Finanzgericht Nürnberg Urteil, 25. Sept. 2014 - 4 K 273/12

bei uns veröffentlicht am25.09.2014

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist, ob das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für die Streitjahre 1999 bis 2002 geltenden Fassung verfassungswidrig ist.

Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Inhaber eines Einzelunternehmens für Modell- und Formenbau, außerdem erzielt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen an mehreren Personengesellschaften. Daneben erzielt er Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin hat ebenfalls gewerbliche Beteiligungseinkünfte sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger reichten am 17.12.2003 die Einkommensteuererklärung 1999, am 23.01.2004 die Einkommensteuererklärung 2000, am 14.04.2004 die Einkommensteuererklärung 2001 und am 20.08.2004 die Einkommensteuererklärung 2002 beim Finanzamt ein. Mit Bescheiden vom 05.03.2004 erfolgten zusammen mit den jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen auch die jeweiligen Festsetzungen von Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1999 und 2000. Die Festsetzungen von Solidaritätszuschlag zur Einkommen-steuer 2001 und 2002 erfolgten mit Bescheiden vom 13.05.2004 und 16.09.2004.

Gegen alle Festsetzungen von Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer der Streitjahre 1999 bis 2002 legten die Kläger jeweils fristgerecht Einspruch ein, mit dem sie sinngemäß geltend machten, die jeweiligen Festsetzungen des Solidaritätszuschlages seien rechtswidrig, da das zugrundeliegende Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung führe und damit gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) verstoße.

Aufgrund der beim Kläger und der Klägerin durchgeführten Außenprüfungen für die Jahre 1999 bis 2002 und 2003 bis 2006 wurden die Einkommensteuerfestsetzungen und die Festsetzungen von Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für die Streitjahre 1999 bis 2002 mehrfach geändert. Gegen sämtliche Änderungsbescheide im Kalenderjahr 2007 und 2010 wurde fristgerecht auch hinsichtlich der festgesetzten Solidaritätszuschläge Einspruch eingelegt.

Das Finanzamt wies die Einsprüche der Kläger gegen die Festsetzungen von Solidaritätszuschlag 1999 – 2002 mit Einspruchsentscheidung vom 20.01.2012 als unbegründet zurück. Es vertrat dabei die Auffassung, das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für die Streitjahre geltenden Fassung sei formell und materiell verfassungsgemäß. Zudem fehle es für die Streitjahre 1999, 2001 und 2002 an der Beschwer. Denn durch die Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.07.2008, BStBl. I 2008, 747, seien die Einsprüche der Kläger gegen die mit Bescheiden vom 05.03.2004 (für die Streitjahre 1999 und 2000), vom 13.05.2004 (für das Streitjahr 2001) und vom 16.09.2004 (für das Streitjahr 2002) erfolgten Festsetzungen des Solidaritätszuschlags wegen geltend gemachter Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 bestandkräftig zurückgewiesen worden. Gegen die Allgemeinverfügung hätten die Kläger nicht innerhalb Jahresfrist Klage erhoben. Die mit Einsprüchen erneut angefochtenen Änderungsbescheide über die Festsetzungen von Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1999, 2001 und 2002 vom 22.11.2010 hätten jeweils zu einer niedrigeren Festsetzung von Solidaritätszuschlag geführt. Da aufgrund von § 351 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) keine weitere Herabsetzung möglich sei, fehle für diese Jahre die Beschwer.

Mit der am 21.02.2012 erhobenen Klage begehren die Kläger, die geänderten Bescheide über den Solidaritätszuschlag 1999 bis 2002 vom 22.11.2010, für 1999 und 2000 einschließlich der Änderungsbescheide vom 31.08.2012, für 2001 einschließlich des Änderungsbescheids vom 13.08.2014 und für 2002 einschließlich des Änderungsbescheids vom 31.10.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 20.01.2012 aufzuheben.

Sie vertreten die Auffassung, der Solidaritätszuschlag stelle für die Streitjahre eine verfassungswidrige Sondersteuer dar. Der Staat sei zwar berechtigt, zur Bewältigung von Notständen Sondersteuern von kurzer Dauer zu erheben. Der zur Einkommensteuer erhobene Solidaritätszuschlag erfülle aber in den Streitjahren nicht mehr den Tatbestand einer kurzfristigen Abgabe. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei deshalb verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich auch aus dem Gesichtspunkt der Übermaßbesteuerung. In der Zusammenschau aller staatlicher Abgaben führe die Erhebung des Solidaritätszuschlags zu einer enormen Belastung weit über 50 Prozent und verletzte dadurch den Schutzbereich der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Zur weiteren Begründung verweisen sie auf die Verfahren 2 BvR 2121/11 und 2 BvR 1942/11 vor dem Bundesverfassungsgericht und auf einen Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Niedersachsen, 7 K 143/08, vom 21.08.2013.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Es verweist dazu auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Kläger sind durch die angegriffenen Bescheide über den Solidaritätszuschlag 1999 bis 2002 nicht in ihren Rechten verletzt worden. Der Solidaritätszuschlag ist ordnungsgemäß erhoben worden.

Für die Streitjahre 2000 bis 2002 sind die Kläger klagebefugt, denn der in den Änderungsbescheiden zuletzt festgesetzte Solidaritätszuschlag übersteigt den mit Bescheiden vom 13.08.2007 jeweils festgesetzten Solidaritätszuschlag. Die Kläger sind demnach beschwert. Auch wenn die Festsetzungen vom 13.08.2007 aufgrund der Allgemeinverfügung vom 22.07.2008 bestandskräftig geworden sein sollten, ist nach § 351 Abs. 1 AO eine weitere Herabsetzung des Solidaritätszuschlags denkbar.

Auch für das Streitjahr 1999 sind die Kläger klagebefugt, obwohl der im Änderungsbescheid vom 31.08.2012 zuletzt festgesetzte Solidaritätszuschlag den mit Bescheid vom 13.08.2007 festgesetzten Solidaritätszuschlag unterschreitet. Die Kläger haben am 30.03.2004 vollumfänglich Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 1999 eingelegt. Eine Einschränkung allein auf die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags erfolgte nicht. Die Zurückweisung der Einsprüche durch Allgemeinverfügung vom 22.07.2008 erfolgte jedoch nur insoweit, als mit den Einsprüchen geltend gemacht wurde, das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 sei verfassungswidrig.

Das Gericht ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 gebunden, denn das Gesetz ist in der für die Streitjahre 1999 bis 2002 geltenden Fassung formell und materiell verfassungsgemäß.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber den Klägern festgesetzte Solidaritätszuschlag für die Streitjahre 1999 bis 2002 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolZG) entspricht.

1. Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist formell verfassungsgemäß.

Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 324/05, BStBl. II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde dagegen wurde mit BVerfG-Beschluss vom 11.02.2008 2 BvR 1708/06 (Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229) nicht zur Entscheidung angenommen; vgl. BFH-Beschluss vom 24.07.2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001).

a) Dem Bund stand für den Erlass des Gesetzes die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu. Es ist in der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Bundesfinanzhofs geklärt, dass eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht nur befristet erhoben werden darf. Geklärt ist insoweit auch, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist. Dies trifft auch auf die Streitjahre 1999 bis 2002 zu. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 09.02.1972 1BvL 16/69, BVerfGE 32, 333 und vom 08.09.2010 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217, sowie BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011,1685).

b) Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 oder einem Veranlagungszeitraum der folgenden Streitjahre aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011,1685). Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 08.09.2010 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Nach der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten war, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011,1685), obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen waren, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Im Streitfall handelt es sich um die Jahre 1999 bis 2002. Es sind für den Senat keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es verfassungsrechtlich geboten erscheinen ließen, den Solidaritätszuschlag bereits ab dem 1. Januar 1999 oder ab 2002 nicht mehr zu erheben.

2. Der Senat hält das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für die Streitjahre 1999 bis 2002 geltenden Fassung auch für materiell verfassungsgemäß. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre verletzt nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Kläger, insbesondere nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.

a) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für die Streitjahre 1999 bis 2002 verletzt die Kläger nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 S 1 und Abs. 2 S 2 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ("Halbteilungsgrundsatz") ableiten (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Aufgabe des Gesetzgebers sei es, so das Bundesverfassungsgericht, in Erfüllung seines Regelungsauftrags (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) der Garantie des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und dem Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung (Art. 14 Abs. 2 GG) in gleicher Weise Rechnung zu tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Der von den Klägern unter Verweis auf alle staatlichen Abgaben geltend gemachte Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vermag mit dem Argument des Halbteilungsgrundsatzes keine Verletzung des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu begründen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den im Vermögensteuerbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22.06.1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121) entwickelten „Halbteilungsgrundsatz“ nicht auf den Bereich der Ertragsteuern angewendet, sondern auf die Vermögenssteuer beschränkt. Vielmehr geht der Zweite Senat in seiner Entscheidung vom 18.01.2006 davon aus, dass sich aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten lässt.

bb) Die dem Gesetzgeber obliegende Gestaltungsfreiheit bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten wird vielmehr durch den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein. Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685). Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Obergrenzen können alleine aus der Zumutbarkeit folgen, d.h., die Erhebung von Steuern darf nicht zu einer verfassungswidrig unzumutbaren Belastung führen.

Die Rechtsprechung des BFH sieht in dem nach § 1 SolZG erhobenen Solidaritätszuschlag jedenfalls bis zum Jahr 2005 keine Überschreitung einer verfassungsrechtlichen Obergrenze an zumutbaren Belastungen (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685). Der Steuergesetzgeber hat bei der Ausgestaltung der Steuergesetze einen weiten Gestaltungsspielraum. Es ist weder von den Klägern dargetan noch ersichtlich, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags bei den Klägern in Abweichung zur BFH-Rechtsprechung ausnahmsweise zu einer verfassungsrechtlich unzumutbaren Belastung für die Jahre 1999 bis 2002 führt. Die Kläger werden durch die angegriffenen Bescheide über den Solidaritätszuschlag 1999 bis 2002 nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt.

b) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlages werden die Kläger auch nicht in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Es wird weder in die Berufswahl– noch in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Auch verstößt das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 nicht gegen die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags und damit auch die Besteuerung genügt den Anforderungen der in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung. Der durch die Steuererhebung gegebene Eingriff ist durch das sowohl formell wie auch materiell rechtmäßige Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der Fassung für die Streitjahre 1999 bis 2002 als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG gedeckt (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685).

3. Auch aus den von den Klägern zitierten Verfahren vor dem BVerfG und dem FG Niedersachsen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Verfahren 2 BvR 2121/11 und 2 BvR 1942/11 vor dem BVerfG, mit denen die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags zur Einkommensteuer für 2005 bzw. zur Körperschaftsteuer 2007 gerügt worden ist, wurden mit Beschlüssen vom 10.06.2013 nicht zur Entscheidung angenommen. Mit Beschluss vom 08.09.2010 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217, hat das BVerfG den (ersten) Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen aus dem Verfahren 7 K 143/08 als unzulässig abgewiesen. Zudem betraf der Vorlagebeschluss das Jahr 2007 und nicht die vorliegenden Streitjahre 1999 bis 2002.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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Zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer wird ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben.

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(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:

1.
die Zölle,
2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern,
4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,
6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:

1.
die Vermögensteuer,
2.
die Erbschaftsteuer,
3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,
4.
die Biersteuer,
5.
die Abgabe von Spielbanken.

(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Das Nähere bestimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.

(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.

(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.

(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.

(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.

(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.

(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.

(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).

Tenor

1. Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Die Vorlage betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des im Veranlagungszeitraum 2007 als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 - SolZG 1995 -.

I.

2

1. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 vom 23. Juni 1993 wurde als Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - (BGBl I S. 944, 975) vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Es ist gemäß Art. 43 Abs. 1 dieses Gesetzes am 27. Juni 1993 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde neu gefasst mit der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I S. 4130) und zuletzt geändert durch Art. 9 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950, 3954). Nach der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage als Ergänzungsabgabe erhoben, von einkommensteuerpflichtigen Personen jedoch nur, soweit die Bemessungsgrundlage die Freigrenze übersteigt.

3

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1972 zum Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (BGBl I 1967 S. 1254), BVerfGE 32, 333 ff., grundsätzlich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG Stellung genommen. Danach gehört eine zeitliche Befristung nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe und lässt sich als verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung auch nicht aus den Materialien zur Änderung des Grundgesetzes durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) entnehmen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f. zum Solidaritätszuschlaggesetz von 1991). Der Bundesfinanzhof ist in seinem Beschluss vom 28. Juni 2006 - VII B 324/05 - (BFHE 213, 573, BStBl II 2006, S. 692) dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt und davon ausgegangen, dass keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abgabenerhebung nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Veranlagungszeitraum 2002 bestünden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 1708/06 -, DStZ 2008, S. 229).

