Finanzgericht Köln Urteil, 14. Jan. 2015 - 13 K 2929/12
Tenor
Die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 28. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 werden dahingehend abgeändert, dass eine gewinnmindernde Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen i.H.v. ... € berücksichtigt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderten Steuerfestsetzungen nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten bezüglich der Festsetzung der Körperschaftsteuer – KSt – und des Gewerbesteuermessbetrags – GewStMB – 2004 über die Frage, ob eine Rückstellung wegen noch zu erbringender Verwertungs- und Entsorgungsverpflichtungen von Verpackungen steuermindernd berücksichtigt werden kann.
3Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft „X“ – nachfolgend ebenfalls als Klägerin bezeichnet –, dessen Unternehmensgegenstand im Streitjahr 2004 die privatwirtschaftliche Sammlung, Sortierung und Zuführung zur Wiederverwertung von Papier, Kunststoffen, Gläsern, Weißblech, Verbundverpackungen und ähnlichen Materialien nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) in der im Streitjahr geltenden Fassung (VerpackV i.d.F. vom 21. August 1998) war.
4Nach dem Wegfall der Monopolstellung der Klägerin ist diese ein Systembetreiber i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 9, Abs. 3 VerpackV. Unternehmen im Handel und der Industrie (Vertreiber und Hersteller i.S.d. VerpackV) haben mit der Klägerin Verträge abgeschlossen, welche die Unternehmen von den Rücknahme-, Verwertungs- und Entsorgungspflichten gemäß der VerpackV befreien. Hierfür zahlen die Unternehmen als „Zeichennehmer“ an die Klägerin Lizenzentgelte zur Nutzung der Marke „Y“, dessen Inhaberin die Klägerin ist.
5Die vertraglichen Beziehungen richten sich nach einem gleichlautend mit allen Zeichennehmern abgeschlossenen Zeichennutzungsvertrag – ZNV – für die Marke „Y“. Nach § 1 des Vertrages gestattet die Klägerin die Zeichennutzung auf den Verkaufsverpackungen der Zeichennehmer.
6§ 2 des Vertrages lautet:
7„Auf der Grundlage der Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 sichert das X zu, die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen.“
8§ 3 des Vertrages lautet:
9„Die Zeichennehmerin ist verpflichtet, die Marke auf jeder angemeldeten, den Inlandsverbrauch betreffenden Verpackung in einer für den Endverbraucher sichtbaren Weise und nur in Verbindung mit vom X genehmigten Aussagen aufzubringen. ...“
10§§ 4 bis 7 des Vertrages sehen die Zahlung eines nach Menge und Art aller vom jeweiligen Zeichennehmer in Umlauf gebrachten Verpackungen bemessenen Lizenzentgelts sowie Informations- und Prüfungspflichten vor. Nach § 5 Abs. 3 und 7 des Vertrages haben die Zeichennehmer die Anzahl der in den Verkehr gebrachten Verpackungen in regelmäßigen Abständen zu melden.
11Eine mengen- oder quotenmäßige Begrenzung der Lizenzierung und/oder der Sammlung, Sortierung, Verwertung oder Entsorgung sieht der Vertrag nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in den Betriebsprüfungshandakten – BpHA – befindlichen Mustervertrag (Stand 1. Januar 2005) verwiesen.
12Die Klägerin unterhält ihrerseits vertragliche Beziehungen zu Entsorgungsfirmen – Entsorgungspartnern –, welche gegen Entgelt die Wertstoffe sammeln (erfassen), sortieren, verwerten und entsorgen. Hierzu hat die Klägerin gleichlautende Verträge mit diversen Entsorgungspartnern im gesamten Bundesgebiet geschlossen.
13Nach dem in den BpHA befindlichen (Muster-)Vertrag über Aufbau und Betrieb eines Systems zur Erfassung und Sortierung von gebrauchten Verkaufsverpackungen – Erfassungsvertrag – ist der jeweilige Auftragnehmer (Erfasser/Bereitsteller) zur Erfassung und Bereitstellung aller im jeweiligen Vertragsgebiet anfallenden am System der Klägerin beteiligten Verpackungen verpflichtet. § 2 des Erfassungsvertrages regelt, dass der Entsorgungspartner das System zur Erfassung und Sortierung so zu gestalten und zu betreiben hat, dass mindestens die in der VerpackV festgelegten Erfassungs- und Sortierquoten erreicht werden oder übertroffen werden können. Die erfassten bzw. erfassten und sortierten Wertstoffe werden von Abnehmern (Garantiegebern) verwertet (§ 6 des Erfassungsvertrages). Nach § 7 des Erfassungsvertrages ist die Klägerin zur Zahlung eines gewichtsbezogenen Entgelts an den Entsorgungspartner (Entsorger) verpflichtet. § 9 des Erfassungsvertrages sieht eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit vor, ansonsten verlängert sich der Vertrag um fünf Jahre. Ein Recht, die Sammlung, Erfassung und Bereitstellung der im System befindlichen Verpackungen nach Erreichen einer bestimmten Menge oder Quote zu unterlassen oder eine nach der Quote bemessene Vergütung sieht der Vertrag nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den (Muster-)Vertrag verwiesen.
14Ebenso enthalten spätere Vertragsversionen (vgl. für die Jahre 2012 ff. die Anlagen zur Klagebegründung vom 31. Januar 2013: Vertrag über die Erfassung von Leichtverpackungen; Vertrag über die Sortierung und Verwertung einer variablen Menge von Leichtverpackungen) keine mengen- oder quotenmäßigen Begrenzungen der von den Entsorgungspartnern auf Kosten der Klägerin erbrachten Leistungen.
15In Ausführung von § 6 Abs. 3 VerpackV war die Klägerin durch Verfügungen der Bundesländer (beispielsweise Verfügung des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 1995) verpflichtet, die nach Maßgabe der VerpackV und den dazu ergangenen Anhängen erforderlichen Mindestverwertungs- oder -entsorgungsmengen nachzuweisen und ferner durch ausreichend Bilanzrückstellungen oder Sicherheitsleistungen jährlich nachzuweisen, dass für den Fall einer Systemeinstellung die Verwertung der zu diesem Zeitpunkt im System befindlichen Materialien gewährleistet ist. Nach der – dem Streitjahr zeitlich nachfolgenden – 5. Novelle der VerpackV vom 2. April 2008 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2008, 531) genügt eine bilanzielle Rückstellungsbildung dem Erfordernis der Sicherheitsleistung gem. § 6 Abs. 3 bis 5 VerpackV hingegen nicht mehr (Schreiben des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 2010).
16Die vorgenannte Konzeption bewirkt, dass eine bestimmte Menge an Verpackungen lizenziert wird und anschließend in den Wirtschafts- und Abfallkreislauf – nachfolgend „System“ genannt – gelangt. Aufgrund von Lager-, Nutzungs- und Rücklaufzeiten befinden sich Verpackungen eine gewisse Dauer im System. Die Verweildauer unterscheidet sich für die unterschiedlichen Materialfraktionen und beträgt im Durchschnitt vier Monate. Im Jahre 2004 lag die geringste durchschnittliche Verweildauer einer Materialfraktion bei 8,4 Tagen (Verpackungen für Eier) und die höchste durchschnittliche Verweildauer einer Materialfraktion bei 197,3 Tagen (Verpackungen für Uhren, Schmuck). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zur Verweildauer von Verpackungen vom Dezember 2011 verwiesen.
17Ein bestimmter Anteil lizenzierter Verpackungen gelangt aufgrund diverser Ursachen (z. B. Dauergebrauch, Vernichtung, Entsorgung über den Hausmüll, Verbringung ins Ausland) nicht an die Entsorgungspartner und kann folglich nicht gesammelt, sortiert, verwertet oder entsorgt werden.
18Im Gegenzug landen in den von der Klägerin bereitgehaltenen Sammelsystemen jedoch auch nicht lizenzierte Verpackungen sowie sonstige – nicht verwertungsfähige – Abfälle („Fremdeinwurf“). Der Einwurf beruht teilweise auf Fehlverhalten der Verbraucher, welche nicht lizenzierte Verpackungen oder nicht verwertungsfähige Abfälle gleichwohl in den Sammelsystemen der Klägerin entsorgen. Zum anderen beruht er darauf, dass einige Inverkehrbringer die Lizenzierung mit dem Hinweis, dass die Verwertung und Entsorgung in sog. „geschlossenen Systemen“ erfolgt, unterlassen haben, die in Verkehr gebrachten Verpackungen aber gleichwohl in Sammelsystemen der Klägerin und nicht in anderweitigen Systemen entsorgt wurden. Teilweise beruht der Fremdeinwurf auch darauf, dass Inverkehrbringer die Marke „Y“ ohne Zahlung eines Lizenzentgelts verwendet haben. Zur Vermeidung oder Verringerung von Fremdeinwürfen kontrolliert die Klägerin stichprobenartig etwa an Endverkaufsstellen im Einzelhandel, ob eine ordnungsgemäße Lizenzierung vorlag. Bei Verstößen versucht sie – soweit möglich – Lizenzansprüche gegenüber den Inverkehrbringern geltend zu machen. Die Sammlung nicht verwertungsfähiger Abfälle (bspw. Bauschutt, organische Abfälle, Restmüll) versucht die Klägerin beispielsweise durch ein Wiegen der Tonnen bei der Abholung zu verhindern oder zu vermindern.
19Die vorgenannten Umstände bewirken, dass das „Entsorgungs-Soll“ (aufgrund der Zeichennutzungsverträge) vom „Entsorgungs-Ist“ (aufgrund der Entsorgungsverträge) abweicht. Aus diesem Grunde bildete die Klägerin seit dem Jahre 1992 – so auch im Streitjahr 2004 – jährlich für rückständige Mengen (= im System befindliche, aber noch nicht verwertete oder entsorgte Verpackungen) eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung.
20Im Streitjahr bildete sie in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004 zunächst eine Rückstellung i.H.v. ... €. Aufgrund einer hier nicht im Streit stehenden „ersten“ Betriebsprüfung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B – GKBP B – im Jahre 2009 wurde die Rückstellung um allgemeine Verwaltungskosten auf nunmehr ... € gemindert. Diese Rückstellungshöhe basiert auf den noch zu entsorgenden Verpackungen (Soll-Ist-Abweichung unter Berücksichtigung der verschiedenen Verpackungsarten und der durchschnittlichen Verweildauer der Verpackungen im System) und den dafür geschätzten Kosten (Entsorgungskosten sowie Nebenentgelte und Verwertungskosten). Wegen der rechnerisch unstreitigen Berechnung wird auf das Gutachten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zur Verweildauer von Verpackungen im Dezember 2011 sowie die Kalkulationsbeispiele (Blatt – Bl. – 118 der Gerichtsakte) und die Entwicklung der Rückstellungen (Bl. 119 ff. der Gerichtsakte) gemäß Anlagen K4 bis K6 der Klagebegründung (Bl. 86 ff. d. A.) verwiesen.
21Der Rückstellungsbildung liegen folgende Parameter zugrunde: Im Jahre 2004 wurde gemäß Mengenstromnachweis eine lizenzierte Menge von ... Tonnen in das Duale System der Klägerin eingebracht. Wegen der einzelnen Materialfraktionen wird auf die Anlagen 1 und 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2014 (Bl. 270, 274 der Gerichtsakte) verwiesen. Die eingesammelte Menge beläuft sich auf ... Tonnen (vgl. Bl. 326 der Gerichtsakte), hiervon wurden ... Tonnen der Verwertung zugeführt (vgl. Bl. 327 der Gerichtsakte). Die eingesammelte Menge beträgt demnach 128 % der lizenzierten Menge, wobei sich in der eingesammelten Menge auch nicht lizenzierte aber gleichwohl verwertungsfähige Verpackungen oder nicht verwertbare Abfälle befinden. Deren Anteil ist nicht konkret bezifferbar. Im Gegenzug ist ein Teil der lizenzierten Menge aus verschiedenen Gründen (Dauergebrauch, Verbringung ins Ausland, Vernichtung, Entsorgung im Restmüll oder auf andere Weise) nicht im Auftrag der Klägerin verwertet oder entsorgt worden und wird – ausgehend von den Verhältnissen des Bilanzstichtags 31. Dezember 2004 – auch nicht verwertet oder entsorgt werden.
22Die Klägerin gab die Körperschaftsteuererklärung sowie Gewerbesteuererklärung 2004 im Jahre 2007 beim Beklagten ab und wurde zunächst mit Bescheiden vom 23. Mai 2007 antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung – AO – veranlagt. Der Beklagte legte dabei einen Jahresfehlbetrag von ... € und ein körperschaftsteuerliches zu versteuerndes Einkommen von – ... € zugrunde und setzte die KSt mit ... € sowie den GewStMB mit ... € fest.
23In der Folgezeit erließ er gegenüber der Klägerin nach § 164 Abs. 2 AO bezüglich hier nicht interessierender Punkte geänderte Bescheide. In den Jahren 2008 und 2009 führte die GKBP B bei der Klägerin die zuvor genannte „erste“ steuerliche Betriebsprüfung – Bp – für das Streitjahr 2004 durch. Die hier streitige Rückstellung für Verpflichtungen nach der VerpackV beanstandete die GKBP B dabei dem Grunde nach nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht – Bp-Bericht – vom 13. November 2009 verwiesen. Der Beklagte folgte den Feststellungen und erließ nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide, die Vorbehalte der Nachprüfung blieben bestehen.
24In den Jahren 2008 bis 2011 führte die GKBP B im Rahmen einer primär für die Jahre 2006 und 2007 geführten Bp (vgl. hierzu Bp-Bericht vom 5. September 2011, Bl. 165 ff d. A.) eine erneute Prüfung auch des Streitjahres 2004 durch (vgl. Bp-Bericht vom 11. Juli 2011). Ausweislich Tz. 2.3.12 des Bp-Berichts für 2004/2005 bzw. Tz. 2.3.13 des Bp-Berichts für 2006/2007 vertrat der Betriebsprüfer hierbei die Ansicht, dass eine Rückstellung für Verpflichtungen nach der VerpackV i.H.v. ... € im Streitjahr 2004 gewinnerhöhend aufzulösen sei. In den Folgejahren ergaben sich gegenläufige Auswirkungen (vgl. Bl. 165 R der Gerichtsakte).
25Der Beklagte setzte die Bp-Ergebnisse mit Änderungsbescheiden gem. § 164 Abs. 2 AO vom 28. September 2011 unter Aufhebung der Vorbehalte um. Bei einem Steuerbilanzgewinn von ... € und einem körperschaftsteuerlich zu versteuernden Einkommen (zugleich Gewinn aus Gewerbebetrieb für gewerbesteuerliche Zwecke) von ... € setzte er die KSt nunmehr mit ... € und den GewStMB mit ... € fest.
26Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen, zu deren Begründung sie insbesondere vortrug, eine Rückstellungsbildung sei zulässig. Es bestehe eine hinreichend konkretisierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Nach § 6 Abs. 3 VerpackV sei sie zur Sicherheitsleistung für Entsorgungsverpflichtungen im Falle einer Systemeinstellung verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei sie durch Bildung einer Rückstellung nachgekommen, da ihr andernfalls zum Geschäftsbetrieb benötigte liquide Mittel entzogen worden wären. Ferner sei eine Rückstellung auch bei fortlaufendem Systembetrieb für die im System befindlichen, noch nicht eingesammelten Verpackungen zulässig.
27Der Beklagte wies den Einspruch durch zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er gleichlautend zur Bp – zusammengefasst – aus: Die Voraussetzungen für eine Rückstellung gem. Richtlinie 5.7 Abs. 2 der Einkommensteuerrichtlinien – EStR – 2008 lägen nicht vor. Voraussetzung für eine Rückstellung sei, dass eine ihrer Entstehung oder ihrer Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung bestehe, die vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sei. Ferner müsse mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen sein, außerdem dürften die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.
28Eine Rückstellung wegen Einstellung des Systembetriebs komme hiernach nicht in Betracht. Es bestehe bereits keine wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung zum Bilanzstichtag, ferner sei eine Inanspruchnahme nicht wahrscheinlich. Eine Einstellung des Systembetriebs sei zum Bilanzstichtag weder eingetreten und auch nicht wahrscheinlich gewesen. Nach Auskunft des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums erfülle die Rückstellung nach der 5. Novelle der VerpackV zudem nicht mehr das Kriterium einer Sicherheitsleistung, im Übrigen bestehe ohnehin keine steuerliche Bindung an Bilanzierungsanweisungen anderweitiger Behörden.
29Auch könnten Rückstellungen nicht wegen noch zu erbringender Entsorgungsverpflichtungen bei fortlaufendem Systembetrieb anerkannt werden. Eine derartige Verpflichtung nach der VerpackV scheide aus. § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV verpflichte Systembetreiber, hier die Klägerin, zur flächendeckenden Abholung, Verwertung sowie Entsorgung bestimmter Mindestquoten (zwischen 60-75 %) gemäß Anhang I der VerpackV. Die Quote berechne sich nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV nur nach den in den Sammelsystemen erfassten Verpackungen (Anhang I zu § 6 VerpackV), nicht nach allen im Umlauf befindlichen Verpackungen. Die Klägerin habe die Quoten unstreitig erfüllt, weitere Verpflichtungen als Systembetreiberin ergäben sich aus der VerpackV nicht. Nur wenn die Mindestquoten nachweislich nicht erfüllt worden seien, sei eine Rückstellungsbildung zulässig.
30Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Erlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2010 (Az. S 2137 – Fi 10 – V B 1), in dem das Ministerium weder Rückstellungen wegen (möglicher) Einstellung des Systembetriebs, noch Rückstellungen wegen noch zu erbringender Entsorgungsverpflichtungen bei fortlaufendem Systembetrieb für steuerlich zulässig erachtet. Der Erlass wurde zwecks verwaltungsinterner Abstimmung an das Bundesministerium der Finanzen – BMF – sowie die obersten Finanzbehörden der anderen Länder bekanntgegeben.
31Gegen die Versagung der Rückstellung wendet sich die Klägerin mit der Klage, zu deren Begründung sie vorträgt: Die Bescheide seien rechtswidrig. Die Bildung einer Rückstellung sei zulässig, jedenfalls könne in gleicher Höhe ein ebenso gewinnmindernder passiver Rechnungsabgrenzungsposten – pRAP – gebildet werden.
32Die Voraussetzungen für eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – seien gegeben.
33Zum einen dürfe eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten aus Vertrag gebildet werden.
