Landesarbeitsgericht München Urteil, 30. Okt. 2014 - 4 Sa 159/14

bei uns veröffentlicht am30.10.2014

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29. März 2011 - 21 Ca 1312/10 - wird auch im Übrigen zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über Ansprüche des Klägers gegenüber seiner beklagten Arbeitgeberin auf Zahlung einer Entschädigung und Schmerzensgeld sowie Schadensersatz wegen Mobbings durch seinen Vorgesetzten und Zeugen Sch. ihm gegenüber.

Der - ausweislich der vorgelegten Unterlagen: am ... geborene, verheiratete und für zwei Kinder unterhaltspflichtige - Kläger ist auf der Grundlage des Anstellungsvertrages (zweisprachiger „Employment Contract“) vom 13.07.2000 seit 16.10.2000 bei der Beklagten - seit 01.07.2008 als „System Support Programmer/Analyst“ - mit einer Vergütung von zuletzt 5.625,- € brutto/Monat beschäftigt.

Mit seiner Klage gemäß Klageschriftsatz vom 04.10.2010 hat der Kläger u. a. Ansprüche auf Entschädigung in Geld sowie Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteten Mobbings seitens seines Vorgesetzten Sch., der im vorliegenden Verfahren zuletzt als Zeugen vernommen wurde, geltend gemacht - dieser habe ihn am 28.05.2008 aufgefordert, er, der Kläger, solle nicht „krank feiern“; am 03.07.2008 habe ihm dieser erklärt, er passe möglicherweise nicht ins Team, einen Tag später: der Kläger werde niemals eine Beförderung erhalten, solange der Zeuge Sch. sein Vorgesetzter sei u. a. -. Der Kläger hat sich zum Beweis dieser Vorwürfe im erstinstanzlichen Verfahren und ebenso im vorausgegangenen Berufungsverfahren allein auf seine eigene Parteieinvernahme berufen.

Das Arbeitsgericht München hatte mit Endurteil vom 29.03.2011 die Klage - auch - insoweit mit der Begründung abgewiesen, dass unter Zugrundelegung der entsprechenden Behauptungen des Klägers dem kein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren im Sinne des Mobbingtatbestandes zu entnehmen sei, es sich bei den von ihm geschilderten einzelnen Vorfällen vielmehr um im Arbeitsleben normale Konflikte handle, im Übrigen erhebliche Zweifel an den von ihm durch das Verhalten der Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestünden. Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 04.11.2011 die - auch - hiergegen gerichtete Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser zwar hinreichend konkret Vorfälle an einzelnen - in Bezug genommenen - Tagen dargelegt habe, die, wenn sie sich wie geschildert zugetragen hätten, einen systematischen Zusammenhang in Richtung einer zielgerichteten Verletzung der Würde des Arbeitnehmers und damit eine Erfüllung des Mobbingtatbestandes begründen könnten. Der Kläger habe jedoch zum Beweis dieser bestrittenen Behauptungen lediglich seine eigene Parteivernehmung angeboten, ohne dass die Beklagte ihr nach § 447 ZPO erforderliches Einverständnis hierzu erteilt hätte. Eine Vernehmung des Klägers als Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO sei nicht in Betracht gekommen, weil es an einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtung seiner streitigen Behauptungen als Voraussetzung für eine solche Parteivernehmung fehle, ein sog. Anfangs- oder An(-scheins-)beweis für die behaupteten Tatsachen bestehe nicht. Anderes könne auch nicht allein aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit abgeleitet werden, da dieser nicht gebiete, die beweisbelastete Partei notwendig förmlich als Partei zu vernehmen, vielmehr auch eine Anhörung im Rahmen des § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausreichend sei. Hinsichtlich weitergehender Vorwürfe des Klägers fehle es bereits tatbestandlich an über normale Arbeitskonflikte hinausgehenden Sachverhalten im Sinne eines systematischen Zusammenhangs, wie er solchen Mobbingvorwürfen zugrunde liegen müsse. Das Landesarbeitsgericht München hat die Revision gegen dieses Urteil vom 04.11.2011 nicht zugelassen.

Auf die Beschwerde des Klägers hiergegen hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Revision (allein) hinsichtlich der erfolglos geltend gemachten Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Entschädigung, Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Mobbings zugelassen und sodann auf die Revision mit Urteil vom 14.11.2013 (8 AZR 813/12, u. a. in NJW 2014, S. 1326 f) das Urteil des Landesarbeitsgericht München vom 04.11.2011 in diesem Umfang aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung

und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht München zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger die Beweislast für das Vorliegen von Mobbinghandlungen trage, aus denen er seinen Entschädigungs-, Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch herleite. Die vom Kläger hierzu allein angebotene Parteivernehmung stelle nach allgemeiner Meinung ein - insbesondere gegenüber dem Zeugenbeweis nach §§ 273 f ZPO - subsidiäres Beweismittel dar, zumal der Kläger hier zum Beweis der Richtigkeit seiner Behauptungen seinen Vorgesetzten Sch. als Zeugen benennen hätte können. Nachdem der Kläger dies jedoch unterlassen habe, habe das Landesarbeitsgericht München trotzdem darüber entscheiden müssen, ob es den Kläger für die Richtigkeit seiner streitigen Behauptungen nach § 448 ZPO von Amts wegen als Partei vernehmen solle, wofür - wie das Landesarbeitsgericht München argumentiert habe - Voraussetzung sei, dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. Deshalb hätte das Landesarbeitsgericht München in nachprüfbarer Weise darlegen müssen, weshalb es von der Parteivernehmung des Klägers nach § 448 ZPO abgesehen und das Vorliegen einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache in diesem Sinne offensichtlich verneint habe. Da Letzteres unterlassen worden sei, leide dieses Berufungsurteil an einem Verfahrensfehler, weshalb die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung hierüber zurückzuverweisen sei.

Nach Zurückverweisung des Verfahrens hat der Kläger weitergehend ausführen lassen, dass die im vorigen Urteil des Landesarbeitsgericht München aufgeführten Verletzungshandlungen, auf die er sich bezogen gehabt habe, lediglich als exemplarische Aufzählung zu betrachten seien - es sei eine Vielzahl schikanöser Verhaltensweisen ihm gegenüber an den Tag gelegt worden, wie er nunmehr weitergehend aufgelistet hat. Hierbei handle es sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich um am Arbeitsplatz übliche Konflikte, wobei auch das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB und das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB zu beachten seien. Allein die Tatsache, dass der Kläger als einziger einen wöchentlichen Report abgeben habe müssen und insgesamt zweimal dazu veranlasst worden sei, das sog. PIP-Programm zu durchlaufen, das im Betrieb bei sog. „Low-Performern“ angewandt werde, bringe zutage, dass andere Handlungsmotive als die Schikane des Klägers auszuschließen seien. Aufgrund einer tathäufigkeits- und tatintensitätsbezogenen Plausibilitätskontrolle sei das Vorliegen einer mobbingrelevanten Verhaltensgesamtheit auch danach zu beurteilen, ob hierbei eine mobbingintentionale Struktur hervortrete, wobei selbst rechtlich erlaubte Maßnahmen oder sozial adäquate Verhaltensweisen Schikanehandlungen darstellen könnten, zumal dem Kläger zu keinem Zeitpunkt konkret mitgeteilt worden sei, warum man etwa mit seiner Arbeitsleistung nicht zufrieden sei.

Der Kläger beantragt hierzu unverändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld, jeweils in durch das Gericht festzusetzender Höhe, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche aufgrund der Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte und ihre Verrichtungs-/Erfüllungsgehilfen im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Mai 2010 dem Kläger erwachsenen oder noch erwachsenden materiellen wie immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen.

Die Beklagte hat nach Zurückweisung des Verfahrens durch das Bundesarbeitsgericht zur Begründung Ihres aufrechterhaltenen Antrages auf Zurückweisung der Berufung ergänzend ausgeführt, dass unverändert bestritten bleibe, dass der Kläger „schikanösem und diskriminierendem Verhalten seines Vorgesetzten Sch. ausgesetzt gewesen“ sei. Selbst bei Wahrunterstellung der diesbezüglichen Behauptungen des Klägers könnten diese keinen Mobbingvorwurf begründen, eine Parteieinvernahme des Klägers sei deshalb nicht erforderlich.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug insbesondere nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.11.2013 im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 08.05.2014 und vom 05.06.2014 sowie - hinsichtlich ihrer Stellungnahmen der Parteien zu der vom Berufungsgericht zuletzt durchgeführten Beweisaufnahme - auf ihre Schriftsätze vom 16.10.2014 (Kläger und Beklagte) und insbesondere auch auf die ausführlichen, umfangreich protokollierten, Einlassungen des Klägers im Rahmen seiner Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 15.05.2014 gemäß der entsprechenden Feststellungen in der dortigen Sitzungsniederschrift (Bl. 525 f d. A.) Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht München hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 03.07.2014 nunmehr Beweis erhoben durch jeweils uneidliche Einvernahme des Klägers als Partei und des von der Beklagten benannten Zeugen Sch.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.09.2014 (Bl. 584 bis 596 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hinsichtlich der noch rechtshängigen Anträge des Klägers hat in der Sache unverändert keinen Erfolg.

I.

Dass die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.03.2011 auch hinsichtlich der allein noch berufungs-/streitgegenständlichen Klageanträge (Zahlung von Entschädigung, Schmerzensgeld und Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruches wegen Mobbings gemäß Ziffern VI. und VII. der Klageanträge im Klageschriftsatz vom 04.10.2010) statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig war (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO), hat das Landesarbeitsgericht München bereits in seiner ersten Berufungsentscheidung vom 04.11.2011 (3 Sa 541711) ausgeführt bzw. unterstellt.

II.

Die Berufung des Klägers hinsichtlich seiner erstinstanzlich (ebenfalls) abgewiesenen Anträge auf Zahlung von Entschädigung, von Schmerzensgeld und Feststellung seiner Schadensersatzansprüche, die allein noch rechtshängig sind, nachdem das Bundesarbeitsgericht in diesem Umfang das Urteil des Landesarbeitsgericht München vom 04.11.2011 aufgehoben und - nur - insoweit das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht München zurückverwiesen hatte, ist -unverändert - unbegründet. Der Kläger hat seine Mobbingvorwürfe als Verletzung von der Beklagten zurechenbaren arbeitsvertraglichen Pflichten im Sinne des § 823 Abs. 1 oder § 823 Abs. 2 bzw. im Sinne des § 826 BGB zur Überzeugung der Berufungskammer unverändert jedenfalls nicht ausreichend unter Beweis gestellt.

1. a) Mobbing“, worauf der Kläger seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche insgesamt stützt, bedeutet, wie bereits das Arbeitsgericht näher ausgeführt hat, das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte (vgl. BAG, U. v. 28.10.2010, 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011, S. 378 f = Rzn. 17 f -; BAG, U. v. 22.07.2010, 8 AZR 1012/08, NZA 2011, S. 93 f/111 - Rzn. 90 f -; BAG, U. v. 16.05.2007, 8 AZR 709/06, Rzn. 56 f -; BAG, U. v. 25.10.2007, 8 AZR 593/06, ; sh. bereits BAG, B. v. 15.01.1997, 7 ABR 14/96, B. 1. a) d. Gr. -; BAG, U. v. 13.12.2001, 8 AZR 131/01, DB 2002, S. 1508 f - II. 2. e) d. Gr. -).

Erforderlich sind nach einer - im Anschluss an die Entscheidungen der Fünften Kammer des Landesarbeitsgerichts Thüringen vom 15.02.2001 und vom 10.04.2001 (; vgl. auch LAG Thüringen, 5 Sa 63/04, DB 2005, S. 1974 f (LS)) - verbreiteten Definition näher aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen, nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall ein von der Rechtsordnung missbilligtes Ziel verfolgen und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre, den Körper oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (vgl. etwa aus jüngerer Zeit auch LAG München, U. v. 01.02.2012, 10 Sa 685/11; U. v. 10.12.2009, 2 Sa 710/09; U. v. 23.09.2009, 9 Sa 296/09; U. v. 12.08.2009, 10 Sa 306/09; U. v. 24.04.2008, 4 Sa 1200/07, juris - II. 1. b) aa) d. Gr. -; s. a. LAG Niedersachsen, U. v. 09.03.2009, 9 Sa 378/08, BeckRS 2010, 66442 = ArbG aktuell 2010, S. 128; SächsLAG, U. v. 15.02.2005, 2 Sa 751/03, AuA 2005, S. 687; LAG Thüringen, 1 Sa 148/01, ZTR 2004, S. 596 f = LAGReport 2004, S. 347 f; LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 03.05.2006, 9 Sa 43/06 (juris); LAG Mecklenburg-Vorpommern, U. v. 30.03.2006, 1 Sa 461/05 (juris); LAG SchleswigHolstein, U. v. 28.03.2006, 5 Sa 595/05, NZA-RR 2006, S. 402 f; LAG Hamm, U. v. 23.03.2006, 8 Sa 949/05 (juris); LAG Düsseldorf, U. v. 22.07.2004, 5 TaBV 38/04 (juris); LAG Schleswig-Holstein, U. v. 01.04.2004, 3 Sa 542/03, NZA-RR 2005, S. 15 f; OLG Stuttgart, U. v. 28.07.2003, 4 U 51/03, VersR 2004, S. 786 f; LAG Nürnberg, U. v. 02.07.2002, 6 (3) Sa 154/01, NZA-RR 2003, S. 121 f; LAG Nürnberg, U. v. 25.04.2006, 6 Sa 864/05 (offensichtlich nv); so auch die ständige Rspr. der Berufungskammer, zuletzt etwa U. v. 26.06.2014, 4 Sa 20/14; Abeln/Gaudernack, Mobbing in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, LAGReport 2005, S. 225 f, m. w. N.; Benecke, RdA 2008, S. 357 f; Benecke, NZA-RR 2003, S. 225 f; Sasse, BB 2008, S. 1450 f).

Hiermit vergleichbar ist dies in § 3 Abs. 3 AGG für Benachteiligungen aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe als „Belästigung“ geregelt, was grundsätzlich und unabhängig hiervon auch für die unter den Begriff „Mobbing“ zusammengefassten Verhaltensweisen gelten kann (vgl. BAG, U. v. 28.10.2010, a. a. O., - Rz. 17 aE, m. w. N. -; BAG, U. v. 25.10.2007, a. a. O. - Rzn. 57 f -).

b) „Mobbing“ ist jedoch als solches kein Rechtsbegriff und erst recht keine selbstständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen. Macht ein Arbeitnehmer aufgrund behaupteten Vorliegens von „Mobbing“ konkrete Ansprüche geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den von der Klagepartei genannten Einzelfällen konkret arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder auch eine sittenwidrige Schädigung i. S.d § 826 BGB begangen hat.

Hierbei ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Vorgesetzten, seiner Arbeitskollegen oder seines Arbeitgebers jeweils für sich - isoliert - betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch - wie die Klägerin der Berufung auch geltend

macht - jedenfalls die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen eine Vertrags- oder Rechtsgutverletzung begründet, weil erst deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt oder ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB wahrzunehmen, darunter Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers, was dessen Herabwürdigung und Missachtung verbietet. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen und er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt und keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt oder ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist hierbei auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet, worunter der sog. Ehrenschutz, der Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere gehört (vgl. hierzu nur BAG, U. v. 28.10.2010, a. a. O. - Rzn. 17 f, m. w. N. -; s. a. LAG München, U. v. 01.02.2012, a. a. O. - S. 16 f -).

c) Der Arbeitgeber haftet dem betroffenen Arbeitnehmer gem. § 278 BGB und/oder § 831 BGB für schuldhaft begangene Persönlichkeitsrechts- oder Gesundheitsverletzungen durch vom Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfen oder als Verrichtungsgehilfen eingesetzte andere Arbeitnehmer und Vorgesetzte, weshalb er für die schuldhafte Verletzung der auf seine Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfengehilfen übertragenen arbeitsvertraglichen Schutzpflichten, etwa die Pflicht zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit, grundsätzlich einzustehen hat.

Notwendig ist hierbei jedoch immer, dass die schuldhafte Handlung in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Schuldner dem Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen hat, also diese gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht konkretisieren bzw. ihm gegenüber Weisungsbefugnisse haben (vgl. BAG, U. v. 16.05.2007, a. a. O. - Rzn. 80 f - und U. v. 25.10.2007, a. a. O. - Rzn. 79 f -, jew. m. w. N.).

d) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen entsprechender Rechtsgutverletzungen qua Mobbing einschließlich des auch für einen Schmerzensgeldanspruch erforderlichen Verschuldens trägt, was nicht näher begründet zu werden braucht, der klagende Arbeitnehmer, der die beanstandeten Verhaltensweisen damit so konkret darzulegen und zu beweisen hat, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese ein rechtswidriges, weil systematisch diskriminierendes Verhalten in diesem Sinn darstellen und die behaupteten (hier gesundheitlichen) Folgen ausgelöst haben (BAG in seiner Zurückverweisungsentscheidung vom 14.11.2013, 8 AZR 813/12, a. a. O. - Rz. 11 -; vgl. auch LAG Nürnberg, U. v. 25.04.2006, a. a. O.; LAG Schleswig-Holstein, U. v. 28.03.2006, a. a. O.; LAG Bremen, U. v. 15.07.2004, NZA-RR 2005, S. 13 f; LAG Bremen, U. v. 17.10.2002, a. a. O.). Beweiserleichterungen oder gar eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Pflichtverletzung, ebenso eines Verschuldens, des Kausalzusammenhangs und/oder der Zurechenbarkeit von entsprechenden Pflichtverletzungen etwa von Vorgesetzten zum beklagten Arbeitgeber bei Vorliegen mobbing-typischer medizinischer Befunde o. ä. bestehen nicht (vgl. BAG, U. v. 16.05.2007, a. a. O. - Rzn. 88 f - m. w. N.; kritisch hierzu Brams, VersR 2010, S. 880 f).

2. Der rechtlichen Würdigung des Vorliegens eines Mobbingtatbestandes in diesem Sinn sind allein die sieben vom Kläger behaupteten Tatbestände (vom 28.05.2008, vom 03.07.2008, vom 04.07.2008, vom 24.09.2008, vom 08.05.2009, vom 07.12.2009 und vom 02.03.2010) zugrunde zu legen wären, auf die sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Zurückverweisungsentscheidung vom 14.11.2013 (dort unter Rz. 9) unter Bezugnahme auf die Ausführungen im, damit aufgehobenen, Urteil der Dritten Kammer des Landesarbeitsgerichts München vom 04.11.2011 (dort unter Ziff. 6. lit. a/S. 17 der Entscheidungsgründe) ausdrücklich bezogen hat, oder auch weitergehende Vorwürfe hierzu, die der Kläger im Schriftsatz vom 05.06.2014 nach Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht München ergänzend bzw. wiederholend aufgelistet hat: 03.07.2008, Zu zahlreichen dieser zusätzlichen, bereits erstinstanzlich ansatzweise erhobenen, Vorwürfen hat das Landesarbeitsgericht München bereits im Urteil der Dritten Kammer vom 04.11.2011 überzeugend ausgeführt (dort Ziff. 6. lit. d/S. 18 f der Entscheidungsgründe) - worauf zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen vollständig Bezug genommen wird -, dass solche weitergehenden Vorwürfe zum einen bereits mangels Substantiierung teilweise nicht geeignet sind, irgendeinen Bezug zu einem mobbingartigen Verhalten herzustellen, im Übrigen, wie das Arbeitsgericht bereits in seinem Ersturteil zu Recht festgestellt habe, weitgehend „normale“ Arbeitskonflikte beträfen, bei denen es jedenfalls an einem, ggf. schadensersatzbegründenden, systematischen Schikanieren o. ä. hinsichtlich einer Begründung von Mobbingvorwürfen fehle. Auch bei der Auflistung des Klägers im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten nunmehr vom 05.06.2014 fehlt es - zumal im Hinblick auf die Ausführungen der Dritten Kammer des Landesarbeitsgericht München bereits in seinem Urteil vom 04.11.2011 hierzu (a. a. O.) und des Inhalts der Zurückverweisungsentscheidung des BAG sodann vom 14.11.2013 - an einem substantiierten Vorbringen, das allererst beweiserheblich sein könnte, jedenfalls weitestgehend an irgendeiner Relevanz hinsichtlich einer Begründung systematisch schikanierenden Verhaltens der Beklagten - des Vorgesetzten Sch. des Klägers - diesem gegenüber im Sinne des Mobbingtatbestandes, über übliche Arbeitskonflikte und nicht ungewohnliche „Reibereien“ und Auseinandersetzungen im Rahmen der betrieblichen Zusammenarbeit hinaus - jedenfalls an einem Beweisangebot des Klägers auch hierzu, etwa hinsichtlich einer Parteieinvernahme seiner eigenen Person auch insoweit.

Der rechtlichen Würdigung sind deshalb allein die vom Bundesarbeitsgericht in seiner Zurückverweisungsentscheidung vom 14.11.2013 ausdrücklich in Bezug genommenen sieben Vorwürfe zugrunde zulegen, wie sie das Landesarbeitsgericht München im Urteil der Dritten Kammer vom 04.11.2011 als, allein, potentiell mobbingrelevant angesehen hat.

3. Zwar mag, mit der Auffassung der Dritten Kammer des Landesarbeitsgericht München im ersten Berufungsurteil vom 04.11.2011 sowie der sich hieran anschließenden Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 14.11.2013, angenommen werden, dass die dort in diesem Zusammenhang vom Kläger angezogenen Vorfälle vom 28.05.2008, am 03.07.2008, am 04.07.2008, am 24.09.2008, am 08.05.2009, am 07.12.2009 und am 02.03.2010 im Einzelfall jeweils für sich betrachtet (?), jedenfalls in ihrer Gesamtschau - wie dies letztlich auch der Kläger selbst akzentuiert -, geeignet sein könnten, ein systematisches Schikaneverhalten im Sinne einer zielgerichteten Verletzung seiner Würde und Erschaffung eines Umfeldes der Einschüchterung etc. gemäß der Anforderungen an einen Mobbingvorwurf (s. o.) zu begründen. Der Kläger ist hierfür nach Auffassung der Berufungskammer jedoch, unverändert, jedenfalls beweisfällig geblieben.

a) Die nunmehr zuständige Berufungskammer hat im Anschluss an den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 14.11.2013, mit der die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht München zurückverwiesen wurde (a. a. O., Rz. 25), den Kläger in der folgenden mündlichen Verhandlung vom 15.05.2014 zu den einzelnen Tatbeständen ausführlich nach § 141 ZPO angehört und, ausgehend von seinen dortigen umfangreichen - umfangreich protokollierten - Einlassungen zu den einzelnen von ihm zuvor schriftsätzlich behaupteten (sieben) Vorfällen (Sitzungsniederschrift vom 15.05.2014, S. 2-4, Bl. 525 f d. A.), schließlich das Vorliegen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit dieser seiner Vorwürfe und damit der Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme des Klägers von Amts wegen nach § 448 ZPO bejaht (vgl. hierzu jetzt auch Waldenfels, ArbRAktuell 2014, S. 459 f).

In seiner förmlichen Parteieinvernahme in der weiteren mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 (Sitzungsniederschrift, Bl. 584 f d. A.) aufgrund Beweisbeschlusses vom 03.07.2014 hat der Kläger seine - ihm in den meisten Fällen zunächst im Wortlaut verlesenen - Parteieinlassungen in der vorigen mündlichen Verhandlung zu seinen einzelnen Vorwürfen durchgängig vollständig bestätigt und zum Teil ergänzend bekundet, dass - er jedes Jahr öfters Urlaubsreisen nach P., das Heimatland seiner Ehefrau, mache und dort gelegentlich erkrankt sei; nach Rückkehr aus einem solchen Urlaub habe ihn sein Vorgesetzter, der Zeuge Sch., am 28.05.2008 in seinem Büro angeschrien: dass er nicht krank aus dem Urlaub zurückkommen und den Urlaub nicht so ausnutzen und quasi nicht „krankfeiern“ solle; dies stelle sich aus Sicht des Klägers in einen Zusammenhang mit der Kläger gewünschten und vom Zeugen Sch. abgelehnten Beförderung;

am 03.07.2008 habe sein Vorgesetzter Sch. wiederum in einem Vier-Augen-Zielvereinbarungsgesprächs zu ihm im Zusammenhang u. a. mit Krankheitszeiten gesagt - nachdem der Kläger seinerseits zu Herrn Sch. gesagt gehabt habe, dass dessen Vorwürfe ihm gegenüber moralisch nicht korrekt seien ... -, dass der Kläger hohe moralische Werte habe und deswegen nicht ins Team passe, wahrscheinlich deshalb, weil er aus A. (B.) komme;

am Folgetag, 04.07.2008, habe der Zeuge Sch. zum Kläger im Rahmen einer von diesem beantragten Anpassung des Arbeitsvertrages zu einem „Senior-SystemSupport-Programmer“ - also einer gewünschten Beförderung - gesagt, dass der Kläger keine solche oder andere Beförderung erhalten werde, ohne dies ihm gegenüber näher zu begründen;

am 24.09.2008 habe der Zeuge Sch. als sein Vorgesetzter zu ihm im Zusammenhang mit einem Gespräch über eine vorausgegangene oder beginnende Erkrankung gesagt, der Kläger solle sich nicht krank melden, sondern von zu Hause aus arbeiten - was er so verstanden habe, dass Herr Sch. ihn damit „kleinhalten“ habe wollen;

am 08.05.2009 sei ihm im Zusammenhang mit einem erneuten Antrag auf Elternzeit nach der Geburt seines zweiten Kindes - nachdem ihm bereits im Jahr 2008 nach der Geburt des ersten Kindes die dort ebenfalls beantragte Elternzeit verweigert und daraufhin Arbeit im Homeoffice vereinbart worden seien - dies von Herrn Sch. mit der Bemerkung verweigert worden, dass dies für den Kläger dann „horrible“ werde; am 29.04.2009 sei dem Kläger dann von der Personalabteilung der Beklagten Elternzeit für, glaublich, zweimal drei Monate genehmigt worden; damit übereinstimmend habe er am 07.12.2009 nach der Geburt des ersten Kindes im Jahr 2008 Elternzeit beantragt und sodann von Herrn Sch. wiederum das Angebot bekommen, halbtags zu Hause im Homeoffice zu arbeiten - in der Folge sei er von Herrn Sch. gequält und von diesem auch gesagt worden, dass dies ein Gefallen von ihm dem Kläger gegenüber sei; am 02.03.2010 schließlich habe wiederum der Zeuge Sch. in seinem Büro zum Kläger gesagt: „If you do not do what I want, i will make your working life horrible using all my authorities“ (Wenn Sie nicht tun, was ich will, werde ich alles in meiner Macht stehende unternehmen, um Ihr Leben in der Firma zur Hölle zu machen); dies sei am Tag vor Beginn der zweiten Phase seiner Elternzeit im Rahmen eines Gesprächs mit der Ankündigung des Herrn Sch., dass der Kläger nach der zweiten Phase der Elternzeit das PIP-Programm übernehmen solle, geschehen.

Diese Aussage des Klägers im Rahmen seiner förmlichen Parteieinvernahme nach § 448 ZPO war für die Berufungskammer grundsätzlich (nicht un-)glaubhaft. Der Kläger hat seine umfangreich protokollierten jeweiligen Einlassungen im Rahmen seiner vorausgegangenen Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2014, die ihm regelmäßig im Wortlaut verlesen wurden, jeweils vollständig bestätigt. Seine Parteiaussage, wie seine Parteieinlassungen zuvor, waren differenziert und nach ihrer jeweiligen Schilderung der entsprechenden Äußerungen seines Vorgesetzten und gegenbeweislich benannten Zeugen Sch. ihm gegenüber durchaus nachvollziehbar geschildert und grundsätzlich (nicht un-)glaubhaft bekundet - nicht von einem, erkennbaren, besonderen „Belastungseifer“ hinsichtlich des Verhaltens des Zeugen Sch. ihm gegenüber oder einer greifbaren Tendenz zur Dramatisierung solcher wiedergegebener Äußerungen geprägt. Auch der Eindruck der Berufungskammer von der Person des Klägers und vom Ablauf seiner Parteiaussage, sowie seinen Einlassungen in seiner Parteianhörung zuvor, geben zu keinen entscheidenden Zweifeln hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit Anlass.

b) Der von der Beklagten zu diesen (sieben) Vorfällen/Vorwürfen jeweils gegenbeweislich benannte Zeuge Sch., auf dessen Äußerungen und Verhalten ihm gegenüber der Kläger bei seinen mobbingrelevanten Vorwürfen zulasten der Beklagten jeweils allein abhebt, hat demgegenüber ausgesagt,

- dass der Kläger relativ oft krank gewesen sei und sich hierbei Unregelmäßigkeiten - Krankheitszeiten zum Teil vor, zum Teil während und teilweise auch nach dem Urlaub, teilweise auch an bestimmten Wochentagen - gezeigt hätten, weshalb der Zeuge bei einer erneuten solchen Erkrankung des Klägers während dessen Polenurlaubs nachfragen und sich nach dem Grund dieser Erkrankung erkundigen hätte wollen, zumal es kaum Informationen seitens des Klägers über die Ursachen seiner Krankheiten und im Übrigen auch Beschwerden anderer Mitarbeiter über die Krankheitszeiten des Klägers gegeben habe; den Begriff des „Krankfeierns“ habe man dabei zwischen den Zeilen heraus lesen können; weiter habe es eine Reihe von Meetings mit dem Kläger gegeben, wobei der Zeuge diesen sicher nicht angeschrieen habe;

was den weiter behaupteten Vorfall am 03.07.2008 betreffe, sei die hier zugrunde liegende Aussage vom Kläger selbst gekommen, der, öfters, gesagt habe, selbst hohe moralische Ansprüche und Prinzipien zu haben - andererseits „wir speziell“ und die Beklagte generell korrupt seien;

die weitere Äußerung, vom Kläger auf den 04.07.2008 datiert, - dass dieser keine Beförderung erhalten werde - sei sinngemäß so gefallen, wobei es jedoch eine generelle Unzufriedenheit mit den Leistungen des Klägers und deswegen auch mehrere Meetings gegeben habe, wo dem Kläger gesagt worden sei, was bei ihm zu beanstanden und warum die Beklagte mit seinen Leistungen nicht zufrieden sei;

was die Behauptungen des Klägers hinsichtlich Äußerungen des Zeugen am 24.09.2008 betreffe, so halte die Beklagte kranke Mitarbeiter grundsätzlich nicht dazu an, dass sie auch während der Krankheit zu Hause arbeiteten;

die vom Kläger behauptete Äußerung am 15.05.2014 habe es seitens des Zeugen Sch. nicht gegeben; der Kläger habe sich nach der Geburt seines ersten Kindes auf familiäre Probleme berufen, weshalb mit ihm teilweise Arbeit vom Home-office aus vormittags vereinbart worden sei;

auch die vom Kläger behauptete Äußerung vom 07.12.2009 habe es so nicht gegeben - dies sei normalerweise nicht die Ausdrucksweise des Zeugen; es habe jedoch ein Gespräch mit dem Kläger über Arbeitsanweisungen gegeben, wo der Zeuge ihm gesagt habe, dass es in Zukunft Konsequenzen hätte, wenn dieser Arbeitsanweisungen nicht beachte, und auch, dass der Zeuge dem Kläger sonst sein Arbeitsleben schwierig machen werde;

- an eine vom Kläger behauptete Äußerung am 02.03.2010 könne sich der Zeuge nicht erinnern, eine solche auch nicht ausschließen, wobei es hier wiederum Gespräche mit dem Kläger wegen des PIP-Programms für sog. Low-Performer wie den Kläger gegeben habe.