4

2. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens für den Veranlagungszeitraum 2007 den Solidaritätszuschlag in Höhe von 941,43 € fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage, der das Finanzamt zustimmte. Zur Begründung der Klage trug der Kläger vor, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei verfassungswidrig, weil eine Ergänzungsabgabe nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden dürfe.

5

3. Mit Beschluss vom 25. November 2009 - 7 K 143/08 - (EFG 2010, S. 1071 ff.) hat der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Solidaritätszuschlaggesetz vom 23. Juni 1993 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig sei. Nach Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts verletzt das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und verstößt somit gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zur Begründung seiner Auffassung führt das Finanzgericht im Wesentlichen aus:

6

a) Die Materialien zur Einführung der Ergänzungsabgabe und damit die erkennbaren Motive des Verfassungsgebers zeigten, dass eine Finanzbedarfs"spitze" Voraussetzung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe sei. Eine solche könne logisch nicht auf Dauer vorliegen. Ein Spitzenfinanzbedarf verflüchtige sich nach einiger Zeit wieder oder er weite sich zu einer Finanzlücke aus, deren Schließung allein durch (auf Dauer angelegte) Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe zulässig sei. Eine Ergänzungsabgabe dürfe deshalb nur vorübergehend erhoben werden. Sie dürfe nicht zur Schließung einer über ein Jahrzehnt andauernden Finanzierungslücke, nicht zur Deckung eines Finanzbedarfs"plateaus", eingesetzt werden.

7

Die Bundesrepublik Deutschland habe mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei. Der übernommene Finanzbedarf bedeute für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke.

8

b) Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspreche auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gegeben habe, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden sei. Der Verfassungsgeber habe nach den Materialien erkennbar die Vorstellung gehabt, dass eine einmal eingeführte Ergänzungsabgabe in Zeiten von geplanten Steuersenkungen zunächst entfallen müsse, bevor Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer greifen würden. Entgegen diesen Vorstellungen des Verfassungsgebers habe der Gesetzgeber in den letzten Jahren mehrfach den Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarif gesenkt, etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999 S. 402); bei gleichzeitiger Weitererhebung des Solidaritätszuschlags sei der Einkommensteuer-Spitzensatz von ehemals 53 % ab dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 in mehreren Stufen auf 42 % abgesenkt worden.

9

c) Das vorlegende Finanzgericht folge nicht den Annahmen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine zeitliche Befristung gehöre nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe. Nach den Materialien zum Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 diene eine Ergänzungsabgabe allein zur Deckung vorübergehender "Bedarfsspitzen"; ausdrücklich sei noch von zu finanzierenden "Ausnahmelagen" und "besonderen Notfällen" die Rede. Diese Formulierungen seien entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs nicht zu unbestimmt, um daraus etwas für die Zulässigkeit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe abzuleiten. Das vorlegende Finanzgericht folge auch nicht der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle sei mit den "Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar". Die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe könnten nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts ersetzt werden. Schließlich folge das vorlegende Finanzgericht auch nicht der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine Ergänzungsabgabe dürfe dauerhaft erhoben werden, wenn sich nach ihrer Einführung für den Bund neue Aufgaben ergäben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichten, so dass eine erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden möglich sei.

II.

10

Die Vorlage ist unzulässig.

11

1. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76 f.>; 105, 48 <56>). Das vorlegende Gericht muss sich zur Begründung seiner Überzeugung mit allen nahe liegenden tatsächlichen Gründen und rechtlichen Gesichtspunkten befassen, gegebenenfalls die Erwägungen des Gesetzgebers berücksichtigen und sich mit in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 71 <77 f.>; 92, 277 <312>; 105, 48 <56>).

12

Zu beachten ist insbesondere die Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Diese entfaltet sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (stRspr; vgl. BVerfGE 40, 88 <93 f.> m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 96, 375 <404>; 112, 1 <40>; 112, 268 <277>; auch BVerfGE 104, 151 <197>, wo darauf abgestellt wird, dass im Hinblick auf die eine frühere Entscheidung tragenden Gründe kein bloßer Wiederholungs- oder Parallelfall gegeben sei; mangels Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf die tragenden Gründe offen lassend BVerfGE 115, 97 <109>). Daraus resultieren erhöhte Begründungsanforderungen für Richtervorlagen, die vom Bundesverfassungsgericht bereits entschiedene Rechtsfragen erneut aufwerfen (vgl. Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 92 f. m.w.N.).

13

2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage unzulässig, da sie nicht den gesteigerten Anforderungen genügt, die im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Entscheidung BVerfGE 32, 333 an eine Begründung für die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu stellen sind.

14

a) Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 inhaltlich noch nicht auseinandergesetzt. Es hat jedoch im Rahmen seiner grundsätzlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen einer verfassungsrechtlich zulässigen Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mit eingehender Begründung entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine solche Abgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen ganz kurzen Zeitraum zu erheben (BVerfGE 32, 333 <340>). Das vorlegende Gericht, das seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Abgabe nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 allein auf die Dauer ihrer Erhebung stützt, hat gleichwohl diese Entscheidungsbegründung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung genommen und sich weder mit der Reichweite der Bindungswirkungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, noch solche Aspekte aufgezeigt, die vom Bundesverfassungsgericht nicht berücksichtigt worden sind und die eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung der entscheidungstragenden Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG veranlassen könnten. Das Gericht beschränkt sich vielmehr darauf, seine eigene Auslegung der Verfassungsnorm jener des Bundesverfassungsgerichts entgegenzusetzen.

15

b) Das vorlegende Gericht lässt zudem wesentliche Zusammenhänge der Begründung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 9. Februar 1972 außer acht, so dass die im Vorlagebeschluss vorgebrachten Einwände auch deshalb keinen Anlass geben, die Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu überdenken.

16

Das vorlegende Gericht behauptet, entgegen der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts seien die in den Gesetzesmaterialien verwendeten Begriffe "Bedarfsspitze im Bundeshaushalt" und "besondere Notfälle" nicht zu unbestimmt, um die klare Vorstellung des Verfassungsgebers über die Ergänzungsabgabe als nachrangiges, zeitlich beschränktes Finanzierungsinstrument abzuleiten. Es bestreitet zudem die Verfassungskonformität der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar sei, mit dem Einwand, dass "die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts (vorliegend: des Bundesverfassungsgerichts) ersetzt werden" könnten. Diese Erwägungen stellen keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung vom 9. Februar 1972 dar.

17

Das Finanzgericht lässt bei seiner Rechtsansicht, dass eine Finanzlücke allein durch auf Dauer angelegte Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe geschlossen werden dürfe, insbesondere unberücksichtigt, dass - wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt - bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz auch bedacht worden ist, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf - allein - des Bundes ergeben könne, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei (vgl. BVerfGE 32, 333 <340 f.>). Eine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt wäre auch insoweit naheliegend gewesen, als das Finanzgericht selbst in seinem Vorlagebeschluss feststellt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen habe, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei, und der übernommene Finanzbedarf für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke bedeute. Die Frage, wieweit eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Blick auf die Beteiligung der Länder am Steueraufkommen gegenüber der Erhebung des Solidaritätszuschlags zur Deckung des ausschließlichen Mehrbedarfs des Bundes als eine vertretbare Alternative anzusehen sein könnte (vgl. hierzu BVerfGE 32, 333 <340 f.> und BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f.), bleibt im Vorlagebeschluss unerörtert.

18

Hinsichtlich der Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe sich nicht mit den Motiven des Verfassungsgebers auseinandergesetzt und bei der verfassungsrechtlichen Interpretation des Begriffs "Ergänzungsabgabe" die maßgeblichen Vorstellungen des Verfassungsgebers nicht vollständig dargestellt, übersieht das Finanzgericht die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass während des Gesetzgebungsverfahrens zum Finanzverfassungsgesetz keine ernsthaften Versuche angestellt worden seien, eine Befristung in das Gesetz einzuführen, obwohl der Bundesrat, um die Begrenzung der Ergänzungsabgabe der Höhe nach zu erreichen, den Vermittlungsausschuss angerufen hatte (BVerfGE 32, 333 <341>).

19

c) Die These des Finanzgerichts, aufgrund der Absenkung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarifs - etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402) - habe der Solidaritätszuschlag entfallen müssen, ist bereits nicht hinreichend begründet, so dass die verfassungsrechtliche Relevanz dieser These keiner Erörterung bedarf. Das Finanzgericht lässt unberücksichtigt, dass - zur Sanierung der öffentlichen Haushalte - mit der Senkung der Steuersätze eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einherging, die - etwa durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) - zu zahlreichen sachlichen und betragsmäßigen Einschränkungen des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs und somit zu einer Erhöhung der Steuerlast führte. Allein der Hinweis des Finanzgerichts, dass es in den letzten Jahren "immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen" gegeben habe, "obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden" sei, kann eine fundierte Prüfung der sachlichen und rechtlichen Ausgangsposition für die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht ersetzen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 30. April 2007 und in den Änderungsbescheiden vom 17. August 2007 und 27. Juni 2008 jeweils den Solidaritätszuschlag für 2005 in Höhe von 5,5 % der als Bemessungsgrundlage maßgebenden Einkommensteuer für 2005 fest. Der Solidaritätszuschlag für 2005 belief sich zuletzt auf … €.

2

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei bereits für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 166 veröffentlicht.

3

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der Solidaritätszuschlag stelle wegen der fehlenden Befristung und angesichts der fortentwickelten Verhältnisse eine verkappte und zusätzliche Erhebung von Einkommensteuer dar, die entgegen der Gesetzesvorgabe das grundgesetzliche System der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern aushöhle. Hätte der Gesetzgeber die bei der Einführung des Solidaritätszuschlags angekündigte Überprüfung, ob eine weitere Erhebung geboten sei, in der Folgezeit durchgeführt, hätte er festgestellt, dass auch bei den Ländern ein zusätzlicher Finanzbedarf vorhanden sei. Der Solidaritätszuschlag könne als unbefristete Ergänzungsabgabe nicht nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren weiter erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 975, BStBl I 1993, 510, 523) sowie der Neufassung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4130, BStBl I 2002, 1154) und der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621, 4632, BStBl I 2003, 3, 14) --SolZG-- sei deshalb für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig.

4

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für 2005 vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aufzuheben.

5

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr 2005 zutreffend als rechtmäßig angesehen. Das SolZG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht geboten.

7

1. Nach § 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibeträge sowie Freibeträge für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG).

8

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber der Klägerin festgesetzte Solidaritätszuschlag für 2005 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entspricht.

9

2. Die angefochtenen Vorschriften des SolZG verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970  1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39) wird nicht verletzt. Das SolZG ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage für Veranlagungszeiträume ab 1998.

10

a) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern (mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole), wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (Art. 105 Abs. 2 GG). Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer zusteht, hat er hierfür auch die Gesetzgebungshoheit.

11

b) Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972  1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe um eine "Steuer vom Einkommen" i.S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG in der Fassung vor der Änderung durch das Finanzreformgesetz (FRefG) vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359). Nach dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1970 geänderten Vorschrift hatte der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen. Im Rahmen der Neufassung durch das FRefG wurde Art. 105 Abs. 2 GG durch die bis heute geltende Generalklausel ersetzt; der Bund hat jetzt die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen" Steuern (vgl. Vogel/Walter in: Dolzer/ Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rz 6). Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung für die Einordnung der Ergänzungsabgabe als Steuer vom Einkommen. Auch der Einleitungssatz des Art. 106 Abs. 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet darauf hin, dass die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist. Der aufgrund des SolZG vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) erhobene Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 19. November 1999  2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 134, nicht zur Entscheidung angenommen).

12

c) Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

13

d) Mit dem Erlass des SolZG hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 2008  2 BvR 1708/06, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001, und vom 28. April 2009 I B 199/08, nicht veröffentlicht, betr. Solidaritätszuschlag 2004; Urteil des FG Münster vom 8. Dezember 2009  1 K 4077/08 E, EFG 2010, 588, betr. Solidaritätszuschlag 2007, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision II R 20/10; Hilgers/ Holly, Der Betrieb 2010, 1419; Hidien/Tehler, Steuerberater Woche --StBW-- 2010, 993, unter II.1.; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, SolZG, Rz 2; Brinkmeier in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Körperschaftsteuer, Tz. 5 Solidaritätszuschlag; a.A. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. November 2009  7 K 143/08, EFG 2010, 1071; Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008).

14

aa) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2005 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, m.w.N.).

15

Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.

16

Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So beliefen sich im Kalenderjahr 2005 die jeweiligen Einnahmen des Bundes und der Länder aus Lohn- und veranlagter Einkommensteuer --nach Abzug von Kindergeld-- auf 54,691 Mrd. €, aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und Körperschaftsteuer --nach Abzug der Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern-- auf 13,142 Mrd. € und aus der Abgeltungsteuer auf 3,076 Mrd. €, also insgesamt jeweils auf 70,909 Mrd. €; die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag betrugen dagegen nur 10,315 Mrd. € (vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 578 f.). Auch wenn der Bund mit dem Solidaritätszuschlag erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt.

