittels öffentlicher Zustellung binnen einer Frist von sechs Monaten durchgeführt ist. Dieses Zeiterfordernis wurde im Gesetzgebungsverfahren später fallen gelassen und durch den Ausdruck „demnächst“ ersetzt (§ 496 Abs. 3 ZPO aF). Hieraus ergibt sich, dass es für die Rückwirkung der Zustellung auf ihre tatsächliche Ausführung ankommen sollte, nicht aber, dass von einer zeitlichen Grenze für die Zustellung auszugehen ist. Bereits das Reichsgericht erkannte daraufhin, dass der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass der Weg der gesetzlichen Festlegung eines äußersten Zustellungstermins nicht gangbar sei, jedenfalls im Interesse der Parteien nicht eingeschlagen werden solle (RG 8. Dezember 1922 - III 120/22 - RGZ 105, 422, 425). Der Begründung zu § 32 des „Gesetzes betreffend die Gewerbegerichte“ vom 29. Juli 1890, auf dessen entsprechende Regelungen der Entwurf zu § 496 ZPO aF zurückgriff, ist nichts anderes zu entnehmen(vgl. Materialien zum Gesetz betreffend die Gewerbegerichte vom 29. Juli 1890, Begründung des Entwurfs vom 6. Mai 1890 § 21 S. 27, § 26 S. 29 entsprechend § 32 Abs. 4 Gewerbegerichtsgesetz idF vom 29. September 1901).

36

d) Das Gebot des fairen Verfahrens, den Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, verbietet es, etwaige Fristversäumnisse, die auf Verzögerungen durch das Gericht beruhen, dem Bürger anzulasten. In Fristfragen muss für den Rechtssuchenden erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG 29. August 2005 - 1 BvR 2138/03 - NJW 2005, 3346; 28. Juli 1993 - 1 BvR 1464/91 -, - 1 BvR 1623/91 - AP GG Art. 2 Nr. 37). Daher ist entgegen der Auffassung der Revision eine „Abwägung der widerstreitenden Interessen“ zur Bestimmung des Begriffs „demnächst“ abzulehnen. Der klagenden Partei kann nicht die Verantwortung für solche Verzögerungen der Zustellung aufgebürdet werden, auf die sie keinen Einfluss hat und die ausschließlich im Geschäftsablauf des zustellenden Gerichts begründet sind (BGH 6. April 1972 - III ZR 210/69 - NJW 1972, 1948). Der Kläger, der seinerseits bereits alles für eine ordnungsgemäße Klagezustellung getan hat, darf erwarten, dass in dieser prozessualen Situation das Gericht im Weiteren das Zustellungsverfahren in eigener Zuständigkeit ordnungsgemäß betreibt (BGH 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 23, BGHZ 168, 306).

37

3. Mit der Klageeinreichung am 31. Dezember 2007 hatte die Klägerin alles für eine Zustellung Gebotene getan. Zu nicht nur geringfügigen Verzögerungen, welche die Klägerin oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können, ist es nicht gekommen.

38

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt es keine Verzögerung der Zustellung dar, dass die Klägerin die Klage erst am letzten Tag der Verjährungsfrist bei Gericht eingereicht hat. Die Klägerin durfte die Verjährungsfrist bis zur Grenze ausnutzen, ohne dass ihr dies als Verschulden angerechnet wird (BGH 18. Mai 1995 - VII ZR 191/94 - zu II 2 c der Gründe, NJW 1995, 2230; 27. Mai 1993 - I ZR 100/91 - NJW 1993, 2320; 7. April 1983 - III ZR 193/81 - zu II 1 der Gründe, MDR 1984, 124).

39

b) Mit der Einreichung der Klageschrift und der Angabe der Adresse des Beklagten in Chile hatte die Klägerin alles Erforderliche getan, um die Auslandszustellung einzuleiten. Insbesondere hatte die Klägerin keinen Kostenvorschuss zu leisten, da nach § 11 GKG in den Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen Kostenvorschüsse nicht erhoben werden.

40

c) Dass es zunächst bis zum 20. Juli 2008 dauerte, bis die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland den Zustellungsantrag über das chilenische Außenministerium an den chilenischen Obersten Gerichtshof weiterleiten konnte, war den für die Auslandszustellung notwendigen Vorbereitungen geschuldet. Zunächst hatte das Arbeitsgericht zu prüfen, ob es einschlägige Staatsverträge gibt, und die für Auslandszustellungen ergangenen Ausführungsregelungen zu ermitteln und im Anschluss die dort genannten Anforderungen zu erfüllen. Hierfür trug allein das Gericht, nicht aber die Klägerin die Verantwortung; die Verantwortung für die korrekte und effiziente Durchführung des Verfahrens bei Zustellungen im Ausland liegt nach der gesetzlichen Regelung allein bei den Justizbehörden (vgl. BGH 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - zu III 2 b cc der Gründe, NJW 2003, 2830; MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Rohe 3. Aufl. § 183 ZPO Rn. 43).

41

d) Eine im Ausland zu bewirkende Zustellung erfolgt durch das Gericht. Die Zustellung der Klageschrift (§ 271 ZPO) hatte auf Veranlassung der Vorsitzenden (vgl. MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 9 f.) nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der bis zum 12. November 2008 geltenden Fassung unter Beachtung der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) vom 19. Oktober 1956 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 1976, nach dem zuletzt veröffentlichen Stand vom Februar 2005 (abgedruckt in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Teil G I) zu erfolgen. Da im Verhältnis zu Chile weder multilaterale (bspw. das Haager Zustellübereinkommen 1965) noch bilaterale Abkommen bei der Zustellung zur Anwendung kommen (sog. vertragsloser Rechtshilfeverkehr; vgl. Länderteil ZRHO), ergeben sich die Einzelheiten zur Zustellung allein aus der ZRHO.

42

aa) In Chile ist für förmliche Zustellungen weder der konsularische Weg noch der unmittelbare Verkehr zugelassen. Deshalb hatte das Gericht den diplomatischen Weg (§ 6 Abs. 2 ZRHO) als umständlichen und zeitraubenden, aber einzig verbliebenen Weg zu wählen (vgl. MünchKommZPO/Häublein § 183 Rn. 11). Dem Ersuchen waren ein Begleitschreiben (§ 22 ZRHO) und beglaubigte Übersetzungen (§ 25 ZRHO) sämtlicher Anlagen beizufügen. Für eine in Chile zu bewirkende Zustellung war auch eine Legalisation der Unterschrift der Vorsitzenden (§ 18 ZRHO) notwendig. Im Anschluss hatte die Prüfstelle iSv. § 9 ZRHO, dh. die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, das Ersuchen nach einer Prüfung weiterzuleiten (§ 29 ZRHO). Bereits diese notwendigen Schritte zur Übergabe des Zustellungsersuchens an chilenische Behörden nahmen naturgemäß eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch.

43

bb) Mit Verbalnote vom 20. Juli 2008 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Santiago de Chile dann das Zustellungsersuchen über das chilenische Außenministerium an den chilenischen Obersten Gerichtshof weitergeleitet. Selbst innerhalb der EU sind für Auslandszustellungen ein bis drei Monate, in Spanien sechs Monate zu veranschlagen (Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 674). Die Dauer der Zustellung, die allein auf die Zeit zwischen Weiterleitung des Zustellungsgesuchs an die chilenischen Behörden im Juli 2008 bis zur Zustellung an den Beklagten am 31. Juli 2009 entfiel, entspricht der üblicherweise in Chile für eine Auslandszustellung zu veranschlagenden Zeit. Das Auswärtige Amt führt eine Liste zu Fragen des Übermittlungswegs für Auslandszustellungen, der - auf der Grundlage aktueller Berichterstattung der Auslandsvertretungen - teilweise die zu erwartende Dauer entnommen werden kann. Diese weist für Chile eine Bearbeitungszeit von sechs bis zwölf Monaten aus (abrufbar unter: http://www.konsularinfo.diplo.de/contentblob/2462970/Daten/1196279/Laenderliste.pdf Stand: 23. März 2011). Unabhängig davon, dass die Klägerin keinerlei Verzögerung der Zustellung zu verantworten hat, weicht auch die Gesamtdauer der Zustellung nicht von der zu erwartenden Dauer für eine in Chile vorzunehmende Zustellung ab, wenn sie sich auch am oberen Ende des üblicherweise erwartbaren Zeitspektrums bewegt.