34Zum 31. Dezember 2004 habe sie – die Klägerin – ca. 19.000 Verträge mit Zeichennehmern gemäß den ZNV (Zeichennutzungsverträgen) geschlossen. Es handele sich um Dauerschuldverhältnisse, welche eine fortwährende Befreiung der Zeichennehmer nach § 6 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Anhang I der VerpackV vorsähen. Nach den Verträgen sei sie zur Entsorgung von 100 % der tatsächlich erfassten Mengen an Verpackungen verpflichtet. Dies folge aus § 2 der ZNV. Dessen genaue Formulierung („...die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass ... die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen.“)“ sei so auszulegen, dass die auf den Systembetreiber delegierten Verwertungs- und Entsorgungspflichten gleichlaufend mit den sonst bestehenden – umfassenden – Primärpflichten der Hersteller oder Vertreiber gemäß der VerpackV seien. Jene Verpflichtungen seien unabhängig von den Mindestmengen nach Anhang I Nr. 1 zu § 6 VerpackV, da das KrW-/AbfG sowie die VerpackV – ihrem Gesetzeszweck folgend – eine vollständige Rücknahme sowie Verwertung oder Entsorgung vorsähen.
35Entgegen der Ansicht des Beklagten würden die Zeichennehmer nicht bereits mit der Teilnahme am dualen System von ihren Verpflichtungen nach der VerpackV befreit. Die Verpflichtung gem. § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV entfalle nur bei Systemen, welche die Anforderungen nach Anhang I der VerpackV erfüllen. Anhang I Nr. 1 Abs. 5 zu § 6 VerpackV verlange aber eine vollständige Verwertung/Entsorgung aller Verpackungen. Dies überzeuge auch im Vergleich zur sonst bestehenden (primären) Selbstentsorgungsverpflichtung der Zeichennehmer. Diese Verpflichtung dürfe nach der Gesetzessystematik und der Produktverantwortung gem. § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbG (in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung) nicht durch eine Delegation von Pflichten auf die Klägerin als Systembetreiberin umgangen werden. Für eine umfassende, d.h. nicht mengen- oder quotenmäßig begrenzte Pflicht zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung spreche auch der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV, welcher eine flächendeckende und regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen vorschreibe.
36Die vorgenannte aus dem Vertrag i.V.m. der VerpackV folgende umfassende Pflicht beziehe sich – so die Klägerin – auch auf die Verwertung und/oder Entsorgung nicht lizenzierter Verpackungen sowie anderer nicht verwertungsfähiger Abfälle. Die VerpackV folge bei zutreffender Auslegung keinem strengen Verursacherprinzip. Hierfür spreche bereits § 6 Abs. 1 Satz 4 VerpackV, der eine (Primär-)Verpflichtung der Vertreiber für Verpackungen der Art, Form und Größe und Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führe, vorschreibe. Eine strenge Unterscheidung zwischen selbst in das System eingebrachter Verpackungen und Verpackungen anderer Vertreiber erfolge nicht. Überdies sei eine solche Unterscheidung auch tatsächlich nicht möglich. Im Ergebnis führe dies dazu, dass sie – die Klägerin – als Systembetreiberin auch die Verantwortung für nicht lizenzierte Verpackungen oder sonstige Abfälle treffe, die sich in ihren Sammelbehältern befinden. Diese Verpflichtung zeige sich auch an Ordnungsverfügungen der örtlichen Abfallwirtschaftsämter, beispielsweise der in der mündlichen Verhandlung überreichten Verfügung des Landratsamts A vom 7. Juli 2006. Neben der rechtlichen Pflicht sei auch ihr tatsächliches Verhalten auf eine Verwertung oder Entsorgung aller zurücklaufenden Verpackungen gerichtet.
37Auch sei eine Inanspruchnahme wahrscheinlich. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – verlange, dass mehr Gründe für eine Verpflichtung als dagegen sprechen. Hier bestehe eine vertragliche Pflicht aus den ZNV. Es sei davon auszugehen, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Zeichennehmer zur Verwertung aller Verpackungen über § 2 der ZNV auch auf die Klägerin durchschlage.
38Die Verpflichtung sei auch wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht worden. Der BFH verlange, dass der Tatbestand im Wesentlichen verwirklicht sowie eng mit dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr verknüpft sei. Hier entstünden die Verpflichtungen mit Übernahme der Produktverantwortung, diese entstehe bereits im Zeitpunkt der Markteinführung der Verpackungen durch den Hersteller oder Vertreiber ins System. Die zeitlich spätere Rückführung sei für die Produktverantwortung unerheblich. Hierfür spräche auch, dass sie – die Klägerin – ihr Lizenzentgelt gem. §§ 4 f. der ZNV bereits mit der Verwendung des Markenzeichnens durch den Lizenznehmer bei Inverkehrbringung erhalte. Ihre wirtschaftliche Verpflichtung auf Entsorgung bestehe bereits in diesem Zeitpunkt. Andernfalls würde die Klägerin einen Gewinn ausweisen, den sie nicht erwirtschaftet habe. Ähnlich wie bei der Entsorgung von Altbatterien sei es überzeugend, für Zwecke der Rückstellungsbildung bereits auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens abzustellen, da in diesem Zeitpunkt bereits die grundsätzliche Rechtspflicht zum Einsammeln, Sortieren, Verwerten und Entsorgen bestehe.
39Die Rückstellung rechtfertige sich ferner aus der Rechtsprechung des BFH zum Erfüllungsrückstand bei Vertragsbeziehungen. Bereits mit Lizenzierung der Verpackungen sei ihr das Lizenzentgelt zugeflossen, im Gegenzug bestehe ihre Verpflichtung zum Einsammeln sowie zur Verwertung und Entsorgung. Aufgrund der Verweildauer von Verpackungen im System (nach GVM-Gutachten durchschnittlich 4 Monate) befinde sich die Klägerin aber zum Bilanzstichtag im Erfüllungsrückstand für bereits in das System eingebrachte, aber noch nicht wieder eingesammelte Verpackungen.
40Auch der Höhe nach sei die Rückstellung nicht zu beanstanden, wie sich aus den als Anlagen zur Klagebegründung beigefügten Berechnungsparametern (Vergleich von Soll- und Ist-Werten; Ermittlung durchschnittlicher Verwertungs- oder Entsorgungskosten) ergebe.
41Zum anderen dürfe eine Rückstellung wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtung gebildet werden. Die Rechtsprechung gestatte die Rückstellungsbildung, wenn eine konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtung und eine Sanktionierung bei Nichterfüllung bestehe. Dies sei hier gegeben. Die Primärverpflichtung der Hersteller oder Vertreiber gemäß § 6 Abs. 1, 2 VerpackV gehe durch § 6 Abs. 3 VerpackV als Sekundärpflicht auf sie als Systembetreiber über. Die Erfüllung der Pflichten sei auch sanktionsbewährt, etwa gem. § 15 Nr. 8-13 VerpackV oder § 6 Abs. 4 Satz 1 VerpackV. Bei Nichterfüllung drohe ihr ein Bußgeld oder ein (teilweiser) Widerruf der Betriebsgenehmigung, sie – die Klägerin – werde auch laufend durch Behörden kontrolliert.
42Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehe auch öffentlich-rechtlich eine Verpflichtung zum Einsammeln, Verwerten und Entsorgen aller Verpackungen. Zwar verlange Anhang I Nr. 1 Abs. 5 zu § 6 VerpackV nur, die tatsächlich erfasste Abfallmenge (= gesammelte Menge) zu verwerten. Diese Regelung konkretisiere aber nur eine weitergehende Pflicht, da der Verordnungsgeber keine Pflicht zur Verwertung von nicht sammelbaren Verpackungen, etwa im Falle der Verbringung in das Ausland oder der Vernichtung vor der Verwertung oder Entsorgung regeln könne. Statistisch zeige sich aber, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Menge der eingesammelten Verpackungen sogar über der Menge der lizenzierten Verpackungen liege. Ursache sei insbesondere die Entwicklung verschiedener dualer Systeme nach Beendigung der Monopolstellung der Klägerin, zunehmende Möglichkeiten der Selbstentsorgung und Branchenlösungen sowie die Tatsache, dass „Trittbrettfahrer“ nicht lizenzierte Verpackungen gleichwohl einer Verwertung in den Sammelbehältern der Klägerin zuführen.
43Unabhängig von der Rückstellungsbildung sei jedenfalls die Bildung eines pRAP gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in gleicher Höhe möglich. Die Bildung eines pRAP bezwecke die periodengerechte Abgrenzung von Einnahmen bei gegenseitigen Verträgen und einem zeitlichen Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung. Neben gegenseitigen Verträgen i.S.d. §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – sei ein pRAP auch bei ähnlichen Vertragsverhältnissen, etwa bei der Forfaitierung bei Leasinggeschäften, möglich, wenn nach dem Realisationsprinzip eine Abgrenzung von Erlösen geboten sei. Dies sei hier der Fall. Zwar habe die Klägerin ihre im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht aus den ZNV bereits mit Lizenzierung und Freizeichnung des Zeichennehmers erfüllt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei aber entscheidend, dass die Klägerin alle lizenzierten Verpackungen in der Folgezeit entsorge. Es würde gegen das Realisationsprinzip verstoßen, wenn das Lizenzentgelt voll erfasst werden würde, obwohl in diesem Fall noch nicht alle Entsorgungsverpflichtungen erfüllt seien.
44Die Klägerin beantragt,
45die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 28. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 dahingehend zu ändern, dass eine gewinnmindernde Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen i.H.v. ... € berücksichtigt wird.
46Der Beklagte beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren.
49Ergänzend trägt er vor, eine zivilrechtliche Verpflichtung bestehe nicht. Die gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Klägerin und Zeichennehmern nach den ZNV beträfen nur das Lizenzentgelt und die Freistellung von der Entsorgungsverpflichtung. Eine Pflicht zur Verwertung oder Entsorgung aller vom Zeichennehmer in Verkehr gebrachten und noch nicht zurückgeführten Verpackungen regele der Vertrag hingegen nicht. Die Hersteller würden bereits durch ihre Beteiligung am System gem. § 6 Abs. 3 VerpackV von ihren Pflichten befreit. Die Klägerin wiederum habe nur Mindestquoten zu erbringen, um ihren Status als Systembetreiberin zu erhalten. Solange dieser Status bestehe, falle die Entsorgungsverpflichtung nicht auf die Zeichennehmer zurück, sie könnten sich sicher sein, nicht mehr für die Entsorgung in Anspruch genommen zu werden. Aus diesem Grunde seien die Vertragspflichten bereits in diesem Zeitpunkt (Erreichen der Mindestquoten) erfüllt. Ob die Klägerin darüber hinausgehend weitere Verpackungen verwerte und entsorge, sei mangels rechtlicher Verpflichtung für die Rückstellungsbildung unerheblich. Da das Lizenzentgelt für die Nutzung der Marke „Y“ und die Befreiung von der Entsorgungsverpflichtung gezahlt werde, nicht hingegen für die Entsorgung aller Verpackungen, bestehe auch kein Erfüllungsrückstand. Aus diesem Grunde könnten weder eine Rückstellung noch ein pRAP gebildet werden.
50Auch bestehe keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Er – der Beklagte – bestreite nicht die Pflicht der Klägerin, tatsächlich eingesammelte Verpackungen zu verwerten oder zu entsorgen. Insoweit habe er die Aufwendungen anerkannt, auch könne insoweit eine Rückstellung (beispielsweise für eingesammelte, aber noch nicht verwertete oder entsorgte Verpackungen) gebildet werden. Streitgegenständlich sei hier jedoch die Verpflichtung zur Verwertung oder Entsorgung noch nicht eingesammelter Verpackungen. Die VerpackV sehe die Verpflichtung zur Verwertung und Entsorgung nur für tatsächlich erfasste (= eingesammelte) Verpackungen, nicht hingegen für noch im System befindliche Verpackungen vor. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus den Verfügungen der Landesministerien zur Sicherheitsleistung. Auch soweit Behörden in der Vergangenheit vor der 5. Novelle der VerpackV eine Rückstellungsbildung als Sicherheitsleistung für den Fall der Betriebseinstellung zugelassen haben, bestehe alleine deshalb keine steuerliche Bindung. Im Übrigen hätte die Klägerin, sofern sie einen Geldbetrag als Sicherheit hinterlegt hätte, diesen nicht gewinnmindernd geltend machen können, mithin könne sich auch insoweit eine Rückstellung nicht gewinnmindernd auswirken.
51In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Voraussetzungen einer Rückstellungsbildung sowie die zugrunde liegenden Rechtsfragen in der Auslegung der Verträge sowie der VerpackV nebst Anhang I mit den Beteiligten intensiv erörtert. Das Gericht hat die Beteiligten auf das Urteil der Ersten Kammer des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Mai 2007 (EuG, Urteil vom 24.05.2007, T-151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris) hingewiesen.
52Entscheidungsgründe
53Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Änderungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens (§ 8 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG –) und der darauf beruhenden (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG –) Ermittlung des Gewerbeertrags zu Unrecht eine Rückstellung i.H.v. ... € nicht anerkannt. Entgegen dessen Ansicht liegen die Voraussetzungen für eine Rückstellung gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG vor.
54Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für die steuerliche Ermittlung maßgeblich, soweit sich aus steuerrechtlichen Vorschriften oder Wahlrechten (§ 5 Abs. 2-6 EStG) nichts anderes ergibt.
55Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dürfen gebildet werden für Verpflichtungen gegenüber Dritten oder für hinreichend konkretisierte und sanktionierte öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss sind. Die Verpflichtung muss ferner entweder rechtlich bereits entstanden oder zumindest wirtschaftlich in der Vergangenheit, d.h. bis zum Bilanzstichtag, verursacht sein. Außerdem muss eine Inanspruchnahme wahrscheinlich sein und es darf kein Passivierungsverbot (vgl. etwa § 5 Abs. 3, 4, 4a, 4b EStG) bestehen (vgl. zum Ganzen Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 361 ff.; Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 680 ff., jeweils m.w.N.).
56Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
571. Die Klägerin unterliegt – sowohl bei fortlaufendem Systembetrieb als auch bei Systemeinstellung – einer umfassenden Verpflichtung zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung von im System befindlichen und erst nach dem Bilanzstichtag zurücklaufenden Verkaufsverpackungen.
58a. Eine solche Pflicht ergibt sich bereits aus den Zeichennutzungsverträgen (ZNV).
59aa. Nach § 2 der ZNV sichert die Klägerin zu, die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen. Diese Klausel regelt keine mengen- oder quotenmäßige Beschränkung. In gleicher Weise ist auch den übrigen Klauseln der ZNV nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die Sammlung, Sortierung und Verwertung ab einem bestimmten Zeitpunkt einstellen dürfte. Vielmehr ist aus der in § 3 der ZNV geregelten umfassenden Pflicht zur Zeichennutzung und der in den §§ 4 ff. der ZNV geregelten Vergütung zu folgern, dass die Klägerin zur Bereithaltung von Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungskapazitäten für sämtliche lizenzierte Verkaufsverpackungen verpflichtet ist, da sämtliche in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen gekennzeichnet werden müssen und sich auch die der Klägerin zustehenden Vergütung nach der Gesamtmenge – und nicht etwa nach einer Quote – der in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen richtet.
60bb. Für eine umfassende Verpflichtung spricht überdies der in § 2 der ZNV enthaltene Verweis auf die VerpackV, deren Inhalt auf diese Weise in die ZNV inkorporiert wird. Eine umfassende Verpflichtung ergibt sich dabei – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch direkt aus den Vorschriften der VerpackV (nebst Anhang) in der im Streitjahr geltenden Fassung.
61Nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VerpackV sind Vertreiber und Hersteller verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbare Nähe unentgeltlich zurückzunehmen, einer Verwertung entsprechend den Anforderungen in Nummer 1 des Anhangs I zuzuführen und die Anforderungen nach Nummer 2 des Anhangs I zu erfüllen. Die VerpackV regelt damit eine umfassende, nicht auf eine Quote beschränkte Rücknahmepflicht. Dies überzeugt auch vor dem Hintergrund, dass die VerpackV als Rechtsverordnung auf § 22 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 4 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz; KrW-/AbfG) in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung (heute: § 23 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen – Kreislaufwirtschaftsgesetz) beruht und diese gesetzliche Grundlage – einer umfassenden Produktverantwortung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG) folgend – keine Beschränkungen vorsieht. Derartige Beschränkungen würden dem Gedanken der Produktverantwortung sowie dem Gedanken des Umweltschutzes (vgl. auch § 1 VerpackV) evident widersprechen.
62Die vorgenannte umfassende Rücknahmepflicht besteht auch bei der Systemteilnahme und trifft vorliegend die Klägerin. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV entfallen die Verpflichtungen der Vertreiber und Hersteller gem. § 6 Abs. 1, 2 VerpackV bei Teilnahme an einem System, das flächendeckend eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise gewährleistet und die im Anhang I genannten Anforderungen erfüllt. Mit der Formulierung „in ausreichender Weise“ in § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV wird ebenso hinreichend deutlich, dass die Sammlung, Sortierung und Verwertung sich nach dem tatsächlichen Umlauf der im System befindlichen Verkaufsverpackungen richtet und keiner mengen- oder quotenmäßigen Beschränkung unterliegt.
63Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Anhang I zu § 6 VerpackV. Die Klägerin unterliegt als Systembetreiber den allgemeinen Anforderungen gem. Nr. 3 des Anhangs I zu § 6 VerpackV. Nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV müssen die Sammelsysteme geeignet sein, alle (!) am System beteiligten Verpackungen regelmäßig zu erfassen. Nach Nr. 3 Abs. 3 Nr. 1 des Anhangs I zu § 6 VerpackV hat ein Systembetreiber sicherzustellen, dass für die in das System aufgenommenen Verpackungen Verwertungskapazitäten tatsächlich vorhanden sind. Gem. Nr. 3 Abs. 3 Nr. 7 des Anhangs I zu § 6 VerpackV muss die Entsorgung der in den Sammeleinrichtungen des Systems tatsächlich erfassten Verpackungen auch im Falle der Einstellung des Systembetriebs gewährleistet sein. In einer Gesamtschau der Bestimmungen der VerpackV nebst Anhang wird deutlich, dass für alle zurücklaufenden Verpackungen eine Sammlungs-, Sortierungs-, Verwertungs- und Entsorgungspflicht besteht.
64Dem vorgenannten Ergebnis folgend wird auch – soweit ersichtlich – in der Kommentarliteratur zum KrW-/AbfG sowie zur VerpackV einhellig von einer umfassenden Pflicht zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung ausgegangen (vgl. etwa Tünnesen-Harmes in Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Kommentar, 2014, § 23 Rn. 41 ff.; Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar, § 6 Rn. 1 ff.).
65Für eine umfassende Pflicht der Klägerin zur Sammlung, Sortierung und Verwertung der rücklaufenden Verbrauchsverpackungen spricht auch das die Klägerin betreffende Urteil der Ersten Kammer des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Mai 2007 (EuG, Urteil vom 24.05.2007, T-151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris), auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich verweist. Das EuG nimmt dort eine umfassende Rücknahme- und Verwertungspflicht nach Anhang I zu § 6 VerpackV an, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Verpackungen handelt, die von Herstellern oder Vertreibern mit Selbstentsorgerlösungen (Primärverpflichtungen) oder mit Teilnahme an einem Systembetrieb (Delegation auf Systembetreiber) in Verkehr gebracht werden (vgl. insbes. Rz. 131, 134 der Entscheidungsgründe). Ein Recht der Klägerin, die Rücknahme der Verpackungen nach einer bestimmten Menge oder Verwertungsquote zu verweigern und/oder die Verwertung einzustellen, erkennt das EuG nicht an.