17

bb) Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010  2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).

18

Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. Deshalb werde mit Wirkung ab 1. Januar 1995 ein --mittelfristig zu überprüfender-- Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen würden vermieden.

19

Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). Es war deshalb nicht erforderlich, im Einzelnen anzugeben, welche konkreten Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag finanziert werden und inwieweit andere Maßnahmen (z.B. die Neuverteilung der Umsatzsteueranteile) ebenfalls die vom Bund zu tragenden zusätzlichen Ausgaben abdecken sollten.

20

Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht.

21

cc) Unerheblich ist, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung steht. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Außerdem wurde der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt. Er dient vielmehr der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben; dazu gehören u.a. auch die sog. Erblastschulden (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.).

22

dd) Die Einführung des Solidaritätszuschlags ist --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keine verkappte Erhöhung der Einkommensteuer, hinsichtlich derer dem Bund ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen wäre. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht ausdrücklich die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Die dadurch eintretende steuerliche Belastung ist die notwendige Folge der Ergänzungsabgabe. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist auch nicht irreführend, so dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht unbestimmt sind (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134). Der Solidaritätszuschlag stellt ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen dar (BTDrucks 12/4401, S. 51). Dies wird durch den Begriff deutlich gemacht.

23

3. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden.

24

a) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, unter II.2.b). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

25

Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.

26

b) Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die "neuen" Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

27

c) Die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Absicht, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen (BTDrucks 12/4401, S. 51), begründet im Zusammenhang mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG ab 2005. Der Gesetzgeber hat das SolZG mehrmals geändert (vgl. Dötsch, a.a.O., SolZG, Rz 1, Zusammenstellung der Gesetzesänderungen) und im Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997 (BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967) den Zuschlagsatz mit Wirkung ab 1998 auf 5,5 % abgesenkt. Zu einer weiteren Herabsetzung des Zuschlagsatzes oder einer Aufhebung des SolZG hat sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst gesehen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des SolZG im Rahmen der Änderungsgesetze stattgefunden, aber nicht zu einem für die Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hat.

28

4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für 2005 verletzt auch sonst nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Klägerin, wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

29

a) Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen sei (BTDrucks 12/4401, S. 51), keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den er verpflichtet gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag ab dem Veranlagungszeitraum 2005 herabzusetzen. Die unveränderte Fortführung des Solidaritätszuschlags bewirkt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit keine Grundrechtsverletzung.

30

Die Klägerin konnte allein wegen der Ankündigung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mittelfristig überprüft werde, nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag ab einer bestimmten Zeit herabsetzen oder aufheben werde. Die Ankündigung bezog sich nur auf eine Überprüfung und nicht auf ein bestimmtes damit verbundenes Ergebnis. Außerdem konnte diese Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz begründen. Da Steuerpflichtige grundsätzlich nicht darauf vertrauen können, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. November 2010  1 BvR 1981/07, HFR 2011, 209), können sie auch nicht darauf vertrauen, dass belastende Regelungen wieder aufgehoben werden.

31

b) Der Solidaritätszuschlag für 2005 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

32

aa) Der Zuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen --wie im Streitfall bei der Klägerin-- nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

33

bb) Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) mindert, während u.a. die Klägerin mit ihren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann.

34

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann zwar mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Ungeachtet dessen ist aber der Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage bei anderen Einkünften als solchen aus Gewerbebetrieb wegen der Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

35

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.

36

Wählt der Gesetzgeber für verschiedene Arten von Einkünften unterschiedliche Tarifverläufe, obwohl die Einkünfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen genügen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164).

37

Der Steuergesetzgeber ist jedoch grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Dann aber muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dabei ist dem Gesetzgeber hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, m.w.N.).

38

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

39

(2) Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 1,8fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags (Gewerbesteuer-Messbetrag). Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG) beträgt die Ermäßigung das 1,8fache des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005). Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97). Ziel war, den Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ebnen (BTDrucks 14/2683, S. 97).

40

Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten ist durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, zur Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F.). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat.

41

(3) Soweit aufgrund § 35 EStG 2005 i.V.m. § 1 und § 3 Abs. 2 SolZG für bestimmte Fallgruppen eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung eintreten konnte, begründet dies keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.

42

Solche Überkompensationen konnten entstehen, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer war als die erhobene Gewerbesteuer, weil die Gemeinde nur einen geringen Hebesatz bestimmt und deshalb nur eine entsprechend niedrige Gewerbesteuer festgesetzt hatte. Für den Erhebungszeitraum 2005 war zwar schon der Mindesthebesatz von 200 % anzuwenden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Überentlastungen konnten aber dennoch eintreten, und zwar insbesondere bei Steuerpflichtigen mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42 % im Jahr 2005 (§ 32a EStG 2005) und einem Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem Hebesatz bis etwa 350 % (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 1863; Wendt, FR 2000, 1173; Hey, FR 2001, 870; Korezkij, BB 2003, 1537, Der Steuerberater 2004, 171).

43

Diese Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten. Die Überentlastung war das Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Umstände (vgl. Gosch, a.a.O., § 35 Rz 19; Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz 5). Für die Höhe der Einkommensteuerminderung war der Einkommensteuersatz des Gewerbetreibenden maßgebend. Da die Gewerbesteuer bis einschließlich 2007 als Betriebsausgabe abzugsfähig war, stieg die auf den Betriebsausgabenabzug zurückzuführende Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags mit einem höheren Einkommen und einem höheren Steuersatz. Die Höhe der Belastung mit Gewerbesteuer bestimmte sich nach dem gemeindlichen Hebesatz. Niedrigere Hebesätze verursachten eine geringere Gewerbesteuer. Die gewogenen Durchschnittshebesätze beliefen sich jedoch im Jahr 2005 auf 393 % in den "alten" Bundesländern und auf 351 % in den "neuen" Bundesländern und Berlin-Ost (vgl. Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 616). Damit beschränkte sich die Überkompensation hauptsächlich auf Unternehmer in den "neuen" Bundesländern. Bereits in der Begründung zum Steuersenkungsgesetz ist jedoch ausgeführt, dass die Einkommensteuerermäßigung vor allem für solche Unternehmen vorteilhaft ist, die in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen ansässig sind, wozu insbesondere auch Gemeinden in den "neuen" Bundesländern zählen (BTDrucks 14/2683, S. 97). Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Entlastungswirkung des § 35 EStG und der daran anknüpfenden § 1 und § 3 Abs. 3 SolZG auch eine Förderung von Unternehmen in den "neuen" Bundesländern erreichen wollte.

44

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde zudem die Möglichkeit einer Überkompensation vollständig beseitigt (vgl. Levedag, a.a.O., § 35 Rz 9). Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung --EStG 2008--). Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

45

c) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für 2005 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

46

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird --auch bei der Auferlegung von Steuerlasten-- durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung. Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97).

47

Auch der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag ist gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen des Bundes zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs zu schaffen, geeignet und erforderlich. Die Eignung kann nicht deshalb verneint werden, weil mit Hilfe des Solidaritätszuschlags eine Annäherung der Lebensverhältnisse in den "alten" und den "neuen" Bundesländern erreicht werden sollte und spätestens im Jahr 2005 die Erkenntnis eingetreten sei, dass dieses Ziel bisher verfehlt worden sei.

48

d) Für eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Weitere Grundrechtsverletzungen sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Tenor

1. Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Die Vorlage betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des im Veranlagungszeitraum 2007 als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 - SolZG 1995 -.

I.

2

1. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 vom 23. Juni 1993 wurde als Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - (BGBl I S. 944, 975) vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Es ist gemäß Art. 43 Abs. 1 dieses Gesetzes am 27. Juni 1993 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde neu gefasst mit der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I S. 4130) und zuletzt geändert durch Art. 9 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950, 3954). Nach der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage als Ergänzungsabgabe erhoben, von einkommensteuerpflichtigen Personen jedoch nur, soweit die Bemessungsgrundlage die Freigrenze übersteigt.

3

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1972 zum Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (BGBl I 1967 S. 1254), BVerfGE 32, 333 ff., grundsätzlich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG Stellung genommen. Danach gehört eine zeitliche Befristung nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe und lässt sich als verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung auch nicht aus den Materialien zur Änderung des Grundgesetzes durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) entnehmen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f. zum Solidaritätszuschlaggesetz von 1991). Der Bundesfinanzhof ist in seinem Beschluss vom 28. Juni 2006 - VII B 324/05 - (BFHE 213, 573, BStBl II 2006, S. 692) dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt und davon ausgegangen, dass keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abgabenerhebung nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Veranlagungszeitraum 2002 bestünden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 1708/06 -, DStZ 2008, S. 229).

4

2. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens für den Veranlagungszeitraum 2007 den Solidaritätszuschlag in Höhe von 941,43 € fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage, der das Finanzamt zustimmte. Zur Begründung der Klage trug der Kläger vor, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei verfassungswidrig, weil eine Ergänzungsabgabe nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden dürfe.

5

3. Mit Beschluss vom 25. November 2009 - 7 K 143/08 - (EFG 2010, S. 1071 ff.) hat der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Solidaritätszuschlaggesetz vom 23. Juni 1993 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig sei. Nach Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts verletzt das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und verstößt somit gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zur Begründung seiner Auffassung führt das Finanzgericht im Wesentlichen aus:

6

a) Die Materialien zur Einführung der Ergänzungsabgabe und damit die erkennbaren Motive des Verfassungsgebers zeigten, dass eine Finanzbedarfs"spitze" Voraussetzung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe sei. Eine solche könne logisch nicht auf Dauer vorliegen. Ein Spitzenfinanzbedarf verflüchtige sich nach einiger Zeit wieder oder er weite sich zu einer Finanzlücke aus, deren Schließung allein durch (auf Dauer angelegte) Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe zulässig sei. Eine Ergänzungsabgabe dürfe deshalb nur vorübergehend erhoben werden. Sie dürfe nicht zur Schließung einer über ein Jahrzehnt andauernden Finanzierungslücke, nicht zur Deckung eines Finanzbedarfs"plateaus", eingesetzt werden.

7

Die Bundesrepublik Deutschland habe mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei. Der übernommene Finanzbedarf bedeute für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke.

8

b) Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspreche auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gegeben habe, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden sei. Der Verfassungsgeber habe nach den Materialien erkennbar die Vorstellung gehabt, dass eine einmal eingeführte Ergänzungsabgabe in Zeiten von geplanten Steuersenkungen zunächst entfallen müsse, bevor Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer greifen würden. Entgegen diesen Vorstellungen des Verfassungsgebers habe der Gesetzgeber in den letzten Jahren mehrfach den Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarif gesenkt, etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999 S. 402); bei gleichzeitiger Weitererhebung des Solidaritätszuschlags sei der Einkommensteuer-Spitzensatz von ehemals 53 % ab dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 in mehreren Stufen auf 42 % abgesenkt worden.

9

c) Das vorlegende Finanzgericht folge nicht den Annahmen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine zeitliche Befristung gehöre nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe. Nach den Materialien zum Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 diene eine Ergänzungsabgabe allein zur Deckung vorübergehender "Bedarfsspitzen"; ausdrücklich sei noch von zu finanzierenden "Ausnahmelagen" und "besonderen Notfällen" die Rede. Diese Formulierungen seien entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs nicht zu unbestimmt, um daraus etwas für die Zulässigkeit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe abzuleiten. Das vorlegende Finanzgericht folge auch nicht der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle sei mit den "Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar". Die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe könnten nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts ersetzt werden. Schließlich folge das vorlegende Finanzgericht auch nicht der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine Ergänzungsabgabe dürfe dauerhaft erhoben werden, wenn sich nach ihrer Einführung für den Bund neue Aufgaben ergäben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichten, so dass eine erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden möglich sei.

II.

10

Die Vorlage ist unzulässig.

11

1. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76 f.>; 105, 48 <56>). Das vorlegende Gericht muss sich zur Begründung seiner Überzeugung mit allen nahe liegenden tatsächlichen Gründen und rechtlichen Gesichtspunkten befassen, gegebenenfalls die Erwägungen des Gesetzgebers berücksichtigen und sich mit in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 71 <77 f.>; 92, 277 <312>; 105, 48 <56>).

12

Zu beachten ist insbesondere die Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Diese entfaltet sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (stRspr; vgl. BVerfGE 40, 88 <93 f.> m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 96, 375 <404>; 112, 1 <40>; 112, 268 <277>; auch BVerfGE 104, 151 <197>, wo darauf abgestellt wird, dass im Hinblick auf die eine frühere Entscheidung tragenden Gründe kein bloßer Wiederholungs- oder Parallelfall gegeben sei; mangels Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf die tragenden Gründe offen lassend BVerfGE 115, 97 <109>). Daraus resultieren erhöhte Begründungsanforderungen für Richtervorlagen, die vom Bundesverfassungsgericht bereits entschiedene Rechtsfragen erneut aufwerfen (vgl. Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 92 f. m.w.N.).

