Finanzgericht München Urteil, 09. Juni 2015 - 14 K 608/13

bei uns veröffentlicht am09.06.2015

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 14 K 608/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Gemeinschaft als Unternehmer - Anforderung an einen unberechtigten Steuerausweis

In der Streitsache

...

Kläger

...

Beklagter

wegen Umsatzsteuer 1998 - 2010

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 9. Juni 2015 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.b...de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist im Klinikum ... tätig. Zusammen mit weiteren Kollegen hat er Systeme zur endoskopischen Gewebecharakterisierung mitentwickelt. Seit 1996 ist die ... GmbH & Co. KG (KG) im Rahmen von Lizenzverträgen für die Vermarktung dieser Erfindungen tätig. Mit dem Kläger, Dr. X, Dr. Y und Dr. Z schloss sie den Vertrag vom 10. Januar 1996 und die Nachfolgevereinbarung vom 23. Februar 2007 ab; die Erfindungen betrafen die Früherkennung von A-Tumoren. In diesen Verträgen sind als Lizenzgeber jeweils alle Erfinder genannt; sie werden in den Verträgen einheitlich als „Lizenzgeber“ bezeichnet. Die Abrechnungen der Lizenzgebühren erfolgen vertragsgemäß jeweils zum 31. Dezember jeden Jahres und die Auszahlungen jeweils zum 31. März des Folgejahres unmittelbar auf das Konto des jeweiligen Erfinders. Die KG sollte Gutschriften erstellen. Den Vertrag vom 6. Juli 1998 schlossen der Kläger, Dr. Z und Dr. U als Lizenzgeber ab; dabei ging es um Erfindungen zur Früherkennung von B-Tumoren. Die Vereinbarung enthält vergleichbare Regelungen wie die anderen Verträge.

Ab dem Jahr 1998 erklärte der Kläger die Lizenzgebühren als Einzelunternehmer und wandte den ermäßigten Steuersatz an. Er gab die Steuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2002 in 2004, für das Jahr 2003 in 2005, für das Jahr 2004 in 2006, für das Jahr 2005 in 2007 und für die übrigen Jahre später ab. Sie führten für alle Streitjahre zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, die bestandskräftig wurden. Der Kläger erklärte für die Jahre 2006 bis 2010 keine Vorsteuerbeträge und eine Steuer in Höhe von 1.925,56 € für 2006, von 1.701,56 € für 2007, von 2.577,12 € für 2008, von 1.896,37 € für 2009 und von 1.975,33 € für 2010.

In den Jahren 1998 bis einschließlich 2005 erstellte die KG jährliche Gutschriften, die an den Kläger adressiert waren. Dort gab sie zunächst die insgesamt den Erfindern zustehende Lizenzgebühr und die darauf insgesamt entfallende Umsatzsteuer (errechnet aus dem nicht ermäßigten Steuersatz) an. Hieraus berechnete sie einen Gesamtbruttobetrag. Sodann führte sie den auf ihn entfallenden Bruttobetrag auf, wies aber nicht die auf ihn entfallende Umsatzsteuer gesondert aus. Ab dem Jahr 2006 änderte die KG hinsichtlich des Vertrages vom 6. Juli 1998 ihre Gutschriften; für die übrigen Verträge behielt sie ihre bisherige Praxis bei. Nunmehr gab sie in den Gutschriften die gesamte Lizenzgebühr für die Erfinder an, errechnete hieraus den auf den Kläger entfallenden Anteil, wies dann die sich auf diesen Anteil beziehende Steuer gesondert aus und errechnete daraus den sich für ihn ergebenden Bruttobetrag. Die KG wies für den Kläger Steuer im Jahr 2006 von 1.684,19 €, im Jahr 2007 von 1.503,04 €, im Jahr 2008 von 2.928,35 €, im Jahr 2009 von 2.027,44 € und im Jahr 2010 von 2.136,69 € aus. Den Gutschriften widersprach der Kläger nicht.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der KG übersandte das Finanzamt R dem Beklagten (dem Finanzamt -FA-) eine Kontrollmitteilung mit der Feststellung, das die Leistungen in Form von Gutschriften durch den Lizenznehmer mit dem nicht ermäßigten Steuersatz abgerechnet worden seien.

Das FA änderte daraufhin die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1998 bis 2010 und veranlagte den Unterschiedsbetrag zwischen dem ermäßigten und dem allgemeinen Steuersatz als unzutreffend ausgewiesenen Steuerbetrag. Mit Bescheiden vom 12. September 2011 für die Jahre 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie mit Bescheid vom 19. September 2011 für das Jahr 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1998 auf 3.275,85 €, für 1999 auf 4.462,04 €, für 2000 auf 7.427,54 €, für 2001 auf 4.908,40 €, für 2002 auf 4.643,80 €, für 2003 auf 2.416,02 €, für 2004 auf 3.396,58 €, für 2005 auf 4.724,06 €, für 2006 auf 4.059,87 €, für 2007 auf 5.414,11 €, für 2008 auf 6.289,66 €, für 2009 auf 4.628,24 € und für 2010 auf 4.820,94 € fest.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug der Kläger unter anderem vor, dass er nicht der alleinige Lizenzgeber sei.

Das FA änderte mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2013 die Steuer für 2007 wegen eines Übertragungsfehlers auf 4.152,83 € und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die Umsätze des Klägers sei nicht der ermäßigte Steuersatz, sondern der Regel-Steuersatz anzuwenden. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, weil von einer Steuerhinterziehung auszugehen sei.

Am 28. Februar 2013 erhob der Kläger Klage. Er trägt vor, dass nicht er, sondern die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft, die jeweils die Lizenzverträge mit der Firma Storz abgeschlossen hätte, die Leistende im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sei. Zudem sei die Versteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz keine neue Tatsache für das FA.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 12. September 2011 über die Umsatzsteuer für 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie den Bescheid vom 19. September 2011 für 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2013 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Es ergänzt, aufgrund der für die Streitjahre abgegebenen Steuererklärungen habe es davon ausgehen müssen, dass die vereinnahmten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Erst nach erstmaliger Vorlage der Lizenzverträge am 21. Februar 2012 habe das FA erkannt, dass auf die Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Der Kläger sei in den Jahren 1997 bis 2002 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung mit seinen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit aus der GbR ... in Unterhaching durch das damalige Finanzamt München II veranlagt worden, auch die Umsatzsteuer sei beim Finanzamt München II einheitlich festgesetzt worden. Da der Kläger gegen die Feststellungsbescheide 1997 bis 2002 Einspruch eingelegt habe, könne nicht nachvollzogen werden, warum er nun darauf beharre, dass sowohl ertragsteuer-rechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich eine Gemeinschaft vorliege. Im Übrigen seien im gegenseitigen Einvernehmen im Jahr 2006 die Feststellungsbescheide und die Umsatzsteuerbescheide für die angenommene GbR ersatzlos aufgehoben worden; die entsprechenden Veranlagungen hätten bei den Wohnsitzfinanzämtern erfolgen sollen. Soweit der Kläger nun vortrage, dass nicht er alleine, sondern zusammen mit den anderen Lizenzgebern Leistender gewesen sei, müsse er sich entgegenhalten lassen, dass er die Umsätze im Zusammenhang mit dem Lizenzvertrag stets im Rahmen seines Einzelunternehmens erklärt habe.

Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2013, die vom FA vorgelegten Akten, und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Zwar ist die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft der Erfinder und nicht der Kläger Unternehmer und damit steuerpflichtig. Allerdings schuldet der Kläger die festgesetzte Steuer, weil sie in Gutschriften für ihn (zu Unrecht) ausgewiesen ist.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland ausführt. Wer Leistender und wer Leistungsempfänger ist, richtet sich regelmäßig nach den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648). Auch eine Gemeinschaft (§§ 741 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches) kann trotz ihrer fehlenden zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG sein (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1998 V R 31/98, BFHE 187, 78, BStBl II 2008, 497; vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2014 V R 49/13, BFH/NV 2015, 128). Da sie aber zivilrechtlich nicht selbst handeln kann, tritt die Gemeinschaft umsatzsteuerrechtlich bereits dann als Unternehmerin auf, wenn alle Gemeinschafter gemeinsam handeln (vgl. BFH-Urteile vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729; vom 9. September 1993 V R 63/89, BFH/NV 1994, 589).

Im Streitfall bildeten die jeweiligen Erfinder Bruchteilsgemeinschaften (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 des Patentgesetzes). Alle jeweiligen Mitglieder schlossen die Verträge mit der KG ab; sie handelten also gemeinschaftlich. Unternehmerin war daher die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft und nicht der einzelne Erfinder. Da die Bruchteilsgemeinschaften zivilrechtlich nicht rechtsfähig waren, konnten sie als solche keine Verträge schließen.

Ohne entscheidende Bedeutung ist, dass in den Verträgen die Verteilung des Entgeltes geregelt und die Anteile daran unmittelbar an die einzelnen Gemeinschafter flossen und nicht das gesamte Entgelt auf ein gemeinsames Konto überwiesen wurde. Denn allein maßgeblich ist, ob die Gemeinschafter gemeinschaftlich gehandelt und damit ob sie gemeinsam die Verträge abschlossen. Ferner kommt es nicht darauf an, dass der Kläger -irrtümlich- selbst Umsätze als Einzelunternehmer erklärte.

2. Der Kläger schuldet Umsatzsteuer aus unberechtigtem Steuerausweis.

a) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis 31. Dezember 2003). Entsprechend ist dies seit 1. Januar 2004 in § 14c Abs. 2 UStG geregelt. Zweck dieser Vorschriften ist es, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen. Gegenstand der Regelung ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten. Eine Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die Verwaltung nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen aller geltend gemachten Vorsteuerbeträge vollumfänglich auch hinsichtlich aller einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG vor der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 zu § 14c UStG). Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis erfüllt eine Rechnung bereits dann, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734; vom 19. November 2014 V R 29/14, BFH/NV 2015, 706).

Einer Rechnung stehen Gutschriften durch den Leistungsempfänger gleich, wenn - wie im Streitfall - die Erteilung einer Gutschrift vorher vereinbart wurde und der Empfänger der Gutschrift dieser nicht widerspricht (vgl. § 14 Abs. 5 Sätze 1 und 3 UStG in der Fassung bis 31. Dezember 2003 und § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG in der Fassung ab 1. Januar 2004). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH, wonach für den Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer grundsätzlich identisch sein müssen (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1999 V R 8/99, BFH/NV 2000, 353), nicht, dass dies auch bei einer Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis31. Dezember 2003 und des § 14c UStG in der Fassung ab1. Januar 2004 der Fall sein muss. Dies lässt sich bereits deren Zweck entnehmen, einem unberechtigten Steuerausweis zu begegnen; ein solcher liegt auch vor, wenn die Rechnung oder Gutschrift einen Leistenden ausweist, der die Leistung nicht ausführte.

b) Nach diesen Grundsätzen enthalten alle Gutschriften einen unberechtigten Steuerausweis und begründen eine Gefährdung des Steueraufkommens. Sie sind alle an den Kläger persönlich gerichtet, obwohl der Leistende die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft ist. Daher sind sie unzutreffend. Sie enthalten alle einen Steuerausweis. Unerheblich ist, dass in einem Teil der Gutschriften lediglich die auf alle Erfinder gemeinsam entfallende Steuer und nur der auf den Kläger entfallende Bruttobetrag ausgewiesen wird. Dieser Unterschied kann - über den unzutreffenden Leistenden hinaus - im Rahmen des Vorsteuerabzugs (§ 15 UStG) eine Rolle spielen. Demgegenüber ist für eine Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis 31. Dezember 2003 und § 14c UStG in der Fassung ab 1. Januar 2004 ausreichend, dass in den Gutschriften Leistungen des Klägers abgerechnet werden und eine Steuer offen ausgewiesen wurde. Denn bereits dies birgt die Gefahr, dass der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug geltend macht und ihm dieser im Rahmen der Massenverwaltung -jedenfalls zunächst - auch gewährt wird.

3. Festsetzungsverjährung stand den Steuerfestsetzungen nicht entgegen.

Sie beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist und abweichend hiervon, wenn - wie im Streitfall - eine Steuererklärung abzugeben war, mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wurde, spätestens aber mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung -AO-). Die Umsatzsteuer ist hier für das erste Streitjahr 1998 mit Ablauf des Jahres 2000 entstanden (vgl. § 13 Abs. 1 UStG).

Gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Umsatzsteuer vier Jahre. Sie beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

Eine Steuerhinterziehung begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Eine Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich begangen werden (vgl. § 15 des Strafgesetzbuches). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt - Eventualvorsatz - (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. September 2011 1 StR 38/11, BFH/NV 2011, 2221).

Steuererklärungen sind nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, soweit - wie hier - keine mündliche Steuererklärung zugelassen ist (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Angaben sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Sie müssen den im Vordruck vorgegebenen Inhalt haben (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665 zur Feststellungserklärung ist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO).

bb) Der von Anfang an steuerlich beratene Kläger gab die Steuererklärungen mit Unterstützung seines Steuerberaters für die Jahre 1998 bis 2002 in 2004, für das Jahr 2003 in 2005, für das Jahr 2004 in 2006, für das Jahr 2005 in 2007 und für die übrigen Jahre später ab. Die Verjährung begann damit für das erste Streitjahr mit Ende des Jahres 2001 zu laufen und war zum Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids am 12. September 2011 noch nicht abgelaufen, weil der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat. Das Gleiche gilt für die übrigen Streitjahre. Er hat in seinen Erklärungen lediglich den ermäßigten Steuersatz angegeben, obwohl er aufgrund der Gutschriften einen höheren Steuerbetrag schuldete.

Ferner handelte der Kläger vorsätzlich. Das Gericht hält es für fernliegend, dass der Kläger und dessen Steuerberater nicht jedenfalls die Möglichkeit erkannten, der ausgewiesene Betrag könne dem FA zustehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger dies für möglich hielt und dem FA die zusätzlich in den Gutschriften ausgewiesene Steuer verschwieg. Denn der Kläger vereinnahmte das auf ihn entfallende Bruttoentgelt in den Gutschriften, das nach dem ausdrücklich ausgewiesenen allgemeinen Steuersatz berechnet wurde. In seinen Umsatzsteuererklärungen gab er aber - abweichend von den Gutschriften - seine Umsätze nur mit 7% an. Den Gutschriften widersprach er indessen nicht, sondern behielt den Unterschiedsbetrag zwischen dem allgemeinen und dem ermäßigten Steuersatz für sich.

4. Das FA durfte die Festsetzungen ändern, weil sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (vgl. § 164 Abs. 2 AO). Auf das Vorliegen einer neuen Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt es nicht an.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische Zweigniederlassung der X Versicherungs-Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Z. Sie ist Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, zu der im Streitjahr 1994 mehrere Versicherungsgesellschaften gehörten.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte der für den Organkreis eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 1994 zunächst zu. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erging am 8. Mai 2003 ein Änderungsbescheid, mit dem --neben der Änderung weiterer, im Revisionsverfahren nicht streitiger Besteuerungsgrundlagen-- die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin um die von ihr erlösten sog. Führungsprovisionen aus Mitversicherungsgeschäften in Höhe von ... DM erhöht und bei diesen Geschäften angefallene Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM berücksichtigt wurden.

3

Bei der "offenen Mitversicherung", derer sich die Klägerin u.a. bedient, wird das Versicherungsrisiko aus einzelnen Verträgen mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen geteilt. Soll ein Risiko im Wege der offenen Mitversicherung versichert werden, bietet ein Versicherungsunternehmen einem Mitbewerber eine Beteiligung an. Ist der andere Versicherer bereit, das Risiko mitzutragen, entsteht die offene Mitversicherung technisch durch Aufnahme einer Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag, wonach eine Mehrzahl von Versicherungsunternehmen anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz bietet. Die Versicherungsgesellschaft, die den Kundenkontakt hergestellt hat, übernimmt regelmäßig die Führung innerhalb des Mitversicherungsgeschäftes. Dieses sog. Führungsgeschäft beinhaltet die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches. Die Prämie wird von dem Versicherungsnehmer entweder anteilig an die einzelnen Versicherer gezahlt oder aber --regelmäßig im Interesse der Einfachheit-- als Ganzes an die führende Gesellschaft. Von der Gesamtprämie erhält die führende Gesellschaft für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von 1 bis 3 % der Gesamtprämie. Der Mehranteil an Prämie, den das führende Versicherungsunternehmen erhält, wird allgemein als Führungsprovision bezeichnet. Sie wird in Form eines Anteils an der Gesamtprovision berechnet. Eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten findet nicht statt.