66cc. Soweit der Beklagte als Kernpunkt seiner Argumentation wiederholt auf die in Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV geregelten Mindestverwertungsquoten (zwischen 60 bis 75 % Masseprozent; Bemessungsgrundlage für die Quotenberechnung ist gem. Nr. 1 Abs. 1 die Summe (aller) im jeweiligen Kalenderjahr in Verkehr gebrachter Verpackungen) verweist, welche für Klägerin wegen des Verweises in § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV auf Nummer 1 des Anhangs I ebenso gelten, ergibt sich hieraus nichts anderes.
67Diese Argumentation beruht auf dem Fehlschluss, dass mit der Normierung einer Verwertungsquote im Umkehrschluss geregelt wäre, dass die Pflichten nach der VerpackV nur in Höhe der Quote bestehen. Tatsächlich besteht jedoch – wie oben unter Hinweis auf die umfassende Produktverantwortung (§ 22 KrW-/AbfG, § 6 Abs. 1 bis 3 VerpackV) ausgeführt und überdies an Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV („...unbeschadet des Absatzes 2....“) erkennbar – eine weitergehende umfängliche Produktverantwortung, welche lediglich um Verwertungsquoten als zusätzliches Kriterium ergänzt wird. Jene Verwertungsquotenregelung soll – den Zielen des KrW-/AbfG und der VerpackV folgend – gewährleisten, dass ein deutlicher Prozentsatz der in einem Jahr in Verkehr gebrachten Verpackungen auch tatsächlich wieder eingesammelt und sodann sortiert und verwertet wird. Sie verhindert, dass große Mengen an Verpackungen deponiert oder anderweitig entsorgt werden (z. B. Zuführung zum Restmüll). Mit der Normierung einer Mindestquote ist indes weder eine Begrenzung (Höchstquote) geregelt, noch kann aus ihr das Recht abgeleitet werden, die kostenträchtige Sammlung und Sortierung der Verpackungen ab dem Erreichen der Verwertungsquote zu unterlassen.
68Gegen die vom Beklagten angeführte Argumentation, wonach die Klägerin nach den ZNV und nach der VerpackV nur zur Sammlung, Sortierung und Verwertung bis zum Erreichen der Mindestquote rechtlich verpflichtet sei und für ein weiteres Tätigwerden keine rechtliche Verpflichtung bestehe, spricht außerdem, dass das tatsächliche Verhalten der Klägerin – unstreitig – auf eine Sammlung, Sortierung und Verwertung aller zurücklaufenden Verkaufsverpackungen gerichtet ist. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen überobligatorisch tätig wird und damit seinen Gewinn bewusst schmälert.
69Gegen die Rechtsauffassung des Beklagten sprechen auch die tatsächlichen Auswirkungen, die sich aus einer auf Erfüllung der Mindestquote beschränkten Rechtspflicht ergeben würden. Würden die Klägerin oder andere Systembetreiber i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV ihre Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungsleistungen bei Erreichen der Mindestquote einstellen, würden Abfallbehälter ab einem kaum vorhersehbaren Zeitpunkt im Jahr nicht mehr geleert oder eingesammelte Verpackungen nicht mehr verwertet werden. Ein derartiger Zustand würde weder den Zielen des KrW-/AbfG und der VerpackV entsprechen, noch dürfte es im Interesse der Landesregierung und des zuständigen Fachministeriums (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) liegen, dass große Mengen an Verkaufsverpackungen ab einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr unkontrolliert im System verbleiben.
70dd. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten im Laufe des Klageverfahrens eingeführten Argumentation, dass Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV zwar eine Verwertung unbeschadet der Quoten des Absatzes 2 regele, diese Verpflichtung aber auf die tatsächlich erfasste Menge begrenzt sei und folglich für erst nach dem Bilanzstichtag zurücklaufende Verpackungen nicht gelte.
71Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht, da der Beklagte die Rückstellungsbildung zunächst mit dem Argument verweigerte, dass gerade keine Rechtspflicht zur Verwertung von Verpackungen oberhalb der Quotenvorgaben bestehe. Mit der auf Absatz 5 gestützten Argumentation scheint der Beklagte doch eine über die Quoten hinausgehende Rechtsverpflichtung anzuerkennen.
72An dieser Rechtspflicht ändert es nichts, dass die sich aus § 22 KrW-/AbfG und der VerpackV ergebende Produktverantwortung einerseits durch eine Quotenregelung (bemessen nach der Menge (aller) in einem Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen) und einer an technischen Möglichkeiten und wirtschaftlicher Zumutbarkeit ausgerichteten weitergehendenden Verwertungspflicht (bezogen jedoch nur auf die tatsächlich (!) erfasste Menge an Verpackungen) flankiert wird. Ob eine Rechtspflicht früher oder später entsteht ist für die Einordnung als Rechtspflicht zunächst unerheblich. Zu der sich vielmehr stellenden Frage, ob die (erst bei tatsächlichem Rücklauf) eintretende Pflicht eine Rückstellungsbildung bereits im Kalenderjahr des Inverkehrbringens ermöglicht, verweist der Senat auf die nachfolgenden Ausführungen zur wirtschaftlichen Verursachung.
73ee. Soweit der Beklagte zusätzlich argumentiert, eine Rückstellung könne nur für im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehende Verpflichtungen gebildet werden und gegenseitige Verpflichtungen bestünden im Streitfall nur zwischen Zeichennutzungsgestattung (§ 1 der ZNV) und dem Lizenzentgelt (§ 4 der ZNV), nicht jedoch bzgl. der Pflichten gem. § 2 der ZNV, kann der Senat dem nicht folgen.
74Die Bildung einer Rückstellung setzt eine Verpflichtung gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung voraus; hierbei kann selbst eine Nebenverpflichtung genügen (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 362 f. m.w.N.; BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 147, 8, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1986, 788). Etwas anderes lässt sich auch der jüngeren Rechtsprechung des BFH zur Rückstellungsbildung beim sog. Erfüllungsrückstand nicht entnehmen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BStBl II 2012, 856; X R 48/08, Sammlung der [amtlich nicht veröffentlichten] Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2011, 2032; X R 8/10, BFH/NV 2011, 2035; X R 9/10, Betriebsberater – BB – 2011, 2665; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 317). Hiernach ist geklärt, dass den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des EStG bei der Rückstellungsbildung keine Einschränkung auf wesentliche Verpflichtungen zu entnehmen ist.
75Im Streitfall stellt in die in § 2 der ZNV geregelte Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflicht nach Überzeugung des Senats bereits eine im Gegenleistungsverhältnis zur Lizenzzahlung stehende Hauptleistungspflicht dar, da den Zeichennehmern mit einer bloßen Verwendung der Marke „Y“ nicht gedient ist. Wesentlicher Vertragsbestandteil ist vielmehr auch die Pflicht der Klägerin, für eine ordnungsgemäße Verwertung oder Entsorgung der Verpackungen zu sorgen. Selbst wenn man – abweichend von den vorherigen Ausführungen – von einer (unwesentlichen) Nebenpflicht ausginge, stünde dies einer Rückstellungsbildung nach der o.g. Rechtsprechung nicht entgegen.
76ff. Unerheblich für die Rückstellungsbildung dem Grunde und der Höhe nach ist auch, ob die Klägerin – wie tatsächlich geschehen – den Systembetrieb fortsetzt oder diesen einstellt.
77Die vor allem im Einspruchsverfahren von den Beteiligten thematisierte Unterscheidung von fortlaufendem Systembetrieb und Systemeinstellung ist nicht bedeutsam. Bei fortlaufendem Systembetrieb unterliegt die Klägerin – wie oben geschildert – umfassenden Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflichten. Für den Fall einer Systemeinstellung regeln Nr. 3 Abs. 3 Nr. 7 des Anhangs I zu § 6 VerpackV sowie einzelfallbezogene Verfügungen der Bundesländer, dass eine Verwertung der zum Zeitpunkt der Systemeinstellung im System befindlichen Materialien finanziell zu gewährleisten ist (vgl. etwa die in den BpHA befindliche Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 12. September 1994).
78Da sich die umfassenden Pflichten der Klägerin bereits aus § 6 der VerpackV nebst Anhang ergeben, kommt es auf die genauen Formulierungen in den Anordnungen der Landesministerien nicht an. Das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil vom 28. Oktober 1970 (I R 116/67, BFHE 100, 387, BStBl II 1971, 71), wonach die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte an die Anordnungen anderer Behörden bei der steuerlichen Beurteilung nicht gebunden sind, wenn diese steuerrechtlichen Vorschriften entgegen stehen, ändert daran nichts. Jenes Urteil hätte nur in dem Fall Relevanz, wenn außersteuerliche Vorschriften eine Rückstellungsbildung vorschreiben, steuerrechtliche Vorschriften diese aber unterbinden. Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hingegen vor. Ob eine Rückstellungsbildung die Voraussetzungen einer behördlich angeordneten Sicherheitsleistung erfüllt und ob die Voraussetzungen durch die – erst nach dem Streitjahr erlassene – 5. Novelle der VerpackV verändert wurden lassen die steuerrechtliche Beurteilung unberührt.
79Vor diesem Hintergrund vermag auch die Argumentation des Beklagten nicht zu überzeugen, dass die Klägerin eine Sicherheitsleistung (im Sinne einer Liquiditätsreserve) nicht gewinnmindernd hätte geltend machen können und dies auf die Rückstellungsbildung durchschlage.
80gg. Ohne Auswirkung auf die Rückstellungsbildung dem Grunde und der Höhe nach bleibt im Streifall der Umstand, dass einerseits ein gewisser Anteil der lizenzierten Verpackungen nicht an die Klägerin (bzw. an die von ihr beauftragten Entsorgungspartner) zurückfließt, andererseits aber unlizenzierte Verpackungen sowie nicht verwertungsfähige Abfälle in die Sammelsysteme gelangen.
81Entsprechend der mit Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2014 vorgelegten Unterlagen steht unstreitig fest, dass die zurücklaufende Menge aufgrund des „Fehleinwurfs“ im Streitjahr die lizenzierte Menge übersteigt (Verwertungsquote 128 %). Außerdem unternimmt die Klägerin unstreitig erhebliche Anstrengungen, um den Fehleinwurf, insbesondere solchen von nicht verwertungsfähigen Abfällen, zu verhindern. Der aus tatsächlichen Gründen verbleibende Fehleinwurf stellt nach Auffassung des Senats eine zwangsläufige Nebenfolge des von der Klägerin betriebenen Sammelsystems dar. Aufgrund der von Entsorgungspartnern im Auftrag der Klägerin betriebenen Sammelsysteme unterliegt die Klägerin für die in diese eingebrachten Verpackungen ebenso einer Verwertungs- oder Entsorgungspflicht.
82Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob diese Pflicht bereits aus den ZNV selbst (da die Zeichennehmer andernfalls entgegen § 2 der ZNV nicht umfänglich von ihren Pflichten nach der VerpackV befreit worden wären), aus den Entsorgungsverträgen (da die Entsorgungspartner im Auftrag der Klägerin alle in den Sammelbehältern befindlichen Inhalte sammeln, sortieren, verwerten oder entsorgen), aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung (vgl. in diesem Sinne etwa die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ordnungsverfügung des Landratsamt A vom 7. Juli 2006, welche die Klägerin auf Grundlage von § 21 KrW-/AbfG i.V.m. § 6 Abs. 3 VerpackV zur Verwertung und Beseitigung von Sortierresten auffordert) oder aus bloßer faktischer Verpflichtung (vgl. zur Rückstellungsbildung in solchen Fällen Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 EStG Rn. 362; Tiedchen in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 684 (Februar 2014)) folgt.
83Für eine solche Verpflichtung spricht insbesondere, dass die auf Grundlage des § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG erlassene VerpackV keine individuelle Produktverantwortung in dem Sinne regelt, dass es auf die einzelne (!) in Verkehr gebrachte Verpackung ankäme (vgl. Tünnesen-Harmes in Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Kommentar, 2014, § 23 Rn. 44; Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar, § 6 Rn. 3 ff.). Vielmehr bestand vor Erlass der – nach den Streitjahren ergangenen – 5. Novelle der VerpackV ein hoher Anteil sog. „Trittbrettfahrer“ mit sog. Fehleinwurf. Dieser war – soweit verwertungsfähige Verpackungen den Sammelsystemen der Klägerin zugeführt wurden – zunächst zur Erreichung der in der in Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV geregelten Verwertungsquoten willkommen, da es zur Erfüllung der Mindestquote nicht darauf ankam, ob vom Systembetreiber lizenzierte Verpackungen oder fremde Verpackungen verwertet wurden (so ausdrücklich EuG, Urteil vom 24.05.2007, T‑151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris, Rn. 108, 116, 131 der Entscheidungsgründe). In der Folgezeit nahm der Anteil des Fehleinwurfs hingegen dermaßen zu, dass Systembetreiber erheblich benachteiligt wurden. Mit der später erlassenen 5. Novelle der VerpackV vollzog sich sodann Systemwechsel mit Einführung einer grundsätzlichen Pflicht zur Beteiligung an einem dualen System (vgl. Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar , § 6 Rn. 2 ff.).
84b. Unabhängig von den Zeichennutzungsverträgen ergibt sich eine die Rückstellungsbildung rechtfertigende Pflicht zur Bezahlung einer umfassenden Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung auch aus den zwischen der Klägerin und den Entsorgungspartnern geschlossenen Verträgen.
85Die Klägerin hat zur Erfüllung ihrer Pflichten gem. § 2 der ZNV eine Vielzahl von Verträgen mit Entsorgungspartnern im jeweiligen Vertragsgebiet (Gemeindegebiet) zur Sammlung (Erfassung) und Sortierung sowie zur anschließenden Verwertung bzw. Entsorgung der zurücklaufenden Materialien abgeschlossen. Durch die Verträge ist eine regelmäßige Abholung nebst nachfolgender Sortierung und Verwertung gewährleistet. Jene Verträge sehen – wie im Tatbestand geschildert – keine an der Mindestquote der Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV orientierte Begrenzung der Sammlung und Sortierung vor.
86Durch die Erfassungsverträge ergibt sich vielmehr, dass die Entsorgungspartner im Auftrag der Klägerin alle zurücklaufenden Verpackungen sammeln (erfassen) und sortieren und diese dann dem vereinbarten Abnehmer (Verwerter) bereitstellen. Die Klägerin hat den Entsorgungspartnern gewichtsbezogene Entgelte für alle eingesammelten und sortierten Verpackungen zu zahlen. Über Kündigungsfristen von 12 Monaten (vgl. § 9 des Erfassungsvertrages) ist sichergestellt, dass eine Sammlung und Sortierung selbst nach einer Kündigung des Vertrages noch über einen Zeitraum erfolgt, welcher die durchschnittliche Verweildauer von Verpackungen im System (nach GVM-Gutachten durchschnittliche Verweildauern der Materialfraktionen in 2004 zwischen 8,4 Tagen (Verpackungen für Eier) und 197,3 Tagen (Verpackungen für Uhren, Schmuck); durchschnittliche Verweildauer: 4 Monate) deutlich übersteigt. Hieran zeigt sich, dass sich die Klägerin selbst im Falle einer Kündigung der Sammlung und Sortierung aller im System befindlichen Verpackungen mit der nachfolgenden Verwertung nicht entziehen kann.
87c. Unabhängig von den Zeichennutzungsverträgen und den mit den Entsorgungspartnern geschlossenen Verträgen ergeben sich die in Streit stehenden umfassenden Verwertungs- und Entsorgungspflichten auch unmittelbar aus der VerpackV.
88Wie zuvor geschildert, stellt die VerpackV (i.d.F. vom 21. August 1998) eine die umfassende Produktverantwortung gem. § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG (i.d.F. vom 27. September 1994) konkretisierende Rechtsverordnung dar. Den Zielen von § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG und § 1 VerpackV ist demnach – wie oben ausgeführt – nur entsprochen, wenn alle tatsächlich in das System gebrachten Verpackungen nach ihrem Gebrauch gesammelt sowie verwertet bzw. entsorgt werden.
89Soweit die Rechtsprechung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eine hinreichende Konkretisierung und Sanktionierung verlangt (vgl. hierzu Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 695 m.w.N. (Februar 2014)), liegen diese Voraussetzungen auch im Streitfall vor. Die zuvor beschriebenen Pflichten der VerpackV nebst Anhang weisen einen hohen Detaillierungsgrad auf. Die Erfüllung der Pflichten wird laufend von den zuständigen Behörden kontrolliert. Im Falle eines Verstoßes ergeben sich weitgehende Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten gem. § 6 Abs. 3, 4 sowie § 15 der VerpackV.
902. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die vorgenannten Pflichten zum Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden sind. Jedenfalls ist die Verpflichtung der Klägerin zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung aller zurücklaufenden Verpackungen zum Bilanzstichtag bereits wirtschaftlich verursacht.
91Aus dem Wesen der Rückstellung als Bilanzposten zur periodengerechten Gewinnabgrenzung folgt, dass die dem Grunde oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag entweder bereits rechtlich entstanden ist oder jedenfalls ein Vergangenheitsbezug dergestalt besteht, dass die Verbindlichkeit zwar nicht rechtlich, aber bereits wirtschaftlich verursacht ist. Eine Verbindlichkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann wirtschaftlich verursacht, wenn der Tatbestand, von dessen Verwirklichung die Entstehung abhängt, im Wesentlichen verwirklicht ist und die Verbindlichkeit damit so eng mit dem abgelaufenen oder einem vorhergehenden Wirtschaftsjahr verknüpft ist, dass es gerechtfertigt erscheint, sie wirtschaftlich als eine am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zu behandeln (vgl. zum Ganzen Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 700 ff. m.w.N.).
92Für eine (zunächst aufgrund brancheneigener Erklärung nur freiwillige, später im Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren – Batteriegesetz – vom 25. Juni 2009 verankerte) Verpflichtung zur Entsorgung von Altbatterien hat der BFH mit Urteil vom 10. Januar 2007 (I R 53/05, BFH/NV 2007, 1102; zuvor bereits BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205) entschieden, dass das Inverkehrbringen einer der Rücknahme unterliegende Ware bereits die wesentliche wirtschaftliche Ursache für die spätere Rücknahme darstellt. Die Notwendigkeit einer Rücknahme zur Sicherstellung einer fachgerechten Entsorgung sei die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der Batterien. In diesem Zusammenhang betont der BFH, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gäbe, wonach die Bildung von Rückstellungen stets ausgeschlossen wäre, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit noch vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205).
93Dieser Rechtsprechung folgend wird eine auch eine Rückstellungsbildung zur Rücknahme von Altautos (vgl. hierzu Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rz. 376), von Mehrwegpaletten (vgl. hierzu Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. September 2010 2 K 2467/08, EFG 2011, 149) oder von Elektro- und Elektronikgeräten (vgl. Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 704 „Rücknahmeverpflichtungen“ m.w.N. (Stand Februar 2014)) zugelassen. Gleiches vertritt die Kommentar- und Aufsatzliteratur auch für Verpflichtungen nach der VerpackV (vgl. Tiedchen, a.a.O. sowie Berizze/Guldan, DB 2007, 645).
