Finanzgericht Köln Urteil, 16. Juni 2016 - 13 K 1014/13
Tenor
Der Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 16. August 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2013 wird dahingehend geändert, dass eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG i.H.v. … € (Betrag vor Anwendung des typisierten ¼-Finanzierungsanteils, des Freibetrages und der ¼-Hinzurechnung) unterbleibt.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Festsetzung des Messbetrags nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2008 darüber, ob Zahlungen im Zusammenhang mit computerisierten Reiseinformations- und -vertriebssystemen einer Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 2008 unterliegen.
3Die Klägerin ist eine beim Amtsgericht L unter HRB ... eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gegenstand die Vermittlung von Reisen sowie die Übernahme aller damit im Zusammenhang stehender Dienstleistungen, Marketing, Werbung sowie Mediaplanung und -schaltungen ist. Das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr beginnt am 1. November und endet am 31. Oktober des Folgejahres.
4Haupttätigkeit der Klägerin ist die Vermittlung von Reisen des Reiseveranstalters ... (…; nachfolgend „Reiseveranstalter“) unter der Marke „R“ nach .... Der Vertrieb erfolgt einerseits über die Website der Klägerin (www...de), via Telefon oder E-Mail („Direktbuchung“), andererseits über sog. Computerreservierungssysteme (CRS) verschiedener Systemanbieter. Hauptsächlich erfolgt hierbei die Vermittlung über das CRS „B“, in wesentlich geringerem Umfang werden auch – unabhängig von B – anderweitige Systeme (..., ...., etc.) genutzt.
5B ... ist ein von der B GmbH betriebenes CRS in Form einer elektronischen Handelsplattform mit beschränktem Nutzerkreis. B schließt einerseits Verträge mit „Anbietern“ (Reiseveranstalter und -vermittler, Fluggesellschaften, Hotelbetreiber, etc.), andererseits mit „Nutzern“ (Reisebüros).
6Die Klägerin stellt hierzu als Anbieterin – mit Wissen und Zustimmung des Reiseveranstalters sowie der B GmbH – konkrete Reiseprodukte des Reiseveranstalters in das System ein. Die Reisebüros können hierauf zugreifen und Buchungen vornehmen. Bei erfolgreicher Buchung sendet die Klägerin eine von B vorbereitete Buchungsbestätigung nebst Rechnung an den Nutzer (Reisebüro). Sie vereinnahmt auch das Reiseentgelt des Reisenden (Endkunden) und leitet dieses unverzüglich und vollständig an den Reiseveranstalter weiter. Vom Reiseveranstalter erhält die Klägerin für die Vermittlungsleistung eine Provision, ihrerseits zahlt die Klägerin auch Provisionen an die (ebenso vermittelnden) Reisebüros.
7In technischer Hinsicht stellt die Klägerin Daten von Reiseleistungen (z. B. Pauschalreisen) in einen von ihr betriebenen Server („Anbieter-Rechner“) ein, welcher nach genauen Vorgaben des B-Systems konfiguriert ist. Dieser Server ist über eine abgesicherte Verbindung (VPN-Verbindung) mit dem von der B GmbH betriebenen B-Server verbunden, auf welchem die Handelsplattform betrieben wird. Die Reisebüros greifen über den B-Server für ihre Buchungsanfragen und Buchungen auf den Server der Klägerin zu.
8Die Klägerin verwaltet ihre Reiseangebote mittels einer eigenen – hier nicht im Streit stehenden – Software. Auf den Rechnern der Klägerin befindet sich ferner zur Schaltung von Angeboten eine Zugangsschnittstelle nebst Log-In-Daten zum Zugriff auf das B-Anbietersystem. Die Klägerin legt hierzu Reisedaten nach bestimmten Spezifikationen auf ihrem Server ab. Eine von B bereitgestellte anderweitige / weitergehende Software zum Anbieten von Reiseleistungen ist insoweit nicht installiert und in technischer Hinsicht auch nicht erforderlich.
9Da die Klägerin zur Erbringung ihrer Reiseleistungen im Einzelfall Möglichkeiten zur Abfrage oder Buchung von Reiseleistungen benötigt, sind der Klägerin von B auch eine Lizenz einer mobilen Software („...“) und 13 Lizenzen einer arbeitsplatzbezogenen Software („...“) überlassen worden. Die Klägerin greift insoweit nicht als Anbieter, sondern als Nutzer („Nachfrager“) auf das B-System zu.
10Die vertraglichen, organisatorischen und technischen Details zwischen der Klägerin als „Anbieter“ und B als „Portalbetreiber“ sind wie folgt geregelt:
11Mit Vertrag vom … Oktober 2006 (Unterschrift des Vertreters der Klägerin) schlossen die B GmbH („B “) und die Klägerin (im Vertrag „Anbieter“ genannt) einen sog. Anbietervertrag mit der Lizenznummer ....
12Gemäß Teil A (Präambel) betreibt B ein computerisiertes Reiseinformations- und -vertriebssystem („B System“), welches Informationen über Reiseleistungen und damit in Verbindung stehende Leistungen erhält und über welches Buchungen und Optionen im System der Klägerin vorgenommen werden können. Die Klägerin hat die Möglichkeit, über das B System Reisebüros und sonstigen Vertriebsstellen (im Vertrag „Nutzer“ genannt) ihre Leistungen darzustellen und anzubieten, welche die Nutzer sodann über das B System im System der Klägerin reservieren und buchen können. Die Nutzer haben darüber hinaus die Möglichkeit, über das B System die erforderlichen Dokumente zu erstellen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass B lediglich die Übertragung der jeweiligen Daten schuldet sowie die Nutzungsmöglichkeit der zur Verfügung gestellten Software.
13Nach § 1 Ziffer 1 des Vertrages räumt B der Klägerin das Recht ein, dem Nutzer (d.h. im Wesentlichen Reisebüros) ihre im Anschluss an den Teil A dieses Vertrages aufgeführten Leistungen über das B System darzustellen, anzubieten und das System für diese Zwecke zu nutzen. Die Klausel ist im Randtext mit „Rechteübertragung an den Anbieter“ umschrieben.
14Gemäß § 1 Ziffer 2 des Vertrages berechtigt die Klägerin B im Rahmen der Distribution, die von ihr übermittelten Daten in das B System einzustellen und stimmt einer Veröffentlichung und Verbreitung der von ihr übermittelten Daten durch B zu.
15Nach § 2 Ziffer 1 des Vertrages räumt B der Klägerin das Recht ein, ihr zum Zwecke der Ausführung des Vertrages zur Verfügung gestellte Software, insbesondere die B Schnittstellen, in der jeweils gültigen Version zu nutzen. Die Klausel ist mit dem Randtext „Softwarenutzung“ beschrieben.
16Nach § 2 Ziffer 2 des Vertrages sind die eingeräumten Nutzungsrechte nicht ausschließlich, nicht übertragbar und auf die Dauer dieses Vertrages befristet. Die Schnittstellendokumentation sind ausschließlich für die Nutzung zwischen B und der Klägerin bestimmt. Diese Klausel ist mit dem Randtext „Befristete Nutzungsrechte“ umschrieben.
17Teil B des Vertrages regelt touristische Buchungsvorgänge bzgl. der einzelnen Leistungen und Entgelte. § 2 Nr. 1a sieht dabei kalenderjährlich einen Mindestumsatz von 9.000 € vor. Erreicht die Klägerin keinen oder einen niedrigeren Umsatz, ist der Differenzbetrag an B zu entrichten. Hintergrund jener Klausel ist es, die Nutzung des B-Systems auf hinreichend große Marktteilnehmer (hier: Anbieter und Vermittler von Reiseleistungen) zu beschränken. Im Streitjahr und auch in den Vorjahren hat die Klägerin die Umsatzgrenze bei Weitem überschritten. Die Entgelte sind in verschiedenen Preisgruppen mit Preisen zwischen … € bis … € je Buchung geregelt (z. B. „Pauschalreisen“, „Reine Eintrittskartenbuchungen“, etc.). Pro Buchung wird im Grundsatz das Entgelt einmal fällig, es sei denn, die „freien Transaktionen pro Buchung“ (zwischen 30 und 120 Buchungen, je nach Preisgruppe) werden überschritten. Transaktionen sind Buchungsabfragen, Buchungsoptionen u.ä. im Vorfeld einer verbindlichen Buchung und die Buchung selbst.
18Teil C des Vertrages regelt „B Reisebestätigungen“, Teil D „B Belege“, Teil E die Nutzung einer „...-Datenbank“ für Kurzfrist- oder Last Minute-Angebote, Teil F die Darstellung und Buchung von touristischen Angeboten im Internet über die „B Internet ...“, die Teile G und H weitere Einzelheiten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2013, Bl. 33 ff. der Gerichtsakte – d.A. –) verwiesen.
19Mit anderen Portalbetreibern bestehen – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – gleichgelagerte Vereinbarungen.
20Im Erhebungszeitraum 2008 verbuchte die Klägerin über das Aufwandskonto „...“ (Konto 4924) Zahlungen an B und weitere CRS-Anbieter (..., .., u.a.) i.H.v. insgesamt … € als Betriebsausgaben.
21In dem o.g. Betrag sind … € (= … € Nettomiete x 12 Monate) an Miete für die mobile Software „...“ enthalten. Außerdem sind Kosten i.H.v. 4.355 € (13 Lizenzen x 5 Monate [November-März] x … €; 13 Lizenzen x 7 Monate [April-Oktober] x … €) für die arbeitsplatzbezogene Software „...“ enthalten. Zwischen den Beteiligten ist insoweit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unstreitig, dass sich diese Zahlungen (i.H.v. 4.823 €) auf die Überlassung einer Softwarelizenz beziehen und einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen.
22Der verbleibende Betrag i.H.v. … € (… € Gesamtaufwand (Sollbuchung) abzüglich 4.823 € Kosten für Softwaremiete) entfällt – was zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist – auf transaktionsabhängig ausgestaltete Gebühren an B (insbes. gem. Teil B des o.g. Vertrages; ca. ¾ der transaktionsbezogenen Entgelte) sowie anderer CRS-Anbieter (ca. ¼ der transaktionsbezogenen Entgelte). Aufgrund der Anbindung der Klägerin an CRS mehrerer Anbieter wird dieselbe Reiseleistung in mehreren CRS (Portalen) angeboten. Das Transaktionsentgelt erhält im Falle der Buchung nur derjenige Portalanbieter, welcher die konkrete Buchung vermittelt hat. Für die anderen Anbieter entsteht kein Transaktionsentgelt.
23Die Klägerin stellt über anderweitige – hier nicht im Streit stehende – Software und technische Abläufe sicher, dass eine verbindlich über ein CRS gebuchte Reiseleistung anschließend nicht mehr für weitere Buchungen desselben oder anderweitiger CRS zur Verfügung steht (Verhinderung von Doppelbuchungen / Überbuchungen; Kontingentverwaltung).
24Auf dem Konto 4924 wurden ferner Gutschriften i.H.v. 4.955,48 € verbucht, welche die Klägerin von B als „...Zahlungen“ zur Nutzung des Systems erhalten hat.
25Die Klägerin verbuchte die transaktionsbezogenen Kosten (… €) und die Softwaremiete (insgesamt 4.823 €) als Aufwand (Soll-Buchung) sowie die Gutschriften (4.955,48 €) als Aufwandsminderung (Haben-Buchung) auf dem Konto 4924, welches dadurch zum Ende des Erhebungszeitraums einen Saldo von … € aufwies.