4

Die Klägerin behandelte die von ihr vereinnahmten Führungsprovisionen als Entgelt für nach § 4 Nr. 10 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG). Das FA hingegen sieht die Führungsprovision als eine Tätigkeitsvergütung für die mit der "Führung" zusammenhängende Mehrarbeit der Klägerin, d.h. eine gegenüber den Mitversicherern erbrachte selbständige sonstige Leistung an, für die eine Steuerbefreiung nicht greife. Wie der Einspruch der Klägerin in der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 blieb auch die Klage ohne Erfolg.

5

Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe die der Klägerin mit den sog. Führungsprovisionen vergüteten sonstigen Leistungen zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Die im Rahmen der offenen Mitversicherung von der Klägerin infolge der Führungsklausel erbrachten sonstigen Leistungen seien nicht i.S. des § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG aufgrund eines Versicherungsverhältnisses, sondern aufgrund eines Vertrags über eine gesondert zu beurteilende Geschäftsbesorgung i.S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit den an dem Versicherungsverhältnis beteiligten Mitversicherern erbracht worden. Während noch der Reichsfinanzhof (RFH) in seinem Urteil vom 21. Dezember 1931 V A 389/30 (RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380) die offene Mitversicherung als ein einheitliches Versicherungsverhältnis angesehen habe, das den Rechtsgrund für die Leistungen der Mitversicherer untereinander bilde und für eine selbständige Vereinbarung über die Art der Beteiligung und die Abgabe einer Sondervergütung an die führende Gesellschaft keinen Raum lasse, habe sich die zivilrechtliche Beurteilung der im Rahmen einer offenen Mitversicherung zwischen den Beteiligten entstehenden rechtlichen Beziehungen mittlerweile gewandelt. Die Existenz separater Führungsverträge sei inzwischen anerkannt; sofern eine "Führungsprovision" vereinbart sei, werde dies als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter gemäß § 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB qualifiziert. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich, wenn auch nicht in eindeutiger Abkehr von der RFH-Rechtsprechung, mit Urteil vom 12. November 1964 V 173/62 U (BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129) dieser Betrachtungsweise angeschlossen.

6

Die aufgrund der Führungsklausel erbrachten Leistungen der Klägerin an die Mitversicherer könnten auch nicht als unselbständige Nebenleistungen zu den steuerbefreiten Versicherungsleistungen der Mitversicherer an den Versicherungsnehmer angesehen werden. In diese Leistungsbeziehung sei die Klägerin nicht eingebunden; Nebenleistungen Dritter gebe es nicht.

7

Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG komme nicht in Betracht, da die Klägerin anderen Personen nur insoweit Versicherungsschutz verschafft habe, als sie selbst (Teil-)Versicherungsschutz schulde. Die nach der Führungsvereinbarung geschuldeten Leistungen beträfen dieses Versicherungsverhältnis aber nicht, sondern vielmehr die Abwicklung des Versicherungsschutzes, den die Mitversicherer ihrerseits aufgrund selbständiger Verträge den Versicherungsnehmern verschafft hätten.

8

Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)-- berufen. Die in § 4 Nr. 11 UStG umgesetzte Richtlinienbestimmung sei für die Leistungen der Klägerin nicht einschlägig, da sie nicht zum Kreis der Versicherungsmakler und –vertreter gehöre.

9

Schließlich sei auch die gerügte Doppelbesteuerung mit Umsatz- und Versicherungsteuer nicht gegeben, da in der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und den Mitversicherern Versicherungsteuer nicht anfalle.

10

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1101 veröffentlicht.

11

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das FG leite aus der "versicherungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung" abstrakt-generell ihre Verpflichtung gegenüber den Mitversicherern ab, ohne allerdings entsprechende Feststellungen getroffen zu haben. Neben der von einem jeden Mitversicherer geschuldeten anteiligen Risikotragung werde eine Verwaltungsdienstleistungsverpflichtung eines jeden Mitversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer unterstellt, deren Erfüllung sie als führender Versicherer vermeintlich übernommen habe. Tatsächlich werde die Führungsabrede jedoch im Verhältnis des "Führenden" zum Versicherungsnehmer getroffen. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit dem Handelsbrauch bedurft, das FG sei jedoch seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht nachgekommen, weshalb das Verfahren zur konkreten Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen sei.

12

Zwar würden im Falle einer offenen Mitversicherung aus neuerer deutscher zivilrechtlicher Sicht mehrere unmittelbare Vertragsverhältnisse der Mitversicherer mit dem einen Versicherungsnehmer begründet. Jedoch sei es produkttypisch allein der führende Versicherer, der im Verhältnis zum Versicherungsnehmer sämtliche Verwaltungs- und Abwicklungsaufgaben schulde und erledige, die von den übrigen Mitversicherern gerade nicht geschuldet würden.

13

Allerdings sei auch auf der Basis des von dem FG unterstellten Sachverhalts die Klage begründet. Danach habe sie als "Führende" aufgrund der konkludent getroffenen Absprachen im eigenen Namen für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Damit seien die Voraussetzungen der Leistungskommission erfüllt. Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Januar 2013 C-224/11 --BGZ Leasing-- (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 262, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 270) sei zu entnehmen, dass es nicht auf das zivilrechtliche Konzept der Vertragsbeziehungen ankomme, sondern darauf, ob ein Versicherungsumsatz im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliege.

14

Zumindest habe eine Vorlage an den EuGH unter dem Aspekt der Leistungskommission und dem Stichwort der Mitversicherung zu erfolgen, um Divergenzen mit anderen nationalen Gerichtsentscheidungen zu vermeiden und um das weltweit für die Versicherungswirtschaft wichtige Vertragskonzept der offenen Mitversicherung in der umsatzsteuerrechtlichen Dimension auf eine in der Europäischen Union einheitliche tragfähige Basis zu stellen.

15

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH seien die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (z.B. EuGH-Urteile vom 8. März 2001 C-240/99 --Skandia--, Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23; vom 3. März 2005 C-472/03 --Arthur Andersen--, Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 25). Zwar erfasse die Befreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zunächst nur die Versicherungsumsätze im eigentlichen Sinne; das Wesen eines Versicherungsumsatzes sei, dass der Versicherer sich verpflichte, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteil --Arthur Andersen-- in Slg. 2005, I-1719, UR 2005, 201, Rz 34). Neben der das Wesen eines Versicherungsverhältnisses kennzeichnenden wechselseitigen Pflicht zur Zahlung der Prämie einerseits und zur Übernahme des Risikos samt Leistungspflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls andererseits bildeten jedoch die Dokumentation, die Verwaltung, das Beitragsinkasso und die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses einen integralen Bestandteil der vom Versicherer dem Versicherungsnehmer insgesamt geschuldeten Gesamtleistung von "Versicherungsschutz", für die der Versicherungsnehmer als Gegenleistung das Versicherungsentgelt erbringe. Dieser Prämienumsatz unterliege --wie im Streitfall die an die Klägerin gezahlten Versicherungsentgelte ("Gesamtprämien")-- der Versicherungsteuer und sei deswegen, um dessen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer zu vermeiden, ausdrücklich von der Umsatzsteuer befreit; eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten finde nach den Feststellungen des FG nicht statt.

16

Jedenfalls sei die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zu korrigieren. Hierbei sei zum Ersten der Anteil der dem Führenden wegen der Vertragsvermittlung zustehenden Prämie zu bewerten, zum Zweiten die Mehrarbeit und das dafür aufgewandte Entgelt zu ermitteln, zum Dritten in jedem Fall der Teil der angeblich umsatzsteuerrelevanten Vorabprämie ("Führungsprovision") im Verhältnis Mitversicherer zu Führendem um den eigenen (quotalen) Verwaltungsanteil des Führenden gegenüber dem Versicherungsnehmer zu reduzieren.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom 8. Mai 2003 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 die Umsatzsteuer für 1994 auf ... DM (./. ... €) festzusetzen,
hilfsweise die Sache dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen,
äußerst hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

18

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin in Erledigung der sog. Führungsaufgaben ausgeführten Umsätze steuerbar und steuerpflichtig sind.

20

1. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.; vom 30. Juni 2010 XI R 22/08, BFHE 231, 248, BStBl II 2010, 1084, Rz 11 f.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 52).

21

a) Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. April 2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782, unter II.1.; vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397). Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 BGB den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann (BFH-Urteil vom 16. Januar 2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732).

22

b) Wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, und vom 10. November 2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867, jeweils m.w.N.). Dasselbe gilt auch bei der Bestimmung des Leistungsempfängers (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876; vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004).

23

2. Im Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung sog. Führungsleistungen bei einer "offenen Mitversicherung".

24

a) Unter "Mitversicherung" wird die Versicherung ein und desselben Interesses gegen dieselbe Gefahr durch mehrere Versicherer verstanden (Schnepp in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz --VVG--, 9. Aufl., § 77 Rz 18 ff.; Halbach in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 1. Aufl., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 77 Rz 2).

25

aa) Bei der sog. verdeckten (internen, stillen) Mitversicherung schließt der Versicherungsnehmer --anders als im Streitfall-- nur mit einem Versicherer einen Versicherungsvertrag. Der Versicherer wiederum schließt weitere Verträge mit anderen Versicherern, wobei Prämien und Risiko aufgeteilt werden. Rechtlich liegt eine Rückversicherung vor, wobei im Gegensatz zur einfachen Rückversicherung bei der verdeckten Mitversicherung eine mehrfache Rückversicherung besteht (Hofmann, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., § 5 Rz 24 f.; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 1; Langheid in Römer/ Langheid, a.a.O., § 77 Rz 6).

26

bb) Bei der sog. offenen Mitversicherung tritt gegenüber dem Versicherungsnehmer eine Mehrzahl von Versicherern auf, um sich an der Deckung desselben Risikos zu beteiligen. Nach ganz herrschender Meinung handelt es sich hierbei nicht um einen einheitlichen Versicherungsvertrag, sondern um eine Mehrzahl rechtlich selbständiger Verträge zwischen dem Versicherungsnehmer und dem jeweiligen Mitversicherer (vgl. z.B. Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts --OLG-- Hamburg vom 19. Februar 2008  6 U 119/07, Versicherungsrecht 2008, 1249, Rz 24; Urteil des OLG Celle vom 19. November 2009  8 U 238/08, Recht und Schaden 2010, 424, Rz 621; Franz, Betriebs-Berater 2011, 2141; Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 21; Halbach in Langheid/ Wandt, a.a.O., § 77 Rz 7; Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 4; Langheid in Römer/Langheid, a.a.O., § 77 Rz 7; Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, Diss., Berlin 2006, S. 69; nunmehr auch entgegen der Vorauflage Schnepp in Bruck/Möller, a.a.O., § 77 Rz 22). Danach ist jeder Mitversicherer Träger einer eigenen Versicherung mit eigener Einzelversicherungssumme, eigener Leistungsverpflichtung, eigenem Prämienanspruch und eigenen Versicherungsbedingungen (Schaloske, a.a.O., S. 83).

27

b) Zur Vereinfachung der Vertragsdurchführung bestimmen die an der Mitversicherung beteiligten Versicherer meist einen führenden Versicherer (vgl. z.B. Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12). Führungsverträge werden jedoch in aller Regel nicht ausdrücklich geschlossen. In Betracht kommen daher stillschweigende Vereinbarungen und die Geltung von Handelsbräuchen (Schaloske, a.a.O., S. 233).

28

Während der Zusammenschluss der Mitversicherer zu einer offenen Mitversicherung nach überwiegender Ansicht als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts qualifiziert wird (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 7; Schaloske, a.a.O., S. 230), ist die Führungsvereinbarung als ein von dem gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss zu trennendes Rechtsverhältnis zwischen dem Führenden und den beteiligten Mitversicherern anzusehen. Denn der Führende vertritt im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer, da --wie oben dargelegt-- Vertragspartner des Versicherungsnehmers jeweils der einzelne Mitversicherer ist, nicht die (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern vielmehr den einzelnen Mitversicherer hinsichtlich des von diesem übernommenen Anteils am Gesamtrisiko; die Führungsvereinbarung bildet das Grundverhältnis der dem Führenden von den Mitversicherern insoweit erteilten Vollmachten (Schaloske, a.a.O., S. 231).

29

c) Wird für die Wahrnehmung der Interessen der Mitversicherer eine Führungsprovision vereinbart, liegt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), sonst ein Auftrag (§ 662 BGB) vor (vgl. Hofmann, a.a.O., § 5 Rz 22; Halbach in Langheid/Wandt, a.a.O., § 77 Rz 12 f.; Armbrüster in Prölss/ Martin, a.a.O., Vorbemerkung zu § 77 Rz 9, 16; Schaloske, a.a.O., S. 233 ff.).

30

3. Nach den Feststellungen des FG gewährte eine Mehrzahl von Versicherern --darunter die Klägerin-- dem jeweiligen Versicherungsnehmer durch Aufnahme einer entsprechenden Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag anteilig nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz. Die Klägerin übernahm die streitbefangenen sog. Führungsgeschäfte und erledigte hierbei die bei Begründung und Abwicklung der Mitversicherungsverträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und Ähnliches, wofür sie die sog. Führungsprovision bzw. laut Klägerin eine "Vorabprämie", d.h. einen bevorzugten Anteil von 1 bis 3 % aus dem Versicherungsentgelt erhielt.

31

Das FG hat ferner festgestellt, dass die Klägerin die Führungsgeschäfte "in Folge der Führungsklausel erbracht" hat. Dabei handelt es sich dem Inhalt nach um eine Tatsachenfeststellung, auch wenn diese Passage sich in den Entscheidungsgründen findet (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 48/96, BFH/NV 2002, 153; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37, 39; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64, 81; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 135, 140, 215).

32

Danach war die Übernahme der Führungsgeschäfte durch die Klägerin es den Mitversicherern wert, sich mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie zu begnügen und nicht einen Anteil an der Gesamtprämie zu beanspruchen, der dem übernommenen Anteil am Gesamtrisiko entsprochen hätte.

33

4. Auf der Grundlage dieser Feststellungen --bei denen es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um "Unterstellungen" handelt-- und vor dem unter II.2. dargelegten Hintergrund ist die Entscheidung des FG, dass die Klägerin in Erledigung des sog. Führungsgeschäfts gegenüber den Mitversicherern im Rahmen ihres Unternehmens jeweils eine steuerpflichtige sonstige Leistung gegen Entgelt ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß des FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht vor.

34

a) Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, gehört grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535; vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 195 f.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24). Verstößt die Sachverhaltswürdigung des FG nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den BFH selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902; vom 20. November 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422).

35

Dagegen ist die rechtliche Einordnung des (nach Maßgabe des FG) von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen für das Revisionsgericht nicht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, sondern in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 19. Februar 2004 V R 10/03, BFHE 205, 495, BStBl II 2004, 675; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 197; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 24).

36

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, dass die Klägerin mit der Erledigung der sog. Führungsaufgaben für die Mitversicherer eine Geschäftsbesorgung übernommen und hierfür als Entgelt eine Führungsprovision erhalten hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

37

Wenn die Klägerin hingegen meint, sie schulde die Erledigung von Verwaltungsaufgaben nicht aufgrund einer entsprechenden Führungsklausel den Mitversicherern, sondern aufgrund des Mitversicherungsvertrags originär dem Versicherungsnehmer, setzt sie lediglich ihre Würdigung an die Stelle der vertretbaren Würdigung des FG.