94In Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall stellt das Inverkehrbringen der Verpackungen nach Überzeugung des Senats die wesentliche Ursache dar, welche die nach Rücklauf der Verpackung entstehende Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflichten auslösen. Es erscheint, insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin bereits mit dem Inverkehrbringen ein Lizenzentgelt erhält, zur periodengerechten Gewinnabgrenzung als gerechtfertigt, bereits im Jahr des Inverkehrbringens die Pflichten nach der VerpackV als wirtschaftlich am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeiten zu behandeln.
95Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV. In der Zusammenschau mit Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV zeigt sich zwar, dass sich die Quotenverpflichtung nach der Summe aller im Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen richtet und die darüber hinausgehende Pflicht nach Absatz 5 auf die tatsächlich erfasste Menge beschränkt ist. Gleichwohl konkretisiert – wie die Klägerin zutreffend anführt – die Pflicht nach Absatz 5 nur die schon zuvor bestehende (umfassende) Produktverantwortung. Selbst wenn man – dem Beklagten folgend – annimmt, dass diese Pflicht erst mit dem tatsächlichen Rücklauf entsteht, steht dies einer Rückstellungsbildung für nach dem Bilanzstichtag zurücklaufende Verpackungen nicht entgegen. Der Senat stützt die Rückstellungsbildung – den vorgenannten Entscheidungen des BFH folgend – gerade nicht auf die rechtliche Entstehung der Pflicht, sondern deren wirtschaftliche Verursachung. Da sich die wirtschaftliche Verursachung nach dem Inverkehrbringen richtet, ist der – ohnehin schwer vorhersehbare – Zeitpunkt des Rücklaufs unerheblich.
96Dem vorgenannten Ergebnis stehen auch die im BFH-Urteil vom 8. November 2000 (I R 6/96, BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 570) aufgestellten Grundsätze nicht entgegen. Der BFH hat dort in einem speziellen Fall zur Entsorgung eigenen Abfalls entschieden, dass ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse besteht und eine Rückstellungsbildung ausscheidet. Der hier zu entscheidende Fall für Pflichten nach der VerpackV unterscheidet sich bereits dadurch, dass fremder Abfall eingesammelt, sortiert und verwertet wird.
973. Eine Inanspruchnahme der Klägerin ist auch wahrscheinlich.
98Über die rechtliche Entstehung bzw. wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit hinaus muss auch die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich sein. Dies ist nach herrschender Meinung dann der Fall, wenn mehr Gründe für eine Inanspruchnahme als dagegen sprechen. Hierbei sind insbesondere betriebsindividuelle und branchentypische Erfahrungen mit einzubeziehen. Bei vertraglichen Verpflichtungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gläubiger seine Rechte kennt und von ihnen Gebrauch macht. Bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen wird eine Inanspruchnahme bei rechtlich bestehenden und tatsächlich praktizierten behördlichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten zu bejahen sein (vgl. zum Ganzen Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 694, 695 m.w.N.).
99Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Da der Senat bereits vertragliche Verpflichtungen nach den ZNV sowie den Entsorgungsverträgen bejaht, ist die Inanspruchnahme der Klägerin dadurch wahrscheinlich, dass die Zeichennehmer bzw. Entsorgungspartner ihre Rechte kennen und von ihnen Gebrauch machen. Überdies bestehen – wie zuvor geschildert – konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die laufend von den zuständigen Behörden überwacht und im Falle eines Verstoßes auch sanktioniert werden.
1004. Ein Passivierungsverbot greift im Streitfall nicht ein, insbesondere liegt kein Fall einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG) oder einer Rückstellung für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind (§ 5 Abs. 4b EStG), vor.
1015. Die Rückstellung ist im Streitfall auch der Höhe nach zutreffend mit ... € bemessen.
102Die zunächst von der Klägerin mit ... € bemessenen Rückstellungen wurden im Rahmen der ersten Betriebsprüfung einvernehmlich um allgemeine Verwaltungskosten gekürzt und auf ... € reduziert. Jene Berechnung beruht auf nachvollziehbaren und zwischen den Beteiligten unstreitigen Berechnungen der Klägerin. Aus diesem Grunde sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
1036. Da der Senat die Voraussetzungen einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rückstellung bejaht, kann er dahinstehen lassen, ob überdies die Voraussetzungen für einen mindestens in gleicher Höhe bestehenden passiven Rechnungsabgrenzungsposten gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Abgrenzung von Einnahmen (hier: Lizenzgebühren) vor dem Abschlussstichtag, die einen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen, vorliegen.
1047. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
105Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.
1068. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO nicht ersichtlich sind. Der Senat weicht mit seiner Rechtsprechung nicht von anderen Gerichten ab, auch hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung des Senats basiert auf der Umsetzung von höchstrichterlich geklärten Grundsätzen zur Rückstellungsbildung auf einen konkreten Einzelfall, hier auf Verpflichtungen aus individuellen Vertragsverhältnissen (Zeichennutzungsverträge sowie Verträge mit Entsorgungspartnern). Das Urteil beruht auf mehreren, für sich jeweils allein die Entscheidung tragenden Auslegungen jener Vertragsverhältnisse. Die Auslegung eines Vertrages im Einzelfall ist keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Köln Urteil, 14. Jan. 2015 - 13 K 2929/12
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Urteil einreichenFinanzgericht Köln Urteil, 14. Jan. 2015 - 13 K 2929/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.
(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.
(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.
(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.
(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.
(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.
(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn
- 1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder - 2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.
(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.
(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.
(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen
- 1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; - 2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- 1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, - 2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.
(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.
(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.
(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.
(4) (weggefallen)
(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.
(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.
(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind
- 1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben; - 2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.
(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:
- 1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; - 2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden; - 3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.
1Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.2Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe
- 1.
des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, - 2.
des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, - 3.
des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien,
(1) Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Ferner sind Rückstellungen zu bilden für
- 1.
im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, - 2.
Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.
(2) Für andere als die in Absatz 1 bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden. Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist.
(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.
(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.
(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn
- 1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder - 2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.
(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.
(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.
(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen
- 1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; - 2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- 1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, - 2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.
(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.
(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.
(1) Wer Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- oder verarbeitet oder vertreibt, trägt zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft die Produktverantwortung. Erzeugnisse sind möglichst so zu gestalten, dass bei ihrer Herstellung und ihrem Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermindert wird und sichergestellt ist, dass die nach ihrem Gebrauch entstandenen Abfälle umweltverträglich verwertet oder beseitigt werden. Beim Vertrieb der Erzeugnisse ist dafür zu sorgen, dass deren Gebrauchstauglichkeit erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.
(2) Die Produktverantwortung umfasst insbesondere
- 1.
die Entwicklung, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die ressourceneffizient, mehrfach verwendbar, technisch langlebig, reparierbar und nach Gebrauch zur ordnungsgemäßen, schadlosen und hochwertigen Verwertung sowie zur umweltverträglichen Beseitigung geeignet sind, - 2.
den vorrangigen Einsatz von verwertbaren Abfällen oder sekundären Rohstoffen, insbesondere Rezyklaten, bei der Herstellung von Erzeugnissen, - 3.
den sparsamen Einsatz von kritischen Rohstoffen und die Kennzeichnung der in den Erzeugnissen enthaltenen kritischen Rohstoffe, um zu verhindern, dass diese Erzeugnisse zu Abfall werden sowie sicherzustellen, dass die kritischen Rohstoffe aus den Erzeugnissen oder den nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfällen zurückgewonnen werden können, - 4.
die Stärkung der Wiederverwendung von Erzeugnissen, insbesondere die Unterstützung von Systemen zur Wiederverwendung und Reparatur, - 5.
die Senkung des Gehalts an gefährlichen Stoffen sowie die Kennzeichnung von schadstoffhaltigen Erzeugnissen, um sicherzustellen, dass die nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle umweltverträglich verwertet oder beseitigt werden, - 6.
den Hinweis auf Rückgabe-, Wiederverwendungs-, Verwertungs- und Beseitigungsmöglichkeiten oder -pflichten und Pfandregelungen durch Kennzeichnung der Erzeugnisse, - 7.
die Rücknahme der Erzeugnisse und der nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle sowie deren nachfolgende umweltverträgliche Verwertung oder Beseitigung, - 8.
die Übernahme der finanziellen oder der finanziellen und organisatorischen Verantwortung für die Bewirtschaftung der nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle, - 9.
die Information und Beratung der Öffentlichkeit über Möglichkeiten der Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, insbesondere über Anforderungen an die Getrenntsammlung sowie Maßnahmen zur Verhinderung der Vermüllung der Umwelt, - 10.
die Beteiligung an Kosten, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts für die Reinigung der Umwelt und die anschließende umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung der nach Gebrauch der aus den von einem Hersteller oder Vertreiber in Verkehr gebrachten Erzeugnissen entstandenen Abfälle entstehen sowie - 11.
eine Obhutspflicht hinsichtlich der vertriebenen Erzeugnisse, insbesondere die Pflicht, beim Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.
(3) Im Rahmen der Produktverantwortung nach den Absätzen 1 und 2 sind neben der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen entsprechend § 7 Absatz 4 die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergebenden Regelungen zur Produktverantwortung und zum Schutz von Mensch und Umwelt sowie die Festlegungen des Unionsrechts über den freien Warenverkehr zu berücksichtigen.
(4) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnungen auf Grund der §§ 24 und 25, welche Verpflichteten die Produktverantwortung nach den Absätzen 1 und 2 wahrzunehmen haben. Sie legt zugleich fest, für welche Erzeugnisse und in welcher Art und Weise die Produktverantwortung wahrzunehmen ist.
Tatbestand
- 1
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I. Die Kläger, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Kläger) begehren die Bildung einer Rückstellung für die Betreuung bereits abgeschlossener Lebensversicherungsverträge.
- 2
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Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. als Inhaber einer Versicherungsagentur und aus einem Autohandel nebst Autovermietung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
- 3
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Der Kläger vermittelte im Rahmen seiner Versicherungsagentur zunächst für die X-AG Versicherungsverträge, für die er neben einer Abschlussprovision ein Pflegegeld für die Betreuung des jeweiligen Bestandes (Bestandspflegeprovision) erhielt. Nachdem die X-AG in die Z-AG aufgegangen war, erhielt der Kläger ab dem 1. Dezember 2000 neben der erhöhten Abschlussprovision keine Bestandspflegeprovision mehr für ab dem 1. Juli 2000 vermittelte Renten- und Lebensversicherungen. Im Rahmen seiner Versicherungsagentur betreute der Kläger im Streitjahr 1.041 Lebensversicherungsverträge, für die er keine Bestandspflegeprovision erhielt. Insgesamt belief sich der betreute Bestand auf 1.413 Verträge. Der Kläger beschäftigte 2004 fünf Mitarbeiter.
- 4
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Die Betreuung der Versicherungsverträge, die durch Mitarbeiter der Versicherungsagentur übernommen wurde, umfasste die Bearbeitung der Bankverbindungen für den Einzug der laufenden Beiträge bei Änderungen, die Bearbeitung von Namensänderungen, die Bearbeitung der Änderungen für Bezugsrechte, die Bearbeitung und Übersendung von Angeboten für Beitragsfreistellungen auf Wunsch der Kunden, die Bearbeitung und Übersendung von Berechnungen der Ablaufsummen im Falle von Beitragsfreistellungen und von Reduzierungen der Versicherungssumme, die Bearbeitung und Berechnung der Rückkaufswerte für Bankfinanzierungen sowie die Bearbeitung von Abtretungen bzw. Sicherungsübereignungen im Falle von Bankfinanzierungen sowie die Abwehr von Abwerbeversuchen durch andere Finanzberater und Konkurrenzunternehmen der Versicherungsbranche.
- 5
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In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 2004 passivierte der Kläger erstmals eine Rückstellung für Bestandspflege in Höhe von 165.060 €, die er wie folgt berechnete:
-
Versicherungsbestand 1.400 Verträge
Durchschnittliche Laufzeit 25 Jahre
Geschätzter Betreuungsaufwand pro Jahr und Vertrag 1,5 Stunden
Berechnung: 52.500 Stunden x Abzinsungsfaktor 0,262 % x 12 € Lohn/Stunde = 165.060 €
- 7
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Mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 teilte der Kläger dem Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit, dass die Rückstellung für Bestandspflege (1.041 Verträge x 25 Jahre x 1,5 Stunden x 0,262 x 12 €/Stunde =) mindestens 122.734 € betragen müsse.
- 8
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Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 26. Oktober 2006 versagte das FA den Ansatz einer Rückstellung für Bestandspflege bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb.
- 9
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In der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2007 wies das FA den Einspruch insoweit als unbegründet zurück. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866) sei nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. November 2006 IV B 2 -S 2137- 73/06 (BStBl I 2006, 765) nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.
- 10
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Mit der Klage machten die Kläger geltend, dass eine Rückstellung für Bestandspflege in Höhe von 122.734 € in der Gewinnermittlung des Klägers zu berücksichtigen sei. Die Nachbetreuung von 1.041 Verträgen stelle für das Unternehmen des Klägers eine wesentliche Belastung dar. Dafür seien 1.561,5 Arbeitsstunden oder 208 Arbeitstage bei einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden im Jahr erforderlich. Dem Versicherer sei die Nachbetreuung von Lebensversicherungsverträgen 1,5 % und von Rentenversicherungsverträgen 0,8 % des vom Kunden im Kalenderjahr zu zahlenden Beitrages wert. Das Beitragsvolumen sämtlicher 1.413 vom Kläger betreuter Lebens- und Rentenversicherungsverträge habe zum 31. Dezember 2006 1.221.000 € betragen. Davon seien 310.117 € auf die pflegegeldpflichtigen Altverträge und 910.883 € der Beiträge auf die nicht pflegegeldpflichtigen Verträge entfallen. Bei 80 % nicht pflegegeldpflichtiger Lebensversicherungsverträge und 20 % nicht pflegegeldpflichtiger Rentenversicherungsverträge betrage die jährliche Bestandspflegeprovision 12.388 € [(728.706 € x 1,5 % = 10.930,60 €) + (0,8 % x 182.176,60 € = 1.457,41 €)]. Der Z-AG sei die Bestandspflege damit in 25 Jahren 309.700,25 € wert. Würde man diesen Betrag mit dem Faktor 0,262 abzinsen, sei mindestens eine Rückstellung von 81.141,47 € (= 12.388 x 25 x 0,262) anzusetzen. Abweichend davon sei der Berechnung der Rückstellung im Streitfall aber ein deutlich höherer Betreuungsaufwand des Klägers zugrunde zu legen.
- 11
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 2105). Die Rückstellung sei (nach dem BFH-Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866) dem Grunde nach berechtigt; allerdings sei nur ein Aufwand von 0,5 Stunden pro Vertrag und pro Jahr anzusetzen, so dass die (im Schätzungsweg zu bestimmende) Höhe der Rückstellung 40.911 € betrage.
- 12
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Bei einem Massengeschäft wie dem vorliegenden komme von vornherein nur eine überschlägige Bestimmung anhand der Anzahl der Verträge und dem jeweiligen Mindestaufwand pro Vertrag in Frage. Dafür aber, dass mindestens 1,5 Stunden pro Vertrag und Jahr hätten aufgewendet werden müssen, fehle es an einer näheren Darlegung über in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen, aus denen dies zu folgern wäre. Bei wie vielen Lebens- und Rentenversicherungsverträgen im Jahr 2004 Tätigkeiten zur Bestandspflege angefallen seien, sei heute ebenfalls nicht mehr feststellbar. Auch insoweit könnten deshalb keine Rückschlüsse auf einen zukünftigen Betreuungsaufwand gezogen werden. Bei Zugrundelegung eines Arbeitsaufwandes von 1,5 Stunden im Jahr ergäbe sich --bezogen auf die durchschnittliche Laufzeit von 25 Jahren-- ein Betreuungsaufwand von 37,5 Stunden je Vertrag, was dem erkennenden Senat deutlich zu hoch erscheine, zumal Verträge vorhanden seien, die unstreitig keinerlei Betreuungsaufwand erforderten, und bei den anderen Verträgen Betreuungsleistungen allenfalls in zeitlichen Abständen von mehreren Jahren anfielen. Bei Würdigung der vom Kläger dargestellten Möglichkeiten, bei denen durch die Betreuung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen ein Aufwand entstehen könne, sei nur der Ansatz eines Betreuungsaufwandes von lediglich einer halben Mitarbeiterstunde je Vertrag und Jahr bzw. einer durchschnittlichen Betreuungsleistung von 12,5 Stunden je Vertrag gerechtfertigt.
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Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts:
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(1) Das FG nehme zu Unrecht an, dass es sich bei der zu erbringenden Nachbetreuung um eine wesentliche Nebenleistung handele. Eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung sei zu verneinen, wenn der künftige Aufwand als unwesentlich anzusehen sei (BFH-Urteile vom 18. Januar 1995 I R 44/94, BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742; vom 15. November 1960 I 189/60 U, BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48). Die Verpflichtung sei nicht nach dem Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern nach der Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 25. März 1992 I R 69/91, BFHE 168, 527, BStBl II 1992, 1010). Eine Zusammenfassung aller zu betreuenden Verträge zu einer Bewertungseinheit sei nicht vorzunehmen; die Gesamtsumme der Einzelverpflichtungen sei unerheblich. Der Umstand, dass das Versicherungsunternehmen die Nachbetreuung nicht mehr durch eine laufende Folgeprovision vergüte, sei ein Indiz, dass auch das Versicherungsunternehmen die Verpflichtung als unwesentlich ansehe. In der Mehrzahl der abgeschlossenen Lebensversicherungen erscheine es unwahrscheinlich, dass überhaupt ein Nachbetreuungsaufwand entstehe.
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Das FA sehe sich durch den BFH-Beschluss vom 18. März 2010 X R 20/09 (BFH/NV 2010, 1796) bestätigt; der Betrag von 39,30 € je Vertrag liege deutlich unter der Grenze des § 6 Abs. 2 EStG.
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Sollte eine Rückstellung dem Grunde nach zulässig sein, sei die Schätzung des Betreuungsaufwandes entschieden zu hoch. Der Kläger habe keine Aufzeichnungen über die erforderlichen Arbeiten vorgelegt; die Aufklärungsanordnung des FG sei weitgehend unbeantwortet geblieben.
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(2) Die Revision der Kläger sei zumindest unbegründet. Der Behauptung, dass der Versicherung die Nachbetreuung des Kunden 12.388 € wert sei, sei zu widersprechen. Mit der Vertragsänderung hätten sich auch die Vergütungskonditionen verändert.
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Das FA beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Kläger zurückzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision des FA zurückzuweisen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 27. August 2009 (unter Berücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von 81.141 €) die Einkommensteuer auf 17.297 € herabzusetzen.