26Zum Gewerbesteuermessbetrag 2008 wurde die Klägerin zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) mit einem Gewerbesteuermessbetrag von … € antragsgemäß ohne gewerbesteuerliche Hinzurechnung der o.g. Zahlungen veranlagt. Die anderweitigen Hinzurechnungsbeträge gem. § 8 Nr. 1 GewStG betrugen dabei – vor Anwendung des Freibetrags – … €, wodurch eine Hinzurechnung i.H.v. ¼ von … € erfolgte.
27In den Jahren 2011 und 2012 fand bei der Klägerin eine steuerliche Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung ... – GKBP ... – statt. Neben anderen Feststellungen beurteilte der Prüfer ausweislich Tz. 2.3 des Betriebsprüfungsberichts vom 4. Januar 2012 auf Basis des auch der GKBP ... vorliegenden Anbietervertrages den o.g. Saldo des Kontos 4924 (i.H.v. … €) als Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 2008. Dem folgte der Beklagte mit einem gem. § 164 Abs. 2 AO (mit Aufhebung des Vorbehalts) geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 16. August 2012, in welchem er den Messbetrag auf 406 € festsetze und hierzu Aufwendungen für Konzessionen, Lizenzen, etc. (vor Anwendung des pauschalierten Finanzierungsanteils von ¼, des Freibetrages und der Hinzurechnungsquote von ¼) i.H.v. … € bei der Ermittlung des Gewerbeertrags berücksichtigte.
28Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und benannte als Gegenstand des Einspruchsbegehrens die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. März 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
29Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage, zu deren Begründung sie unter erneuter Vorlage des Anbietervertrages sowie näherer Ausführungen zu den organisatorischen und technischen Abläufen vorträgt, eine Hinzurechnung komme nicht in Betracht. Über das B-System und die anderen CRS-Systeme erfolgten Einzelbuchungen gegen ein einzelfallbezogenes Entgelt. B und die anderen Anbieter überließen – abgesehen von der Softwareüberlassung – kein zeitlich befristetes Recht im Sinne eines Nutzungsrechtes im urheberrechtlichen Sinne.
30Auch sei nach der Intention der Regelung des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG keine Hinzurechnung geboten, da die durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 eingeführte Vorschrift einen „idealisierten“ Betrieb besteuern wolle, der mit eigenem Anlagevermögen wirtschafte. Die Hinzurechnung käme nur für solche Rechte in Betracht, die im Eigentum und Anlagevermögen des Nutzers stehen könnten. Der Streitfall sei anders gelagert. B betreibe sein Buchungssystem auf eigenen Servern, die Anwendung stelle eine „spezielle Handelsplattform“ dar, welche von der Klägerin so nicht betrieben werden könne bzw. dies wirtschaftlich keinen Sinn ergäbe, da die Nachfrager (Reisebüros) im alternativ gedachten Fall bei der Klägerin unmittelbar die Verfügbarkeiten abfragen und Buchungen tätigen könnten. Eines CRS bedürfe es dafür nicht.
31Letztlich beziehe sie – die Klägerin – von B keine Rechte zur Softwarenutzung, sondern eine Dienstleistung. Diese werde zwar weitgehendend automatisiert erbracht, sie könnte diese Dienstleistung aber nicht als eigenes Wirtschaftsgut in ihrem Anlagevermögen darstellen.
32Der wirtschaftliche Gehalt eines CRS liege für die Nachfrager (Reisebüros) darin, mittels einer einheitlichen Nutzeroberfläche (geringerer Verwaltungs- und Schulungsaufwand) auf eine Vielzahl von Angeboten verschiedener Reiseveranstalter und -vermittler zugreifen zu können. Für die Anbieter, hierunter die Klägerin als Reisevermittler, liege der Vorteil des CRS darin, einen Zugang zu tausenden von Reisebüros zu erhalten und hierüber gegenüber den Reisenden (Endkunden) Reiseleistungen anbieten zu können. Hierdurch werde eigener organisatorischer, personeller und technischer Aufwand erspart.
33Soweit der Beklagte für die Hinzurechnung auf die in den §§ 1, 2 des Anbietervertrages aufgeführte „Rechteübertragung“ abstelle, nehme er eine fehlerhafte und zu isolierte Betrachtung des Vertrages vor, welche dem Gesamtgehalt des Vertrages nicht gerecht werde.
34Die Klägerin beantragt,
35den Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 16. August 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2013 dahingehend zu ändern, dass eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG i.H.v. … € (Betrag vor Anwendung des typisierten ¼-Finanzierungsanteils, des Freibetrages und der ¼-Hinzurechnung) unterbleibt,
36hilfsweise, im Falle des vollständigen oder teilweisen Unterliegens die Revision zuzulassen.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen,
39hilfsweise, im Falle des vollständigen oder teilweisen Unterliegens die Revision zuzulassen.
40Er verweist auf den Wortlaut der Vorschrift und vertritt die Ansicht, der Klägerin sei ein Nutzungsrecht, insbesondere ein Softwarenutzungsrecht, von der Firma B überlassen worden. Dies sei sowohl in der Präambel als auch in den §§ 1 und 2 des Vertrages eindeutig geregelt. Der Vertrag benenne eine „Nutzungsmöglichkeit der zur Verfügung gestellten Software“ und ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht für die Software, insbesondere für die B-Schnittstellen. Die Klägerin erhalte ein Recht zur Nutzung des „B-Systems“, hierdurch sei eine Hinzurechnung gerechtfertigt. Der Umstand, dass sich die Bemessung des Entgelts nach der Menge und Art der Buchung richte, sei für die gewerbesteuerliche Zuordnung der Leistung unerheblich, da es sich um eine bloße Abrechnungsmodalität handele, welche den Charakter der Leistung (Rechteübertragung) nicht verändere.
41Entscheidungsgründe
421. Der Klageantrag ist in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB trotz Angabe des Betrages i.H.v. … € dahingehend auszulegen, dass die Klägerin einer Hinzurechnung der Softwaremiete i.H.v. 4.823 € gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG zustimmt und sie insoweit ihr ursprünglich höheres Klagebegehren eingeschränkt hat. Das Gericht ist gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an dieses Begehren und nicht an die Fassung des Antrags gebunden auf … €. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Einvernehmen dahingehend erzielt, dass die Softwaremiete der Hinzurechnung unterliegt und die „....-Zahlungen (für die Nutzung des Systems)“ (4.955,48 €) keine Minderung der Mietzahlungen, sondern der Transaktionsentgelte, bewirken. Versehentlich ist der auf Anregung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag nicht dementsprechend angepasst worden.
432. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist in Höhe der Hinzurechnung von … € (ursprüngliche Hinzurechnung … € abzüglich berechtigte Hinzurechnung der Softwaremiete i.H.v. 4.823 €; Beträge jeweils vor Anwendung des typisierten ¼-Finanzierungsanteils, des Freibetrages und der ¼-Hinzurechnung) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG in der für den Erhebungszeitraum 2008 geltenden Fassung liegen insoweit nicht vor.
44Nach dieser Norm unterliegen Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen) in Höhe eines pauschalisierten Finanzierungsanteils i.H.v. 1/4 der Hinzurechnung nach (weiterer) Maßgabe des § 8 GewStG, soweit die Beträge bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
45Im Streitfall unterliegen die transaktionsabhängigen Kosten – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, da keine Aufwendungen für die (zeitlich befristete) Überlassung eines Rechts vorliegen.
46Rechte im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG sind nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 31. Januar 2012 I R 105/10, BFH/NV 2012, 996), welcher sich der erkennende Senat anschließt, Immaterialgüterrechte, d.h. subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis und entsprechende Abwehrrechte enthalten. Hintergrund dieser in 2008 eingefügten Neuregelung ist ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 16/4841, S. 29 ff., S. 78 ff.) die Eindämmung von Gewinnverlagerungen, die Modifikation des gewerbesteuerlichen Objektsteuerprinzips sowie die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass auch mit der zeitlich befristeten Überlassung von Rechten eine Sachkapitalüberlassung erfolgt und ein mit 25 Prozent pauschalisierter Finanzierungsanteil in den Entgelten – abweichend von der einkommen- und körperschaftsteuerlichen Behandlung – nicht gewerbesteuermindernd berücksichtigt werden soll.
47Der erkennende Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2016 (1 BvL 8/12, DStR 2016, 862) zur ähnlich gelagerten Hinzurechnung von Schuld-, Miet- und Pachtzinsen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG sowie auf das Senatsurteil vom 19. März 2015 (13 K 2768/10, EFG 2015, 1384, Rev. BFH I R 41/15). Auch bestehen keine Bedenken an der Vereinbarkeit mit Europarecht (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 21. Juli 2011 C-397/09 – „Scheuten Solar Technology“, BStBl II 2012, 528).
48Rechte sind entsprechend der o.g. Definition (BFH-Urteil vom 31. Januar 2012 I R 105/10, BFH/NV 2012, 996) nur solche subjektiven Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis und auch eine entsprechende Abwehrbefugnis, d.h. eine geschützte Rechtsposition an diesem Recht, enthalten. Dieser Definition folgt auch die Finanzverwaltung (Rn. 33 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder i.d.F. vom 2. Juli 2012, BStBl I 2012, 654; nachfolgend „gemeinsamer Ländererlass“) sowie die Kommentarliteratur (Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl. 2014, § 8 Nr. 1f Rn. 4 ff; Keß in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 1f Rn. 4 ff.; Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rn. 274 ff., Juni 2014)
49Aufgrund der Merkmale der Nutzungs- und Abwehrbefugnis unterfällt beispielsweise die mietweise Überlassung von Standardsoftware (z. B. Office 365 mit zeitbezogenen Lizenzen) der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung (ähnlich Rn. 33 des gemeinsamen Ländererlasses). Dies überzeugt, da mit einer Softwarelizenz nicht nur eine Nutzungsbefugnis, sondern mit der konkreten Lizensierung auch eine Abwehrbefugnis gegenüber einem Dritten zur Nutzung derselben Lizenz verbunden ist. Die Hinzurechnung entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, zur Durchsetzung des „Objektsteuerprinzips“ eigen- und fremdkapitalfinanzierte Unternehmen (typisiert) gleich zu behandeln, weil in der zeitlichen Überlassung der Lizenz ein Finanzierungsanteil enthalten ist. In gewerbesteuerlicher Hinsicht sollen Gewerbebetriebe, welche Software selbst entwickeln oder erwerben, nicht anders behandelt werden als Gewerbebetriebe, welche Software mieten und hierbei über die zeitlich gestaffelten Zahlungen zunächst zwar einen Liquiditäts- und Zinsvorteil erhalten, diesen aber – zumindest bei typisierter Betrachtung – über die Mietzahlung abgelten.
50In Abgrenzung dazu unterliegen nach Auffassung der Finanzverwaltung (Rn. 33 des gemeinsamen Ländererlasses) sowie der Kommentarliteratur (vgl. nur Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f GewStG Rn. 7) Aufwendungen für sog. „bloße tatsächliche Gegebenheiten“, z. B. Know-How, die Überlassung ungeschützter Erfindungen, Firmenwerte, Kundenstämme und sonstige ungeschützte geistige Werte, keiner Hinzurechnung. Dies zeigt, dass das Gewerbesteuerrecht auch nach Verwaltungsauffassung einen eigenständigen Rechtebegriff normiert, der vom bilanz- und ertragsteuerlichen Begriff des „immateriellen Wirtschaftsguts“ unabhängig ist. Auch wenn ertragsteuerlich ein Wirtschaftsgut vorliegt (bspw. Firmenwert oder Kundenstamm), unterliegt ein Entgelt für die Überlassung eines solchen Wirtschaftsguts nach jener Auffassung nicht zwingend der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.