13

2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage unzulässig, da sie nicht den gesteigerten Anforderungen genügt, die im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Entscheidung BVerfGE 32, 333 an eine Begründung für die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu stellen sind.

14

a) Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 inhaltlich noch nicht auseinandergesetzt. Es hat jedoch im Rahmen seiner grundsätzlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen einer verfassungsrechtlich zulässigen Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mit eingehender Begründung entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine solche Abgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen ganz kurzen Zeitraum zu erheben (BVerfGE 32, 333 <340>). Das vorlegende Gericht, das seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Abgabe nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 allein auf die Dauer ihrer Erhebung stützt, hat gleichwohl diese Entscheidungsbegründung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung genommen und sich weder mit der Reichweite der Bindungswirkungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, noch solche Aspekte aufgezeigt, die vom Bundesverfassungsgericht nicht berücksichtigt worden sind und die eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung der entscheidungstragenden Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG veranlassen könnten. Das Gericht beschränkt sich vielmehr darauf, seine eigene Auslegung der Verfassungsnorm jener des Bundesverfassungsgerichts entgegenzusetzen.

15

b) Das vorlegende Gericht lässt zudem wesentliche Zusammenhänge der Begründung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 9. Februar 1972 außer acht, so dass die im Vorlagebeschluss vorgebrachten Einwände auch deshalb keinen Anlass geben, die Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu überdenken.

16

Das vorlegende Gericht behauptet, entgegen der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts seien die in den Gesetzesmaterialien verwendeten Begriffe "Bedarfsspitze im Bundeshaushalt" und "besondere Notfälle" nicht zu unbestimmt, um die klare Vorstellung des Verfassungsgebers über die Ergänzungsabgabe als nachrangiges, zeitlich beschränktes Finanzierungsinstrument abzuleiten. Es bestreitet zudem die Verfassungskonformität der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar sei, mit dem Einwand, dass "die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts (vorliegend: des Bundesverfassungsgerichts) ersetzt werden" könnten. Diese Erwägungen stellen keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung vom 9. Februar 1972 dar.

17

Das Finanzgericht lässt bei seiner Rechtsansicht, dass eine Finanzlücke allein durch auf Dauer angelegte Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe geschlossen werden dürfe, insbesondere unberücksichtigt, dass - wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt - bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz auch bedacht worden ist, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf - allein - des Bundes ergeben könne, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei (vgl. BVerfGE 32, 333 <340 f.>). Eine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt wäre auch insoweit naheliegend gewesen, als das Finanzgericht selbst in seinem Vorlagebeschluss feststellt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen habe, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei, und der übernommene Finanzbedarf für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke bedeute. Die Frage, wieweit eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Blick auf die Beteiligung der Länder am Steueraufkommen gegenüber der Erhebung des Solidaritätszuschlags zur Deckung des ausschließlichen Mehrbedarfs des Bundes als eine vertretbare Alternative anzusehen sein könnte (vgl. hierzu BVerfGE 32, 333 <340 f.> und BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f.), bleibt im Vorlagebeschluss unerörtert.

18

Hinsichtlich der Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe sich nicht mit den Motiven des Verfassungsgebers auseinandergesetzt und bei der verfassungsrechtlichen Interpretation des Begriffs "Ergänzungsabgabe" die maßgeblichen Vorstellungen des Verfassungsgebers nicht vollständig dargestellt, übersieht das Finanzgericht die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass während des Gesetzgebungsverfahrens zum Finanzverfassungsgesetz keine ernsthaften Versuche angestellt worden seien, eine Befristung in das Gesetz einzuführen, obwohl der Bundesrat, um die Begrenzung der Ergänzungsabgabe der Höhe nach zu erreichen, den Vermittlungsausschuss angerufen hatte (BVerfGE 32, 333 <341>).

19

c) Die These des Finanzgerichts, aufgrund der Absenkung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarifs - etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402) - habe der Solidaritätszuschlag entfallen müssen, ist bereits nicht hinreichend begründet, so dass die verfassungsrechtliche Relevanz dieser These keiner Erörterung bedarf. Das Finanzgericht lässt unberücksichtigt, dass - zur Sanierung der öffentlichen Haushalte - mit der Senkung der Steuersätze eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einherging, die - etwa durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) - zu zahlreichen sachlichen und betragsmäßigen Einschränkungen des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs und somit zu einer Erhöhung der Steuerlast führte. Allein der Hinweis des Finanzgerichts, dass es in den letzten Jahren "immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen" gegeben habe, "obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden" sei, kann eine fundierte Prüfung der sachlichen und rechtlichen Ausgangsposition für die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht ersetzen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 30. April 2007 und in den Änderungsbescheiden vom 17. August 2007 und 27. Juni 2008 jeweils den Solidaritätszuschlag für 2005 in Höhe von 5,5 % der als Bemessungsgrundlage maßgebenden Einkommensteuer für 2005 fest. Der Solidaritätszuschlag für 2005 belief sich zuletzt auf … €.

2

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei bereits für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 166 veröffentlicht.

3

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der Solidaritätszuschlag stelle wegen der fehlenden Befristung und angesichts der fortentwickelten Verhältnisse eine verkappte und zusätzliche Erhebung von Einkommensteuer dar, die entgegen der Gesetzesvorgabe das grundgesetzliche System der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern aushöhle. Hätte der Gesetzgeber die bei der Einführung des Solidaritätszuschlags angekündigte Überprüfung, ob eine weitere Erhebung geboten sei, in der Folgezeit durchgeführt, hätte er festgestellt, dass auch bei den Ländern ein zusätzlicher Finanzbedarf vorhanden sei. Der Solidaritätszuschlag könne als unbefristete Ergänzungsabgabe nicht nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren weiter erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 975, BStBl I 1993, 510, 523) sowie der Neufassung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4130, BStBl I 2002, 1154) und der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621, 4632, BStBl I 2003, 3, 14) --SolZG-- sei deshalb für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig.

4

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für 2005 vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aufzuheben.

5

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr 2005 zutreffend als rechtmäßig angesehen. Das SolZG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht geboten.

7

1. Nach § 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibeträge sowie Freibeträge für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG).

8

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber der Klägerin festgesetzte Solidaritätszuschlag für 2005 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entspricht.

9

2. Die angefochtenen Vorschriften des SolZG verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970  1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39) wird nicht verletzt. Das SolZG ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage für Veranlagungszeiträume ab 1998.

10

a) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern (mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole), wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (Art. 105 Abs. 2 GG). Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer zusteht, hat er hierfür auch die Gesetzgebungshoheit.

11

b) Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972  1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe um eine "Steuer vom Einkommen" i.S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG in der Fassung vor der Änderung durch das Finanzreformgesetz (FRefG) vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359). Nach dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1970 geänderten Vorschrift hatte der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen. Im Rahmen der Neufassung durch das FRefG wurde Art. 105 Abs. 2 GG durch die bis heute geltende Generalklausel ersetzt; der Bund hat jetzt die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen" Steuern (vgl. Vogel/Walter in: Dolzer/ Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rz 6). Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung für die Einordnung der Ergänzungsabgabe als Steuer vom Einkommen. Auch der Einleitungssatz des Art. 106 Abs. 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet darauf hin, dass die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist. Der aufgrund des SolZG vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) erhobene Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 19. November 1999  2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 134, nicht zur Entscheidung angenommen).

12

c) Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

13

d) Mit dem Erlass des SolZG hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 2008  2 BvR 1708/06, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001, und vom 28. April 2009 I B 199/08, nicht veröffentlicht, betr. Solidaritätszuschlag 2004; Urteil des FG Münster vom 8. Dezember 2009  1 K 4077/08 E, EFG 2010, 588, betr. Solidaritätszuschlag 2007, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision II R 20/10; Hilgers/ Holly, Der Betrieb 2010, 1419; Hidien/Tehler, Steuerberater Woche --StBW-- 2010, 993, unter II.1.; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, SolZG, Rz 2; Brinkmeier in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Körperschaftsteuer, Tz. 5 Solidaritätszuschlag; a.A. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. November 2009  7 K 143/08, EFG 2010, 1071; Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008).

14

aa) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2005 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, m.w.N.).

15

Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.

16

Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So beliefen sich im Kalenderjahr 2005 die jeweiligen Einnahmen des Bundes und der Länder aus Lohn- und veranlagter Einkommensteuer --nach Abzug von Kindergeld-- auf 54,691 Mrd. €, aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und Körperschaftsteuer --nach Abzug der Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern-- auf 13,142 Mrd. € und aus der Abgeltungsteuer auf 3,076 Mrd. €, also insgesamt jeweils auf 70,909 Mrd. €; die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag betrugen dagegen nur 10,315 Mrd. € (vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 578 f.). Auch wenn der Bund mit dem Solidaritätszuschlag erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt.

17

bb) Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010  2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).

18

Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. Deshalb werde mit Wirkung ab 1. Januar 1995 ein --mittelfristig zu überprüfender-- Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen würden vermieden.

19

Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). Es war deshalb nicht erforderlich, im Einzelnen anzugeben, welche konkreten Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag finanziert werden und inwieweit andere Maßnahmen (z.B. die Neuverteilung der Umsatzsteueranteile) ebenfalls die vom Bund zu tragenden zusätzlichen Ausgaben abdecken sollten.

20

Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht.

21

cc) Unerheblich ist, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung steht. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Außerdem wurde der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt. Er dient vielmehr der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben; dazu gehören u.a. auch die sog. Erblastschulden (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.).

22

dd) Die Einführung des Solidaritätszuschlags ist --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keine verkappte Erhöhung der Einkommensteuer, hinsichtlich derer dem Bund ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen wäre. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht ausdrücklich die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Die dadurch eintretende steuerliche Belastung ist die notwendige Folge der Ergänzungsabgabe. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist auch nicht irreführend, so dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht unbestimmt sind (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134). Der Solidaritätszuschlag stellt ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen dar (BTDrucks 12/4401, S. 51). Dies wird durch den Begriff deutlich gemacht.

23

3. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden.

24

a) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, unter II.2.b). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

25

Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.

26

b) Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die "neuen" Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

27

c) Die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Absicht, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen (BTDrucks 12/4401, S. 51), begründet im Zusammenhang mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG ab 2005. Der Gesetzgeber hat das SolZG mehrmals geändert (vgl. Dötsch, a.a.O., SolZG, Rz 1, Zusammenstellung der Gesetzesänderungen) und im Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997 (BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967) den Zuschlagsatz mit Wirkung ab 1998 auf 5,5 % abgesenkt. Zu einer weiteren Herabsetzung des Zuschlagsatzes oder einer Aufhebung des SolZG hat sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst gesehen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des SolZG im Rahmen der Änderungsgesetze stattgefunden, aber nicht zu einem für die Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hat.

28

4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für 2005 verletzt auch sonst nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Klägerin, wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

29

a) Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen sei (BTDrucks 12/4401, S. 51), keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den er verpflichtet gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag ab dem Veranlagungszeitraum 2005 herabzusetzen. Die unveränderte Fortführung des Solidaritätszuschlags bewirkt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit keine Grundrechtsverletzung.

30

Die Klägerin konnte allein wegen der Ankündigung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mittelfristig überprüft werde, nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag ab einer bestimmten Zeit herabsetzen oder aufheben werde. Die Ankündigung bezog sich nur auf eine Überprüfung und nicht auf ein bestimmtes damit verbundenes Ergebnis. Außerdem konnte diese Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz begründen. Da Steuerpflichtige grundsätzlich nicht darauf vertrauen können, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. November 2010  1 BvR 1981/07, HFR 2011, 209), können sie auch nicht darauf vertrauen, dass belastende Regelungen wieder aufgehoben werden.

31

b) Der Solidaritätszuschlag für 2005 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

32

aa) Der Zuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen --wie im Streitfall bei der Klägerin-- nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

33

bb) Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) mindert, während u.a. die Klägerin mit ihren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann.

34

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann zwar mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Ungeachtet dessen ist aber der Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage bei anderen Einkünften als solchen aus Gewerbebetrieb wegen der Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

35

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.

36

Wählt der Gesetzgeber für verschiedene Arten von Einkünften unterschiedliche Tarifverläufe, obwohl die Einkünfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen genügen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164).

37

Der Steuergesetzgeber ist jedoch grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Dann aber muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dabei ist dem Gesetzgeber hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, m.w.N.).

38

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

39

(2) Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 1,8fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags (Gewerbesteuer-Messbetrag). Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG) beträgt die Ermäßigung das 1,8fache des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005). Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97). Ziel war, den Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ebnen (BTDrucks 14/2683, S. 97).

40

Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten ist durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, zur Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F.). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat.

41

(3) Soweit aufgrund § 35 EStG 2005 i.V.m. § 1 und § 3 Abs. 2 SolZG für bestimmte Fallgruppen eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung eintreten konnte, begründet dies keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.