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(1) Die Bearbeitung von Versicherungsverträgen sei keine unwesentliche Nebenleistung. Der Z-AG sei die Nachbetreuung pro Jahr 12.388 € wert. Für einen Teil der Versicherungen werde eine Bestandspflegeprovision bezahlt, für die anderen nicht; nur bei diesen bestehe ein Erfüllungsrückstand. Die unterschiedliche Behandlung der Nachbetreuung durch die Versicherung (Bestandspflegeprovision oder höhere Abschlussprovision) zeige deutlich, dass der Nachbetreuung erhebliche Bedeutung zukomme. Ihn, den Kläger, treffe eine Nachbetreuungsverpflichtung für seinen gesamten Kundenstamm. Auch die Rückstellung für Jahresabschlusskosten könne nicht auf die Kosten für die einzelnen Buchungen verteilt werden. Entgegen der Auffassung des FA habe sich vom 1. Dezember 2000 an die Vertragslage nicht geändert. Für die Altverträge würden immer noch Bestandspflegeprovisionen gezahlt. Der Versicherer würde auch für die Neuverträge diese Beträge zahlen, wenn er, der Kläger, sich nicht für die Zahlung der höheren Provisionen entschieden hätte. Die im Einzelnen zu erbringenden Leistungen seien im Schriftsatz vom 31. August 2007, Seite 4 und im Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 genau bezeichnet worden. Im Revisionsverfahren könne das FA die Schätzung nicht angreifen.
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Der Beschluss in BFH/NV 2010, 1796 sei zu Rechnungsabgrenzungsposten ergangen; es habe mit Rückstellungen nichts zu tun. Eine Auflösung der Rückstellung komme nur bei wesentlichen Bestandsänderungen in Betracht.
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(2) Ihre eigene Revision stützen die Kläger auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Es sei ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Versicherer nichts verschenke; der nachgewiesene Betrag von 12.388 € sei daher zwingend der Mindestbetrag. Daraus errechne sich --abgezinst-- eine Rückstellung von 81.141 €. Die Aufklärungsrüge sei begründet; für die Bemessung der Rückstellung komme es nicht auf den tatsächlichen Betreuungsaufwand für das Jahr 2004 an, sondern auf den voraussichtlichen Betreuungsaufwand in den Folgejahren. Aus Aufzeichnungen könne auf die Verhältnisse der Vergangenheit geschlossen werden; Aufzeichnungen aus drei Monaten dürften --angesichts der Vielzahl der Versicherungsverträge-- genügen.
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Das BMF ist dem Verfahren beigetreten und trägt vor: Für die Beantwortung der Frage, ob eine Nebenpflicht wesentlich sei, gebe es kein allgemeingültiges quantitatives Kriterium. Die Zahlung einer einmaligen Abschlussprovision spiegele die zu erbringende Arbeitsleistung des Versicherungsvertreters ausreichend wider. Da die Versicherung keine Bestandspflegeprovision zahle, sei davon auszugehen, dass auch keine wesentliche Verpflichtung bestehe. Sollte eine Rückstellung dem Grunde nach zulässig sein, sei zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige die Feststellungslast trage. Die einzelnen Nachbetreuungsleistungen seien aufzuzeichnen; spätere Aufzeichnungen seien problematisch. Ggf. sei die Rückstellung ratierlich aufzulösen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben, die Sache wird gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen.
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1. Gemäß § 5 Abs. 1 EStG sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden; geboten ist ein Bilanzausweis u.a. aber bei Vorleistungen und Erfüllungsrückständen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N.). Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden sind, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält (Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866; Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860; vgl. auch Wendt, Festschrift für Herzig, Unternehmensbesteuerung, 2010, 517; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 5 Rz 84 und Rz 550, Stichwort "Bestandspflege").
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a) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen eine dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem anderen voraus; es genügt, dass Grund und Höhe wahrscheinlich sind (Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 361, 376). In zeitlicher Hinsicht muss die Verbindlichkeit in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht sein; es muss bereits bis zum Bilanzstichtag eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sein (BFH-Urteile vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371, und vom 29. November 2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557).
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b) Dem Einwand des FA, die Bildung der Rückstellung sei wegen Unwesentlichkeit der Verpflichtung ausgeschlossen (ebenso Nichtanwendungserlass des BMF vom 28. November 2006, BStBl I 2006, 765), vermag der Senat nicht zu folgen. Es fehlt bereits an einer rechtlichen Grundlage für die Annahme, die Bildung einer Rückstellung sei nur bei wesentlichen Verpflichtungen zulässig (dazu unten aa). In jedem Fall wäre die hier gegebene --langfristige und mit erheblichen Aufwendungen verbundene-- Verpflichtung aber als "wesentlich" anzusehen (dazu unten bb).
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aa) Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des EStG lässt sich keine Einschränkung der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen. Entgegen der Auffassung des FA folgt ein solcher Rechtssatz auch nicht aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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(1) In dem genannten BMF-Schreiben ist ausschließlich das BFH-Urteil in BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742, unter II.5. erwähnt. Dort verweist der BFH auf frühere Rechtsprechung zur Bedeutung unwesentlichen Aufwands. Tragend ist diese Urteilspassage jedoch nicht, weil der BFH im konkreten Fall die Wesentlichkeit bejaht hat.
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(2) Verfolgt man die Verweise in dem genannten BFH-Urteil zurück, zeigt sich, dass auch das BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80 (BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788, unter II.3.) keine tragenden Aussagen zu den hier interessierenden Fragen enthält. Vielmehr findet sich lediglich ein knapper Verweis auf frühere Rechtsprechung, wobei die Wesentlichkeit im konkreten Fall bejaht worden ist. Dabei ging es um eine Verpflichtung zur Erstellung von Abrechnungen; die Rückstellung belief sich auf 3,9 % des Forderungsbetrags.
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(3) Letztlich verweisen die beiden vorgenannten BFH-Entscheidungen auf das BFH-Urteil in BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48. Dabei handelt es sich --soweit ersichtlich-- um die einzige Entscheidung, in der der vom BMF herangezogene "Wesentlichkeitsgrundsatz" bisher tragende Bedeutung erlangt hat.
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In der Sache selbst ging es um die Bewertung von Rückstellungen für die Rückvergütung von Rabattmarkenheften. Zwischen den dortigen Beteiligten war unstreitig, dass die Verpflichtung der Klägerin aus der künftigen Einlösung von Rabattmarken um den Anteil an Heften zu kürzen war, die erfahrungsgemäß niemals mehr zurückgegeben wurden. Das FA wollte die Rückstellung aber darüber hinaus noch um 300 DM bzw. 400 DM je Bilanzstichtag für die künftige Einlösung sog. "Schlussmarken" kürzen. Dabei handelte es sich um einen Teilbetrag von 0,15 DM je Markenheft im Wert von 3,15 DM, den die dortige Klägerin bei den künftigen Einlösungsvorgängen einbehalten hatte. Diese weitere Kürzung der Rückstellung --so der BFH-- könne aus Vereinfachungsgründen unterbleiben, da es sich um Kleinbeträge handele, die in den ersten Monaten des folgenden Geschäftsjahrs ausgeglichen würden und deshalb das Ergebnis nicht wesentlich beeinflussten.
- 36
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In dieser Entscheidung hat der BFH --anders als das BMF offenbar meint-- nicht etwa die Bildung einer Rückstellung unter Verweis auf deren angebliche Unwesentlichkeit versagt, sondern er ist einer Kürzung der gebildeten Rückstellung durch das FA nicht gefolgt, weil die Kürzung nur unwesentlich sei.
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bb) Selbst wenn die Bildung von Rückstellungen für unwesentliche Verpflichtungen --entgegen der Auffassung des Senats-- unzulässig wäre, müsste der Senat aufgrund der den Streitfall prägenden Umstände die von dem Kläger übernommenen künftigen Betreuungspflichten als "wesentlich" würdigen.
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Der Sachverhalt, der der unter aa (3) genannten BFH-Entscheidung zugrunde lag, ist nicht einmal ansatzweise mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Denn die Betreuungsverpflichtung für Lebensversicherungsverträge realisiert sich bei dem Kläger nicht bereits innerhalb der ersten Monate des folgenden Geschäftsjahrs, sondern verteilt sich über die folgenden 25 Jahre. Der absolute Betrag der Rückstellung liegt im Streitfall um Größenordnungen oberhalb der in dem angeführten BFH-Urteil einschlägigen 300 bzw. 400 DM.
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cc) Entgegen der Auffassung des FA ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit nicht auf die künftigen Betreuungsaufwendungen für den einzelnen Vertrag, sondern auf die im Unternehmen des Klägers künftig insgesamt anfallenden Aufwendungen für die Betreuung abzustellen. Für die vom FA vertretene Atomisierung der Verpflichtungen bietet weder das Gesetz noch die bisherige Rechtsprechung eine Grundlage. Vielmehr ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass nicht der Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern die Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen maßgebend ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742, unter II.5., betr. die einzelnen Jahresabrechnungen eines Versorgungsunternehmens). Auch in dem unter aa (3) angeführten BFH-Urteil in BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48 ist die Bildung einer Rückstellung für die künftige Einlösung von Rabattmarkenheften zugelassen worden, obwohl pro Heft lediglich 3 DM auszuzahlen waren und sich die Wesentlichkeit erst aus der Summe der --jeweils nur geringfügigen-- Einzelverpflichtungen ergab.
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dd) Das FA kann sich auch nicht auf den Beschluss des erkennenden Senats in BFH/NV 2010, 1796 berufen, nach dem es einem Steuerpflichtigen erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung (nach dem Maßstab des § 6 Abs. 2 EStG) auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten. Zum einen war der Steuerpflichtige nach wie vor zum Bilanzansatz berechtigt, zum anderen sind die Größenverhältnisse des Streitfalls auch nicht ansatzweise vergleichbar.
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2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht dessen Würdigung, der Kläger sei rechtlich zur Nachbetreuung der Versicherungsverträge verpflichtet. Zwar bindet die Vertragsauslegung des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO den BFH, wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268). Im Streitfall sind die vom FG getroffenen Feststellungen, dass die Verpflichtungen des Klägers auf dem Vertrag vom 21. Oktober 1998 in Verbindung mit dem Nachtrag vom 8. Dezember 2000 bzw. 8. Januar 2001 beruhten, indes zu vage, als dass hieraus die von den Klägern behaupteten umfangreichen Rechtspflichten gegenüber dem Versicherungsunternehmen abgeleitet werden könnten. Das FG begnügt sich mit dem Hinweis auf den Vertrag, ohne auf den Inhalt und den Umfang der Pflichten einzugehen. In dem Vertretungsvertrag (Muster, Einkommensteuerakte Bl. 45) heißt es: "Um die bestehenden Versicherungen zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Versicherungsnehmern, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist und bleibt." Diese Formulierungen deuten eher darauf hin, dass die laufende Kontaktaufnahme dem Abschluss weiterer Verträge dienen soll. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Kläger folgt eine entsprechende Verpflichtung auch nicht unmittelbar aus § 84 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Handelsvertreter ständig damit betraut, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Werbung und Betreuung sind daher nicht kennzeichnend oder bestimmend für diesen Vertragstyp (vgl. Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 84 Rz 22 f., 41 f.). Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang die Frage zu klären haben, ob und in welchem Umfang der Kläger zur Betreuung der Lebens-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen im Einzelnen rechtlich verpflichtet war. Leistungen, die der Kläger gegenüber seinen Kunden ohne Rechtspflicht erbracht hat, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 860).
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3. Sofern die weiteren Ermittlungen des FG ergeben, dass eine Rechtspflicht zur weiteren Betreuung der abgeschlossenen Versicherungsverträge bestanden hat, sind hinsichtlich der Höhe der Rückstellung folgende Grundsätze zu beachten:
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a) Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.
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b) Abzustellen ist auf die Anzahl der Versicherungsverträge, für die noch künftige Betreuungsleistungen aufgrund rechtlicher Verpflichtung zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt beansprucht werden kann.
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Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.
- 46
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Nicht einzubeziehen ist der Aufwand für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers; Vertreter ohne angestelltes Personal können daher von vornherein keine Rückstellung bilden. Sollte neben dem angestellten Personal auch der Einzelunternehmer selbst in die Betreuung eingeschaltet sein, könnte für den von ihm erbrachten Teil der Leistungen ebenfalls keine Rückstellung gebildet werden.
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c) Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro Vertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; zur Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwandes ist im Einzelnen notwendig:
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- die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss das FA und das FG in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu prüfen, ob der Aufwand für die jeweilige Tätigkeit zur Bildung einer Rückstellung berechtigt;
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- die Angabe, welchen Zeitbedarf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, wenn sie im Einzelfall anfällt;
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- die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen ist;
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- die Höhe der Personalkosten pro Stunde Betreuungszeit;
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- die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden Verträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt wird.
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d) Neben dem zeitlichen Umfang der Betreuungsleistungen ist für die Bemessung der Rückstellung der Stundenlohn der vom Kläger für die Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter von Bedeutung. Wie das FG sieht auch der Senat konkret keine Veranlassung, die vom Kläger angesetzten Beträge in Höhe von 12 € zu beanstanden.
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e) Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand auszuweisen ist, wird diese gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG --wie bereits im ersten Rechtsgang geschehen-- abzuzinsen sein.
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4. Über die unter 3. bezeichneten Angaben sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen.
- 56
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a) Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Rückstellung jedes Jahr angepasst werden muss und jedes Jahr zu prüfen ist, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich eingetreten ist und ob für die Zukunft Korrekturen vorzunehmen sind.
- 57
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Dieser Natur des Rückstellungspostens entsprechend (Schätzung von Aufwand, der auf u.U. sehr langfristigen Verpflichtungen beruht) kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen.
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b) Die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und Adressenänderungen, Beitragsfreistellungen, Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen Vertrags (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle Verträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.
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c) Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von Verträgen ohne Bestandspflegeprovision mit Verträgen mit Bestandspflegeprovision. Dabei muss die Vergleichbarkeit der Versicherungen gewährleistet sein; so darf etwa der Teil der Bestandspflege, der auf den Inhaber der Versicherungsagentur entfällt, nicht berücksichtigt werden.
- 60
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d) Eine derartige Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der zu führende Belegnachweis sich auf Vorgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, unter II.1.c, zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch). Zum anderen sind auch angesichts der Höhe und der Zeitdauer des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungsrückstandes aussagekräftige Aufzeichnungen geboten.
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5. Zutreffend ist das FG im ersten Rechtsgang davon ausgegangen, dass die Kläger letzten Endes die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihnen behaupteten Aufwendungen für Betreuungsleistungen tragen. Da es sich um Angaben aus der Sphäre der Steuerpflichtigen handelt, die von der Finanzverwaltung regelmäßig nur eingeschränkt nachgeprüft werden können und die zudem der Herbeiführung einer Steuerminderung dienen, tragen die Steuerpflichtigen die volle Feststellungslast für ihre entsprechenden Tatsachenbehauptungen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl II 2008, 335).
-
III.
- 62
-
Die Revision der Kläger ist ebenfalls begründet; auch im Umfang der Klageabweisung beruht das angefochtene Urteil auf der beanstandeten Vertragsauslegung (s. oben unter II.2.).
Tatbestand
- 1
-
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866) entschieden hat, dass eine Rückstellung wegen eines Erfüllungsrückstandes im Bereich der Vertragsbetreuung bei Versicherungsvertretern zulässig ist, ist nunmehr noch streitig, in welcher Höhe im Streitfall für die Weiterbetreuung der vermittelten Versicherungsverträge Rückstellungen gebildet werden können.
- 2
-
Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist seit 1969 Vertreter der V-Lebensversicherung (V), für die zuvor schon sein Vater in gleicher Weise tätig war. Seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelt er gemäß §§ 4, 5 des Einkommensteuergesetzes. In den Streitjahren 1992 und 1994 waren folgende Mitarbeiter beschäftigt:
-
1992
1994
Mitarbeiter Innendienst Vollzeitkräfte 3
4
Teilzeitkräfte 2
4
Aushilfen 0,8
1,25
Auszubildende 6
7
Mitarbeiter Außendienst 2,5
1,75
- 4
-
Neben der Vermittlung von Lebens- und Sachversicherungen obliegt dem Kläger auch die Betreuung und Erhaltung des Bestandes. Für die Vermittlung der Lebensversicherungsverträge erhielt der Kläger eine prozentuale Provision des ersten tarifmäßigen Jahresbeitrages. Sie wurde fällig, sobald der Versicherungsvertrag zustande gekommen war und die Beiträge gezahlt wurden. Der Kläger erhielt für die Betreuung der Lebensversicherungsverträge --in Abweichung zu anderen Versicherungssparten-- keine Folgeprovisionen (Bestandspflegeprovisionen). In der Bilanz zum 31. Dezember 1992 bildete er erstmals für bereits vermittelte Lebensversicherungsverträge auch aus früheren Jahren eine Rückstellung für Verwaltungskosten, die er in den folgenden Jahren --u.a. dem Streitjahr 1994-- dem Zugang an Lebensversicherungsverträgen anpasste. In den Streitjahren 1992 und 1994 setzte der Kläger Rückstellungen in folgender Höhe an:
-
1992
1994
334.880 DM
348.640 DM
(nachgeholt aus Vorjahren)
(davon Zugang: 8.480 DM)
- 6
-
Als Betreuungsaufwand schätzte der Kläger zwei Mitarbeiterstunden je Vertrag: Jeder Lebensversicherungsvertrag werde mindestens einmal im Leistungsfall, d.h. bei Tod oder Ablauf, allgemein nachgearbeitet. Für diese regelmäßig anfallenden Aktivitäten sei jeweils eine Mitarbeiterstunde anzusetzen. Darüber hinaus sei für sonstige Nachbearbeitungsfälle, insbesondere für anlassbezogene Betreuungsaktivitäten, jeweils eine weitere Mitarbeiterstunde anzusetzen. Die Mitarbeiterstunde sei mit 80 DM zu bewerten.
- 7
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Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) machte demgegenüber geltend: Rückstellungen könnten nicht angesetzt werden, weil entsprechende Nachweise fehlten. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung sei jede Verpflichtung isoliert zu erfassen und zu bewerten. Für jeden einzelnen Vertrag müsse zu jedem Stichtag die vertragliche Laufzeit angegeben werden. Rückstellbar seien auch nur wesentliche Pflichten, die wirtschaftlich verursacht seien. Das sei aber hinsichtlich der Serviceleistungen, die über die Pflichten zur Nachbetreuung hinausgingen, nicht der Fall.
- 8
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Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1931 veröffentlichten Urteil vom 13. September 2007 hat das Finanzgericht (FG) die Klage zum größeren Teil abgewiesen. Das FG schätzte die Höhe der Rückstellungen für die Streitjahre 1992 und 1994 wie folgt:
-
40 DM x 1 Mitarbeiterstunde x 2 093 Verträge = 83.720 DM (1992) 40 DM x 1 Mitarbeiterstunde x 2 179 Verträge = 87.160 DM (1994) (Gewinnauswirkung: 2.120 DM).