38

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Würdigung des FG auf einer tragfähigen Grundlage. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) liegt nicht vor; das Verfahren ist nicht "zur konkreten Sachverhaltsaufklärung" an das FG zurückzuverweisen.

39

Nach dem Vorbringen der Klägerin ist im Streitfall weder im Verhältnis des Führenden zum Versicherungsnehmer noch im Verhältnis zu Mitversicherern ein schriftlicher Vertrag mit einer ausdrücklichen "Führungsklausel" geschlossen worden. Davon ist auch das FG ausgegangen. Eine Zurückverweisung mit dem Ziel der Feststellung des Inhalts vertraglich vereinbarter Führungsklauseln scheidet danach aus.

40

Auch soweit die Klägerin geltend macht, wegen des Fehlens schriftlicher vertraglicher Vereinbarungen obliege es dem FG, sich mit dem Handelsbrauch, also dem üblichen Inhalt von Führungsklauseln, auseinanderzusetzen --was bisher unterblieben sei--, rechtfertigt dies keine Zurückverweisung der Sache. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, im Streitjahr 1994 habe es einen (eindeutigen) Handelsbrauch gegeben, der den Feststellungen und der tatsächlichen Würdigung des FG widerspreche.

41

bb) Die rechtliche Würdigung des FG, die Klägerin sei gegenüber den Mitversicherern im Rahmen einer Geschäftsbesorgung mit Dienstleistungscharakter (§ 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB) tätig geworden und habe hierbei sonstige Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG) erbracht, ist frei von Rechtsfehlern. Sie entspricht der unter II.2. dargelegten zivilrechtlichen Rechtslage.

42

cc) Aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-77/01 --EDM-- (Slg. 2004, I-4295, UR 2004, 292, HFR 2004, 812, Rz 91) ergibt sich nichts anderes. Denn die Klägerin ist über die Verwaltung des bloß von ihr übernommenen Risikos hinaus tätig geworden. Gerade hierfür erhielt die Klägerin die streitbefangene Führungsprovision oder Vorabprämie.

43

dd) Soweit dem RFH-Urteil in RFHE 30, 62, RStBl 1932, 380 auch nach Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 81, 361, BStBl III 1965, 129 überhaupt noch Bedeutung zukommen sollte, steht die Sichtweise des RFH, die Führungsprovision stelle "nur einen Ausgleich für die Mehrbelastung, die der führenden Gesellschaft bei dem Versicherungsgeschäft zufällt," dar, nicht der Annahme entgegen, dass die Klägerin in Erledigung der Führungsgeschäfte gegenüber den Mitversicherern jeweils eine sonstige Leistung erbracht hat.

44

ee) Diese rechtliche Einordnung der Führungsleistungen bzw. der Führungsklausel kann bereits deshalb nicht gegen einen --so die Klägerin-- "gemeinschaftsrechtlich einheitlich verstandenen Begriff der Mitversicherung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 78/473/EWG" verstoßen, da diese Richtlinie in Art. 2 Abs. 2 gerade vorsieht, dass (andere) "Mitversicherungsgeschäfte, welche die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen..., weiterhin dem bei Inkrafttreten der Richtlinie geltenden einzelstaatlichen Recht" unterliegen. Des von der Klägerin insoweit beantragten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es danach nicht (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage: EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

45

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auf der Basis des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht aufgrund einer konkludent getroffenen Absprache im eigenen Namen und für Rechnung der Mitversicherer gehandelt. Auf den Streitfall finden die Rechtsgrundsätze der Leistungskommission (vgl. § 3 Abs. 11 UStG n.F., Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) keine Anwendung.

46

Die Leistungskommission setzt voraus, dass der Unternehmer im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt. Vorliegend jedoch ist die Klägerin hinsichtlich der Verwaltung des mitversicherten Risikos nach außen hin stets im Namen Dritter, d.h. im Namen des jeweiligen Mitversicherers, aufgetreten. Selbst wenn aber die Annahme der Klägerin zuträfe, sie habe als "Führende" die Verwaltung der Mitversicherungen dem Versicherungsnehmer originär geschuldet, so hätte sie diesbezüglich gegenüber dem Versicherungsnehmer auf eigene Rechnung gehandelt.

47

Auch insoweit kommt die von der Klägerin angeregte EuGH-Vorlage nicht in Betracht.

48

5. Die streitbefangene Führungsleistung unterfällt keiner Steuerbefreiung.

49

a) Nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG sind die Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG steuerfrei; das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt. Steuerfrei sind ferner nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, sowie nach § 4 Nr. 11 UStG die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Diese Befreiungsvorschriften dienen der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL-- (z.B. Vorlagebeschluss des BFH vom 16. April 2008 XI R 54/06, BFHE 221, 464, BStBl II 2008, 772, unter C.; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 10 UStG Rz 8, anders § 4 Nr. 11 UStG Rz 3). Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden".

50

b) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. z.B. EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 32; vom 20. November 2003 C-8/01 --Taksatorringen--, Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 36).

51

c) Diese Steuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96 --CPP--, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 15; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 23).

52

d) Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG definiert den Begriff "Versicherungsumsätze" nicht. Gleichwohl bedarf es keiner --von der Klägerin insoweit hilfsweise beantragten-- Vorlage an den EuGH. Denn daran, dass die streitigen Leistungen keine "Versicherungsumsätze" i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sind, hat der Senat keinen ein Vorabentscheidungsersuchen rechtfertigenden "vernünftigen Zweifel".

53

aa) Zum Begriff "Versicherungsumsätze" hat der EuGH bereits ausgeführt, dass es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes ist, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 17; --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 38 ff.).

54

Zwar hat der EuGH dargelegt, dass der Ausdruck "Versicherungsumsätze" nicht nur die von den Versicherern selbst getätigten Umsätze erfasst, sondern grundsätzlich weit genug ist, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht selbst der Versicherer ist, der aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt (EuGH-Urteile --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 22; --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 38). Entsprechend der in der Rechtssache --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 39 angeführten Definition des Versicherungsumsatzes hat der EuGH indessen in der Rechtssache --Skandia-- festgestellt, dass die Identität des Dienstleistungsempfängers für die Bestimmung der von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG erfassten Art von Dienstleistungen von Bedeutung ist und dass ein Versicherungsumsatz seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraussetzt (EuGH-Urteile --Skandia-- in Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage 2001, 130, Rz 41; vom 22. Oktober 2009 C-242/08 --Swiss Re Germany Holding--, Slg. 2009, I-10099, BFH/NV 2009, 2108, UR 2009, 891, Rz 36).

55

bb) Danach handelt es sich bei den hier streitigen Leistungen der Klägerin gegenüber den Mitversicherern als Leistungsempfängern weder um Versicherungsumsätze i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG noch gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG um Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG.

56

Die --so die Klägerin-- Gefahr eines Wertungswiderspruches in der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von offener Mitversicherung zu verdeckter Mitversicherung und Rückversicherung --sollten sie trotz der dargestellten Unterschiede (s.o. unter II.2.a) bestehen-- könnte eine andere Beurteilung im Streitfall nicht rechtfertigen.

57

cc) Auch hierzu besteht angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH kein Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen. Die Klägerin hat insoweit auch nicht belegt, dass in den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die "Führungsprovision" in der Mitversicherung regelmäßig als Teil des gemeinschaftsweit von der Umsatzsteuer befreiten "Versicherungsumsatzes" angesehen wird.

58

Soweit die Klägerin diesbezüglich auf die Entscheidungen des Conseil d'État vom 18. Juni 1997 N° 133230 und des Finanzgerichts der Provinz Mailand vom 19. Oktober 2009 N° 3628/09 verweist, ist weder ersichtlich, dass diese Entscheidungen auf einer abweichenden Auslegung hier einschlägiger Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG beruhen, noch angesichts der in den Entscheidungen enthaltenen Tatbestände überhaupt gesichert, ob den angeblichen Divergenzentscheidungen im Wesentlichen entsprechende Sachverhalte zugrunde liegen.

59

Insoweit ebenso wenig aussagekräftig ist der Hinweis der Klägerin auf eine Kommentierung zum österreichischen UStG, wonach die Führungsprovision lediglich einen Vorzugsprämienanteil an der Gesamtprämie darstelle, "der u.E. nach § 6 Z. 9 lit. c UStG 1972 umsatzsteuerfrei behandelt werden kann". Dasselbe gilt für die von der Klägerin vorgelegten Papiere des Comité Européen des Assurances aus den Jahren 2006 und 2008.

60

dd) Die Führungsleistung ist ferner entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Hauptleistung der Klägerin, die darin besteht, dem Versicherungsnehmer im Wege der Mitversicherung anteilig selbst Versicherungsschutz zu gewähren, zu behandeln.

61

Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. März 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.--, Slg. 2011, I-1457, UR 2011, 272, Rz 54; --CPP-- in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Rz 30; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.b; vom 19. Oktober 2011 XI R 20/09, BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, Rz 27, jeweils m.w.N.).

62

Die streitige Führungsleistung bezieht sich aber gerade nicht auf die von der Klägerin gegenüber dem Versicherungsnehmer erbrachte Hauptleistung, dem Gewähren von (anteiligem) Versicherungsschutz durch sie selbst, sondern ausschließlich auf das von den Mitversicherern übernommene Risiko, indem die Klägerin die Mitversicherer von entsprechenden Verwaltungsaufgaben entbindet. Vor diesem Hintergrund stehen die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Klägerin einerseits sowie deren Wahrnehmen von Verwaltungsaufgaben bezüglich der Gewährung von Versicherungsschutz durch Dritte andererseits nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung in Bezug auf denselben Leistungsempfänger. Mehrere Leistungen können aber unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nach der dargelegten Rechtsprechung nur dann zu einer einheitlichen Leistung "verschmolzen" werden, wenn die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es nicht (vgl. z.B. Lange, UR 2009, 289 ff.; Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 10 Rz 66). Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage der Sache an den EuGH.

63

ee) Die streitbefangenen Führungsleistungen der Klägerin sind auch dann nicht steuerfrei, wenn sie in nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerbefreite Umsätze der Leistungsempfänger, hier der Mitversicherer, eingeflossen sind. Denn maßgeblich ist, ob die streitigen Führungsleistungen selbst als Versicherungsumsätze betrachtet werden können (zu § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374, unter II.3., m.w.N.); dies ist nach vorstehenden Ausführungen zu verneinen.

64

e) Die Klägerin ist in Erledigung der streitbefangenen Führungsaufgaben auch nicht als Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter i.S. des § 4 Nr. 11 UStG und des Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG tätig geworden. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um "dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG.

65

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst dieser Begriff allein die "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen, wobei klargestellt wird, dass der Makler lediglich ein Vermittler ist" (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 44). Der Beruf des Maklers wird dadurch charakterisiert, dass dieser eine Verbindung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer herstellt (EuGH-Urteil --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122, Rz 45).

66

bb) Die streitigen Führungsleistungen sind nicht in diesem Sinne "Dienstleistungen der Berufsausübenden ..., die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen". Die Klägerin ist in Erledigung der Führungsaufgaben als Versicherer und nicht als Versicherungsmakler oder -vertreter tätig geworden. Es ist undenkbar, dass Führungsaufgaben der streitigen Art von Versicherungsmaklern oder -vertretern wahrgenommen werden.

67

Deshalb ist auch unerheblich, dass --wie die Klägerin vorträgt-- Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (Richtlinie 77/92/EWG) für den Versicherungsvertreter ausdrücklich keine Mitarbeit bei dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags voraussetze, es für den EuGH für dessen Entscheidung --Taksatorringen-- in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122 ausschlaggebend gewesen sei, dass der Taksatorring keine Befugnis hatte, den Versicherer rechtlich zu binden, und dies sich im Streitfall gerade anders verhalte.

68

Ebenso folgt der Senat deshalb nicht der Auffassung der Klägerin, die zentrale Tätigkeit des Führenden sei "diejenige, andere, zur Risikoübernahme quotal bereitstehende Versicherer als Mitversicherer zu gewinnen", so dass es zwingend sei, sämtliche Tätigkeiten, die damit in Verbindung stünden --wie hier die zum typischen Tätigkeitsbereich von Versicherungsmaklern oder -vertretern gehörenden Vertragsabwicklungen-- als Nebenleistungen respektive "dazugehörige Dienstleistungen" anzusehen.

69

Soweit die Klägerin auf die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlungen (Richtlinie 2002/92/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2003, L 9/3) Bezug nimmt, die die Richtlinie 77/92/EWG ersetzt hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG der Ausdruck "Versicherungsvermittlung" zwar "das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall" bezeichnet, jedoch nach Art. 2 Nr. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/92/EG "diese Tätigkeiten... nicht als Versicherungsvermittlung [gelten], wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden."

70

cc) Daran, dass mithin die streitigen Leistungen nicht unter den Begriff der "dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG fallen, hat der Senat keine "vernünftigen Zweifel", so dass auch insoweit die von der Klägerin beantragte Vorlage der Sache an den EuGH ausscheidet.

71

Das gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten --aber einen völlig anderen Sachverhalt betreffenden-- Entscheidung des französischen Conseil d'État vom 7. Januar 2000 N° 201021.

72

f) Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG sind --wovon im Übrigen auch die Klägerin ausgeht-- ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht anderen Personen Versicherungsschutz verschafft, da sie keinen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abgeschlossen hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 67/01, BFHE 200, 126, BStBl II 2003, 378).

73

g) Die von der Klägerin gerügte Doppelbelastung mit Versicherungsteuer und Umsatzsteuer liegt nicht vor. Das Gewähren von Versicherungsschutz durch die Mitversicherer einerseits und die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung dieser Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben durch die Klägerin andererseits sind keine deckungsgleichen Rechtsvorgänge, die sowohl der Versicherungsteuer als auch der Umsatzsteuer unterliegen.

74

6. Schließlich ist entgegen der Ansicht der Klägerin die im Streitfall angesetzte Bemessungsgrundlage nicht zu beanstanden.

75

a) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG) und nicht, wie die Klägerin offensichtlich meint, nach ihrer "Mehrarbeit"; Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).

76

b) Die Gegenleistung besteht im Streitfall darin, dass sich der jeweilige Mitversicherer zugunsten der Klägerin mit einer um die Führungsprovision geminderten Prämie begnügte. Denn das FG hat festgestellt, dass die Klägerin als führende Gesellschaft "von der Gesamtprämie ... für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäftes einen bevorzugten Anteil in Höhe von ein bis drei Prozent der Gesamtprämie" erhalten hat. Dass in der streitbefangenen Führungsprovision --wie die Klägerin offenkundig meint-- Entgeltanteile für die Vermittlung des Abschlusses von Mitversicherungen sowie für die Verwaltung des von der Klägerin selbst übernommenen Risikos enthalten seien, widerspricht den --nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen-- Feststellungen des FG.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu Recht eine Entnahme des Miteigentumsanteils des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) besteuert und eine Kürzung der Vorsteuern aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils vorgenommen hat.

2

Der Kläger betrieb eine Gastwirtschaft und unterhielt daneben einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Umsätze er nach Durchschnittssätzen versteuerte (§ 24 des Umsatzsteuergesetzes 2005 in der im Streitjahr geltenden Fassung --UStG--). 2004 erwarb er zusammen mit K einen Mähdrescher. Sein Anteil betrug 20 %, der des K 80 %. Er ordnete seinen Miteigentumsanteil zwar seinem Unternehmensvermögen zu, er nahm jedoch wegen der Besteuerung nach Durchschnittssätzen keinen gesonderten Vorsteuerabzug in Anspruch (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Zum 1. Januar 2006 verzichtete der Kläger auf die Besteuerung nach Durchschnittssätzen und unterwarf seine Umsätze fortan der Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG).