44

4. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht schließlich nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht zutreffend keine Abwägung der materiell-rechtlichen Interessen der Parteien zur Bestimmung des Begriffs „demnächst“ vorgenommen. Im Übrigen hat der Beklagte über seine Rechtsansicht hinaus keine Tatsachen vorgetragen, die einen schutzwürdigen Belang ergeben könnten.

45

5. Eine wirksame Zustellung als weitere Voraussetzung der Rückwirkung liegt vor. Die hier vorgenommene Zustellung nach § 181 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aF wird durch das Zeugnis der ersuchten Behörde(§ 181 Abs. 2 ZPO aF) nachgewiesen, welchem die Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO zukommt(BGH 13. November 2001 - VI ZB 9/01 - NJW 2002, 521).

46

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Hauck    

        

    Bloesinger    

                 

Tenor

1. Auf die Revisionen des Klägers und des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revisionen im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. September 2009 - 1 Sa 52/09 - in Ziff. 1 teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 27. Januar 2009 - 5 Ca 1876/08 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.160,19 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.789,19 Euro seit dem 1. Januar 2008 sowie aus 371,00 Euro seit dem 16. Januar 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 83 % und der Beklagte 17 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung für einen Auslandseinsatz.

2

Der Beklagte ist Inhaber eines Betriebs des Baugewerbes mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern. Der 1986 geborene Kläger, ausgebildeter Beton- und Stahlbetonbauer, war bei ihm vom 23. März bis zum 15. Dezember 2007 als Maurer beschäftigt. Dabei war er überwiegend auf Baustellen in Dänemark eingesetzt. Der Kläger erhielt für die Beschäftigungszeit einen Lohn iHv. 8.366,00 Euro brutto.

3

In ihrem schriftlichen, auf den 26. März 2007 datierten und mit der Ortsangabe B versehenen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien ua.:

        

„§ 3 Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

(1)     

Der Arbeitnehmer wird als Maurer eingestellt. Das Arbeitsgebiet des Arbeitnehmers umfasst folgende Aufgaben:

                 

Montagearbeiten, Klinkern.

        

(2)     

Das Arbeitsverhältnis bezieht sich auf eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

        

…       

        
        

§ 7 Vergütung

        

(1)     

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung von 1.500.- € Brutto.

        

(2)     

Die Vergütung wird monatlich spätestens bis zum zwanzigsten Tag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monat abgerechnet und ausgezahlt.

        

…       

        
        

§ 11 Vertragsänderungen

        

(1)     

Dieser Vertrag stellt die gesamte Vereinbarung zwischen den Parteien dar. Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages (einschließlich dieser Klausel) bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.

        

(2)     

Alle zwischen den Vertragsparteien vor dem Abschluss dieses Vertrages getroffenen Vereinbarungen sind durch den Abschluss dieses Vertrages überholt.

        

…“    

        
4

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger mit Schreiben der IG Bauen-Agrar-Umwelt vom 6. März 2008 Zahlung „des Mindestlohns“ gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Dieser lehnte weitere Zahlungen mit Schreiben vom 15. März 2008 ab.

5

Mit seiner am 25. April 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Beklagten am 30. April 2008 zugestellten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Vergütungsvereinbarung über einen Monatslohn von 1.500,00 Euro brutto sei sittenwidrig und damit unwirksam. Unter Berufung auf § 612 Abs. 2 BGB hat der Kläger für an 192 Tagen gearbeitete 1.536 Stunden die übliche Vergütung beansprucht. Diese bemesse sich nach dem in Dänemark üblichen Lohn für Maurer, der umgerechnet bei 3.670,00 Euro brutto monatlich bzw. 21,17 Euro brutto je Stunde liege. Zumindest schulde ihm der Beklagte den Mindestlohn West nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Juli 2005 (TV Mindestlohn).

6

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.151,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, für den Auslandseinsatz des Klägers hätten die Parteien in Dänemark mündlich eine Vergütung von ca. 1.100,00 Euro netto monatlich vereinbart. Die Vergütungsabrede sei nicht sittenwidrig. Dänische Maurer erhielten üblicherweise Leistungslohn. Der Kläger habe weit unter Durchschnitt gearbeitet und nicht die Arbeitsleistung eines „vollwertigen dänischen Maurers“ erbracht.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe des Mindestlohns West stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten dem Kläger nur den Mindestlohn Ost zugesprochen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag, der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Klägers und des Beklagten sind teilweise begründet. Der Kläger kann mangels einer anderweitigen Vergütungsvereinbarung für seinen Auslandseinsatz in Dänemark (nur) den Mindestlohn Ost verlangen, § 612 Abs. 2 BGB. Die (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate März bis Juli 2007 sind aber mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen, § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn. Ein Schadensersatzanspruch in Höhe der verfallenen Ansprüche steht dem Kläger nicht zu. Soweit das Arbeitsgericht dem Kläger für in der Bundesrepublik Deutschland geleistete Arbeit (18. bis 21. Juni 2007) Differenzvergütung auf der Basis des Mindestlohns West zugesprochen hat, ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden. Die Berufung des Beklagten ist diesbezüglich unzulässig.

10

I. Der Kläger hat für seinen Arbeitseinsatz in Dänemark gemäß § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf Vergütung nach dem TV Mindestlohn in Höhe des Mindestlohns Ost.

11

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet, auch soweit es den Arbeitseinsatz des Klägers auf Baustellen in Dänemark betrifft, deutsches Recht Anwendung. Das steht zwischen den Parteien außer Streit und folgt aus den im streitgegenständlichen Zeitraum noch geltenden Art. 27 ff. EGBGB. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) ist am 17. Dezember 2009 in Kraft getreten. Nach dessen Art. 28 gilt sie nur für Verträge, die nach diesem Datum geschlossen wurden. Altverträge unterstehen weiter dem bisherigen Recht (vgl. Deinert RdA 2009, 144; Schneider NZA 2010, 1380).

12

2. Einen gesetzlichen Mindestlohn, der für aus dem Ausland nach Dänemark entsandte Arbeitnehmer gelten würde, gab es im streitgegenständlichen Zeitraum in Dänemark nicht (vgl. dazu Waltermann NJW 2010, 801). Einen solchen, sich aus dänischem Recht ergebenden Mindestlohn macht der Kläger auch nicht geltend.

13

3. Im Ansatz zutreffend geht der Kläger davon aus, dass er für seinen Auslandseinsatz in Dänemark mangels wirksamer Vergütungsvereinbarung die übliche Vergütung beanspruchen kann, § 612 Abs. 2 BGB.

14

a) Dass die Tätigkeit des Klägers auf Baustellen in Dänemark vergütet werden sollte, ist zwischen den Parteien unstreitig. Eine Vergütungsabrede haben sie dafür aber nicht getroffen.