Auch die Aussage des Zeugen Sch. war für die Berufungskammer glaubhaft. Dieser war, als Vorgesetzter des Klägers, jeweils in diese vom Kläger als mobbingrelevant angesehenen Vorfälle/Vorwürfe involviert. Der Zeuge hat die Aussagen des Klägers über Äußerungen und Vorwürfe des Zeugen ihm gegenüber nicht etwa, jedenfalls weitgehend, bestritten oder auch grundsätzlich in Abrede gestellt, sondern solche Äußerungen mehrfach, zum Teil jedenfalls sinngemäß, so eingeräumt, jedoch deren jeweiligen Zusammenhang teilweise anders akzentuiert und den Hintergrund hierzu aus seiner Sicht geschildert.

Die Aussage des Zeugen Sch. war differenziert, in sich stimmig und frei von erkennbaren Widersprüchen - in wesentlichen Punkten auch im Vergleich zur jeweiligen Parteiaussage/-einlassung des Klägers. Auch der Eindruck der Berufungskammer von Inhalt und Ablauf seiner Aussage sonst und der Persönlichkeit des Zeugen gibt zu keinen Zweifeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit seiner Person und/oder der Glaubhaftigkeit seiner Aussage Anlass.

c) Insgesamt steht damit für die erkennende Berufungskammer fest (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass die Vorwürfe/Vorfälle, die mobbingrelevantes Verhalten des Zeugen Sch. im Sinne der eingangs dargelegten Grundsätze systematischen Schikanierens etc. - der Beklagten zurechenbar - begründen könnten, nicht erwiesen sind.

Nach allem steht zwar zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Zeuge Sch. als Vorgesetzter des Klägers diesen offensichtlich wiederholt durchaus unverblümt, direkt, angesprochen und ihm, unter Umständen im Einzelfall möglicherweise nicht immer vollständig berechtigte, Vorwürfe gemacht hat („häufiges Krankfeiern“ des Klägers in den Vorjahren, zumal in zeitlichem Zusammenhang mit Urlaub, unumwundene Mitteilung, dass der Kläger „keine Beförderung erhalten werde“, wie von diesem offensichtlich immer wieder gewünscht ...). Der Zeuge Sch. ist nach dem Eindruck der Berufungskammer eine eher „direkte“ Führungsperson mit bestimmter Erwartungshaltung und unterstelltem Leistungsethos, die vorhandene Probleme - Leistungsdefizienten, Einsatzbereitschaft . - durchaus auch unverblümt anspricht. Auch war das Arbeitsklima zwischen dem Zeugen und dem Kläger erkennbar in grundsätzlicherer Weise belastet, weil der Kläger aus Sicht seines Vorgesetzten Sch. hinsichtlich seiner Leistung und Einstellung eher ein „Low-Performer“ ist/war (dieser sei aus Sicht des Zeugen „nicht selbstständig und nicht zielorientiert, nicht pro-aktiv und (habe) keine Eigeninitiative entwickelt“), zumal der Kläger eine nach Ansicht des Zeugen auffällig hohe und vor allem sich in/an Urlaubszeiten anschließende Zahl krankheitsbedingter Fehltage gehabt habe und der Zeuge sich weiter veranlasst sah, einen überproportional hohen Zeitaufwand gerade in Gespräche mit dem Kläger zu investieren (nach seiner Aussage seien etwa 80% seiner gesamten Zeit für die Betreuung der ihm unterstellten insgesamt ca. 8/9 Mitarbeiter allein mit dem Kläger „draufgegangen“).

Andererseits war nach Ansicht der Berufungskammer auch nicht zu übersehen, dass der Kläger allem Anschein nach sicherlich in eher atypischer Weise „sensitiv“, (bis ggf. über-)empfindlich, ist, er ggf. weniger belastbar ist - was seine Reaktion auf Vorwürfe des Zeugen Sch. als seines Vorgesetzten und auch seine Arbeitssituation unmittelbar betraf, er sich durch den Zeugen Sch. in seinem wiederholten Versuch auf beruflichen Aufstieg - „Beförderung“ - blockiert und als „Low Performer“ abgestempelt sah.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass zum einen der, für sich betrachtet: nicht unglaubhaften, förmlichen Parteiaussage des Klägers zu den einzelnen von ihm erhobenen Mobbingvorwürfen eine jeweils mindestens gleichermaßen glaubhafte Aussage des Zeugen Sch., an den unmittelbar sich diese Vorwürfe richteten und der von der Beklagten jeweils gegenbeweislich benannt war, gegenübersteht - was ein grundsätzliches non liquet begründet.

Zum anderen und jedenfalls können die tendenziell eher rudimentären Vorwürfe des Klägers, soweit sie der Zeuge Sch. im Kern, objektiv, eingeräumt hat, keinesfalls -nicht auch nur ansatzweise - geeignet sein, ein systematisches Schikanieren/Diskriminieren im vorstehenden Sinne seiner Mobbingvorwürfe zu begründen.

4. Deshalb fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die noch streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Entschädigung, von Schmerzensgeld und Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen hinsichtlich aller materiellen und immateriellen Ansprüche wegen „Mobbings“ gemäß seiner noch rechtshängigen Anträge zu VI. und VII. im Klageschriftsatz vom 04.10.2010 - weshalb seine Berufung wiederum zurückzuweisen ist.

III.

Der Kläger hat damit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, was auch die Kosten seiner zunächst erfolgreichen Revision begrifft, die lediglich zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht München, ohne Sachentscheidung durch das Bundesarbeitsgericht, führte - weshalb hierbei angefallene Kosten wegen ihres überschaubaren Umfangs unberücksichtigt bleiben konnten (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Kläger wiederum hingewiesen wird, zulassen sollte.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens


(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen


(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 448 Vernehmung von Amts wegen


Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Ta

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612a Maßregelungsverbot


Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 447 Vernehmung der beweispflichtigen Partei auf Antrag


Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 226 Schikaneverbot


Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

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Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 4. November 2011 - 3 Sa 541/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klageanträge zu VI und VII zurückgewiesen hat.

Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Entschädigungs-, ein Schmerzensgeld- und ein Schadensersatzanspruch zusteht. Der Kläger war seit 16. Oktober 2000 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als „System Support Programmer/Analyst“. Ab 15. Oktober 2010 wurde der Kläger von der Arbeit freigestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde nachfolgend durch die Beklagte außerordentlich und ordentlich gekündigt. Über die Wirksamkeit dieser Kündigungen war vor dem Arbeitsgericht München ein Kündigungsrechtsstreit anhängig.

2

Neben anderen Ansprüchen hat der Kläger auch geltend gemacht, er sei schikanösem und diskriminierendem Verhalten seines Vorgesetzten S ausgesetzt gewesen. So habe dieser ihn am 28. Mai 2008 aufgefordert, er solle nicht „krank feiern“. Am 3. Juli 2008 habe der Vorgesetzte ihm erklärt, er passe möglicherweise nicht ins Team und einen Tag später, der Kläger werde niemals eine Beförderung erhalten, solange er sein Vorgesetzter sei. Weiter habe der Vorgesetzte geäußert, der Kläger solle von zu Hause aus arbeiten, wenn er sich krank fühle (am 24. September 2008), der Kläger habe mit schmerzlichen Folgen zu rechnen, falls er Elternzeit nehme (am 8. Mai 2009), er (der Vorgesetzte) werde das Arbeitsleben des Klägers „horrible“ machen, wenn er nicht mache, was der Vorgesetzte wolle (am 7. Dezember 2009) und der Kläger arbeite nicht hart, weil er nicht gestresst aussehe (am 2. März 2010). Für die Richtigkeit dieser von der Beklagten bestrittenen Äußerungen des Vorgesetzten S hat der Kläger als Beweis „klägerische Parteieinvernahme“ angeboten.

3

Der Kläger trägt vor, wegen dieser und anderer Mobbinghandlungen sei er ab 25. September 2008 wegen eines depressiven Syndroms mit vordergründiger Störung der Vitalfunktionen und ausgeprägter Schlafstörungen sowie Angststörungen und somatoformer autonomer Funktionsstörungen in nervenärztlicher Behandlung. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, an ihn Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld zu zahlen sowie ihm auch alle noch künftig erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Für die Richtigkeit der von ihm behaupteten, von der Beklagten allerdings bestrittenen Mobbinghandlungen seines Vorgesetzten hätte ihn das Landesarbeitsgericht - wie von ihm beantragt - als Partei vernehmen müssen.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld, jeweils in durch das Gericht festzusetzender Höhe, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

sowie

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche aufgrund der Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte und ihre Verrichtungs-/Erfüllungsgehilfen im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Mai 2010 dem Kläger erwachsenen oder noch erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Sie bestreitet die vom Kläger behaupteten Mobbinghandlungen.

7

Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich wesentlich umfangreichere Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung eines Bonus iHv. 1.033,29 Euro verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision im jetzt noch streitgegenständlichen Umfange zugelassen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte mit der gegebenen Begründung die Klage nicht abweisen dürfen.

9

I. Das Berufungsgericht hat bezüglich der noch streitgegenständlichen Ansprüche seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar habe der Kläger Vorfälle hinreichend konkret dargelegt, die, wenn sie sich wie geschildert zugetragen haben sollten, „einen systematischen Zusammenhang in Richtung einer zielgerichteten Verletzung der Würde des Arbeitnehmers und der Schaffung eines Umfeldes der Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung“ und damit einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld begründen könnten. Dies gelte für die Vorfälle vom 28. Mai 2008, 3. Juli 2008, 4. Juli 2008, 24. September 2008, 8. Mai 2009, 7. Dezember 2009 und 2. März 2010. Die Beklagte habe den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers jedoch bestritten. Dieser habe lediglich als Beweis für die Richtigkeit seiner diesbezüglichen Behauptungen seine eigene Parteieinvernahme angeboten. Zu einer solchen habe die Beklagte ihr nach § 447 ZPO erforderliches Einverständnis nicht erteilt. Eine Vernehmung des Klägers von Amts wegen nach § 448 ZPO sei nicht in Betracht gekommen, weil es an einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptungen fehle. Es liege kein sogenannter Anfangs- oder Anbeweis für die behaupteten Tatsachen vor. Von dem Erfordernis eines solchen könne auch nicht allein aufgrund des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abgewichen werden. Im Übrigen sei der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2011 persönlich anwesend gewesen und habe Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Demnach müssten die gesamten Vorfälle, welche möglicherweise einen Mobbing-Zusammenhang begründen könnten, außer Betracht bleiben. Weitere vom Kläger geschilderten Einzelvorfälle seien - auch mangels Substanziierung - nicht geeignet, einen Bezug zu einem mobbingartigen Verhalten herzustellen. Übrig blieben Vorgänge, welche nur „normale“ Arbeitskonflikte beträfen. Aus diesen Gründen sei auch nicht festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm aufgrund der Verletzung seiner Gesundheit und seines Persönlichkeitsrechts möglicherweise erwachsene und noch erwachsende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.

10

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

11

1. Dass die vom Kläger behaupteten Äußerungen seines Vorgesetzten tatsächlich getätigt worden sind, muss der Kläger beweisen, weil er für das Vorliegen von Mobbinghandlungen, aus denen er seinen Entschädigungs-, Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch herleitet, darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 41).

12

2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger die Vorfälle, die seine Mobbingvorwürfe begründen könnten, und deren Vorliegen die Beklagte bestritten hat, zwar durch seine eigene Parteieinvernahme unter Beweis gestellt hat, eine solche aber nach § 447 ZPO aufgrund des fehlenden Einverständnisses der Beklagten grundsätzlich ausscheidet.

13

3. Andere Beweismittel als seine Vernehmung als Partei hat der Kläger nicht angeboten.

14

Ob das Landesarbeitsgericht zu einer Vernehmung des beweispflichtigen Klägers nach § 448 ZPO verpflichtet war, kann der Senat aufgrund der Ausführungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden.

15

a) Grundsätzlich gehen einer Parteivernehmung andere Beweismittel, insbesondere der Zeugenbeweis nach §§ 373 ff. ZPO vor. Nach allgemeiner Meinung ist die Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO ein subsidiäres Beweismittel (vgl. Thomas/Putzo/Reichold ZPO 34. Aufl. Vorbem. § 445 Rn. 1; Zöller/Geimer/Greger ZPO 29. Aufl. Vorbem. § 445 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 71. Aufl. Übersicht § 445 Rn. 7).

16

b) Dem Kläger hätte ein anderes Beweismittel als die eigene Parteieinvernahme zur Verfügung gestanden. Er hätte für die Richtigkeit seiner Behauptungen seinen Vorgesetzten S als Zeugen benennen können. Dass dieser die „Mobbing-Äußerungen“ selbst getätigt haben soll, steht dem nicht entgegen. Allein die Tatsache, dass die Beklagte, also nicht der Zeuge selbst, die vom Kläger behaupteten Äußerungen des Zeugen bestritten hatte, führt nicht dazu, dass für den Kläger ein solches Beweisangebot aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausscheidet. Auch wenn eine Aussage des Zeugen, welche die Behauptungen des Klägers bestätigen würde, für den Zeugen selbst und die Beklagte, als deren Repräsentant der Zeuge aufgetreten war, ungünstige Folgen hätte, musste der Kläger nicht zwingend davon ausgehen, der Zeuge werde die klägerischen Behauptungen nicht bestätigen. Dieser wäre zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet gewesen. Sowohl bei einer uneidlichen als auch bei einer eidlichen Falschaussage hätten ihm strafrechtliche Konsequenzen gedroht (§§ 153, 154 StGB). Allein deshalb durfte der Kläger - gleichsam im Wege einer „vorweggenommenen Beweiswürdigung“ - nicht davon ausgehen, der Zeuge werde wahrheitswidrig unter Inkaufnahme strafrechtlicher Folgen die angeblich von ihm getätigten Äußerungen leugnen, und deshalb auf das Beweisangebot „Zeugenvernehmung“ verzichten. Hinzu kommt, dass der Zeuge, um eine Zwangslage zwischen Falschaussage und einer wahrheitsgemäßen Aussage mit negativen Folgen für sich zu vermeiden, die Möglichkeit der Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO gehabt hätte.

17

c) Nachdem der Kläger den ihm möglichen Zeugenbeweis nicht angetreten hatte, musste das Landesarbeitsgericht darüber entscheiden, ob es den Kläger für die Richtigkeit seiner streitigen Behauptungen nach § 448 ZPO als Partei vernehmen sollte. Allein die Tatsache, dass der Kläger für seine bestrittenen Behauptungen keinen ihm möglichen Zeugenbeweis angeboten hat, entbindet das Landesarbeitsgericht nicht von dieser Verpflichtung. Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei gemäß § 448 ZPO, dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht(vgl. BGH 9. März 1990 - V ZR 244/88 - Rn. 14, BGHZ 110, 363; 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - Rn. 20 mwN; BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 2 f dd der Gründe; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - zu B III 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 52).

18

d) Von diesem Grundsatz ist im konkreten Streitfalle auch unter der Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Beweisführung bei sogenannten „Vier-Augen-Gesprächen“ auszugehen.

19

Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG sichern den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, welches sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernissen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden. Insbesondere müssen die Beteiligten einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - Rn. 10). Auch gehört es zu den für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässlichen Verfahrensregeln, dass das Gericht die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Um sie zu gewährleisten, bedarf es eines Mindestmaßes an rechtlichem Gehör (BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - aaO).

20

In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hatte ein streitentscheidendes Vier-Augen-Gespräch zwischen der Klägerin und einem Angestellten der Beklagten, einer GmbH, stattgefunden. Das Amtsgericht hatte den Angestellten als Zeugen vernommen sowie die Klägerin gemäß § 141 ZPO angehört und daraufhin der Klage stattgegeben. Es hatte die Angaben der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs als bewiesen angesehen. Das Landgericht als Berufungsgericht hatte eine Vernehmung der Klägerin als Partei nach § 448 ZPO im Rahmen des Gegenbeweises abgelehnt und die Klage abgewiesen, weil es aufgrund der Aussage des vom Amtsgericht vernommenen und vom Landgericht erneut vernommenen Zeugen die Behauptungen der Klägerin über den Gesprächsinhalt als nicht erwiesen angesehen hatte. In Anwendung der oben dargestellten Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht zu dieser Vorgehensweise des Landgerichts ausgeführt:

„In der hier gegebenen Konstellation des Vier-Augen-Gesprächs konnte die Beschwerdeführerin [dh. die Klägerin] den Gegenbeweis auch nur im Wege der Parteianhörung bzw. -vernehmung durch Bekundungen führen, die geeignet waren, die Aussage des Zeugen der Beklagten des Ausgangsverfahrens zu erschüttern. Die Verfahrensweise des Landgerichts begünstigte daher einseitig die Beklagte, die mit ihrem Angestellten über einen Zeugen verfügte. Um dies zu vermeiden, hätte das Landgericht, nachdem es den Angestellten der beklagten GmbH zum umstrittenen Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs erneut als Zeugen vernommen hatte, auch der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einräumen müssen, den Gegenbeweis zu führen. Insbesondere hätte ihr die Gelegenheit gegeben werden müssen, auf die Aussagen des Zeugen in dessen neuerlicher Vernehmung (§ 398 Abs. 1 ZPO) reagieren zu können, da das Landgericht von der Beweiswürdigung der Vorinstanz abweichen wollte, die sich auf die protokollierte Anhörung der Beschwerdeführerin stützte.“

21

Diese Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts sind auf den Streitfall bereits deshalb nicht anzuwenden, weil zum Inhalt der Gespräche zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten Zeugenbeweis weder vom Kläger noch von der Beklagten angeboten worden war und deshalb auch - im Gegensatz zum Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegen hatte - kein Zeugenbeweis erhoben worden war.

22

Aus demselben Grunde ist auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27. Oktober 1993 (- 37/1992/382/460 -) nicht einschlägig. Auch in diesem Falle hatte das Gericht nicht den Gesellschafter einer Partei, wohl aber den Vertreter der Gegenpartei als Zeugen für den Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs angehört.

23

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - Rn. 17, BAGE 122, 347) hat eine Verpflichtung zur Vernehmung einer beweispflichtigen Partei nach § 448 ZPO oder zur Anhörung derselben nach § 141 ZPO ebenfalls nur für den Fall gesehen, dass „ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein ‚gegnerischer‘ Zeuge zugegen ist“. Im vorliegenden Streitfalle ist diese Fallkonstellation ebenfalls nicht gegeben, weil die vom Kläger geschilderten Vier-Augen-Gespräche nicht mit der Beklagten, dh. derem Geschäftsführer als Beklagtenvertreter, geführt worden waren, sondern mit seinem Vorgesetzten, der als Zeuge - wenn auch als „gegnerischer“ Zeuge - gemäß §§ 373 ff. ZPO hätte vernommen werden können. Im Übrigen stellt der Dritte Senat in der zitierten Entscheidung auch darauf ab, dass eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO nur in Frage kommt, „soweit dessen Voraussetzungen vorliegen“(BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - Rn. 16, aaO). Dies kann nur heißen, dass auch der Dritte Senat davon ausgeht, eine Parteieinvernahme der beweispflichtigen Partei komme grundsätzlich nur dann in Frage, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht.

24

Auch in den zwei weiteren vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen, in denen eine Pflicht zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO bejaht bzw. eine solche nicht beanstandet worden war, stand einer Partei ein Zeuge für ein Vier-Augen-Gespräch zur Verfügung, welcher vernommen worden war (vgl. BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - BAGE 100, 52 und 19. November 2008 - 10 AZR 671/07 -; so auch: BGH 9. Oktober 1997 - IX ZR 269/96 -; 16. Juli 1998 - I ZR 32/96).

25

e) Damit war das Landesarbeitsgericht nicht - gleichsam von Amts wegen - verpflichtet, den Kläger gemäß § 448 ZPO als Partei zu vernehmen. Vielmehr musste es prüfen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprach, dass die vom Kläger geschilderten Äußerungen seines Vorgesetzten in den Vier-Augen-Gesprächen tatsächlich gefallen waren. Dafür hätte das Landesarbeitsgericht in nachprüfbarer Weise darlegen müssen, weshalb es von der Parteivernehmung des Klägers abgesehen hat. Andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass es von seinem ihm nach § 448 ZPO eingeräumten Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat. Verneint das Landesarbeitsgericht die gewisse Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache und lehnt es deshalb eine Parteivernehmung ab, so müssen seine Feststellungen in einer § 286 ZPO genügenden Weise getroffen sein(BGH 9. März 1990 - V ZR 244/88 - zu I 1 b der Gründe, BGHZ 110, 363). Daran fehlt es vorliegend. Das Landesarbeitsgericht hat ohne nähere Angabe von Gründen lediglich festgestellt, dass „ein sog. Anfangs- oder Anbeweis für die behaupteten Tatsachen“ fehlt. Aus welchen Gründen es zu dieser Feststellung gelangt ist, hat das Berufungsgericht nicht ausgeführt. Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 4. November 2011 persönlich anwesend war und Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, ist in diesem Zusammenhang unbehelflich, weil daraus nicht ersichtlich wird, ob das Gericht dem Kläger Fragen gestellt hat oder ob er und gegebenenfalls welche Erklärungen er in der mündlichen Verhandlung abgegeben hat. Diesbezüglich enthält auch die Sitzungsniederschrift keine Feststellungen.

26

4. An diesem Verfahrensfehler leidet das angefochtene Berufungsurteil in entscheidungserheblicher Weise. Dieses war deshalb aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit dieses den beanstandeten Mangel nach erneuter Verhandlung der Streitsache behebt.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Lüken    

        

    Soost    

                 

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Januar 2009 - 5 Sa 112/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, die der Kläger wegen „Mobbings“ geltend macht.

2

Der Kläger war als Diplomjurist in der DDR seit 1976 Staatsanwalt. Seit 1993 ist er beim beklagten Land angestellt und wird nach BAT VergGr. II a vergütet. Als stellvertretender Dezernatsleiter war er beim Landeskriminalamt mit der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik in den Bereichen Kriminalitätsanalyse, Kriminalstrategie, Kriminalitätsprävention und Kriminalstatistik befasst. Zudem hat sich der Kläger in der Kriminalforschung engagiert, auch im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben.

3

Im Mai 2000 führte das beklagte Land ein System von Zielvereinbarungen für den Polizeibereich ein. Dies führte zu einem Konflikt zwischen dem Kläger und dem Direktor des Landeskriminalamtes W über die richtige Führung der Polizeistatistik, insbesondere über die Frage, ob die Zielvereinbarungen die Kriminalstatistik schädigen oder beeinflussen können oder dies schon getan haben. Der Kläger hat Zielvereinbarungen ua. wegen eines Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip für rechtswidrig gehalten. Seine Kritik veröffentlichte er im September 2000 in einer Fachzeitschrift, was zu weiteren Auseinandersetzungen auch mit anderen LKA-Mitarbeitern führte. 2002 wurde ein Antrag des Klägers auf Höhergruppierung abschlägig beschieden, was der Kläger erfolglos arbeitsgerichtlich überprüfen ließ.

4

Am 5. März 2004 erhielt der Kläger den Auftrag, eine vergleichende Stellungnahme zu einer aus Polen stammenden Kriminalstatistik abzugeben. Diese Stellungnahme legte der Kläger am 11. März 2004 vor. Der Leiter des Leitungsstabes im LKA M brachte auf der Ausarbeitung des Klägers den handschriftlichen Vermerk an:

        

„1.     

(Thema verfehlt): Aufgabe war nicht der Vergleich Stettin-MV;

        

2.    

auch noch verspätet vorgelegt.“

5

Nachdem der Kläger wiederholt aus kriminalwissenschaftlichen Gründen die Mitarbeit an bestimmten Projekten abgelehnt hatte, wurde er im Jahr 2004 von dem Kriminaldirektor W zu dem Eindruck angehört, er verhalte sich zunehmend destruktiv, sei nicht mehr gewillt, seine Aufgaben als Dezernent ordnungsgemäß wahrzunehmen und es sei zu überlegen, ob er noch geeignet sei, den ihm übertragenen Dienstposten auszufüllen. Der Kläger wies die Vorwürfe in der Sache zurück und kündigte an, sich gegen eine Fortsetzung solchen „Mobbings“ mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zur Wehr zu setzen. Im Dezember 2004 wurde der Kläger wegen eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheits- und seine Wohlverhaltenspflicht abgemahnt. Die von ihm dagegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Schon seit dem Spätsommer 2004 war der Kläger zunehmend von Forschungsprojekten, die er bis dahin im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit mit verfolgte, ausgeschlossen worden.

6

Im Mai 2005 wurde der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem kritischen Artikel des Magazins „Focus“ zu dem Zielvereinbarungssystem für die Polizei Mecklenburg-Vorpommerns zum 1. Juni 2005 an das Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz abgeordnet und schließlich zum 1. Dezember 2005 dorthin dauerhaft versetzt, wobei ihm der höher bewertete Dienstposten eines Dezernatsleiters übertragen wurde. Ein gegen die Abordnung und Versetzung eingeleitetes arbeitsgerichtliches Verfahren wurde rechtskräftig zu Lasten des Klägers entschieden.

7

Nach Vorerkrankungen ist der Kläger seit dem 2. Januar 2007 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, seit dem 1. September 2008 erhält er - befristet - eine Erwerbsminderungsrente. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nur er habe innerhalb des LKA wie des Landesdienstes überhaupt die Fachkompetenz, darüber zu entscheiden, wie die Polizeistatistik zu führen sei. Die Führung des LKA wie auch das Innenministerium hätten diese seine Entscheidungskompetenz missachtet und wegen seiner kritischen Haltung zu Zielvereinbarungen für den Polizeidienst beschlossen, ihn aus dem Dienst zu drängen. Dieser feindlichen Einstellung zu seiner Person sei seine Versetzung an das Amt für Brand- und Katastrophenschutz des Landes geschuldet, was sich schon aus dem zeitlichen Zusammenhang mit dem ebenfalls kritischen Focus-Artikel ergebe.

8

Neben einem Schmerzensgeld begehrt der Kläger ua. auch Ersatz für Verdienstausfall für die Zeit seiner Erkrankung in rechnerisch nicht streitiger Höhe von 5.951,80 Euro.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, welches 35.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.951,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Januar 2008 die Differenz zwischen dem ihm von der Deutschen Angestellten Krankenkasse gezahlten Krankengeld und seinem monatlichen Nettoverdienst, welches er bis zum 7. September 2006 von der Beklagten bzw. der Abrechnungsstelle der Beklagten erhalten hat, zu zahlen;

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat, der ihm aufgrund des Mobbings der Beklagten bzw. des von der Beklagten gegenüber dem Kläger geduldeten Mobbings durch Angestellte und Mitarbeiter der Beklagten in der Zeit von 1997 bis 2006 entstanden ist und entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

10

Das beklagte Land hat die Abweisung der Klage beantragt und die Mobbingvorwürfe des Klägers bestritten. Anfeindungen, Beleidigungen oder Ausgrenzungen des Klägers habe es nicht gegeben.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, da es bei seiner Entscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Teilaufgabe „Kriminalforschung/Teilnahme an Forschungsprojekten“ habe das beklagte Land dem Kläger in der achtmonatigen Schwebephase zwischen dem gescheiterten Personalgespräch im Herbst 2004 und der Abordnung des Klägers zum 1. Juni 2005 entzogen, indem es dem Kläger die Teilnahme an drei in diesen Zeitraum fallenden Veranstaltungen/Projekten verweigert habe. Da es dafür an einer sachlichen Rechtfertigung fehle, müsse gefolgert werden, dass der Kläger wegen seiner fehlenden Eingliederungsbereitschaft in den Dienstbetrieb bestraft werden sollte, was ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletze und insoweit auf eine feindliche Einstellung der Hausspitze des LKA gegenüber dem Kläger schließen lasse. Es liege ein Missbrauch der Vorgesetztenstellung vor, durch den der Kläger in seinem sozialen Geltungsbereich empfindlich verletzt worden sei. Dagegen könne in den weiteren vom Kläger dargelegten Vorfällen keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gesehen werden, auch fehle es an den erforderlichen Indizien für die bewusste Schaffung eines feindlichen Umfeldes.