42

Solche Überkompensationen konnten entstehen, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer war als die erhobene Gewerbesteuer, weil die Gemeinde nur einen geringen Hebesatz bestimmt und deshalb nur eine entsprechend niedrige Gewerbesteuer festgesetzt hatte. Für den Erhebungszeitraum 2005 war zwar schon der Mindesthebesatz von 200 % anzuwenden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Überentlastungen konnten aber dennoch eintreten, und zwar insbesondere bei Steuerpflichtigen mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42 % im Jahr 2005 (§ 32a EStG 2005) und einem Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem Hebesatz bis etwa 350 % (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 1863; Wendt, FR 2000, 1173; Hey, FR 2001, 870; Korezkij, BB 2003, 1537, Der Steuerberater 2004, 171).

43

Diese Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten. Die Überentlastung war das Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Umstände (vgl. Gosch, a.a.O., § 35 Rz 19; Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz 5). Für die Höhe der Einkommensteuerminderung war der Einkommensteuersatz des Gewerbetreibenden maßgebend. Da die Gewerbesteuer bis einschließlich 2007 als Betriebsausgabe abzugsfähig war, stieg die auf den Betriebsausgabenabzug zurückzuführende Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags mit einem höheren Einkommen und einem höheren Steuersatz. Die Höhe der Belastung mit Gewerbesteuer bestimmte sich nach dem gemeindlichen Hebesatz. Niedrigere Hebesätze verursachten eine geringere Gewerbesteuer. Die gewogenen Durchschnittshebesätze beliefen sich jedoch im Jahr 2005 auf 393 % in den "alten" Bundesländern und auf 351 % in den "neuen" Bundesländern und Berlin-Ost (vgl. Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 616). Damit beschränkte sich die Überkompensation hauptsächlich auf Unternehmer in den "neuen" Bundesländern. Bereits in der Begründung zum Steuersenkungsgesetz ist jedoch ausgeführt, dass die Einkommensteuerermäßigung vor allem für solche Unternehmen vorteilhaft ist, die in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen ansässig sind, wozu insbesondere auch Gemeinden in den "neuen" Bundesländern zählen (BTDrucks 14/2683, S. 97). Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Entlastungswirkung des § 35 EStG und der daran anknüpfenden § 1 und § 3 Abs. 3 SolZG auch eine Förderung von Unternehmen in den "neuen" Bundesländern erreichen wollte.

44

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde zudem die Möglichkeit einer Überkompensation vollständig beseitigt (vgl. Levedag, a.a.O., § 35 Rz 9). Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung --EStG 2008--). Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

45

c) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für 2005 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

46

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird --auch bei der Auferlegung von Steuerlasten-- durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung. Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97).

47

Auch der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag ist gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen des Bundes zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs zu schaffen, geeignet und erforderlich. Die Eignung kann nicht deshalb verneint werden, weil mit Hilfe des Solidaritätszuschlags eine Annäherung der Lebensverhältnisse in den "alten" und den "neuen" Bundesländern erreicht werden sollte und spätestens im Jahr 2005 die Erkenntnis eingetreten sei, dass dieses Ziel bisher verfehlt worden sei.

48

d) Für eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Weitere Grundrechtsverletzungen sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 30. April 2007 und in den Änderungsbescheiden vom 17. August 2007 und 27. Juni 2008 jeweils den Solidaritätszuschlag für 2005 in Höhe von 5,5 % der als Bemessungsgrundlage maßgebenden Einkommensteuer für 2005 fest. Der Solidaritätszuschlag für 2005 belief sich zuletzt auf … €.

2

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei bereits für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 166 veröffentlicht.

3

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der Solidaritätszuschlag stelle wegen der fehlenden Befristung und angesichts der fortentwickelten Verhältnisse eine verkappte und zusätzliche Erhebung von Einkommensteuer dar, die entgegen der Gesetzesvorgabe das grundgesetzliche System der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern aushöhle. Hätte der Gesetzgeber die bei der Einführung des Solidaritätszuschlags angekündigte Überprüfung, ob eine weitere Erhebung geboten sei, in der Folgezeit durchgeführt, hätte er festgestellt, dass auch bei den Ländern ein zusätzlicher Finanzbedarf vorhanden sei. Der Solidaritätszuschlag könne als unbefristete Ergänzungsabgabe nicht nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren weiter erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 975, BStBl I 1993, 510, 523) sowie der Neufassung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4130, BStBl I 2002, 1154) und der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621, 4632, BStBl I 2003, 3, 14) --SolZG-- sei deshalb für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig.

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Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für 2005 vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aufzuheben.

5

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr 2005 zutreffend als rechtmäßig angesehen. Das SolZG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht geboten.

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1. Nach § 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibeträge sowie Freibeträge für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG).

8

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber der Klägerin festgesetzte Solidaritätszuschlag für 2005 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entspricht.

9

2. Die angefochtenen Vorschriften des SolZG verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970  1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39) wird nicht verletzt. Das SolZG ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage für Veranlagungszeiträume ab 1998.

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a) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern (mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole), wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (Art. 105 Abs. 2 GG). Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer zusteht, hat er hierfür auch die Gesetzgebungshoheit.

11

b) Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972  1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe um eine "Steuer vom Einkommen" i.S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG in der Fassung vor der Änderung durch das Finanzreformgesetz (FRefG) vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359). Nach dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1970 geänderten Vorschrift hatte der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen. Im Rahmen der Neufassung durch das FRefG wurde Art. 105 Abs. 2 GG durch die bis heute geltende Generalklausel ersetzt; der Bund hat jetzt die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen" Steuern (vgl. Vogel/Walter in: Dolzer/ Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rz 6). Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung für die Einordnung der Ergänzungsabgabe als Steuer vom Einkommen. Auch der Einleitungssatz des Art. 106 Abs. 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet darauf hin, dass die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist. Der aufgrund des SolZG vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) erhobene Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 19. November 1999  2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 134, nicht zur Entscheidung angenommen).

12

c) Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

13

d) Mit dem Erlass des SolZG hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 2008  2 BvR 1708/06, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001, und vom 28. April 2009 I B 199/08, nicht veröffentlicht, betr. Solidaritätszuschlag 2004; Urteil des FG Münster vom 8. Dezember 2009  1 K 4077/08 E, EFG 2010, 588, betr. Solidaritätszuschlag 2007, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision II R 20/10; Hilgers/ Holly, Der Betrieb 2010, 1419; Hidien/Tehler, Steuerberater Woche --StBW-- 2010, 993, unter II.1.; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, SolZG, Rz 2; Brinkmeier in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Körperschaftsteuer, Tz. 5 Solidaritätszuschlag; a.A. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. November 2009  7 K 143/08, EFG 2010, 1071; Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008).

14

aa) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2005 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, m.w.N.).

15

Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.

16

Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So beliefen sich im Kalenderjahr 2005 die jeweiligen Einnahmen des Bundes und der Länder aus Lohn- und veranlagter Einkommensteuer --nach Abzug von Kindergeld-- auf 54,691 Mrd. €, aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und Körperschaftsteuer --nach Abzug der Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern-- auf 13,142 Mrd. € und aus der Abgeltungsteuer auf 3,076 Mrd. €, also insgesamt jeweils auf 70,909 Mrd. €; die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag betrugen dagegen nur 10,315 Mrd. € (vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 578 f.). Auch wenn der Bund mit dem Solidaritätszuschlag erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt.

17

bb) Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010  2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).

18

Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. Deshalb werde mit Wirkung ab 1. Januar 1995 ein --mittelfristig zu überprüfender-- Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen würden vermieden.

19

Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). Es war deshalb nicht erforderlich, im Einzelnen anzugeben, welche konkreten Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag finanziert werden und inwieweit andere Maßnahmen (z.B. die Neuverteilung der Umsatzsteueranteile) ebenfalls die vom Bund zu tragenden zusätzlichen Ausgaben abdecken sollten.

20

Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht.

21

cc) Unerheblich ist, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung steht. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Außerdem wurde der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt. Er dient vielmehr der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben; dazu gehören u.a. auch die sog. Erblastschulden (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.).

22

dd) Die Einführung des Solidaritätszuschlags ist --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keine verkappte Erhöhung der Einkommensteuer, hinsichtlich derer dem Bund ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen wäre. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht ausdrücklich die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Die dadurch eintretende steuerliche Belastung ist die notwendige Folge der Ergänzungsabgabe. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist auch nicht irreführend, so dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht unbestimmt sind (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134). Der Solidaritätszuschlag stellt ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen dar (BTDrucks 12/4401, S. 51). Dies wird durch den Begriff deutlich gemacht.

23

3. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden.

24

a) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, unter II.2.b). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

25

Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.

26

b) Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die "neuen" Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

27

c) Die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Absicht, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen (BTDrucks 12/4401, S. 51), begründet im Zusammenhang mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG ab 2005. Der Gesetzgeber hat das SolZG mehrmals geändert (vgl. Dötsch, a.a.O., SolZG, Rz 1, Zusammenstellung der Gesetzesänderungen) und im Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997 (BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967) den Zuschlagsatz mit Wirkung ab 1998 auf 5,5 % abgesenkt. Zu einer weiteren Herabsetzung des Zuschlagsatzes oder einer Aufhebung des SolZG hat sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst gesehen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des SolZG im Rahmen der Änderungsgesetze stattgefunden, aber nicht zu einem für die Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hat.

28

4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für 2005 verletzt auch sonst nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Klägerin, wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

29

a) Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen sei (BTDrucks 12/4401, S. 51), keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den er verpflichtet gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag ab dem Veranlagungszeitraum 2005 herabzusetzen. Die unveränderte Fortführung des Solidaritätszuschlags bewirkt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit keine Grundrechtsverletzung.

30

Die Klägerin konnte allein wegen der Ankündigung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mittelfristig überprüft werde, nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag ab einer bestimmten Zeit herabsetzen oder aufheben werde. Die Ankündigung bezog sich nur auf eine Überprüfung und nicht auf ein bestimmtes damit verbundenes Ergebnis. Außerdem konnte diese Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz begründen. Da Steuerpflichtige grundsätzlich nicht darauf vertrauen können, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. November 2010  1 BvR 1981/07, HFR 2011, 209), können sie auch nicht darauf vertrauen, dass belastende Regelungen wieder aufgehoben werden.

31

b) Der Solidaritätszuschlag für 2005 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

32

aa) Der Zuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen --wie im Streitfall bei der Klägerin-- nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

33

bb) Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) mindert, während u.a. die Klägerin mit ihren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann.

34

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann zwar mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Ungeachtet dessen ist aber der Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage bei anderen Einkünften als solchen aus Gewerbebetrieb wegen der Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

35

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.

36

Wählt der Gesetzgeber für verschiedene Arten von Einkünften unterschiedliche Tarifverläufe, obwohl die Einkünfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen genügen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164).

37

Der Steuergesetzgeber ist jedoch grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Dann aber muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dabei ist dem Gesetzgeber hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, m.w.N.).

38

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

39

(2) Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 1,8fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags (Gewerbesteuer-Messbetrag). Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG) beträgt die Ermäßigung das 1,8fache des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005). Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97). Ziel war, den Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ebnen (BTDrucks 14/2683, S. 97).

40

Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten ist durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, zur Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F.). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat.

41

(3) Soweit aufgrund § 35 EStG 2005 i.V.m. § 1 und § 3 Abs. 2 SolZG für bestimmte Fallgruppen eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung eintreten konnte, begründet dies keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.

42

Solche Überkompensationen konnten entstehen, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer war als die erhobene Gewerbesteuer, weil die Gemeinde nur einen geringen Hebesatz bestimmt und deshalb nur eine entsprechend niedrige Gewerbesteuer festgesetzt hatte. Für den Erhebungszeitraum 2005 war zwar schon der Mindesthebesatz von 200 % anzuwenden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Überentlastungen konnten aber dennoch eintreten, und zwar insbesondere bei Steuerpflichtigen mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42 % im Jahr 2005 (§ 32a EStG 2005) und einem Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem Hebesatz bis etwa 350 % (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 1863; Wendt, FR 2000, 1173; Hey, FR 2001, 870; Korezkij, BB 2003, 1537, Der Steuerberater 2004, 171).