15

Die in § 7 Abs. 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 26. März 2007 vereinbarte Vergütung von 1.500,00 Euro brutto monatlich bezieht sich - wie der gesamte schriftliche Arbeitsvertrag - auf eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag. Eine - vom Beklagten behauptete, vom Kläger bestrittene - mündliche Vergütungsvereinbarung für den Auslandseinsatz haben die Parteien jedenfalls nicht wirksam getroffen. Unbeschadet der Frage, ob der dahingehende Sachvortrag des Beklagten überhaupt hinreichend substantiiert und angesichts seiner Variationen durch die Instanzen schlüssig ist, wäre eine Vereinbarung von „circa 1.100,00 Euro netto“ nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam.

16

b) Die nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldete übliche Vergütung ist diejenige, die am gleichen Ort in ähnlichen Gewerben und Berufen für entsprechende Arbeit bezahlt zu werden pflegt; maßgeblich ist die übliche Vergütung im vergleichbaren Wirtschaftskreis (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 26 mwN, BAGE 118, 66; ErfK/Preis 11. Aufl. § 612 BGB Rn. 37 f. mwN).

17

Vergleichsmaßstab ist hiernach nicht die übliche Vergütung eines in Dänemark bei einem dort ansässigen Bauunternehmen angestellten Maurers. Abzustellen ist vielmehr auf die übliche Vergütung eines von einem inländischen Bauunternehmen vorübergehend nach Dänemark entsandten Maurers, wobei dahingestellt bleiben kann, wie der vergleichbare Wirtschaftskreis genau zu bestimmen wäre. Denn es fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers dafür, inländische Bauunternehmen oder zumindest solche in Mecklenburg-Vorpommern würden nach Dänemark entsandten Arbeitnehmern die dort üblichen Maurerlöhne zahlen.

18

c) Nachdem der Kläger Sachvortrag zu der tatsächlich von inländischen Bauunternehmen an nach Dänemark entsandte Maurer gezahlten Vergütung nicht geleistet hat, richtet sich - gleichsam als Untergrenze - die im Streitfall zu zahlende übliche Vergütung nach dem TV Mindestlohn. Unbeschadet der Erstreckung der §§ 1 - 3 TV Mindestlohn ab dem 1. September 2005 auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Fünfte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 29. August 2005 (BAnz. Nr. 164 vom 31. August 2005 S. 13199), folgt dies schon daraus, dass sich der TV Mindestlohn auf alle Arbeitsverhältnisse erstreckt und damit im Rahmen seines fachlichen Anwendungsbereichs faktisch angewandt wurde (vgl. - zum Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk - BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 30, EzA BBiG 2005 § 4 Nr. 1).

19

Der TV Mindestlohn gilt nach seinem § 1 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe(BRTV-Bau) für Betriebe des Baugewerbes wie dem des Beklagten. Der Kläger unterfiel dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags, denn er war als gewerblicher Arbeitnehmer und - worüber zwischen den Parteien kein Streit besteht - versicherungspflichtig tätig. Auch der räumliche Geltungsbereich des TV Mindestlohn ist eröffnet. Dieser erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wobei der systematische Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 zeigt, dass insoweit der Sitz des Betriebs und nicht der jeweilige Tätigkeitsort des Arbeitnehmers entscheidend ist. Die Grenze wird - allenfalls - dadurch gezogen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterfällt (vgl. dazu auch BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 113, 149; 20. Juni 2007 - 10 AZR 302/06 - Rn. 12, AP TVG § 1 Tarifverträge: Holz Nr. 26 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 135).

20

Für die Annahme, inländische oder zumindest mecklenburg-vorpommerische Bauunternehmen würden nach Dänemark entsandten Maurern überwiegend eine geringere Vergütung als die nach dem TV Mindestlohn zahlen, gibt der Sachvortrag des Beklagten keinen Anhaltspunkt. Sein Einwand, in Dänemark werde typischerweise „auf Leistung“ gearbeitet und entsprechend vergütet, bezieht sich ersichtlich auf den Sachvortrag des Klägers zum üblichen Entgelt dänischer Maurer und meint Arbeitnehmer dänischer Arbeitgeber.

21

d) Ob bei dem Auslandseinsatz eines Bauarbeiters über § 612 Abs. 2 BGB der Mindestlohn West oder der Mindestlohn Ost geschuldet ist, bestimmt sich nach dem Einstellungsort. Gemäß § 3 Satz 2 TV Mindestlohn behalten auswärts beschäftigte Arbeitnehmer den Anspruch auf den Mindestlohn ihres Einstellungsortes. Dieser liegt im Streitfall im Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Einen - höheren - Mindestlohn für eine im Ausland gelegene Baustelle sehen weder § 3 noch § 2 TV Mindestlohn vor.

22

4. Die nach dem TV Mindestlohn berechnete Vergütung ist allerdings nur insoweit üblich iSv. § 612 Abs. 2 BGB, als sie nicht nach § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn verfallen ist. Die Ausschlussfrist ist als Teil des üblichen Entgelts anzusehen (BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 33, EzA BBiG 2005 § 4 Nr. 1, insoweit zust. Sagan BB 2011, 572, 574).

23

a) § 2 TV Mindestlohn lautet auszugsweise:

        

„…    

        
        

(4)     

Der Anspruch auf den Mindestlohn wird spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.

        

…       

        
        

(5)     

Abweichend von § 15 BRTV verfallen Ansprüche auf den Mindestlohn von Arbeitnehmern in den Lohngruppen 1 und 2 sechs Monate nach ihrer Fälligkeit.

        

…“    

        
24

Nach dem in Bezug genommenen BRTV-Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden (§ 15 Nr. 1 BRTV-Bau). Lehnt diese - wie hier - den Anspruch ab, verfällt er, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird (§ 15 Nr. 2 BRTV-Bau).

25

Das Gefüge dieser Normen zeigt, dass die Tarifvertragsparteien einen inneren Zusammenhang zwischen dem Mindestlohn und der Ausschlussfrist herstellen wollten. In Abweichung von allgemeinen, an sich branchenüblichen Regelungen haben sie gerade für den Mindestlohn eine Sonderregelung getroffen. Das ist bei der Feststellung der üblichen Vergütung zu berücksichtigen.

26

b) Danach sind (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate März bis Juli 2007 verfallen. Der - jüngste - (Differenz-)Vergütungsanspruch für Juli 2007 war nach § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn spätestens am 15. August 2007 fällig. Diesen - und die zeitlich davor liegenden - hat der Kläger aber erstmals mit Schreiben vom 6. März 2008 und damit außerhalb der Frist des § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn geltend gemacht.

27

5. Die verfallenen (Differenz-)Vergütungsansprüche stehen dem Kläger nicht als Schadensersatz zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte schuldhaft seine Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG verletzt hat. Denn der Kläger hat keinen schlüssigen Vortrag zur Kausalität einer Pflichtverletzung des Beklagten (unterbliebener Nachweis) für seinen - zeitlich gestaffelt - eingetretenen Schaden (Verfall der restlichen Lohnansprüche) gehalten. Er hat nicht vorgetragen, er habe als im Bereich des Baugewerbes Ausgebildeter weder die Ausschlussfrist des § 15 BRTV-Bau noch die des § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn gekannt und damit nicht gewusst, dass eine Ausschlussfrist auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, und er hätte bei rechtzeitigem Nachweis die Ausschlussfrist beachtet. Über die fehlende Darlegung des Klägers zur Kausalität zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem eingetretenen Schaden hilft auch die vom Senat bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aufgestellte Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens nicht hinweg(BAG 5. November 2003 - 5 AZR 676/02 - zu III 3 c der Gründe, AP NachwG § 2 Nr. 7 = EzA NachwG § 2 Nr. 6).