51In entsprechender Weise dürfen nach Auffassung des Senats Aufwendungen für Dienstleistungen nicht einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen, da mit der Dienstleistung kein Recht im Sinne einer Nutzungs- und Abwehrbefugnis überlassen wird. Die bloße Erbringung einer Dienstleistung, unabhängig davon, ob sie in personeller Weise (z. B. Leistungen eines Immobilienmaklers) oder nichtpersoneller Weise (z. B. technische Vermittlungsleistungen im Kommunikationsbereich, vollelektronische Handelssysteme für Wertpapiere, etc.) erbracht wird, führt insbesondere nicht zu einer Nutzungs- und Abwehrbefugnis an einem unkörperlichem Gut mit selbständigem Vermögenswert. Vor dem Hintergrund wäre es insbesondere verfehlt, die Beauftragung einer Dienstleistung als – ggf. kurzfristige – Nutzungsmöglichkeit einer personellen oder sachlichen Ressource anzusehen und damit ein Recht im gewerbesteuerlichen Sinne anzunehmen. Mit einer solchen Auslegung würde nach Überzeugung des Senats zum einen die Wortlautgrenze des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG überschritten, was zu einem unbestimmten und in der Praxis kaum handhabbaren Anwendungsbereich der Vorschrift führen würde. Zum anderen würde eine solche Auslegung auch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung gerecht, da bei einer von anderen erbrachten Dienstleistung kein „Finanzierungsanteil“ ersichtlich ist, der in typisierter Weise heraus gerechnet werden könnte. Anders als bei der Nutzung eigener oder fremder (körperlicher oder unkörperlicher) Wirtschaftsgüter besteht bei der Dienstleistung insoweit keine echte Wahlmöglichkeit zwischen einem „Soforterwerb“ (Anschaffung/Herstellung des Wirtschaftsguts) einerseits und einer „Anmietung“ (zeitweise Überlassung des Wirtschaftsguts) andererseits.
52Ein solches Verständnis kommt nach Überzeugung des Senats auch in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 16/4841, Seite 80) zum Ausdruck. Der Gesetzgeber führt zur Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG a.F. (§ 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG n.F.) aus, dass bei gemischten Verträgen eine Hinzurechnung nur möglich sei, wenn die Vermietung oder Verpachtung eine von den übrigen Leistungen trennbare Hauptleistung sei. Nach diesen Grundsätze seien z. B. auch Verträge über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristige Kfz-Mietverträge zu beurteilen, eine Hinzurechnung werde danach regelmäßig ausscheiden. Auch wenn bspw. mit einer kurzfristigen Hotelnutzung die Überlassung eines materiellen Wirtschaftsguts (Wohnraum) für eine gewisse Zeit verbunden ist, geht der Gesetzgeber wohl davon aus, dass es in derartigen Fällen keine wirkliche (vernünftige) Wahl zwischen Soforterwerb und Anmietung (z. B. eines Hotelzimmers) gibt und es deshalb nicht angemessen erscheint, aus derartigen Leistungen einen typisierten Finanzierungsanteil heraus zu rechnen. Vielmehr erkennt der Gesetzgeber, dass in diesen Fällen andere Leistungen als eine (verdeckte) Sachkapitalüberlassung im Vordergrund stehen und der Objektsteuergedanke überspannt werden würde, wenn man jede Nutzungsmöglichkeit der Hinzurechnung unterwerfen würde.
53Einer solcher Auslegung scheint auch die Finanzverwaltung zu folgen, indem sie gem. Rn. 33 des gemeinsamen Ländererlasses eine Reihe von ungeschützten Werten und in Rn. 34 Entgelte zur Nutzung des sog. Grünen Punktes, zur Straßennutzung („Maut“) und zur Rundfunknutzung (Rundfunkgebühr; nun: Rundfunkbeitrag) von der Hinzurechnung ausnimmt. Obwohl beispielsweise Recycling-Systeme auf Grundlage der Verpackungsverordnung vertraglich durch eine Lizenzgebühr im Rahmen eines „Zeichennutzungsvertrages“ (z. B. Nutzung der Marke „Grüner Punkt“) ausgestaltet sind (vgl. in diesem Kontext Senatsurteil vom 14. Januar 2015 13 K 2929/12, EFG 2015, 1114, rkr.), scheint auch die Finanzverwaltung zu erkennen, dass bei derartigen Entgelten die Erbringung einer konkreten Gegenleistung (z. B. Entsorgungs- und Verwertungsleistungen) im Vordergrund steht. Hintergrund der aus Verwaltungssicht unterbleibenden Hinzurechnung von Mautentgelten oder Rundfunkbeiträgen dürfte sein, dass bei der Maut das „Recht auf Straßennutzung“ oder beim Rundfunkbeitrag die „allgemeine Möglichkeit des Empfangs von öffentlich-rechtlichen Rundfunksendungen“ als nicht hinreichend angesehen wird, da selbst ein so verstandenes „Recht“ entweder nicht hinreichend dauerhaft oder konkret überlassen wird, es keine echte Wahl zwischen Erwerb und Anmietung gibt oder das „Recht“ zwar mit einer Nutzungsbefugnis, nicht aber mit einer Abwehrbefugnis ausgestattet ist.
54Bei Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall kommt der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildeten Überzeugung zu dem Ergebnis, dass die transaktionsbezogenen Entgelte der Klägerin an B und andere CRS-Betreiber ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach für eine konkrete technische Vermittlungsdienstleistung (Vermittlung einer Reiseleistung zwischen Anbieter und Nachfrager über ein Marktplatzsystem) entrichtet werden und eine solche Dienstleistung nicht der Hinzurechnung unterliegt. Ganz erheblich spricht hierfür, dass die Entgelte nur bei einer konkreten Buchung anfallen und nur an jenen CRS-Betreiber entrichtet werden müssen, über den die Buchung erfolgte. Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt die Ausgestaltung der Entgeltstruktur Rückschlüsse auf die hiermit verbundene Leistung zu, wodurch es sich bei den transaktionsbezogenen Gebühren nicht um eine „bloße Abrechnungsmodalität“ einer Gebühr zur Nutzung des CRS handelt.
55Entgegen der Auffassung des Beklagten kann auch nicht aus den im Anbietervertrag gewählten Formulierungen und deren Randtexten (§ 1 Ziffer 1: „Rechteübertragung an den Anbieter“; § 2 Ziffer 1: „Softwarenutzung“; § 2 Ziffer 2: „Befristete Nutzungsrechte“) gefolgert werden, dass es sich um „befristete Rechteüberlassungen“ im gewerbesteuerlichen Sinne handelt. Ähnlich wie bei der – auch von der Finanzverwaltung – vorgenommenen Beurteilung eines „Dualen Systems bei Recyclingleistungen“ ist es auch im Streitfall aufgrund des eigenständigen „gewerbesteuerlichen Rechtebegriffs“ geboten, den wirtschaftlichen Gehalt eines Entgelts unabhängig von der zivilrechtlichen Ausgestaltung und im Übrigen auch unabhängig von der bilanzsteuerrechtlichen sowie einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Würdigung zu erfassen und gewerbesteuerlich zu beurteilen. Der Schwerpunkt der Leistung von B liegt hier in einer Reihe technischer Dienstleistungen und nicht in einer Rechteüberlassung im engeren Sinne. Es ist dadurch aus Sicht des Senats auch unschädlich, dass die Vertragsklauseln eine „Rechteübertragung“ normieren. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob die Nutzungsüberlassung einer „Software-Schnittstelle“ nach zivilrechtlicher und/oder bilanzsteuerlicher und einkommen-/körperschaftsteuerlicher Betrachtung ein eigenständiges Recht (immaterielles Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne) begründet. Jedenfalls stellt diese Softwareschnittstelle eine untergeordnete, nur zur Nutzung der eigentlichen Dienstleistung zur Verfügung gestellte Nebenleistung dar.
56Da nach Überzeugung des Senats aufgrund des im Vordergrund stehenden Dienstleistungscharakters eine Rechteübertragung ausscheidet, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob – wie die Klägerin meint – die Hinzurechnung auch dadurch ausscheide, dass die Klägerin faktisch nicht zu einem Erwerb des B-Systems in der Lage wäre bzw. der Betrieb eines solchen Systems bei der Klägerin wirtschaftlich keinen Sinn ergäbe, da die Nachfrager im alternativ gedachten Fall unmittelbar die Verfügbarkeit der Reiseleistungen abfragen sowie Buchungen tätigen könnten. Ob dieses Argument alleine tragfähig wäre, erscheint dem Senat aufgrund des BFH-Urteils vom 31. Januar 2012 (I R 105/10, BFH/NV 2012, 996) zweifelhaft. Der BFH hat dort – im Einklang mit dem Wortlaut der Regelung („Konzessionen“) – auch ein Entgelt für das Recht zur Veranstaltung und Durchführung von Glücksspielen („Glücksspielkonzession“) der Hinzurechnung unterworfen, obwohl im Falle staatlicher Konzessionen i.d.R. kein alternativ gedachter (dauerhafter) „Erwerb“ der staatlichen Erlaubnis möglich ist, sondern sich die Konzession ihrem Wesen nach als zeitweise staatliche Erlaubnis darstellt.
57Eine Hinzurechnung ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Anbietervertrag zwischen der Klägerin und B in § 2 Ziffer 1a des Teils B einen kalenderjährlichen Mindestumsatz regelt. Der Mindestumsatz hat nach Überzeugung des Senats schon deshalb keine gewerbesteuerrechtliche Relevanz, weil die Transaktionsentgelte diesen bei Weitem überschreiten und eine Mindestgebühr aus diesem Grunde nicht zum Ansatz gekommen ist.
58Selbst wenn man – aus Sicht des Senats unzutreffend – annähme, dass der Mindestumsatz von 9.000 € im Kalenderjahr eine allgemeine Gebühr zur „abstrakten Nutzungsmöglichkeit des B-CRS“ darstellte, hätte nach Überzeugung des Senats eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung jenes Betrags zu unterbleiben, da die bloße Nutzungsmöglichkeit (der bloße „Zugang zu einem Marktplatz“) – ähnlich der Nutzungsmöglichkeit einer Bundesfernstraße (Maut) oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Rundfunkbeitrag) – kein Recht i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG, d.h. eine hinreichend konkrete und mit einer Nutzungs- und Abwehrbefugnis versehene Rechtsposition, darstellt.
59Für die an andere CRS-Betreiber geleisteten Entgelte gelten die o.g. Ausführungen aufgrund der gleichgelagerten Verträge und Abrechnungen entsprechend.
603. Dem Beklagten wird die Berechnung des Steuermessbetrags gem. § 100 Abs. 2 FGO auferlegt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
61Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen, da die Auslegung des Begriffs des Rechts i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. f. Satz 1 GewStG, insbesondere die Abgrenzung zu bloßen tatsächlichen Nutzungsmöglichkeiten sowie Dienstleistungen, höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt ist und der Streitfall aus Sicht des Senats Veranlassung gibt, höchstrichterliche Leitsätze für die Auslegung der Vorschrift aufzustellen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Köln Urteil, 16. Juni 2016 - 13 K 1014/13
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Urteil einreichenFinanzgericht Köln Urteil, 16. Juni 2016 - 13 K 1014/13 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.
(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.
(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.
(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
- 1.