14

Die handschriftlichen Vermerke M auf dem Bericht des Klägers vom 11. März 2004 zur Vergleichbarkeit der polnischen und der deutschen Kriminalstatistik hätten zwar einen deutlich personenbezogenen Schwerpunkt, da der Eindruck einer Beurteilung der persönlichen Leistung des Klägers vermittelt werde, die jedenfalls mit der sachlichen Bewertung des Berichts nichts mehr zu tun habe. Die Vermerke „Thema verfehlt“ und „auch noch verspätet vorgelegt“ hätten allenfalls in die Personalakte des Klägers gehört, nicht jedoch in die Sachakte, der sie zugeführt worden seien. Dort hätten auch solche Personen von den Vermerken Kenntnis nehmen können, denen ein Zugriff auf die Personalakte des Klägers verwehrt gewesen sei. Aus dem Erfahrungshorizont des Gerichts sei aber festzuhalten, dass es heute nicht ungewöhnlich sei, dass sich Vorgesetzte im Rahmen ihrer Vermerke auf Berichte von Untergebenen solche ins Persönliche gehende Bemerkungen erlaubten. Mit dem Vermerk komme daher keine Sonderbehandlung gegenüber dem Kläger zum Ausdruck.

15

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung zeige der lange Konfliktzeitraum von 2000 bis 2005, dass die Auseinandersetzungen nicht als auf einem einheitlichen Plan beruhend begriffen werden könnten. Darauf weise auch die Vielzahl der handelnden Personen hin, die, wenn auch nicht nachweisbar bewusst, ihren Beitrag zu dem Konflikt geleistet hätten. Die drei festzustellenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen seit Herbst 2004 müssten als so geringfügig eingeschätzt werden, dass sie die aufgetretenen ernsthaften gesundheitlichen Probleme des Klägers nicht ausgelöst haben könnten. Die Ursachen dürften zwar im Arbeitsumfeld des Klägers zu suchen sein, könnten aber nicht auf Handlungen der Dienststelle zurückgeführt werden. Der Kläger habe zu seiner Außenseiterposition in eigener Verantwortung beigetragen. Ihm sei auch mehrfach ärztlicherseits die Unfähigkeit zur Anpassung an die neue Arbeitssituation bescheinigt worden. Könne somit eine schuldhaft verursachte Schädigung der Gesundheit des Klägers durch das beklagte Land in der Gesamtschau nicht festgestellt werden, so brauche es für einen Schmerzensgeldanspruch eine schwere, unmittelbare Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Zwar sei der Kläger ab 2004 daran gehindert worden, auch dienstlich an Projekten und Tagungen zur Kriminalforschung teilzunehmen. Dies stelle aber keine schwere Persönlichkeitsverletzung dar.

16

B. Das landesarbeitsgerichtliche Urteil hält wegen eines Verstoßes gegen § 139 ZPO, der den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 5 ArbGG). In der Sache selbst kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, weswegen die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

17

I. „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Abs. 3 AGG erfolgten Definition des Begriffes „Belästigung“, die eine Benachteiligung iSd. § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - aaO; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8).

18

II. Das beklagte Land hat als Arbeitgeber gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet ( BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ).

19

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 2 GG Rn. 48, 84). Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ).

20

III. Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden ( BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ). Daher kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer Weise mit einbezogen hat, sowie ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - aaO ).

21

1. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die Vorgesetzten des Klägers hätten beim Aufgabenbereich „Kriminalforschung“ das Persönlichkeitsrecht des Klägers von Herbst 2004 bis zu seiner Abordnung am 1. Juni 2005 in drei Fällen verletzt, ihm für diesen Zeitraum in Ermangelung anderer Aufgaben diesen Tätigkeitsbereich komplett entzogen und ihre Vorgesetztenstellung missbraucht, um den Kläger wegen seiner fehlenden Eingliederungsbereitschaft in den Dienstbetrieb zu bestrafen, werden diesen Anforderungen gerecht und sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

2. Soweit das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht durch die handschriftlichen Vermerke des Vorgesetzten M auf dem Bericht des Klägers vom 11. März 2004 zur Vergleichbarkeit der polnischen und deutschen Kriminalstatistik verletzt worden ist, hat es den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es der Entscheidung seinen eigenen Erfahrungshorizont zugrunde gelegt hat, ohne diesen zuvor offen zu legen.

23

a) Der Kläger hat eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt, da es das Landesarbeitsgericht unterlassen habe, ihm einen nach § 139 Abs. 2 ZPO gebotenen Hinweis zu erteilen. Das Landesarbeitsgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es aufgrund eines eigenen Erfahrungshorizonts davon ausgehe, derartige Bemerkungen in einem Vermerk brächten keine Sonderbehandlung gegenüber dem Kläger zum Ausdruck und dass es aufgrund seines eigenen Erfahrungshorizonts auch nicht unüblich erscheine, dass sich Vorgesetzte im Rahmen ihrer Vermerke auf Berichten von Untergebenen derart ins Persönliche gehende Bemerkungen erlaubten. Auch hat der Kläger gerügt, dass der eigene Erfahrungshorizont vom Landesarbeitsgericht weder offen gelegt worden sei, noch dargelegt worden sei, aus welchen Erfahrungswerten dieser resultiere.

24

Der Kläger hat ausgeführt, dass er im Falle der gebotenen Hinweise durch das Landesarbeitsgericht vorgebracht hätte, derartige Bemerkungen entsprächen gerade nicht der Üblichkeit. Hierzu wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten worden, aus dem sich ergeben hätte, dass es sich vielmehr um eine Sonderbehandlung des Klägers durch den Zeugen Mager handele. Das Landesarbeitsgericht wäre sodann zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich gerade nicht um eine im Arbeitsleben übliche Konfliktsituation gehandelt habe und es hätte das Vorhandensein einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen. Diese schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung hätte in Verbindung mit den festgestellten Persönlichkeitsrechtsverletzungen das Landesarbeitsgericht zu der Entscheidung gebracht, dass gegenüber dem Kläger tatsächlich Mobbinghandlungen ausgeführt worden seien und das Urteil wäre zu Gunsten des Klägers ausgefallen.

25

b) Neben dem Parteivorbringen darf das Gericht bei seiner Entscheidung auch offenkundige Tatsachen iSv. § 291 ZPO verwerten. Offenkundig ist eine Tatsache dann, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde - auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen - wahrnehmbar ist. Offenkundig kann eine Tatsache auch dann sein, wenn der Richter sie aus seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit kennt („gerichtskundige Tatsachen“), allerdings nur dann, wenn die zur Entscheidung berufenen Richter sich nicht erst durch Vorlegung von Akten uä. informieren müssen. Keine Gerichtskundigkeit begründet die Sachkunde, die das Gericht aus ähnlichen Verfahren gewonnen haben will (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 291 Rn. 1).

26

Solche offenkundigen oder gerichtskundigen Tatsachen sind seitens des Gerichts in die mündliche Verhandlung einzuführen, um den in Art. 103 Abs. 1 GG normierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht zu sichern. Nur solche Tatsachen, Beweisergebnisse und Äußerungen anderer dürfen zugrunde gelegt werden, zu denen die Streitbeteiligten Stellung nehmen konnten (BAG 11. September 1997 - 8 AZR 4/96 - BAGE 86, 278 = AP Einigungsvertrag § 38 Nr. 7 = EzA Einigungsvertrag Art. 20 Soziale Auswahl Nr. 5; BVerfG 14. April 1959 - 1 BvR 109/58 - BVerfGE 9, 261; 7. Oktober 1980 - 2 BvR 1581/79 - BVerfGE 55, 95).

27

c) Das Landesarbeitsgericht hat seinen „Erfahrungshorizont“ in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt und dem Kläger die Möglichkeit genommen, sich damit auseinanderzusetzen und ihn gegebenenfalls zu widerlegen. Dabei handelt es sich bei dem Umstand, derartige ins Persönliche gehende Bemerkungen auf Sachberichten seien in der Verwaltung des Landeskriminalamts üblich, weder um eine offenkundige noch um eine gerichtskundige Tatsache, unabhängig davon, dass sie in die mündliche Verhandlung hätte eingeführt werden müssen. Auf diesem Verfahrensfehler kann die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch beruhen, da bei korrektem Verfahren das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden hätte (BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1).

28

d) Bei einer erneuten Prüfung dieser Frage wird das Landesarbeitsgericht zudem klarzustellen haben, ob es eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers hier verneint oder bejaht. Im letzteren Fall könnte diese für die Gesamtbeurteilung nicht deswegen als unerheblich angesehen werden, weil sie womöglich, was sich nach weiterer Sachaufklärung herausstellen könnte, im Bereich des LKA des beklagten Landes „nicht ungewöhnlich“ ist. Auch übliche Persönlichkeitsverletzungen bleiben solche.

29

e) Der Verstoß ist auch entscheidungserheblich. Da es dem Senat verwehrt ist, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen, erweist das Urteil sich nicht aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss stets von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die dem Berufungsgericht nicht entzogen werden darf (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 609/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6).

30

Zwar sind die übrigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der vom Kläger bezeichneten Vorfälle revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind nicht mit dem Thüringer Landesarbeitsgericht (10. April 2001 - 5 Sa 403/2000 - LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 2) Beweiserleichterungen für den Arbeitnehmer anzunehmen, weil es keine unwiderlegbare Vermutung für die Kausalität zwischen „mobbing-typischem“ medizinischen Befund und den behaupteten Mobbinghandlungen gibt. Vielmehr werden mit der Annahme einer solchen „Konnexität“ Vermutungsfolge und Voraussetzungen des Vermutungstatbestands unzulässig vermengt (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; Bennecke Mobbing Rn. 328). Das Landesarbeitsgericht ist auch von zutreffenden rechtlichen Grundlagen und Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen und hat - ausgehend von drei persönlichkeitsrechtsverletzenden Handlungen - die Güter und Interessen unter Würdigung der maßgebenden Umstände sorgfältig abgewogen. Sollte aber eine weitere Persönlichkeitsrechtsverletzung hinzutreten, bedürfte es einer neuerlichen gründlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob nunmehr eine schwere Persönlichkeitsverletzung anzuerkennen und damit ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegeben ist.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Burr    

        

    F. Avenarius    

                 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten, die Anschlussrevision und die Revision der Klägerin wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in zwei in der Revisionsinstanz verbundenen Verfahren darüber, ob der Klägerin für die Vergangenheit und die Zukunft ein Schadensersatzanspruch wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei einer Beförderungsentscheidung und zu dessen künftiger Bezifferung Auskunftsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Darüber hinaus verlangt die Klägerin immateriellen Schadensersatz und stellt einen Feststellungsantrag betreffend Schadensersatz für den Zeitraum ab Dezember 2006.

2

Der Beklagte ist ein rechtsfähiger wirtschaftlicher Verein. Er gliedert sich in zehn Bezirksdirektionen und zwei Generaldirektionen. Eine Generaldirektion befindet sich in B, die andere in M. Beide haben eigenständige Personalverwaltungen, denen jeweils eine Person vorsteht, die - mit Ausnahme der Klägerin - bis zum 9. Dezember 2006 als Personalleiter/in bezeichnet wurden. Übergeordnet war die Personaldirektion mit dem Personaldirektor. Dieser wird seit dem 10. Dezember 2006 als Personalleiter, die Personaldirektion als Personalabteilung bezeichnet.

3

Die 1961 geborene Klägerin hat 1986 eine Ausbildung zur „staatlich geprüften Betriebswirtin“ erfolgreich beendet. Sie war bei früheren Arbeitgebern ua. in der Personalentwicklungsarbeit tätig. Seit Mitte 2007 ist sie als Schwerbehinderte anerkannt.

4

Die Klägerin war am 1. Januar 1993 bei dem Beklagten als Personalreferentin eingestellt worden. Zum 1. Juli 1995 wurde ihr die Stellvertretung für die Personalverwaltung in B mit 340 Mitarbeitern übertragen. Ab Mai 2001 war die Klägerin in Teilzeit für die Beklagte tätig. Mit Wirkung ab 1. Januar 2006 wurde sie zur Abteilungsleiterin der Abteilung Personalverwaltung in der Personaldirektion B ernannt. Auf Basis einer „Zusatzvereinbarung“ zum Anstellungsvertrag wurde sie ab 1. Oktober 2006 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35,79 Stunden beschäftigt. Im Jahre 2007 erhielt sie eine monatliche Bruttovergütung von 4.647,24 Euro. In Zwischenzeugnissen vom 31. Januar 1999 und 16. Februar 2007 wurde der Klägerin bescheinigt, dass sie „stets“ bzw. „jederzeit“ ihre Aufgaben „zu unserer vollen Zufriedenheit“ erledigt habe.

5

Mitte der 1990-iger Jahre war Personalleiterin der Generaldirektion B Frau G und der Generaldirektion M Frau S. Beide sind Juristinnen. Hierarchisch stellte der Beklagte die Personalleiter den Abteilungsdirektoren gleich. Frau S ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und war 1990 vom Beklagten als Personalreferentin eingestellt worden. Zum 1. April 1994 übernahm Frau G kommissarisch die Leitung der Personaldirektion und Frau S wurde zu ihrer Stellvertreterin berufen. Frau G schied Ende September 1999 bei dem Beklagten aus. Faktisch leitete die Klägerin im Jahre 1999 die Personalverwaltung der Generaldirektion B für fünf Monate bis Dr. Mü von dem Beklagten als Nachfolger für Frau G eingestellt wurde. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit Wirkung vom 1. Januar 2001 wurde ihm die Amtsbezeichnung „Personaldirektor“ verliehen. Wegen Mutterschutzes und Erziehungsurlaubs/Elternzeit war die Personalleiterin der Generaldirektion M S vom 14. August 1999 bis 7. Juli 2005 nicht berufstätig. Seither arbeitet sie in Teilzeit. Ihr obliegt im Wesentlichen die juristische Sachbearbeitung der Personaldirektion (ab Dezember 2006: Personalabteilung). Aufgaben der Personalleitung nimmt sie seither nicht mehr wahr. Wegen ihres absehbaren Ausfalles suchte der Beklagte mit Anzeige von Anfang August 1999 befristet für ca. zwei Jahre eine/n Personalleiter/in für M. In der Anzeige wurde ein Schwerpunkt „konzeptionelle Personalarbeit“ ebenso wenig erwähnt, wie das Erfordernis eines Hochschulabschlusses. Nachdem an einer befristeten Einstellung kein Bewerber Interesse gezeigt hatte, wurde zum 1. Januar 2000 Herr R als Personalleiter der Generaldirektion M unbefristet mit einer 40-Stunden-Woche eingestellt. Der 1960 geborene und an einer Hochschule ausgebildete Diplom-Ökonom mit dem Ausbildungsschwerpunkt Personalwesen, Unternehmensführung und Organisation war bei dem Beklagten von Anfang an der Ebene der Abteilungsdirektoren, dh. mindestens einer Ebene über der Klägerin, zugeordnet. Zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Juli 2008 verdiente Herr R 28.214,66 Euro mehr als die Klägerin. Darin enthalten ist eine variable Vergütung für 2007 in Höhe von 8.291,00 Euro. Bei dieser Differenzberechnung ist die Teilzeittätigkeit der Klägerin entsprechend berücksichtigt.

6

Zum 1. Juli 2001 wurde der Personalleiter der Generaldirektion B und Personaldirektor Dr. Mü mit gleichbleibendem Aufgabenbereich nach M versetzt. Nachdem er zunehmend Justitiariatsaufgaben erfüllte, übernahm die Klägerin spätestens ab Sommer 2003 - nach ihrem Vorbringen ab 2002 - die Aufgaben der Personalverwaltung B. Entsprechend wurde sie in den Jahrbüchern des Beklagten als zuständig für die Personalverwaltung B bezeichnet und zwar ab 2002 als Personalreferentin und ab 2006 als Abteilungsleiterin.

7

Zu ihren Aufgaben im Bereich der Personalentwicklung gehörte ua. im Jahre 1994 die Erstellung eines Anforderungsprofils zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems. 1993/1994 und 1999 entwickelte sie ein Konzept zur Erstellung von Stellen- und Tätigkeitsbeschreibungen. Für den Standort B führte sie konzeptionell und organisatorisch Mitarbeiterbeurteilungsgespräche durch. Nach der Übertragung der Traineeausbildung in den Jahren 1999/2000 auf den Personalbereich entwickelte die Klägerin hierzu ein Konzept. Auch führte sie Weiterbildungsmaßnahmen und Schulungen zur DIDAS-Datenbank durch.

8

Zu den Aufgaben, welche die Klägerin und Herr R jedenfalls bis zum 9. Dezember 2006 beide wahrgenommen hatten, gehörte die Leitung der Personalverwaltung der jeweiligen Generaldirektion. Dazu zählte ua. die Personalbetreuung mit dem Führen von Bewerbungsgesprächen, Abfassen von Abmahnungen, Betriebsratsanhörungen vor Kündigungen, die Kontroll- und Verantwortungsfunktion für die unterstellten Mitarbeiter sowie Tätigkeiten der eigenen allgemeinen Personalentwicklungsarbeit. Beide waren im selben Umfange zeichnungsberechtigt.

9

Anfang 2006 teilte Dr. Mü der Klägerin mit, dass er wohl die Leitung der neu zu gründenden Rechtsabteilung übernehmen werde. Als sein Nachfolger für die Personaldirektion komme aus seiner Sicht Herr R oder ein Externer in Betracht.

10

Im Dezember 2006 hatte die Personalstruktur beim Beklagten folgende Gestalt:

        

        

Männer

Frauen

Gesamt

        

Vorstand

3       

0       

3       

        

Direktoren

15    

0       

15    

        

Bezirksdirektoren

9       

0       

9       

        

Abteilungsdirektoren

8       

4       

12    

        

Stellv. Bezirksdirektoren

3       

1       

4       

        

Abteilungsleiter

12    

19    

31    

        

Fachreferenten

2       

3       

5       

        

Fachjuristen

6       

1       

7       

        

sonstige AT-Mitarbeiter

34    

24    

58    

        

gesamter AT-Bereich

92    

52    

144     

        

Gesamtbelegschaft

348     

780     

1128   

        

Gesamtbelegschaft in %

31 %   

69 %   

        
11

Zu dieser Zeit waren in den höchsten zwei Gehaltsstufen des nachwirkenden Tarifvertrages und im außertariflichen Bereich 2/3 aller Männer und 1/3 aller Frauen eingruppiert. 95 % der Teilzeitkräfte waren Frauen. Der Aufsichtsrat des Beklagten bestand aus 19 Männern und zwei Frauen.

12

Am 9. Dezember 2006 erfuhr die Klägerin von Dr. Mü, dass Herr R sein Nachfolger werden solle. Mit E-Mail vom 10. Dezember 2006 bat der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin ua. um schriftliche Präzisierung der geplanten Maßnahme und um Mitteilung, wie sich künftig die Stellung der Klägerin in der Betriebshierarchie und ihre Befugnisse darstellen sollten. Mit Aushang vom 10. Dezember 2006 informierte der Beklagte darüber, dass Herr Personalleiter R „mit sofortiger Wirkung zusätzlich zur Personalleitung der GD M die Personalleitung für die GD B und die Bezirksdirektionen“ übernehme.

13

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2006 wies die Klägerin gegenüber dem Vorstandsmitglied Dr. H ua. darauf hin, dass ihr nicht klar sei, wie sich ihre Stellung in der Betriebshierarchie darstelle und mit welchen Verantwortlichkeiten sie ausgestattet bleibe und werde. Darüber hinaus sehe sie eine frauenspezifische Benachteiligung bei der Beförderungsentscheidung. Auch kämen auf der wirklichen Führungsebene Frauen nicht an, obwohl das Unternehmen weiblich dominiert sei.

14

Anlässlich eines Gespräches am 20. Dezember 2006 in B zwischen Herrn R, der Klägerin und den drei weiteren dort tätigen Mitarbeiterinnen der Personalverwaltung erläuterte Herr R, dass es künftig die Begriffe Personaldirektion und Personalverwaltung nicht mehr geben werde. Stattdessen existiere nur noch eine Personalabteilung, die aus der „Personalabteilung M“, die er leite, sowie aus der „Personalabteilung B“, welche die Klägerin leite, bestehe. Die Klägerin bat darum, ihr diese unveränderte hierarchische Einordnung schriftlich zu bestätigen, was Herr R zusagte.

15

Am Nachmittag dieses Tages äußerte Herr R in einem weiteren Gespräch mit der Klägerin, sie solle sich überlegen, wie sie ihre berufliche Zukunft sehe. Über dieses Gespräch hat die Klägerin einen Aktenvermerk gefertigt.

16

Das Mitglied des Vorstandes der Beklagten Dr. H teilte der Klägerin mit Schreiben vom 3. Januar 2007 ua. Folgendes mit:

        

„Der Vorstand hat entschieden, die Personaldirektion in ‚Personalabteilung‘ umzubenennen. ‚Personalabteilung‘ ist ein feststehender Begriff und für die Funktion in zahlreichen Unternehmen gebräuchlich.

        

Die fachliche und disziplinarische Leitung der Personalabteilung übernimmt der Personalleiter, Herr R.

        

Weiterhin hat der Vorstand entschieden, den Begriff ‚Personalverwaltung‘ abzuschaffen. Im Ergebnis gibt es innerhalb der GE eine Personalabteilung, welche zukünftig als Einheit GE-weit als Dienstleister tätig ist. Sie selbst sind innerhalb der Personalabteilung weiterhin als Abteilungsleiterin tätig. In dieser Funktion unterstehen Sie fachlich und disziplinarisch dem Personalleiter.

        

Die Besetzung der Position des Personalleiters durch Herrn R wurde ausschließlich aus fachlichen Erwägungen heraus getroffen. Gründe für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts sind nicht gegeben. ...

        

Ich fordere Sie daher auf, Ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zukünftig nachzukommen und im Rahmen Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen den Weisungen Ihres Vorgesetzten, Herrn Personalleiter R, nachzukommen. Dies bedeutet insbesondere, die durch den Vorstand beschlossene neue Organisationsstruktur des Personalbereichs im Rahmen der mittelfristigen Unternehmensplanung aktiv unternehmensintern und -extern mit umzusetzen.“

17

Diesem Schreiben heftete ein Klebezettel von Herrn R an, wonach er den Inhalt mit Dr. Mü abgesprochen habe und keine arbeitsrechtlichen Bedenken bestünden.

18

Mit Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 6. Februar 2007 lies die Klägerin darauf hinweisen, dass sie als Frau diskriminiert worden sei. So erhalte sie insbesondere ein deutlich geringeres Gehalt als Herr R und sei bei dessen Beförderung diskriminierend übergangen worden. Auch seien ihre Kompetenzen und Befugnisse beschränkt worden. Gleichzeitig machte sie Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens geltend, den sie auch bezifferte. Hierauf antwortete die Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 8. Februar 2007 ua., dass sich durch die Umbenennung der Personaldirektion in „Personalabteilung“ an der Position der Klägerin zunächst nichts verändere. Sie sei beauftragt mitzuteilen, dass derzeit unternehmensintern geprüft werde, ob aufgrund der vollzogenen Änderungen weitere Maßnahmen, insbesondere auch auf der Leitungsebene in M und B erforderlich seien. Die im Schreiben des Vorstandes vom 3. Januar 2007 enthaltene Anmahnung zur Einhaltung der vertraglichen Pflichten sei kein Vorwurf der Schlecht- bzw. Minderleistung. Es habe nur bedeutet, dass die Klägerin verpflichtet sei, innerhalb der bestehenden Hierarchie und Organisationsstrukturen ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und den Weisungen ihres direkten Vorgesetzten, Herrn R, nachzukommen.

19

Am 11. April 2007 traf sich in M eine Projektgruppe „Gehaltsbänder“, deren Lenkungsgremium die Klägerin angehörte. Die Einladungen der Teilnehmer waren mittels zweier E-Mails durch Frau Ha erfolgt. In den Adresszeilen waren ua. die Namen der Klägerin und des Herrn R aufgeführt. Auf die Äußerung der Klägerin: „Guten Morgen, Herr R“ erwiderte dieser den Gruß nicht, sondern entgegnete: „Was wollen Sie denn hier? Wer hat Sie denn eingeladen? Ich hätte Sie nicht eingeladen.“ Bei einem Treffen am nächsten Tag in B erläuterte Herr R seine Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin an solchen Veranstaltungen künftig per Videokonferenz teilnehmen solle. Dies diene der Kostenersparnis und ihrem effizienteren Einsatz. Als die Klägerin entgegnete, dass sie eine weitere Teilnehmerin aus dem B Haus über die Möglichkeit der Videokonferenz unterrichten wolle, antwortete Herr R, dass dies etwas ganz anderes sei.

20

Nach Einreichung der Klage mit Schriftsatz vom 4. Mai 2007 (Klageeingang am selben Tage) fand am 22. August 2007 in M ein außergerichtliches Vergleichsgespräch statt. In dessen Verlauf äußerte Dr. Mü, die Klägerin solle sich genau überlegen, ob sie einen längeren Rechtsstreit durchstehen könne, weil solche Prozesse für Arbeitnehmer generell sehr belastend seien. Auch solle sie prüfen, ob sie das körperlich und seelisch aushalte. Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte hierzu, ein längerer Prozess könne auch für die vom Beklagten benannten Zeugen unangenehm sein. Während dieses Wortwechsels erklärte Dr. Mü auch, seine Ausführungen erfolgten „off records“.

21

Mit Aushang vom 7. Januar 2008 machte der Beklagte bekannt, dass Herr R „Personalleiter der GD B, GD M und der Bezirksdirektionen“ mit Wirkung ab 1. Januar 2008 zum „Direktor Personal ernannt“ wurde.

22

Bis zur Schließung der Bezirksdirektion Ha am 30. September 1997 war Frau W dort als Bezirksdirektorin beschäftigt. Sodann wurde ihr die Position einer Sachgebietsleiterin (organisatorisch unter dem Bezirksdirektor eingestuft) in der Bezirksdirektion N angeboten, welche sie auch annahm. Drei Monate später wurde dort die Position der Leitung der Bezirksdirektion an Herrn Ba, Direktor der Direktion Außendienst in der Generaldirektion M, ohne Ausschreibung neu vergeben.

23

Mit Anzeige vom 9. April 2005 suchte der Beklagte für den Standort D eine/n Bezirksdirektor/in. Bewerber/Bewerberinnen sollten über ein Studium der Wirtschaftswissenschaften verfügen. Die Bewerbung der Frau Gr, der dortigen stellvertretenden Bezirksdirektorin, fand keine Berücksichtigung, obwohl sie über das gewünschte Studium verfügte. Nachdem zum Bewerbungsgespräch nur männliche Bewerber eingeladen worden waren, wurde ein Bewerber eingestellt, der über kein Hochschulstudium verfügt, sondern staatlich geprüfter Betriebswirt ist.

24

Anlässlich einer Abteilungsvideokonferenz im April 2008 zwischen den Standorten B und M sprach Herr R auf einen Beitrag der Klägerin diese als „Frau C“ an. Nachdem die Klägerin klargestellt hatte, dass sie sich gemeldet hatte, antwortete dieser: „Na dann wird uns Frau K in einem halben Jahr mal über den Stand unterrichten“.

25

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie wegen ihres Geschlechts bei der Besetzung der Leitungsstelle der bundesweit tätigen Personaldirektion (später: Personalabteilung) des Beklagten im Dezember 2006 übergangen worden sei und dass sie vom Beklagten nach Wahrnehmung ihrer Rechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wiederum diskriminiert, insbesondere eingeschüchtert worden sei und ihr seitens des Beklagten Kompetenzen entzogen würden. Sie meint, Indiz für ihre Diskriminierung sei ua., dass im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle in D im April 2005 und ihrer Nachfrage, weshalb Frau Gr nicht in Betracht käme, Herr Dr. Mü sinngemäß bezogen auf ein damaliges Vorstandsmitglied geantwortet habe: „Sie kennen ja Herrn Dr. Kr. Der will halt keine Frauen“. Ein weiteres Indiz ergebe sich aus dem zahlenmäßigen Vergleich der Zusammensetzung von Gesamtbelegschaft nach Geschlechtszugehörigkeit einerseits und der der Direktorenstellen andererseits. Unter Verwendung der konkreten Beschäftigungszahlen beim Beklagten und unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze für Wahrscheinlichkeitsrechnungen liege die Wahrscheinlichkeit der Geschlechterdiskriminierung einer Frau bei der Beförderung auf eine der Direktorenstellen zwischen 98,7 und 100 %. Die Wahrscheinlichkeit der Geschlechterdiskriminierung bei dem Beklagten ergebe sich auch aus den von ihr eingereichten Privatgutachten des Diplom-Mathematikers Sch vom 10. Mai 2008 und vom 26. Juli 2008. Weiteres Indiz sei die Nichtberücksichtigung von Frau S bei der Beförderung.

26

Auch sei sie durch den Aushang vom 10. Dezember 2006 betriebsöffentlich erniedrigt worden. Für ihre Benachteiligung durch den Beklagten sei auch ihre Teilzeittätigkeit und damit mittelbar ihr Geschlecht verantwortlich gewesen. Für ihre Diskriminierung sprächen ferner Vorgänge, an denen sie als Leiterin der Personalverwaltung B - im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten - nicht beteiligt worden sei. Als Reaktion auf die Geltendmachung ihrer Rechte versuche der Beklagte, ihr Kompetenzen zu entziehen. Auch habe Herr R bei dem Gespräch am Nachmittag des 20. Dezember 2006 keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihr gerade wegen ihrer Berufung auf das AGG als nicht mehr möglich ansehe. Mit Schreiben vom 3. Januar 2007 habe der Beklagte den falschen Eindruck erweckt, sie habe in der Vergangenheit ihre Pflichten nicht erfüllt.