3

Am 7. Dezember 2008 erwarb der Kläger den Miteigentumsanteil des K und machte die von K gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von 10.450,33 € (10,7 % des Netto-Verkaufspreises von 97.666,67 €) als Vorsteuer geltend. Zudem korrigierte er den im Erwerbsjahr 2004 unterbliebenen Vorsteuerabzug nach § 15a UStG und nahm Vorsteuern in Höhe von 915,84 € in Anspruch. Er veräußerte den Mähdrescher am 12. Dezember 2008 steuerfrei an eine Abnehmerin in Österreich.

4

Nachdem die Umsatzsteuer zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) festgesetzt worden war, erließ das FA im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2008 vom 7. Dezember 2010. Darin erhöhte es die steuerpflichtigen Umsätze wegen einer Entnahme des Miteigentumsanteils von 20 % und kürzte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils von 80 %.

5

Die Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze wegen einer Entnahme des Miteigentumsanteils um 24.000 € (Umsatzsteuer: 4.560 €) begründete das FA damit, dass dem steuerfreien Verkauf des Mähdreschers an die österreichische Abnehmerin eine Lieferung des Mähdreschers der Bruchteilsgemeinschaft an den Kläger vorausgegangen sein müsse; hierfür wiederum sei die vorherige Entnahme des jeweiligen Anteils aus dem Unternehmensvermögen der beiden Landwirte und eine Rückgabe an die Bruchteilsgemeinschaft zwingend erforderlich gewesen. Dies führe beim Kläger zur Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Die Kürzung der Vorsteuern beruhe darauf, dass der Kläger den Miteigentumsanteil von 80 % von der nichtunternehmerisch tätigen Gemeinschaft erworben habe.

6

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2011) erhobene Klage hatte Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 893 veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts (FG) hat das FA zu Unrecht eine Entnahmebesteuerung vorgenommen und den Vorsteuerabzug versagt:

7

Zur Verschaffung der Verfügungsmacht an den österreichischen Abnehmer sei weder eine Entnahme des Miteigentumsanteils noch eine anschließende Lieferung des Mähdreschers von der Bruchteilsgemeinschaft an den Kläger erforderlich gewesen, sondern lediglich die Übertragung des 80 %-Anteils von K auf den Kläger. Denn die jeweiligen Anteile am Mähdrescher seien bei der Anschaffung bereits unmittelbar an den Kläger und an K geliefert worden. Bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung durch mehrere Personen komme es darauf an, ob die Personenmehrheit als solche eine (umsatzsteuerrechtliche) eigenständige Rechtsperson oder ob sie lediglich gemeinschaftlich verbunden sei. Im letzteren Fall sei --wie vorliegend-- grundsätzlich jeder Gemeinschafter mit dem für ihn vereinbarten Anteil Leistungsempfänger. Diese Grundsätze entsprächen den unionsrechtlichen Kriterien, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Bestimmung des Leistungsempfängers bei Bestellung eines Investitionsguts durch eine Ehegattengemeinschaft aufgestellt habe.

8

Entgegen der im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 1. Dezember 2006 (BStBl I 2007, 90) vertretenen Verwaltungsauffassung seien der Kläger und K durch den gemeinsam angeschafften Mähdrescher nicht als Gemeinschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit unternehmerisch tätig geworden. Da jeder Gemeinschafter ein originäres Nutzungsrecht habe, bedürfe es keines Leistungsaustausches mit der Gemeinschaft. In derartigen Fällen erbringe die Gemeinschaft nicht einmal eine Leistung, weil die Leistung unmittelbar vom Lieferer des Gemeinschaftsobjekts an den Gemeinschafter erfolge.

9

Der Kläger sei auch berechtigt gewesen, die in der Rechnung des K offen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen. Die Beteiligten seien als Landwirte Unternehmer und der Kläger habe den Anteil am Mähdrescher auch für seinen landwirtschaftlichen Betrieb bezogen. Der Veräußerer K habe die sich aufgrund der Durchschnittssätze ergebende Umsatzsteuer in Höhe von 10,7 % zu Recht offen ausgewiesen, da die Besteuerung nach Durchschnittssätzen eine Rechnungstellung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis nicht ausschließe.

10

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Im Falle des Bezugs einer Leistung durch eine Gemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei diese bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung der beteiligten Personen grundsätzlich als Leistungsempfänger anzusehen. Eine Ausnahme hiervon gelte nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 90 lediglich für Zwecke des Vorsteuerabzugs, da insoweit jeder (unternehmerische) Gemeinschafter als Leistungsempfänger zu behandeln sei. Durch das BMF-Schreiben seien die Urteile des EuGH vom 21. April 2005 C-25/03, HE (Slg. 2005, I-3132, BStBl II 2007, 23) und des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Oktober 2005 V R 40/01 (BFHE 212, 138, BStBl II 2007, 13) umgesetzt worden. Diese Entscheidungen seien dahin zu verstehen, dass es bei gemeinsamer Auftragserteilung durch mehrere Personen für die Annahme einer Leistungsempfängerschaft durch die Gemeinschaft ausreiche, dass --wie im Streitfall-- die Gemeinschaft als solche einem Gemeinschafter einen Gegenstand unentgeltlich überlasse. Dann würden von der Gemeinschaft Leistungen erbracht und die Gemeinschaft selbst trete als wirtschaftlich und umsatzsteuerrechtlich relevantes Gebilde auf, ohne selbst Unternehmer i.S. des § 2 UStG zu sein. Umsatzsteuerrechtlich sei in solchen Fällen von einer einheitlichen Leistung an die Bruchteilsgemeinschaft auszugehen.

11

Es führe zu Rechtsunsicherheit, wenn in bestimmten Ausnahmefällen nicht die Gemeinschaft, sondern die Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen seien, da der Leistende oft nicht wissen könne, ob der Leistungsempfänger (die Gemeinschaft) Unternehmer sei oder nicht und sodann auf zweiter Stufe prüfen müsse, ob bzw. wer von den Teilhabern unternehmerisch tätig sei und die Leistung für sein Unternehmen beziehe. Dies gelte etwa bei der Frage der Optionsmöglichkeit nach § 9 UStG.

12

Das FA beantragt,
das Urteil des FG München vom 24. Januar 2013  14 K 2068/11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Der Kläger beantragt,
die Revision des FA zurückzuweisen.

14

Eine unentgeltliche Wertabgabe aus dem Unternehmensvermögen des Klägers habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden, da weder dessen (ursprünglicher) 20 %-Anteil noch --nach Erwerb des 80 %-Anteils des K durch den Kläger-- der gesamte Mähdrescher den unternehmerischen Bereich des Klägers verlassen habe. Der Abgang aus dem unternehmerischen Bereich sei erst im Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Lieferung erfolgt.

15

Nach dem BFH-Urteil in BFHE 212, 138, BStBl II 2007, 13 sei geklärt, dass Leistungsempfänger bei der ursprünglichen Lieferung des Mähdreschers im Kalenderjahr 2004 die Gemeinschafter der Bruchteilsgemeinschaft waren, da für umsatzsteuerrechtliche Zwecke durch die Gemeinschaft "hindurchgegriffen" werde. Dadurch sei den beiden Gemeinschaftern auch die umsatzsteuerrechtliche Verfügungsmacht an ihrem jeweiligen Anteil an der landwirtschaftlichen Maschine verschafft worden. Mit dem Erwerb des 80 %-Anteils von K sei das Eigentum am Mähdrescher in der Hand des Klägers vereinigt worden. Im Anschluss daran habe er den Mähdrescher an einen Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet (Österreich) liefern können.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

17

Das FG hat zutreffend entschieden, dass eine umsatzsteuerpflichtige Entnahme des Anteils am Mähdrescher nicht vorliegt und der Kläger berechtigt ist, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus dem Erwerb des Miteigentumsanteils als Vorsteuer abzuziehen.

18

1. Die Voraussetzungen einer umsatzsteuerpflichtigen Entnahme des Miteigentumsanteils am Mähdrescher liegen nicht vor.

19

Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Einer Lieferung gegen Entgelt wird u.a. gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG). Weiter erforderlich ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).

20

Die nationale Regelung beruht auf Art. 16 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG --MwStSystRL-- (vor dem 1. Januar 2007: Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--). Danach ist einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für Unternehmenszwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

21

a) Als Landwirt ist der Kläger Unternehmer (§ 2 UStG), der nach den Feststellungen des FG seinen Anteil am Mähdrescher auch seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hatte.

22

b) Die Entnahme eines Gegenstands aus dem Unternehmen i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG liegt nur dann vor, wenn der Vorgang bei entsprechender Ausführung an einen Dritten als Lieferung bzw. Werklieferung anzusehen wäre (BFH-Urteil vom 18. Januar 2012 XI R 13/10, BFH/NV 2012, 1012, Rz 22). Ob es sich beim Miteigentumsanteil des Klägers um einen entnahmefähigen Gegenstand i.S. von § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG handelt, ist umstritten: Während die bisherige Rechtsprechung (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27. April 1994 XI R 91-92/92, BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826, unter II.1., Rz 15, m.w.N.), die Verwaltung (Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--) sowie Teile des Schrifttums (Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 94 Rz 161; Husmann in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Rz E 77) von einer sonstigen Leistung ausgehen, vertritt eine Gegenansicht im Schrifttum die Auffassung, dass auch ein Miteigentumsanteil an einer Sache "Gegenstand" einer Lieferung sein könne (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, § 3 Rz 312; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rz 1455; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 6a Rz 138; Martin in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz 48; Leipold, in Sölch/ Ringleb, § 4 Nr. 28 Rz 3; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Auflage, S. 160; Stadie, UStG, 2. Auflage, Köln 2012, § 3 Rz 7; Urteil des FG Niedersachsen vom 13. Dezember 2012  16 K 305/12, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2014, 163).

23

c) Der Senat kann diese Streitfrage vorliegend jedoch offen lassen, denn der Kläger hat seinen Miteigentumsanteil am Mähdrescher jedenfalls nicht aus seinem Unternehmensvermögen für außerunternehmerische Zwecke entnommen.

24

Zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung hinsichtlich des Mähdreschers bedurfte es --entgegen der Ansicht des FA-- keiner vorherigen Entnahme der Miteigentumsanteile aus dem Unternehmensvermögen und anschließender Lieferung des Mähdreschers von der Bruchteilsgemeinschaft an den Kläger, sondern lediglich der Übertragung des Anteils von K (80 %) auf den Kläger. Denn beim Erwerb des Mähdreschers durch den Kläger und K sind diese jeweils als Leistungsempfänger anzusehen, sodass ihnen bei der Anschaffung die Miteigentumsanteile direkt zuzurechnen sind.

25

aa) Leistungsempfänger ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet wird (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 28. August 2013 XI R 4/11, BFHE 243, 41, BStBl II 2014, 282, Rz 34, m.w.N., sowie Senatsurteile vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b; vom 4. September 2003 V R 9, 10/02, BFHE 203, 389, BStBl II 2004, 627, m.w.N.; vom 1. August 2002 V R 19/00, BFH/NV 2003, 209; in BFHE 212, 138, BStBl II 2007, 13).

26

Im Falle der gemeinschaftlichen Bestellung durch eine Bruchteilsgemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und die selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie ausübt, sind jedoch die Miteigentümer als Leistungsempfänger anzusehen (EuGH-Urteil HE in Slg. 2005, I-3132, BStBl II 2007, 23 Rz 59, sowie BFH-Urteile vom 1. Oktober 1998 V R 31/98, BFHE 187, 78, BStBl II 2008, 497; in BFHE 212, 138, BStBl II 2007, 13, und vom 3. November 2005 V R 53/03, BFH/NV 2006, 841).

27

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich im Streitfall um eine Gemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit und ohne wirtschaftliche Tätigkeit.

28

(1) Durch die gemeinsame Anschaffung eines Mähdreschers haben der Kläger und K keine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, insbesondere keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Wie das FG für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat, ist zwischen den Beteiligten lediglich eine Bruchteilsgemeinschaft entstanden, weil über den Erwerb des Mähdreschers hinaus kein gemeinsamer wirtschaftlicher Zweck i.S. von § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verfolgt wurde. Es lag damit eine "Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft" vor (vgl. Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 741 Rz 1).

29

(2) Die Bruchteils- oder Interessengemeinschaft übte auch keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit aus. Eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL (vor 1. Januar 2007: Art. 2 Nr. 1 und des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG) liegt nur bei entgeltlichen Lieferungen und Dienstleistungen vor (vgl. zuletzt Rz 36 des EuGH-Urteils vom 13. März 2014 C-204/13, Malburg, Deutsches Steuerrecht 2014, 592; EuGH-Urteile vom 1. April 1982 C-89/81, Hong-Kong Trade Development Council, Slg. 1982, I-1277; vom 20. Juni 1991 C-60/90, Polysar Investments Netherlands, Slg. 1991, I-3111).

30

Die Gemeinschaft vermietete den Mähdrescher weder an Dritte noch an die beiden Gemeinschafter. Soweit letztere den Mähdrescher für ihre eigene unternehmerische Tätigkeit als Landwirt nutzten, nutzten sie ihn im Rahmen des § 743 Abs. 2 BGB. Danach ist jeder Teilhaber zum Gebrauch des Gemeinschaftseigentums insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Jeder Teilhaber hat somit ein originäres Nutzungsrecht, welches ihm nicht erst im Rahmen eines Leistungsaustausches von der Gemeinschaft überlassen wird.

31

(3) Mit dieser Rechtsprechung nicht vereinbar ist die Annahme einer auf Zwecke des Vorsteuerabzugs beschränkten Stellung als Leistungsempfänger. Soweit die Finanzverwaltung nach Abschn. 15.2 Abs. 16 Sätze 6 und 7 UStAE (zuvor BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 90) das EuGH-Urteil HE in Slg. 2005, I-3132, BStBl II 2007, 23 und das BFH-Urteil in BFHE 212, 138, BStBl II 2007, 13 dahingehend versteht, dass es bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung durch mehrere Personen für die Annahme einer Leistungsempfängerschaft durch die Gemeinschaft bereits ausreiche, wenn die Gemeinschaft einem Gemeinschafter den Gegenstand oder Teile des Gegenstands unentgeltlich überlässt, folgt der Senat dieser Auffassung mangels rechtlicher Grundlage nicht. Eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung des Mähdreschers an einen Gemeinschafter begründet weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft.

32

cc) Demnach sind die beiden Gemeinschafter als Leistungsempfänger des jeweiligen Miteigentumsanteils anzusehen. Daraus folgt, dass sie ihren Anteil am Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft veräußern können. Nach dem Erwerb des Miteigentumsanteils von K war der Kläger Eigentümer und Verfügungsberechtigter des gesamten Mähdreschers, sodass er seinem Abnehmer --ohne vorherige Entnahme des Miteigentumsanteils-- die Verfügungsmacht am Mähdrescher verschaffen und damit seine Lieferverpflichtung erfüllen konnte.

33

2. Das FG hat auch zu Recht entschieden, dass der Kläger die ihm für die Übertragung des 80 %-Anteils am Mähdrescher von K in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann.

34

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).

35

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor: Der Kläger war als Landwirt unternehmerisch tätig und er erwarb den Anteil am Mähdrescher für sein Unternehmen.

36

Entgegen der Ansicht des FA erfolgte der Erwerb des Anteils nicht von der (nicht unternehmerisch tätigen) Gemeinschaft, sondern von dem Gemeinschafter K (vgl. Ausführungen unter II.1.c bb), der nach den Feststellungen des FG einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt und damit Unternehmer war.

37

Bei der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer von 10.450,33 € handelt es sich auch um eine gesetzlich geschuldete Steuer. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Veräußerung des Mitunternehmeranteils als Hilfsumsatz der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG unterliegt (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1994 V R 24/92, BFH/NV 1995, 928, und vom 10. November 1994 V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218, unter II.B.I.1.) oder ob bei richtlinienkonformer Auslegung von § 24 UStG an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten wäre (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 19/10, BFHE 233, 353, BStBl II 2011, 772, Rz 22). Denn auch eine zu niedrig ausgewiesene Umsatzsteuer ist eine gesetzlich geschuldete Steuer und --sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen-- als Vorsteuer abziehbar (Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz 360; Forgách in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rz 204; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Anm. 53; Bosche in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 140 Rz 53).