Ein Viertel der Summe aus - a)
Entgelten für Schulden.2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen.3Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt, - b)
Renten und dauernden Lasten.2Pensionszahlungen auf Grund einer unmittelbar vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage gelten nicht als dauernde Last im Sinne des Satzes 1, - c)
Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters, - d)
einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nur zur Hälfte vorzunehmen bei - aa)
Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge), - bb)
extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, für die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG oder aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ergibt, dass das Fahrzeug eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt, und - cc)
Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind,
- e)
der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und - f)
einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen).2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nicht vorzunehmen auf Aufwendungen, die nach § 25 des Künstlersozialversicherungsgesetzes Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind,
- 2.
(weggefallen) - 3.
(weggefallen) - 4.
die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind; - 5.
die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 und 10 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. - 6.
(weggefallen) - 7.
(weggefallen) - 8.
die Anteile am Verlust einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind.2Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes; - 9.
die Ausgaben im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes; - 10.
Gewinnminderungen, die - a)
durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an einer Körperschaft oder - b)
durch Veräußerung oder Entnahme des Anteils an einer Körperschaft oder bei Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals der Körperschaft
entstanden sind, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder die sonstige Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 zu kürzen ist, oder organschaftliche Gewinnabführungen der Körperschaft zurückzuführen ist; - 11.
(weggefallen) - 12.
ausländische Steuern, die nach § 34c des Einkommensteuergesetzes oder nach einer Bestimmung, die § 34c des Einkommensteuergesetzes für entsprechend anwendbar erklärt, bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 gekürzt werden.
(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.
(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.
(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.
(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
- 1.
Ein Viertel der Summe aus - a)
Entgelten für Schulden.2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen.3Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt, - b)
Renten und dauernden Lasten.2Pensionszahlungen auf Grund einer unmittelbar vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage gelten nicht als dauernde Last im Sinne des Satzes 1, - c)
Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters, - d)
einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nur zur Hälfte vorzunehmen bei - aa)
Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge), - bb)
extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, für die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG oder aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ergibt, dass das Fahrzeug eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt, und - cc)
Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind,
- e)
der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und - f)
einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen).2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nicht vorzunehmen auf Aufwendungen, die nach § 25 des Künstlersozialversicherungsgesetzes Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind,
- 2.
(weggefallen) - 3.
(weggefallen) - 4.
die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind; - 5.
die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 und 10 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. - 6.
(weggefallen) - 7.
(weggefallen) - 8.
die Anteile am Verlust einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind.2Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes; - 9.
die Ausgaben im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes; - 10.
Gewinnminderungen, die - a)
durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an einer Körperschaft oder - b)
durch Veräußerung oder Entnahme des Anteils an einer Körperschaft oder bei Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals der Körperschaft
entstanden sind, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder die sonstige Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 zu kürzen ist, oder organschaftliche Gewinnabführungen der Körperschaft zurückzuführen ist; - 11.
(weggefallen) - 12.
ausländische Steuern, die nach § 34c des Einkommensteuergesetzes oder nach einer Bestimmung, die § 34c des Einkommensteuergesetzes für entsprechend anwendbar erklärt, bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 gekürzt werden.
Gründe
-
A.
- 1
-
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob die für die Bemessung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag ab dem Jahr 2008 vorgesehene teilweise Hinzurechnung von verausgabten Zinsen, Mieten und Pachten zum Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e Gewerbesteuergesetz (GewStG) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Das vorlegende Finanzgericht hält diese Vorschriften über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie von Mieten und Pachten für verfassungswidrig, weil sie das Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletzten.
-
I.
- 2
-
1. Die Gewerbesteuer geht in ihrem Ursprung zurück auf das Gewerbesteuergesetz 1936(RStBl 1936, S. 1149 ff.). Dieses ging von der Gewerbesteuer als Realsteuer (Objektsteuer) aus, welche vom Gesetzgeber als Ausgleich für die unmittelbaren und mittelbaren Lasten gerechtfertigt wurde, welche die Gewerbebetriebe den Gemeinden verursachten (sog. Äquivalenzprinzip; Begründung zum Gewerbesteuergesetz, RStBl 1937, S. 693 ff.). Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer waren gemäß § 6 Abs. 1 GewStG 1936 der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital, also die Finanzkraft des Eigenkapitals, wobei beide stets zusammen die Besteuerungsgrundlage bildeten. § 6 Abs. 2 Satz 1 GewStG 1936 sah fakultativ die Lohnsumme, also die Arbeitskraft des Unternehmens als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Messbetrages vor (Begründung zum Gewerbesteuergesetz, RStBl 1937, S. 693 ff.). Zum 1. Januar 1980 wurde durch Art. 2 § 1 des Steueränderungsgesetzes von 1979 (BGBl I 1978, S. 1849<1855 f.>) § 6 Abs. 2 GewStG ersatzlos gestrichen und so die Lohnsumme als fakultative Bemessungsgrundlage abgeschafft. Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer waren nunmehr nach § 6 Satz 1 GewStG nur noch der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 8/2118, S. 64). Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2590 <2592 f.>) entfiel durch Art. 4 Nr. 1, 15 auch die Gewerbekapitalsteuer in § 6 GewStG als Bemessungsgrundlage für den Erhebungszeitraum ab dem Jahr 1998. Seitdem ist Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer gemäß § 6 Satz 1 GewStG allein der Gewerbeertrag.
- 3
-
2.Während für die Gewinnermittlung für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Zinsen für Dauerschulden abziehbar waren, sah § 8 Nr. 1 GewStG 1936 (RStBl 1936, S. 1149<1150>) vor, dass Zinsen für Dauerschulden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb in voller Höhe wieder hinzuzurechnen waren. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass sich der Gewerbeertrag - dem Realsteuercharakter der Gewerbesteuer entsprechend - aus dem Gewinn erst mit Hilfe bestimmter Hinzurechnungen und Kürzungen ergebe. Der auf diese Weise ermittelte Betrag stelle die Nutzungen des gesamten im Unternehmen arbeitenden Kapitals während des Bemessungszeitraums dar (Begründung zum Gewerbesteuergesetz, RStBl 1937, S. 693 <695>). Art. 4 des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, S. 1857 <1865 f.>) beschränkte die Hinzurechnung der Zinsen für den Erhebungszeitraum 1983 auf 60 v.H. und ab dem Erhebungszeitraum 1984 auf 50 v.H. Durch Art. 3 Nr. 2 Buchstabe a des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, S. 1093 <1116>) wurde das Wort "Zinsen" durch das Wort "Entgelte" für Schulden ersetzt und so der Hinzurechnungstatbestand erweitert.
- 4
-
Art. 3 Nr. 1 des Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) (BGBl I 2007, S. 1912<1930>) regelt die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden neu. Der Gesetzgeber senkte mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 für den Veranlagungszeitraum ab 2008 den Körperschaftsteuersatz von 25 v.H. auf 15 v.H. und verringerte für den Erhebungszeitraum ab 2008 die Gewerbesteuermesszahl von maximal 5 v.H. auf einheitlich 3,5 v.H., so dass die nominale Belastung der Unternehmensgewinne sank. Zugleich sollte zur Kompensation der geringeren nominalen Steuerbelastung die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer durch verschiedene Maßnahmen verbreitert und verstetigt werden. Dazu gehörte unter anderem die Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer (§ 4 Abs. 5b EStG), bei der Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5b EStG) und bei der eigenen Bemessungsgrundlage sowie die Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, BTDrucks 16/4841, S. 32). Die Hinzurechnung wurde ab dem Erhebungszeitraum 2008 auch auf Entgelte für Schulden, die keine Dauerschulden sind, erweitert. Die Gesetzesänderung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 führte somit zu einer Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Schuldzinsen. Im Übrigen wurde die Hinzurechnung grundsätzlich auf 25 v.H. der Entgelte und der ihnen gleichgestellten Aufwendungen beschränkt. Die Ausweitung der Hinzurechnungstatbestände sollte der Verlagerung deutschen Steuersubstrats ins Ausland entgegenwirken und zur Finanzierung der Unternehmensteuerreform beitragen. Durch sie sollte zwar die Steuerbemessungsgrundlage der Gewerbesteuer verbreitert, allerdings durch die gleichzeitige Verringerung des Hinzurechnungssatzes und der Einführung eines Hinzurechnungsfreibetrages das Steueraufkommen der Gewerbesteuer nicht verändert, aber stabiler und planbarer gestaltet werden (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, BTDrucks 16/4841, S. 32).
- 5
-
3. § 8 Nr. 8 GewStG 1936 (RStBl 1936, S. 1149<1150>) sah die Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht aus Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen standen, auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb vor. Dabei ging § 8 Nr. 8 GewStG 1936 ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass zahlreiche Unternehmen mit gemieteten Maschinen arbeiteten. Unternehmen, die mit eigenen Maschinen arbeiteten, müssten den Reinertrag aus diesem Teil des Anlagevermögens in voller Höhe versteuern, während die anderen Unternehmen die Miete als Betriebsausgabe absetzen könnten. Durch § 8 Nr. 8 GewStG 1936 sollte deshalb eine Gleichstellung erreicht werden, wobei der Gesetzgeber davon ausging, dass die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen den Reinertrag aus den gemieteten Maschinen oder sonstigen beweglichen Gütern des Anlagevermögens darstellt. Grundbesitz schied bei der Zurechnung aus, da dieser grundsätzlich nur von der Grundsteuer erfasst werden sollte (RStBl 1937, S. 693 <696>). In der Neufassung des Gewerbesteuergesetzes vom 18. November 1958 (BGBl I 1958, S. 754 <757>) wurde die Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen in inhaltlich unveränderter Form erstmals in § 8 Nr. 7 GewStG 1957 geregelt. Durch Art. 6 Nr. 5 des Steueränderungsgesetzes 1961 (StÄndG 1961; BGBl I 1961, S. 981 <986>) erhielt § 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG inhaltlich im Wesentlichen seine bis zum Erhebungszeitraum 2007 gültige Fassung, wonach grundsätzlich die Hälfte der Miet- oder Pachtzinsen hinzuzurechnen war (BGBl I 1961, S. 981<987>).
- 6
-
Art. 3 Nr. 1 des UntStRefG 2008 (BGBl I 2007, S. 1912<1930>) mit Änderung durch Art. 5 Nr. 02 des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, S. 3150 <3168>) führte zu § 8 Nr. 1 Buchstaben d und e GewStG in der vom Finanzgericht vorgelegten Fassung. Bei Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren sollte nur der sogenannte Finanzierungsanteil hinzugerechnet werden, der bei immobilen Wirtschaftsgütern mit 75 v.H. und bei mobilen Wirtschaftsgütern pauschal mit 20 v.H. angesetzt wurde (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, BTDrucks 16/4841, S. 30 f.). Die Neuregelung erfasst nunmehr auch den Finanzierungsanteil für Grundbesitz, der im Eigentum eines anderen steht. Des Weiteren unterscheidet sie nicht mehr nach der steuerlichen Behandlung der Mieten und Pachten beim Empfänger (BTDrucks 16/4841, S. 79 f.). Im Übrigen blieb es bei der bisherigen Regelung, nur für die gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung vorzunehmen, die - unterstellt, der Mieter oder Pächter wäre Eigentümer - bei ihm zu seinem Anlagevermögen gehören würden (BTDrucks 16/4841, S. 80). Im Finanzausschuss, an den der Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) der Bundesregierung (BTDrucks 16/6290, S. 22) federführend überwiesen worden war, wurde der anzusetzende Finanzierungsanteil aus Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG ohne weitere Begründung von 75 v.H. auf 65 v.H. herabgesetzt (vgl. Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/7036, S. 23). Die Gesetzesänderungen durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 und das Jahressteuergesetz 2008 führten somit zu einer Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei Mieten und Pachten für unbewegliche Wirtschaftsgüter.