27

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, ihr 28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen,

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, ihr in Zukunft über das bezogene Gehalt hinaus monatlich weitere 1.467,86 Euro brutto zu zahlen,

        

3.    

hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrages zu 1. und 2., den Beklagten zu verurteilen, ihr in Zukunft nach Maßgabe der Auskunft über die Vergütung des Herrn R (Gehalt bis 9. Dezember 2006) gleich dem Herrn R zu zahlen,

        

4.    

den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Entschädigung nach dem Ermessen des Gerichts zu zahlen, mindestens jedoch 60.000,00 Euro,

        

5.    

soweit nicht durch die Anträge zu 2., 3. und 4. bereits ausgeglichen, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr die materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und Juli 2008 durch das Verhalten des Beklagten entstanden sind oder künftig entstehen werden aufgrund der Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 141 EGV, § 1 AGG) durch die unterbliebene Beförderung auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des Beklagten sowie durch die sonstigen Benachteiligungen, die Maßnahmen nach § 16 AGG darstellen, aufgrund der Verletzung der Gesundheit und aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts,

        

6.    

den Beklagten zu verurteilen, ihr über die Höhe des Herrn R gezahlten variablen Entgelts für das laufende Jahr jeweils bis Ablauf des ersten Quartals im Folgejahr, beginnend mit dem 31. März 2009, Auskunft zu erteilen.

28

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

29

Er behauptet, Herr R sei Anfang 2000 beim Beklagten eingestellt worden, um die konzeptionelle Personalarbeit voranzutreiben. Er habe sich schon bei seinen früheren Arbeitgebern im Bereich der konzeptionellen, strategischen Personalarbeit einen Namen gemacht. Dies ergebe sich auch aus seinen Zeugnissen. Herr R habe ab dem Jahre 2000 für den Beklagten schwerpunktmäßig konzeptionelle Personalarbeit erbracht und ein Personalentwicklungskonzept erarbeitet, welches dem Vorstand mit Schreiben vom 1. September 2000 zugeleitet worden sei, der die Umsetzung befürwortet habe. Die Klägerin habe demgegenüber keine Erfahrungen in der Erarbeitung von strategischen, konzeptionellen Personalprojekten. Die Vorkenntnisse und Erfahrungen des Herrn R seien nicht nur für die ursprüngliche Einstellung, sondern auch für die Beförderung im Dezember 2006 maßgeblich gewesen. Schon von der Ausbildung, der sonstigen Vorbildung und den Kenntnissen her seien er und die Klägerin nicht vergleichbar. Daher sei die Klägerin als Bewerberin bei der Beförderung im Dezember 2006 schon objektiv nicht geeignet gewesen. Zwar habe ein konkretes Anforderungsprofil nicht schriftlich vorgelegen, doch habe bei den Entscheidungsträgern Einverständnis darüber bestanden, dass der neue Personalleiter Berufserfahrung in der strategischen, konzeptionellen Personalarbeit und ein einschlägiges Universitätsstudium mit Schwerpunkt Personalwesen oder ein juristisches Studium aufweisen müsse.

30

Ziel des Aushanges vom 10. Dezember 2006 sei es gewesen, die Umbenennung der Personaldirektion in Personalabteilung und die Übernahme der ehemals von Dr. Mü ausgeführten Arbeiten durch Herrn R mitzuteilen. Die Position der Klägerin als Leiterin der Personalverwaltung B sei hierdurch nicht berührt worden, insbesondere seien ihr keine Kompetenzen entzogen worden. Der Aushang sei insofern allenfalls missverständlich, jedenfalls nicht diskriminierend.

31

Soweit mit dem Schreiben der damaligen Beklagtenvertreterin vom 8. Februar 2007 weitere Maßnahmen angedeutet worden seien, sei dies Ausdruck der unternehmerischen Freiheit. Im Übrigen sei dieses Schreiben dem Beklagten im Sinne des Diskriminierungsrechts nicht zuzurechnen, da die Rechtsanwältin als Dritte gehandelt habe.

32

Die Teilnahme der Klägerin am 11. April 2007 am Treffen der Projektgruppe „Gehaltsbänder“ sei nicht notwendig gewesen. Dies zeige sich schon an ihren geringen Wortmeldungen. Es sei auch darum gegangen, die Notwendigkeit von Dienstreisen genau zu prüfen. Die Nachfrage von Herrn R beruhe darauf, dass er über die Einladung der Klägerin nicht informiert gewesen sei.

33

Bei der Nichtberücksichtigung von Frau Gr bei Bewerbungsverfahren für den Standort D im Jahre 2005 habe der ausgewählte Kandidat in dieser größten Bezirksdirektion Impulse für andere Bezirke geben sollen. Die hierfür erforderlichen Kenntnisse seien intern nicht vorhanden gewesen. Insbesondere habe Frau Gr über keine Erfahrung im externen Bereich verfügt. Das von der Klägerin vorgelegte Zahlenmaterial zum Verhältnis weibliche/männliche Mitarbeiter beim Beklagten allein sei nicht geeignet, den Nachweis einer Diskriminierung zu erbringen. Vorliegend sei schon nicht ersichtlich, wie viele Männer und/oder Frauen sich jeweils zu früheren Zeiten beworben hätten.

34

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zunächst hat das Landesarbeitsgericht mit Teilurteil vom 30. Juli 2008 die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen als sie sich gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung der Differenz zur Vergütung des Herrn R für den Zeitraum 1. Januar 2000 bis 9. Dezember 2006 gerichtet hatte. Einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung der Gehaltsdifferenz unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots hat das Landesarbeitsgericht verneint, weil die Klägerin keine der Tätigkeit des Mitarbeiters R gleichwertige Arbeit geleistet habe. Eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht gesehen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten durch Schlussurteil zur Zahlung der Differenz zwischen der Vergütung der Klägerin und der des Herrn R vom 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2008 in Höhe von insgesamt 28.214,66 Euro brutto und zeitlich unbegrenzt für die Zukunft zur Zahlung von monatlich 1.467,86 Euro brutto verurteilt. Darüber hinaus hat es den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro und zur künftigen Auskunftserteilung über die Höhe des Herrn R jeweils für das vergangene Jahr gezahlten variablen Entgelts verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der teilweise vom Landesarbeitsgericht und teilweise vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Klageabweisung in vollem Umfange. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision und Hilfsanschlussrevision im Wesentlichen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter und beantragt im Übrigen die Zurückweisung der Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

35

Die Revisionen und die Anschlussrevision sind begründet.

36

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei der Klägerin nach § 15 Abs. 1 AGG zum Schadensersatz in Höhe von 28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2008 verpflichtet, weil er sie bei der Besetzung einer Beförderungsstelle im Dezember 2006 wegen ihres Geschlechts benachteiligt habe. Die Klägerin habe mit der vorgelegten Statistik über das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Belegschaft des Beklagten einerseits und dem Frauenanteil in oberen Führungspositionen andererseits Indizien dargelegt, welche ihre Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen. Als ausreichendes Indiz iSd. § 22 AGG für die Geschlechterdiskriminierung bei der Beförderung genüge, dass beim Beklagten alle 27 Führungspositionen mit Männern besetzt seien, obwohl Frauen 2/3 der Belegschaft stellten. Dies könne nicht darauf beruhen, dass Familie und Beruf schwer vereinbar seien, weil dies sich nur darauf auswirke, ob eine Frau sich überhaupt für die Berufstätigkeit entscheide, nicht jedoch darauf, welche Hierarchiestufe sie erreiche. Aus signifikanten Zuständen der Vergangenheit, dass nämlich auch Frau G die Funktion der Personaldirektorin nur kommissarisch übertragen worden sei und dass es seit 1976 keine weitere Direktorin, Bezirksdirektorin oder Vorstandsfrau beim Beklagten gebe, könne auf die Gegenwart geschlossen werden. Demgegenüber sei dem Beklagten nicht der Nachweis gelungen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen habe. Insbesondere sei sein Vortrag, es sei bei den wesentlichen Entscheidungsträgern klar gewesen, dass Voraussetzung für die streitgegenständliche Beförderung ein einschlägiges juristisches oder ein Universitätsstudium mit Schwerpunkt Personalwesen sowie Kenntnisse und Erfahrungen in der Personalentwicklungsarbeit sei, unsubstantiiert. Da der Beklagte seine Auswahlkriterien vorab nicht nach außen dokumentiert habe, könne er sich auch nicht mehr auf diese berufen. Dies gelte auch, soweit er damit die mangelnde objektive Eignung der Klägerin begründen wolle. Von der mangelnden Eignung der Klägerin könne auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil diese wie Herr R bereits zuvor die Personalverwaltung einer Generaldirektion geleitet habe. Bei diskriminierungsfreier Auswahl wäre die Klägerin die am besten geeignete Bewerberin gewesen. Die Höhe des materiellen Schadensersatzes entspreche der Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen Vergütung und der Vergütung, die auf der höherwertigen Stelle gezahlt werde. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe und für ein Mitverschulden der Klägerin lägen nicht vor.

37

Die Klage auf Zahlung der künftigen Gehaltsdifferenzen iHv. monatlich 1.467,86 Euro brutto sei zulässig und begründet, weil die Besorgnis bestehe, dass der Beklagte die Zahlung nicht freiwillig erbringen werde. Dieser Anspruch sei zeitlich unbegrenzt, weil die Rechtsgedanken der § 628 BGB, §§ 9, 10 KSchG hier nicht einschlägig seien. Aus denselben Erwägungen sei auch die Klage auf Auskunft über die Höhe des an Herrn R gezahlten variablen Entgelts begründet.

38

Ferner sei der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 20.000,00 Euro wegen einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Art. 1, 2 GG iVm. § 823 BGB, zu zahlen. Sie sei bei der Beförderung wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden, weshalb eine Entschädigung iHv. 4.000,00 Euro gerechtfertigt und angemessen sei. Schließlich werde die Klägerin, nachdem sie sich gegen den Eindruck des Kompetenzentzuges durch den Aushang vom 10. Dezember 2006 und eine Diskriminierung bei der Beförderungsentscheidung wehre, herabgewürdigt und bewusst unter Druck gesetzt. Dies zeige die Bemerkung des Herrn R vom 20. Dezember 2006, dass die Klägerin über ihre berufliche Zukunft nachdenken solle, und das Schreiben vom 3. Januar 2007, in dem sie aufgefordert wurde, zukünftig ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und der daran befindliche Klebezettel. Dafür spreche auch das Schreiben vom 8. Februar 2007, in dem Überlegungen zu Änderungen auf der Leitungsebene angekündigt wurden, das Verhalten des Herrn R am 11. April 2007 und bei der Videokonferenz im April 2008 sowie der Einschüchterungsversuch des Herrn Dr. Mü beim außergerichtlichen Vergleichsgespräch am 22. August 2007. Die entsprechenden Verhaltensweisen seien auch dem Beklagten zuzurechnen. Für die zeitlich der unterbliebenen Beförderung nachfolgenden Handlungen sei eine Entschädigung von 16.000,00 Euro gerechtfertigt. Der darüber hinausgehende, von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch stehe ihr nicht zu.

39

Der geltend gemachte Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten für die der Klägerin bis Juli 2008 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden sei in großen Teilen unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, welche weiteren materiellen und immateriellen Ansprüche über die bereits geltend gemachten hinaus in Betracht kommen könnten.

40

B. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

41

I. Die Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen ist zwar zulässig, aber nicht zur Endentscheidung reif.

42

1. Die Klage ist ausreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus den in der Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2008 eingereichten Vergütungstabellen, in deren Kontext der Antrag erstmals beziffert worden ist, ergibt sich, dass er sich auf entgangenen Mehrverdienst für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis einschließlich 31. Juli 2008 bezieht und die dem Mitarbeiter R im Jahre 2007 gezahlte variable Vergütung in Höhe von 8.291,00 Euro enthält. Auch der Übergang von der Stufenklage zur bezifferten Zahlungsklage in der zweiten Instanz war zulässig. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass es sich hierbei nicht um eine Klageänderung gehandelt hat (vgl. BGH 21. Februar 1991 - III ZR 169/88 - NJW 1991, 1893).

43

2. Den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von 28.214,66 Euro brutto nebst Zinsen hat das Landesarbeitsgericht mit einer Begründung bejaht, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält.

44

a) Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, dass die Begründetheit des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach dem AGG zu beurteilen ist. Gem. § 33 AGG ist auf mögliche Benachteiligungen eines Beschäftigten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, welche seit dem 18. August 2006 stattgefunden haben, das AGG anzuwenden. Die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der streitbefangenen Personalentscheidung erfolgte nicht vor dem 9. Dezember 2006 und damit nach dem 17. August 2006.

45

b) Die Klägerin ist Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG, ohne dass es hierfür darauf ankäme, ob sie für die Position der Leiterin der übergeordneten Personalabteilung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung eines Bewerbers ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG(Senat 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534).

46

c) Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG und die dreimonatige des § 61b Abs. 1 ArbGG für die schriftliche und die gerichtliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs sind durch das Schreiben der Klägerin vom 6. Februar 2007, dem Beklagten spätestens am 8. Februar 2007 zugegangen, und die am 4. Mai 2007 eingegangene Klage gewahrt. Dabei kann offenbleiben, ob § 61b Abs. 1 ArbGG Schadensersatzansprüche gem. § 15 Abs. 1 AGG überhaupt erfasst. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Klägerin am 9. Dezember 2006 telefonisch mitgeteilt, dass der Mitarbeiter R definitiv Nachfolger des Personaldirektors Dr. Mü werde. Damit begann die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 ArbGG erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen, § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG.

47

d) Ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG setzt voraus, dass der Anspruchsgegner gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen hat(vgl. Senat 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1 zum Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG).

48

Der Begründung des Landesarbeitsgerichts, warum die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Übertragung der Aufgaben des Dr. Mü auf einen Nachfolger eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts (§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) darstellt, folgt der Senat nicht.

49

aa) Die Klägerin macht geltend, sie sei deshalb nicht Nachfolgerin des Dr. Mü geworden, weil sie eine Frau sei.

50

Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt dann vor, wenn die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft(vgl. Senat 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Anknüpfung verdeckt oder offen erfolgt. Eine verdeckte Diskriminierung ist nicht stets eine mittelbare Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Benachteiligung können offen oder verdeckt erfolgen, je nachdem, ob direkt an ein verbotenes (unmittelbare Diskriminierung) bzw. nur dem Anschein nach neutrales Merkmal (mittelbare Diskriminierung) offen oder verdeckt angeknüpft wird (vgl. Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 14; Richardi NZA 2006, 881). Die Frage, ob es sich bei verdeckter Diskriminierung in Form von tatsächlich unmittelbar an das Geschlecht anknüpfenden Beförderungsentscheidungen um eine mittelbare oder eine unmittelbare Diskriminierung handelt, war nicht gem. Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.

51

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nämlich letztlich nicht darauf an, ob eine verdeckte Benachteiligung eine mittelbare oder eine unmittelbare Benachteiligung darstellt, weil die Beweislastregel des § 22 AGG allgemein für Benachteiligungen iSd. AGG und damit entsprechend der Vorgabe des Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (im Folgenden: RL 2006/54/EG) sowohl für eine unmittelbare als auch für eine mittelbare Diskriminierung gilt.

52

bb) Zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ungünstiger behandelt worden ist als der Mitarbeiter R, dem als Nachfolger von Dr. Mü die Leitung der Personalabteilung übertragen worden ist. In dieser Maßnahme des Beklagten lag eine Beförderung, die nach dem anzulegenden objektiven Maßstab vorteilhaft war. Die Übertragung höherwertiger oder verantwortungsvollerer Tätigkeiten stellt grundsätzlich eine günstige Behandlung in Form des beruflichen Aufstiegs dar. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im Streitfalle - einem Arbeitnehmer Funktionen eines Mitarbeiters übertragen werden, der auf einer höheren Hierarchiestufe angesiedelt war. Dr. Mü war als Personaldirektor auf der Ebene der Direktoren angesiedelt. Dementsprechend wurde auch der Mitarbeiter R nach Übertragung der von jenem ausgeübten Tätigkeiten zum 1. Januar 2008 zum „Direktor Personal“ ernannt.

53

Für die Annahme einer Benachteiligung der Klägerin ist es unmaßgeblich, dass sie sich für die Position des Personalleiters nicht beworben hatte. Eine Benachteiligung iSd. § 3 AGG kann auch vorliegen, wenn eine Bewerbung deshalb unterblieben ist, weil der Arbeitgeber - wie im Streitfalle - seine Auswahl ohne eine Ausschreibung der Stelle oder eine Aufforderung zu Bewerbungen getroffen hat.

54

cc) Ebenfalls zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Klägerin sei in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt worden als der Mitarbeiter R.

55

Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 AGG setzt voraus, dass die Klägerin objektiv für die Position der Leiterin der Personalabteilung geeignet war, denn vergleichbar(nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern die Anforderungen, welche der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (Bestätigung und Fortführung von: Senat 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534). Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt.

56

Das Landesarbeitsgericht hat die objektive Eignung der Klägerin mit einer Hauptbegründung und einer Hilfsbegründung bejaht. Zumindest letztere hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

57

So geht das Landesarbeitsgericht in dieser davon aus, dass von der objektiven Eignung der Klägerin für die Leitung der Personalabteilung vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Tätigkeit ausgegangen werden müsse. Ob dieses Merkmal, wie das Landesarbeitsgericht annimmt, nur dann zu verneinen ist, wenn die Eignung offensichtlich fehlt, braucht ebenso wenig entschieden zu werden wie die Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 22 AGG in diesem Zusammenhang. Der Beklagte wäre bereits nach den allgemeinen Grundsätzen des § 138 ZPO gehalten gewesen darzulegen, inwiefern die Klägerin objektiv für die Position der übergeordneten Personalleitung nicht geeignet war. Sie war unstreitig seit 1995 stellvertretende Leiterin der Personalverwaltung der Generaldirektion B mit 340 Mitarbeitern, leitete diese Ende der 1990er-Jahre bereits für fünf Monate faktisch, übernahm jedenfalls ab 2003 die Aufgaben der Leitung offiziell und wurde zum 1. Januar 2006 zur Abteilungsleiterin der Generaldirektion B ernannt. Sie war dabei im gleichen Umfange wie ihr Kollege R zeichnungsberechtigt und nahm klassische Aufgaben der Personalleitung, wie etwa die Durchführung von Bewerbungsgesprächen, das Verfassen von Abmahnungen oder die Fertigung von Betriebsratsanhörungen vor Kündigungen wahr. Sowohl bei früheren Arbeitgebern als auch bei dem Beklagten führte sie Tätigkeiten durch, welche dem Bereich der Personalentwicklung zuzuordnen waren. Bei dieser Sachlage hätte es dem Beklagten oblegen, im Einzelnen darzutun, inwieweit sich die bisher von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten von denen unterscheiden, die ihr Kollege R bislang erledigt hatte, und welche weiteren fachlichen und/oder persönlichen Anforderungen der Mitarbeiter R im Gegensatz zur Klägerin erfüllte. Der Beklagte hat sich aber nur abstrakt darauf berufen, Voraussetzungen für die Leitung der Personalabteilung seien ein einschlägiges Universitätsstudium und Vorkenntnisse im Bereich der konzeptionellen, strategischen Personalarbeit gewesen. Hinsichtlich der anfallenden Tätigkeiten führt er nur aus, der Personalleiter agiere als Bindeglied zum Vorstand und berate diesen rechtlich. Weiter obliege ihm die mittelfristige Unternehmensplanung im Hinblick auf die Personalstrategie sowie die alleinige konzeptionelle Verantwortung. Dies ist im Hinblick auf die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und die Kenntnisse des Stelleninhabers nicht aussagekräftig. Auch erläutert der Beklagte nicht eindeutig, was er unter „moderner“ oder „strategisch konzeptioneller“ Personalarbeit versteht, die nach seinem Vortrag vor der Einstellung des Dr. Mü im Jahre 1999 bei ihm nicht stattgefunden hat.

58

dd) Die Eignung der Klägerin ist auch nicht infolge des Teilurteils des Landesarbeitsgerichts vom 30. Juli 2008 zu verneinen. Mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Februar 2009 (- 5 AZN 1023/08 -) ist das Teilurteil formell rechtskräftig geworden, weil die von der Klägerin eingelegte Verfassungsbeschwerde kein Rechtsmittel darstellt und den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft nicht hemmt (BAG 16. Januar 2003 - 2 AZR 735/00 - AP ZPO § 322 Nr. 38 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 166). Der ausschlaggebende, die Klageabweisung tragende Grund wird Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und ist nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BGH 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - NJW 1993, 3204). Auch wenn insofern die tatsächlichen Feststellungen nicht an der Rechtskraft der gefällten Entscheidung teilhaben, darf diese nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Zu den Rechtskraftwirkungen gehört deshalb die Präklusion der im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, welche zu einer Abweichung von einer rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen (BGH 11. November 1994 - V ZR 46/93 - NJW 1995, 967). Die Feststellung im Teilurteil, die Positionen, auf welche die Klägerin einerseits und der Mitarbeiter R andererseits ursprünglich eingestellt worden seien, seien nicht auf der gleichen Hierarchiestufe angesiedelt gewesen, sagt jedoch über die objektive Eignung der Klägerin für die im Dezember 2006 besetzte Beförderungsstelle nichts aus. Gleiches gilt für die unterschiedliche Qualität der jeweils absolvierten Ausbildungen, von der das Teilurteil ausgeht, und wegen der es ua. auch die Gleichwertigkeit der bisherigen Tätigkeiten der Klägerin und des Mitarbeiters R verneint hat. Es ist nämlich unklar, welche zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten die Beförderungsstelle erfordert.

59

ee) Die Verfahrensrüge des Beklagten gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Eignung der Klägerin greift nicht durch. Auch soweit er die richterliche Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO für verletzt hält, weil das Landesarbeitsgericht seinen Vortrag als unsubstantiiert angesehen und keinen Beweis erhoben habe, ohne vorher von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen, ist die Verfahrensrüge ebenfalls unbegründet. Von einer Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat insoweit gem. § 564 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG ab.

60

ff) Erfolg hat jedoch die Rüge des Beklagten gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Benachteiligung der Klägerin sei wegen ihres Geschlechts erfolgt.

61

Eine unzulässige Benachteiligung nach § 7 AGG kann bereits dann vorliegen, wenn einer der in § 1 AGG genannten Gründe, zu denen auch das Geschlecht zählt, Bestandteil eines Motivbündels war, das die streitbefangene Entscheidung beeinflusst hat(st. Rspr., vgl. Senat 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - NZA 2010, 1006; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - DB 2010, 1534).

62

Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann eine solche Mitursächlichkeit nicht angenommen werden.

63

Der Beklagte rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO durch die Annahme verletzt, bereits das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis in seiner Belegschaft einerseits und die ausschließlich männliche Besetzung von 27 Positionen auf der Ebene des Vorstandes, der Direktoren und der Bezirksdirektoren andererseits sei ein ausreichendes Indiz dafür, dass das Geschlecht der Klägerin(auch) Motiv für die unterbliebene Beförderung gewesen sei.

64

Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die Klägerin Tatsachen vorgetragen hat, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals iSd. § 1 AGG vermuten lassen(§ 22 AGG), ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in sich widerspruchsfrei beachtet worden sind (Senat 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - EzA AGG § 15 Nr. 6).

65

Nach der gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchssteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Senat 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - EzA AGG § 15 Nr. 6).

66

Hat der Antragssteller ein Indiz vorgetragen, welches die überwiegende Wahrscheinlichkeit begründet, dass er wegen eines verpönten Merkmals benachteiligt worden ist, muss nunmehr der Arbeitgeber seinerseits den vollen Beweis führen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat (Senat 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - EzA AGG § 15 Nr. 6). Die Würdigung, ob der Anspruchssteller der durch § 22 AGG modifizierten Darlegungslast genügt hat, unterliegt damit ebenso der freien Überzeugung des Tatsachengerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO wie dies hinsichtlich der Erbringung des „Vollbeweises“ durch die darlegungs- und beweispflichtige Partei der Fall ist(vgl. zu § 611a BGB aF: Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).

67

Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand.

68

Zunächst ist dessen Annahme, dass sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Geschlechterdiskriminierung ergeben können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. So weist bereits die Gesetzesbegründung zu § 22 AGG ausdrücklich darauf hin, dass „auch die Ergebnisse von Statistiken … im Rahmen der richterlichen Würdigung des Sachverhalts einen tatsächlichen Anhaltspunkt“ für eine Benachteiligung „darstellen können“(BT-Drucks. 16/1780 S. 47). Eine Begrenzung auf Fälle mittelbarer Diskriminierung ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen und auch nicht geboten. Ausreichend sind nämlich für die Vermutungswirkung des § 22 AGG solche Indizien, die aus einem regelhaft einem Merkmalsträger gegenüber geübten Verhalten auf eine solchermaßen(mit) motivierte Entscheidung schließen lassen (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Eine Vermutung für ein derartig regelhaftes Verhalten kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten aussagekräftig sind. Gegen die Berücksichtigung von Statistiken im Rahmen des § 22 AGG spricht nicht, dass damit möglicherweise von in der Vergangenheit erfolgten Diskriminierungen auf die Gegenwart geschlossen wird. Ein regelhaft einem Geschlecht gegenüber geübtes Verhalten kann nämlich gerade nur durch die Betrachtung der Vergangenheit ausgemacht werden. Auch in der Literatur wird ganz überwiegend angenommen, dass aussagekräftige Statistiken im Rahmen des § 22 AGG eine Rolle spielen können(Wendeling-Schröder/Stein AGG § 22 Rn. 25; Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 30; Rühl/Schmid/Viethen AGG S. 169; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 29; Boemke/Dankow AGG im Arbeitsrecht § 10 Rn. 14; Grobys NZA 2006, 898; Windel RdA 2007, 1; Bauer/Evers NZA 2006, 893; Bayreuther NJW 2009, 806; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 11; Dahm BB 2010, 1792).

69

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Oktober 2005 (- 3 AZR 506/04 - BAGE 116, 152 = AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 13 = EzA EG-Vertrag 1999 Art. 141 Nr. 19). Dort wird die Heranziehung von Statistiken nicht generell abgelehnt, sondern vorgelegtes Datenmaterial für die Vermutung der behaupteten Diskriminierung als nicht hinreichend aussagekräftig bewertet.

70

Die Klägerin macht als unmittelbares Indiz für ihre Benachteiligung eine „gläserne Decke“ zwischen der Hierarchieebene, auf der sie tätig ist (Abteilungsleiterebene), und derjenigen, auf die sie bei benachteiligungsfreier Auswahl nach ihrer Meinung hätte aufsteigen müssen (Direktorenebene), geltend. Damit behauptet sie, dass Frauen regelhaft nicht in bestimmte Hierarchieebenen des Beklagten aufsteigen können. Darüber, ob eine solche Vermutung begründet ist, kann nur die statistische Betrachtung der Beförderungspolitik des Arbeitgebers Aufschluss geben, soweit sie die fraglichen Hierarchieebenen betrifft.

71

Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in sich widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze berücksichtigt. Es hat aus der Besetzung der Positionen auf der Ebene oberhalb der Abteilungsdirektoren mit Männern und Frauen im Verhältnis zum Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft darauf geschlossen, dass der unstreitig weit unterdurchschnittliche Frauenanteil in den oberen Führungsebenen des Beklagten auf einer „gläsernen Decke“ beruhe. Daraus hat das Berufungsgericht auf eine regelhafte Benachteiligung von Frauen wegen des Geschlechts in der Vergangenheit geschlossen. Allein das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Gesamtbelegschaft und dem in oberen Führungspositionen lässt allerdings einen Rückschluss auf die Ungleichbehandlung von Frauen beim beruflichen Aufstieg in bestimmte Hierarchieebenen eines Unternehmens nicht zu. Der Schluss auf eine regelhafte Nichtberücksichtigung von Frauen bei Beförderungsentscheidungen macht zwar nicht erforderlich, dass vom Bewerber im Rahmen der Darlegung von Indizien (§ 22 Halbs. 1 AGG) oder vom Arbeitgeber im Rahmen der Vermutungswiderlegung (§ 22 Halbs. 2 AGG) alle konkreten Bewerbersituationen bei den bisherigen Beförderungsentscheidungen dargelegt werden. Eine Benachteiligung kann nämlich auch gerade in der Gestaltung des dem Bewerbungsverfahren zeitlich vorgelagerten Verfahrens liegen (vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Um beurteilen zu können, ob signifikant weniger Frauen als Männer die Hierarchiestufe oberhalb einer angenommenen „gläsernen Decke“ erreichen, bedarf es allerdings der Feststellung, wie viele Frauen überhaupt unterhalb dieser angekommen sind. Darüber gibt der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft keinen Aufschluss.

72

Es ist nicht frei von Denkfehlern, wenn das Landesarbeitsgericht ergänzend zu dem Gesamtanteil an der Belegschaft darauf abstellt, bei dem Beklagten wäre mit einem Frauenanteil von 44 % auf den Ebenen vom Abteilungsdirektor abwärts bis zu den sonstigen AT-Beschäftigen „ein genügend großes Reservoire zur Beförderung auch von Frauen“ vorhanden gewesen. Hierfür müsste nämlich feststehen, welche Positionen auf den Ebenen „Abteilungsdirektor aufwärts“ im Einzelnen existieren und von welchen Positionen darunter liegender Ebenen tatsächlich eine Beförderung dorthin denkbar war und ist. So wird beispielsweise die Personalleiterin einer Generaldirektion üblicherweise nicht auf die Position einer Marketingdirektorin befördert. Auch ansonsten besteht nicht für jeden Inhaber einer Position einer niedereren Ebene objektiv betrachtet eine Beförderungsmöglichkeit auf eine höhere Ebene.