28

II. Nach diesen Grundsätzen gilt Folgendes:

29

1. Für die in den Monaten August bis Dezember 2007 auf Baustellen in Dänemark geleisteten 784 Stunden hat der Kläger Anspruch auf Vergütung in Höhe des Mindestlohns Ost (9,80 Euro brutto/Stunde). Abzüglich des vom Beklagten für diesen Zeitraum gezahlten Lohns (3.676,00 Euro brutto) ergibt sich ein restlicher Betrag von 4.007,20 Euro brutto.

30

Die (Differenz-)Vergütungsansprüche für die Monate August bis Dezember 2007 sind nicht verfallen. Der Kläger hat sie mit Schreiben seiner Gewerkschaft vom 6. März 2008 rechtzeitig geltend gemacht, § 2 Abs. 5 iVm. Abs. 4 Satz 1 TV Mindestlohn. Wollte man annehmen, § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn modifiziere nur die erste Stufe der zweistufigen Ausschlussfrist des § 15 BRTV-Bau, hätte der Kläger auch deren zweite Stufe gewahrt. Auf das Ablehnungsschreiben des Beklagten vom 15. März 2008 hat er mit seinem beim Arbeitsgericht am 25. April 2008 eingegangenen und dem Beklagten am 30. April 2008 zugestellten Schriftsatz vom 22. April 2008 innerhalb der Frist des § 15 Nr. 2 BRTV-Bau Klage erhoben.

31

2. Der Kläger kann für vier Arbeitstage im Juni 2007 für im Inland geleistete Arbeit die vom Arbeitsgericht zuerkannte Differenzvergütung auf der Basis des Mindestlohns West (152,99 Euro brutto) beanspruchen. In dieser Höhe ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden, weil die Berufung des Beklagten insoweit unzulässig ist. Das hat der Senat von Amts wegen zu prüfen (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Hinsichtlich der Differenzvergütung für Arbeit im Inland genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO(zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 526/07 - Rn. 15, AP ZPO § 520 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 7; 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. 7 f., NZA 2011, 62). Aus den Berufungsangriffen lässt sich nicht erkennen, mit welchen rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten der Beklagte die Entscheidung des Arbeitsgerichts bezüglich der Arbeitstage vom 18. bis zum 21. Juni 2007, für die die Berufungsbegründung selbst als Arbeitsort „Deutschland“ angibt, bekämpfen will.

32

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hinsichtlich des (Differenz-)Vergütungsanspruchs für den Monat Dezember 2007 kann der Kläger Verzugszinsen allerdings erst ab dem 16. Januar 2008 beanspruchen. Die Fälligkeit der Dezembervergütung nach § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn (15. Januar 2008) wird von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Dezember 2007 nicht berührt (vgl. BAG 8. November 1978 - 5 AZR 358/77 - zu 5 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 100 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 60; ErfK/Preis 11. Aufl. § 614 BGB Rn. 6).

33

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 18.09.2012 – 1 Ca 1848/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer „Abfindung“ nach italienischem Recht (trattamento di fine rapporto; künftig: TFR).

2

Die Beklagte unterhält in der Hansestadt D-Stadt eine Niederlassung, die den Kläger eingestellt und auf Kreuzfahrtschiffen eingesetzt hat. Am 03./05.03.1999 schloss der Kläger mit der A. Service AG S. einen Arbeitsvertrag mit dem Inhalt einer Beschäftigung als Chefkoch gegen eine Bruttomonatsvergütung von 5.000,00 Schweizer Franken sowie einer Beitragszahlung zur ersten Säule der staatlichen schweizerischen Sozialversicherung (Blatt 375 bis Blatt 377 Band II der Akte). Zudem wurde die ausschließliche Geltung schweizerischen Rechts vereinbart. Am 07./18.03.2002 schlossen der Kläger und die A. GmbH einen ab dem 05.04.2002 gültigen Änderungsvertrag ab (Blatt 378 bis 380 Band II der Akte). Danach betrug das monatliche Bruttogehalt 3.450,00 Euro und es waren Beiträge zur britischen Sozialversicherung zu entrichten. Auch in diesem Änderungsvertrag vereinbarten die Parteien die ausschließliche Anwendbarkeit schweizerischen Rechts. Zum 06.10.2003 übertrug die A. GmbH dem Kläger gemäß Änderungsvertrag vom 28./31.10.2003 die Aufgaben eines Hotelmanagers gegen eine monatliche Bruttovergütung von 3.876,00 Euro (Blatt 382 bis 384 Band II der Akte). Am 25.10.2004 schlossen die Parteien anlässlich der Umflaggung der Kreuzfahrtschiffe mit Wirkung zum gleichen Tag einen Anstellungsvertrag (Blatt 263 bis 267 Band II der Akte), in dem es u. a. heißt:

3

„…

4

01. Der Arbeitnehmer wird

5

mit Wirkung vom 25.10.2004

6

als Hotel Manager

7

beim Arbeitgeber für den Dienst an Bord der von A. .... betriebenen Kreuzfahrtschiffen fest angestellt.

8

9

02. Die monatliche Heuer beträgt gemäß freier Vereinbarung mit Wirkung ab

01.01.2005

10

EUR 5.563,00 brutto.

11

Mit der Heuer sind anfallende Überstunden, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten abgegolten. Dies gilt ebenso für die in dem zwischen dem Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften gezeichneten Vertrag enthaltenen monetären Zuwendungen wie die Seefahrtszulage, Trennungsgeld, Weihnachts- und Osterbonus.

12

13

03. Der Arbeitgeber entrichtet für den Arbeitnehmer von der Bruttoheuer die Beiträge zur italienischen Sozialversicherung. Ebenfalls führt er für den Arbeitnehmer in Italien Lohnsteuer ent sprechend der geltenden gesetzlichen Bedingungen ab.

14

15

19. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen. Vertragsänderungen oder Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Anlagen, sofern vorhanden, sind Bestandteil dieses Vertrages.

16

20. Weiterführende Vereinbarungen und Bestimmungen, die im Arbeitsvertrag nicht berücksichtigt sind, regelt der mit den Gewerkschaften FILT-CGIL, FIT-CISL und ULTRASPORTI abgeschlossene Manteltarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieser ist Bestandteil dieses Vertrages.

17

21. Für die Rechtsbezeichnungen zwischen den Parteien ist ausschließlich italienisches Recht maßgeblich. Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Anstellungsvertrag ist der Sitz des Arbeitgebers.

18

19

Anlagen:

20

• Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag
• Manteltarifvertrag für EU Mitglieder Guest der A. – Clubschiffe

21

ADDENDUM

22

zum Anstellungsvertrag vom 25.10.2004

23

24

Mit Zeichnung des Anstellungsvertrages und dieses Addendums ist das Anstellungsverhältnis mit der A. GmbH mit Wirkung zum 24.10.2004 beendet.

25

Ergänzend zu Punkt 19 des Anstellungsvertrages wird folgendes zusätzlich vereinbart:

26

1. Der Arbeitgeber erkennt Zeiten der Betriebszugehörigkeit zu ASH GmbH bzw. etwaiger Rechtsvorgängerinnen an, insbesondere die Kündigungsfristen.

27

28

3. Mit Vertragsbeginn bis einschließlich 31.12.2004 erfolgt die Gehaltsberechnung analog der bisherigen Berechnungsbasis bei Gewährleistung des bisherigen durchschnittlichen Nettoeinkommens.

29

4. Das in Pkt. 02. des Anstellungsvertrages vereinbarte Bruttoeinkommen berücksichtigt die Steuerbezüge basierend auf den aktuell gültigen italienischen Steuersätzen.

30

Werden Änderungen wirksam, wird das Bruttoeinkommen entsprechend angepasst.