- 7
-
4. § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I S. 1912) und des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I S. 3150) hat folgenden Wortlaut:
-
§ 8 GewStG - Hinzurechnungen
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Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
-
1. Ein Viertel der Summe aus
-
a) Entgelten für Schulden. 2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen. 3Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt,
-
…
-
d) einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasing- raten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen,
-
e) dreizehn Zwanzigstel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und
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…
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soweit die Summe den Betrag von 100.000 Euro übersteigt; …
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II.
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1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Tankstellenpächterin; sie betreibt in der Rechtsform der GmbH Tankstellen mit Shop und Waschstraße. Die zum Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen pachtete sie entgeltlich an. Im Jahr 2008 entstanden der Klägerin Entgelte für Schulden in Höhe von insgesamt 8.332 Euro, für die Miete und Anpachtung von beweglichen Wirtschaftsgütern Aufwendungen in Höhe von insgesamt 270.532 Euro sowie für die Miete und Anpachtung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern, die jeweils im Eigentum eines anderen standen, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 344.490 Euro. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 2008 ermittelte die Klägerin ein zu versteuerndes Einkommen von 15.839 Euro. In ihrer Gewerbesteuererklärung 2008 gab die Klägerin bei den Hinzurechnungsbeträgen gemäß § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e GewStG neben den Entgelten für Schulden die Aufwendungen für die Benutzung fremder beweglicher und unbeweglicher Betriebsanlagegüter an. Das Finanzamt, Beklagter des Ausgangsverfahrens, erließ erklärungsgemäß einen Gewerbesteuermessbescheid für 2008, wobei es den Gewerbesteuermessbetrag auf 2.184 Euro festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das Finanzamt zurückwies. Die Klägerin erhob Klage zum Finanzgericht und beantragte, den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag um 1.991 Euro niedriger auf 193 Euro festgesetzt werde.
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2. Das Finanzgericht hält die Vorschriften über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie von Mieten und Pachten (§ 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e GewStG) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig, weil sie mit dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar seien und ein rechtfertigender Grund hierfür fehle. Es hat diese Vorschriften dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung vorgelegt (Beschluss veröffentlicht u.a. in DStRE 2012, S. 478 = EFG 2012, S. 960). Das Finanzgericht meint, sachgerecht sei allein eine Besteuerung nach dem Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip, welches folgerichtig durch das objektive Nettoprinzip ausgestaltet werde. Die genannten Hinzurechnungsvorschriften verletzten das objektive Nettoprinzip, weil sie dazu führten, dass objektiv durch den Gewerbebetrieb veranlasste Aufwendungen nicht von den erzielten Erträgen abgezogen werden könnten. Dies sei von Verfassungs wegen nicht gerechtfertigt; es lägen keine besonderen sachlichen Gründe vor, die eine "Verletzung der folgerichtigen Ausgestaltung des Ist-Leistungsfähigkeitsprinzips" verfassungsrechtlich rechtfertigten, insbesondere genüge hierfür nicht der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer und die sich daraus ergebende Gleichstellung des Einsatzes von Fremdkapital mit dem von Eigenkapital durch die Hinzurechnung von Schuld- sowie von Miet- und Pachtzinsen (wird näher ausgeführt; vgl. DStRE 2012, S. 478 = EFG 2012, S. 960).
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Das Finanzgericht stellt damit die Verfassungsmäßigkeit und zugleich die Rechtfertigung der Gewerbesteuer als Realsteuer grundsätzlich in Frage.
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3. Der veröffentlichte Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg hat bereits zur Auseinandersetzung mit dessen Argumentation in Entscheidungen des Bundesfinanzhofs geführt.
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a) Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit Beschluss vom 1. August 2012 - IV R 55/11 - (BFH/NV 2012, S. 1826) das Ausgangsverfahren des Normenkontrollantrages des Finanzgerichts als ein nicht aussichtslos erscheinendes Musterverfahren beurteilt und deshalb ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren, in welchem es ebenfalls um die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsvorschriften geht, gemäß § 74 FGO bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt (ebenso die Beschlüsse vom 12. Juli 2012 - IV R 55/10 - und vom 26. August 2013 - IV R 24/11 -).
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b) Hingegen hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs in Eilverfahren mit Beschlüssen vom 16. Oktober 2012 - I B 128/12 - (BFHE 238, 452) und - I B 125/12 - (NV 2013, S. 249) nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dort angegriffenen, auf § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d, e und f GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, S. 1912) und des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, S. 3150) beruhenden Grundlagenbescheide verneint, da auch mit Blick auf den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg nicht ernstlich zweifelhaft sei, dass die vorgenannten Hinzurechnungsvorschriften verfassungsgemäß seien. Durch die in § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG erstmals erfassten Fallgruppen der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter sowie der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten in § 8 Nr. 1 Buchstabe f GewStG sei die Entscheidung für eine "verobjektivierte" Bemessungsgrundlage durch den Gesetzgeber sogar verbreitert und ausgebaut worden. Die Belastungsentscheidung als solche und die diese tragende Rechtfertigung hätten infolgedessen unverändert Bestand.
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Eine gegen diesen Beschluss des Bundesfinanzhofs gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm die 1. Kammer des Ersten Senats mit Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 BvR 821/13 - (NVwZ 2013, S. 935) nicht zur Entscheidung an.In späteren Entscheidungen bestätigte der I. Senat des Bundesfinanzhofs seine Rechtsauffassung (Urteile vom 16. Januar 2014 - I R 21/12 -, BFHE 244, 347 und vom 4. Juni 2014 - I R 21/13 -, BFHE 246, 130).
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B.
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Die Vorlage ist unzulässig, denn das vorlegende Gericht hat sie nicht hinreichend begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Unzulässigkeit der Vorlage kann die Kammer durch einstimmigen Beschluss feststellen (§ 81a Satz 1 BVerfGG).
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I.
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Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 <355 f.>; stRspr). Hierfür muss das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer und für das Bundesverfassungsgericht nachprüfbarer Weise darlegen, dass es bei seiner anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>; stRspr).
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Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 88, 198 <202>; 94, 315 <325>).
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Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>; 129, 186 <203>; 133, 1 <11>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 Rn. 92). Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss der Sachverhalt umfassend dargestellt werden. Die Schilderung des Sachverhalts muss aus sich heraus, also ohne Studium der beigefügten Verfahrensakten, verständlich sein (vgl. BVerfGE 88, 187 <194>; 107, 59 <85>). Es muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle der Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 79, 240 <243>; 121, 108 <117>). Das Gericht muss sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>). Bei der Annahme eines Gleichheitsverstoßes gehört zur erschöpfenden Begründung durch das vorlegende Gericht auch die eindeutige Bezeichnung der Sachverhalte oder Personengruppen, die aus Sicht des Gerichts miteinander verglichen werden können und zu Unrecht ungleich behandelt werden (BVerfGK 17, 360 <366>; vgl. auch BVerfGE 131, 66 <82>).
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II.
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Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht. Zwar wird die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt. Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm genügen jedoch nicht den Vorgaben des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Angesichts der Klarstellung der Maßstäbe zum Gleichheitssatz für die Anwendung auf steuergesetzliche Vorschriften in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Billigung des Systems der Gewerbesteuer mit Hinzurechnungs- und Kürzungsbestimmungen in früheren Entscheidungen des Gerichts sind an die abweichende Beurteilung des vorlegenden Gerichts hier besondere Anforderungen an die Auseinandersetzung mit vorhandenen, gängigen verfassungsrechtlichen Einordnungen zu stellen.
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Das vorlegende Finanzgericht geht von einer überholten Konkretisierung des Gleichheitsmaßstabes in Art. 3 Abs. 1 GG aus (1.) und legt seiner Prüfung nicht die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zum Umfang des Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl und Ausgestaltung des Steuergegenstandes sowie der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes, insbesondere in seiner bisherigen Spruchpraxis zur Gewerbesteuer, zugrunde (2.). Sein Vorlagebeschluss lässt zudem eine Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Absicherung der Gewerbesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG (3.) und eine hinreichende Befassung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Legitimation der Gewerbesteuer (4.) vermissen. Das Finanzgericht argumentiert nur pauschal mit einer vermeintlichen "Prinzipienwidrigkeit" der zur Prüfung gestellten Vorschriften, ohne eine entsprechende verfassungsrechtliche Beurteilung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen (5., 6.). Es setzt sich überdies nicht mit der Rechtsprechung anderer Finanzgerichte zur Verfassungsgemäßheit der Gewerbesteuer nach der Unternehmensteuerreform 2008, insbesondere der Hinzurechnungsvorschriften, auseinander (7.).
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1.Bereits die Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit dem Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG genügt nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Ohne eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu benennen, beschreibt die Vorlage die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG mit Bezug zum Steuerrecht kurz als nicht überzeugend. Ausgehend von einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit längerem überholten Maßstab führt das vorlegende Gericht lediglich aus, soweit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den sachlichen Grund zur Rechtfertigung einer Differenzierung nach personenbezogenen Merkmalen oder nach sachbezogenen Merkmalen erfolge, überzeuge dies nicht.
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Auf die aktuelle Fortentwicklung des Prüfungsmaßstabes zu Art. 3 Abs. 1 GG zu einer stufenlosen Maßstabsbildung geht das vorlegende Gericht nicht ein. Es hätte jedoch in seinem Vorlagebeschluss in erster Linie die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Maßstäben des allgemeinen Gleichheitssatzes zugrunde legen müssen (vgl. nur BVerfGE 126, 400 <416>; 127, 263 <280>; 129, 49 <68 f.>; siehe auch BVerfGE 130, 131 <142>; 130, 240 <252 ff.>). In Anbetracht der jüngsten, vom vorlegenden Gericht zitierten Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Gewerbesteuer vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1) hätte es darzulegen gehabt, zu welchem Ergebnis die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts käme (vgl. BVerfGE 89, 132 <141 f.>; 116, 135 <161>; 120, 1 <29 ff.>). Nach erfolgter Subsumtion unter diesen gefestigten Prüfungsmaßstab hätte es dann in einem zweiten Schritt eine Alternativlösung nach dem von ihm für zutreffend befundenen Prüfungsmaßstab anfügen müssen.
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2. Das vorlegende Gericht geht auch nicht auf die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem weitreichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes im Bereich des Steuerrechts ein, insbesondere in seiner Spruchpraxis zur Gewerbesteuer.
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a) Das Finanzgericht gesteht dem Gesetzgeber zwar abstrakt einen Wertungsspielraum bei der Belastungsentscheidung zu, vertritt sodann aber im offenen Gegensatz dazu die Auffassung, im Hinblick auf die Gewerbesteuer ende der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dort, wo das Prinzip der steuerlichen Lastengleichheit und der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr gewahrt sei; deshalb sei nur eine Besteuerung nach dem "Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip" verfassungsgemäß. Sodann spricht das vorlegende Gericht dem Gesetzgeber im Bereich der Gewerbesteuer die Befugnis ab, eine Besteuerung nach dem "Soll-Leistungsfähigkeitsprinzip" zugrunde zu legen, da hier bereits für eine Besteuerung nach dem "Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip" die verfassungsrechtliche Rechtfertigung fehle.