43

Diese Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten. Die Überentlastung war das Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Umstände (vgl. Gosch, a.a.O., § 35 Rz 19; Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz 5). Für die Höhe der Einkommensteuerminderung war der Einkommensteuersatz des Gewerbetreibenden maßgebend. Da die Gewerbesteuer bis einschließlich 2007 als Betriebsausgabe abzugsfähig war, stieg die auf den Betriebsausgabenabzug zurückzuführende Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags mit einem höheren Einkommen und einem höheren Steuersatz. Die Höhe der Belastung mit Gewerbesteuer bestimmte sich nach dem gemeindlichen Hebesatz. Niedrigere Hebesätze verursachten eine geringere Gewerbesteuer. Die gewogenen Durchschnittshebesätze beliefen sich jedoch im Jahr 2005 auf 393 % in den "alten" Bundesländern und auf 351 % in den "neuen" Bundesländern und Berlin-Ost (vgl. Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 616). Damit beschränkte sich die Überkompensation hauptsächlich auf Unternehmer in den "neuen" Bundesländern. Bereits in der Begründung zum Steuersenkungsgesetz ist jedoch ausgeführt, dass die Einkommensteuerermäßigung vor allem für solche Unternehmen vorteilhaft ist, die in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen ansässig sind, wozu insbesondere auch Gemeinden in den "neuen" Bundesländern zählen (BTDrucks 14/2683, S. 97). Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Entlastungswirkung des § 35 EStG und der daran anknüpfenden § 1 und § 3 Abs. 3 SolZG auch eine Förderung von Unternehmen in den "neuen" Bundesländern erreichen wollte.

44

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde zudem die Möglichkeit einer Überkompensation vollständig beseitigt (vgl. Levedag, a.a.O., § 35 Rz 9). Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung --EStG 2008--). Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

45

c) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für 2005 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

46

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird --auch bei der Auferlegung von Steuerlasten-- durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung. Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97).

47

Auch der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag ist gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen des Bundes zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs zu schaffen, geeignet und erforderlich. Die Eignung kann nicht deshalb verneint werden, weil mit Hilfe des Solidaritätszuschlags eine Annäherung der Lebensverhältnisse in den "alten" und den "neuen" Bundesländern erreicht werden sollte und spätestens im Jahr 2005 die Erkenntnis eingetreten sei, dass dieses Ziel bisher verfehlt worden sei.

48

d) Für eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Weitere Grundrechtsverletzungen sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer wird ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 30. April 2007 und in den Änderungsbescheiden vom 17. August 2007 und 27. Juni 2008 jeweils den Solidaritätszuschlag für 2005 in Höhe von 5,5 % der als Bemessungsgrundlage maßgebenden Einkommensteuer für 2005 fest. Der Solidaritätszuschlag für 2005 belief sich zuletzt auf … €.

2

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei bereits für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 166 veröffentlicht.

3

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der Solidaritätszuschlag stelle wegen der fehlenden Befristung und angesichts der fortentwickelten Verhältnisse eine verkappte und zusätzliche Erhebung von Einkommensteuer dar, die entgegen der Gesetzesvorgabe das grundgesetzliche System der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern aushöhle. Hätte der Gesetzgeber die bei der Einführung des Solidaritätszuschlags angekündigte Überprüfung, ob eine weitere Erhebung geboten sei, in der Folgezeit durchgeführt, hätte er festgestellt, dass auch bei den Ländern ein zusätzlicher Finanzbedarf vorhanden sei. Der Solidaritätszuschlag könne als unbefristete Ergänzungsabgabe nicht nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren weiter erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 975, BStBl I 1993, 510, 523) sowie der Neufassung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4130, BStBl I 2002, 1154) und der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621, 4632, BStBl I 2003, 3, 14) --SolZG-- sei deshalb für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig.

4

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für 2005 vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aufzuheben.

5

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr 2005 zutreffend als rechtmäßig angesehen. Das SolZG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht geboten.

7

1. Nach § 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibeträge sowie Freibeträge für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG).

8

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber der Klägerin festgesetzte Solidaritätszuschlag für 2005 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entspricht.

9

2. Die angefochtenen Vorschriften des SolZG verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970  1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39) wird nicht verletzt. Das SolZG ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage für Veranlagungszeiträume ab 1998.

10

a) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern (mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole), wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (Art. 105 Abs. 2 GG). Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer zusteht, hat er hierfür auch die Gesetzgebungshoheit.

11

b) Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972  1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe um eine "Steuer vom Einkommen" i.S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG in der Fassung vor der Änderung durch das Finanzreformgesetz (FRefG) vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359). Nach dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1970 geänderten Vorschrift hatte der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen. Im Rahmen der Neufassung durch das FRefG wurde Art. 105 Abs. 2 GG durch die bis heute geltende Generalklausel ersetzt; der Bund hat jetzt die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen" Steuern (vgl. Vogel/Walter in: Dolzer/ Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rz 6). Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung für die Einordnung der Ergänzungsabgabe als Steuer vom Einkommen. Auch der Einleitungssatz des Art. 106 Abs. 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet darauf hin, dass die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist. Der aufgrund des SolZG vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) erhobene Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 19. November 1999  2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 134, nicht zur Entscheidung angenommen).

12

c) Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

13

d) Mit dem Erlass des SolZG hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 2008  2 BvR 1708/06, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001, und vom 28. April 2009 I B 199/08, nicht veröffentlicht, betr. Solidaritätszuschlag 2004; Urteil des FG Münster vom 8. Dezember 2009  1 K 4077/08 E, EFG 2010, 588, betr. Solidaritätszuschlag 2007, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision II R 20/10; Hilgers/ Holly, Der Betrieb 2010, 1419; Hidien/Tehler, Steuerberater Woche --StBW-- 2010, 993, unter II.1.; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, SolZG, Rz 2; Brinkmeier in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Körperschaftsteuer, Tz. 5 Solidaritätszuschlag; a.A. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. November 2009  7 K 143/08, EFG 2010, 1071; Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008).

14

aa) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2005 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, m.w.N.).

15

Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.

16

Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So beliefen sich im Kalenderjahr 2005 die jeweiligen Einnahmen des Bundes und der Länder aus Lohn- und veranlagter Einkommensteuer --nach Abzug von Kindergeld-- auf 54,691 Mrd. €, aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und Körperschaftsteuer --nach Abzug der Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern-- auf 13,142 Mrd. € und aus der Abgeltungsteuer auf 3,076 Mrd. €, also insgesamt jeweils auf 70,909 Mrd. €; die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag betrugen dagegen nur 10,315 Mrd. € (vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 578 f.). Auch wenn der Bund mit dem Solidaritätszuschlag erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt.

17

bb) Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010  2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).

18

Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. Deshalb werde mit Wirkung ab 1. Januar 1995 ein --mittelfristig zu überprüfender-- Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen würden vermieden.

19

Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). Es war deshalb nicht erforderlich, im Einzelnen anzugeben, welche konkreten Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag finanziert werden und inwieweit andere Maßnahmen (z.B. die Neuverteilung der Umsatzsteueranteile) ebenfalls die vom Bund zu tragenden zusätzlichen Ausgaben abdecken sollten.

20

Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht.

21

cc) Unerheblich ist, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung steht. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Außerdem wurde der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt. Er dient vielmehr der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben; dazu gehören u.a. auch die sog. Erblastschulden (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.).

22

dd) Die Einführung des Solidaritätszuschlags ist --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keine verkappte Erhöhung der Einkommensteuer, hinsichtlich derer dem Bund ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen wäre. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht ausdrücklich die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Die dadurch eintretende steuerliche Belastung ist die notwendige Folge der Ergänzungsabgabe. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist auch nicht irreführend, so dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht unbestimmt sind (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134). Der Solidaritätszuschlag stellt ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen dar (BTDrucks 12/4401, S. 51). Dies wird durch den Begriff deutlich gemacht.

23

3. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden.

24

a) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, unter II.2.b). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

25

Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.

26

b) Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die "neuen" Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

27

c) Die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Absicht, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen (BTDrucks 12/4401, S. 51), begründet im Zusammenhang mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG ab 2005. Der Gesetzgeber hat das SolZG mehrmals geändert (vgl. Dötsch, a.a.O., SolZG, Rz 1, Zusammenstellung der Gesetzesänderungen) und im Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997 (BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967) den Zuschlagsatz mit Wirkung ab 1998 auf 5,5 % abgesenkt. Zu einer weiteren Herabsetzung des Zuschlagsatzes oder einer Aufhebung des SolZG hat sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst gesehen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des SolZG im Rahmen der Änderungsgesetze stattgefunden, aber nicht zu einem für die Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hat.

28

4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für 2005 verletzt auch sonst nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Klägerin, wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

29

a) Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen sei (BTDrucks 12/4401, S. 51), keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den er verpflichtet gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag ab dem Veranlagungszeitraum 2005 herabzusetzen. Die unveränderte Fortführung des Solidaritätszuschlags bewirkt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit keine Grundrechtsverletzung.

30

Die Klägerin konnte allein wegen der Ankündigung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mittelfristig überprüft werde, nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag ab einer bestimmten Zeit herabsetzen oder aufheben werde. Die Ankündigung bezog sich nur auf eine Überprüfung und nicht auf ein bestimmtes damit verbundenes Ergebnis. Außerdem konnte diese Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz begründen. Da Steuerpflichtige grundsätzlich nicht darauf vertrauen können, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. November 2010  1 BvR 1981/07, HFR 2011, 209), können sie auch nicht darauf vertrauen, dass belastende Regelungen wieder aufgehoben werden.

31

b) Der Solidaritätszuschlag für 2005 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

32

aa) Der Zuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen --wie im Streitfall bei der Klägerin-- nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

33

bb) Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) mindert, während u.a. die Klägerin mit ihren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann.

34

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann zwar mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Ungeachtet dessen ist aber der Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage bei anderen Einkünften als solchen aus Gewerbebetrieb wegen der Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

35

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.

36

Wählt der Gesetzgeber für verschiedene Arten von Einkünften unterschiedliche Tarifverläufe, obwohl die Einkünfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen genügen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164).

37

Der Steuergesetzgeber ist jedoch grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Dann aber muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dabei ist dem Gesetzgeber hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, m.w.N.).

38

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

39

(2) Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 1,8fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags (Gewerbesteuer-Messbetrag). Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG) beträgt die Ermäßigung das 1,8fache des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005). Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97). Ziel war, den Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ebnen (BTDrucks 14/2683, S. 97).

40

Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten ist durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, zur Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F.). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat.

41

(3) Soweit aufgrund § 35 EStG 2005 i.V.m. § 1 und § 3 Abs. 2 SolZG für bestimmte Fallgruppen eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung eintreten konnte, begründet dies keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.

42

Solche Überkompensationen konnten entstehen, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer war als die erhobene Gewerbesteuer, weil die Gemeinde nur einen geringen Hebesatz bestimmt und deshalb nur eine entsprechend niedrige Gewerbesteuer festgesetzt hatte. Für den Erhebungszeitraum 2005 war zwar schon der Mindesthebesatz von 200 % anzuwenden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Überentlastungen konnten aber dennoch eintreten, und zwar insbesondere bei Steuerpflichtigen mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42 % im Jahr 2005 (§ 32a EStG 2005) und einem Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem Hebesatz bis etwa 350 % (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 1863; Wendt, FR 2000, 1173; Hey, FR 2001, 870; Korezkij, BB 2003, 1537, Der Steuerberater 2004, 171).

43

Diese Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten. Die Überentlastung war das Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Umstände (vgl. Gosch, a.a.O., § 35 Rz 19; Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz 5). Für die Höhe der Einkommensteuerminderung war der Einkommensteuersatz des Gewerbetreibenden maßgebend. Da die Gewerbesteuer bis einschließlich 2007 als Betriebsausgabe abzugsfähig war, stieg die auf den Betriebsausgabenabzug zurückzuführende Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags mit einem höheren Einkommen und einem höheren Steuersatz. Die Höhe der Belastung mit Gewerbesteuer bestimmte sich nach dem gemeindlichen Hebesatz. Niedrigere Hebesätze verursachten eine geringere Gewerbesteuer. Die gewogenen Durchschnittshebesätze beliefen sich jedoch im Jahr 2005 auf 393 % in den "alten" Bundesländern und auf 351 % in den "neuen" Bundesländern und Berlin-Ost (vgl. Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 616). Damit beschränkte sich die Überkompensation hauptsächlich auf Unternehmer in den "neuen" Bundesländern. Bereits in der Begründung zum Steuersenkungsgesetz ist jedoch ausgeführt, dass die Einkommensteuerermäßigung vor allem für solche Unternehmen vorteilhaft ist, die in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen ansässig sind, wozu insbesondere auch Gemeinden in den "neuen" Bundesländern zählen (BTDrucks 14/2683, S. 97). Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Entlastungswirkung des § 35 EStG und der daran anknüpfenden § 1 und § 3 Abs. 3 SolZG auch eine Förderung von Unternehmen in den "neuen" Bundesländern erreichen wollte.

44

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde zudem die Möglichkeit einer Überkompensation vollständig beseitigt (vgl. Levedag, a.a.O., § 35 Rz 9). Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung --EStG 2008--). Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

45

c) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für 2005 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

46

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird --auch bei der Auferlegung von Steuerlasten-- durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung. Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97).

47

Auch der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag ist gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen des Bundes zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs zu schaffen, geeignet und erforderlich. Die Eignung kann nicht deshalb verneint werden, weil mit Hilfe des Solidaritätszuschlags eine Annäherung der Lebensverhältnisse in den "alten" und den "neuen" Bundesländern erreicht werden sollte und spätestens im Jahr 2005 die Erkenntnis eingetreten sei, dass dieses Ziel bisher verfehlt worden sei.