31

…“

32

Die Beklagte zahlte daraufhin an den Kläger ausweislich der Lohnabrechnungen monatlich einen Gehaltsbestandteil „SEVERANCE (TFR)“.

33

Anlässlich der Reform des ergänzenden Sozialversicherungssystems in Italien erhielt der Kläger von der Beklagten ein Informationsblatt – Severance Pay (TFR 2), das den folgenden Inhalt hat.

34

„…

35

Mit Zeichnung eines italienischen Arbeitsvertrages unterliegt auch Ihre Gehaltsabrechnung den italienischen Bestimmungen. Das monatliche Gehalt setzt sich aus den drei Bestandteilen Grundgehalt (Consolidate Wage), Seefahrerzulage (Navigation Indemnity), Trennungsgeld (Severance Pay) zusammen.

36

Seit dem 01.01.2007 ist in Italien das Gesetz zur Reform des ergänzenden Sozialversicherungssystems in Kraft getreten. Im Zuge dessen hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, über die Art der Zuweisung des monatlich auflaufenden Severance Pay vor Vertragsbeginn zu entscheiden.

37

Möglichkeit 1: Sie haben die Möglichkeit, das Trennungsgeld an eine von der italienischen Gesetzgebung vorgesehene ergänzende Altersvorsorge zu zahlen. Dies kann beispielsweise eine Zusatzzahlung an die gesetzliche Rentenversicherung oder ein individuelle Kapitalanlage (z. B. durch eine Lebensversicherung realisierte Altersvorsorge) in Italien sein. Hier sind der Name und die Daten der gewählten Versicherung zu vermerken.

Entscheiden Sie sich für diese Variante, ist die Zuweisung zu einer italienischen ergänzenden Altersvorsorge verbindlich. Die Entscheidung kann nicht widerrufen werden.
Lediglich die Art der Altersvorsorge kann gewechselt werden.

Möglichkeit 2: Die Auszahlung des Trennungsgeldes erfolgt monatlich mit der Heuerabrechnung. Entscheiden Sie sich für diese Variante, können Sie die Entscheidung jederzeit revidieren und zu Möglichkeit 1 wechseln.

38

Anmerkung: Wenn die Zahlung monatlich im Rahmen der Heuerabrechnung auf Ihr Konto überwiesen werden soll, ist in Abschnitt 1 Punkt 2 anzukreuzen, „… dass Ihr Trennungsgeld nicht einer ergänzenden Pensionskasse zugewiesen wird, …“.

39

Wir empfehlen Möglichkeit 2, die monatliche Auszahlung des Trennungsgeldes mit der Heuer.

40

…“

41

Der Kläger entschied sich gegen eine Einzahlung des Trennungsgeldes in eine Pensionskasse. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2008 stellte die Beklagte den Kläger mit Arbeitsvertrag vom 21.10.2008 mit Wirkung zum 01.11.2008 erneut als Hotelmanager gegen ein Bruttomonatsentgelt von 5.905,00 Euro unter Verwendung der oben zitierten Formulierungen aus dem Arbeitsvertrag vom 25.10.2004 ein. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 06.02.2009.

42

Im Rahmen der beiden zuletzt genannten Arbeitsverhältnisse im vereinbarten Anwendungsbereich italienischen Rechts leistete die Beklagte an den Kläger Zahlungen, die als „SEVERANCE (TFR)“ bezeichnet sind, wobei bei der Berechnung der TFR die monatliche Seefahrtszulage jeweils unberücksichtigt blieb.

43

Mit seiner am 3. Juni 2010 bei dem Arbeitsgericht Rostock eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer „Abfindung“ nach Artikel 2120 codice civile (künftig c. c.).

44

Mit Urteil vom 18.09.2012 hat das Arbeitsgericht Rostock die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, eine monatliche Auszahlung der „Abfindung“ nach Artikel 2120 c. c. stelle eine günstigere Bedingung im Sinne des Absatzes 11 der benannten Norm dar. Auch nach Sinn und Zweck der benannten gesetzlichen Vorgabe sei es nicht ausgeschlossen, eine monatliche Auszahlung vorzunehmen. Für die Zeit vom 16.04.1999 bis zum 24.10.2004 bleibe der geltend gemachte Anspruch bereits deshalb ohne Erfolg, weil zwischen den Parteien die Anwendung schweizerischen Rechts vereinbart gewesen sei. Soweit die Beklagte im Arbeitsvertrag vom 25.10.2004 Zeiten der Betriebszugehörigkeit anerkannt habe, ändere dieser Umstand am Ergebnis nichts. Denn nach Auslegung dieser vertraglichen Vereinbarung werde deutlich, dass damit ein Bestandschutz, jedoch keine Begründung weitergehender Ansprüche bezweckt gewesen sei.

45

Gegen diese am 15.10.2012 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 09.11.2012 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung des Klägers nebst der am 29.11.2012 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenen Berufungsbegründung.

46

Der Kläger hält im Wesentlichen auch im Berufungsverfahren an seiner erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest. Das Arbeitsgericht habe die Beschäftigungszeit des Klägers vom 16.04.1999 bis zum 24.10.2004 rechtsfehlerhaft nicht in die Berechnung des TFR einbezogen. Dies beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des Addendums zum Arbeitsvertrag vom 25.10.2004. Das Arbeitsgericht sei ohne tragende Begründung zu dem Ergebnis gelangt, die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit habe nicht bezweckt, dem Arbeitnehmer bisher nicht bestehende Vorteile einzuräumen.

47

Im Übrigen sei die zwischen den Parteien gelebte Praxis der Auszahlung der „Abfindung“ nach Artikel 2120 c. c. monatlich im laufenden Arbeitsverhältnis rechtswidrig. Dieser Umstand folge zwar nicht explizit aus dem Gesetzeswortlaut. Jedoch folge aus dem Sinnzusammenhang der gesamten Vorschrift, dass eine vorzeitige Auszahlung Grenzen haben müsse. Aus der Tatsache, dass der italienische Gesetzgeber detailliert Regelungen zur vorzeitigen Auszahlung in das Gesetz aufgenommen habe, sei zwingend zu folgern, dass die vorzeitige Auszahlung zu begrenzen sei. Ansonsten sei nämlich die Regelung der zahlreichen Ausnahmefälle sinnlos und in sich nicht nachvollziehbar. Vorliegend komme es nicht darauf an, die konkrete Grenze vorhergehender Auszahlungsmöglichkeiten festzulegen. Denn jedenfalls sei diese Grenze – wie hier – dann überschritten, wenn das TFR in die monatlichen Auszahlungen integriert werde, da ein noch weiteres Vorziehen der Auszahlung gar nicht denkbar sei. Dieses Ergebnis werde zusätzlich auch durch die zum 01.01.2007 vorgenommene TFR-Reform unterstrichen. Dort seien noch mehr Anreize gesetzt worden, dass TFR für eine Altersversorgung zu verwenden. Damit werde die Intention des Gesetzgebers deutlich, dass ein grenzenloses Vorziehen nicht gewollt sei, auch wenn der Gesetzgeber eine zwingende Bindung des TFR an die Altersversorgung nicht vorgenommen habe. Die Argumentation in der angefochtenen Entscheidung, die Einschränkungen bei der vorzeitigen Auszahlung des TFR seien allein im Interesse des Arbeitgebers erfolgt, um einen vorzeitigen Abfluss finanzieller Mittel zu verhindern, überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Arbeitgeber ohnehin verpflichtet sei, für das TFR Rückstellungen zu bilden. Die Entscheidung des italienischen Kassationshofes vom 11.11.2002 werde vom Arbeitsgericht falsch interpretiert. In dem dortigen Prozess sei es zwar um die Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung gegangen. Gleichwohl habe der Kassationshof in der benannten Entscheidung eine konkrete – und zwar negative – Aussage über die Vorziehung der Auszahlung des TFR in die laufende monatliche Vergütung getroffen. Das Arbeitsgericht habe sich mit seiner Behauptung, der Leitsatz in der anerkannten italienischen Arbeitsrechtszeitschrift RIDL sei nicht nachvollziehbar, nicht nur über die anerkannte italienische Fachliteratur hinweg gesetzt, sondern auch über die italienische höchstrichterliche Rechtsprechung. Die betreffende Aussage sei nämlich wie dargestellt auch in dem vom Kassationshof selbst verfassten Leitsatz enthalten.