- 10
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Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- 11
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 15. September 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 1999 und des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 13. November 2001 die gebildeten Rückstellungen für 1992 in Höhe von 334.880 DM und für 1994 in Höhe von 348.640 DM (Gewinnauswirkung: 8.480 DM) anzusetzen; die Kläger beantragen weiterhin, die Revision des FA zurückzuweisen.
- 12
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Das FA beantragt,
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die Revision der Kläger zurückzuweisen, auf seine eigene Revision das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 13
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II. Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Sache wird gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen.
- 14
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1. Dass dem Grunde nach Rückstellungen für vertraglich übernommene Betreuungsleistungen zu bilden sind, entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung (Urteile in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866, und vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860; vgl. auch Wendt, Festschrift Herzig, Unternehmensbesteuerung, 2010, 517, insbesondere zur "Wesentlichkeit" der Verpflichtung; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 5 Rz 84 und Rz 550 Stichwort "Bestandspflege"). Im Gegensatz zu der Auffassung des FA, das der im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. November 2006 IV B 2 -S 2137- 73/06 (BStBl I 2006, 765) vertretenen Ansicht folgt, handelt es sich im Streitfall bei dem Erfüllungsrückstand auch um einen wesentlichen Aufwand. Insoweit ist der Senat an die im ersten Rechtsgang durch den XI. Senat des BFH vertretene Rechtsauffassung gebunden, wonach die Bearbeitung von Versicherungsverträgen keine unwesentliche Nebenleistung sei (Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866, unter II.1.a; § 126 Abs. 5 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 30).
- 15
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Hinsichtlich des Ausweises von Rückstellungen für Verträge, die vom Vater des Klägers vermittelt worden sind, sowie hinsichtlich der Höhe der Rückstellung besteht keine Bindung, weil insoweit keine Feststellungen getroffen worden waren und gerade wegen der Höhe der Rückstellungen die Sache an das FG zurückverwiesen worden war.
- 16
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2. Der erkennende Senat kann anhand der ihm vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen, ob sich der Kläger für den von seinem Vater übernommenen Versicherungsbestand in einem Erfüllungsrückstand befindet. Das FG spricht im Tatbestand des Urteils davon, der Kläger sei Vertreter eines Versicherungsunternehmens, "für das schon sein Vater in gleicher Weise tätig war". In den Entscheidungsgründen heißt es demgegenüber, der Kläger sei mit dem Übergang der Versicherungsagentur vom Vater auf ihn "hinsichtlich dieses Gewerbebetriebs dessen Rechtsnachfolger". Dem sich in den Akten befindlichen Vertrag des Klägers mit V vom 23. April 1969 lässt sich eine solche Rechtsnachfolge hingegen nicht entnehmen.
- 17
-
Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der Kläger eine Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand hinsichtlich des vom Vater übernommenen Versicherungsbestandes nur dann bilden, wenn die rechtliche Verpflichtung zur Pflege dieses Bestandes auf ihn übergegangen und noch nicht wirtschaftlich vollständig erfüllt worden ist. Das FG wird deshalb im weiteren Rechtsgang zu klären haben, ob der Kläger für die V als Rechtsnachfolger seines Vaters tätig wird (vgl. hierzu FG München, Urteil vom 16. Dezember 2008 10 K 1954/07, EFG 2009, 562). Wird der Kläger hingegen nicht als Rechtsnachfolger seines Vaters für die V tätig (hierfür spricht der Vertrag des Klägers mit der V vom 23. April 1969), wird das FG im weiteren Verfahren zu klären haben, ob sich der Kläger gegenüber V zur Nachbetreuung der von seinem Vater abgeschlossenen Versicherungsverträge verpflichtet hat und --ggf.-- ob auch insoweit das Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungsbeziehungen zwischen V und dem Kläger durch Vorleistungen der V und daraus folgenden rückständigen Gegenleistungen des Klägers gestört ist.
- 18
-
3. In Bezug auf den Erfüllungsrückstand bei den vom Kläger vermittelten Versicherungsverträgen fehlen der Schätzung des FG hinreichende objektive Grundlagen; das Schätzungsergebnis kann nicht nachvollziehbar abgeleitet werden.
- 19
-
a) Können die Besteuerungsgrundlagen --trotz Bemühens um Aufklärung-- nicht ermittelt oder berechnet werden, gibt § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis. Dabei hat es alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Ziel der Schätzung ist der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 IV R 36/02, BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 29, m.w.N.).
- 20
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Die Schätzung muss gemäß § 121 Abs. 1 AO begründet werden, so dass der Steuerpflichtige das Schätzungsergebnis nachvollziehen kann (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO, Rz 96); das Schätzungsergebnis muss ableitbar, schlüssig und fundiert dargelegt werden (BFH-Urteil vom 8. November 1989 X R 178/87, BFHE 159, 20, BStBl II 1990, 268). Es muss erkennbar sein, wie das FG seine Überzeugung und sein Ergebnis in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483).
- 21
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Eine Schätzung ist rechtmäßig, wenn sich das Ergebnis als schlüssige und wirtschaftlich vernünftige, wenn auch an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens bewegende Wahrscheinlichkeitsüberlegung darstellt (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 98). Eine Schätzung ist dagegen rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen verlässt und das Schätzungsergebnis mithin unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig und unwahrscheinlich ist (BFH-Beschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951).
- 22
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b) Die vom FG vorgenommene Schätzung (§ 96 FGO, § 162 AO) --einschließlich der Schätzungsmethode-- ist eine Tatsachenfeststellung, an die der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2007 X B 4/07, BFH/NV 2008, 587; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 113). Eine eigene Schätzungsbefugnis steht dem BFH --als Rechtsinstanz-- nicht zu. Der BFH hat zu prüfen, ob die Schätzung gegen Denkgesetze verstößt (insbesondere ob die gezogenen Folgerungen schlüssig sind), ob die allgemeinen Erfahrungssätze und anerkannten Schätzungsmethoden beachtet worden sind, ob das FG den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen oder ob sonstige Verfahrensfehler vorliegen (Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 96 Rz 18 ff.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 31, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 114). Damit der BFH innerhalb seiner Kompetenz eine Überprüfung vornehmen kann, muss das FG-Urteil erkennen lassen, auf welchem Wege die Schätzung zustande gekommen ist.
- 23
-
c) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe ist die Schätzung des FG unzureichend. Das FG hat seine eigene Schätzung (Ansatz von einer Stunde und eines Stundensatzes von 40 DM pro Vertrag; FG-Urteil Bl. 25) nicht hinreichend begründet und nur einzelne Aspekte herausgegriffen (z.B. die Tätigkeit bei Ablauf einer Versicherung). Es hätte --wie von den Klägern beantragt-- den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Die Schätzungsgrundlagen --insbesondere der Umfang der Betreuungsarbeiten und die dadurch verursachten Kosten-- sind nicht ausreichend ermittelt worden.
- 24
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4. Im weiteren Rechtsgang wird das FG bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe der Kläger eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand bilden kann, von folgenden Grundsätzen auszugehen haben:
- 25
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a) Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.
- 26
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b) Abzustellen ist auf die Anzahl der Versicherungsverträge, für die noch künftige Betreuungsleistungen aufgrund rechtlicher Verpflichtung zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt beansprucht werden kann.
- 27
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Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.
- 28
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Nicht einzubeziehen ist der Aufwand für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers; Vertreter ohne angestelltes Personal können daher von vornherein keine Rückstellung bilden. Sollte neben dem angestellten Personal auch der Einzelunternehmer selbst in die Betreuung eingeschaltet sein, könnte für den von ihm erbrachten Teil der Leistungen ebenfalls keine Rückstellung gebildet werden.
- 29
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c) Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro Vertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; zur Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwandes ist im Einzelnen notwendig:
-
- die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss das FA und das FG in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu Bildung einer Rückstellung berechtigt; - die Angabe, welchen Zeitbedarf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, wenn sie im Einzelfall anfällt; - die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen ist; - die Höhe der Personalkosten pro Stunde Betreuungszeit; - die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden Verträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt wird.
- 30
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d) Neben dem zeitlichen Umfang der Betreuungsleistungen ist für die Bemessung der Rückstellung der Stundenlohn der vom Kläger für die Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter von Bedeutung.
- 31
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e) Kommt das FG im weiteren Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand auszuweisen ist, wird diese abzuzinsen sein.
- 32
-
5. Über die unter 4. bezeichneten Angaben sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen.
- 33
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a) Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Rückstellung jedes Jahr angepasst werden muss und jedes Jahr zu prüfen ist, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich eingetreten ist und ob für die Zukunft Korrekturen vorzunehmen sind. Dieser Natur des Rückstellungspostens entsprechend (Schätzung von Aufwand, der auf u.U. sehr langfristigen Verpflichtungen beruht) kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen.
- 34
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b) Die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und Adressenänderungen, Beitragsfreistellungen, Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen Vertrags (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle Verträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.
- 35
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c) Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von Verträgen ohne Bestandspflegeprovision mit Verträgen mit Bestandspflegeprovision. Dabei muss die Vergleichbarkeit der Versicherungen gewährleistet sein; so darf etwa der Teil der Bestandspflege, der auf den Inhaber der Versicherungsagentur entfällt, nicht berücksichtigt werden.
- 36
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d) Eine derartige Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der zu führende Belegnachweis sich auf Vorgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, unter II.1.c, zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch). Zum anderen sind auch angesichts der Höhe und der Zeitdauer des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungsrückstandes aussagekräftige Aufzeichnungen geboten.
- 37
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6. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Kläger letzten Endes die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihnen behaupteten Aufwendungen für Betreuungsleistungen tragen. Da es sich um Angaben aus der Sphäre der Steuerpflichtigen handelt, die von der Finanzverwaltung regelmäßig nur eingeschränkt nachgeprüft werden können und die zudem der Herbeiführung einer Steuerminderung dienen, tragen die Steuerpflichtigen die volle Feststellungslast für ihre entsprechenden Tatsachenbehauptungen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl II 2008, 335).
-
III.
- 38
-
Die Revision des FA ist ebenfalls begründet; auch im Umfang der Klagestattgabe beruht das angefochtene Urteil auf unzureichenden Feststellungen bzw. Schätzungen (s. oben).
Tatbestand
- 1
-
I. Streitig sind Rückstellungen eines Versicherungsvertreters wegen Erfüllungsrückstandes aufgrund der Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen, für die er nur Abschlussprovisionen erhalten hat.
- 2
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Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als selbstständiger Versicherungskaufmann für die A-Versicherung tätig. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
- 3
-
Laut Steuererklärung betrug sein Verlust im Streitjahr 2005 126.281 €. Gewinnmindernd hatte er eine Rückstellung in Höhe von 284.609 € für die Kosten der Betreuung von Lebens- und Sachversicherungsverträgen gebildet. Dabei setzte der Kläger einen Nachbetreuungsaufwand von zwei Stunden je Wirtschaftsjahr und Vertrag an.
- 4
-
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Rückstellung nicht und legte dem Gewerbesteuermessbescheid 2005 einen Gewinn in Höhe von 158.328 € zugrunde.
- 5
-
Der Kläger erhob Einspruch und berief sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866), nach dem der Versicherungsvertreter eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden habe, wenn er vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhalten habe. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
- 6
-
Während des Klageverfahrens legte der Kläger u.a. ein Schreiben der A-Versicherung vom 5. Oktober 2005 vor, mit dem diese bestätigt, dass der Kläger mit dem Agenturvertrag vom 1. April 2001 folgende Vertragsverpflichtungen übernommen hatte:
-
- Vermittlung von Lebens- und Sachversicherungen,
-
- Betreuung und Erhaltung des Bestandes von Sach-,
-
Lebens-und Rentenversicherungsverträgen.
- 7
-
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Der BFH habe mit Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866 entschieden, dass nach diesen Grundsätzen ein Versicherungsvertreter, der für die Vermittlung von Lebensversicherungen Provisionen erhalten habe, mit denen auch die künftige Betreuung dieser Verträge abgegolten war, eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden habe. Im Anschluss an das Urteil des FG Münster vom 2. Dezember 2008 9 K 4216/07 K (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 454) schätzte das FG den Nachbetreuungsaufwand auf 20 Minuten je Vertrag und Jahr. Dabei sei der vom Kläger angesetzte Stundenlohn --je nach Mitarbeiter 14 €, 19 € und 22 €-- zugrunde zu legen.
- 8
-
Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Anerkennung einer Rückstellung dem Grunde nach entspreche der BFH-Rechtsprechung. Bezüglich der Höhe der Rückstellung sei zu berücksichtigen, dass die Betreuungstätigkeiten einen wesentlichen Umfang einnähmen. Der Umfang von zwei Stunden pro Vertrag (pro Jahr) könne nur durch einen Sachverständigen festgestellt werden.
- 9
-
Der Kläger beantragt,
-
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2005 vom 7. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2007 dahingehend zu ändern, dass Rückstellungen für Nachbetreuungskosten in Höhe von 284.609 € anerkannt werden; der Kläger beantragt weiter, die Revision des FA zurückzuweisen.
- 10
-
Das FA beantragt,
-
das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision des Klägers zurückzuweisen.
- 11
-
In Übereinstimmung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. November 2006 IV B 2 -S 2137- 73/06 (BStBl I 2006, 765) setze die Bildung einer Rückstellung eine ungewisse Verbindlichkeit voraus, die den Verpflichteten aus wirtschaftlicher Sicht wesentlich belaste. Die Nachbetreuung laufender Lebensversicherungsverträge stelle für den Versicherungsvertreter keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung dar. Mit Abschluss des Vertrags sei die Arbeit für den Versicherungsvertreter im Regelfall erledigt; die Zahlung einer einmaligen Abschlussprovision spiegele die tatsächlich zu erbringende Arbeitsleistung des Versicherungsvertreters ausreichend wider.
- 12
-
Der Schätzung des FG fehle jegliche gesicherte Basis. Das FG führe selbst aus, dass eine Sachaufklärung durch Sachverständige oder Befragung von Mitarbeitern nicht möglich sei und der objektive Zeitaufwand nicht ermittelt werden könne. Dennoch komme das FG zu dem Ergebnis, dass ein Zeitaufwand von 20 Minuten je Vertrag für Nachbetreuung anzusetzen sei. Nachgewiesener Betreuungsaufwand liege unstreitig nicht vor.
- 13
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Die Ausführungen des Klägers ließen erkennen, dass Nachbetreuungen lediglich in Ausnahmefällen in Betracht kämen. Die geltend gemachten Nachbetreuungsleistungen seien weder nachgewiesen noch objektiv greifbar.
- 14
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Im Klageverfahren sei ein entsprechender Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht verfolgt worden; mangelnde Sachaufklärung sei in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden.
Entscheidungsgründe
- 15
-
II. Die Revision des Klägers ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Sache wird gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen.
- 16
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1. Gemäß § 5 Abs. 1 EStG sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden; geboten ist ein Bilanzausweis u.a. aber bei Vorleistungen und Erfüllungsrückständen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N.). Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden sind, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält (BFH-Urteil in BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866; Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860; vgl. auch Wendt, Festschrift für Herzig, Unternehmensbesteuerung, 2010, 517; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 5 Rz 84 und § 5 Rz 550 Stichwort "Bestandspflege").
- 17
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a) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen eine dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem anderen voraus; es genügt, dass Grund und Höhe wahrscheinlich sind (Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 361, 376). In zeitlicher Hinsicht muss die Verbindlichkeit in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht sein; es muss bereits bis zum Bilanzstichtag eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sein (BFH-Urteile vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371, und vom 29. November 2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557).
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b) Dem Einwand des FA, die Bildung der Rückstellung sei wegen Unwesentlichkeit der Verpflichtung ausgeschlossen (ebenso Nichtanwendungserlass des BMF in BStBl I 2006, 765), vermag der Senat nicht zu folgen. Es fehlt bereits an einer rechtlichen Grundlage für die Annahme, die Bildung einer Rückstellung sei nur bei wesentlichen Verpflichtungen zulässig (dazu unten aa). In jedem Fall wäre die hier gegebene --langfristige und mit erheblichen Aufwendungen verbundene-- Verpflichtung aber als "wesentlich" anzusehen (dazu unten bb).
- 19
-
aa) Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des EStG lässt sich keine Einschränkung der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen. Entgegen der Auffassung des FA folgt ein solcher Rechtssatz auch nicht aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
- 20
-
(1) In dem genannten BMF-Schreiben ist ausschließlich das BFH-Urteil vom 18. Januar 1995 I R 44/94 (BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742, unter II.5.) erwähnt. Dort verweist der BFH auf frühere Rechtsprechung zur Bedeutung unwesentlichen Aufwands. Tragend ist diese Urteilspassage jedoch nicht, weil der BFH im konkreten Fall die Wesentlichkeit bejaht hat.
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(2) Verfolgt man die Verweise in dem genannten BFH-Urteil zurück, zeigt sich, dass auch das BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80 (BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788, unter II.3.) keine tragenden Aussagen zu den hier interessierenden Fragen enthält. Vielmehr findet sich lediglich ein knapper Verweis auf frühere Rechtsprechung, wobei die Wesentlichkeit im konkreten Fall bejaht worden ist. Dabei ging es um eine Verpflichtung zur Erstellung von Abrechnungen; die Rückstellung belief sich auf 3,9 % des Forderungsbetrags.
- 22
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(3) Letztlich verweisen die beiden vorgenannten BFH-Entscheidungen auf das BFH-Urteil vom 15. November 1960 I 189/60 U (BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48). Dabei handelt es sich --soweit ersichtlich-- um die einzige Entscheidung, in der der vom BMF herangezogene "Wesentlichkeitsgrundsatz" bisher tragende Bedeutung erlangt hat.
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In der Sache selbst ging es um die Bewertung von Rückstellungen für die Rückvergütung von Rabattmarkenheften. Zwischen den dortigen Beteiligten war unstreitig, dass die Verpflichtung der Klägerin aus der künftigen Einlösung von Rabattmarken um den Anteil an Heften zu kürzen war, die erfahrungsgemäß niemals mehr zurückgegeben wurden. Das FA wollte die Rückstellung aber darüber hinaus noch um 300 DM bzw. 400 DM je Bilanzstichtag für die künftige Einlösung sog. "Schlussmarken" kürzen. Dabei handelte es sich um einen Teilbetrag von 0,15 DM je Markenheft im Wert von 3,15 DM, den die dortige Klägerin bei den künftigen Einlösungsvorgängen einbehalten hatte. Diese weitere Kürzung der Rückstellung --so der BFH-- könne aus Vereinfachungsgründen unterbleiben, da es sich um Kleinbeträge handele, die in den ersten Monaten des folgenden Geschäftsjahrs ausgeglichen würden und deshalb das Ergebnis nicht wesentlich beeinflussten.
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In dieser Entscheidung hat der BFH --anders als das BMF offenbar meint-- nicht etwa die Bildung einer Rückstellung unter Verweis auf deren angebliche Unwesentlichkeit versagt, sondern er ist einer Kürzung der gebildeten Rückstellung durch das FA nicht gefolgt, weil die Kürzung nur unwesentlich sei.