48

d) Für eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Weitere Grundrechtsverletzungen sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Rechtsanwältin selbständig tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 30. April 2007 und in den Änderungsbescheiden vom 17. August 2007 und 27. Juni 2008 jeweils den Solidaritätszuschlag für 2005 in Höhe von 5,5 % der als Bemessungsgrundlage maßgebenden Einkommensteuer für 2005 fest. Der Solidaritätszuschlag für 2005 belief sich zuletzt auf … €.

2

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei bereits für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 166 veröffentlicht.

3

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der Solidaritätszuschlag stelle wegen der fehlenden Befristung und angesichts der fortentwickelten Verhältnisse eine verkappte und zusätzliche Erhebung von Einkommensteuer dar, die entgegen der Gesetzesvorgabe das grundgesetzliche System der Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern aushöhle. Hätte der Gesetzgeber die bei der Einführung des Solidaritätszuschlags angekündigte Überprüfung, ob eine weitere Erhebung geboten sei, in der Folgezeit durchgeführt, hätte er festgestellt, dass auch bei den Ländern ein zusätzlicher Finanzbedarf vorhanden sei. Der Solidaritätszuschlag könne als unbefristete Ergänzungsabgabe nicht nach Ablauf eines Zeitraums von zehn Jahren weiter erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 975, BStBl I 1993, 510, 523) sowie der Neufassung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4130, BStBl I 2002, 1154) und der Änderung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621, 4632, BStBl I 2003, 3, 14) --SolZG-- sei deshalb für das Streitjahr 2005 verfassungswidrig.

4

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für 2005 vom … sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 aufzuheben.

5

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr 2005 zutreffend als rechtmäßig angesehen. Das SolZG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht geboten.

7

1. Nach § 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Der Solidaritätszuschlag bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibeträge sowie Freibeträge für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG).

8

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der gegenüber der Klägerin festgesetzte Solidaritätszuschlag für 2005 den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entspricht.

9

2. Die angefochtenen Vorschriften des SolZG verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970  1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39) wird nicht verletzt. Das SolZG ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage für Veranlagungszeiträume ab 1998.

10

a) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern (mit Ausnahme der Zölle und Finanzmonopole), wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (Art. 105 Abs. 2 GG). Da nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer zusteht, hat er hierfür auch die Gesetzgebungshoheit.

11

b) Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972  1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) handelt es sich bei der Ergänzungsabgabe um eine "Steuer vom Einkommen" i.S. des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG in der Fassung vor der Änderung durch das Finanzreformgesetz (FRefG) vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359). Nach dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1970 geänderten Vorschrift hatte der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen. Im Rahmen der Neufassung durch das FRefG wurde Art. 105 Abs. 2 GG durch die bis heute geltende Generalklausel ersetzt; der Bund hat jetzt die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen" Steuern (vgl. Vogel/Walter in: Dolzer/ Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rz 6). Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung für die Einordnung der Ergänzungsabgabe als Steuer vom Einkommen. Auch der Einleitungssatz des Art. 106 Abs. 1 GG, nach dem der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden "Steuern" dem Bund zustehen, deutet darauf hin, dass die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genannte Ergänzungsabgabe eine Steuer ist. Der aufgrund des SolZG vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) erhobene Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 ist ebenfalls als (verfassungsgemäße) Steuer angesehen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 19. November 1999  2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 134, nicht zur Entscheidung angenommen).

12

c) Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

13

d) Mit dem Erlass des SolZG hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Der als Ergänzungsabgabe (vgl. § 1 Abs. 1 SolZG) für Veranlagungszeiträume ab 1998 erhobene Solidaritätszuschlag entspricht den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692, betr. Solidaritätszuschlag für 2002, die Verfassungsbeschwerde wurde im BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 2008  2 BvR 1708/06, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 229, nicht zur Entscheidung angenommen; BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817, betr. Solidaritätszuschlag für 1995 bis 2001, und vom 28. April 2009 I B 199/08, nicht veröffentlicht, betr. Solidaritätszuschlag 2004; Urteil des FG Münster vom 8. Dezember 2009  1 K 4077/08 E, EFG 2010, 588, betr. Solidaritätszuschlag 2007, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision II R 20/10; Hilgers/ Holly, Der Betrieb 2010, 1419; Hidien/Tehler, Steuerberater Woche --StBW-- 2010, 993, unter II.1.; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, SolZG, Rz 2; Brinkmeier in Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Körperschaftsteuer, Tz. 5 Solidaritätszuschlag; a.A. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. November 2009  7 K 143/08, EFG 2010, 1071; Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008).

14

aa) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2005 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, m.w.N.).

15

Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.

16

Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So beliefen sich im Kalenderjahr 2005 die jeweiligen Einnahmen des Bundes und der Länder aus Lohn- und veranlagter Einkommensteuer --nach Abzug von Kindergeld-- auf 54,691 Mrd. €, aus nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und Körperschaftsteuer --nach Abzug der Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern-- auf 13,142 Mrd. € und aus der Abgeltungsteuer auf 3,076 Mrd. €, also insgesamt jeweils auf 70,909 Mrd. €; die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag betrugen dagegen nur 10,315 Mrd. € (vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 578 f.). Auch wenn der Bund mit dem Solidaritätszuschlag erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt.

17

bb) Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010  2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).

18

Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. Deshalb werde mit Wirkung ab 1. Januar 1995 ein --mittelfristig zu überprüfender-- Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen würden vermieden.

19

Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). Es war deshalb nicht erforderlich, im Einzelnen anzugeben, welche konkreten Ausgaben mit den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag finanziert werden und inwieweit andere Maßnahmen (z.B. die Neuverteilung der Umsatzsteueranteile) ebenfalls die vom Bund zu tragenden zusätzlichen Ausgaben abdecken sollten.

20

Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht.

21

cc) Unerheblich ist, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, die dem Bund zur Deckung seiner Ausgaben zur Verfügung steht. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Außerdem wurde der Solidaritätszuschlag nicht nur zur Finanzierung des Aufholprozesses in den neuen Bundesländern eingeführt. Er dient vielmehr der allgemeinen Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung entstehenden Ausgaben; dazu gehören u.a. auch die sog. Erblastschulden (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.).

22

dd) Die Einführung des Solidaritätszuschlags ist --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keine verkappte Erhöhung der Einkommensteuer, hinsichtlich derer dem Bund ein Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen wäre. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG sieht ausdrücklich die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor. Die dadurch eintretende steuerliche Belastung ist die notwendige Folge der Ergänzungsabgabe. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist auch nicht irreführend, so dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht unbestimmt sind (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134). Der Solidaritätszuschlag stellt ein solidarisches Opfer aller Bevölkerungsgruppen dar (BTDrucks 12/4401, S. 51). Dies wird durch den Begriff deutlich gemacht.

23

3. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden.

24

a) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, unter II.2.b). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).

25

Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/ Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.

26

b) Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar schon insgesamt zehn Veranlagungszeiträume (1995 bis einschließlich 2004) abgelaufen, für die ein Solidaritätszuschlag festzusetzen war. Wegen des im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung weiterhin bestehenden Finanzbedarfs des Bundes konnte aber der Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2005 noch festgesetzt werden. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von elf Jahren (1995 bis einschließlich 2005) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe. Im Jahr 2005 bestand auch noch ein Finanzbedarf des Bundes. Zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten, zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft sollen die "neuen" Bundesländer bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 105 Mrd. € erhalten; außerdem hat der Bund für den gleichen Zeitraum überproportionale Leistungen mit einer Zielgröße von 51,1 Mrd. € in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen zugesagt (vgl. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005, BTDrucks 15/6000, S. 11, 22, zum sog. Solidarpakt II). Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Im Jahr 2005 betrugen sie 10.532.613.000 €, im Jahr 2019 belaufen sie sich dagegen auf nur noch 2.096.297.000 €. Daraus ist ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgeht. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf im Jahr 2005 ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte.

27

c) Die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Absicht, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen (BTDrucks 12/4401, S. 51), begründet im Zusammenhang mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG ab 2005. Der Gesetzgeber hat das SolZG mehrmals geändert (vgl. Dötsch, a.a.O., SolZG, Rz 1, Zusammenstellung der Gesetzesänderungen) und im Gesetz zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997 (BGBl I 1997, 2743, BStBl I 1997, 967) den Zuschlagsatz mit Wirkung ab 1998 auf 5,5 % abgesenkt. Zu einer weiteren Herabsetzung des Zuschlagsatzes oder einer Aufhebung des SolZG hat sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst gesehen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Überprüfung des SolZG im Rahmen der Änderungsgesetze stattgefunden, aber nicht zu einem für die Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hat.

28

4. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für 2005 verletzt auch sonst nicht grundgesetzlich geschützte Rechte der Klägerin, wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).

29

a) Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen sei (BTDrucks 12/4401, S. 51), keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den er verpflichtet gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag ab dem Veranlagungszeitraum 2005 herabzusetzen. Die unveränderte Fortführung des Solidaritätszuschlags bewirkt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit keine Grundrechtsverletzung.

30

Die Klägerin konnte allein wegen der Ankündigung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags mittelfristig überprüft werde, nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag ab einer bestimmten Zeit herabsetzen oder aufheben werde. Die Ankündigung bezog sich nur auf eine Überprüfung und nicht auf ein bestimmtes damit verbundenes Ergebnis. Außerdem konnte diese Ankündigung im Gesetzgebungsverfahren keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz begründen. Da Steuerpflichtige grundsätzlich nicht darauf vertrauen können, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. November 2010  1 BvR 1981/07, HFR 2011, 209), können sie auch nicht darauf vertrauen, dass belastende Regelungen wieder aufgehoben werden.

31

b) Der Solidaritätszuschlag für 2005 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

32

aa) Der Zuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5,5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen --wie im Streitfall bei der Klägerin-- nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

33

bb) Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung (EStG 2005) mindert, während u.a. die Klägerin mit ihren Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann.

34

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann zwar mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Ungeachtet dessen ist aber der Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage bei anderen Einkünften als solchen aus Gewerbebetrieb wegen der Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden.

35

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschluss vom 8. Juni 2004  2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG-Beschluss vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.

36

Wählt der Gesetzgeber für verschiedene Arten von Einkünften unterschiedliche Tarifverläufe, obwohl die Einkünfte nach der gesetzgeberischen Ausgangsentscheidung die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, muss diese Ungleichbehandlung besonderen Rechtfertigungsanforderungen genügen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164).

37

Der Steuergesetzgeber ist jedoch grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Dann aber muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dabei ist dem Gesetzgeber hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, m.w.N.).

38

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

39

(2) Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das 1,8fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrags (Gewerbesteuer-Messbetrag). Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG) beträgt die Ermäßigung das 1,8fache des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005). Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97). Ziel war, den Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung zu ebnen (BTDrucks 14/2683, S. 97).

40

Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten ist durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, zur Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F.). Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat.

41

(3) Soweit aufgrund § 35 EStG 2005 i.V.m. § 1 und § 3 Abs. 2 SolZG für bestimmte Fallgruppen eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung eintreten konnte, begründet dies keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.

42

Solche Überkompensationen konnten entstehen, wenn die gesamte Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags größer war als die erhobene Gewerbesteuer, weil die Gemeinde nur einen geringen Hebesatz bestimmt und deshalb nur eine entsprechend niedrige Gewerbesteuer festgesetzt hatte. Für den Erhebungszeitraum 2005 war zwar schon der Mindesthebesatz von 200 % anzuwenden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Überentlastungen konnten aber dennoch eintreten, und zwar insbesondere bei Steuerpflichtigen mit dem Einkommensteuerspitzensatz von 42 % im Jahr 2005 (§ 32a EStG 2005) und einem Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem Hebesatz bis etwa 350 % (vgl. Herzig, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 1863; Wendt, FR 2000, 1173; Hey, FR 2001, 870; Korezkij, BB 2003, 1537, Der Steuerberater 2004, 171).

43

Diese Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten. Die Überentlastung war das Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Umstände (vgl. Gosch, a.a.O., § 35 Rz 19; Levedag in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Rz 5). Für die Höhe der Einkommensteuerminderung war der Einkommensteuersatz des Gewerbetreibenden maßgebend. Da die Gewerbesteuer bis einschließlich 2007 als Betriebsausgabe abzugsfähig war, stieg die auf den Betriebsausgabenabzug zurückzuführende Minderung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags mit einem höheren Einkommen und einem höheren Steuersatz. Die Höhe der Belastung mit Gewerbesteuer bestimmte sich nach dem gemeindlichen Hebesatz. Niedrigere Hebesätze verursachten eine geringere Gewerbesteuer. Die gewogenen Durchschnittshebesätze beliefen sich jedoch im Jahr 2005 auf 393 % in den "alten" Bundesländern und auf 351 % in den "neuen" Bundesländern und Berlin-Ost (vgl. Statistisches Jahrbuch 2007 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 616). Damit beschränkte sich die Überkompensation hauptsächlich auf Unternehmer in den "neuen" Bundesländern. Bereits in der Begründung zum Steuersenkungsgesetz ist jedoch ausgeführt, dass die Einkommensteuerermäßigung vor allem für solche Unternehmen vorteilhaft ist, die in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen ansässig sind, wozu insbesondere auch Gemeinden in den "neuen" Bundesländern zählen (BTDrucks 14/2683, S. 97). Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Entlastungswirkung des § 35 EStG und der daran anknüpfenden § 1 und § 3 Abs. 3 SolZG auch eine Förderung von Unternehmen in den "neuen" Bundesländern erreichen wollte.