38

Dem Vorsteuerabzug des Klägers steht nicht entgegen, dass er im Streitjahr als Landwirt tätig war und insoweit grundsätzlich eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 UStG erfolgt. Dies hat zwar zur Folge, dass --neben der pauschalierten Vorsteuer-- ein weiterer Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG entfällt. Der Kläger hat jedoch zum 1. Januar 2006 wirksam auf die Durchschnittsbesteuerung verzichtet und seine Umsätze der Regelbesteuerung unterworfen (§ 24 Abs. 4 Satz 1 UStG).

39

3. Das FG hat in seinem Urteil somit zu Recht eine Entnahmebesteuerung abgelehnt und den begehrten Vorsteuerabzug gewährt. Es ist damit frei von Rechtsfehlern. Die gegen das Urteil eingelegte Revision war unbegründet und zurückzuweisen.

Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hat.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Umsatzsteuer aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises schuldet.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb von Spirituosen in der Rechtsform einer GmbH. Im Rahmen einer im Januar 2006 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin in den Monaten April, Mai und Juni 2005 der T-GmbH insgesamt drei Rechnungen erteilt hatte. In diesen Rechnungen war Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 74.121,60 € gesondert ausgewiesen. Die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen wurden nicht ausgeführt. Die Rechnungen wiesen keinen Lieferzeitpunkt und keine fortlaufende Rechnungsnummer auf. Die Rechnungsempfängerin verwendete die Rechnungen zum Vorsteuerabzug. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste die gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge unter Hinweis auf § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999/2005 in der Fassung durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2003.

3

Die Klage hatte nach erfolglosem Einspruchsverfahren Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1684 veröffentlichten Urteils aus, die Klägerin sei zu Unrecht für die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 UStG in Anspruch genommen worden. Bei den von der Klägerin begebenen Urkunden habe es sich nicht um Rechnungen i.S. des § 14c UStG gehandelt, weil sie nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Merkmale einer Rechnung enthalten hätten. Es hätten die Angabe des Lieferzeitpunkts (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) sowie eine fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG) gefehlt. Da § 14c UStG keine Definition der Rechnung enthalte, müsse der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG gelten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes folgende Bestimmtheitsgebot verlange vom Gesetzgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Wolle der Gesetzgeber in § 14c Abs. 2 UStG einen vom allgemeinen abweichenden, besonderen Rechnungsbegriff verwenden, um dem mit der Norm verfolgten Zweck der Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen, so habe dies durch eine entsprechende Definition zu geschehen. Für eine am Zweck der Norm orientierte Auslegung des § 14c UStG sei kein Raum.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. § 14c UStG beziehe sich auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 UStG. Danach sei Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet werde. Vorliegend seien die drei Dokumente ausdrücklich als Rechnung bezeichnet worden. Auf die einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG komme es für den Gefährdungstatbestand des § 14c UStG nicht an. Eine Gefährdungslage bestehe bereits, wenn die wesentlichen Merkmale einer Rechnung wie Entgelt und ausgewiesene inländische Umsatzsteuer enthalten seien. § 14c UStG umfasse deshalb jedes Abrechnungspapier, das aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers beim Empfänger rein äußerlich den Eindruck erwecke, es liege eine Rechnung vor, die die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs eröffne. Allein durch die Angabe des Entgelts und des ausgewiesenen Steuerbetrages liege aus der Sicht des Empfängers nach der Aufmachung eine Rechnung vor, die ihn nach seiner Ansicht zum Vorsteuerabzug berechtige.

5

Auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco BV (Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371) zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sei ausreichend, dass "in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument" die Umsatzsteuer eines Mitgliedstaates der EU ausgewiesen werde. Im Streitfall fehlten lediglich die fortlaufende Rechnungsnummer, deren Bedeutung die Rechtsprechung schon relativiert habe, sowie das Leistungsdatum. Die wesentlichen Merkmale einer Rechnung, insbesondere das Entgelt und der Steuerbetrag seien aber angegeben.

6

Die Auffassung des FG erleichtere den Umsatzsteuerbetrug. § 14c Abs. 2 UStG orientiere sich an den Vorgaben des EuGH, da eine Korrektur der "Rechnung" zugelassen werde, wenn die Gefährdungslage beseitigt sei. Die Klägerin habe im Streitjahr die Rechnungen nicht korrigiert. Auch habe der aus den drei Dokumenten in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bislang nicht wieder rückgängig gemacht werden können.

7

Die von der Klägerin geforderte Übereinstimmung zwischen den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG 1999 in der Fassung vor Inkrafttreten des StÄndG 2003 (UStG a.F.) und des § 14 Abs. 3 UStG a.F. habe auch nach altem Recht nicht bestanden. Die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen für den Vorsteuerabzug einerseits und die Haftung für einen unberechtigten Steuerausweis andererseits seien auch begründet, weil sich beide Normen in dem von ihnen verfolgten Zweck unterschieden.

8

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

10

Für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2003 sei es sowohl für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug als auch für den unberechtigten Steuerausweis nach § 14 Abs. 3 UStG a.F. unbeachtlich gewesen, ob tatsächlich alle Angaben des § 14 Abs. 1 UStG a.F. in einer Rechnung enthalten gewesen seien. § 14 Abs. 4 UStG konkretisiere nunmehr den allgemeinen Rechnungsbegriff in einer Art und Weise, wie dies vor Änderung des Gesetzes nicht der Fall gewesen sei.

11

§ 15 UStG sei ebenfalls an die neue Rechtslage angepasst worden, da § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nunmehr eine nach § 14a UStG ausgestellte Rechnung verlange. Daher könne durch eine Rechnung, die diese Anforderungen nicht erfülle, keine Vorsteuergefährdung entstehen.

12

Sie, die Klägerin, sei in ihrem Vertrauen auf die Gesetzesregelung und die Verwaltungsauffassung zu schützen, dass die von ihr begebenen Dokumente bei verständiger Würdigung eines mit dem UStG vertrauten Sachbearbeiters der Finanzverwaltung nicht zu einem Vorsteuerabzug hätten führen können. Dass der Empfänger des Abrechnungspapiers durch betrügerische Handlungen Vorsteuerbeträge erhalten habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den von der Klägerin begebenen Rechnungen um Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Rechnungen die Merkmale des § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG (fortlaufende Rechnungsnummer) und des § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG (Lieferzeitpunkt) nicht enthielten.

14

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Regelung beruht auf Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG in der im Streitjahr geltenden Fassung, wonach im inneren Anwendungsbereich "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist", die Mehrwertsteuer schuldet.

15

a) Zweck der Regelung ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern (zur Vorgängervorschrift § 14 Abs. 3 UStG a.F. vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; vom 24. September 1987 V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; vom 27. Januar 1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; vom 4. Mai 1995 V R 83/93, BFH/NV 1996, 190; vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370; vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2002 V R 20/99, BFH/NV 2002, 1620; zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG in der im Streitjahr geltenden Fassung: EuGH-Urteile Stadeco BV in Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371 Rdnr. 28, m.w.N.; vom 19. September 2000 C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel, Slg. 2000, I-6973 Rdnrn. 57 und 61; vom 6. November 2003 C-78/02 bis C-80/02, Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295 Rdnrn. 50 und 53).

16

b) § 14c Abs. 2 UStG stellt auf den Steuerausweis in einer "Rechnung" ab, ohne den Rechnungsbegriff selbst oder mittels einer Verweisung zu definieren. Den Begriff der Rechnung definiert § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG. Danach ist eine Rechnung jedes Dokument, "... mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird".

17

c) § 14c Abs. 2 UStG setzt darüber hinaus nicht voraus, dass eine Rechnung alle in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Merkmale aufweist (Niedersächsisches FG, Urteil vom 30. Juli 2010  16 K 55/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 23; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 168 UStG Rz 22; Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 14c Rz 6; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz 58 ff.; Stadie, UStG 2009, S. 908 § 14c Rz 2; Frye, UR 2011, 1; Kraeusel/Schmidt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c Rz 13, 16, anders aber in Rz 68; Abschn. 190d Abs. 1 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008, ab 1. November 2010 Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 14c Rz 3; Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG § 14c Rz 9, 10; Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 14c Rz 5; Wagner in Sölch/ Ringleb, UStG § 14c Rz 20, 147; ders. in Deutsches Steuerrecht 2004, 477).

18

aa) Nach der früheren Rechtsprechung verwies § 14 Abs. 3 UStG a.F. zur Konkretisierung des Merkmals "Rechnung" auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG a.F., nicht dagegen auf § 14 Abs. 1 UStG (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197; in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342; in BFH/NV 1996, 190; in BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370, m.w.N.). § 14 Abs. 4 UStG a.F. definierte die Rechnung --wie § 14 Abs. 1 UStG-- als jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Anknüpfung entspricht dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1973, Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern (vgl. Senatsentscheidungen vom 9. September 1993 V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl II 1994, 131, und vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250).

19

Soweit der Senat zur alten Rechtslage hiervon abweichend entschieden hat, dass § 14 Abs. 3 UStG a.F. nur eingreift, wenn die Urkunde nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet ist (BFH-Urteil in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342) und alle insoweit erforderlichen Angaben enthält (zuletzt BFH-Urteile vom 30. Januar 2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498; vom 18. Januar 2001 V R 83/97, BFHE 194, 483), hält der Senat hieran für § 14c Abs. 2 UStG nicht fest (Änderung der Rechtsprechung).

20

bb) Gegen die Auffassung, nur eine Rechnung, die --gegebenenfalls auch unzutreffend-- alle Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalte, erfülle die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 UStG, spricht der Vergleich zwischen § 14c UStG und § 15 Abs. 1 UStG, insbesondere die Gegenüberstellung der mit diesen Vorschriften verfolgten Zwecke. Daraus ergibt sich, dass die Gefährdungstatbestände des § 14c UStG und das Recht auf Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 UStG hinsichtlich der Anforderungen an die in Bezug genommene Rechnung unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen unterliegen und beide Vorschriften unterschiedliche Ziele verfolgen.

21

aaa) § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG verlangt für den Vorsteuerabzug, dass der Unternehmer "eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung" besitzt. Damit setzt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug den Besitz einer gleichsam qualifizierten Rechnung voraus, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in § 14 Abs. 1 UStG hinaus die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Angaben enthält. Diese für den Vorsteuerabzug erforderlichen Pflichtangaben in einer Rechnung dienen dazu, das Gleichgewicht von Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger und Umsatzsteuer beim Leistenden zu gewährleisten. Der Finanzverwaltung wird dadurch nicht nur ermöglicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu überprüfen und damit einen unberechtigten Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger zu vermeiden, sondern vor allem auch eine mit dem Vorsteuerabzug korrespondierende Besteuerung beim leistenden Unternehmer sicherzustellen.

22

bbb) Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 UStG verweist § 14c UStG nicht auf §§ 14, 14a UStG. Wenn der Gesetzgeber aber im Rahmen des § 14c UStG denselben Rechnungsbegriff hätte verwenden wollen wie in § 15 Abs. 1 UStG, hätte es nahegelegen, in beiden Vorschriften, die zeitgleich mit Wirkung ab 1. Januar 2004 durch dasselbe Gesetz, das StÄndG 2003, neu gefasst bzw. in das UStG aufgenommen wurden, auch dieselbe Verweisung zu verwenden (zu Recht Frye, UR 2011, 1, 3).

23

ccc) Darüber hinaus dient § 14c UStG auch einem anderen Zweck als § 15 Abs. 1 UStG. Diese andere Zielsetzung gebietet die Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs des § 14 Abs. 1 UStG ohne die Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG. Der Normzweck des § 14c UStG besteht daher darin, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BRDrucks 630/03 vom 5. September 2003, zu Art. 4 zu Nr. 17 --§ 14c neu--; vgl. auch Niedersächsisches FG in UR 2011, 23). § 14c UStG ist deshalb als Gefährdungstatbestand in das Gesetz aufgenommen worden, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, weil § 14c Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG im Rahmen der Berichtigungsmöglichkeit die Beseitigung der "Gefährdung des Steueraufkommens" voraussetzt.

24

ddd) Gegenstand der Regelung ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten (ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz 58). Eine Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die Verwaltung nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen aller geltend gemachten Vorsteuerbeträge vollumfänglich auch hinsichtlich aller einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG vor der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen.

25

§ 14c UStG könnte den mit der Norm verfolgten Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das Steueraufkommen zu sichern, nicht erfüllen, wenn sich Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des § 14 Abs. 4 UStG ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten (zutreffend Frye, UR 2011, 1, 7). Auch ist, nicht zuletzt wegen der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers erkennbar, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die als Abrechnungen über angebliche umsatzsteuerpflichtige Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen unberechtigten Vorsteuerbetrug erst ermöglichen. Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es deshalb aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist.

26

eee) Diesem Ergebnis steht das Unionsrecht nicht entgegen. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG schuldet die Mehrwertsteuer "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist".

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. Januar 2014  5 K 160/13 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob in einer Rechnung des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) vom 24. Juni 2009 ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 43.238,46 € nach § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geschuldet wird.

2

Nach Verbüßung einer Haftstrafe war der Kläger ab September 2008 im Schrotthandelsgewerbe als sogenannter "Schreiber" tätig. Er hatte Verbindungen u.a. zu einer Firma X, Schrotthandel. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung tauchte eine Rechnung des Klägers --seinerzeit noch unter seinem ehemaligen Namen Y in Z auf. Die Rechnung war adressiert an die Firma ABC GmbH in D. Sie datiert vom 24. Juni 2009. Weiter heißt es in der Rechnung:

3

"Rechnung Nr.: 6001/09
Zu den Lieferungen vom 28.01. bis 20.04.2009
gem. den Gutschriften an die Firma X
Schrotthandel:
4002, 4004, 4006, 4007, 4009, 4013, 4014, 4015, 4016, 4017, 4018, 4019, 4020;

Nettobetrag:

XXX.XXX €

Mehrwertsteuer 19 %:

  XX.XXX €

Bruttobetrag:

XXX.XXX €

Zahlung: Beträge im Zeitraum vom 28.01.2009 - 20.04.2009 in bar erhalten.
Unterschrift Y"

4

Außerdem enthält die Rechnung die Steuernummer des Klägers. Die in der Rechnung angeführten Gutschriften an die Firma X lagen der Steuerfahndung ebenfalls vor. Die Gutschriften hat die Firma ABC GmbH an die Firma X Schrotthandel unter dem Datum 25. Juni 2009 erteilt. Die Gutschriften enthalten die in der Rechnung bezeichneten Nummerierungen "4002 ... bis ... 4020". Ob die Gutschriften der Rechnung beigefügt waren, ist streitig. Die vorgefundenen Gutschriften sind handschriftlich durchgestrichen mit dem Vermerk "storniert".

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, dass der Kläger nichtunternehmerisch im Schrotthandelsgewerbe tätig war.

6

Im Anschluss an die Steuerfahndungsprüfung setzte das FA die in der Rechnung vom 24. Juni 2009 ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 43.238,46 € nach § 14c Abs. 2 UStG als unberechtigt ausgewiesen fest.

7

Der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, das FA habe zu Unrecht unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer festgesetzt. Das Dokument vom 24. Juni 2009 erfülle nicht die Anforderungen an eine Rechnung i.S. des § 14c Abs. 2 UStG, weil die Leistungsbeschreibung nicht ausreichend sei. Eine Feststellung der abgerechneten Leistungen sei erst unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Gutschriften an die Firma X Schrotthandel möglich. Die Berücksichtigung der Gutschriften sei aber nicht möglich, weil sie dem Dokument vom 24. Juni 2009 nicht beigefügt gewesen seien bzw. dies nicht bewiesen sei. Außerdem sei die Bezugnahme auf die Gutschriften nicht schlüssig, weil das Dokument, in dem Bezug auf die Gutschriften genommen werde, vor Erstellung der Gutschriften datiere.