73

Selbst unter der Prämisse, es existiere aufgrund des Frauenanteils beim Beklagten tatsächlich ein Reservoire für Beförderungen von Frauen auf die Führungsebenen oberhalb der behaupteten „gläsernen Decke“, berücksichtigt das Landesarbeitsgericht in seiner Annahme, es bestehe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine „gläserne Decke“, nicht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände. Als mögliche Gründe für die mangelnde Repräsentation von Frauen oberhalb einer bestimmten Ebene geht das Landesarbeitsgericht nämlich im Ergebnis nur von echtem Zufall oder einer diskriminierenden Haltung des Beklagten aus. So wertet es den Einwand des Beklagten, zahlreiche Direktoren hätten Betriebszugehörigkeiten von mehr als 30 Jahren, lediglich als Eingeständnis, in der Vergangenheit sei möglicherweise „eine Politik der Benachteiligung von Frauen“ vorhanden gewesen. Allein die Tatsache, dass bei einem Arbeitgeber in Führungspositionen zahlreiche Männer mit sehr langen Betriebszugehörigkeiten arbeiten, begründet ohne weitere Anhaltspunkte nicht die Vermutung für eine frühere diskriminierende Haltung des Arbeitgebers gegenüber Frauen.

74

Soweit das Landesarbeitsgericht die gesellschaftlichen Verhältnisse bei seiner Würdigung der Geschlechterverteilung nicht berücksichtigen will, hält auch dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht übersieht dabei, dass ein Arbeitgeber gar nicht in der Lage, geschweige denn verpflichtet ist, gesellschaftliche Gegebenheiten, die der Erwerbstätigkeit und/oder dem beruflichen Aufstieg von Frauen entgegenstehen, durch seine Personalpolitik auszugleichen. Insoweit widerspricht es allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Berufungsgericht annimmt, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf könne sich nicht auf den Anteil von Männern und Frauen in höheren Hierarchieebenen auswirken, weil damit allenfalls erklärt werde, dass Frauen sich generell nicht im selben Maße wie Männer für eine Berufstätigkeit entscheiden. Es entspricht vielmehr allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein beruflicher Aufstieg häufig eine nicht unerhebliche Flexibilität voraussetzt (zB Bereitschaft zur Leistung von Überstunden, Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und Tagungen, Durchführung von Dienstreisen und Versetzungsbereitschaft an andere Standorte), welche sich mit der häufig von Frauen ausschließlich oder überwiegend wahrgenommenen Kindererziehung nicht oder nur schlecht vereinbaren lässt, und die auf niedrigeren Hierarchiestufen nicht in gleichem Maße gefordert wird. Auch wirken sich längere Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit wegen Arbeitsfreistellungen infolge von Schwangerschaft, Mutterschutz und (bislang überwiegend von Frauen in Anspruch genommener) Elternzeit negativ auf die Chancen zum beruflichen Aufstieg aus, obwohl der Arbeitsplatz als solcher während dieser Zeiten der Arbeitnehmerin grundsätzlich garantiert ist. Dabei müssen solche Aufstiegsvoraussetzungen bzw. „-hindernisse“ durchaus nicht ihrerseits immer verbotene Diskriminierungen von Arbeitnehmerinnen darstellen. Häufig könne diese iSd. § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt oder in Einzelfällen sogar nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig sein.

75

Dass nicht die genannten Faktoren, sondern eine regelhaft diskriminierende Beförderungspolitik des Beklagten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Grund für die fehlende Repräsentation von Frauen auf den Führungsebenen der Beklagten ist, ist auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angeführten Vergleichszahlen anderer Unternehmen zu folgern. Der Vergleich des Anteils von Frauen auf Führungspositionen bei anderen Unternehmen stellt kein Indiz für das Vorliegen einer „gläsernen Decke“ beim Beklagten dar. Es fehlt insoweit an vergleichbarem und damit aussagekräftigem Tatsachenmaterial. Insbesondere soweit das Berufungsgericht zum Vergleich den hohen Anteil von weiblichen Führungskräften bei privaten Banken, im Gesundheits- und Sozialwesen, in der privaten Dienstleistungsbranche und bei obersten Bundesbehörden anführt, ist festzustellen, dass der Beklagte als Verwertungsgesellschaft urheberrechtlicher Nutzungsrechte an Musikwerken grundsätzlich andere Aufgaben wahrnimmt als die vom Landesarbeitsgericht zum Vergleich herangezogenen Unternehmen und es somit an einer Vergleichbarkeit der Branchen fehlt. In der Regel muss nämlich nach Vergleichszahlen in der jeweils vergleichbaren Branche und Berufsgruppe gefragt werden (Bayreuther NJW 2009, 806). Selbst bei Heranziehung von Vergleichszahlen aus derselben Branche zeigen diese nur, welcher Frauenanteil dort üblich ist. Für die Vermutung, dass im hier zu entscheidenden Einzelfalle eine Frauendiskriminierung vorliegt, reicht dies aber nicht aus. Es fehlt sowohl an der Üblichkeit als auch an irgendwelchen rechtlichen Vorgaben dafür, dass auf allen Hierarchieebenen eines Unternehmens eine annähernd gleiche Verteilung der Geschlechter vorliegen muss. Dazu sind die Tätigkeiten in Führungspositionen und solche in unteren Ebenen (zB Produktion, Verwaltung) zu unterschiedlich. Dies gilt vor allem auch hinsichtlich des Anforderungsprofils, das an die Stelleninhaber zu stellen ist.

76

Da das AGG bei der Überprüfung von Beförderungsentscheidungen auf den Einzelfall abstellt, genügt es im Regelfall auch nicht für ein „Indiz“ iSd. § 22 AGG, wenn lediglich „auffällige Ungleichgewichte“ beim Frauenanteil in verschiedenen Hierarchieebenen eines Unternehmens vom Anspruchssteller anhand von Statistiken bewiesen sind(vgl. auch Wendeling-Schröder FS Pfarr S. 158). Für die Annahme einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung von Frauen bei Beförderungsentscheidungen bedarf es über die bloße Statistik hinaus weiterer Anhaltspunkte.

77

Zudem ist unklar, auf welchen Zeitraum sich die Zahlenangaben des Landesarbeitsgerichts beziehen und inwieweit der vom Landesarbeitsgericht verwendete Begriff der „Führungsposition“ mit den streitbefangenen „Führungspositionen“ beim Beklagten vergleichbar ist. Gleiches gilt, soweit das Landesarbeitsgericht ganz allgemein auf den Frauenanteil in „Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten“ oder auf „Großunternehmen (mindestens 20 Mio. € Jahresumsatz und/oder über 200 Beschäftigte)“ abstellt.

78

Die Frage, ob eine „gläserne Decke“ die Vermutung für eine Benachteiligung der Klägerin iSd. § 22 AGG begründen kann, oder unter welchen Voraussetzungen auf das Vorliegen einer solchen zu schließen ist, war nicht gem. Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen. Diese Fragen sind zwar entscheidungserheblich, betreffen aber nicht die Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Vielmehr stellt die Beweiswürdigung iSd. § 22 AGG durch das nationale Gericht ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts dar, die durch das Gemeinschaftsrecht gerade keine Regelung erfahren hat und damit dem nationalen Gericht vorbehalten bleibt. Art. 19 Abs. 1 der RL 2006/54/EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Der Erfüllung dieser europarechtlichen Vorgabe dient § 22 AGG. Wann das nationale Gericht eine glaubhaft gemachte Tatsache als ausreichendes Indiz für die behauptete Diskriminierung anzusehen hat, ist nicht Regelungsgegenstand der RL 2006/54/EG. Dies macht Nr. 30 der Erwägungen zur Richtlinie deutlich. Dort heißt es: „Es ist jedoch klarzustellen, dass die Bewertung der Tatsachen, die das Vorliegen einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, weiterhin der einschlägigen einzelstaatlichen Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten obliegt“.

79

Auch die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgericht hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht nimmt hilfsweise an, die fehlende weibliche Besetzung von Führungspositionen zusammen mit der Tatsache, dass der früheren Mitarbeiterin G die Funktion der Personaldirektorin nur kommissarisch übertragen worden sei und es seit 1976 keine weitere Direktorin mehr bei dem Beklagten gegeben habe, lasse es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass das Geschlecht der Klägerin Motiv für die unterbliebene Beförderung gewesen sei. Bei dieser Würdigung lässt das Landesarbeitsgericht wesentliche Umstände außer Betracht. Wie dargelegt kommt allein dem Anteil der Frauen in der Ebene oberhalb der Abteilungsleiter nicht die vom Landesarbeitsgericht angenommene Vermutungswirkung zu. Die Tatsache, dass seit 30 Jahren bei dem Beklagten keine Frau Direktorin war, hat ohne Zahlenmaterial darüber, ob und ggf. in welchem Umfange es externe oder interne Bewerbungen von Frauen oder im Betrieb für die Beförderungsstelle geeignete Mitarbeiterinnen gegeben hat, keine Aussagekraft. Es kann nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht vermutet werden, dass in den vergangenen 30 Jahren so viele geeignete Mitarbeiterinnen zur Verfügung gestanden haben, dass die mangelnde Besetzung von Direktorenstellen mit Frauen auf Diskriminierungen beruht hat. Auch insoweit hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht gesellschaftliche Faktoren nicht in seine Würdigung mit einbezogen.

80

Die nur kommissarische Übertragung der Funktion der Personaldirektorin auf die frühere Mitarbeiterin G in den 1990er-Jahren entfaltet keine Vermutungswirkung für eine „gläsernen Decke“. Als Indiz iSd. § 22 AGG für ein generell frauenfeindliches Umfeld ist diese, über zehn Jahre zurückliegende nur kommissarische Übertragung der Direktorenposition auf die Mitarbeiterin G nicht geeignet.

81

3. Die Verletzung des § 22 AGG iVm. § 286 Abs. 1 ZPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils(§ 563 ZPO), weil dieses sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO).

82

a) Das Urteil erweist sich nicht deshalb als zutreffend, weil etwa Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Beförderung des Mitarbeiters R unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung und der dadurch möglicherweise bedingten geringeren Kenntnisse und Erfahrungen in der konzeptionellen Personalarbeit benachteiligt worden ist. Insbesondere kann die Übertragung der Aufgaben der konzeptionellen Personalarbeit auf den Mitarbeiter R statt auf die Klägerin im Januar 2000 nicht darauf beruht haben, dass die Klägerin teilzeitbeschäftigt war. Ihre Arbeitszeitverringerung erfolgte nämlich nach der bindenden Feststellung des Landesarbeitsgerichts erst ab Mai 2001. Soweit der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat, die Klägerin habe wegen ihrer Teilzeittätigkeit aus zeitlichen Gründen ab dem Jahre 2000 nicht die Möglichkeit gehabt, Aufgaben der konzeptionellen Personalarbeit zu erledigen, beruht dieser Sachvortrag ersichtlich auf einem Versehen.

83

b) Der Senat ist nicht in der Lage, im Hinblick auf die weiteren vom Berufungsurteil festgestellten und als Indizien für eine Diskriminierung der Klägerin in Betracht kommenden Umstände in der Sache selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, weil er seine Würdigung der Indizien nach § 286 ZPO nicht an die Stelle der Würdigung durch das Tatsachengericht setzen darf. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine abschließende Aufklärung und Gesamtbetrachtung aller von der Klägerin vorgetragenen Hilfstatsachen vorgenommen. Werden aber von dem Arbeitnehmer, der eine Benachteiligung geltend macht, Hilfstatsachen vorgetragen, die jeweils für sich allein betrachtet nicht ausreichen, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbeizuführen, ist vom Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob diese Hilfstatsachen zur Begründung der Vermutungswirkung geeignet sind(vgl. zu § 611a BGB aF: Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Hierbei wird das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung, ob die Gesamtbetrachtung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei dem Beklagten ein Umfeld gegeben ist, das dem beruflichen Aufstieg von Frauen generell ablehnend gegenüber steht, ua. folgende Umstände mit einzubeziehen haben: die Vergabe der Funktion der Leitung der Bezirksdirektion N an den Mitarbeiter Ba statt an die vormalige Bezirksdirektorin der geschlossenen Bezirksdirektion Ha, W, im Jahre 1997, die unterbliebene Berücksichtigung der stellvertretenden Bezirksdirektorin des Standortes D, Gr, auf die Position der Bezirksdirektorin des Standortes zugunsten eines männlichen Bewerbers, der nicht über das geforderte Hochschulstudium verfügte im Jahre 2005, und die Tatsache, dass nur Männer als Beobachter für das 2007 durchgeführte Entwicklungsaudit für die Ebenen Abteilungsdirektor/Abteilungsleiter fungierten. Des Weiteren könnte es eine Indizwirkung iSd. § 22 AGG entfalten, wenn es zuträfe, dass Dr. Mü der Klägerin im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Beförderung der Mitarbeiterin Gr bezogen auf ein damaliges Vorstandsmitglied mitgeteilt hatte, dass dieser keine Frauen wolle, und wenn Männer bei dem Beklagten stets spätestens nach zwei Jahren bei entsprechender Tätigkeit den Direktorentitel verliehen erhielten. Hinsichtlich der zeitlich nach Klageerhebung liegenden Vorfälle wird das Berufungsgericht insbesondere auch berücksichtigen müssen, inwieweit diese Indizien für die Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts sind oder lediglich - wenn auch möglicherweise das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzende - Reaktionen auf einen bestehenden Konflikt darstellen und als solche mit dem Geschlecht der Klägerin nicht im Zusammenhang stehen.

84

II. Die Revision des Beklagten ist auch begründet, soweit er sich gegen seine Verurteilung zu einer monatlichen Zahlung von 1.467,86 Euro brutto wendet.

85

Ein entsprechender Anspruch der Klägerin gem. §§ 1, 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1 AGG kann mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht bejaht werden. Dessen Schlussfolgerung, die Klägerin sei wegen ihres Geschlechts nicht befördert und damit unzulässig benachteiligt worden, hält - wie oben dargelegt - einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

86

C. Begründet sind die Revisionen der Klägerin und des Beklagten soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro richten.

87

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

88

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die von ihr begehrte Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Ein solcher Klageantrag ist hier zulässig, weil die Bestimmung der Höhe des Anspruchs von billigem Ermessen abhängt und damit dem Gericht ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Ist die Höhe des Anspruchs nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Klageantrag zulässig, wenn der Kläger Tatsachen benennt, die das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung heranziehen soll, und die Größenordnung der Forderung angibt (vgl. Senat 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - mwN, EzA AGG § 3 Nr. 1). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, den das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung heranziehen soll und der es grundsätzlich ermöglicht, eine Entschädigung zu bestimmen. Ferner hat die Klägerin Angaben zur Größenordnung der Entschädigung, nämlich mindestens 60.000,00 Euro, gemacht.

89

II. Die Verurteilung des Beklagten durch das Landesarbeitsgericht zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro an die Klägerin hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

90

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Begründetheit der Entschädigungsklage davon aus, dass sich aus einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts ein Entschädigungsanspruch ergeben kann. Dabei hat es auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Entschädigungsansprüchen bei „Mobbing“ Bezug genommen. Danach ist „Mobbing“ kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen Arbeitskollegen (Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Nicht alles, was als „Mobbing“ bezeichnet wird, ist von rechtlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher oder schadensrechtlicher Relevanz. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund „Mobbings“ geltend, muss vielmehr jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den genannten Einzelfällen arbeitsvertragliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat. Bei dieser Prüfung gilt es weiter zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen oder seiner Vorgesetzten bzw. des Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzung darstellen, die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen jedoch zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - aaO). Eine solche Systematik und Zielrichtung ist dann anzunehmen, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht weitgehend der nunmehr vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 AGG(in Kraft seit 18. August 2006) gewählten Definition des Begriffes „Belästigung“. Danach ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Damit hat der Gesetzgeber auch den Begriff des „Mobbings“ umschrieben, jedenfalls soweit dieses an die nach § 1 AGG verpönten Merkmale anknüpft(vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - aaO). Entsprechend kann für die Fälle des „Mobbings“ eines Arbeitnehmers, gleich aus welchen Gründen, an § 3 Abs. 3 AGG angeknüpft werden. Diese Norm zeigt vor allem, dass es grundsätzlich auf die Zusammenschau der einzelnen „unerwünschten” Verhaltensweisen ankommt, um zu beurteilen, ob „Mobbing” vorliegt. § 3 Abs. 3 AGG stellt nämlich darauf ab, ob ein durch die unerwünschten Handlungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Ein Umfeld wird aber grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen. Damit sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Deshalb dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden. Wesensmerkmal der als „Mobbing” bezeichneten Form der Rechtsverletzung des Arbeitnehmers ist damit die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen/Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wobei den einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukommt (Senat 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7). Bei dieser Würdigung ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen sind. Vielmehr sind die kritischen Verhaltensweisen aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise und ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers zu bewerten. Dies gilt auch im Verhältnis zu Vorgesetzten. Entsprechend stellen Weisungen, die sich im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewegen, und denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lassen, in der Regel keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten, denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen. Daneben kann es an der die einzelnen Handlungen zusammenfassenden Systematik fehlen, wenn verschiedene Vorgesetzte handeln und nicht zusammenwirken oder wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen (vgl. Senat 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6).

91

2. Ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und ist damit nur eingeschränkt revisionsrechtlich überprüfbar. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden. Daher kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer Weise mit einbezogen hat sowie ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. Senat 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8).

92

3. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Festsetzung der Höhe einer Entschädigung in Höhe von 20.000,00 Euro zugunsten der Klägerin zu Unrecht in seine Gesamtschau eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin durch die unterbliebene Beförderung mit einbezogen. Wie oben dargelegt durfte das Landesarbeitsgericht mit der von ihm gegebenen Begründung eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht bejahen. Durch diese unzulässige Miteinbeziehung dieses Sachverhalts erweist sich die gesamte Bewertung der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Persönlichkeitsrechtsverletzung als rechtsfehlerhaft.

93

Insbesondere verstößt das Landesarbeitsgericht dadurch gegen das Erfordernis einer Gesamtschau, dass es für den Fall, dass in der unterbliebenen Beförderung der Klägerin keine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu sehen sein sollte, für die nachfolgenden Handlungen des Beklagten „zumindest eine Entschädigung in Höhe von 16.000,00 Euro“ als „gerechtfertigt“ ansieht.

94

Eine solche getrennte Beurteilung ist nicht zulässig, weil die von der Klägerin geltend gemachten Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht eindeutig in solche aufgespaltet werden können, die im Zusammenhang mit der streitbefangenen Nichtbeförderung der Klägerin stehen, und in solche die möglicherweise mit der unterbliebenen Beförderung nichts zu tun haben. Alle von der Klägerin vorgetragenen Verletzungen stehen in einem Zusammenhang und wären deshalb - soweit das Landesarbeitsgericht in ihnen Bestandteile einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin sieht - im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau zu berücksichtigen gewesen. Von einem solchen Zusammenhang der von der Klägerin zur Stützung ihres Vorwurfs der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Beklagten herangezogenen Vorfälle ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. So nimmt es beispielsweise an, dass der Beklagte mit dem Aushang vom 10. Dezember 2006 den Eindruck eines „Kompetenzentzuges“ im Zusammenhang mit der getroffenen Personalentscheidung zugunsten des Mitarbeiters R erweckt hat und dieser trotz der Schreiben vom 3. Januar 2007 und 8. Februar 2007 an die Klägerin nach außen hin „weiter aufrechterhalten“ worden ist. Des Weiteren nimmt das Berufungsgericht an, dass die Klägerin, nachdem sie sich gegen den Eindruck „des Kompetenzentzuges“ und einer Diskriminierung bei der Beförderungsentscheidung gewehrt hatte, einer Behandlung ausgesetzt worden ist, die „sie herabwürdigt und bewusst unter Druck“ gesetzt hat. Damit stellt das Landesarbeitsgericht alle nach der streitbefangenen Beförderungsentscheidung seitens des Beklagten der Klägerin gegenüber getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen in einen Zusammenhang mit der als Persönlichkeitsverletzung gewerteten Nichtbeförderung der Klägerin. Auch bei der Beurteilung der Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass „ein Großteil des Verhaltens des Beklagten als Reaktion auf die Wahrnehmung vermeintlicher Rechte durch die Klägerin nach dem AGG angesehen werden kann“.

95

4. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht weder eine zutreffende Gesamtbetrachtung der vorgetragenen Tatsachen/Geschehnisse vorgenommen noch alle anderen von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen, die als einzelne Handlungen oder in der Gesamtschau rechtsverletzenden Charakter haben könnten, berücksichtigt hat.

96

So fehlen bereits Ausführungen dazu, ob das Landesarbeitsgericht aufgrund einer einzelnen Handlung oder erst auf der Basis einer Gesamtschau mehrerer Handlungen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen hat und insbesondere, ob es insgesamt ein systematisches Verhalten sieht, durch welches ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen worden ist. Die Würdigung, ob insgesamt ein systematisches Verhalten vorliegt, ist gerade deshalb nötig, weil hier mehrere Personen gehandelt haben, so dass grundsätzlich geklärt werden muss, ob diese zusammengewirkt haben. Auch dazu fehlen weitgehend Ausführungen im angefochtenen Urteil. Lediglich bezüglich des Schreibens vom 3. Januar 2007 nimmt das Landesarbeitsgericht ein Zusammenwirken zwischen Dr. Mü, Dr. H und Herrn R an. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht auch einige von der Klägerin vorgetragene Tatsachen nicht berücksichtigt. So ist es deren Behauptung nicht nachgegangen, dass im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle in D im April 2005 und ihrer Nachfrage, weshalb Frau Gr nicht in Betracht komme, Dr. Mü sinngemäß bezogen auf ein damaliges Vorstandsmitglied geantwortet haben soll: „Sie kennen ja Herrn Dr. Kr, der will halt keine Frauen“. Sollte diese Äußerung gefallen sein, könnte dies nicht nur auf eine beim Beklagten nicht unübliche Frauendiskriminierung, sondern möglicherweise in der Gesamtschau mit den Verhaltensweisen ab Dezember 2006 auch auf ein „frauenfeindliches Umfeld“ beim Beklagten hindeuten. Ferner hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin, obwohl die Personalbetreuung nebst Abfassen von Abmahnungen zu ihren Aufgaben gehört, bei dem Gespräch des Herrn R im Februar 2008 mit dem Mitarbeiter C. in B über die Aufhebung dessen Arbeitsvertrages nicht beteiligt war und die von ihr im Januar 2008 für A K. formulierte Ermahnung Frau S zur Prüfung vorgelegt wurde. Auch dies könnte in der Gesamtschau auf eine Persönlichkeitsverletzung hindeuten.

97

III. Die Revision des Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung über das dem Arbeitnehmer R gezahlte variable Entgelt richtet.

98

1. Die Klage auf Auskunft ist zulässig.

99

a) Der Klageantrag wurde zwar in dieser Form erstmals in der Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2008 gestellt. Ob es sich dabei um eine nachträgliche Klageänderung gehandelt hat, kann dahinstehen. Auch eine solche wäre nämlich nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 533 ZPO zulässig gewesen, weil der Beklagte sich hierauf widerspruchslos eingelassen hat und deshalb nach § 267 ZPO seine Einwilligung zur Klageänderung anzunehmen ist. Ob der Antrag auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte, kann ebenfalls offen bleiben. Ob und inwiefern die Berücksichtigung neuer Tatsachen im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren zulässig ist, richtet sich nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO, sondern nach der Spezialregelung in § 67 ArbGG(BAG 25. Januar 2005 - 9 AZR 44/04 - BAGE 113, 247 = AP AEntG § 1 Nr. 22 = EzA AEntG § 1 Nr. 8). Hat das Berufungsgericht - wie hier - Vorbringen zugelassen, ist dies im Revisionsverfahren unanfechtbar und das vom Landesarbeitsgericht zugelassene Sachvorbringen zu berücksichtigen, weil die Beschleunigungswirkung, der die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG dient, nicht wieder herstellbar ist(vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZN 1085/07 - AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37).

100

b) Der Antrag ist als Klage auf zukünftige Leistung nach § 258 ZPO zulässig. Er dient dem Ziel, den Klageantrag zu 2) um den Betrag der zukünftigen variablen Vergütung des Mitarbeiters R zu ergänzen.

101

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Auskunftsanspruch jedoch mit einer nicht tragenden Begründung bejaht. Auch insoweit wirkt sich die unzutreffende Würdigung des Berufungsgerichts im Rahmen der angenommen Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts aus.

102

IV. Auf die Revision der Klägerin war das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Klage auf Feststellung abgewiesen hat, dass der Beklagte zum Ersatz der durch sein Verhalten bis Juli 2008 der Klägerin entstandenen und entstehen werdenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet ist.

103

1. Der Feststellungsantrag ist nicht bereits „in großen Teilen unzulässig“, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat.

104

a) So besteht für den Feststellungsantrag in der in der Revisionsinstanz gestellten (beschränkten) Fassung insbesondere das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

105

Die Annahme eines Feststellungsinteresses setzt voraus, dass dem betroffenen Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Dies wird bei der Feststellung einer Schadensersatzpflicht angenommen, wenn zukünftige, noch nicht bezifferbare Schäden möglich sind. Dies gilt auch, wenn ihre Art, ihr Umfang und ihr Eintritt noch ungewiss sind. Allerdings muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen. Dafür genügt die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer oder voraussehbarer Leiden (Senat 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Solches erscheint bezogen auf die Formulierung im Feststellungsantrag „durch die unterbliebene Beförderung auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des Beklagten“ für die Zeit ab Dezember 2006 als möglich.

106

b) Gleiches gilt für „sonstige Benachteiligungen, die Maßnahmen nach § 16 AGG darstellen“.

107

c) Darüber hinaus ist der Antrag hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

108

Der Klageantrag muss den erhobenen Anspruch nach Inhalt und Umfang konkret bezeichnen und die Klageart ergeben. Insoweit ist bei Feststellungsanträgen erforderlich, dass sich für den Fall der Klagestattgabe der objektive Umfang der Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung hinreichend feststellen lässt (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 557/06 - AP BGB § 611 Mobbing Nr. 4). Dabei muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97  -). Ausreichend ist allerdings, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht ist daher gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrages vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Kläger erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Dabei darf es sich jedoch nicht über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (vgl. BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97  -). Darüber hinaus gilt es bei der Beurteilung der hinreichenden Bestimmtheit zu beachten, dass ein Feststellungsantrag einerseits der Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dient und andererseits den Grund des klägerischen Schadensersatzanspruchs klärt, so dass im Falle späterer Folgeschäden nur noch der Ursachenzusammenhang mit dem Schadensereignis und die Schadenshöhe nachzuweisen sind. Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrages festzusetzen. Soll ein späterer Rechtsstreit über den Grund des Schadensersatzanspruchs vermieden werden, muss dieser klar aus dem Feststellungsantrag hervorgehen. Insofern war der ursprüngliche Feststellungsantrag - wie von der Klägerin in der Revisionsinstanz klargestellt - so auszulegen, wie es sich aus dem Tatbestand (Ziff. 5 der Anträge) ergibt.

109

2. Ob das von der Klägerin geltend gemachte schadensersatzbegründende Verhalten des Beklagten tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Feststellungsklage und kann durch den Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.

110

D. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten der Revision mitzuentscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Die ehrenamtliche Richterin
Morsch ist wegen Ausscheiden
aus dem Amt an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Hauck    

        

    N. Schuster    

                 

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Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Oktober 2011, Az.: 12 Ca 1297/11, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 zum 30.09.2011.

2

Der Kläger (geb. am 20.01.1975, verheiratet, ein Kind) war seit 1996 bei dem Beklagten zunächst im Rahmen einer dreijährigen Berufsausbildung und anschließend ab 01.07.1999 als Heilerziehungspfleger in Teilzeit (32,5 Wochenstunden) beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt ca. € 3.300,00. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Nach § 14 Abs. 2e AVR beträgt die Kündigungsfrist nach einer Beschäftigungszeit von mindestens 12 Jahren sechs Monate zum Schluss des Kalendervierteljahres. Der beklagte Orden betreibt in A-Stadt eine Einrichtung zur Betreuung und Pflege von rund 300 Menschen mit geistiger Behinderung. Er beschäftigt dort ca. 180 Arbeitnehmer. Es besteht eine Mitarbeitervertretung.

3

Der Kläger erlitt am 16.09.2007 einen epileptischen Anfall. Er ist seither arbeitsunfähig krankgeschrieben. Vom 03.11.2008 bis zum 18.02.2009 fand eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben statt. Der Wiedereingliederungsplan des behandelnden Arztes Dr. med. Z. (Bl. 31 d.A.) sah folgendes vor:

4

von     

bis     

Stunden
täglich

Art der Tätigkeit
(ggf. Einschränkungen)

03.11.2008
08.12.2008
29.12.2008
19.01.2009

07.11.2008
28.12.2008
18.01.2009
18.02.2009

3
4
5
6,25

kein Nachtdienst, kein Einzeldienst,
kein Personentransport, nur geregelter Schichtdienst, max. 6 Dienste,
kein schweres Heben/Tragen,
keine tgl. Dienstdauer über 8 h
oder nach 20.00 h

5

Am 10.02.2009 erstellte die Betriebsärztin des Beklagten Dr. med. Y. folgende Bescheinigung (Bl. 27 d.A.):

6

„BEM betriebliches Eingliederungsmanagement
am 10.02.2009: Nachuntersuchung
Ergebnis: gesundheitliche Bedenken
Bemerkungen: Es wurde ein BEM Gespräch mit PDL, Personal, MAV, BA und Herrn E. geführt. Dem vorgelegten Attest des behandelnden Arztes Dr. Z. kann meinerseits entsprochen werden (ggf. könnte Herr E. aus meiner Sicht auch bis 22.00 h arbeiten). Mit diesem Leistungsprofil kann Herr E. jedoch nicht mehr seine vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit als HEP ausüben. Demnach ist Herr E. weiterhin arbeitsunfähig erkrankt, sofern kein entsprechender Einsatzbereich im Haus gefunden werden kann.