44

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde zudem die Möglichkeit einer Überkompensation vollständig beseitigt (vgl. Levedag, a.a.O., § 35 Rz 9). Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung --EStG 2008--). Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

45

c) Die Belastung durch den Solidaritätszuschlag für 2005 verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen.

46

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird --auch bei der Auferlegung von Steuerlasten-- durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Danach muss die Beeinträchtigung durch Steuerlasten geeignet, erforderlich und im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit angemessen sowie zumutbar sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97). Allerdings bietet die Belastung mit Steuern den im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung. Jenseits "erdrosselnder", die Steuerquelle selbst vernichtender Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann, werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer geeignet und erforderlich sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97).

47

Auch der nach § 1 SolZG erhobene Solidaritätszuschlag ist gemessen an dem mit seiner Einführung bezweckten Ziel, Einnahmen des Bundes zur Abdeckung des sich aus der Wiedervereinigung ergebenden Haushaltsmehrbedarfs zu schaffen, geeignet und erforderlich. Die Eignung kann nicht deshalb verneint werden, weil mit Hilfe des Solidaritätszuschlags eine Annäherung der Lebensverhältnisse in den "alten" und den "neuen" Bundesländern erreicht werden sollte und spätestens im Jahr 2005 die Erkenntnis eingetreten sei, dass dieses Ziel bisher verfehlt worden sei.

48

d) Für eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sind keine Anhaltspunkte erkennbar. Weitere Grundrechtsverletzungen sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Tenor

1. Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Die Vorlage betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des im Veranlagungszeitraum 2007 als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 - SolZG 1995 -.

I.

2

1. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 vom 23. Juni 1993 wurde als Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - (BGBl I S. 944, 975) vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Es ist gemäß Art. 43 Abs. 1 dieses Gesetzes am 27. Juni 1993 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde neu gefasst mit der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I S. 4130) und zuletzt geändert durch Art. 9 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950, 3954). Nach der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage als Ergänzungsabgabe erhoben, von einkommensteuerpflichtigen Personen jedoch nur, soweit die Bemessungsgrundlage die Freigrenze übersteigt.

3

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1972 zum Gesetz über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (BGBl I 1967 S. 1254), BVerfGE 32, 333 ff., grundsätzlich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG Stellung genommen. Danach gehört eine zeitliche Befristung nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe und lässt sich als verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung auch nicht aus den Materialien zur Änderung des Grundgesetzes durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) entnehmen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f. zum Solidaritätszuschlaggesetz von 1991). Der Bundesfinanzhof ist in seinem Beschluss vom 28. Juni 2006 - VII B 324/05 - (BFHE 213, 573, BStBl II 2006, S. 692) dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt und davon ausgegangen, dass keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abgabenerhebung nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Veranlagungszeitraum 2002 bestünden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Februar 2008 - 2 BvR 1708/06 -, DStZ 2008, S. 229).

4

2. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens für den Veranlagungszeitraum 2007 den Solidaritätszuschlag in Höhe von 941,43 € fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage, der das Finanzamt zustimmte. Zur Begründung der Klage trug der Kläger vor, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei verfassungswidrig, weil eine Ergänzungsabgabe nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden dürfe.

5

3. Mit Beschluss vom 25. November 2009 - 7 K 143/08 - (EFG 2010, S. 1071 ff.) hat der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Solidaritätszuschlaggesetz vom 23. Juni 1993 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig sei. Nach Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts verletzt das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und verstößt somit gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Zur Begründung seiner Auffassung führt das Finanzgericht im Wesentlichen aus:

6

a) Die Materialien zur Einführung der Ergänzungsabgabe und damit die erkennbaren Motive des Verfassungsgebers zeigten, dass eine Finanzbedarfs"spitze" Voraussetzung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe sei. Eine solche könne logisch nicht auf Dauer vorliegen. Ein Spitzenfinanzbedarf verflüchtige sich nach einiger Zeit wieder oder er weite sich zu einer Finanzlücke aus, deren Schließung allein durch (auf Dauer angelegte) Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe zulässig sei. Eine Ergänzungsabgabe dürfe deshalb nur vorübergehend erhoben werden. Sie dürfe nicht zur Schließung einer über ein Jahrzehnt andauernden Finanzierungslücke, nicht zur Deckung eines Finanzbedarfs"plateaus", eingesetzt werden.

7

Die Bundesrepublik Deutschland habe mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei. Der übernommene Finanzbedarf bedeute für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke.

8

b) Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspreche auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gegeben habe, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden sei. Der Verfassungsgeber habe nach den Materialien erkennbar die Vorstellung gehabt, dass eine einmal eingeführte Ergänzungsabgabe in Zeiten von geplanten Steuersenkungen zunächst entfallen müsse, bevor Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer greifen würden. Entgegen diesen Vorstellungen des Verfassungsgebers habe der Gesetzgeber in den letzten Jahren mehrfach den Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarif gesenkt, etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl I 1999 S. 402); bei gleichzeitiger Weitererhebung des Solidaritätszuschlags sei der Einkommensteuer-Spitzensatz von ehemals 53 % ab dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 in mehreren Stufen auf 42 % abgesenkt worden.

9

c) Das vorlegende Finanzgericht folge nicht den Annahmen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine zeitliche Befristung gehöre nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe. Nach den Materialien zum Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 diene eine Ergänzungsabgabe allein zur Deckung vorübergehender "Bedarfsspitzen"; ausdrücklich sei noch von zu finanzierenden "Ausnahmelagen" und "besonderen Notfällen" die Rede. Diese Formulierungen seien entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs nicht zu unbestimmt, um daraus etwas für die Zulässigkeit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe abzuleiten. Das vorlegende Finanzgericht folge auch nicht der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle sei mit den "Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar". Die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe könnten nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts ersetzt werden. Schließlich folge das vorlegende Finanzgericht auch nicht der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, eine Ergänzungsabgabe dürfe dauerhaft erhoben werden, wenn sich nach ihrer Einführung für den Bund neue Aufgaben ergäben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichten, so dass eine erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden möglich sei.

II.

10

Die Vorlage ist unzulässig.

11

1. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76 f.>; 105, 48 <56>). Das vorlegende Gericht muss sich zur Begründung seiner Überzeugung mit allen nahe liegenden tatsächlichen Gründen und rechtlichen Gesichtspunkten befassen, gegebenenfalls die Erwägungen des Gesetzgebers berücksichtigen und sich mit in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 71 <77 f.>; 92, 277 <312>; 105, 48 <56>).

12

Zu beachten ist insbesondere die Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Diese entfaltet sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (stRspr; vgl. BVerfGE 40, 88 <93 f.> m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 96, 375 <404>; 112, 1 <40>; 112, 268 <277>; auch BVerfGE 104, 151 <197>, wo darauf abgestellt wird, dass im Hinblick auf die eine frühere Entscheidung tragenden Gründe kein bloßer Wiederholungs- oder Parallelfall gegeben sei; mangels Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf die tragenden Gründe offen lassend BVerfGE 115, 97 <109>). Daraus resultieren erhöhte Begründungsanforderungen für Richtervorlagen, die vom Bundesverfassungsgericht bereits entschiedene Rechtsfragen erneut aufwerfen (vgl. Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 92 f. m.w.N.).

13

2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage unzulässig, da sie nicht den gesteigerten Anforderungen genügt, die im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Entscheidung BVerfGE 32, 333 an eine Begründung für die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu stellen sind.

14

a) Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 inhaltlich noch nicht auseinandergesetzt. Es hat jedoch im Rahmen seiner grundsätzlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen einer verfassungsrechtlich zulässigen Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mit eingehender Begründung entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine solche Abgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen ganz kurzen Zeitraum zu erheben (BVerfGE 32, 333 <340>). Das vorlegende Gericht, das seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Abgabe nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 allein auf die Dauer ihrer Erhebung stützt, hat gleichwohl diese Entscheidungsbegründung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung genommen und sich weder mit der Reichweite der Bindungswirkungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, noch solche Aspekte aufgezeigt, die vom Bundesverfassungsgericht nicht berücksichtigt worden sind und die eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung der entscheidungstragenden Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG veranlassen könnten. Das Gericht beschränkt sich vielmehr darauf, seine eigene Auslegung der Verfassungsnorm jener des Bundesverfassungsgerichts entgegenzusetzen.

15

b) Das vorlegende Gericht lässt zudem wesentliche Zusammenhänge der Begründung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 9. Februar 1972 außer acht, so dass die im Vorlagebeschluss vorgebrachten Einwände auch deshalb keinen Anlass geben, die Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu überdenken.

16

Das vorlegende Gericht behauptet, entgegen der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts seien die in den Gesetzesmaterialien verwendeten Begriffe "Bedarfsspitze im Bundeshaushalt" und "besondere Notfälle" nicht zu unbestimmt, um die klare Vorstellung des Verfassungsgebers über die Ergänzungsabgabe als nachrangiges, zeitlich beschränktes Finanzierungsinstrument abzuleiten. Es bestreitet zudem die Verfassungskonformität der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine zeitliche Beschränkung der Ergänzungsabgabe auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar sei, mit dem Einwand, dass "die Vorstellungen des Verfassungsgebers zum zeitlichen Umfang einer Ergänzungsabgabe nicht durch andere haushalts- und konjunkturpolitische Vorstellungen eines Gerichts (vorliegend: des Bundesverfassungsgerichts) ersetzt werden" könnten. Diese Erwägungen stellen keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung vom 9. Februar 1972 dar.

17

Das Finanzgericht lässt bei seiner Rechtsansicht, dass eine Finanzlücke allein durch auf Dauer angelegte Steuererhöhungen, nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe geschlossen werden dürfe, insbesondere unberücksichtigt, dass - wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt - bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz auch bedacht worden ist, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf - allein - des Bundes ergeben könne, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei (vgl. BVerfGE 32, 333 <340 f.>). Eine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt wäre auch insoweit naheliegend gewesen, als das Finanzgericht selbst in seinem Vorlagebeschluss feststellt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen habe, deren zeitliches Ende nicht absehbar sei, und der übernommene Finanzbedarf für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke bedeute. Die Frage, wieweit eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit Blick auf die Beteiligung der Länder am Steueraufkommen gegenüber der Erhebung des Solidaritätszuschlags zur Deckung des ausschließlichen Mehrbedarfs des Bundes als eine vertretbare Alternative anzusehen sein könnte (vgl. hierzu BVerfGE 32, 333 <340 f.> und BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 1167/96 -, NJW 2000, S. 797 f.), bleibt im Vorlagebeschluss unerörtert.

18

Hinsichtlich der Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe sich nicht mit den Motiven des Verfassungsgebers auseinandergesetzt und bei der verfassungsrechtlichen Interpretation des Begriffs "Ergänzungsabgabe" die maßgeblichen Vorstellungen des Verfassungsgebers nicht vollständig dargestellt, übersieht das Finanzgericht die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass während des Gesetzgebungsverfahrens zum Finanzverfassungsgesetz keine ernsthaften Versuche angestellt worden seien, eine Befristung in das Gesetz einzuführen, obwohl der Bundesrat, um die Begrenzung der Ergänzungsabgabe der Höhe nach zu erreichen, den Vermittlungsausschuss angerufen hatte (BVerfGE 32, 333 <341>).

19

c) Die These des Finanzgerichts, aufgrund der Absenkung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarifs - etwa durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402) - habe der Solidaritätszuschlag entfallen müssen, ist bereits nicht hinreichend begründet, so dass die verfassungsrechtliche Relevanz dieser These keiner Erörterung bedarf. Das Finanzgericht lässt unberücksichtigt, dass - zur Sanierung der öffentlichen Haushalte - mit der Senkung der Steuersätze eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einherging, die - etwa durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652) - zu zahlreichen sachlichen und betragsmäßigen Einschränkungen des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs und somit zu einer Erhöhung der Steuerlast führte. Allein der Hinweis des Finanzgerichts, dass es in den letzten Jahren "immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen" gegeben habe, "obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden" sei, kann eine fundierte Prüfung der sachlichen und rechtlichen Ausgangsposition für die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht ersetzen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.