8

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Zur Begründung trägt es vor, der Zweck des § 14c UStG --nämlich die Verhinderung der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs-- gebiete es, an eine Rechnung i.S. des § 14c UStG im Hinblick auf das Merkmal "Leistungsbeschreibung" nicht dieselben strengen Anforderungen zu stellen wie an eine zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG berechtigende Rechnung.

9

Davon abgesehen erfülle die Rechnung vom 24. Juni 2009 auch die Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung.

10

Im Übrigen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Rechnungsempfängerin, die Firma ABC GmbH, und der Kläger kollusiv zusammen gewirkt hätten.

11

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die vom Kläger unter dem 24. Juni 2009 erstellte Rechnung nicht die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 2 UStG erfülle.

14

1. Nach den Feststellungen des FA, die sich das FG zu eigen gemacht hat, hat der Kläger mit dem im Streit befindlichen Dokument über angebliche Lieferungen abgerechnet, obwohl er nicht Unternehmer war.

15

2. Bei der vom Kläger begebenen Rechnung Nr. 6001/09 vom 24. Juni 2009 handelt es sich um eine Rechnung i.S. von § 14c Abs. 2 UStG.

16

a) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 2 UStG erfüllt eine Rechnung, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist (Urteil des Bundesfinanzhofes --BFH-- vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 Rz 25). Eine ausreichende Leistungsbeschreibung erfordert gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG die Angabe der Menge und der Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder des Umfanges und der Art der sonstigen Leistung. Angaben tatsächlicher Art zur Identifizierung der Leistung müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Das setzt voraus, dass entweder der Rechnungstext selbst eine hinreichende Leistungsbeschreibung in dem Abrechnungspapier enthält oder eine Bezugnahme auf andere, eindeutig gekennzeichnete Unterlagen erfolgt. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH-Urteile vom 16. Januar 2014 V R 28/13, BFHE 244, 126, BStBl II 2014, 867, Leitsatz und Rz 12; vom 28. August 2013 XI R 4/11, BFHE 243, 41, BStBl II 2014, 282 Rz 55; vgl. auch BFH-Urteil vom 29. August 2012 XI R 40/10, BFH/NV 2013, 182, Rz 31).

17

b) Aus der Rechnung vom 24. Juni 2009 ist ersichtlich, dass über jene Lieferungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (28. Januar 2009 bis 20. April 2009) abgerechnet wird, die in den numerisch eindeutig gekennzeichneten Gutschriften der Firma X Schrotthandel aufgeführt sind. Das FG geht selbst --insoweit zutreffend-- davon aus, dass sich bei Berücksichtigung der Gutschriften eine Feststellung der abgerechneten Lieferungen ermöglichen lässt.

18

aa) Soweit das FG sein Urteil darauf stützt, dass die Gutschriften der Rechnung vom 24. Juni 2009 nicht beigefügt waren, verkennt es, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ausreicht, wenn die Rechnung auf die in Bezug genommenen Geschäftsunterlagen verweist und diese Unterlagen für Zwecke der Identifizierung eindeutig bezeichnet sind. Sie müssen der Rechnung nicht beigefügt sein. Bestätigt wird dies durch § 31 Abs. 3 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung. Danach muss eine in Bezug genommene andere Geschäftsunterlage beim Rechnungsaussteller und beim Rechnungsempfänger lediglich "vorhanden" sein. Dies setzt keine physische Verbindung mit der Rechnung als Urkunde voraus (vgl. BFH-Urteile in BFHE 244, 126, BStBl II 2014, 867 Rz 14; vom 8. Oktober 2008 V R 59/07, BFHE 222, 189, BStBl II 2009, 218 Rz 33).

19

bb) Die Würdigung des FG, die Gutschriften dürften bei der Beurteilung der Leistungsbeschreibung nicht berücksichtigt werden, weil sie unschlüssig seien, verstößt gegen Denkgesetze. Der Kläger hat bei Erstellung der unter dem 24. Juni 2009 begebenen Rechnung zwingend Kenntnis von den Gutschriften der X Schrotthandel vom 25. Juni 2009 gehabt, denn er kannte nicht nur die laufenden Nummern der Gutschriften, sondern auch die Beträge, über die mit den Gutschriften abgerechnet worden war. Denn die in seiner Rechnung vom 24. Juni 2009 gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer entspricht exakt der Summe der in den Gutschriften abgerechneten Beträge. Ob es sich bei dem Rechnungsdatum "24. Juni 2009" um einen Schreibfehler oder um eine bewusste Manipulation gehandelt hat, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls hat der Kläger unter diesem Datum eine Rechnung, die die Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllt, in den Rechtsverkehr gegeben.

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Deshalb braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob --wie das FA meint-- die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung einer Rechnung i.S. des § 14c Abs. 2 UStG anders zu beurteilen sind als bei einer Rechnung i.S. des § 15 Abs. 1 UStG).

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 38/11
vom
8. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. August 2010 aufgehoben , soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 6. Januar 2010 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, in 17 Fällen dadurch Umsatzsteuer hinterzogen zu haben, dass er für sechs von ihm geleitete Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, Belgien, Frankreich und Polen für die Jahre 2002 bis 2005 vorsätzlich keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben habe. Hierzu sei er aber verpflichtet gewesen , weil er über diese Firmen an deutsche Landwirte und Winzer, die umsatzsteuerlich von der Pauschalregelung des § 24 UStG Gebrauch gemacht haben, Lieferungen von Pflanzenschutzmitteln ausgeführt habe. Die Lieferungen seien für ihn in Deutschland steuerpflichtig gewesen.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts lieferte der Angeklagte in den Jahren 2002 bis 2005 als alleinverantwortlich Handelnder mehrerer Gesellschaften , die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Deutschland ihren Sitz hatten und lediglich in Luxemburg, Frankreich und Belgien Lagerräumlichkeiten unterhielten, Pflanzenschutzmittel an deutsche Landwirte und Winzer. Die Empfänger wurden als Betreiber landwirtschaftlicher Betriebe umsatzsteuerlich nach § 24 UStG besteuert. Die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen erfolgten zumeist über Sammelbesteller für Einkaufs- gemeinschaften, die vom Angeklagten Bestellscheine mit angefügten „Speditionsauftragsschreiben“ erhalten ha tten. Hinsichtlich der Art und Menge der Be- ladung sowie des Zeitpunkts der Auslieferung wurden die Speditionen allein vom Angeklagten angewiesen, die Landwirte bzw. Sammelbesteller teilten allein die Abladestelle in Deutschland mit.
4
Das Landgericht ist der Ansicht, die Lieferungen hätten der deutschen Umsatzbesteuerung unterlegen, weil es sich um Versandgeschäfte gehandelt habe und deshalb der Ort der Lieferung gemäß § 3c UStG jeweils in Deutschland gelegen habe. Der Angeklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, für die von ihm geleiteten Firmen in der Bundesrepublik Deutschland Umsatzsteuererklärungen abzugeben, was er pflichtwidrig unterlassen habe.
5
Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, dass der Angeklagte bis zu einer Befragung durch die luxemburgische Steuerfahndung im Oktober oder November 2005 davon ausgegangen ist, die von ihm getätigten Geschäfte unterlägen nicht der Umsatzsteuer (UA S. 10). Es hat den Angeklagten daher - nach einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich zweier Fälle - nur wegen dreier im Jahr 2006 begangener Taten der pflichtwidrigen Nichtabgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung verurteilt (Fälle 4, 14, und 17 der Anklageschrift). Der Angeklagte war insoweit geständig (UA S. 11). Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, es konnte sich insoweit von einem Hinterziehungsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen. Dem Angeklagten sei für die Zeit vor dem Erscheinen der luxemburgischen Steuerfahnder bei ihm im Jahr 2005 nicht nachzuweisen gewesen, gewusst zu haben, dass bei dem von ihm gewählten Geschäftsmodell eine Steuerpflicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht eintritt. Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kenne § 370 AO nicht (UA S. 41).

II.

6
Der Teilfreispruch wegen Annahme eines Tatumstandsirrtums hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Zum einen beruhen die deswegen ebenfalls aufzuhebenden Feststellungen zum Tatvorsatz auf einer in sich widersprüchlichen sowie lückenhaften und damit nicht tragfähigen Beweiswürdigung (a). Zum anderen hat das Landgericht nicht geprüft, ob sich der Angeklagte zumindest einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) schuldig gemacht hat, was einem Freispruch entgegenstehen würde (b). Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer tatrichterlicher Prüfung auf der Grundlage diesbezüglich insgesamt neu zu treffender Feststellungen.
7
a) Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
aa) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 18, HFR 2010, 866; vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, wistra 2008, 22, 24; vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19; jew. mwN).
9
bb) Derartige Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor; die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite können daher keinen Bestand haben.
10
(1) Die Beweiswürdigung ist in sich widersprüchlich. Sie setzt sich hinsichtlich des freisprechenden Teils des Urteils in Widerspruch zu den die Verurteilung betreffenden Feststellungen.
11
Das Landgericht hat als gegen einen Tatvorsatz des Angeklagten sprechenden Umstand gewertet, dass er seine geschäftliche Tätigkeit nicht verheimlicht , sondern Rechnungen mit ausländischer Umsatzsteuer erstellt habe (UA S. 39). Weiter hat es ausgeführt, die Tatsache, dass der Angeklagte die angefallenen ausländischen Umsatzsteuern in seinen Rechnungen aufgeführt und „wohl“ im Ausland erklärt und abgeführt habe, sei ein Indiz dafür, dass ihm die Steuerbarkeit der Umsätze nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht bewusst gewesen sei (UA S. 40). Diese Wertungen lassen sich nicht mit den - im Rahmen der Verurteilung strafschärfend gewerteten (UA S. 34) - Feststellungen vereinbaren, dass der Angeklagte ab dem Jahr 2005, in dem er von der luxemburgischen Steuerfahndung aufgesucht worden war, „die zuvor aufgebau- ten Unternehmensstrukturen fortgeführt und somit im Ergebnis ein aufwendiges Täuschungssystem genutzt“ habe. Durch die Firmenverlagerung nach Polen, die fortgesetzte Einschaltung von Firmen in Belgien, Luxemburg und Frankreich und die Gründung von Zwischenlagern in Deutschland habe er insbesondere „hinsichtlich der Lieferwege und der Umsatzermittlung einen schwer aufklärbaren Sachverhalt geschaffen“ (UA S. 34). War das Gesamtsystem aber schon vor dem Erscheinen der Steuerfahnder auf Täuschung angelegt, dann konnte die Ausstellung von Rechnungen mit gegenüber dem deutschen Steuersatz zum Teil deutlich niedrigeren ausländischen Umsatzsteuersätzen zwischen drei und zwölf Prozent (UA S. 9) kein Indiz für eine beabsichtigte Steuerehrlichkeit des Angeklagten sein.
12
(2) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Denn das Landgericht hat wesentliche, den Urteilsfeststellungen zu entnehmende belastende Umstände nicht in die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite eingestellt.
13
Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 - 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 mwN).
14
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Sie ist lückenhaft, weil sie sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Zu einer umfassenden Gesamtwürdigung aller den Angeklagten be- und entlastenden Umstände hätte sich das Landgericht hier schon deshalb gedrängt sehen müssen, weil der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen noch nach entsprechenden Hinweisen der luxemburgischen Steuerfahndung auf die in Deutschland bestehende Steuerpflicht das bisherige System der Vermeidung der Besteuerung in Deutschland unverändert fortsetzte.
15
Das Landgericht hätte - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - auch in die Gesamtwürdigung einbeziehen müssen, dass der Angeklagte den steuerlich bedeutsamen Ort der Lieferung in seinen Rechnungen jedenfalls teilweise absichtlich falsch deklariert hat, was für eine bewusste Täuschung der Finanzbehörden spricht. So hat der Angeklagte auch die Lieferungen seiner polnischen Firmen als Abholgeschäfte mit dem Umsatzsteuersatz von drei Prozent deklariert (UA S. 9 f.), obwohl er nach den Feststellungen in Polen gar kein Warenlager unterhielt (UA S. 4, 38) und die Kunden selbst bei der Bestellung keinen Kontakt nach Polen hatten (UA S. 32). Dieser primär den Fall 15 der Urteilsgründe betreffende Umstand der Ausstellung falscher Rechnungen war auch für die Vorsatzfrage hinsichtlich der Tatvorwürfe betreffend die Jahre 2002 bis 2004 von erheblicher Bedeutung.
16
b) Der Teilfreispruch kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob das Verhalten des Angeklagten nicht zumindest den Bußgeldtatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) verwirklicht hat. § 378 AO wirkt in solchen Fällen wie ein Auffangtatbestand (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 3 StR 450/87, BGHR AO § 378 Leichtfertigkeit 1; BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 5 StR 570/99, NStZ 2000, 320, 321; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 39 ff., HFR 2010,

866).

17
Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 aaO Rn. 40).
18
Jeder Steuerpflichtige muss sich über diejenigen steuerlichen Pflichten unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf solche steuerrechtlichen Pflichten, die aus der Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit erwachsen. Bei einem Kaufmann sind deshalb jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Februar 2009 - II R 49/07 mwN, BFHE 225, 1). In Zweifelsfällen hat er von sachkundiger Seite Rat einzuholen (vgl. dazu auch Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 378 AO Rn. 39 mwN). Dies gilt insbe- sondere dann, wenn er die erkannte Steuerpflichtigkeit eines Geschäfts durch eine modifizierte Gestaltung des Geschäfts zu vermeiden sucht (zu den Erkundigungspflichten vgl. auch Sahan in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 378 AO Rn. 28 ff.). Zudem ist es Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar, offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen und wahren Sachverhalts im Besteuerungsverfahren zu klären (vgl. BVerfG - Kammer - Beschlüsse vom 16. Juni 2011 - 2 BvR 542/09 und vom 29. April 2010 - 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, wistra 2010, 396, 404, jew. mwN).
19
Im vorliegenden Fall war deshalb in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte für sechs Unternehmen als alleinverantwortlich Handelnder tätig war, die jeweils in großem Umfang grenzüberschreitenden Handel mit Pflanzenschutzmitteln an Landwirte und Winzer durchführten. Er hatte erkannt, dass die Durchführung der von ihm geplanten Lieferungen als „Versandgeschäfte“ zu einer Steuerpflicht in Deutschland führen würde und wählte deswegen eine Ge- schäftsabwicklung, die nach seiner Wertung als „Abholgeschäfte“ im Empfän- gerstaat Deutschland nicht steuerbar waren. Ob er hierbei Rechtsrat eingeholt hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

III.