7

Herrn E. werden persönlich verschiedene Bescheinigungen zugeschickt, die er bei der DRV, bei der KK, beim Amt für soziale Angelegenheiten und bei der BU-Versicherung vorlegen kann."

8

Vom 04.10.2010 bis zum 30.09.2011 nahm der Kläger erfolgreich an einer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) finanzierten Umschulungsmaßnahme zum Sozial- und Pflegeberater teil.

9

Mit Schreiben vom 17.03.2011 (Bl. 42-43 d. A.) hörte der Beklagte die Mitarbeitervertretung (MAV) zu einer beabsichtigten krankheitsbedingten Kündigung an. Diese erhob keinen Einspruch. Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 29.03.2011 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2011. Es ist streitig, ob dem Kläger das Schreiben am 30./31.03.2011 oder erst am 01.04.2011 zugegangen ist. Er wehrt sich gegen die Kündigung mit seiner am 11.04.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

10

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.10.2011 (dort Seite 3-5 = Bl. 51 -53 d. A.) Bezug genommen.

11

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

12

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 nicht aufgelöst worden ist.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 25.10.2011 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte kein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) i.S.d. § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt habe. Der Beklagte habe nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen ihm eine leidensgerechte Beschäftigung des Klägers nicht möglich sei. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 6 bis 10 des erstinstanzlichen Urteils vom 25.10.2011 (Bl. 54-58 d.A.) Bezug genommen.

16

Das genannte Urteil ist dem Beklagten am 22.11.2011 zugestellt worden. Er hat mit am 09.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 23.01.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

17

Er trägt vor, er habe vor Ausspruch der Kündigung ein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt. Dies werde durch den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung seiner Betriebsärztin vom 10.02.2009 belegt. Es sei übereinstimmend festgestellt worden, dass der Kläger seine Tätigkeit als Heilerziehungspfleger aufgrund seiner Epilepsieerkrankung nicht mehr ausüben könne. Nachfolgend seien mit dem Kläger regelmäßig weitere Gespräche geführt worden. So habe der Kläger in einem Gespräch vom 23.02.2010 erklärt, dass er weiterhin arbeitsunfähig sei und seinen Beruf als Heilerziehungspfleger nicht mehr ausüben könne. Er habe außerdem mitgeteilt, dass er über den Rentenversicherungsträger an einer Berufsfindungsmaßnahme teilnehme. In einem weiteren Gespräch am 18.08.2010 habe der Kläger mitgeteilt, dass eine Umschulung erforderlich sei, die auf Kosten der Rentenversicherung durchgeführt werde. Der Kläger habe sich dann zur Durchführung der Umschulungsmaßnahme entschlossen, die am 04.10.2010 begonnen habe. Am 28.02.2011 sei nochmals ein Gespräch mit dem Kläger geführt worden. Der Kläger habe auf Befragen mitgeteilt, dass er auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig sei und eine Tätigkeit als Heilerziehungspfleger in keiner Weise mehr ausüben könne. In Anbetracht der Umschulung des Klägers zum Sozial- und Pflegeberater sei er nicht gehalten gewesen, nochmals ein BEM durchzuführen. In seiner Einrichtung falle keine Tätigkeit für einen Sozial- und Pflegeberater an. Die Sozial- und Pflegeberatung für die Bewohner der Einrichtung finde durch Dritte, in der Regel durch die zuständige Krankenkasse, statt. Auch weitere Einsatzmöglichkeiten existierten nicht. Der Kläger könne keine Tätigkeiten ausüben, die mit körperlichen Belastungen in Form von Heben und Tragen oder mit psychischen Belastungen in Form von Lärm und Stress verbunden seien. Diese Belastungen seien für Menschen mit Epilepsie in hohem Maße anfallsauslösend. Eine leidensgerechte Umgestaltung eines Arbeitsplatzes sei nicht möglich. Die Bewohner der Einrichtung seien in erheblichem Umfang geistig beeinträchtigt. Dies habe zur Folge, dass die Erforderlichkeit des Handels der Arbeitnehmer nicht im Voraus planbar sei. Sofortiger Handlungsbedarf bestehe zum Beispiel bei akut erforderlichen Toilettengängen oder bei akutem aggressivem Verhalten des Bewohners. Dieser Handlungsbedarf kündige sich vorher in keiner Weise an, so dass das Herbeirufen einer Vertretung nicht möglich sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Beklagten vom 23.01.2012 (Bl. 82-85 d.A.) und vom 12.03.2012 (Bl. 96-97 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

18

Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.10.2011, Az. 12 Ca 1297/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 15.02.2012 (Bl. 90-92 d.A.) und vom 20.03.2012 (Bl. 98-99 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Er sei anfallsfrei und deshalb spätestens 1 ½ Jahre nach der im September 2007 durchgeführten Operation, also ab Anfang 2009, arbeitsfähig. Seine Arbeitsfähigkeit sei dahingehend eingeschränkt, dass ihm verschiedene Tätigkeiten nicht mehr möglich seien. Hierzu gehörten schweres Heben und Tragen, die Fahrgastbeförderung sowie ein Einsatz in Wechsel- und Nachtschicht. Weitergehende Einschränkungen (z.B. Arbeiten unter Stress) seien nicht belegt. Damit sei allein unstreitig, dass er im bisherigen Umfang nicht mehr als Heilerziehungspfleger eingesetzt werden könne. Der Beklagte habe keinerlei Überlegungen und Anstrengungen angestellt, um ihn anderweitig zu beschäftigen, insbesondere nachdem er sich um eine Weiterbildung bemüht habe. Die Tätigkeit in der Sozial- und Pflegeberatung sei mit seinem bisherigen Einsatz zumindest verwandt. Er sei im Rahmen seiner Umschulung auf eine verwaltende Tätigkeit ausgebildet worden. Der Beklagte könne seine Umschulung nicht vollständig ignorieren.

23

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, das Kündigungsschreiben vom 29.03.2011 sei am 30.03.2011, um 17:22 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers geworfen worden, durch Vernehmung der Zeugen A. und B.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die zur Sitzungsniederschrift vom 05.07.2012 getroffenen Feststellungen (Bl. 117-122 d.A.). Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

25

II.  Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die krankheitsbedingte Kündigung des Beklagten vom 29.03.2011 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.2011 aufgelöst worden.

26

1. Die Kündigung des Beklagten ist wegen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG. Der Kläger war seit dem 16.09.2007 bis zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 29.03.2011 rund 3 ½ Jahre ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Er ist nach seinem Vorbringen auf Dauer nicht mehr in der Lage, Arbeiten auszuüben, die mit schwerem Heben und Tragen, dem Personentransport, sowie einem Einsatz in Wechsel- und Nachtschicht verbunden ist. Mit diesen körperlichen Leistungseinschränkungen kann der Kläger seine bisher ausgeübte Tätigkeit als Heilerziehungspfleger in der Einrichtung des Beklagten auf Dauer nicht mehr ausüben. Damit ist auch eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen gegeben.

27

Soweit der Kläger behauptet, er sei seit Anfang 2009 (ca. 1 ½ Jahre nach seinem epileptischen Anfall vom 16.09.2007) wieder arbeitsfähig, verkennt er, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht seine volle, vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung erbringen kann. Ein Heilerziehungspfleger in der Einrichtung des Beklagten ist arbeitsvertraglich auch verpflichtet, den Bewohnern beim Verrichten der täglichen Körperhygiene und beim Toilettengang zu helfen. Diese Hilfestellung erfordert schweres Heben und Tragen, wozu der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht mehr in der Lage ist. Eine „Teilarbeitsunfähigkeit" ist dem geltenden Arbeitsrecht unbekannt; der Arbeitgeber ist nach § 266 BGB grundsätzlich nicht verpflichtet, eine nur eingeschränkt angebotene Arbeitsleistung anzunehmen.

28

Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts ist die Kündigung nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte kein ordnungsgemäßes BEM i.S.d. § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - NZA 2008, 173; Urteil v. 23.04.2008 - 2 AZR 1012/06 - NZA-RR 2008, 515) ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Vielmehr stellt die Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Eine Kündigung kann nicht allein deshalb als sozial ungerechtfertigt qualifiziert werden, weil das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Es müssen vielmehr auch bei gehöriger Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-) Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten (BAG Urteil v. 24.03.2011 - 2 AZR 170/10 - NZA 2011, 992).

29

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts genügt der Vortrag des Beklagten den vorstehenden Anforderungen. Der Beklagte hat umfassend und konkret vorgetragen, warum weder der weitere Einsatz des Klägers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Kläger auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können.

30

Ein unveränderter Einsatz des Klägers als Heilerziehungspfleger - auch in der Tagesförderstätte - ist unstreitig aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Die Haupttätigkeit eines Heilerziehungspflegers in der Einrichtung des Beklagten ist untrennbar mit der Erbringung schwerer körperlicher Arbeit (z. B. Heben und Aufrichten der Bewohner) verbunden. Diese schwere körperliche Arbeit ist vielfach nicht planbar, sondern kann sich überraschend (z.B. Toilettengang) während einer leichteren Tätigkeit ergeben. Ein Heilerziehungspfleger kann seinen Beruf daher nur ausüben, wenn er jederzeit in der Lage ist, auch körperlich schwere Tätigkeiten vorzunehmen.

31

Es ist dem Beklagten nicht zumutbar, dem Kläger lediglich Arbeitsaufgaben zuzuweisen, die keine schweren körperlichen Arbeiten erfordern. Dies wäre mit der Schaffung eines völlig neuen Tätigkeitsbildes verbunden. Es ist dem Beklagten organisatorisch nicht zuzumuten, dass der Kläger jedes Mal, wenn er in der Pflege der Bewohner in eine Situation gerät, wo schwere körperliche Arbeit erforderlich ist (z.B. das Heben von gehbehinderten Personen beim Toilettengang), einen Kollegen ruft. Der Beklagte hat unwidersprochen dargelegt, dass die Bewohner der Einrichtung in erheblichem Umfang geistig beeinträchtigt seien. Dies habe zur Folge, dass die Erforderlichkeit des Handels der Arbeitnehmer nicht im Voraus planbar sei. Sofortiger Handlungsbedarf bestehe zum Beispiel bei akut erforderlichen Toilettengängen oder bei akutem aggressivem Verhalten des Bewohners.

32

Dieser Handlungsbedarf kündige sich vorher in keiner Weise an, so dass das Herbeirufen einer Vertretung nicht möglich sei. Es ist dem Beklagten auch nicht zuzumuten, dem Kläger einen Helfer zur Seite zu stellen, der ihn, wenn schwere körperliche Arbeiten anfallen, unterstützt.

33

Soweit der Kläger erstinstanzlich darauf hingewiesen hat, dass er in den X.-Werkstätten, einer Werkstatt für behinderte Menschen, als „pädagogische Fachkraft im Bereich Arbeit" beschäftigt werden könnte, weil er vor seiner Ausbildung zum Heilerziehungspfleger, (d.h. vor 1996), eine Ausbildung zum Energieelektroniker absolviert habe, handelt es sich bei diesen Werkstätten um keinen Betrieb des Beklagten, sondern um eine gemeinnützige GmbH. Bei der Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sind nur geeignete Arbeitsplätze im Betrieb oder im Unternehmen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Die Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen führt in aller Regel zu einem Arbeitgeberwechsel und geht daher über das von den Parteien begründete Vertragsverhältnis hinaus.

34

Soweit der Kläger die Vorstellung entwickelt hat, der Beklagte könne ihn im Empfangsbereich der Einrichtung beschäftigen, verfügt er nicht über die erforderliche kaufmännische Ausbildung. Der Beklagte setzt für Arbeitnehmer im Empfangsbereich eine kaufmännische Ausbildung voraus, weil sie neben einer reinen Empfangstätigkeit zu einem wesentlichen Teil kaufmännische Verwaltungstätigkeiten zu verrichten haben. Die Umschulung des Klägers zum Sozial- und Pflegeberater steht einer kaufmännischen Ausbildung nicht gleich.

35

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Kläger eine Stelle als Bereichsleiter im tagesstrukturierenden Dienst anzubieten. Ein Bereichsleiter wird nach der Entgeltgruppe S 11 vergütet, während ein Heilerziehungspfleger nach Entgeltgruppe S 8 vergütet wird. Zur Weiterbeschäftigung auf einer freien Beförderungsstelle ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet. Im Übrigen setzt die Tätigkeit als Bereichsleiter eine mehrjährige Leitungserfahrung sowie entsprechende Fortbildungen, u.a. im Bereich der Mitarbeiterführung, voraus. Der Kläger hat selbst nicht behauptet, dass er dieses Anforderungsprofil erfüllt.

36

Schließlich ist der Beklagte nicht verpflichtet, in seiner Einrichtung für den Kläger einen zusätzlichen Arbeitsplatz für einen Sozial- und Pflegberater einzurichten. Der Beklagte muss sein Dienstleistungsangebot nicht auf die Sozial- und Pflegberatung ausdehnen, um dem Kläger nach seiner Umschulung, die mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2011 endete, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu schaffen.

37

Es besteht daher für den Beklagten keine Möglichkeit, dem Kläger eine leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu eröffnen.

38

Auch die Interessenabwägung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber eine weitere unabsehbare Zeit billigerweise nicht hinzunehmen braucht.

39

2. Die Kündigung ist nicht wegen einer fehlerhaften Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam (§ 30 Abs. 5 MAVO). Der Beklagte hat das Beteiligungsverfahren bei der Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß eingeleitet. Der Mitarbeitervertretung sind vor der beabsichtigten Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 17.03.2011 die Kündigungsabsicht und die aus Sicht des Beklagten für den Kündigungsentschluss bestimmenden Kündigungsgründe hinreichend mitgeteilt worden. Hiergegen erhebt die Berufung auch keine Einwendungen. Die Mitarbeitervertretung hat dem Beklagten mit Schreiben vom 22.03.2011 mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, gegen die Kündigung keinen Einspruch zu erheben. Damit hat der Beklagte das in § 30 Abs. 1 und Abs. 2 MAVO geregelte Verfahren zur Anhörung und Mitberatung eingehalten.

40

3. Der Beklagte hat die ordentliche Kündigungsfrist gewahrt. Nach § 14 Abs. 2 lit. e AVR, die aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien mindestens zwölf Jahre bestanden hat.

41

Das Kündigungsschreiben vom 29.03.2011 ist von den Zeugen B. und A. am 30.03.2011 gegen 17:20 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Die Kammer geht davon aus, dass der Einwurf gegen 17:20 Uhr erst nach der üblichen Postzustellzeit erfolgt ist, so dass die Kündigung erst am nächsten Werktag - hier also am 31.03.2011 - zugegangen ist.

42

Beide Zeugen haben während ihrer Vernehmung bekundet, dass sie am 30.03.2011 in die Personalabteilung der Einrichtung gerufen und damit beauftragt worden sind, auf ihrem Heimweg dem Kläger ein Kündigungsschreiben zuzustellen. Das Kündigungsschreiben wurde den Zeugen von den Mitarbeitern der Personalabteilung gezeigt und von ihnen einkuvertiert. Die Zeugen sind nach Feierabend zum Wohnhaus des Klägers gefahren und haben zunächst geklingelt, weil sie ihm das Schreiben persönlich überreichen wollten. Nachdem ihnen niemand geöffnet hat, warfen sie das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Klägers ein. Auf einer Kopie des Kündigungsschreibens vermerkten sie Datum und Uhrzeit des Einwurfs handschriftlich (Bl. 105 d.A.). Beide Zeugen erklärten auf Befragen des Klägervertreters, sie könnten definitiv ausschließen, dass sie sich im Datum geirrt oder den Brief in einen falschen Briefkasten geworfen hätten. Die Berufungskammer hat nach ihrem persönlichen Eindruck an der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen keine Zweifel. Die Beklagte hat damit den Beweis geführt, dass das Kündigungsschreiben vom 29.03.2011 dem Kläger hoch im März 2011 zugegangen ist. Das Arbeitsverhältnis endete deshalb mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2011.

43

III.  Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen, weil er in vollem Umfang unterlegen ist.

44

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des §72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schmerzensgeld wegen Mobbings.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit bundesweiten Filialen. Sämtliche Personalentscheidungen werden in der Verwaltung am Sitz der Beklagten, d. h. in F. getroffen, während der tägliche Einsatz von den jeweiligen Filialleitern organisiert und beaufsichtigt wird. Die einzelnen Filialen werden von einem Gebietsbereichsleiter betreut, der sozusagen als Kontaktstelle zwischen Personalleiter und Personalabteilung fungiert.

3

Der Kläger war vom 01.06.2003 bis zum 31.07.2004 durch vier aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge bei der Beklagten in deren Filialen in M. als Verkäufer zu einem monatlichen Bruttogehalt von € 1.400,-- beschäftigt (Bl. 58 f. d. GA.). Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund der Bezugnahme im Haustarifvertrag der Tarifvertrag für den Einzelhandel in Bayern Anwendung. Für Verkäufer gilt die Stellenbeschreibung vom 29.06.1995 (Bl. 60-62 d. GA.).

4

Der Kläger war ausschließlich eingesetzt in der Filiale N. Straße ... in M., wo er hauptsächlich für den Video- und DVD-Bereich zuständig war. Darüber hinaus übte er weitere Verkäufertätigkeiten aus. Aufgrund der Öffnungszeiten wurde in der Filiale im Zweischichtsystem gearbeitet. Die Frühschicht war von 9:00 bis 17:00 Uhr und die Spätschicht von 13 bis 20:30 Uhr. Neben der Filialleiterin A. und dem Kläger arbeiteten in der Filiale noch vier weitere Verkäufer/innen.

5

Im August 2003 wurde eine Kassendifferenz über € 850,-- festgestellt und Ende Mai 2004 fehlten € 100,-- in der Kasse. Der Kläger wurde jeweils zu diesen Fehlbeständen angehört. Während seiner Beschäftigungszeit wurde der Kläger anstelle der tariflichen 5-Tagewoche sechs bis sieben Mal an sechs Tagen in der Woche eingesetzt. Während Urlaubs- und Krankheitszeiten anderer Mitarbeiter leistete der Kläger teilweise auch sog. Doppelschichten. Im September / Oktober 2003 begehrte der Kläger gegenüber den Filialleitern Frau B. und Herrn W. eine Versetzung in deren jeweilige Filiale. Der Kläger wandte sich zumindest im Mai 2004 ein Mal wegen Mobbings an den Betriebsrat, nachdem dieser ein Informationsblatt zum Thema Mobbing herausgegeben hatte. Seit August 2004 ist der Kläger arbeitslos. Mit Schreiben vom 01.04.2005 beanspruchte der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos Zahlung eines Schmerzensgeldes über € 5.000,-- da er während seiner Beschäftigungszeit durchgehend von seinen Vorgesetzten gemobbt worden sei (Bl. 211-214).

6

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen Parteivorbringens wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von € 5.000,-- mit Urteil vom 15.09.2006 zurückgewiesen. Aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten Begriffs des Mobbings sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger ein sog. Mobbing-Opfer sei. Aus dem Vortrag des Klägers, der sich auf handschriftlich niedergelegte 17 Einzelfälle berufe, ergebe sich kein systematisches Handeln einer oder mehrerer Personen, das dazu gedient habe, den Kläger zu kränken oder zu diskriminieren. Ein systematisches Handeln könne nur dann angenommen werden, wenn sich die gerügten Verhaltensweisen über einen Zeitraum von sechs Monaten wöchentlich wiederholten. Dies sei hier nicht der Fall. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die Filialleiterin A... habe ihm mehrfach alle Arbeiten übertragen, obgleich noch weitere Arbeitnehmer anwesend gewesen sei, sei der Vortrag unsubstantiiert. Ohne Angabe von Daten und Umständen lasse sich nicht feststellen ob hinter diesem Verhalten eine herabwürdigende Systematik gelegen habe. Gleiches gelte in Bezug auf den Vorwurf, dass er „gegängelt“ und ständig falsch beschuldigt worden sei. Auch in Zusammenhang mit den Diebstählen lasse sich kein systematisches den Kläger erniedrigendes Verhalten der Beklagten feststellen. Auch die Kollegen des Klägers seien befragt worden. Auch der Umstand, dass er nur sechs bis sieben Mal innerhalb eines Jahres an sechs Tagen in der Woche habe arbeiten müssen, belege kein Mobbing ihm gegenüber. Die Nichtversetzung in eine andere Filiale stelle ebenfalls kein Mobbing dar, zumal kein ordnungsgemäßer Antrag gestellt worden sei. Soweit eine Anweisung im Einzelfall ungerechtfertigt gewesen sein sollte, so belege ein derartiger Einzelfall nicht den behaupteten Mobbingvorwurf. Auch der Einsatz zu Doppelschichten sei kein Mobbing, zumal nicht einmal feststehe, ob dieser Einsatz nicht gerechtfertigt war. Letztlich komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger im Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern unverhältnismäßig viele Überstunden habe leisten müssen. Denn der Kläger habe die Kausalität zwischen dem behaupteten Mobbingverhalten seiner Vorgesetzten und den behaupteten Gesundheitsschäden nicht dargelegt. Diese könnten auch andere Ursachen haben, zumal sich der Kläger erst acht Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Forderung auf Schmerzensgeld an die Beklagte gewandt habe. Trotz gerichtlicher Aufforderung habe er auch kein diesbezügliches ärztliches Attest eingereicht.

8

Gegen dieses ihm am 01.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2005 Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eingelegt und diese am 26.01.2006 begründet.

9

Der Kläger behauptet,

10

das Arbeitsgericht habe seine handschriftlichen Aufzeichnungen (Anlage K 1, Bl. 110 d. GA.) unzutreffend gewürdigt. Insbesondere habe er die gerügten Vorfälle jeweils nach Daten und Personen hinreichend konkretisiert. Unter Missachtung seines Beweisangebots auf Parteivernahme habe das Arbeitsgericht gleichwohl seinen Vortrag als unsubstantiiert gewertet. Das Gericht hätte den Kläger trotz dessen Sorge wegen der Fahrtkosten nicht vom persönlichen Erscheinen entbinden dürfen. Im Übrigen sei das Arbeitsgericht fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitgebers nicht dadurch gerechtfertigt werden könne, dass andere Arbeitnehmer ebenso falsch behandelt würden.

11

Der Kläger beantragt,

12

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.09.2005, Az.: 2 Ca 702/05, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von € 5.000,00 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

16

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28.03.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

18

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.

19

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Das Arbeitsgericht hat die dahingehende Zahlungsklage des Klägers sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholung kann auf die sorgfältigen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf den Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz eingehend sei noch auf Folgendes hingewiesen:

20

1. Der Kläger beruft sich hinsichtlich seiner Zahlungsansprüche auf durch Mobbing seiner Vorgesetzten verursachte gesundheitliche Schäden. Infolge des Mobbings leide er unter erheblichen Depressionen, Nervenzusammenbrüchen und starken Wutausbrüchen. Mobbing selbst ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine vertragliche oder deliktische Haftung des Arbeitgebers. Mithin kommt eine Haftung für durch Mobbing verursachte Schäden oder Schmerzen nur dann in Betracht, wenn die allgemeinen gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen auch erfüllt sind. Eine mögliche gesetzliche Anspruchsgrundlage sind §§ 280, 253 Abs. 2 BGB. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes setzt mithin voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Schadensersatz zusprechenden Norm erfüllt sind. Der Kläger hat indessen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer „positiven Vertragsverletzung“ nach § 280 Abs. 1 BGB nicht substantiiert dargelegt. Als vertragliche Nebenpflicht trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Insbesondere hat er das ihm zustehende Direktionsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und die Arbeitsumgebung menschengerecht und menschenwürdig zu gestalten sowie die Ehre und Gesundheit des Arbeitnehmers zu bewahren und zu schützen. Verletzt der Arbeitgeber diese ihm obliegenden Fürsorgepflichten fahrlässig oder gar vorsätzlich, hat er dem Arbeitnehmer grundsätzlich die daraus entstandenen Schäden nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzen. Unter den Voraussetzungen kann daneben ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus deliktischer Haftung nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bestehen.

21

a) Sowohl die vertragliche als auch die deliktrechtliche Anspruchsgrundlage setzen einzelne, konkrete Tathandlungen des Schädigers voraus, mit denen dieser rechtswidrig und schuldhaft in den geschützten Rechtskreis des sog. Mobbingopfers eingegriffen hat. Das Arbeitsgericht ist insoweit von der von der Rechtsprechung entwickelten zutreffenden Definition des Mobbings ausgegangen. Der Arbeitnehmer, der unter Berufung auf Mobbing Schmerzensgeld geltend macht, hat im Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die begangenen Rechtsgutverletzungen einschließlich des erforderlichen Verschuldens und der daraus resultierenden Erkrankungen (LAG Hamm, Urt. v. 21.12.2004 - 13 (5) Sa 659/04 -, zit. n. Juris). Der Arbeitnehmer hat mithin die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret darzulegen und zu beweisen, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige, diskriminierende Verhaltensweisen darstellen und ob diese die Erkrankung des Arbeitnehmers verursacht haben. Das Verschulden des Arbeitgebers bzw. des für ihn Handelnden muss sich nicht nur auf die einzelnen Tathandlungen, sondern auch auf die hierdurch ausgelöste Erkrankung des sog. Mobbingopfers beziehen (LAG Berlin, Urt. v. 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 -, NZA-RR 2005, 13 ff.). Der Arbeitnehmer hat mithin auch darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitgeber zumindest damit rechnen musste, dass dessen rechtswidrige Handlungen grundsätzlich auch geeignet waren, bei ihm, dem Arbeitnehmer, Gesundheitsschäden auszulösen.

22

b) Diesen Voraussetzungen wird der Vortrag des Klägers nicht im Ansatz gerecht. Das Arbeitsgericht hat sich eingehend mit den vom Kläger in seiner schriftlichen Auflistung erhobenen 17 Vorwürfen auseinandergesetzt und ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der klägerische Vortrag - trotz der 17 „Vorfälle“ - zu pauschal sei, um die Rechtswidrigkeit der jeweils beanstandeten Weisungen und Anordnungen der Filialleiterin, des Gebietsleiters sowie seiner Kolleginnen beurteilen zu können.

23

aa) Lediglich ergänzend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, die im Arbeitsvertrag lediglich rahmenmäßig umschriebene vertraglich geschuldete Arbeit durch Arbeitsanweisungen zu konkretisieren. Der Kläger hat nicht einmal im Ansatz substantiiert dargelegt, dass die Beklagte bzw. die Filialleiterin das so definierte Direktionsrecht rechtswidrig überschritten hat. Der Kläger war als Verkäufer eingestellt, sodass es grundsätzlich nicht zu beanstanden war, dass die Filialleiterin ihn anwies, nicht nur in der Video- und DVD-Abteilung zu arbeiten, sondern auch andere Tätigkeiten (Warenannahme, Kasse, Aufräum- und Putztätigkeiten) zu übernehmen. Sofern der Kläger meint, ihm seien von seinen Kolleginnen an einzelnen Tagen bestimmte Aufräumtätigkeiten aus schikanösen Motiven heraus zugeteilt worden, so hätte er die näheren Begleitumstände im Einzelnen darlegen müssen. Es kann diesseits nicht beurteilt werden, welche Tätigkeiten in der Filiale an den besagten Tagen Priorität hatten. Es steht dem Arbeitgeber auch grundsätzlich zu, gerade bei krankheits- und urlaubsbedingten personellen Engpässen Überstunden in Form von Doppelschichten und 6-Tagewoche anzuordnen. Der Kläger selbst räumt ein, dass er zusätzliche Schichten leisten musste, wenn andere Mitarbeiter Urlaub oder freie Tage hatten. Typische Urlaubsmonate sind Juli und August, sodass es auch nicht verwundert, dass der Kläger gerade in diesen Monaten Überstunden geleistet hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass dieser überobligatorische Einsatz des Klägers einen diskriminierenden Hintergrund hatte.

24

bb) Ungeachtet dessen ist bei der Frage des Verschuldens des Arbeitgebers auch zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich gegen unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass ein Arbeitnehmer, der auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, in aller Regel in der schwächeren Position ist. Sofern er eine Arbeitsanweisung wegen Überschreitung des Direktionsrechts nicht befolgt, setzt er sich womöglich des Vorwurfs einer Arbeitsverweigerung mit der Gefahr einer fristlosen Kündigung aus. Indessen darf diese Gefahr auch nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer sehenden Auges alles „schluckt“ und sich im Nachhinein auf Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend macht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nicht selbst handelt, sondern die jeweils unmittelbaren Vorgesetzten oder Kollegen des gemobbten Arbeitnehmers. Gerade in diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich beim Arbeitgeber direkt zu beschweren und vertragsgemäße Beschäftigung einzufordern. Es ist mithin stets zu prüfen, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern. Dies gebietet letztlich auch die Schadensminderungspflicht.

25

Der Kläger hat sich - soweit ersichtlich - weder bei dem Bereichsleiter noch in der Personalverwaltung der Beklagten über konkrete Arbeitsanweisungen beschwert und insoweit auch zu keiner Zeit zu erkennen gegeben, dass er bestimmte Arbeiten und die angeordnete Mehrarbeit nicht leisten wollte. Mangels gegenteiligen Vortrags konnte der Kläger die Mehrarbeit auch „abfeiern“. Hierfür spricht zumindest sein entsprechender Eintrag im Oktober 2003 in der Anlage K 1.