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bb) Selbst wenn die Bildung von Rückstellungen für unwesentliche Verpflichtungen --entgegen der Auffassung des Senats-- unzulässig wäre, müsste der Senat aufgrund der den Streitfall prägenden Umstände die von dem Kläger übernommenen künftigen Betreuungspflichten als "wesentlich" würdigen.
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Der Sachverhalt, der der unter aa (3) genannten BFH-Entscheidung zugrunde lag, ist nicht einmal ansatzweise mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Denn die Betreuungsverpflichtung für Lebensversicherungsverträge realisiert sich bei dem Kläger nicht bereits innerhalb der ersten Monate des folgenden Geschäftsjahrs, sondern verteilt sich über die folgenden 25 Jahre. Der absolute Betrag der Rückstellung liegt im Streitfall erheblich über dem in dem angeführten BFH-Urteil einschlägigen Beträgen von 300 DM bzw. 400 DM.
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cc) Entgegen der Auffassung des FA ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit nicht auf die künftigen Betreuungsaufwendungen für den einzelnen Vertrag, sondern auf die im Unternehmen des Klägers künftig insgesamt anfallenden Aufwendungen für die Betreuung abzustellen. Für die vom FA vertretene Atomisierung der Verpflichtungen bietet weder das Gesetz noch die bisherige Rechtsprechung eine Grundlage. Vielmehr ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass nicht der Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern die Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen maßgebend ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742, unter II.5., betr. die einzelnen Jahresabrechnungen eines Versorgungsunternehmens). Auch in dem unter aa (3) angeführten BFH-Urteil in BFHE 72, 126, BStBl III 1961, 48 ist die Bildung einer Rückstellung für die künftige Einlösung von Rabattmarkenheften zugelassen worden, obwohl pro Heft lediglich 3 DM auszuzahlen waren und sich die Wesentlichkeit erst aus der Summe der --jeweils nur geringfügigen-- Einzelverpflichtungen ergab.
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dd) Das FA kann sich auch nicht auf den Beschluss des erkennenden Senats des BFH vom 18. März 2010 X R 20/09 (BFH/NV 2010, 1796) berufen, nach dem es einem Steuerpflichtigen erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung (nach dem Maßstab des § 6 Abs. 2 EStG) auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten. Zum einen war der Steuerpflichtige nach wie vor zum Bilanzansatz berechtigt, zum anderen sind die Größenverhältnisse des Streitfalls auch nicht ansatzweise vergleichbar.
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2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht dessen Würdigung, der Kläger sei rechtlich zur Nachbetreuung der Versicherungsverträge verpflichtet. Zwar bindet die Vertragsauslegung des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO den BFH, wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268). Im Streitfall entspricht die Auslegung des FG aber nicht dem klaren Inhalt der Verträge; der hierin liegende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Aus den vom Kläger vorgelegten Vertragsunterlagen, auf die das FG unter 2.1. Bezug genommen hat (Bl. 109 bis 118 der FG-Akte), ergibt sich lediglich, dass er für Lebens-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen --anders als für Sach-, Schaden- und Unfallversicherungen-- keine Folgeprovisionen erhalten hat. Ob und ggf. in welchem Umfang er aber gegenüber der A-Versicherung eine Rechtspflicht zur Betreuung der von ihm abgeschlossenen Versicherungsverträge übernommen hat, kann der Senat anhand der vorgelegten Vertragsunterlagen nicht erkennen. Die vom Kläger ebenfalls im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichte Bestätigung der A-Versicherung, wonach er zur Betreuung und Erhaltung des Bestandes von Sach-, Lebens- und Rentenversicherungsverträgen verpflichtet sei (Bl. 14 der FG-Akte), ist zu vage, als dass hieraus die von ihm behaupteten umfangreichen Rechtspflichten gegenüber der A-Versicherung abgeleitet werden könnten. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang die Frage zu klären haben, ob und in welchem Umfang der Kläger zur Betreuung der Lebens-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen verpflichtet war. Leistungen, die der Kläger gegenüber seinen Kunden ohne Rechtspflicht erbracht hat, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 860).
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3. Sofern die weiteren Ermittlungen des FG ergeben, dass eine Rechtspflicht zur weiteren Betreuung der abgeschlossenen Versicherungsverträge bestanden hat, sind hinsichtlich der Höhe der Rückstellung folgende Grundsätze zu beachten:
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a) Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.
- 32
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b) Abzustellen ist auf die Anzahl der Versicherungsverträge, für die noch künftige Betreuungsleistungen aufgrund rechtlicher Verpflichtung zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt beansprucht werden kann.
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Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.
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Nicht einzubeziehen ist der Aufwand für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers; Vertreter ohne angestelltes Personal können daher von vornherein keine Rückstellung bilden. Sollte neben dem angestellten Personal auch der Einzelunternehmer selbst in die Betreuung eingeschaltet sein, könnte für den von ihm erbrachten Teil der Leistungen ebenfalls keine Rückstellung gebildet werden.
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c) Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro Vertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; zur Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwandes ist im Einzelnen notwendig:
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- die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss das FA und das FG in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu prüfen, ob der Aufwand für die jeweilige Tätigkeit zur Bildung einer Rückstellung berechtigt; - die Angabe, welchen Zeitbedarf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, wenn sie im Einzelfall anfällt; - die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen ist; die Höhe der Personalkosten pro Stunde Betreuungszeit; - die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden Verträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt wird.
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d) Neben dem zeitlichen Umfang der Betreuungsleistungen ist für die Bemessung der Rückstellung der Stundenlohn der vom Kläger für die Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter von Bedeutung. Wie das FG sieht auch der Senat konkret keine Veranlassung, die vom Kläger angesetzten Beträge in Höhe von 14 €, 19 € und 22 € zu beanstanden.
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e) Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand auszuweisen ist, wird diese gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG --wie bereits im ersten Rechtsgang geschehen-- abzuzinsen sein.
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4. Über die unter 3. bezeichneten Angaben sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen.
- 39
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a) Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Rückstellung jedes Jahr angepasst werden muss und jedes Jahr zu prüfen ist, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich eingetreten ist und ob für die Zukunft Korrekturen vorzunehmen sind. Dieser Natur des Rückstellungspostens entsprechend (Schätzung von Aufwand, der auf u.U. sehr langfristigen Verpflichtungen beruht) kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen.
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b) Die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und Adressenänderungen, Beitragsfreistellungen, Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen Vertrags (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle Verträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.
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c) Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von Verträgen ohne Bestandspflegeprovision mit Verträgen mit Bestandspflegeprovision. Dabei muss die Vergleichbarkeit der Versicherungen gewährleistet sein; so darf etwa der Teil der Bestandspflege, der auf den Inhaber der Versicherungsagentur entfällt, nicht berücksichtigt werden.
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d) Eine derartige Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der zu führende Belegnachweis sich auf Vorgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, unter II.1.c, zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch). Zum anderen sind auch angesichts der Höhe und der Zeitdauer des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungsrückstandes aussagekräftige Aufzeichnungen geboten.
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5. Zutreffend ist das FG im ersten Rechtsgang davon ausgegangen, dass der Kläger letzten Endes die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die von ihm behaupteten Aufwendungen für Betreuungsleistungen trägt. Da es sich um Angaben aus der Sphäre der Steuerpflichtigen handelt, die von der Finanzverwaltung regelmäßig nur eingeschränkt nachgeprüft werden können und die zudem der Herbeiführung einer Steuerminderung dienen, tragen die Steuerpflichtigen die volle Feststellungslast für ihre entsprechenden Tatsachenbehauptungen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl II 2008, 335).
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III.
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Die Revision des FA ist ebenfalls begründet; auch im Umfang der Klagestattgabe beruht das angefochtene Urteil auf der beanstandeten Vertragsauslegung (s. oben unter II.2.).
(1) Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Ferner sind Rückstellungen zu bilden für
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im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, - 2.
Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.
(2) Für andere als die in Absatz 1 bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden. Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist.
(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.
(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.
(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn
- 1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder - 2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.
(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.
(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.
(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen
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auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; - 2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- 1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, - 2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.
(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.
(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.
Tenor
I. Der geänderte Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 12. Juni 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf 1.718.280,50 € herabgesetzt werden.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Streitig ist, ob die Klägerin für die Verpflichtung zur Rücknahme von Mehrwegpaletten in ihrer Bilanz eine Rückstellung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HBG zu bilden hat.
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Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft mit Geschäftssitz in U. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Gewinnung von Rohstoffen, die Herstellung von Bimsbaustoffen aller Art, der Handel mit Rohstoffen und Baustoffen aller Art sowie die Durchführung aller Rechtsgeschäfte, die diesem Gesellschaftszweck dienlich sind.
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Die Klägerin ist – gemeinsam mit anderen Gesellschaften der Bimsindustrie – an der Firma K GmbH (nachfolgend kurz: K GmbH) mit Geschäftssitz in U beteiligt. Deren Unternehmensgegenstand ist die Anbahnung, Vermittlung, Abschluss und Durchführung von Geschäften, die im Zusammenhang stehen mit der Produktion und dem Vertrieb von Baustoff-Erzeugnissen, in der Abwicklung der damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben für die Gesellschafter sowie in der Verwaltung anderer Unternehmen. Die K GmbH fungiert als Vertriebsgesellschaft für die an ihr beteiligten Unternehmen. Die K-Produkte werden von den beteiligten Unternehmen produziert und an die K GmbH verkauft. Diese veräußert die K-Produkte an Baumärkte und private Endkunden, wobei die Lieferungen unmittelbar von dem Werksgelände der beteiligten Unternehmen erfolgen. Die Daten aus den hierbei erstellten Lieferscheinen werden an die K GmbH weitergeleitet und dienen als Grundlage für deren Abrechnungen gegenüber den Kunden. Aufgrund der vorliegenden Daten erfolgen in regelmäßigen Abständen entsprechende Abrechnungen zwischen den beteiligten Unternehmen und der K GmbH.
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Seit Beginn des Jahres 2000 werden die K-Produkte weitgehend auf Mehrwegpaletten zum Kunden geliefert. In diesem Zusammenhang wurde ein Palettenrücknahme-System eingeführt, das wie folgt ausgestaltet ist:
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Die Klägerin sowie die anderen an der K GmbH beteiligten Unternehmen liefern die K-Produkte auf sog. X-Hubwagenpaletten (Mehrwegpaletten). Die Paletten, welche die Klägerin im Streitjahr 2002 fast ausschließlich aus Polen zu Einkaufspreisen zwischen 4,30 € und 4,50 € bezogen hat, sind durch sog. Blocprinter-Kennzeichnungen individualisiert und können dementsprechend den jeweiligen Gesellschaftern zugeordnet werden. Für jede Lieferung werden pro Palette 9,70 € berechnet, wobei die gelieferten K-Produkte zusätzlich mit einer Schrumpfhaube und einem Stahlband verpackt sind, welche nach der Lieferung entsorgt werden. Die Palette selbst kann der Käufer – sofern sie nicht beschädigt ist – gegen Vergütung eines Betrages i.H. von 8,70 € bei jedem Gesellschafter der K GmbH zurückgeben. Die Differenz zu dem Einkaufspreis i.H. von 1,00 € erklärt sich aus der nicht zurückgegebenen Schrumpfhaube und dem Stahlband.
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Im Streitjahr 2002 mussten die Gesellschafter nur so viele Paletten zurücknehmen, wie sie zuvor an den jeweiligen Kunden herausgegeben hatten. Eine Verpflichtung zur Rücknahme von Paletten, die andere Gesellschafter der K GmbH herausgegeben hatten, bestand (noch) nicht. Zur Überprüfung der Rücknahmepflicht führte jeder Gesellschafter (und ab 01. Januar 2002 zusätzlich die K GmbH) für jeden Kunden ein sog. Palettenkonto (vgl. beispielhaft Anlagen K 27 und K 28).
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In ihrer – mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2002 unter dem 02. April 2004 eingereichten – Bilanz zum 31. Dezember 2002 bildete die Klägerin für die „Palettenrücknahme“ eine Rückstellung i.H. von 137.800,00 € (vgl. Bl. 25 d. Bilanzakte). Die Rückstellung bemaß sie dabei anhand der zum Bilanzstichtag nicht zurückgegebenen Paletten (21.120), einer Rücknahmequote von 75% und eines Rücknahmepreises von 8,70 € (15.840,00 € x 8,70 € = 137.800,00 €; vgl. Bp-Bericht vom 27. April 2007, Seite 8, Bl. 65 d. Bp-Akte). Auf dieser Grundlage ermittelte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H. von 1.718.230,50 €.
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Der Beklagte veranlagte mit Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. Mai 2004 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erklärungsgemäß.
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Im Kalenderjahr 2007 fand für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2005 eine steuerliche Außenprüfung statt. Im Prüfungsbericht vom 27. April 2004 gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass die Rückstellung für „Palettenrücknahme“ zu Unrecht gebildet worden sei. Zugleich erhöhte er die Gewerbesteuer-Rückstellung um 20.009,00 € (vgl. Tz. 1.9, 1.10 des Prüfungsberichts vom 27. April 2007, Bl. 58 ff. d. Bp-Akte). Darüber hinaus erhöhte der Prüfer den Bestand der fertigen Erzeugnisse zum 31. Dezember 2005 „wg. Paletteneinzelbewertung“ um 123.719,00 € (28.772 Paletten x Einkaufspreis von 4,30 € pro Palette; vgl. Tz. 1.5 des Prüfungsberichts aaO)
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Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 12. Juni 2007 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, mit welchem die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb i.H. von 1.836.021,50 € festgestellt wurden.
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Den hiergegen unter dem 27. Juni 2007 erhobenen Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 zurück. Die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten scheitere bereits an der fehlenden wirtschaftlichen Verursachung vor dem Bilanzstichtag. Die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für die Entstehung der Rücknahmepflicht seien nämlich erst mit der – nach dem jeweiligen Bilanzstichtag abgegebenen – Erklärung des Erwerbers erfüllt, von seiner Option zum Rückverkauf der Paletten zu dem festgelegten Preis Gebrauch zu machen. Des Weiteren liege weder eine privatrechtliche verbindliche noch eine entsprechende – hinreichend konkretisierte – öffentlich-rechtliche Rücknahmeverpflichtung vor. Bei den Paletten handele es sich auch nicht um Anlagevermögen, da sie zur Veräußerung bestimmt seien. Die Bildung einer Rückstellung sei daher auch gemäß § 5 Abs. 4b EStG ausgeschlossen. Ein Pfandsystem liege im Streitfall nicht vor. Die gebildete Rückstellung sei außerdem nach § 5 Abs. 4a EStG als Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften unzulässig.
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Mit ihrer – am 29. Oktober 2008 beim Gericht eingegangenen – Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, sie habe gemäß §§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden müssen. Sie sei gegenüber der K GmbH privat- und gesellschaftsrechtlich verpflichtet gewesen, die Paletten zurückzunehmen. Außerdem habe nach der Verpackungsverordnung (VerpackV) eine entsprechende öffentlich-rechtliche Rücknahmeverpflichtung bestanden. Die Verpflichtung zur Rücknahme der Paletten habe sich unmittelbar aus dem im Wirtschaftsjahr erfolgten Inverkehrbringen der Paletten ergeben und sei damit wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht worden. Die Klägerin habe auch ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung rechnen müssen, da den Endkunden bekannt gewesen sei, dass sie die Paletten gegen Erstattung eines Betrages i.H. von 8,70 € zurückgeben können. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der bei der Übernahme der Paletten zu zahlende Preis von 8,70 € den Einkaufspreis von rd. 4,50 € deutlich übersteige und für den Endkunden damit ein Anreiz gegeben gewesen sei, die Paletten zurückzugeben.
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Die Sondervorschrift gemäß § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG stehe dem nicht entgegen. Es lägen bereits keine künftigen Anschaffungskosten vor, da die Verpflichtung zur Rücknahme der Paletten durch das im Wirtschaftsjahr vorangegangene Inverkehrbringen begründet worden sei. Im Übrigen seien die Paletten durch entsprechende Aufdrucke individualisiert und damit dem in der Getränkeindustrie verwendeten Individualleergut vergleichbar, bei dem das Eigentum auf allen Handelsstufen beim Lieferanten verbleibe. Aufgrund der Wiederverwendungspflicht der Paletten als Transportverpackungen handele es sich nicht um Umlaufvermögen, sondern um Anlagevermögen, welches der Bewertungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 2 EStG unterliege. Von dieser Bewertungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 2 EStG habe die Klägerin Gebrauch gemacht, wobei aufgrund fehlerhafter buchhalterischer Behandlung allerdings die Anschaffungskosten unmittelbar aufwandswirksam verbucht worden seien.
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Im Übrigen stelle das von der Klägerin mit der K GmbH eingeführte System ein Pfandsystem dar. Soweit der Kläger bei der Veräußerung der K-Produkte einen Betrag von 8,70 € pro Palette und damit einen deutlich über dem Einkaufspreis liegenden Betrag verlange, werde den Abnehmern ein Anreiz gegeben, die mit dem Geld belegten Paletten zurückzugeben. Es handele sich daher – ähnlich wie in der Getränkeindustrie – um Pfandgelder. Für die Verpflichtung zur Rückzahlung von Pfandgeldern sei eine Pfandrückstellung zu bilden.
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Die Klägerin beantragt, den geänderten Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 12. Juni 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 1.718.280,50 € herabgesetzt werden.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er nimmt zur Begründung auf die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008 Bezug.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte die von der Klägerin für die bei der Palettenrücknahme zu leistende Erstattung von 8,70 € pro Palette gebildete Rückstellung nicht anerkannt.
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1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist. Zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört auch § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative HGB, wonach Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden sind.
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Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach (deren Höhe zudem ungewiss sein kann) und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Die Verbindlichkeit kann dabei ihren Rechtsgrund im öffentlichen oder im privaten Recht haben. Als weitere Voraussetzung beider Tatbestände muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen (st. Rspr. des BFH; vgl. nur BFH, Urteil vom 10. Januar 2007, I R 53/05, BFH/NV 2007, 1102 m.w.N.).
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2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative HGB erfüllt.
- 22
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich die der Rückstellung zugrunde liegende Verbindlichkeit allerdings nicht aus der VerpackV.
- 23
Zwar handelt es sich bei den streitgegenständlichen (Mehrweg-)Paletten um Transportverpackungen i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 4 VerpackV. Die Klägerin ist auch sowohl Hersteller i.S. der Verordnung, weil sie die Paletten im Streitjahr fast ausschließlich aus Polen bezogen und sie damit in den Geltungsbereich der VerpackV eingeführt hat (§ 3 Abs. 8 VerpackV), als auch Vertreiber i.S. von § 3 Abs. 9 Satz 1 VerpackV.