48

Der Kläger beantragt,

49

die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Rostock (Aktenzeichen 1 Ca 1848/11) zu verurteilen, an den Kläger 33.801,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von drei Prozent sei dem 01.01.2010 zu zahlen.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Berufung zurückzuweisen.

52

Der Kläger wiederhole in seiner Berufungsbegründung ausnahmslos die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsmeinungen und Behauptungen. Die Berufungsbegründung enthalte – unstreitig – weder neuen Sachvortrag noch neue rechtliche Erwägungen. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck enthalte Artikel 2120 c. c. keinerlei Einschränkungen zur Möglichkeit der vorzeitigen monatlichen Auszahlung des TFR im laufenden Arbeitsverhältnis. Der Absatz 11 des Artikel 2120 c. c. enthalte eine Öffnungsklausel für günstigere Bedingungen in Kollektivverträgen oder Individualverträgen, und zwar ohne jedwede Einschränkungen. Daran ändere auch die von dem Kläger zitierte Entscheidung des italienischen Kassationshofes nichts. Dies werde insbesondere dann deutlich, wenn man sich den offiziellen Leitsatz der Entscheidung vor Augen führe, den der Kläger selbst auf Seite 8 oben seines Schriftsatzes vom 12.04.2012 zitiere. Aus dem Leitsatz werde sehr deutlich, dass es in der Entscheidung ausschließlich darum gehe, für welche Zahlungen Sozialversicherungsbeiträge zu leisten seien und dass die Sozialversicherungspflicht auch für als „Abfindung“ gekennzeichnete Zahlungen gelte. Das Kassationsgericht habe sich gerade nicht zu der Frage verhalten, dass und ob eine einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarung über eine monatliche Auszahlung des TFR wirksam oder unwirksam sein solle. Darauf werde auch in der erstinstanzlichen Entscheidung ebenso zutreffend hingewiesen, wie auf den Umstand, dass die Beschäftigungszeiten des Klägers von April 1999 bis Oktober 2004 ohnehin nicht TFR-fähig seien.

53

Erstinstanzlich ist das in dem Parallelverfahren – 3 Ca 639/09 – (Schmale) eingeholte Rechtsgutachten (Blatt 208 bis 225 Band I der Akte) beigezogen worden.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

55

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage rechtsfehlerfrei und mit tragender Begründung abgewiesen.

I.

56

Der Vollständigkeit halber sei zunächst angemerkt, dass das Arbeitsgericht in der streitigen Entscheidung zutreffend gemäß § 21 ZPO in Verbindung mit Artikel 5 Nr. 5 EuGVVO von der örtlichen Zuständigkeit ausgegangen ist. Auch bestehen in Ermangelung eines entgegenstehenden Vortrages der Parteien keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die zwischen den Parteien mit den Arbeitsverträgen vom 25.10.2004 und vom 21.10.2008 vereinbarte Anwendung italienischen Rechts.

II.

57

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer – weiteren – „Abfindung“ (TFR) nach Artikel 2120 c. c. Der Zeitraum des Bestandes des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seinem vorherigen Arbeitgeber von April 1999 bis Oktober 2004 im vereinbarten Anwendungsbereich schweizerischen Rechts ist für den geltend gemachten Anspruch aus Artikel 2120 c. c. nicht berücksichtigungsfähig (1.). Das zwischen den Parteien seit Oktober 2004 im vereinbarten Anwendungsbereich des italienischen Rechts bestehende Arbeitsverhältnis begründet zwar einen Anspruch des Klägers auf „Abfindung“ (TFR) nach Artikel 2120 c. c. Jedoch ist der Anspruch durch Erfüllung der Beklagten erloschen. Die – vorzeitige – Auszahlung im laufenden Arbeitsverhältnis im Rahmen der monatlichen Gehaltszahlungen ist rechtlich nicht zu beanstanden (2.).

1.

58

Die Beschäftigungszeiten des Klägers bei seinem vorherigen Arbeitgeber in der Zeit von April 1999 bis Oktober 2004 begründen keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer „Abfindung“ nach Artikel 2120 c. c. Zwar haben die Parteien im Addendum zum Anstellungsvertrag vom 25.10.2004 vereinbart, dass die Beklagte Zeiten der Betriebszugehörigkeit "zu ASH GmbH" bzw. etwaiger Rechtsvorgängerinnen anerkennt (insbesondere die Kündigungsfristen). Bei objektiver Betrachtungsweise lässt sich aus der vorstehenden Formulierung nicht entnehmen, dass die Parteien damit neue – weitergehende – als die dem Kläger bisher zustehenden Ansprüche begründen wollten. Vielmehr ist die benannte Vereinbarung im Sinne einer Besitzstandssicherung zu verstehen. Dafür spricht insbesondere auch Ziffer 02. des Arbeitsvertrages vom 25.10.2004 wonach mit der Auszahlung der monatlichen Heuer die monetären Zuwendungen wie die Seefahrtszulage, Trennungsgeld, Weihnachts- und Osterbonus als abgegolten anzusehen sind. Die Parteien waren sich mithin darüber einig, dass das TFR mit der monatlichen Heuer ausgezahlt wird. Die Parteien waren sich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses damit im Klaren über die Verpflichtung der Beklagten aus Artikel 2120 c. c. Wenn die Parteien diesbezüglich auch die Beschäftigungszeiten bei dem vorhergehenden Arbeitgeber des Klägers hätten berücksichtigen wollen, dann hätte dies angesichts der vereinbarten monatlichen Auszahlung des TFR in einer entsprechenden Formulierung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Für eine derartige Annahme sind Anhaltspunkte weder im Arbeitsvertrag vom 25.10.2004 noch in dem Addendum zum Anstellungsvertrag vom 25.10.2004 ersichtlich. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem streitbefangenen Urteil zu Ziffer 2. der Entscheidungsgründe verwiesen werden, zumal von den Parteien in der Berufungsinstanz ein weitergehender und entscheidungserheblicher Tatsachenvortrag nicht erfolgt ist (§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

2.

59

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren „Abfindung“ (TFR) aus Artikel 2120 c. c., der in der deutschen Übersetzung von Salvatore Patti, Codice Civile, 2007, wie folgt lautet:

60

„Art. 2120 Regelung der Abfindung zum Vertragsende.

61

(1) In jedem Fall der Beendigung eines Verhältnisses abhängiger Arbeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung zum Vertragsende. Diese Abfindung berechnet sich, indem man für jedes Dienstjahr einen gleichen und jedenfalls nicht höheren Anteil als den Betrag der für dasselbe Jahr geschuldeten Vergütung durch 13,5 teilt. Der Anteil ist für die Bruchteile eines Jahres anteilig zu mindern, wobei man Bruchteile eines Monats zu 15 Tagen oder mehr als vollen Monat rechnet.

62

(2) Unbeschadet abweichender Vorschriften der Kollektivverträge beinhaltet die Jahresvergütung im Sinne des vorstehenden Absatzes alle Summen, einschließlich des Gegenwertes der Naturalleistungen, die in Abhängigkeit zum Arbeitsverhältnis nicht nur als Gelegenheitsgeschenke gewährt werden, jedoch unter Ausschluss dessen, was als Aufwendungsersatz geleistet wird.