20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die subjektive Tatseite auf Folgendes hin:
21
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1953 - 5 StR 342/53, BGHSt 5, 90, 91 f.; BGH, Urteil vom 5. März 1986 - 2 StR 666/85, wistra 1986, 174; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 2, 4, 5). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes ; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz ). Der Hinterziehungsvorsatz setzt deshalb weder dem Grunde noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs voraus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; zu strenge Anforderungen OLG München, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 4 St RR 167/10 mit Anm. Roth, StRR 2011, 235).
22
2. Hat der Steuerpflichtige irrtümlich angenommen, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB).
23
3. Ob dies auch dann gilt, wenn der Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs allein auf einer Fehlvorstellung über die Reichweite steuerlicher Normen - hier etwa des § 3c UStG über den Ort der Lieferung in besonderen Fällen - beruht, oder ob dann vielmehr ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gegeben ist, wird in der neueren Literatur teilweise in Frage gestellt (vgl. Allgayer in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 369 AO Rn. 28 mwN; vgl. zum Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB auch BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337).
24
4. Der Senat braucht diese Frage hier nicht zu entscheiden, denn sie stellt sich erst dann, wenn ein rechtserheblicher Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs festgestellt ist. Ein solcher Irrtum liegt aber dann nicht vor, wenn der Erklärungspflichtige hinsichtlich der Verkürzung eines Steueran- spruchs mit Eventualvorsatz handelt. Bei der Klärung der Frage, ob ein solcher Irrtum bestanden hat, ist Folgendes zu beachten:
25
a) Die bloße Berufung eines Angeklagten auf einen derartigen Irrtum nötigt das Tatgericht nicht, einen solchen Irrtum als gegeben anzunehmen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten von Bedeutung waren. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85).
26
b) Ein Tatumstandsirrtum scheidet bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Übrigen dann aus, wenn der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden oder dass er oder ein anderer nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Weitergehende Einschränkungen der Annahme eines Eventualvorsatzes ergeben sich auch nicht aus der voluntativen Seite des Vorsatzes. Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos. Es kommt insoweit allein auf die Vorstellung des Täters an, ob ein solcher Steueranspruch besteht oder nicht. Hält er die Existenz eines Steueranspruchs für möglich und lässt er die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen gleichwohl in Unkenntnis, findet er sich also mit der Möglichkeit der Steuerverkürzung ab, handelt er mit bedingtem Tatvorsatz.
27
Ob ein Angeklagter das Bestehen eines Steueranspruchs für möglich gehalten hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden. Dabei hat das Gericht bei Kaufleuten deren Umgang mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in die Würdigung einzubeziehen. Informiert sich ein Kaufmann über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerrechtlichen Pflichten nicht, kann dies auf seine Gleichgültigkeit hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflichten hindeuten. Dasselbe gilt, wenn es ein Steuerpflichtiger unterlässt, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen. Auch in Fällen, in denen ein nicht steuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von ihm für möglich gehaltene Steuerpflicht dadurch vermeiden will, dass er von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichende Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufe wählt, kann es für die Inkaufnahme einer Steuerverkürzung sprechen, wenn er keinen zuverlässigen Rechtsrat einholt, sondern allein von seinem laienhaften Rechtsverständnis ausgeht. Dies gilt nicht nur bei rechtlich schwierigen oder ungewöhnlichen Inlandsgeschäften, sondern gerade auch bei grenzüberschreitenden Lieferungen oder Leistungen.
28
5. Im vorliegenden Fall wird es daher für die Frage des Tatvorsatzes darauf ankommen, ob der Angeklagte eine Steuerentstehung in Deutschland für möglich erachtet hat. Im Hinblick darauf, dass er - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - gerade zur Vermeidung einer Besteuerung in Deutschland zugunsten der Anwendung niedrigerer ausländischer Steuersätze die bei Versandgeschäften übliche Geschäftsabwicklung verändert hat, wird dabei der Frage, ob er sachkundigen Rechtsrat eingeholt hat, besondere Bedeutung zukommen. Dasselbe gilt, wenn das neue Tatgericht wieder zu entsprechenden Feststellungen gelangen sollte, für den Umstand, dass der Angeklagte die luxemburgischen Steuerfahndungsbeamten gebeten hat, die deutschen Finanzbehörden nicht zu informieren (UA S. 13).
29
6. Sollte das neue Tatgericht aufgrund seiner Beweisaufnahme und Beweiswürdigung bezogen auf die Fälligkeitszeitpunkte für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen wieder zur Annahme eines vorsatzausschließenden Tat- umstandsirrtums des Angeklagten gelangen, wird es die Prüfung einer Unterlassenstrafbarkeit auch darauf zu erstrecken haben, ob der Irrtum noch vor Wegfall der Erklärungspflicht, insbesondere vor Eintritt der steuerlichen Festsetzungsverjährung wieder entfallen ist. Bedeutung könnte insoweit dem Umstand zukommen, dass der Angeklagte - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - von der luxemburgischen Steuerfahndung auf die Bedenken gegen seine steuerliche Behandlung der Lieferungen nach Deutschland hingewiesen wurde (UA S. 13). RiBGH Hebenstreit befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Jäger Sander

(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn

1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
§ 87a Absatz 1 Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit eine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Der Steuerpflichtige hat in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung).

(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.

(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.

(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.

(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.

(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.

(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.

(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war gemeinsam mit ihrem … 2003 verstorbenen Ehemann A, mit dem sie in Gütergemeinschaft lebte, Eigentümerin des im Grundbuch von B verzeichneten Grundbesitzes X. Dieser war dem A mit Vertrag vom 21. Oktober 1968 von dessen Vater unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen worden. Nach § 4 des Vertrags war A verpflichtet, nach dem Tod seiner Eltern aus dem Grundbesitz X "einen Bauplatz" (Flurstück 1) an der C-Straße auf seinen Bruder D zu übertragen. Damit sollte D "vollständig abgefunden sein". Außerdem war A nach § 5 des Vertrags verpflichtet, nach dem Tod seiner Eltern aus dem Grundbesitz X seinem Bruder E "einen Bauplatz" (Flurstück 2) zu übertragen. Mit dieser Übertragung sollte auch E "vollständig abgefunden sein".

2

Am 12. April 1970 verstarb der Vater des A. Mit Vertrag vom 8. März 1971 übertrugen die Eheleute im Rahmen eines Abfindungs- und Auseinandersetzungsvertrags das Flurstück 2 auf E. Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 26. April 1971.

3

Am 23. Oktober 1976 schlossen die Eheleute mit E einen Tauschvertrag, wonach E für das Flurstück 2 das gleichwertige Flurstück 3 erhalten sollte. In § 7 des Vertrags beantragten die Eheleute die Befreiung von der Grunderwerbsteuer, "weil der Austausch zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten bzw. unwirtschaftlich geformten landwirtschaftlichen Grundstücken dient". Die Eigentumsumschreibung bezüglich des Flurstücks 2 zugunsten der Eheleute erfolgte im März 1977.

4

Ebenfalls am 23. Oktober 1976 schlossen die Eheleute einen notariellen Vertrag, in dem sie das Flurstück 4 auf D übertrugen. Dies sollte zur Abgeltung der Erbansprüche, aber auch zur Erfüllung der im Vertrag vom 21. Oktober 1968 übernommenen Verpflichtung erfolgen. Jedoch sollte nach § 2 des Vertrags anstelle des im Vertrag vom 21. Oktober 1968 als Vermächtnis ausgesetzten Flurstücks 1 nunmehr das Flurstück 4 übertragen werden. Auch hier beantragten die Eheleute die Befreiung von der Grunderwerbsteuer, "weil die Übertragung des Flurstücks ... zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten bzw. unwirtschaftlich geformten landwirtschaftlichen Grundstücken dient".

5

Die Eheleute wurden in den Jahren 1983 bis 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärten sie nicht.

6

Mit Grundstückskaufvertrag vom 24. Februar 1998 veräußerte die Klägerin --zugleich handelnd als gerichtlich bestellte Betreuerin des A-- eine Teilparzelle des Flurstücks 5 zum Preis von … DM. Mit Verträgen vom gleichen Tag übertrug die Klägerin --wiederum zugleich handelnd für A-- weitere Teilflächen aus dem Flurstück 5 sowie die Flurstücke 1 und 2 im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre beiden Kinder. Die Übergabe sämtlicher veräußerter bzw. übertragener Grundstücke erfolgte jeweils am 1. März 1998.

7

Mit Schreiben vom 15. September 1998 zeigten die durch einen Steuerberater vertretenen Eheleute die Grundstücksübertragungen vom 24. Februar 1998 an. Im Rahmen der Veräußerung der Grundstücke sei aufgefallen, dass für einige der übertragenen Grundstücke für Zwecke der Einheitsbewertung ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft festgestellt worden sei. Sofern für ertragsteuerliche Zwecke ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb existiere, käme eine steuerpflichtige Betriebsaufgabe in Betracht. Nachforschungen hätten aber ergeben, dass A seit dem Erwerb der Flächen im Jahr 1968 keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geführt habe. Es seien keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt worden. Die Bewirtschaftung der Acker- und Grünflächen sei lediglich zur Deckung des Eigenbedarfs erfolgt. Bei den Flurstücken 1 und 2 handele es sich zudem um Grundvermögen.

8

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Eheleute zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1998) auf. Die von der --weiterhin als Betreuerin ihres Ehemannes handelnden-- Klägerin unterschriebene Einkommensteuererklärung 1998 ging am 3. Dezember 1999 bei dem FA ein. Der Erklärung waren eine Anlage KSO sowie maschinenschriftliche, nicht unterzeichnete "Erläuterungen zur Einkommensteuererklärung 1998" beigefügt, in denen unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 15. September 1998 dargelegt wurde, dass mit den Grundstücksübertragungen im Jahr 1998 keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Gestalt eines Aufgabegewinns erzielt worden seien. Die Eheleute hätten seit der Übertragung der Flächen im Jahr 1968 keinen landwirtschaftlichen Betrieb geführt, sondern die Flächen für den Eigenbedarf bewirtschaftet. Diese Bewirtschaftung sei zu keinem Zeitpunkt über eine reine Vermögensverwaltung hinausgegangen. Darüber hinaus seien die als Bauplätze bezeichneten Flurstücke auch bewertungsrechtlich nicht mehr als land- und forstwirtschaftliches Vermögen eingeordnet gewesen.

9

Hierauf reagierte das FA erstmals im Oktober 2004. Nach verschiedenen telefonischen Erörterungen mit dem Steuerberater der (jetzt verwitweten) Klägerin stellte das FA mit Bescheid für 1998 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 5. Januar 2005 Einkünfte der Eheleute aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von … DM fest. Davon entfielen auf laufende Einkünfte … DM sowie auf einen Veräußerungsgewinn … DM. Die Einkünfte wurden den Eheleuten je zur Hälfte zugerechnet. Der Bescheid war an den Steuerberater als Empfangsbevollmächtigten der Eheleute gerichtet. In den Erläuterungen zum Bescheid führte das FA u.a. aus, der Bescheid ergehe an die Klägerin zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin nach A. Der landwirtschaftliche Betrieb sei durch den Verkauf und die Übertragungen sämtlicher Grundstücksflächen auf den 1. März 1998 zwangsweise aufgegeben worden.

10

Am 8. April 2005 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid 1998, in dem es der Besteuerung der Eheleute u.a. jeweils hälftig die gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abzüglich eines steuerfreien Veräußerungsgewinns in Höhe von 75.000 DM, also jeweils in Höhe von … DM, zugrunde legte.

11

Gegen den Feststellungsbescheid vom 5. Januar 2005 legte die Klägerin, zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin des A, Einspruch ein mit der Begründung, dem Erlass dieses Bescheids stehe der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegen. Außerdem hätten sie --die Eheleute-- zu keiner Zeit einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten.

12

Demgegenüber war das FA weiterhin der Ansicht, dass ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorgelegen habe und dem Erlass eines Feststellungsbescheids keine Feststellungsverjährung entgegenstehe. Außerdem wies das FA darauf hin, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns bisher Teile der ebenfalls dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Hof- und Gebäudefläche unberücksichtigt geblieben seien. Der Veräußerungsgewinn sei daher um … DM auf … DM zu erhöhen. Die Verböserung des Feststellungsbescheids könne durch Rücknahme des Einspruchs vermieden werden.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 stellte das FA die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 1998 auf … DM (= … €) fest.

14

Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg, soweit das Finanzgericht (FG) --wie nunmehr auch das FA-- von einem um … DM niedrigeren Aufgabegewinn ausging. Im Übrigen wies das FG die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 13 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

15

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin --zugleich als Gesamtrechtsnachfolgerin des A-- die Verletzung materiellen Rechts.

16

Der Erlass des streitbefangenen Feststellungsbescheids verstoße zum einen gegen § 180 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Das FA habe zu erkennen gegeben, auf die Abgabe einer Feststellungserklärung wegen eines Falls von geringer Bedeutung verzichten zu wollen. Es habe mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erklärung der Eheleute vom 15. September 1998 für 1998 ausschließlich die Abgabe einer Einkommensteuererklärung gefordert, nachdem die Eheleute wegen geringer Kapital- und Renteneinkünfte schon seit 1995 nicht mehr als Einkommensteuerpflichtige geführt worden seien. Die Klägerin habe diese Aufforderung so verstanden, dass der einzige für die Einkommensteuerpflicht noch erhebliche Sachverhalt ausschließlich im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer habe geklärt werden sollen. Bei einem Fall von geringer Bedeutung sei dies zulässig. Die Eheleute hätten zusammen veranlagt werden und gemeinsam für die Steuer auf einen eventuellen Aufgabegewinn aufkommen wollen.

17

Es komme hinzu, dass sich dieser Eindruck dadurch verstärkt habe, dass das FA fünf Jahre nichts getan habe, um ein eventuelles Missverständnis zu korrigieren. Von Ende 1999 bis Ende 2004 sei das FA untätig gewesen. Unter diesen Umständen verstoße die streitbefangene Feststellung gegen Treu und Glauben und den daraus abzuleitenden Grundsatz des "venire contra factum proprium".

18

Des Weiteren habe das FA --wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Juli 1984 IV R 87/82 (BFHE 142, 6, BStBl II 1985, 148) ergebe-- zunächst den Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr 1997/98 feststellen müssen. Das FA habe aber nur das Kalenderjahr 1998 im Auge gehabt.

19

Auch habe das FG § 150 AO verletzt. Nicht jede Steuererklärung, die gegen Abs. 1 der Vorschrift verstoße, könne wegen Form- oder Inhaltsmangels einer Nichterklärung gleichkommen. Das FG habe bei seiner auf bloße Formalien abstellenden Betrachtung verkannt, dass die am 3. Dezember 1999 abgegebene Einkommensteuererklärung auch die Abgabe einer mit Mängeln behafteten Feststellungserklärung beinhalte. Die Eheleute seien der Aufforderung des FA zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung unter vollständiger Mitteilung der entscheidungserheblichen Daten nachgekommen.

20

Soweit nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen könne, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung sei, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen sei, müsse hierauf gemäß § 181 Abs. 5 Satz 2 AO im Feststellungsbescheid hingewiesen werden. Ein solcher Hinweis sei hier unterblieben, so dass der angefochtene Feststellungsbescheid die Klägerin schon deshalb in ihren Rechten verletze.

21

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das vorinstanzliche Urteil und den Feststellungsbescheid 1998 vom 5. Januar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 aufzuheben.

22

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

23

Es trägt u.a. vor, der angefochtene Feststellungsbescheid sei innerhalb der Feststellungsfrist erlassen worden. Wenn eine Steuererklärung einzureichen sei, beginne die Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht werde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung ergebe sich vorliegend aus § 181 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO. Eine solche Erklärung sei jedoch nicht eingereicht worden. Nach dem BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 112/94 (BFH/NV 1996, 449) hemme die Nichtabgabe von Steuererklärungen den Anlauf der Festsetzungsfrist, wenn die Voraussetzungen einer Erklärungspflicht objektiv vorlägen, wobei die Annahme des Steuerpflichtigen, nicht zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet zu sein, die Anlaufhemmung nicht beeinflusse. Durch den BFH-Beschluss vom 26. März 1999 X B 196/98 (BFH/NV 1999, 1309) sei geklärt, dass der Beginn der Festsetzungsfrist auch dann gehemmt sei, wenn zwar alle entscheidungserheblichen Tatsachen aktenkundig seien, der Steuerpflichtige jedoch keine förmliche Steuererklärung abgegeben habe.

24

Anders als die Klägerin meine, liege kein Fall von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO vor, insbesondere weil im Streitfall das Vorliegen einkommensteuerpflichtiger, mehreren Personen zuzurechnender Einkünfte habe geklärt werden müssen. Dem Erlass eines Feststellungsbescheids habe auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengestanden. Nachdem die Eheleute in der Vergangenheit steuerlich nicht mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft geführt worden seien, sei anlässlich der Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung noch keine Entscheidung über die Notwendigkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung getroffen worden; insoweit habe die Aufforderung nicht als Verzicht auf die Durchführung des Feststellungsverfahrens verstanden werden dürfen. Des Weiteren habe es keines vorherigen Feststellungsverfahrens für den Gewinn des abweichenden (Rumpf-)Wirtschaftsjahrs bedurft. Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung sei im Streitfall nicht als Einreichung einer wirksamen Feststellungserklärung zu werten. Einen Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO habe der angefochtene Feststellungsbescheid nicht zu enthalten brauchen, weil das FA davon ausgegangen sei, dass die Feststellungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2005 abgelaufen sei.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Feststellungsbescheids 1998 vom 5. Januar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war (II.1.). Auch die Voraussetzungen für eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 5 AO liegen nicht vor (II.2.).