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§ 4 Abs. 1 Satz 1 VerpackV begründet für den Hersteller und Vertreiber von Transportverpackungen aber lediglich die Pflicht, die Transportverpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen. Dagegen sind Hersteller und Vertreiber von Transportverpackungen – anders als Vertreiber von Getränken in Einweggetränkeverpackungen mit bestimmtem Füllvolumen (vgl. § 9 VerpackV) – nicht verpflichtet, beim Inverkehrbringen der Verpackungen einen Geldbetrag zu erheben und diesen bei Rücknahme der Verpackungen wieder zu erstatten. Die Einführung eines solchen Pfandsystems war auch nicht erforderlich, um die Rücknahmepflicht erfüllen zu können.
- 25
Die Verpflichtung der Klägerin, den beim Inverkehrbringen der Paletten eingenommenen Betrag von 8,70 € bei Rücknahme der Paletten zu erstatten, folgt aber aus den mit der K GmbH getroffenen privatrechtlichen Vereinbarungen. Dass die Klägerin – wie auch die anderen Gesellschafter der K GmbH – solche Vereinbarungen mit der K GmbH getroffen hat, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die Rücknahmepflicht für Mehrwegpaletten war mehrfach Gegenstand von Gesellschafterversammlungen der K GmbH (vgl. die von der Klägerin vorgelegten Anlagen K3, K5, K14, K15 und K16). Außerdem hat die Klägerin die Palettenkonten für das Streitjahr 2002 vorgelegt (vgl. Anlage K19). Darüber hinaus ergibt sich die zwischen der Klägerin und der K GmbH vereinbarte und geübte Praxis der Lieferung und Rücknahme von Paletten aus dem als Anlage K22 eingereichten Journal vom 10. Oktober 2002. Dass die Klägerin die Palettenrücknahme-Regelung nicht vorlegen konnte (vgl. Schriftsatz vom 29. Juli 2010, Seite 2), hält der Senat in Anbetracht der vorgenannten aussagekräftigen Unterlagen für unschädlich.
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b) Die Verpflichtung der Klägerin, zurückgegebene Paletten mit 8,70 € zu vergüten, war in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht.
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b 1) Wirtschaftlich verursacht ist eine Verbindlichkeit, wenn der Tatbestand, von dessen Verwirklichung ihre Entstehung abhängt, in dem betreffenden Wirtschaftsjahr im wesentlichen bereits verwirklicht ist und die Verbindlichkeit damit so eng mit dem betrieblichen Geschehen dieses Wirtschaftsjahres verknüpft ist, dass es gerechtfertigt ist, sie wirtschaftlich als eine bereits am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zu behandeln.
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Erforderlich ist die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht. Die wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen Wirtschaftsjahr kann nicht allein deshalb verneint werden, weil für deren rechtliche oder faktische Entstehung noch eine wirtschaftlich unwesentliche Voraussetzung fehlt. Sind künftige Ausgaben wirtschaftlich bereits realisierten Erträgen zuzuordnen, sind sie in dem Jahr zu passivieren, in dem die Zugehörigkeit zu früheren Erträgen konkretisiert wird. Ist eine ungewisse Verbindlichkeit hingegen eng mit künftigen Gewinnchancen verbunden, so ist kein Raum für die Annahme, sie sei in der Vergangenheit verursacht (vgl. BFH, Beschluss vom 15. März 1999, I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205 m.w.N.).
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b 2) Die Verpflichtung des Herstellers und Vertreibers zur Rücknahme von Transportverpackungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VerpackV knüpft an das Inverkehrbringen der Transportverpackungen an. Die Rücknahmepflicht ist die zwangsläufige – gesetzliche – Folge dieses Inverkehrbringens. Sie hängt demnach so eng mit dem betrieblichen Geschehen des betreffenden Wirtschaftsjahres zusammen, dass sie als in diesem Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht angesehen werden muss (so auch Fey DB 1992, 2355, 2359; Beck´scher Bilanzkommentar, 7. Auflage, § 249 HGB, Rz. 100 „Produktverantwortung“; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Auflage, § 249 HGB, Rz. 112; vgl. auch BFH, Urteil vom 10. Januar 2007, I R 53/05, BFH/NV 2007, 1102 zur Bildung einer Rückstellung für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rücknahme von Altbatterien).
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Gleiches gilt für die – als Annex zur Rücknahmepflicht vereinbarte und mit dieser untrennbar zusammenhängende – Verpflichtung der Klägerin, im Falle der Rückgabe von Paletten einen Betrag i.H. von 8,70 € pro Palette zu erstatten. Auch diese Erstattungspflicht folgt zwangsläufig aus dem Inverkehrbringen der Paletten und ist damit im Wirtschaftsjahr des Inverkehrbringens wirtschaftlich verursacht.
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Dass die Klägerin zur Rücknahme der Paletten nur verpflichtet ist, wenn die K GmbH bzw. die (End-)Kunden der K GmbH von ihrer Option zur Rückgabe der Paletten Gebrauch machen, ändert hieran entgegen der Ansicht des Beklagten nichts. Denn der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung einer Verbindlichkeit hängt nicht davon ab, wann sie rechtlich entsteht. Die Ausübung der Rückgabeoption ist nach Auffassung des Senats lediglich eine wirtschaftlich unwesentliche Voraussetzung für das Entstehen der Rücknahme- und Erstattungspflicht.
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c) Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Rückstellung auch – entgegen der Ansicht des Beklagten – nicht um eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i.S. von § 5 Abs. 4a EStG.
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c 1) Die Verbindlichkeitsrückstellung ist von der Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i.S. von § 249 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative HGB abzugrenzen, die zwar handelsrechtlich, gemäß § 5 Abs. 4a EStG aber nicht steuerlich gebildet werden darf.
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Schwebende Geschäfte sind gegenseitige, auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i.S. der §§ 320 ff. BGB, die von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei – abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten – noch nicht voll erfüllt sind. Hat ausnahmsweise der zur Geldleistung Verpflichtete vorzuleisten, ist der Schwebezustand auch mit Erfüllung der Geldleistung beendet, obgleich die Sach- oder Dienstleistung noch nicht erbracht ist (vgl. BFH, Urteil vom 11. Oktober 2007, IV R 52/04, BStBl II 2009, 705). Die Drohverlust- und die Verbindlichkeitsrückstellung unterscheiden sich nach dem Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung. Die Drohverlustrückstellung hat ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zukunft, die Verbindlichkeitsrückstellung ihre in der Vergangenheit (vgl. Frotscher in: Frotscher, EStG, § 5, Rz. 449).
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c 2) Der Ansicht des Beklagten liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass die Klägerin die Paletten an die K GmbH verkauft hat und – auf entsprechendes Verlangen der K GmbH bzw. der (End-)Kunden – wieder zurückkaufen muss. Hieraus folgert der Beklagte, die Erstattungsverpflichtung der Klägerin hänge wirtschaftlich mit dem Rückkaufvertrag zusammen, dessen Schwebezustand jedoch bis zur Rückübereignung der Paletten andauere. Daher sei erst mit der Rückübereignung die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des festgelegten Rückkaufpreises zu bilanzieren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 29. September 2008, Seite 15 Abs. 2).
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c 3) Dieses Verständnis des Beklagten von den rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der K GmbH entspricht nicht den zivilrechtlichen Gegebenheiten.
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Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin die Paletten weder an die K GmbH verkauft noch sie später von ihr wieder zurückkauft. Vielmehr liegt der Lieferung der Paletten eine leiheähnliche Gebrauchsüberlassung zugrunde. Der bei der Lieferung zu zahlende Betrag von 8,70 € pro Palette (zzgl. 1,00 € für Schrumpfhaube und Stahlband) dient – ähnlich einem Pfandgeld – der Sicherung des Rückgabeanspruchs der Klägerin gegenüber der K GmbH bzw. der K GmbH gegenüber den (End-)Kunden, wobei dieser Rückgabeanspruch allerdings nur bedingt ist, weil die (End-)Kunden befugt sind, an Stelle der Rückgabe der Paletten wahlweise auf die Erstattung des geleisteten Sicherungsbetrages von 8,70 € zu verzichten.
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Dies folgt zwar nicht unmittelbar – ebenso wenig wie die Annahme eines Kaufs und Rückkaufs der Paletten – aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere nicht aus den Protokollen zu den Gesellschafterversammlungen der K GmbH. Dort ist durchgängig nur von der „Rücknahme“ bzw. „Rückgabe“ von Paletten die Rede. Soweit in dem vorgelegten „Journal“ (vgl. Anlage K22) auch für die K-Hubwagenpaletten „Einkaufspreise“ genannt sind, ist dies nach Auffassung des Senats der komprimierten Darstellung geschuldet und besagt nichts über die (zivil-)rechtliche Qualifikation des den Palettenlieferungen zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts.
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Dass die Klägerin im Verhältnis zur K GmbH bzw. die K GmbH im Verhältnis zu ihren (End-)Kunden die Paletten nicht übereignen, sondern lediglich zum vorübergehenden Gebrauch überlassen wollten, ergibt sich jedoch aus der Interessenlage der Beteiligten und dem mit der Überlassung der Paletten gegen Zahlung von 8,70 € verfolgten wirtschaftlichen Zweck:
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Bei den streitgegenständlichen Paletten handelt es sich um Gebrauchsgüter, mit denen Waren transportiert werden. Insofern unterscheiden sie sich in ihrer Zweckbestimmung nicht von Mehrweggetränkeverpackungen, die ebenfalls dazu dienen, die betreffende Ware an den Abnehmer zu verbringen. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gewonnenen Erkenntnisse zu den zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Getränkeherstellern und -händlern in Bezug auf solche Mehrweggetränkeverpackungen können daher grundsätzlich auch für den Streitfall herangezogen werden.
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Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit danach, ob die Getränke in Flaschen und Gebinden geliefert werden, die keine Individualisierungsmerkmale aufweisen und von unbestimmt vielen Herstellern verwendet werden (sog. Einheitsleergut) oder ob die Mehrwegflaschen dauerhaft so gekennzeichnet sind, dass sie sich von Flaschen anderer Hersteller und Vertreiber unterscheiden und eindeutig als Eigentum eines bestimmten Herstellers erkennbar sind. Bei diesen – letztgenannten – Individualflaschen verbleibe das Eigentum an den Flaschen beim Hersteller/Vertreiber und werde auch auf den nachfolgenden Handelsstufen nicht an den Erwerber des Flascheninhalts übertragen. Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof insbesondere auf die Interessenlage der Hersteller bzw. Händler, da gerade aus der individuellen Kennzeichnung der Flaschen der Wille des Herstellers erkennbar werde, die Flaschen zurück zu erhalten und sie deshalb nur zur vorübergehenden Benutzung und nicht zu Eigentum zu überlassen (vgl. BGH, Urteil vom 09. Juli 2007, II ZR 233/05, NJW 2007, 2913; daran anschließend BFH, Urteil vom 06. Oktober 2009, I R 36/07, BStBl II 2010, 232).
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Die von der Klägerin verwendeten Mehrwegpaletten weisen sog. Blocprinterkennzeichnungen auf, durch welche sie von Paletten anderer Mitgesellschafter der K GmbH unterschieden werden können (vgl. Anlage K9, Bl. 125 ff. d. PA). Außerdem hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, die von den Gesellschaftern der K GmbH in Verkehr gebrachten Paletten hätten unterschiedliche Abmessungen, so dass eine Individualisierung auch hierdurch gegeben sei (vgl. Schriftsatz vom 21. Januar 2010, Seite 4 unten f., Bl. 122 f. d. PA).
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Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu den sog. Individualflaschen beim Getränkepfand sind daher auf die streitgegenständlichen Paletten übertragbar. Wegen deren individueller Kennzeichnung ist davon auszugehen, dass der Wille der Klägerin bzw. der K GmbH dahin geht, die Paletten zurück zu erhalten, um sie anschließend weiterverwenden zu können. Dem würde es aber nicht entsprechen, die Paletten zu übereignen, mit der Folge, dass die Klägerin bzw. die K GmbH (dauerhaft) ihr Recht zum Besitz an den Paletten verlieren würden. Auch die (End-)Kunden hätten kein Interesse daran, die Paletten zu Eigentum zu erwerben. Ihr Interesse beschränkt sich vielmehr darauf, die mit den Paletten transportierte Ware zu erhalten.
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Der für die Überlassung der Paletten zu zahlende Geldbetrag von 8,70 € hat vor diesem Hintergrund lediglich die Funktion eines Pfandgeldes, wobei er weniger der Sicherung des – ohnehin nur bedingten – Rückgabeanspruchs der Klägerin bzw. der K GmbH dienen, als vielmehr für die (End-)Kunden einen Anreiz bieten soll, die Paletten zurückzugeben (vgl. zur zivilrechtlichen Einordnung der Überlassung von Mehrwegverpackungen auch Kollhosser, in: Münchener Kommentar, BGB, 3. Auflage, § 598, Rz. 22).
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Hieraus folgt, dass mit dem bei der Rücknahme der Paletten zu zahlenden Geldbetrag i.H. von 8,70 € lediglich das der K GmbH bzw. den (End-)Kunden bei der Lieferung berechnete Pfandgeld erstattet wird. Die bei der Rücknahme entstehende Erstattungspflicht der Klägerin ist damit unzweifelhaft die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der Paletten und folglich im Wirtschaftsjahr des Inverkehrbringens wirtschaftlich verursacht.
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c 4) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine Rückstellung – zumindest in Höhe eines Teilbetrages – auch dann zu bilden wäre, wenn die Hypothese des Beklagten von einem Kauf und Rückkauf der Paletten zuträfe.
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Denn für den Fall eines Kfz-Händlers, der Mietwagenfirmen bzw. Leasingunternehmen beim Verkauf von Neuwagen eine Rückverkaufsoption zu einem festgelegten Preis einräumt, hat der BFH ausgeführt, es handele sich bei den Rückkaufverpflichtungen um selbständige (Hilfs-)Geschäfte im Rahmen des Neuwagenverkaufs mit der Folge, dass der Kfz-Händler bis zur Ausübung oder dem Verfall der jeweiligen Rückverkaufsoptionen bilanziell eine Verbindlichkeit ausweisen müsse (vgl. BFH, Urteil vom 11. Oktober 2007, IV R 52/04, BStBl II 2009, 705).
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Dementsprechend wäre auch im Streitfall davon auszugehen, dass zumindest mit einem Teil des von der K GmbH bei Übernahme der Paletten gezahlten Betrages i.H. von 8,70 € die eingeräumte Rückverkaufsoption abgegolten wurde. Insoweit wäre die Verpflichtung der Klägerin, im Falle der Ausübung der Rückverkaufsoption ihrerseits einen Betrag i.H. von 8,70 € an die K GmbH zu zahlen, teilweise bereits im Streitjahr wirtschaftlich verursacht, weil dem Aufwand ein im Streitjahr erzielter Ertrag – der beim Verkauf der Paletten vereinnahmte, auf die Rückverkaufsoption entfallende Teil des Kaufpreises – gegenüber stünde.
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d) Dass die Klägerin ernsthaft mit der Inanspruchnahme aus ihrer Rücknahme- und Erstattungspflicht rechnen musste, belegen schon die Aufzeichnungen zu den verkauften und zurückgenommenen Paletten im Streitjahr 2002 sowie die daraus errechnete Rücknahmequote von 75% (vgl. Prüfungsbericht vom 27. April 2007, Seite 8, Bl. 65 d. Bp-Akte). Zudem war eine Inanspruchnahme in erheblichem Umfang bereits deshalb zu erwarten, weil die meisten (End-)Kunden für die Paletten keine Verwendung haben dürften und der gezahlte „Preis“ von 8,70 € im Vergleich zu den Einkaufspreisen der Klägerin (4,30 € - 4,50 €) unverhältnismäßig hoch ist, in der überwiegenden Zahl der Fälle also allein eine Rückgabe der Paletten gegen Erstattung der 8,70 € wirtschaftlich vernünftig wäre.
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3. Die – handelsrechtlich gebotene – Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative HGB war auch nicht nach § 5 Abs. 4b EStG ausgeschlossen.
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Gemäß § 5 Abs. 4b EStG dürfen Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, nicht gebildet werden. Bereits vor Einführung der Bestimmung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 war in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nur dann zulässig sind, wenn die künftigen Aufwendungen zur Erfüllung der Verpflichtung steuerrechtlich sofort abziehbare Ausgaben darstellen (vgl. BFH, Urteil vom 19. August 1998, XI R 8/96, BStBl II 1999, 18).
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Bei den im Streitfall für die Rückgabe der Paletten zu erstattenden Geldbeträgen handelt es sich – aus Sicht des Streitjahres – nicht um künftige Anschaffungskosten eines zu aktivierenden Wirtschaftsguts i.S. von § 5 Abs. 4b EStG, weil die Paletten alsgeringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG unterliegen.
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Anlagevermögen sind gemäß § 247 Abs. 2 HGB diejenigen Gegenstände, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Das sind die zum Gebrauch bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören hingegen diejenigen Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, veräußert oder verbraucht zu werden (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 1986, III R 128/80, BStBl II 1986, 551). Welchem Zweck ein Wirtschaftsgut zu dienen bestimmt ist, hängt einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen ab und muss sich andererseits an objektiven Merkmalen wie z.B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs oder auch der Art der Bilanzierung nachvollziehen lassen (vgl. BFH, Beschluss vom 07. Februar 2008, X B 140/07, veröffentlicht in juris).
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Die streitgegenständlichen Mehrwegpaletten dienen dem Zweck, die von der Klägerin hergestellten K-Produkte zum Kunden zu transportieren. Es handelt sich um typische Gebrauchsgüter, die aufgrund ihrer individuellen Kennzeichnung im Eigentum der Klägerin verbleiben und nicht (mit-)veräußert, sondern nur leiheähnlich überlassen werden (vgl. oben Ziff. 2. c 3)). Dass die Paletten dabei gegebenenfalls nur relativ kurz im Betrieb der Klägerin verbleiben, erachtet der Senat für unschädlich, da sie jedenfalls nach Rückgabe durch den Kunden wieder verwendet werden, und insofern dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb auf Dauer zu dienen. Insoweit gilt nichts anderes als für Leergut in der Getränkeindustrie, welches die Finanzverwaltung – sogar unabhängig davon, ob es sich um Individual- oder sog. Einheitsleergut handelt – dem Anlagevermögen (Betriebs- und Geschäftsausstattung) des Abfüllers zuordnet (vgl. BMF, Schreiben vom 13. Juni 2005, BStBl I 2005, 715). Soweit der BFH in seinem Urteil vom 06. Oktober 2009 (aaO) unter Ziff. II. 2. a) a.E. scheinbar abweichend ausgeführt hat, bei Leergut handele es sich um Umlaufvermögen, für das § 6 Abs. 2 EStG nicht gelte, bezogen sich diese Ausführungen erkennbar nur auf Einheitsleergut und darüber hinaus ausschließlich auf die Ebene des Getränkehändlers.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.
(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.
(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn
- 1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder - 2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.
(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.
(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.
(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen
- 1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; - 2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
- 1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, - 2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.
(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.
(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.
(2) Vollstreckt wird
- 1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen, - 2.
aus einstweiligen Anordnungen, - 3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.
(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.