63

(3) Im Falle des Ruhens der Arbeitsleistung im Laufe des Jahres wegen eines der in Art. 2110 genannten Gründe oder auch im Falle des vollständigen und teilweisen Ruhens, für welches Lohnergänzungsleistungen vorgesehen sind, ist in die Vergütung gemäß dem ersten Absatz der Wert der Vergütung einzurechnen, auf die der Arbeitnehmer Anspruch gehabt hätte, wenn das Arbeitsverhältnis normal verlaufen wäre.

64

(4) Die Abfindung gemäß dem vorstehenden ersten Absatz ist auf Grundlage des Gesamtbetrages mit Ausnahme des das laufende Jahr betreffenden Anteils zum 31. Dezember eines jeden Jahres anzupassen und zwar unter Anwendung eines Satzes mit einem Maß von fest 1,5 vom Hundert und von 75 vom Hundert der Steigerung der Verbraucherpreise des Verbrauchs der Familie der gewerblichen Arbeiter und der Angestellten, das vom Statistischen Amt (ISTAT) mit Bezug auf den Monat Dezember des vorhergehenden Jahres festgestellt wird.

65

(5) Zur Anwendung des Aufwertungssatzes des vorstehenden Absatzes für Bruchteile des Jahres ist die Aufwertung des ISTAT-Index diejenige, die sich für den Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Bezug auf den Dezember des vorhergehenden Jahres ergibt. Die Bruchteile von Monaten zu 15 oder mehr Tagen werden als voller Monat gerechnet.

66

(6) Ein Arbeitnehmer mit wenigstens acht Dienstjahren bei demselben Arbeitgeber kann bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eine Vorauszahlung in Höhe von 70 % der Abfindung begehren, auf die er im Falle der Beendigung im Zeitpunkt des Begehrens Anspruch hätte.

67

(7) Die Begehren sind jährlich auf 10 von Hundert der Inhaber des im vorigen Absatz genannten Anspruchs, in jedem Fall aber auf 4 vom Hundert der Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten begrenzt.

68

(8) Das Begehren ist zu begründen mit der Notwendigkeit von

69

a) möglichen Kosten von Heilbehandlungen für von den zuständigen öffentlichen Trägern anerkannte außergewöhnliche Therapien und Eingriffe,

70

b) den Erwerb des ersten Wohnhauses für sich oder für die Kinder, urkundlich belegt durch die notarielle Verbriefung.

71

(9) Die Vorauszahlung kann im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses nur einmal verlangt werden und wird mit allen Auswirkungen von der Abfindung zur Beendigung des Verhältnisses abgezogen.

72

(10) Im Falle des Art. 2122 wird die Vorauszahlung von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Entschädigung in Abzug gebracht.

73

(11) Günstigere Bedingungen können in Kollektivverträgen oder Individualverträgen festgelegt werden. Die Kollektivvereinbarungen können darüber hinaus Vorrangkriterien für die Gewährung der Begehren auf Vorauszahlung festlegen.

74

In der deutschen Übersetzung von Bauer/Eccher/König/Kreuzer/Zanon, Italienisches Zivilgesetzbuch, Stand: 31. Mai 2010, ist die Norm wie folgt wiedergegeben:

75

2120. (Regelung der Abfertigung)

76

In jedem Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfertigung. Diese Abfertigung wird ermittelt, indem für jedes Dienstjahr ein Anteil berechnet wird, der gleich hoch sein muss und keinesfalls höher sein darf als die für das betreffende Jahr geschuldete und durch 13,5 geteilte Entlohnung. Für Bruchteile eines Jahres wird der Anteil verhältnismäßig herabgesetzt, wobei Bruchteile eines Monats mit 15 oder mehr Tagen als voller Monat berechnet werden.

77

Vorbehaltlich einer anderslautenden Bestimmung der Kollektivverträge umfasst die Jahresentlohnung zu dem im vorhergehenden Absatz vorgesehenen Zweck alle Beträge unter Einschluss des Gegenwertes der Naturalleistungen, die auf Grund des Arbeitsverhältnisses und nicht bloß aus gelegentlichem Anlass entrichtet worden sind, wobei all das ausgeschlossen bleibt, was als Ersatz für Aufwendungen geleistet worden ist.

78

Im Fall der Aussetzung der Arbeitsleistung im Lauf des Jahres aus einem der in Artikel 2110 vorgesehenen Gründe sowie im Fall der gänzlichen oder teilweisen Aussetzung, für die eine Lohnergänzung vorgesehen ist, muss in die vom ersten Absatz vorgesehene Entlohnung der Gegenwert jener Entlohnung einbezogen werden, auf die der Arbeiter bei gewöhnlichem Verlauf des Arbeitsverhältnisses Anspruch gehabt hätte.

79

Die im vorhergehenden ersten Absatz vorgesehene Abfertigung wird unter Ausschluss des im laufenden Jahr angereiften Anteils zum 31. Dezember eines jeden Jahres auf der Grundlage des zuletzt ermittelten aufgewerteten Gesamtbetrages aufgewertet, wobei ein Aufwertungssatz zur Anwendung kommt, der aus einem festen Anteil von 1,5 Prozent und einem Anteil von 75 Prozent der vom Institut für Statistik in Bezug auf den Monat Dezember des vorhergehenden Jahres ermittelten Erhöhung der Indexzahl der Verbraucherpreise für Familien von Arbeitern und Angestellten besteht.

80

Zur Anwendung des vom vorhergehenden Absatz vorgesehenen Aufwertungssatzes auf Bruchteile eines Jahres gilt als Erhöhung der vom Institut für Statistik ermittelten Indexzahl jene, die sich im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Bezug auf den Monat Dezember des Vorjahres ergibt. Die Bruchteile eines Monats mit fünfzehn oder mehr Tagen werden als voller Monat berechnet.

81

Der Arbeitnehmer mit wenigstens acht Dienstjahren bei ein und demselben Arbeitgeber kann bei aufrechtem Arbeitsverhältnis einen Vorschuss von nicht mehr als 70 Prozent der Abfertigung verlangen, auf die er bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Tag des Antrages Anspruch hätte. Die Anträge sind jährlich für höchstens 10 Prozent der laut dem vorhergehenden Absatz Anspruchsberechtigten und jedenfalls für höchstens 4 Prozent der insgesamt beschäftigten Dienstnehmer zu erfüllen.

82

Der Antrag muss durch die Notwendigkeit begründet sein:

83

a) allfällige Aufwendungen für Heilbehandlungen und außergewöhnliche Eingriffe, die von den zuständigen öffentlichen Einrichtungen anerkannt sind, zu bestreiten;

84

b) eine erste Wohnung für die Arbeitnehmer selbst oder für dessen Kinder zu erwerben, wenn der Erwerb durch einen Notariatsakt belegt ist.

85

Der Vorschuss steht im Lauf des Arbeitsverhältnisses nur einmal zu und wird mit allen Wirkungen von der Abfertigung abgezogen. In dem von Artikel 2122 vorgesehenen Fall wird der Vorschuss von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Entschädigung abgezogen.

86

In Kollektivverträgen oder Einzelabmachungen können bessere Bedingungen vorgesehen werden. Die Kollektivverträge können auch Richtlinien für die bevorzugte Annahme der Anträge auf Bevorschussung festsetzen.