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b) Damit geht das vorlegende Gericht ohne eine Auseinandersetzung über die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinweg, das in ständiger Rechtsprechung dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes zubilligt (zuletzt BVerfGE 137, 350 <366 f. Rn. 42>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 Rn. 123; Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juni 2015 - 1 BvL 13/11, 1 BvL 11 BvL 14/11 -, NJW 2015, S. 3221 Rn. 72; vgl. auch BVerfGE 21, 12 <26 f.>; 117, 1 <30>; 120, 1 <29 f.>; 122, 210 <230>; 123, 1 <19>; 127, 224 <245>); dies ist auch der letzten Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Gewerbesteuer zu entnehmen (BVerfGE 120, 1 <29 ff.>). Die Befugnis des Gesetzgebers zur Definition des Steuerobjekts stützt sich auf seine demokratische Legitimation für die Steuerpolitik. Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Deshalb ist bei diesen Entscheidungen der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>) und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät (vgl. BVerfGE 137, 350 <366 f. Rn. 42>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31> sowie BVerfGE 96, 1 <6>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; 116, 164 <182 f.>). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 27, 142 <150>; 112, 268 <280 f.>; 117, 1 <31>; 120, 1 <19>). Die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe oder eines Sachverhalts in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes ist, mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstandes und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe oder der Sachverhalt, um deren oder dessen Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung infrage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen (vgl. BVerfGE 120, 1 <29 f.>; siehe dazu auch BFHE 246, 67 Rn. 24).
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Die Besonderheiten der Gewerbesteuer könnten zwar darauf hindeuten, dass es sich bei den Hinzurechnungs- und Kürzungsbestimmungen (§§ 8, 9 GewStG) um die Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes handelt. Aufgrund der Komplexität der Vorschriften und der allgemein gehaltenen Definition des Steuergegenstandes in § 2 GewStG liegt es jedoch näher, von Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstandes auszugehen, was eine engere Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insbesondere solche der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit vorstellbar erscheinen lässt (vgl. BVerfGE 137, 350 <366 Rn. 41>). Diese für die Reichweite des gesetzgeberischen Ermessensspielraums relevante Einordnung vermag indes nichts daran zu ändern, dass es jedenfalls einer Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl und Ausgestaltung des Steuergegenstandes sowie der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes bedurft hätte.
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3. Darüber hinaus fehlt es an einer Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit der verfassungsrechtlichen Absicherung der Gewerbesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG und den daraus zu ziehenden Folgerungen für ihre einfachgesetzliche Ausgestaltung. So geht der Vorlagebeschluss, der Art. 106 GG nur an einer Stelle nennt, nicht auf die Erwägung ein, dass dem Begriff der Gewerbesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG aufgrund ihrer überkommenen Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung im einfachen Recht die Zulässigkeit gesetzlicher Hinzurechnungsvorschriften immanent sein könnte (vgl. BVerfGE 120, 1 <25 ff. m.w.N.>; siehe auch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG).
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4. Auch sonst fehlt es an einer hinreichenden Befassung des vorlegenden Gerichts mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Legitimation der Gewerbesteuer.
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Der Vorlagebeschluss referiert knapp die Entscheidungen zur Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen (BVerfGE 26, 1), zur Hinzurechnung von Mietzinsen (Beschluss [Vorprüfungsausschuss] vom 29. August 1974 - 1 BvR 67/73 -, HFR 1974, S. 498) und zum Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer (BVerfGE 40, 109 <115>; 42, 374 <384>; 46, 224 <237>), ohne sich jedoch inhaltlich mit diesen Entscheidungen auseinanderzusetzen. Auch den zuletzt zur Gewerbesteuer ergangenen Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2010 - 1 BvR 2130/09 - (NJW 2010, S. 2116) - zur Gewerbesteuerpflicht einer Wirtschaftsprüfungs-GmbH und zur Vereinbarkeit von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG mit Art. 3 Abs. 1 GG - zitiert das vorlegende Gericht lediglich.
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Eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1 <39>) zur weiterhin bestehenden finanzrechtlichen Bedeutung des Äquivalenzprinzips für die Rechtfertigung der Gewerbesteuer fehlt. Zwar referiert das vorlegende Gericht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die äquivalenztheoretische Begründung zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer beitrage (BVerfGE 120, 1 <37 ff.>). Daraus, so das vorlegende Gericht, könne der Gedanke entstehen, das Äquivalenzprinzip rechtfertige auch die Hinzurechnungsvorschriften, da diese den Gemeinden einen Ausgleich für besondere Lasten verschaffen könnten. Angesichts des hohen Rangs des Leistungsfähigkeitsprinzips genüge das Äquivalenzprinzip als bloße allgemeine rechtstheoretische Überlegung nicht, um das verfassungsrechtlich verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip zu durchbrechen. Dafür bedürfe es mindestens ebenbürtiger, auf gleicher Ebene bestehender "sachgerechter Prinzipien".
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Das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Äquivalenzprinzip werden dabei vom vorlegenden Gericht nicht klar definiert und hergeleitet. Eine Begründung des vorlegenden Gerichts für die nach seiner Ansicht herausgehobene Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Gewerbesteuer fehlt ebenso. Soweit das Finanzgericht diese Prinzipien für seine Argumentation bemüht, geht es über die erforderliche genaue Subsumtion mit einem aktuellen verfassungsrechtlichen Maßstab hinweg. Die schlichte Behauptung, das Äquivalenzprinzip reiche als bloße allgemeine rechtstheoretische Überlegung nicht aus, um das verfassungsrechtlich verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip zu durchbrechen, genügt nicht den Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Bewertung der gesetzlichen Differenzierungskriterien (vgl. BVerfGE 120, 1 <37 ff.> zur Gewerbesteuer; siehe aber BVerfGE 135, 126 <153 f. Rn. 89 f.> zur Zweitwohnungsteuer).
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5. Weiterhin setzt sich das vorlegende Gerichtinhaltlich weder mit dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts statuierten Begriff der Objektsteuer auseinander noch nimmt es eine verfassungsrechtliche Verortung desselben vor. Es charakterisiert den Begriff "Objektsteuer" lediglich als "inhaltsleer", der für eine weitere Differenzierung der Leistungsfähigkeit eines Gewerbebetriebs nicht tauge. Zeige sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Leistungsfähigkeit bei der Gewerbesteuer in ihrer heutigen Form in der "objektivierten Ertragskraft" der Gewerbebetriebe (Hinweis auf BVerfGE 120, 1 <44 f.>; siehe auch BVerfGE 116, 164 <185 f.>), so sei, so das vorlegende Gericht, auch nur die Ertragskraft maßgebend, die sich bei einer "Ist-Leistungsfähigkeit" unter Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips ergebe.
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Die Begründung des vorlegenden Gerichts für diesen Standpunkt bleibt unklar und ist nicht nachvollziehbar. Es misst dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Gewerbesteuerrecht für die Begründung des Vorlagebeschlusses einen Inhalt zu, welcher nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt und umso begründungsbedürftiger ist, als das Bundesverfassungsgericht den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips selbst im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ausdrücklich offengelassen hat (vgl. BVerfGE 122, 210 <234>; 123, 111 <121>; 126, 268 <279 f.> und BVerfGE 127, 224 <248>). Bei der Gewerbesteuer ist nicht zuletzt wegen ihrer Ausgestaltung in den §§ 7 f. GewStG schon die einfachrechtliche Geltung des objektiven Nettoprinzips fraglich (vgl. Heger, Beihefter zu DStR 34/2009, S. 117 <120 ff.>; Hey, Beihefter zu DStR 34/2009, S. 109 <113 ff.>; Jachmann, Beihefter zu DStR 34/2009, S. 129). Bereits einfachrechtlich ist in dem Vorlagebeschluss nicht näher dargelegt, dass sich die Gewerbesteuer "in ihrer Grundstruktur als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebes gerichtete Objektsteuer" (vgl. BVerfGE 116, 164 <186>; 120, 1 <27>) spätestens mit der Neufassung des § 8 GewStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 grundlegend zu einer reinen Ertragsteuer verändert haben könnte. Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften finden sich im Gewerbesteuergesetz durchgehend seit dem Gewerbesteuergesetz vom 1. Dezember 1936 in §§ 8 f. GewStG 1936 (RStBl 1936, S. 1149 <1150>). Absicht des Gesetzgebers bei der Neufassung und Ausweitung der Hinzurechnungsvorschriften für Wirtschaftsgüter in § 8 Nr. 1 GewStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 war es lediglich, die bis dahin in § 8 GewStG a.F. gegebenen Ungleichbehandlungen verschiedener Finanzierungsformen zu vermeiden und die Struktur der Hinzurechnungstatbestände zu vereinheitlichen (BTDrucks 16/4841, S. 78 f.). Dabei wollte der Gesetzgeber trotz der Ausweitung der Hinzurechnungstatbestände die Aufkommenswirkung der Hinzurechnungen insgesamt unverändert lassen. Deshalb hat er durch die Ausweitung der unter die gewerbesteuerliche Hinzurechnung fallenden Eigenkapitalsubstitute in § 8 Nr. 1 Buchstaben a bis f GewStG die Steuerbemessungsgrundlage der Gewerbesteuer verbreitert, gleichzeitig aber den Hinzurechnungssatz verringert und einen Hinzurechnungsfreibetrag in Höhe von 100.000 Euro eingeführt. Das Gewerbesteueraufkommen sollte durch die Unternehmensteuerreform also nicht verändert, sondern stabiler und planbarer werden (BTDrucks 16/4841, S. 32 re. Sp.). Der Bundesfinanzhof hat deshalb im Hinblick auf den Vorlagebeschluss in seinem Urteil vom 4. Juni 2014 (BFHE 246, 67) zutreffend ausgeführt, seit der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1) habe es keine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer von einer Real- und Objektsteuer zu einer "reinen" (Zusatz-)Ertragsteuer gegeben; die den Steuertypus prägenden Hinzurechnungen seien beibehalten oder - wie zuletzt mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 geschehen - strukturell vereinheitlicht und ausgebaut worden. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Gewerbesteuer als ertragsorientierter Objektsteuer folge, dass die Ist-Leistungsfähigkeit, die auf die konkrete Steuerzahlungsfähigkeit des einzelnen Grundrechtsträgers abstelle und als deren einfachrechtliche Ausprägung das objektive Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts (§ 2 Abs. 2 EStG) zu gelten habe, nicht den Maßstab für die Prüfung der streitigen Hinzurechnungsregelung darstelle. Vielmehr komme es darauf an, ob sich diese folgerichtig in das Konzept einer "ertragsorientierten Objektsteuer" einfügen lasse (BFHE 246, 67 Rn. 17 f.). Dem ist nichts hinzuzufügen.
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Die von den Hinzurechnungsvorschriften in § 8 GewStG ausgehenden Belastungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und von den betroffenen Grundrechtsträgern im Grundsatz hinzunehmen (vgl. BVerfGE 26, 1; BVerfG, Beschluss [Dreierausschuss] vom 3. Juni 1970 - 1 BvR 333/70 -, HFR 1970, S. 401; Beschluss [Dreierausschuss] vom 29. August 1974 - 1 BvR 67/73 -, HFR 1974, S. 498). So beschreibt auch die 1. Kammer des Ersten Senats in ihrem Nichtannahmebeschluss vom 24. März 2010 - 1 BvR 2130/09 - (NJW 2010, S. 2116 Rn. 14) die Gewerbesteuer unter Hinweis auf den Beschluss vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1 <44 f.>) unverändert als Steuer, die nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung die objektivierte Ertragskraft der Gewerbebetriebe erfasse.