26

1. Der angefochtenen gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft) 1998 steht der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegen. Die für 1998 maßgebliche Feststellungsfrist ist bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und damit vor Erlass des Feststellungsbescheids 1998 vom 5. Januar 2005 abgelaufen. Denn die im Streitfall nach den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO zu bestimmende und damit vier Jahre betragende Feststellungsfrist hat unter den besonderen Umständen des Streitfalls nach Abgabe der vom FA angeforderten Einkommensteuererklärung 1998 am 3. Dezember 1999 gemäß den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs 1999 begonnen.

27

a) Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß für die gesonderte Feststellung. Nach Satz 2 der Vorschrift ist Steuererklärung i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Erklärung zur gesonderten Feststellung. Gemäß den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Feststellungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Deshalb kommt es im Streitfall darauf an, ob –-nachdem die Eheleute keine Feststellungserklärung abgegeben haben-- die Beendigung der in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO geregelten Anlaufhemmung durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 am 3. Dezember 1999 ausgelöst werden konnte.

28

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Auslegung des Wortlauts des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO an seinem Sicherungszweck auszurichten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780; vom 27. August 2008 II R 36/06, BFHE 222, 83, BStBl II 2009, 232; vom 23. Mai 2012 II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579). Die Vorschrift soll --lediglich-- verhindern, dass durch eine spätere Einreichung der Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit (ggf. gezielt) verkürzt wird (BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 1999 II B 79/99, BFHE 190, 220, BStBl II 2000, 233; vom 17. August 2009 II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970; BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 10/02, BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687; in BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780; in BFH/NV 2012, 1579). Unter Berücksichtigung dieses Zwecks der Vorschrift geht der BFH in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 1997 II B 40/96, BFHE 181, 571, BStBl II 1997, 266; in BFH/NV 2009, 1970; BFH-Urteile vom 7. April 2005 IV R 39/04, BFH/NV 2005, 1229; in BFH/NV 2012, 1579) davon aus, dass die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist i.S. von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sogar dann mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer- bzw. Feststellungserklärung abgegeben wird, wenn die abgegebene Erklärung teilweise unvollständig oder unrichtig ist. Etwas anderes gilt nur, wenn die Erklärung derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Erklärung hinausläuft.

29

c) Zwar ist dem FG darin beizupflichten, dass bei Bestehen einer Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung deren Abgabe grundsätzlich nicht durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung ersetzt werden kann. Ausgehend von den vorgenannten Maßstäben genügte jedoch unter den besonderen Umständen des Streitfalls ausnahmsweise die Abgabe der Einkommensteuererklärung, um (auch) den Beginn der Feststellungsfrist in Gang zu setzen.

30

aa) Dabei kann zunächst offenbleiben, ob es sich vorliegend --wie das FG erörtert hat und woran unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15. März 1990 IV R 90/88, BFHE 160, 317, BStBl II 1990, 689; vom 14. Februar 2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156) vertretenen Maßstäbe schon im Hinblick u.a. auf die Frage, ob im Streitjahr (noch) ein landwirtschaftlicher Betrieb der Ehegatten vorgelegen hat und von diesen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt worden sind, Zweifel bestehen-- um einen Fall von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO handelt, der im Streitfall ein Absehen von einer gesonderten und einheitlichen Feststellung erlauben würde. Ebenfalls offenbleiben kann die von den Beteiligten erörterte Frage, ob die nach dem Schreiben der Eheleute vom 15. September 1998 erfolgte Aufforderung des FA, eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr abzugeben, von einem objektiven Empfänger dahin verstanden werden durfte, dass das FA einen Fall von geringer Bedeutung annehmen und deshalb auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung und damit auch eine Feststellungserklärung verzichten wolle, oder ob einer solchen Annahme u.a. entgegenstünde, dass ein Feststellungsverfahren grundsätzlich selbst dann durchzuführen ist, wenn --wie hier-- das für dieses Verfahren zuständige FA auch für die Einkommensteuerfestsetzung zuständig ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, m.w.N.). Insoweit braucht auch nicht entschieden zu werden, unter welchen Voraussetzungen die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht greift, wenn das FA zunächst (konkludent) einen Fall von geringer Bedeutung bejaht und deshalb auf die Abgabe einer Feststellungserklärung verzichtet hat, später jedoch gleichwohl einen Feststellungsbescheid erlassen will. Denn hierauf kommt es nach den oben genannten Maßstäben im Streitfall nicht an.

31

bb) Zwar ist --worauf das FA zutreffend hingewiesen hat-- eine Feststellungserklärung i.S. des § 181 AO nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift wie eine Steuererklärung in der von § 150 AO vorgesehenen Form abzugeben, d.h. nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck mit dem davon geforderten Inhalt (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286). Deshalb kann bei Bestehen einer Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung deren Abgabe grundsätzlich (auch) nicht durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung ersetzt werden. Soll aber --wie oben ausgeführt-- § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO lediglich verhindern, dass durch eine spätere Einreichung der Steuererklärung die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit (ggf. gezielt) verkürzt wird, so ist unter den besonderen Umständen des Streitfalls entscheidend, ob das FA in der Lage gewesen wäre, aufgrund der seiner Aufforderung gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO folgenden Abgabe einer Einkommensteuererklärung nicht nur ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1229), sondern auch ein ordnungsgemäßes Feststellungsverfahren in Gang zu setzen.

32

(1) Dabei ist die vorliegende Fallkonstellation offenkundig nicht --wie das FA meint-- der Situation vergleichbar, dass zwar alle entscheidungserheblichen Tatsachen aktenkundig sind, der Steuerpflichtige indes überhaupt keine förmliche Steuererklärung abgegeben hat.

33

(2) Nichts Gegenteiliges kann auch der Rechtsprechung des BFH entnommen werden, dass ein Feststellungsverfahren grundsätzlich auch dann durchzuführen ist, wenn das für dieses Verfahren zuständige FA gleichzeitig auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligter Steuerpflichtiger zuständig ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, m.w.N.).

34

(3) Gleichfalls nicht ohne Weiteres auf die streitbefangene Fallkonstellation übertragbar ist der vom FA unter Berufung auf das BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 449 hervorgehobene Rechtssatz, dass die Annahme des Steuerpflichtigen, nicht zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet zu sein, die Anlaufhemmung nicht beeinflusse. Denn allein dies trägt nicht hinreichend der im Streitfall vorliegenden Besonderheit Rechnung, dass der Steuerpflichtige der Aufforderung des FA zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung gefolgt ist.

35

(4) Vielmehr rechtfertigen es die Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation, die Abgabe der Einkommensteuererklärung ausnahmsweise einer --nach vorgenannter BFH-Rechtsprechung (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1579) zur Beendigung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO führenden-- Abgabe einer zwar den formalen Anforderungen entsprechenden, jedoch (inhaltlich) teilweise unvollständigen oder unrichtigen Feststellungserklärung gleichzustellen, die gleichwohl zu keiner Verkürzung der der Finanzbehörde zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit führt. Wird nämlich die Bearbeitungszeit in Folge der Abgabe einer der Aufforderung des FA (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) folgenden Steuererklärung nicht verkürzt, so kommt es nach dem Zweck des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht darauf an, ob statt der Einkommensteuer- eine Feststellungserklärung die formal "richtige" Steuererklärung gewesen wäre; denn für eine Differenzierung allein nach der Form der Steuererklärung gibt es in dieser Situation keinen sachlichen Grund (kritisch insoweit --"spitzfindiger Formalismus"-- Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 170 AO Rz 11b, unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780; ähnlich Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO Rz 6). Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO den Sicherungszweck --und damit die Verlängerung der vom Gesetzgeber grundsätzlich für ausreichend gehaltenen Vierjahresfrist-- mit der Erfüllung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bzw. den für ihn zum Handeln Verpflichteten auferlegten Handlungspflicht verknüpft, und sich diese Handlungspflicht nach dem Wortlaut der Vorschrift auch --nach Aufforderung durch das FA-- auf die Einreichung einer Steuererklärung erstreckt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 83, BStBl II 2009, 232, m.w.N.). Dieser Verknüpfung von Sicherungszweck und Erfüllung einer Handlungspflicht wird dann noch Genüge getan, wenn vom FA eine aus späterer Sicht formal "falsche" Steuererklärung angefordert wird, deren Abgabe aber eine rechtlich zutreffende Bearbeitung des Steuerfalls ermöglicht, ohne dass die dem FA zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit gegenüber der Abgabe einer formal "richtigen" Steuererklärung verkürzt wäre.

36

cc) Dies zugrunde gelegt, wurde im Streitfall die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1999 beendet. Denn im Streitfall war das FA aufgrund der nach Aufforderung durch das FA am 3. Dezember 1999 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1998 (einschließlich Anlagen) in der Lage, (auch) das Vorliegen von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu prüfen und hieraus ggf. Folgerungen im Hinblick auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung dieser Einkünfte zu ziehen.

37

In dieser Situation war im Streitfall die Abgabe der vom FA angeforderten, aus späterer Sicht formal "unrichtigen" Steuererklärung unschädlich, denn es sind auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG keinerlei Hinweise dafür ersichtlich, dass dadurch die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wurde, selbst wenn das FA im Nachhinein --d.h. im Streitfall erst fünf Jahre nach Abgabe der Einkommensteuererklärung-- doch noch eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Betracht gezogen hat. Durch Abgabe der Einkommensteuererklärung wurden hinreichend Informationen übermittelt, um ohne nachteilige zeitliche Verzögerungen ggf. auch eine gesonderte Feststellung durchführen zu können.

38

d) Die für den Erlass von Feststellungsbescheiden geltende eigenständige Feststellungsfrist ist unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln (BFH-Urteile vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3; vom 12. Juli 2005 II R 10/04, BFH/NV 2006, 228). Ausgehend von den Feststellungen des FG, denen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat --eine "Steuer"-Verkürzung müsste sich auf die festzustellende Besteuerungsgrundlage beziehen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 181 AO Rz 7)-- entnehmen lassen, und davon, dass weder FG noch FA Anlass für eine entsprechende Erörterung gesehen haben, beträgt die Feststellungsfrist nach den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Hiervon ist auch das FA ausgegangen. Nach Abgabe der streitbefangenen Steuererklärung am 3. Dezember 1999 begann die Feststellungsfrist mit Ablauf des Jahres 1999 und endete somit mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und damit vor Erlass des Feststellungsbescheids 1998 vom 5. Januar 2005.

39

2. Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO für eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist liegen nicht vor.

40

a) Eine gesonderte Feststellung kann nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, wobei § 171 Abs. 10 AO --der hinsichtlich der Festsetzungsfrist eine Ablaufhemmung im Fall von Grundlagenbescheiden (darunter Feststellungsbescheide), die für die Festsetzung einer Steuer bindend sind, vorsieht-- außer Betracht bleibt.

41

b) Ohne Berücksichtigung der Regelung des § 171 Abs. 10 AO war jedoch auch die Festsetzungsfrist hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 im Zeitpunkt der streitbefangenen gesonderten Feststellung (5. Januar 2005) bereits abgelaufen.

42

Auch insoweit kommt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Anwendung, wonach (hier) die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO --danach beginnt die Frist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist-- später beginnt. Im Streitfall ist die Einkommensteuer 1998 --mangels anderweitiger Bestimmung des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 entstanden. Deshalb begann im Streitfall auch die Festsetzungsfrist hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 nach Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 am 3. Dezember 1999 mit Ablauf des Jahres 1999. Ausgehend von den Feststellungen des FG, aus denen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat ergeben, und davon, dass weder FG noch FA Anlass für die Erwägung einer insoweit verlängerten Frist gesehen haben, beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO auch hier vier Jahre. Folglich war --weil die Regelung des § 171 Abs. 10 AO gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 AO außer Betracht bleibt-- auch die Festsetzungsfrist bezüglich der Einkommensteuer 1998 im Zeitpunkt der streitbefangenen Feststellung am 5. Januar 2005 bereits abgelaufen.

43

c) Des Weiteren stünde der Rechtmäßigkeit der streitigen Feststellung --worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat-- aber auch entgegen, dass das FA weder in seinem angefochtenen, nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassenen Feststellungsbescheid 1998 noch in seiner Einspruchsentscheidung nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO auf die eingeschränkte Wirkung eines solchen Feststellungsbescheids besonders hingewiesen hat. Dieser Hinweis hat Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 228, m.w.N.; vom 14. Juni 2007 XI R 37/05, BFH/NV 2007, 2227; vom 11. Mai 2010 IX R 48/09, BFH/NV 2010, 1788). Ein Feststellungsbescheid, der nach Ablauf der Feststellungsfrist ergeht, ist rechtswidrig, wenn er den nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderlichen Hinweis nicht enthält (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 17. August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411; vom 18. März 1998 II R 45/96, BFHE 185, 348, BStBl II 1998, 426; in BFH/NV 2007, 2227; in BFH/NV 2010, 1788; vgl. auch z.B. Klein/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 181 Rz 31). Anders als das FA meint, steht dem nicht entgegen, dass das FA --zu Unrecht-- davon ausgegangen ist, dass die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn ein Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist selbst dann erforderlich, wenn die Verfahrenssituation des FA schwierig ist, weil gerade die Wahrung der Feststellungsfrist streitig ist (BFH-Urteil vom 4. September 2008 IV R 1/07, BFHE 222, 220, BStBl II 2009, 335, m.w.N.).

44

3. Nach alledem kommt es auf die weiter gehenden Erwägungen der Beteiligten und die sonstigen vom FG erörterten Rechtsfragen nicht mehr an.

(1) Für die gesonderte Feststellung gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Steuererklärung im Sinne des § 170 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ist die Erklärung zur gesonderten Feststellung. Wird eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 180 Absatz 2 ohne Aufforderung durch die Finanzbehörde abgegeben, gilt § 170 Absatz 3 sinngemäß. In den Fällen des § 180 Absatz 1a ist keine Erklärung zur gesonderten Feststellung abzugeben; als Steuererklärung nach § 170 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 gilt in diesem Fall die Steuererklärung, für deren Besteuerungszeitraum der Teilabschlussbescheid unmittelbar Bindungswirkung entfaltet.

(2) Eine Erklärung zur gesonderten Feststellung hat derjenige abzugeben, dem der Gegenstand der Feststellung ganz oder teilweise zuzurechnen ist. Erklärungspflichtig sind insbesondere

1.
in den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a jeder Feststellungsbeteiligte, dem ein Anteil an den einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften zuzurechnen ist;
2.
in den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b der Unternehmer;
3.
in den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 jeder Feststellungsbeteiligte, dem ein Anteil an den Wirtschaftsgütern, Schulden oder sonstigen Abzügen zuzurechnen ist;
4.
in den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a und Nummer 3 auch die in § 34 bezeichneten Personen.
Hat ein Erklärungspflichtiger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abgegeben, sind andere Beteiligte insoweit von der Erklärungspflicht befreit.

(2a) Die Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall ist die Erklärung zur gesonderten Feststellung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Erklärungspflichtigen eigenhändig zu unterschreiben.

(3) Die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten oder von Grundsteuerwerten (Feststellungsfrist) beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Einheitswerts oder eines Grundsteuerwerts vorzunehmen ist. Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswerts oder des Grundsteuerwerts abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung oder die Grundsteuerwertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist. Wird der Beginn der Feststellungsfrist nach Satz 2 hinausgeschoben, wird der Beginn der Feststellungsfrist für die weiteren Feststellungszeitpunkte des Hauptfeststellungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 beginnt die Feststellungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn der Einheitswert oder der Grundsteuerwert erstmals steuerlich anzuwenden ist.

(5) Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 außer Betracht. Hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen. § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.