87

In dem jeweils arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrag für EU Mitarbeiter Guest Service der A. Clubschiffe heißt es – soweit hier von Bedeutung – in deutscher Übersetzung wie folgt:

88

„Art. 2
Arbeitsvertrag

89

Außer dem Arbeitsvertrag und den individuellen Vereinbarungen finden die hier explizit aufgeführten Bestimmungen des italienischen „Manteltarifvertrages“ vom 25. Juli 1978 für die Anmusterung von Besatzung auf Kreuzfahrtschiffen Anwendung. Nicht ausdrücklich aufgeführte Bestimmungen hingegen sind nicht anwendbar.

90

Die Parteien unterstreichen die bindende Wirkung dieses Dokumentes als untrennbaren Bestandteil des Arbeitsvertrages.

91

Art. 9
Vergütung

92

Unbefristete Vergütung

93

Die jährliche Vergütung je nach Qualifikation zahlbar in 12 Monatsraten ist pauschal bemessen und umfasst die Grundvergütung, die Zuschläge für Mehrarbeit sowie für Feiertags- und Wochenendarbeit gemäß Art. 6 dieses Vertrages, anteilsmäßige Weihnachts- und Ostergratifikationen sowie das je nach Einsatzzeit zustehende Trennungsgeld (TFR).

94

Befristete Vergütung

95

Die Vergütung je nach Qualifikation ist am Ende jedes Monats an Bord fällig.

96

Die Vergütung ist pauschal bemessen und umfasst die Grundvergütung je nach Qualifikation, Zuschläge für Mehrarbeit sowie für Feiertags- und Wochenendarbeit gemäß Art. 6 dieses Vertrages, anteilsmäßige Weihnachts- und Ostergratifikationen sowie das je nach Einsatzzeit zustehende Trennungsgeld /TFR).

97

Der zustehende Urlaub wird bei Abmusterung auf einmal gewährt.

98

Seefahrtszulage

99

Dem Besatzungsmitglied steht die Zahlung einer Seefahrtszulage zu. Aufgrund der besonderen Bedingungen während der Seefahrt sowie der Verpflichtung an Bord zu bleiben und der damit zusammenhängenden Unannehmlichkeiten wird für jeden tatsächlich auf See zugebrachten Tag eine Seefahrtszulage gezahlt.

100

Mit der Bruttovergütung sind die Ansprüche an eine Seefahrtszulage abgegolten.

101

Art. 11
Trennungsgeld

102

Die Vergütungsposten, die im Sinne des Gesetzes Nr. 298 vom 29. Mai 1982 und insbesondere im Sinne des Art. 4 Abs. 2 desselben als Bemessungsgrundlage für das Trennungsgeld dienen, sind in der Pauschalvergütung bereits enthalten:

103

1. Grundvergütung;
2. anteilmäßige Weihnachtsgratifikation;
3. anteilmäßige Ostergratifikation;
4. vereinbarter Betrag für die Verpflegung;
5. ggf. Alterszuschläge.

104

Gemessen an den benannten Voraussetzungen ist der – zwischen den Parteien unstreitige – Anspruch des Klägers auf Zahlung einer „Abfindung“ (TFR) nach Artikel 2120 c. c. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 auf Grund der monatlichen Zahlungen im laufenden Arbeitsverhältnis durch die Beklagte erloschen. Dabei begegnet die monatliche Auszahlung der „Abfindung“ (TFR) im laufenden Arbeitsverhältnis im Falle einer entsprechenden individualvertraglichen Regelung bzw. kollektivvertraglichen Regelung im Sinne von Artikel 2120 c. c. Absatz 11 Satz 1 als „günstigere Bedingung“ entgegen der Auffassung des Klägers keinen rechtlichen Bedenken.

105

Eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung ist hier mit Artikel 9 in Verbindung mit Artikel 11 MTV- der in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2014 mit Originalunterschriften versehen durch die Beklagte zur Einsichtnahme für Gericht und Klägervertreter vorgelegt worden ist – vorhanden. Danach ist eine Auszahlung des TFR mit Zahlung der monatlichen Vergütung vorgesehen.

106

Dass es sich in diesem Fall um eine „günstigere Bedingung“ im Sinne des Artikel 2120 c. c. Absatz 11 Satz 1 handelt, ergibt sich bereits daraus, dass der betroffene Arbeitnehmer mit der monatlichen Auszahlung jeweils sofort über das Geld verfügen und mit dem Geld disponieren kann und nicht erst den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abwarten muss. Dem steht nicht entgegen, dass die gezahlte Seefahrtszulage bei der Berechnung des TFR unberücksichtigt geblieben ist. Denn gemäß Artikel 2120 cc Abs. 2 kann in einem Kollektivvertrag eine abweichende Bemessungsgrundlage festgelegt werden. Dies ist vorliegend in Artikel 11 MTV geschehen, wo die Seefahrtszulage als Bemessungsgrundlage nicht aufgeführt ist.

107

Auch vermag sich die Kammer nicht der Argumentation des Klägers anzuschließen, auf Grund der Ausnahmetatbestände in Artikel 2120 c. c. Absatz 6 bis Absatz 9 folge aus dem Gesamtzusammenhang des Artikel 2120 c. c. der Rückschluss auf den Willen des italienischen Gesetzgebers, eine grenzenlose vorhergehende Auszahlung im laufenden Arbeitsverhältnis als „günstigere Bedingung“ im Sinne des Artikel 2120 c. c. Absatz 11 Satz 1 nicht zulassen zu wollen. Nach dem Aufbau und dem inneren Zusammenhang von Artikel 2120 c. c. geht das erkennende Gericht davon aus, dass sich die Ausnahmeregelungen nach den Absätzen 6, 7, 8 und 9 eben gerade darauf beziehen, dass weder individualvertraglich noch auf der Grundlage eines Kollektivvertrages eine von Artikel 2120 c. c. abweichende Vereinbarung getroffen worden ist. Für diesen Fall sieht Artikel 2120 c. c. grundsätzlich die Auszahlung der „Abfindung“ (TFR) mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor und lässt in diesem Zusammenhang mit den Absätzen 6, 7, 8 und 9 Ausnahmen einer vorhergehenden Auszahlung zu. Am Ende der benannten Norm wird dann mit dem Absatz 11 festgelegt, dass günstigere Bedingungen in Kollektivverträgen und/oder Individualverträgen zulässig sein sollen. Artikel 2120 c. c. Absatz 11 steht damit in keinem inneren Zusammenhang zu den Absätzen 6 bis 9. Auch die sonstigen Regelungszusammenhänge lassen keine Rückschlüsse auf den Willen des italienischen Gesetzgebers zu, die Vereinbarung günstigerer Bedingungen für die jeweils betroffenen Arbeitnehmer nach Artikel 2120 c. c. Absatz 11 Satz 1 einschränken zu wollen.

108

Zur weiteren Begründung kann auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zu Ziffer 1. der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden. Auch diesbezüglich ist ein weitergehender und entscheidungserheblicher neuer Tatsachenvortrag durch die Parteien in der Berufungsinstanz nicht erfolgt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 ArbGG).

109

Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Ausführungen des Arbeitsgerichts zu der Entscheidung des Kassationshofes vom 11.11.2002 (Urteil Nr. 15813). Dieser Begründung schließt sich das erkennende Gericht an. Lediglich der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass Angaben in einem Leitsatz für sich genommen keine rechtsverbindlichen Schlussfolgerungen zulassen. Die rechtliche Begründung hat sich aus den Entscheidungsgründen zu ergeben.

3.

110

Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

111

Die Revisionszulassung folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

112

Die Frage der Möglichkeit zur Auszahlung einer „Abfindung“ (TFR) nach Artikel 2120 c. c. mit den monatlichen Gehaltszahlungen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach den Erkenntnissen der Kammer bisher höchstrichterlich in Italien nicht entschieden und damit von grundsätzlicher Bedeutung.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.