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Des Weiteren übergeht das vorlegende Gericht vollständig, dass dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer gerade Hinzurechnungen und Kürzungen immanent sind und sich diese Objektsteuerelemente vom subjektiven Leistungsfähigkeitsgedanken abheben (vgl. Roser, DStJG 35, S. 189 <196>). Denn ohne den durch Hinzurechnungen und Kürzungen bewirkten Objektsteuercharakter und die damit verbundene Abschirmwirkung des Betriebs gegenüber dem Unternehmer wäre die Gewerbesteuer bei natürlichen Personen nur noch eine weitere - an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpfende - Einkommensteuer auf gewerbliche Einkünfte (vgl. Selder, FR 2014, S. 174 <177 a.E.>; Drüen, in: Blümich, GewStG, 123. Aufl. EL 123 Juni 2014, § 1 Rn. 18).
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6. Das vorlegende Gericht setzt sich zudem nicht mit der vermeintlichen Unvereinbarkeit von Objektsteuercharakter und Ist-Leistungsfähigkeitsprinzipauseinander und vertieft diesen Ansatz nicht in der gebotenen Weise. Dies wäre umso mehr erforderlich gewesen, als die von ihm vorgenommene Differenzierung zwischen Ist- und Soll-Leistungsfähigkeit keine Kategorie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewerbesteuer ist.
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Ein Anhaltspunkt für die Ansicht des vorlegenden Gerichts, dass im Rahmen der Gewerbesteuer die Besteuerung ausschließlich nach der sogenannten "Ist-Leistungsfähigkeit" erfolgen dürfe, findet sich in der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so nicht. In den jüngeren Senatsentscheidungen mit gewerbesteuerlichem Bezug gingen zwar sowohl der Erste Senat in seinem Beschluss vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1) als auch der Zweite Senat in seinem Beschluss vom 21. Juni 2006 (BVerfGE 116, 164) von den zwischenzeitlich etablierten Rechtsgrundsätzen zu Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht und insbesondere von den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit aus (vgl. BVerfGE 116, 164 <180 f.>; 120, 1 <44 f.>). Die Heranziehung dieser Prinzipien änderte jedoch nichts daran, dass beide Senate des Bundesverfassungsgerichts die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs als maßgeblich für die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage ansehen (vgl. BVerfGE 116, 164 <186>; 120, 1 <27>), mithin das Prinzip der Leistungsfähigkeit im Lichte der objektivierten Ertragskraft des Gewerbebetriebs zu berücksichtigen ist. Hingegen zeigt sich bei der Einkommen- steuer die Leistungsfähigkeit in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (vgl. BVerfGE 116, 164 <186>). Dementsprechend hat der Erste Senat in seinem Beschluss vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1 <31>) ausdrücklich hervorgehoben, die Gewerbesteuer erfasse, von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers weitgehend unabhängig, in erster Linie auf sächliche Produktionsmittel und Kapital gegründete Finanzquellen.
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Im Vorlagebeschluss bleibt unklar, inwiefern das Leistungsfähigkeitsprinzip und die Bemessung der "objektivierten Ertragskraft" unvereinbar sein sollen. Das gilt ebenso für die Ansicht des vorlegenden Gerichts, wonach ein "Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung zum Leistungsfähigkeitsprinzip" im Gewerbesteuerrecht stattgefunden habe. Überlegungen zur Leistungsfähigkeit fanden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer zwar schon früh Erwähnung (vgl. nur BVerfGE 9, 237; 13, 290 <297>; 21, 54 <64>; 26, 1 <7>; 34, 103 <115 f.>; 46, 224 <237>). Die Gewerbesteuer war ursprünglich als Realsteuer konzipiert, die grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Betriebsinhabers (vgl. §§ 7 bis 9 GewStG) mit der Besteuerung an das Objekt "Gewerbebetrieb" anknüpfte (vgl. BVerfGE 120, 1 <3 f.>). Zahlreiche Änderungen im Recht der Gewerbesteuer haben jedoch ihre Entwicklung hin zu einer objektivierten Ertragsteuer befördert (vgl. BVerfGE 116, 164 <185 f.>). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 15. Januar 2008 festgehalten, dass die Grundsätze der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit aus dem Gebot der Steuergerechtigkeit vornehmlich für das Recht der Einkommensteuer entwickelt worden sind, jedoch in gleicher Weise für die Gewerbesteuer gälten. Im selben Zusammenhang hebt er allerdings hervor, dass die Gewerbesteuer nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung die objektivierte Ertragskraft der Gewerbebetriebe erfasst (BVerfGE 120, 1 <44 f. m.w.N.>).
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7. Endlich fehlt die für eine zulässige Vorlage erforderliche inhaltliche Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit der entgegenstehenden Rechtsprechung anderer Finanzgerichte zur Verfassungsgemäßheit der Gewerbesteuer. Die Ansicht des vorlegenden Gerichts, dass die Gewerbesteuer verfassungswidrig sei, und es sich aufgrund der Hinzurechnungsvorschriften um eine reine Ertragsteuer und nicht mehr um eine Objektsteuer handele, wird von keinem weiteren Fachgericht geteilt. Die Vorlage stellt ohne inhaltliche Auseinandersetzung lediglich dar, dass andere Finanzgerichte in ihren bisherigen Entscheidungen (zitiert werden: Nds. FG, Urteil vom 26. Mai 2011 - 10 K 290/10 -, EFG 2011, S. 2101; Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 K 78/10 -, EFG 2011, S. 2100; FG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 9 K 1022/10 -, EFG 2011, S. 561) die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG nicht angezweifelt und auf den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer sowie die Rechtsprechung verwiesen hätten (siehe dazu später auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. August 2013 - 1 K 2461/11 -, juris Rn. 33).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2I.
3Die Beteiligten streiten darüber, ob die ab dem Jahr 2008 geltenden Regelungen über die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (Bundesgesetzblatt I 2007, 1912; im Folgenden: GewStG) verfassungswidrig sind und daher der Gewerbesteuermessbescheid 2008 sowie der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts zum 31. Dezember 2008 rechtswidrig sind.
4Die Klägerin ist eine Hotelgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihren Hotelbetrieb ausschließlich in von fremden Dritten gepachteten Gebäuden betreibt. Ihr satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Errichtung, der Betrieb, die Anpachtung, die Veräußerung und die Vermittlung von Hotels, Restaurants und artverwandter Betriebe sowie die Vornahme aller Geschäfte, die damit unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang stehen.
5Neben dem umfassenden Hotelbetrieb in angepachteten Immobilien übernahm die Klägerin im Streitjahr auf der Grundlage von Managementverträgen im Namen und auf Rechnung der jeweiligen Betreibergesellschaften die Betriebsführung für sechs Hotels unter ihrer Marke. Weiterhin überließ sie aufgrund von Lizenz- und Kooperationsverträgen drei Betreibergesellschaften die Gesamtheit der „E-Marken“ zur Führung eines Hotelbetriebs. Schließlich übertrug sie die Betriebsführung von drei von ihr angepachteten Hotel-Immobilien aufgrund von Managementverträgen auf die I Gesellschaft mbH.
6Die Klägerin erwirtschaftete im Streitjahr 2008 einen handelsrechtlichen Jahresfehlbetrag in Höhe von - 8.829.468 €. Der unstreitige körperschaftsteuerliche Verlust betrug ‑ 3.400.149 €. Der Jahresabschluss der Klägerin zum 31. Dezember 2008 weist einen Kassenbestand bzw. Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von ca. 11,5 Mio. € aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss verwiesen.
7Die Klägerin wandte im Streitjahr Schuldentgelte in Höhe von 14.994 €, Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen in Höhe von 10.066.675 €, Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen in Höhe von 59.011.743 € sowie Lizenzgebühren in Höhe von 459.238 € auf. Diese Aufwendungen führten zu gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) GewStG in Höhe von insgesamt 10.100.191 €. Wegen der Zusammensetzung der Hinzurechnungsbeträge wird auf die Anlage „Hinzurechnungen bei der GewSt“ zur Gewerbesteuererklärung der Klägerin vom 15. Januar 2010 verwiesen.
8Unter Berücksichtigung dieser Hinzurechnungen ermittelte der Beklagte ausgehend von einem in der Steuererklärung angegebenen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ‑ 47.585 € einen Gewerbeertrag in Höhe von 10.052.606 € und setzte mit Bescheid vom 12. Februar 2010 bei einem auf 6.431.564 € beschränkten Verlustabzug den Gewerbesteuermessbetrag erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 126.735 € fest. Zeitgleich erließ er einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2008 ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der vortragsfähige Verlust wurde in Höhe von 2.026.530 € festgestellt; der auf den 31. Dezember 2007 festgestellte Gewerbeverlust in Höhe von 8.458.094 € war um den Verlustabzug 2008 in Höhe von 6.431.564 € verringert worden.
9Im Änderungsbescheid vom 5. Juli 2010 berücksichtigte der Beklagte ausgehend von einem von der Klägerin nachträglich erklärten, erheblich erhöhten negativen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 3.400.149 € einen Gewerbeertrag in Höhe von 6.700.042 € und setzte bei einem auf 4.420.026 € beschränkten Verlustabzug erklärungsgemäß und weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den Gewerbesteuermessbetrag auf 79.800 € fest. Zeitgleich änderte er den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2008. Der vortragsfähige Verlust wurde nunmehr in Höhe von 4.216.885 € festgestellt; der auf den 31.12.2007 festgestellte Gewerbeverlust in Höhe von 8.458.094 € war um den verringerten Verlustabzug 2008 in Höhe von 4.420.026 € reduziert worden. Änderungen bei den Hinzurechnungsbeträgen erfolgten nicht.
10Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2008 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2008 erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren, die Einspruchsentscheidung wurde am 17. August 2010 erlassen, Klage. Nach Auffassung der Klägerin verstoßen die Hinzurechnungsvorschriften für Finanzierungsanteile nach § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG in der ab 2008 geltenden Fassung gegen das Grundgesetz. Sie rügt einen Verstoß der betroffenen Vorschriften gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG, gegen Art. 12 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen-Menschenrechtskonvention (EMRK). Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig und verweist zur Begründung u. a. auf den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 29. Februar 2012 (1 K 138/10, Az. beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG): 1 BvL 8/12) sowie zustimmende Stimmen hierzu in der Literatur (z.B. Malzkorn/Rossa, Der Betrieb 2012, 1169).
11Sie trägt vor, ihr von Beginn an betriebenes und realisiertes Unternehmenskonzept beruhe darauf, zum Zwecke eines Hotelbetriebs entsprechende Wirtschaftsgüter (Hotelmobiliar und -ausstattung) sowie Hotelimmobilien von dritten Eigentümern anzupachten. Das Geschäftsmodell sehe den Erwerb von eigenen Immobilien nicht vor, da entsprechende Investitionen von einer alleine auf Dienstleistung ausgerichteten Hotelkette wie der Klägerin nicht aufgebracht werden könnten. Aufgrund dieses Geschäftsmodells sei sie von der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung von Pachtzinsen ab dem Jahr 2008 überproportional belastet und im Vergleich zu anderen Unternehmen benachteiligt. Die Hinzurechnung führe für sie zu einer unangemessenen Gewerbesteuerbelastung und zu einer Verletzung des Art. 14 GG. Trotz tatsächlich erzielter körperschaftsteuerlicher Verluste habe die gewerbesteuerliche Hinzurechnung eine erhebliche Substanzbesteuerung zur Folge. Ihre wirtschaftliche Existenz sei gefährdet.