26

cc) Auch steht es dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten grundsätzlich zu, konkrete Arbeitsweisen und Schlechtleistungen zu beanstanden. Das Rügerecht korrespondiert letztlich auch mit der Fürsorgepflicht. Dem Grundgedanken der Fürsorgepflicht folgend hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auf beanstandete Leistungsmängel hinzuweisen. Aus dem Vortrag des Klägers kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Beklagte bzw. die Vorgesetzten des Klägers das Direktionsrecht rechtswidrig ausgeübt haben. Pauschale Vorwürfe wie „haben mich nicht in Ruhe gelassen“, „haben mich gegängelt“, „bin schlecht angegriffen worden“, „bin die ganze Zeit beobachtet worden“ ersetzen keinen fundierten Tatsachenvortrag.

27

dd) Der Arbeitgeber ist auch befugt, wenn nicht gar gegenüber allen „redlichen“ Arbeitnehmern verpflichtet, festgestellte Kassenfehlbestände aufzuklären. In diesem Zuge hat er auch das Recht, alle Arbeitnehmer zu dem Diebstahlsverdacht anzuhören. Dass hierdurch zunächst einmal alle Arbeitnehmer verdächtigt werden, ist im Zuge der Ermittlungstätigkeit hinzunehmen. Es ist auch nicht verwerflich, dass die Beklagte von allen Arbeitnehmern eine schriftliche „Unschuldserklärung“ verlangte. Der Kläger hat insbesondere auch nicht behauptet, dass die Beklagte bzw. die Filialleiterin und der Gebietsleiter ihn auch nach Anhörung und Abgabe der Erklärung noch weiter unberechtigterweise verdächtigt haben. Dass ein solcher Vorfall nicht nur für den Kläger, sondern für alle beteiligen Personen unangenehm ist und eine psychische Belastung darstellt, liegt auf der Hand, ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufklärungsarbeit der Beklagten.

28

2. Der Kläger rügt mit der Berufungsbegründung auch zu Unrecht, dass das Arbeitsgericht seinen Vortrag trotz des Beweisangebots der Parteivernahme als unsubstantiiert gehalten habe.

29

a) Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass ein Beweisangebot keinen substantiierten Tatsachenvortrag ersetzen kann. Mit Auflagenbeschluss vom 28.06.2005 ist der anwaltlich vertretene Kläger auch eingehend darauf hingewiesen worden, was er vorzutragen hat, um seine Ansprüche schlüssig zu machen. Hierauf hat der Kläger nur noch die Anlage K 1 eingereicht und auf deren Inhalt Bezug genommen. Der Anlage K 1 ist indessen - wie oben ausgeführt - auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte bzw. die für sie handelnden Personen den Kläger fortgesetzt durch Überschreitung des Direktionsrechts angefeindet, schikaniert oder diskriminiert haben. Den Vorwürfen ist nicht zu entnehmen, dass die jeweils gerügten Anordnungen in Überschreitung des Direktionsrechts erfolgten. Teilweise erschöpfen sie sich in pauschalen Floskeln wie „gängeln“ etc. Infolge dieses pauschalen Vortrags war kein Beweis - in welcher Form auch immer - zu erheben. Der für einen unsubstantiierten Vortrag angebotene Zeugenbeweis ist stets als unzulässiger Ausforschungsbeweis zurückzuweisen.

30

b) Ungeachtet dessen lagen weder Voraussetzungen zur Vernehmung der beweispflichtigen Partei nach § 447 ZPO, noch einer Vernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO vor. Die Beklagte hat der Vernehmung des Klägers als Partei unstreitig nicht zugestimmt. Schweigen auf einen dementsprechenden Antrag kann nicht als Zustimmung gewertet werden. Die Zustimmung muss vielmehr als Prozesshandlung ausdrücklich erklärt und protokolliert (§ 160 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO) werden. Auch kam eine Vernehmung des Klägers nach § 448 ZPO nicht in Betracht. Als Ausnahme zum zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz ist § 448 ZPO gegenüber anderen Beweismitteln subsidiär, d. h. es müssen zunächst alle anderen Beweismittel ausgeschöpft sein. Der Kläger befand sich hinsichtlich der strittigen Vorfälle gerade nicht in sog. Beweisnot. Er hätte sich auf das Zeugnis der hieran beteiligten Personen (Filialleiterin, Bereichsleiter, Kolleginnen) berufen können. Es wäre dann Sache des Gerichts gewesen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit deren Aussagen zu würdigen und ggf. danach bei etwaig verbleibenden Zweifeln noch den Kläger von Amts wegen nach § 448 ZPO zu vernehmen.

31

3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf erkannt, dass der Kläger überdies nicht dargetan habe, dass die Beklagte durch rechtswidrige Arbeitsanweisungen und Behandlungen des Klägers diesen in seiner Gesundheit geschädigt hat. Mit diesem entscheidungserheblichen Einwand hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung in keiner Weise auseinander gesetzt. Er hat nach wie vor nicht unter Beweis gestellt, dass er überhaupt gesundheitliche Schäden in Form einer psychischen Erkrankung davon getragen hat. Insbesondere hat er kein diesbezügliches ärztliches Attest vorgelegt. Nicht jedes aggressive und unbeherrschte Verhalten hat Krankheitswert. Nervenzusammenbrüche und Depressionen sind diagnosefähige Erkrankungen und auch behandlungsbedürftig. Der Kläger hat weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass er sich deshalb (seit wann) in ärztlicher Behandlung befindet.

32

Ungeachtet dessen hat der Kläger den Ursachenzusammenhang zwischen den behaupteten Mobbinghandlungen und dem aufgezeigten „Krankheitsbild“ nicht dargelegt. Aggressives Verhalten und Depressionen sind nicht zwingend eine Ursache von Mobbing. Auch Arbeitslosigkeit, Beziehungsstress und/ oder finanzielle Nöte können ebenso Frustration und Aggressivität gegen jedermann auslösen.

33

4. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.

35

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

36

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.


Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003 (Az. 15 O 385/02) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: EUR 111.162,44

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsverletzung und Gesundheitsbeschädigung durch "Mobbing" seiner Dienstvorgesetzten im Wesentlichen im Rahmen seiner dienstlichen Beurteilungen.
Der Kläger, ein Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes, erwarb im Jahr 1987 die Befähigung für den mittleren Dienst der Kriminalpolizei. Über seine dienstlichen Leistungen erhielt er Regelbeurteilungen vom 17.05.1988, 18.09.1989, 13.01.1992, 13.01.1995 sowie Anlass-Beurteilungen vom 27.08.1998, 23.08.1999 bzw. 28.07.2000 und aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.02.2001 eine neue Anlass-Beurteilung vom 12.07.2001. Bezüglich der Einzelheiten wird auf S. 3 des angegriffenen Urteils verwiesen.
Gegen die Regelbeurteilung vom 17.05.1988 hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Er habe sich mit fünf von acht Punkten im vorderen Mittelfeld der benoteten Kollegen befunden und sei deshalb zur Kriminalpolizei übernommen worden. Er behauptet, aufgrund seines Auslandseinsatzes als Personenschützer in Teheran vom 05.08.1988 bis 09.09.1989 sei auf Veranlassung des EKHK W., der die Bewerbung für den Auslandseinsatz nicht gern gesehen habe, die Regelbeurteilung vom 18.09.1989 ebenso zu schlecht ausgefallen wie die Regelbeurteilung vom 13.01.1992. EKHK W. habe insoweit Einfluss auf die jeweiligen Beurteiler genommen. Dies verdeutliche auch die Regelbeurteilung vom 13.01.1995, mit deren Ergebnis der Kläger offenbar zufrieden ist. Aus einem Notensprung von 0,75 Punkten gegenüber der letzten Regelbeurteilung schließt er jedoch, dass er zuvor viel zu schlecht beurteilt wurde. Die Anlass-Beurteilungen vom 27.08. und 23.08.1999/28.07.2000 mit den Noten 2,0 und 1,75 seien jedoch wiederum zu schlecht ausgefallen, weil er gegenüber EKHK K. die private Beziehung seines unmittelbaren Vorgesetzten in der C-Schicht, KHK P., mit einer Kollegin angeprangert und damit auch Kritik am gemeinsamen Dezernatsleiter EKHK K. geäußert habe. In einem Personalgespräch am 01.09.1999 mit KOR E., in dem er sich über die erneute zu schlechte Beurteilung beklagte, habe KOR E. schallend gelacht und ihm mitgeteilt, "er lache ihn nicht an, er lache ihn auch nicht aus, er lache, weil er zu dumm sei, die Zusammenhänge zu erkennen".
Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Anlass-Beurteilung vom 23.08.1999 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Das Verwaltungsgericht erklärte, weil die einzelnen Leistungsmerkmale des Klägers in der angegriffenen dienstlichen Beurteilung alle überdurchschnittlich gut bewertet worden seien, passe hierzu eine Gesamtbeurteilung von 1,75, die nach der Benotungspraxis nicht überdurchschnittlich ist, nicht. Daraufhin wurde die Anlass-Beurteilung vom 28.07.2000 neu erstellt, jedoch die Gesamtnote 1,75 beibehalten. Am 13.02.2001 wurde daraufhin der Beklagte verurteilt, die Anlass-Beurteilung aufzuheben und den Kläger neu zu bescheiden. Am 12.07.2001 erging wiederum eine neue Fassung der Anlass-Beurteilung mit gegenüber der Anlass-Beurteilung vom 23.08.1999 schlechteren Einzelbeurteilungen und wiederum mit der Note 1,75. Der Antrag des Klägers auf Vollstreckung des Urteils vom 13.02.2001 gemäß § 172 VwGO wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 13.12.2002 und die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers mit Beschluß des VGH Baden-Württemberg vom 25.06.2003 zurückgewiesen.
Im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Kläger eine Drohung vor Klagerhebung mit negativen Vermerken in der Personalakte, und rügt die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung, eine neue Beurteilung müsse im Ergebnis nicht besser als bisher ausfallen, und die behauptete Äußerung eines Mitarbeiters der Rechtsabteilung der LPD Stuttgart II, das Verfahren müsse man sportlich sehen. Auf die einzelnen Beurteiler sei Einfluss genommen worden, die Einzelbewertungen herabzusetzen, um so eine Note von 1,75 zu rechtfertigen. Auf Nachfrage habe ihn KHK B. in einem Telefongespräch angelogen, in dem er verneint habe, an der neuen Beurteilung vom 28.07.2000 beteiligt gewesen zu sein. In der neuen dienstlichen Beurteilung tauche ein Endbeurteiler auf, der ihm nicht bekannt sei, und ein Vorbeurteiler, der tatsächlich seine Mitwirkung an der Beurteilung verweigert habe. Eine Provokation sei auch die Übersendung der Abordnung zu einem Qualifizierungslehrgang für den gehobenen Dienst per Privatpost.
Seit 07.09.2000 befindet sich der Kläger im Krankenstand. Wann seine Dienstfähigkeit wieder hergestellt sein wird, ist offen. Am 04.03.2002 stellte der Polizeiarzt die Polizeidienstunfähigkeit und allgemeine Dienstunfähigkeit des Klägers nach dem Landesbeamtengesetz fest.
Bezüglich den weiteren Einzelheiten des unstrittigen Sachverhalts und des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Mit der Klage macht der Kläger entgangenen Verdienst in Höhe von 1.280,08 EUR geltend, weil er bei einer zutreffenden Beurteilung zumindest gleichzeitig mit seinem Kollegen L. und nicht erst sechs Monate später zum 1.04.2000 befördert worden wäre. Mit einer Klagerweiterung in der 2. Instanz begehrt er Ersatz von Gehaltskürzungen in Höhe von 5.080,36 EUR für April 2003 bis Juli 2003, weil er nur noch sein vorläufig berechnetes Ruhegehalt erhält. Darüber hinaus begehrt er ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 EUR sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht für künftige materielle Schäden des Klägers.
Das Landgericht Stuttgart hat im Anschluss an eine Güteverhandlung gemäß § 278 Abs. 2 ZPO ohne weitere protokollierte mündliche Verhandlung die Klage mit Urteil vom 21.02.2003 als unbegründet abgewiesen.
10 
Hiergegen wendet sich die Berufung mit der Rüge, dass in der ersten Instanz keine Anträge gestellt worden sind und deshalb dem Beklagten etwas zugesprochen sei, nämlich die Klagabweisung, die dieser gar nicht beantragt habe. Durch den Wegfall der mündlichen Verhandlung sei dem Kläger kein rechtliches Gehör gewährt worden. § 839 Abs. 3 sei auf die Anspruchsgrundlage für Schmerzensgeld, nämlich § 847 BGB a.F. nicht anwendbar. Auch die Art der Verletzung, nämlich "Mobbing" verbiete eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB. Der Kläger wiederholt im Übrigen sein Vorbringen aus der ersten Instanz und ist der Ansicht, er sei systematisch von seinen Dienstvorgesetzten gemobbt worden. Aus dem Gutachten des Dr. med. Br. sei zu entnehmen, dass die Erkrankung des Klägers auf diesem "Mobbing" beruhe. Das erstinstanzliche Urteil setze sich mit seinem Vorbringen nicht ausreichend auseinander. Wegen des Verbot der reformatio in peius sei der Beklagte durch das Verwaltungsgericht Stuttgart zu einer besseren Beurteilung anhand der vorliegenden Einzelbewertungen verurteilt worden.
11 
Der Kläger beantragt:
12 
Das Endurteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003, Geschäftsnummer: 15 O 385/02 wird wie folgt abgeändert:
13 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.280,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 28.09.2002 zu zahlen.
14 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 28.09.2002 zu zahlen.
15 
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden, die aus den gegen den Kläger zwischen 1988 und 2002 bei der LPD Stuttgart II verübten Mobbing-Handlungen resultieren, zu ersetzen.
16 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.080,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus ab 05.07.2003 zu zahlen.
17 
Hilfsweise wird beantragt, die Sache unter Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Stuttgart vom 21.02.2003, Geschäftsnummer 15 O 385/02 und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen
20 
Das beklagte Land ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO lägen nicht vor. Es hält das Urteil des Landgerichts für richtig und hält sein Bestreiten der vom Kläger behaupteten Äußerungen und Geschehensabläufe aufrecht. Es verweist zur Rechtmäßigkeit der neuen dienstlichen Beurteilung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluß vom 13.12.2002, die der VGH mit Beschluß vom 25.06.2003 bestätigt habe.
21 
Die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Az. VS 15 K 3718/01, und des VGH Baden-Württemberg, Az. 4 S 118/03, waren zu Informationszwecken beigezogen.
II.
22 
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1.
23 
Gemäß § 137 Abs. 1 ZPO ist die Antragstellung unverzichtbare Voraussetzung einer ordnungsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung. Fehlt sie und entscheidet das Gericht gleichwohl über das sachliche Begehren einer Partei, liegt darin ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (OLG Koblenz, MDR 2002, 415; BGH NJW 1991, 1683, 1684; NJW 1999, 61), der gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. nur dann zu einer Zurückverweisung führen kann, wenn aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dies gilt auch bei erstinstanzlich lediglich angekündigten, aber nicht verlesenen Anträgen (Zöller-Gummer, ZPO 23. Aufl., § 538 Rn. 18).
24 
Wie unten auszuführen ist, ist die landgerichtliche Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers zutreffend, ohne dass eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme aufgrund der Verfahrensmängel in der ersten Instanz notwendig wäre.
2.
25 
Der Kläger stützt die geltend gemachten Ansprüche insbesondere auf "Mobbing". Beim "Mobbing" handelt es sich nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage, sondern "Mobbing" kann zu einem Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten führen, wenn Vorgesetzte des Klägers im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung durch pflichtwidrige Handlungen das Persönlichkeitsrecht des Klägers oder dessen Gesundheit geschädigt haben (LAG Baden-Württemberg, AP Nr. 2 zu § 611 BGB "Mobbing"). Die Zufügung eines körperlichen Schadens oder einer schweren Persönlichkeitsverletzung muss adäquat kausal und unter Überschreitung des "erlaubten Risikos" erfolgt sein (LAG Baden-Württemberg, a.a.O.).
26 
Nach dem Bundesgerichtshof ist unter "Mobbing" der Missbrauch der Stellung eines Vorgesetzten zu verstehen, um einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren (BGH NJW 2002, 3172, 3173).
27 
In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Begriff des "Mobbing" noch näher erläutert. Danach handelt es sich bei "Mobbing" um fortgesetzte, auf einander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ob ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt den Begriff des "Mobbing". Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise (LAG Bremen, NZA-RR 2003, 234, 235 f; LAG Hamm, Urteil vom 25.06.2002, Az.: 18 (11) Sa 1295/01; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, 121, 122; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, 457; Thüringer LAG NZA-RR 2001, 347, 358; 577, 579). Auch wenn durch die einzelnen Handlungen für sich gesehen eine Haftung wegen der mit "Mobbing" verbundenen Beeinträchtigung nicht eintritt, kann die Gesamtheit der Handlungen zu einer Haftung aufgrund der sich verbindenden Systematik und ihres Fortsetzungszusammenhangs begründen (vgl. Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 372 ff; Arbeitsgericht München NZA-RR 2002, 123, 124; Thüringer LAG a.a.O., 579). Zwischen den einzelnen Handlungen muss im juristischen Sinn ein Fortsetzungszusammenhang bestehen, wobei es nur dann keiner Mindestlaufzeit der Handlungen oder einer Handlungsfrequenz bedarf, wenn die Wirkungen der Einzelhandlungen fortdauern (LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., S. 580), weil z.B. durch eine einzelne Maßnahme ein Mitarbeiter ständig an den Pranger gestellt wird. Ansonsten erfolgt das gegen eine Person gerichtete Verhalten nur dann systematisch, wenn sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lässt (LAG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Bei zeitlich weit auseinander liegenden Handlungen fehlt in der Regel die notwendige systematische Vorgehensweise (LAG Bremen NZA-RR 2003, 234, 236; im konkreten Fall von neun Vorfällen in ca. 3 1/2 Jahren in Frage gestellt).
28 
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommen die §§ 839, 847 BGB a.F. i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG in Betracht. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf das Verhalten seiner Dienstvorgesetzten und teilweise von Mitarbeitern der Rechtsabteilung der Landespolizeidirektion in Stuttgart II insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung seiner dienstlichen Leistungen. Angesichts des beamtenrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Normengefüges wird ein Vorgesetzter, der im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung einen Untergebenen respektlos behandelt, regelmäßig hoheitlich tätig (im Einzelnen BGH NJW 2002, 3172, 3173). Dies hat zur Folge, dass für etwaige daraus entstehende Gesundheitsschäden oder Persönlichkeitsverletzungen des Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen grundsätzlich der Dienstherr des vorgesetzten Beamten haftet. Vorliegend tritt neben die umfassenden Dienstleistungs- und Treuepflichten auch der vorgesetzten Beamten des Klägers und der Fürsorge- und Treupflicht des Dienstherrn, die in Baden-Württemberg für die Polizei zusätzlich in § 67 Abs. 1, 90 LPVG ihren Niederschlag gefunden haben, auch der aus der Fürsorgepflicht und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums fließende Grundsatz, dass der Dienstherr den Beamten in seinem beruflichen Fortkommen nicht zu Unrecht beeinträchtigen darf und er gemäß § 115 LBG den Beamten gemäß seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu beurteilen hat. Auch wenn Amtsträger im Zusammenhang mit den Beurteilungen des Klägers diese aus eifersüchtigen oder rein persönlichen Gründen zu eigennützigen, schikanösen oder gar strafbaren Zwecken missbraucht hätten, stünde dies einer Amtshaftung nicht entgegen (BGH, a.a.O.).
29 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert eine Haftung des Beklagten nicht schon an § 839 Abs. 3 BGB. Allerdings ist § 839 Abs. 3 BGB entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb unanwendbar, weil Anspruchsgrundlage der klägerischen Forderung § 847 BGB a.F. ist. Zum einen trifft dies nur einen Teil der Klagbegehren und zum anderen setzt § 847 BGB a.F. das Vorliegen einer unerlaubten Handlung voraus, die bezüglich dem Beklagten nur in § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu suchen ist.
30 
Weil es sich beim "Mobbing" schon nach der Definition nicht um einzelne Handlungen, sondern um fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen handelt, ist von der Art der Vorgehensweise beim "Mobbing" ein die Amtshaftung ausschließendes vorrangiges Rechtsmittel gemäß § 839 Abs. 3 BGB nicht gegeben. Beim "Mobbing" kann das Vorgehen gegen Einzelakte durch Einlegung eines Rechtsmittels erfolglos bleiben, weil erst in der Gesamtschau der rechtsverletzende Charakter der Vorgehensweise von Dienstvorgesetzten erkennbar wird (vgl. auch Thüringer LAG a.a.O., 579). Ein Rechtsmittel gegen eine Handlungsweise, die in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, den Betroffenen zu zermürben, wäre darüber hinaus nicht erfolgversprechend. Vielmehr wäre durch die Einlegung eines Rechtsmittels gegen schikanierende und diskriminierende Verhaltensweisen von Vorgesetzten im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung der Situation zu befürchten (BGH a.a.O., 3174). Etwaige Rechtsmittel, soweit diese überhaupt in Betracht kommen, wären aller Voraussicht nach erfolglos geblieben, so dass deren Nichteinlegung nicht ursächlich für den entstandenen Schaden war. Darüber hinaus wäre es dem Betroffenen nicht zuzumuten, durch das Einlegen eines Rechtsmittels die Beseitigung des schikanösen Handelns der Vorgesetzten zu betreiben und an seinem Arbeitsplatz und in der Umgebung der ihn bisher in der Regel vorsätzlich schikanierenden Vorgesetzten zu verbleiben, so dass die Nichteinlegung eines Rechtsmittels ohne Verschulden erfolgt wäre.
3.
a)
31 
Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, ein "Mobbing" i.S.d. obigen Definition annehmen zu können. Der Vortrag des Klägers lässt lediglich deutlich werden, dass er sich von seinen Dienstvorgesetzten verfolgt und gezielt benachteiligt fühlt. Es ist aber weder erkennbar geworden, dass dieses Gefühl berechtigt ist, noch, dass das Verhalten seiner Dienstvorgesetzten systematisch, also in einer fortgesetzten, aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweise erfolgt wäre.
aa)
32 
Der Kläger fühlt sich insbesondere durch die ihm von seinen Dienstvorgesetzten erteilten Beurteilungen diskriminiert und benachteiligt. Dabei handelt es sich um Beurteilungen vom 18.09.1989, 13.01.1992, 27.08.1998 und die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 einschließlich zwei weiterer an deren Stelle getretenen Neubeurteilungen. Mit der Regelbeurteilung vom 13.01.1995 ist der Kläger einverstanden und zieht aus dieser Regelbeurteilung lediglich Schlüsse im Hinblick auf die aus seiner Sicht ungerechtfertigten vorangegangenen Regelbeurteilungen. Während ein Zusammenhang der Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999, 28.07.2000 und 12.07.2001 schon deshalb zu bejahen ist, weil diese alle den gleichen Beurteilungszeitraum betreffen, fehlt im Übrigen der für die Annahme eines "Mobbing" ausreichende Zusammenhang zwischen den gerügten Beurteilungen. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Beurteilungen von drei Jahren, sechs Jahren und einem Jahr genügt nicht, um eine fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane und Diskriminierung dienenden Verhaltensweise annehmen zu können. Gegen eine systematische Vorgehensweise spricht im vorliegenden Fall auch, dass bei den einzelnen Beurteilungen unterschiedliche Vorgesetzte beteiligt waren. Insbesondere hat bei den Regelbeurteilungen vom 18.09.1989 und 13.01.1992 kein einziger Vorgesetzter an beiden Beurteilungen mitgewirkt. Die Vermutung des Klägers, EKHK W. habe hier auf die Beurteilung Einfluss genommen, hat er auf das Bestreiten des Beklagten nicht unter Beweis gestellt.
33 
Auch die Begründungen des Klägers, warum die Beurteilungen zu Unrecht so schlecht ausgefallen seien, sprechen gegen eine systematische Vorgehensweise der Dienstvorgesetzten des Klägers. Während die schlechten Regelbeurteilungen vom 18.09.1989 und 13.01.1992 nach seiner Auffassung auf eine unzulässige Einflussnahme des EKHK W. zurückzuführen seien, sei für die zu schlechten Beurteilungen vom 13.01.1995 und 27.08.1998 das zerstörte Vertrauensverhältnis mit EKHK K. verantwortlich. Die wiederholenden Anlassbeurteilungen vom 28.07.2000 und 12.07.2001 haben ihren Anlass nach Auffassung des Klägers darin, ihm gegenüber eine rechtswidrige Verwaltungspraxis durchzusetzen und die ihm rechtswidrig erteilte Benotung zu halten. Insoweit geht es letztlich, wie bereits ausgeführt, bei den Beurteilungen ab dem 23.08.1999 nicht um mehrere, sondern einen Vorgang und einen Beurteilungszeitraum.
bb)
34 
Auch die weiteren vom Kläger geschilderten, ihn aus seiner Sicht diskriminierenden und schikanierenden Verhaltensweisen seiner Dienstvorgesetzten sind nicht geeignet, die für eine fortgesetzte und systematische Vorgehensweise notwendige Verbindung zu schaffen.
35 
Die vom Kläger als Drohung aufgefassten Äußerung des EKHK W. im Rahmen der Auslandsbewerbung des Klägers im Jahr 1988, der Kläger "werde ja irgendwann einmal aus dem Ausland zurückkommen" hat der Kläger auf das Bestreiten des Beklagten hin nicht unter Beweis gestellt. Diesem Vortrag fehlt auch die Plausibilität, weil nicht erkennbar ist, warum der zuständige Personalsachbearbeiter sich aufgrund eines Auslandseinsatzes des Klägers zu einer solchen Drohung und deren Umsetzung veranlasst gefühlt haben sollte. Darüber hinaus dient der Vortrag nur zur Verbindung der Regelbeurteilungen aus den Jahren 1989 und 1992. Während dieser Zeit hat der Kläger keine weiteren Vorfälle geschildert, die auf ein "Mobbing" schließen lassen müssten.
36 
Die Behauptung des Klägers, KOR E. habe ihm im Jahr 1998 auf seine Remonstration bezüglich der Anlassbeurteilung vom 27.08.1998 mitgeteilt, die Beurteilung sei "unglücklich gelaufen" und bei der nächsten Beurteilung in einem Jahr "würde man dies wieder gutmachen" ist weder als Beleidigung noch als Schikane noch als Diskriminierung des Klägers aufzufassen.
37 
Das weitere Gespräch mit KOR E. nach der Anlassbeurteilung vom 23.08.1999, in dem der Kläger ausgelacht wurde, weil er zu dumm sei, die Zusammenhänge zu erkennen, ist als auf das Bestreiten des Beklagten hin unbewiesene Behauptung einer Beleidigung und Diskriminierung des Klägers anzusehen, die singulär steht und nicht geeignet ist, einen Fortsetzungszusammenhang zwischen den verschiedenen Beurteilungen insoweit zu schaffen, dass ein "Mobbing" i.S.d. Rechtsprechung anzunehmen wäre.
38 
Die Zusendung der Abordnung des Klägers zu einem Qualifizierungslehrgang an seine Privatadresse zu einem Zeitpunkt, in dem er sich krankheitsbedingt nicht im Dienst befunden hat, ist objektiv nicht als Provokation oder sonstige Schikane zu bewerten. Vielmehr verdeutlicht die vom Kläger vorgenommene Bewertung dieses Vorgangs seine zumindest inzwischen eingetretene Überempfindlichkeit gegenüber nicht zu beanstandenden Vorgehensweisen der Bediensteten des Beklagten.
39 
Die übrigen behaupteten Handlungen, auf die der Kläger den Vorwurf des "Mobbing" stützt, sind im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 vorgerichtlich und im Verwaltungsgerichtsverfahren geschehen, so dass auch sie nicht geeignet sind, über diese Einzelbeurteilung hinaus mit den anderen Vorwürfen eine systematische Vorgehensweise zur Zermürbung des Klägers erkennen zu lassen (s. auch unten zu Ziff. 4).
40 
Eine systematische, fortgesetzte Begehungsweise war hier auch nicht entbehrlich. Die dienstlichen Beurteilungen stellen keine Dauerverletzung dar, weil es sich um auf einen bestimmten Stichtag bezogene Werturteile des Dienstvorgesetzten handelt. Auch wenn der Kläger selbst dauerhaft durch die in den dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Werturteile getroffen wurde, sind sämtliche dienstlichen Beurteilungen nicht geeignet, einen Untergebenen objektiv dauerhaft zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren. Solchen dienstlichen Beurteilungen fehlt eine dauerhafte Außenwirkung schon deshalb, weil sie vom Dienstherrn den Kollegen nicht bekannt gemacht werden und keine Umstände ersichtlich sind, die dem Kläger das im Vergleich zu Kollegen verhältnismäßig schlechte Abschneiden immer wieder in unredlicher Weise in Erinnerung gerufen hätten.
41 
Schon danach liegt ein wegen "Mobbing" haftungsbegründendes Verhalten der Bediensteten des Beklagten nicht vor.
b)
42 
Im übrigen können nur von Inhalt oder Art und Weise unberechtigte Vorgehensweisen den Vorwurf eines "Mobbing" begründen (LAG Nürnberg, NZA-RR 2003, 121, 123; Benecke, NZA-RR 2003, 225, 228; Rieble/Klumpp, a.a.O., S. 373), außer wenn hinter dem für sich gesehen rechtmäßigen Handeln ausschließlich ein Schikanewille steht, der hier nicht erkennbar ist.
43 
Die aufgrund des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn beschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle lässt keine Rechtswidrigkeit der Beurteilungen vom 18.09.1989 bis 27.08.1998 erkennen.
44 
Bei einer dienstlichen Beurteilung gemäß § 115 LBG handelt es sich um einen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis mit einer der gesetzlichen Regelung immanenten Beurteilungsermächtigung (BVerfG NVwZ-RR 2002, 802, 803; BVerwG ZBR 1988, S. 63; BVerwGE 60, 245, 246 ff).
45 
Der Beamte hat deshalb eine dienstliche Beurteilung hinzunehmen, wenn sie sich innerhalb des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn hält, auch wenn das subjektive Wertgefühl des Beamten durch die dienstliche Beurteilung beeinträchtigt wird.
aa)
46 
Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwGE 60, 245, 246 ff). Auch wenn die Benotung durch den Deutschen Botschafter und eine Bewertung der Tätigkeit des Klägers beim Staatsschutz in den einzelnen dienstlichen Beurteilungen nicht auftaucht, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass diese Tätigkeiten bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden wären.
bb)
47 
Die Beurteilung durch einen voreingenommenen Vorgesetzten stellt auch dann, wenn dem Dienstherrn eine sog. Beurteilungsermächtigung zusteht, einen Verfahrensfehler dar, weil dann der Dienstherr gegen seine selbstverständliche Pflicht verstößt, den Beamten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen (BVerfG a.a.O.; BVerwG NVwZ 1998, 1302 f).
48 
Hier gibt es bezüglich der Beurteilungen vor dem 23.08.1999 keine durchgreifenden und, soweit entscheidungserheblich, unter Beweis gestellten Hinweise auf eine objektiv gegebene Befangenheit der Beurteiler des Klägers.
c)
49 
Als möglicher haftungsbegründender Sachverhalt verbleibt danach nur noch die Auseinandersetzung um die Anlassbeurteilung für den Zeitraum 1.08.1998 bis 1.09.1999.
50 
Soweit der Beklagte im Verwaltungsgerichtsverfahren durch seinen Vortrag seine Rechtsposition zu begründen versuchte, handelte er in Ausübung seiner guten Rechte als Prozesspartei. Der Kläger konnte weder einen kritiklosen Umgang mit ihm noch im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens die Aufgabe einer rechtlichen Auseinandersetzung durch den Beklagten erwarten. Soweit geht die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers, auch des Staates, nicht.
51 
Soweit es um vom Kläger gerügte Mängel bei der Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung vom 12.07.2001 geht, handelt es sich im wesentlichen um einen Teil der Auseinandersetzung in der Sache, nämlich das Finden einer rechtmäßigen Beurteilung mit einer angemessenen, sich innerhalb des Beurteilungsspielraums haltenden Gesamtnote und die Reichweite der Grundsätze der reformatio in peius, nicht aber um den für ein "Mobbing" typischen und erforderlichen Angriff auf die Persönlichkeit und Würde des Klägers, auch wenn er dies anders empfinden mag. Hier ist der Kläger auf den Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg zu verweisen.
52 
Die im Zusammenhang mit den Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999, 28.07.2000 und 12.07.2001 vom Kläger vorgetragenen übrigen gerügten Verhaltensweisen sind von Art und Intensität nicht geeignet, den Vorwurf des "Mobbing" zu rechtfertigen und lassen eine systematische und fortgesetzte Begehungsweise vermissen. Wenn die vom Kläger aufgestellten Behauptungen sich als richtig erweisen würden, wären aufgrund des Geschehensablaufs einzelne, unschöne Ausfälle von Vorgesetzten des Klägers im Umgang mit ihm festzustellen, die aber eine Systematik nicht erkennen lassen, sondern sich als Einzelvorgänge darstellen. Darüber hinaus fehlt die notwendige Intensität des Eingriffs der einzelnen Maßnahmen in die geschützte Würde und Persönlichkeit des Klägers, um von einem "Mobbing" sprechen zu können.
d)
53 
Soweit der Kläger auf das nervenärztliche Gutachten des Dr. med. Frank Br. vom 29.06.2001 zur Begründung des Mobbingvorwurfs verweist, führt dies nicht zu einem schlüssigen Tatsachenvortrag. Der medizinische Sachverständige hat seine Beurteilungen allein auf dem eigenen Bekunden des Klägers abgegeben und selbst erklärt, dass es nicht Aufgabe der gutachterlichen Ausführungen ist, die Angaben des Klägers in ihrem Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ein solches medizinisches Gutachten ist deshalb für die schlüssige Begründung und den Beweis eines "Mobbing" ungeeignet (vgl. LAG Baden-Württemberg AP Nr. 2 zu § 611 BGB "Mobbing"; Arbeitsgericht München NZA-RR 2002, 123, 124; LAG Berlin, Urteil v. 7.11.2002, Az. 16 Sa 938/02). Aus diesem Gutachten ergibt sich lediglich die klägerische Sichtweise der Geschehnisse und die von ihm deswegen empfundene tiefe Kränkung. Allerdings ist aus dem Gutachten neben der Kausalität der Geschehnisse für die Kränkung auch deren medizinische Einordnung als Dysthymia, einer chronisch depressiven Verstimmung, zu entnehmen. Das nervenärztliche Gutachten zeigt die in diesem Zusammenhang bedeutenden Persönlichkeitsdefizite des Klägers auf, wonach dem Kläger die entsprechenden Bewältigungsstrategien fehlten, um mit einer beruflichen Kränkung adäquat umzugehen, was die Reaktion des Klägers auf seine dienstlichen Beurteilungen verständlicher werden lässt. Der Gutachter bewertet diese Persönlichkeitsstruktur des Klägers als sekundären Narzissmus.
54 
Nach alledem fehlt ein schlüssiger Vortrag für ein haftungsbegründendes "Mobbing" des Klägers.
4.
55 
Die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 und die sich anschließenden, an ihre Stelle getretenen Beurteilungen vom 28.07.2000 und 12.07.2001 sowie die Äußerungen von Vorgesetzten im Zusammenhang mit diesen Beurteilungen erfüllen die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten auch unter anderen Gesichtspunkten als "Mobbing" nicht.
a)
56 
Soweit der Kläger Ersatz für entgangenen Verdienst aufgrund der im Vergleich zu seinem Kollegen L. späteren Beförderung in Höhe von 1.280,08 EUR begehrt, scheitert dieser Anspruch an § 839 Abs. 3 BGB.
57 
Der Kläger hat die angeblich rechtswidrige Unterlassung seiner Beförderung im Oktober 1999 hingenommen und damit in Kauf genommen, dass der Beklagte mit der Besetzung der Beförderungsämter vollendete Tatsachen schaffen konnte. Den ihm hier zur Verfügung stehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz hat der Kläger nicht in Anspruch genommen, so dass § 839 Abs. 3 BGB seiner Amtshaftungsklage entgegensteht (BVerwG NVwZ-RR 2002, 620; NJW 1998, 3288, 3289). Die Inanspruchnahme von Primärrechtschutz war nicht aussichtslos und damit unzumutbar, weil der Kläger sich gegen seine dienstliche Beurteilung für den Zeitraum 01.08.1998 bis 01.09.1999 gewehrt hat und diese Auseinandersetzung mit dem Dienstherrn zum Zeitpunkt der Besetzung der Beförderungsstelle noch nicht abgeschlossen war. Im Rahmen des Auswahlverfahren für ein Beförderungsamt ist weder der Dienstherr noch das Gericht an eine bestimmte dienstliche Beurteilung gebunden. Einwendungen gegen eine dienstliche Beurteilung, die als solche kein Verwaltungsakt und deshalb auch nicht der Bestandskraft fähig ist, können auch unmittelbar in einem Bewerbungsverfahren wie auch in einem ggf. anschließenden verwaltungsgerichtlichen "Konkurrentenstreit" geltend gemacht werden. Der Beamte braucht nicht den Ausgang eines isolierten Streites und die Fehlerhaftigkeit einer dienstlichen Beurteilung abzuwarten (BVerwG NVwZ-RR 2002, 620). Der Kläger hätte bereits in einem früheren Verfahren mit dem Ziel seiner Beförderung seine Bedenken gegen die Beförderungspraxis des Beklagten einbringen können. Darüber hinaus hat der Kläger die Kausalität der rechtswidrigen Anlassbeurteilung vom 23.08.1999/28.07.2000 für das Unterbleiben der Beförderung nicht ausreichend dargelegt.
58 
Soweit der Kläger wegen Gehaltskürzungen einen Ausgleich durch Schadensersatz erreichen möchte, ist er gemäß § 839 Abs. 3 BGB ebenfalls auf den Primärrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu verweisen.
b)
59 
Aufgrund des Urteils des VG Stuttgart vom 13.02.2001 steht für beide Parteien verbindlich die Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 fest. Durch die Anlassbeurteilung haben die Vorgesetzten des Klägers ihre Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt. Allerdings führt nicht jede rechtswidrige Maßnahme zu einem Schadensersatzanspruch.
aa)
60 
Ohne die Voraussetzungen eines "Mobbing" kommt ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer durch eine Amtspflichtverletzung veranlaßten Persönlichkeitsrechtsverletzung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob ein derart schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit angenommen werden kann, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei sind insbesondere die Art und Schwere der Beeinträchtigung sowie der Grad des Verschuldens, ferner Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 18.12.1986, Az.: III ZR 144/86; BGH NJW 1981, 675, 676). Nach den obigen Ausführungen ist ein so schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, der eine Schadensersatzverpflichtung auslösen könnte, nicht gegeben.
bb)
61 
Eine Haftung des Beklagten wegen der Gesundheitsbeschädigung des Klägers durch die Erkrankung an einer chronisch depressiven Verstimmung scheitert an der fehlenden Adäquanz der behaupteten Amtspflichtverletzungen für die Erkrankung.
62 
Selbst wenn die Anlassbeurteilung vom 23.08.1999 ursächlich oder mitursächlich für die jetzige Erkrankung des Klägers geworden wäre, ist sie durch diese Anlassbeurteilung und die in diesem Zusammenhang entstandenen Auseinandersetzungen und Angriffe nicht adäquat kausal verursacht worden. Zwar erstreckt sich der Zurechnungszusammenhang einer Pflichtverletzung grundsätzlich auch auf seelische Reaktionen des Verletzten, selbst wenn diese durch eine psychische Labilität wesentlich mit bestimmt sind. Der Schädiger muss daher grundsätzlich auch für psychische Erkrankungen wie depressive Verstimmungen einstehen (Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rn. 69).
63 
Nach der Rechtsprechung des für Fragen der Amtshaftung zuständigen 3. Zivilsenats des BGH gilt im Amtshaftungsrecht - wie im übrigen Schadensersatzrecht - das Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. Ein solcher adäquater Zusammenhang besteht, wenn die Amtspflichtverletzung im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen oder nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war (BGH NVwZ 1994, 825, 826 f m.w.N.). Eine Ersatzpflicht ist danach ausgeschlossen, wenn die neurotische Fehlhaltung in einem groben Missverhältnis zum schädigenden Ereignis steht, sie also Ausdruck einer offensichtlich unangemessenen Erlebnisverarbeitung ist (vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O. Rn. 70 a).
64 
Die Rechtswidrigkeit einer dienstlichen Beurteilung allein, gegen die Primärrechtsschutz möglich ist, ist nicht geeignet, dem Beklagten bzw. den Vorgesetzten des Klägers zurechenbar eine Dienstunfähigkeit wegen einer chronisch depressiven Verstimmung herbeizuführen. Vielmehr ist eine solche Reaktion auf eine nicht zufriedenstellende dienstliche Beurteilung Ausdruck einer offensichtlich unangemessenen Erlebnisverarbeitung, die dem Beklagten nicht bekannt war. Ergänzend ist auf das vom Kläger vorgelegte nervenärztliche Gutachten von Dr. Br. zu verweisen (vgl. oben 3.b)). Verdeutlicht wird die offensichtlich unangemessene Erlebnisverarbeitung durch die weiteren Folgen der rechtswidrigen Anlassbeurteilung vom 23.08.1999. Nach eigenem Vortrag trat durch diese Beurteilung lediglich eine verzögerte Beförderung statt im Oktober 1999 zum 1.04.2000 ein. Im September 2000 erhielt er die Abordnung zu einem Qualifizierungslehrgang. Danach waren weder die Folgen der rechtswidrigen Anlassbeurteilungen vom 23.08.1999 noch die damit verbundene objektive Kränkung des Klägers geeignet, einen Zurechnungszusammenhang zu der beim Kläger eingetretenen chronisch depressiven Verstimmung herzustellen.
65 
Ein anderes Ergebnis bei der Frage der Zurechenbarkeit würde sich auch nicht nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH ergeben (BGH NJW 1996, 2425 f; NJW 1976, 1143, 1144). Hier liegt ein sog. Primärschäden vor, nämlich eine Gesundheitsbeschädigung, die haftungsbegründend durch die Amtspflichtverletzung eingetreten sein könnte. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Vorgesetzten des Klägers und damit das beklagten Land die besondere Gefahr einer Erkrankung des Klägers durch eine chronisch depressive Verstimmung hätten erkennen müssen oder erkannt haben und deshalb eine besondere Vorsicht im Umgang mit dem Kläger zu erwarten gewesen wäre, bei der die Erkrankung ausgeblieben wäre.
c)
66 
Einem Schadensersatzanspruch aufgrund der neuen Anlassbeurteilung vom 12.07.2001 steht wiederum § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Der Kläger hat es schuldhaft unterlassen, Primärrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gegen diese neue Anlassbeurteilung zu erlangen. Der neue Verwaltungsakt bzw. die neue dienstliche Beurteilung kann nach den allgemein geltenden Grundsätzen wiederum angefochten werden (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 169 a.E.).
67 
Allerdings findet § 839 Abs. 3 BGB dann keine Anwendung, wenn der Betroffene es unterlässt, gegen einen Verwaltungsakt, der den sachlichen Inhalt eines vorher erlassenen, von ihm angefochtenen Verwaltungsakt lediglich wiederholt, erneut ein Rechtsmittel einzulegen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verwaltungsakt oder wie hier die dienstliche Beurteilung voll inhaltlich und mit derselben rechtlichen Begründung aufrechterhalten wird. Der Kläger rügt nun gerade, dass die einzelnen Bewertungen und damit die Begründung der Gesamtnote zu Unrecht verändert wurde (vgl. BGHZ 56, 57, 60).
68 
Selbst wenn auch die neue Anlassbeurteilung vom 12.07.2001 rechtswidrig wäre, müsste der Zurechnungszusammenhang zum geltend gemachten Schaden, nämlich einer Gesundheitsschädigung durch eine eingetretene chronisch depressive Verstimmung, verneint werden (s.o. b)bb)).
5.
69 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 u. S. 2, 709 S. 2 ZPO.
70 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 4. November 2011 - 3 Sa 541/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klageanträge zu VI und VII zurückgewiesen hat.

Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Entschädigungs-, ein Schmerzensgeld- und ein Schadensersatzanspruch zusteht. Der Kläger war seit 16. Oktober 2000 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als „System Support Programmer/Analyst“. Ab 15. Oktober 2010 wurde der Kläger von der Arbeit freigestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde nachfolgend durch die Beklagte außerordentlich und ordentlich gekündigt. Über die Wirksamkeit dieser Kündigungen war vor dem Arbeitsgericht München ein Kündigungsrechtsstreit anhängig.

2

Neben anderen Ansprüchen hat der Kläger auch geltend gemacht, er sei schikanösem und diskriminierendem Verhalten seines Vorgesetzten S ausgesetzt gewesen. So habe dieser ihn am 28. Mai 2008 aufgefordert, er solle nicht „krank feiern“. Am 3. Juli 2008 habe der Vorgesetzte ihm erklärt, er passe möglicherweise nicht ins Team und einen Tag später, der Kläger werde niemals eine Beförderung erhalten, solange er sein Vorgesetzter sei. Weiter habe der Vorgesetzte geäußert, der Kläger solle von zu Hause aus arbeiten, wenn er sich krank fühle (am 24. September 2008), der Kläger habe mit schmerzlichen Folgen zu rechnen, falls er Elternzeit nehme (am 8. Mai 2009), er (der Vorgesetzte) werde das Arbeitsleben des Klägers „horrible“ machen, wenn er nicht mache, was der Vorgesetzte wolle (am 7. Dezember 2009) und der Kläger arbeite nicht hart, weil er nicht gestresst aussehe (am 2. März 2010). Für die Richtigkeit dieser von der Beklagten bestrittenen Äußerungen des Vorgesetzten S hat der Kläger als Beweis „klägerische Parteieinvernahme“ angeboten.

3

Der Kläger trägt vor, wegen dieser und anderer Mobbinghandlungen sei er ab 25. September 2008 wegen eines depressiven Syndroms mit vordergründiger Störung der Vitalfunktionen und ausgeprägter Schlafstörungen sowie Angststörungen und somatoformer autonomer Funktionsstörungen in nervenärztlicher Behandlung. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, an ihn Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld zu zahlen sowie ihm auch alle noch künftig erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Für die Richtigkeit der von ihm behaupteten, von der Beklagten allerdings bestrittenen Mobbinghandlungen seines Vorgesetzten hätte ihn das Landesarbeitsgericht - wie von ihm beantragt - als Partei vernehmen müssen.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld, jeweils in durch das Gericht festzusetzender Höhe, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

sowie

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche aufgrund der Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte und ihre Verrichtungs-/Erfüllungsgehilfen im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Mai 2010 dem Kläger erwachsenen oder noch erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Sie bestreitet die vom Kläger behaupteten Mobbinghandlungen.

7

Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich wesentlich umfangreichere Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung eines Bonus iHv. 1.033,29 Euro verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision im jetzt noch streitgegenständlichen Umfange zugelassen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte mit der gegebenen Begründung die Klage nicht abweisen dürfen.

9

I. Das Berufungsgericht hat bezüglich der noch streitgegenständlichen Ansprüche seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar habe der Kläger Vorfälle hinreichend konkret dargelegt, die, wenn sie sich wie geschildert zugetragen haben sollten, „einen systematischen Zusammenhang in Richtung einer zielgerichteten Verletzung der Würde des Arbeitnehmers und der Schaffung eines Umfeldes der Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung“ und damit einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung in Geld und Schmerzensgeld begründen könnten. Dies gelte für die Vorfälle vom 28. Mai 2008, 3. Juli 2008, 4. Juli 2008, 24. September 2008, 8. Mai 2009, 7. Dezember 2009 und 2. März 2010. Die Beklagte habe den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers jedoch bestritten. Dieser habe lediglich als Beweis für die Richtigkeit seiner diesbezüglichen Behauptungen seine eigene Parteieinvernahme angeboten. Zu einer solchen habe die Beklagte ihr nach § 447 ZPO erforderliches Einverständnis nicht erteilt. Eine Vernehmung des Klägers von Amts wegen nach § 448 ZPO sei nicht in Betracht gekommen, weil es an einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptungen fehle. Es liege kein sogenannter Anfangs- oder Anbeweis für die behaupteten Tatsachen vor. Von dem Erfordernis eines solchen könne auch nicht allein aufgrund des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abgewichen werden. Im Übrigen sei der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2011 persönlich anwesend gewesen und habe Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Demnach müssten die gesamten Vorfälle, welche möglicherweise einen Mobbing-Zusammenhang begründen könnten, außer Betracht bleiben. Weitere vom Kläger geschilderten Einzelvorfälle seien - auch mangels Substanziierung - nicht geeignet, einen Bezug zu einem mobbingartigen Verhalten herzustellen. Übrig blieben Vorgänge, welche nur „normale“ Arbeitskonflikte beträfen. Aus diesen Gründen sei auch nicht festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm aufgrund der Verletzung seiner Gesundheit und seines Persönlichkeitsrechts möglicherweise erwachsene und noch erwachsende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.

10

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

11

1. Dass die vom Kläger behaupteten Äußerungen seines Vorgesetzten tatsächlich getätigt worden sind, muss der Kläger beweisen, weil er für das Vorliegen von Mobbinghandlungen, aus denen er seinen Entschädigungs-, Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch herleitet, darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 41).

12

2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger die Vorfälle, die seine Mobbingvorwürfe begründen könnten, und deren Vorliegen die Beklagte bestritten hat, zwar durch seine eigene Parteieinvernahme unter Beweis gestellt hat, eine solche aber nach § 447 ZPO aufgrund des fehlenden Einverständnisses der Beklagten grundsätzlich ausscheidet.

13

3. Andere Beweismittel als seine Vernehmung als Partei hat der Kläger nicht angeboten.

14

Ob das Landesarbeitsgericht zu einer Vernehmung des beweispflichtigen Klägers nach § 448 ZPO verpflichtet war, kann der Senat aufgrund der Ausführungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden.

15

a) Grundsätzlich gehen einer Parteivernehmung andere Beweismittel, insbesondere der Zeugenbeweis nach §§ 373 ff. ZPO vor. Nach allgemeiner Meinung ist die Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO ein subsidiäres Beweismittel (vgl. Thomas/Putzo/Reichold ZPO 34. Aufl. Vorbem. § 445 Rn. 1; Zöller/Geimer/Greger ZPO 29. Aufl. Vorbem. § 445 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 71. Aufl. Übersicht § 445 Rn. 7).

16

b) Dem Kläger hätte ein anderes Beweismittel als die eigene Parteieinvernahme zur Verfügung gestanden. Er hätte für die Richtigkeit seiner Behauptungen seinen Vorgesetzten S als Zeugen benennen können. Dass dieser die „Mobbing-Äußerungen“ selbst getätigt haben soll, steht dem nicht entgegen. Allein die Tatsache, dass die Beklagte, also nicht der Zeuge selbst, die vom Kläger behaupteten Äußerungen des Zeugen bestritten hatte, führt nicht dazu, dass für den Kläger ein solches Beweisangebot aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausscheidet. Auch wenn eine Aussage des Zeugen, welche die Behauptungen des Klägers bestätigen würde, für den Zeugen selbst und die Beklagte, als deren Repräsentant der Zeuge aufgetreten war, ungünstige Folgen hätte, musste der Kläger nicht zwingend davon ausgehen, der Zeuge werde die klägerischen Behauptungen nicht bestätigen. Dieser wäre zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet gewesen. Sowohl bei einer uneidlichen als auch bei einer eidlichen Falschaussage hätten ihm strafrechtliche Konsequenzen gedroht (§§ 153, 154 StGB). Allein deshalb durfte der Kläger - gleichsam im Wege einer „vorweggenommenen Beweiswürdigung“ - nicht davon ausgehen, der Zeuge werde wahrheitswidrig unter Inkaufnahme strafrechtlicher Folgen die angeblich von ihm getätigten Äußerungen leugnen, und deshalb auf das Beweisangebot „Zeugenvernehmung“ verzichten. Hinzu kommt, dass der Zeuge, um eine Zwangslage zwischen Falschaussage und einer wahrheitsgemäßen Aussage mit negativen Folgen für sich zu vermeiden, die Möglichkeit der Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO gehabt hätte.

17

c) Nachdem der Kläger den ihm möglichen Zeugenbeweis nicht angetreten hatte, musste das Landesarbeitsgericht darüber entscheiden, ob es den Kläger für die Richtigkeit seiner streitigen Behauptungen nach § 448 ZPO als Partei vernehmen sollte. Allein die Tatsache, dass der Kläger für seine bestrittenen Behauptungen keinen ihm möglichen Zeugenbeweis angeboten hat, entbindet das Landesarbeitsgericht nicht von dieser Verpflichtung. Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei gemäß § 448 ZPO, dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht(vgl. BGH 9. März 1990 - V ZR 244/88 - Rn. 14, BGHZ 110, 363; 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - Rn. 20 mwN; BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 2 f dd der Gründe; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - zu B III 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 52).

18

d) Von diesem Grundsatz ist im konkreten Streitfalle auch unter der Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Beweisführung bei sogenannten „Vier-Augen-Gesprächen“ auszugehen.

19

Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG sichern den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, welches sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernissen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden. Insbesondere müssen die Beteiligten einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - Rn. 10). Auch gehört es zu den für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässlichen Verfahrensregeln, dass das Gericht die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage. Um sie zu gewährleisten, bedarf es eines Mindestmaßes an rechtlichem Gehör (BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - aaO).

20

In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall hatte ein streitentscheidendes Vier-Augen-Gespräch zwischen der Klägerin und einem Angestellten der Beklagten, einer GmbH, stattgefunden. Das Amtsgericht hatte den Angestellten als Zeugen vernommen sowie die Klägerin gemäß § 141 ZPO angehört und daraufhin der Klage stattgegeben. Es hatte die Angaben der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs als bewiesen angesehen. Das Landgericht als Berufungsgericht hatte eine Vernehmung der Klägerin als Partei nach § 448 ZPO im Rahmen des Gegenbeweises abgelehnt und die Klage abgewiesen, weil es aufgrund der Aussage des vom Amtsgericht vernommenen und vom Landgericht erneut vernommenen Zeugen die Behauptungen der Klägerin über den Gesprächsinhalt als nicht erwiesen angesehen hatte. In Anwendung der oben dargestellten Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht zu dieser Vorgehensweise des Landgerichts ausgeführt:

„In der hier gegebenen Konstellation des Vier-Augen-Gesprächs konnte die Beschwerdeführerin [dh. die Klägerin] den Gegenbeweis auch nur im Wege der Parteianhörung bzw. -vernehmung durch Bekundungen führen, die geeignet waren, die Aussage des Zeugen der Beklagten des Ausgangsverfahrens zu erschüttern. Die Verfahrensweise des Landgerichts begünstigte daher einseitig die Beklagte, die mit ihrem Angestellten über einen Zeugen verfügte. Um dies zu vermeiden, hätte das Landgericht, nachdem es den Angestellten der beklagten GmbH zum umstrittenen Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs erneut als Zeugen vernommen hatte, auch der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einräumen müssen, den Gegenbeweis zu führen. Insbesondere hätte ihr die Gelegenheit gegeben werden müssen, auf die Aussagen des Zeugen in dessen neuerlicher Vernehmung (§ 398 Abs. 1 ZPO) reagieren zu können, da das Landgericht von der Beweiswürdigung der Vorinstanz abweichen wollte, die sich auf die protokollierte Anhörung der Beschwerdeführerin stützte.“

21

Diese Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts sind auf den Streitfall bereits deshalb nicht anzuwenden, weil zum Inhalt der Gespräche zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten Zeugenbeweis weder vom Kläger noch von der Beklagten angeboten worden war und deshalb auch - im Gegensatz zum Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegen hatte - kein Zeugenbeweis erhoben worden war.

22

Aus demselben Grunde ist auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27. Oktober 1993 (- 37/1992/382/460 -) nicht einschlägig. Auch in diesem Falle hatte das Gericht nicht den Gesellschafter einer Partei, wohl aber den Vertreter der Gegenpartei als Zeugen für den Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs angehört.

23

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - Rn. 17, BAGE 122, 347) hat eine Verpflichtung zur Vernehmung einer beweispflichtigen Partei nach § 448 ZPO oder zur Anhörung derselben nach § 141 ZPO ebenfalls nur für den Fall gesehen, dass „ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein ‚gegnerischer‘ Zeuge zugegen ist“. Im vorliegenden Streitfalle ist diese Fallkonstellation ebenfalls nicht gegeben, weil die vom Kläger geschilderten Vier-Augen-Gespräche nicht mit der Beklagten, dh. derem Geschäftsführer als Beklagtenvertreter, geführt worden waren, sondern mit seinem Vorgesetzten, der als Zeuge - wenn auch als „gegnerischer“ Zeuge - gemäß §§ 373 ff. ZPO hätte vernommen werden können. Im Übrigen stellt der Dritte Senat in der zitierten Entscheidung auch darauf ab, dass eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO nur in Frage kommt, „soweit dessen Voraussetzungen vorliegen“(BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - Rn. 16, aaO). Dies kann nur heißen, dass auch der Dritte Senat davon ausgeht, eine Parteieinvernahme der beweispflichtigen Partei komme grundsätzlich nur dann in Frage, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht.

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Auch in den zwei weiteren vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen, in denen eine Pflicht zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO bejaht bzw. eine solche nicht beanstandet worden war, stand einer Partei ein Zeuge für ein Vier-Augen-Gespräch zur Verfügung, welcher vernommen worden war (vgl. BAG 6. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - BAGE 100, 52 und 19. November 2008 - 10 AZR 671/07 -; so auch: BGH 9. Oktober 1997 - IX ZR 269/96 -; 16. Juli 1998 - I ZR 32/96).

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e) Damit war das Landesarbeitsgericht nicht - gleichsam von Amts wegen - verpflichtet, den Kläger gemäß § 448 ZPO als Partei zu vernehmen. Vielmehr musste es prüfen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprach, dass die vom Kläger geschilderten Äußerungen seines Vorgesetzten in den Vier-Augen-Gesprächen tatsächlich gefallen waren. Dafür hätte das Landesarbeitsgericht in nachprüfbarer Weise darlegen müssen, weshalb es von der Parteivernehmung des Klägers abgesehen hat. Andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass es von seinem ihm nach § 448 ZPO eingeräumten Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat. Verneint das Landesarbeitsgericht die gewisse Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache und lehnt es deshalb eine Parteivernehmung ab, so müssen seine Feststellungen in einer § 286 ZPO genügenden Weise getroffen sein(BGH 9. März 1990 - V ZR 244/88 - zu I 1 b der Gründe, BGHZ 110, 363). Daran fehlt es vorliegend. Das Landesarbeitsgericht hat ohne nähere Angabe von Gründen lediglich festgestellt, dass „ein sog. Anfangs- oder Anbeweis für die behaupteten Tatsachen“ fehlt. Aus welchen Gründen es zu dieser Feststellung gelangt ist, hat das Berufungsgericht nicht ausgeführt. Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 4. November 2011 persönlich anwesend war und Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, ist in diesem Zusammenhang unbehelflich, weil daraus nicht ersichtlich wird, ob das Gericht dem Kläger Fragen gestellt hat oder ob er und gegebenenfalls welche Erklärungen er in der mündlichen Verhandlung abgegeben hat. Diesbezüglich enthält auch die Sitzungsniederschrift keine Feststellungen.

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4. An diesem Verfahrensfehler leidet das angefochtene Berufungsurteil in entscheidungserheblicher Weise. Dieses war deshalb aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit dieses den beanstandeten Mangel nach erneuter Verhandlung der Streitsache behebt.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Lüken    

        

    Soost    

                 

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.