12Zudem werde das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt, ohne dass dies gerechtfertigt sei. Zur Rechtfertigung könne insbesondere nicht mehr auf den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer verwiesen werden, da dieser durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen der Vergangenheit (Einführung der Gewerbesteuerumlage, Wegfall der Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage, Wegfall der Gewerbekapitalsteuer, Wegfall der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer) zwischenzeitlich entfallen sei und sich die Gewerbesteuer zu einer reinen Ertragsteuer entwickelt habe. Durch die Neuregelungen der Gewerbesteuer würden unter Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit willkürlich Elemente einer Ertragsteuer mit Elementen einer Objektsteuer verknüpft.
13Die übermäßige Belastung mit Gewerbesteuer habe erdrosselnde Wirkung und verstoße aus diesem Grund gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die Hinzurechnungsvorschriften hätten zur Folge, dass bei ihr, die tatsächliche echte (d.h. nicht auf Sonderabschreibung o. Ä. beruhende) körperschaftsteuerliche Verluste erziele, gewerbesteuerlich ein Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer bestehe. Trotz körperschaftsteuerlicher Verluste im Jahr 2008 in Höhe von - 3.400.149 € und einem handelsbilanziellen Jahresfehlbetrag in Millionenhöhe werde bei der Gewerbesteuer ein positiver Gewerbeertrag in Höhe von 6.700.042 € (vor Verlustabzug) bzw. in Höhe von 2.280.000 € (nach Verlustabzug) zu Grunde gelegt. Mangels tatsächlicher Erträge müsse sie die Steuern aus Eigenkapital und damit aus ihrer Substanz aufbringen. Für das Jahr 2008 habe sie Gewerbesteuer für ihre 21 Betriebsstätten in Höhe von 326.949 € gezahlt. Ohne den teilweise verrechneten Verlustvortrag aus der Vergangenheit wäre ihre tatsächliche Gewerbesteuerbelastung noch erheblich höher gewesen.
14Zwar verstießen nach älterer Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) Hinzurechnungen auch dann nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn ein Gewerbebetrieb keine oder nur geringe Gewinne erziele (BFH-Urteil vom 5. Juli 1973 IV R 215/71, BStBl. II 1973, 739). Allerdings sei diese Entscheidung auf die gegenwärtige Rechtslage nicht mehr anwendbar, da der BFH sein Urteil allein darauf gestützt habe, dass die Gewerbesteuer als betriebliche Steuer den Gewinn mindere und damit zu einer Entlastung auf dem Gebiet der Ertragsteuer führe. Seit der Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des Gewinns zum 1. Januar 2008 greife dieses Argument daher nicht mehr.
15Aus den gleichen Gründen liege auch ein Verstoß gegen Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK vor, auch wenn der Eigentumsbegriff der EMRK autonom auszulegen und in einem völkerrechtlichen Sinn zu verstehen sei. Im Übrigen beschränke sich der Schutzumfang von Art. 1 nicht nur auf konkrete Eigentumspositionen, sondern auf alle vermögenswerten Rechte.
16Die durch die Hinzurechnung der Finanzierungsanteile als fiktive und geschäftsmodellfremde Gewinne verursachte Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz führe außerdem zu einer Verletzung von Art. 12 GG. Sie sei in ihrer Berufsausübung insoweit beeinträchtigt, als dass ihre freiheitsrechtlich garantierte Entscheidung darüber, ob sie mit eigenen oder gepachteten Immobilien den Hotelbetrieb betreiben wolle, tangiert sei.
17In ihrer Ungleichbehandlung mit solchen Hotelbetrieben, die ein Hotel in eigenen Immobilien betreiben, liege ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung folge aus erfolgsabhängigen Variablen bei den Pachtzahlungen (wie bspw. im Vertrag über die Hotelimmobilie .....). Ein Teil des wirtschaftlichen Risikos trage danach auch der Verpächter.
18Die Ungleichbehandlung dürfe nicht nur nicht willkürlich erfolgen, sondern müsse außerdem verhältnismäßig sein, da neben Art. 3 Abs. 1 GG vorliegend auch Freiheitsrechte nach Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) beeinträchtigt wären. Das Merkmal der Geeignetheit fehle, da in Miet- und Pachtzahlungen nicht in jedem Fall ein Finanzierungsanteil enthalten sei. Die Höhe der pauschalierten Hinzurechnung sei evident atypisch ausgestaltet, so dass die Hinzurechnungsvorschrift auch nicht erforderlich sei. An der Angemessenheit fehle es schließlich ebenfalls, da eine Substanzbesteuerung, zumindest in den Fällen, in denen nicht an einen Erwerb vermögenswerter Rechtspositionen angeknüpft werde, nie im engeren Sinne verhältnismäßig sein könne.
19Weiterhin rügt die Klägerin die Hinzurechnungsvorschriften hinsichtlich der Pachtaufwendungen als rechtswidrige Typisierung durch realitätsferne pauschale Hinzurechnung. Unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 16/4841, 78), wonach das erklärte gesetzgeberische Ziel gewesen sei, das einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Ergebnis unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelts darzustellen, vertritt sie die Auffassung, dass dieses Ziel mit der pauschalierten Hinzurechnung von 65 % der Miet- oder Pachtaufwendungen für Immobilien nicht erreicht werde. Der Gesetzgeber habe sich bei der Bemessung der Hinzurechnungsquote an einem ausschließlich eigenkapitalfinanzierten Unternehmen orientiert. Nach einer im Jahr 2008 veröffentlichten Studie der KfW-Bankengruppe betrage die durchschnittliche Eigenkapitalquote im Mittelstand dagegen lediglich 23,9 %. Der Gesetzgeber habe sich damit nicht am typischen Fall orientiert (so auch Montag in Tipke/Lang, § 12, Rn. 22), die danach berechneten pauschalen Hinzurechnungen seien daher unverhältnismäßig.
20Weiterhin seien die streitgegenständlichen Regelungen nicht realitätsgerecht. Der typische Zinsanteil von Pachtzahlungen für eine Hotelimmobilie betrage lediglich 14 % (vgl. Berechnung der Klägerin, Bl. 94 FG-Akte). Die erhebliche Differenz von 51 % zwischen dem vom Gesetzgeber unterstellten Zinsanteil (65 %) und den üblichen tatsächlichen Verhältnissen (14 %) zeige, dass die Typisierung nicht realitätsgerecht sei und somit zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte führe. Diese realitätsferne Typisierung wiege umso schwerer, als dass die Fremdkapitalzinsen bei einem Hotelbetreiber mit im Eigentum stehenden Immobilien bei der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG in tatsächlicher Höhe berücksichtigt würden.
21Zwar sei es praxisfern, für jedes individuelle Mietverhältnis den jeweiligen Zinsanteil der Miet- oder Pachtzahlungen zu ermitteln. Dennoch bestünde bei einem dynamischen Verweis auf einen bestimmten Referenzzinssatz, beispielsweise EZB Leitzins (aktuell 0,05 % zzgl. 2,5 % (angelehnt an § 503 BGB) ein milderes Mittel, durch das eine gleichheitskonforme gewerbesteuerliche Hinzurechnung erreicht werden könnte. Ein solcher dynamischer Verweis sei in der Gesetzgebung nicht unüblich, wie z.B. bei § 247 BGB gesehen werden könne.
22Bei einer unterstellten 50-jährigen Nutzung zeige überdies der Vergleich eines Gewerbetreibenden mit gepachteten Immobilien und eines solchen mit 100 % fremdfinanzierten Immobilien, dass die jeweils hinzuzurechnenden Beträge nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG einerseits und nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG andererseits so eklatant auseinanderfielen, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch auf Grund des Binnenvergleichs in § 8 Abs. 1 GewStG vorliege (vgl. die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Berechnung der Klägerin, Bl. 269 f. FG-Akte).
23Im Übrigen könne durch die getroffene Regelung der Typisierungszweck nicht erreicht werden. Denn es sei fraglich, ob Miet- oder Pachtzahlungen generell einen Finanzierungsanteil enthielten. Finanzierungsanteile könnten lediglich aus den Elementen herrühren, die die Mittelherkunft beträfen (= Verbindlichkeiten). Miet- und Pachtzahlungen seien hingegen eine klassische Form der Mittelverwendung, mit der zum Ausdruck komme, wie liquide Mittel verwendet würden. Allein aus diesem Grund sei die streitgegenständliche Vorschrift willkürlich und könne allein durch die lediglich gegebenen fiskalischen Interessen nicht gerechtfertigt werden (vgl. BVerfG v. 9. Juli 2008, 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210, Rn. 58).
24Soweit der Beklagte sich zur Frage der Verfassungskonformität der Hinzurechnung von Pachtzahlungen auf das Urteil des BVerfG vom 29. August 1974 (1 BvR 67/73, HFR 1974, 498) berufe, könne dieses vorliegend keine Anwendung finden: Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt habe die Anmietung und Weitervermietung von Frachtcontainern betroffen. Demgegenüber erbringe sie neben der Vermietung der Hotelzimmer zahlreiche Dienstleistungen, so dass nicht der gesamte Ertrag mit der Überlassung der Hotelzimmer erwirtschaftet werde. Auch seien die Frachtcontainer lediglich kurzfristig angemietet worden, und das Gericht habe in diesem Fall keinen Verstoß der Höhe der Hinzurechnung gegen Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. Vorliegend handele es sich hingegen um äußerst langfristige Vertragslaufzeiten (regelmäßig über 20 Jahre). Schließlich hätten der gerichtlichen Entscheidung als Streitjahre die Veranlagungszeiträume 1964 bis 1966 zu Grunde gelegen. In diesen Jahren sei das allgemeine Zinsniveau deutlich höher als im Streitjahr 2008 gewesen. Seit den 60er Jahren sei das Zinsniveau bis ins Jahr 2010 um ca. 60 % gefallen. Eine Vergleichbarkeit komme darüber hinaus noch weniger in Betracht, da die vom BVerfG überprüfte Regelung eine Hinzurechnung von 50 % vorgesehen habe, während die streitgegenständliche Norm sogar 65 % vorsehe.
25Auf Grund dieser verfassungsrechtlichen Bedenken sollte nach Auffassung der Klägerin der zuständige Senat die Angelegenheit dem BVerfG nach § 80 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), Art. 100 Abs. 1 GG zur Entscheidung vorlegen.
26Mit Bescheid vom 19. März 2013 wurde der Gewerbesteuermessbescheid 2008 dergestalt geändert, dass ein Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GewStG hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d) und e) GewStG aufgenommen wurde.
27Die Klägerin beantragt,
281. Das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen und dem BVerfG die Frage der Verfassungswidrigkeit von § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Art. 14, 12 und 3 GG sowie unter Berücksichtigung von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK vorzulegen,
292. den Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 19. März 2013 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2008 auf 0 € herabgesetzt wird,
303. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 2008 vom 12. Februar 2010 in der Fassung durch den Änderungsbescheid vom 5. Juli 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2010 dahingehend zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2008 ohne Berücksichtigung eines Hinzurechnungsbetrages gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG festgestellt wird,
31hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32Der Beklagte beantragt,
33- 34
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
36Der Beklagte vermag eine Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Regelungen des GewStG nicht zu erkennen. Die Vorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG ordne der Sache nach an, dass bestimmte Beträge, die nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) zur Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb abgezogen worden seien, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzugerechnet würden. Die Vorschrift enthalte somit in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht Abzugsverbote. Diese beruhten auf dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, da sie dazu dienten, die an das Merkmal Ertragskraft des Gewerbebetriebs anknüpfende Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Insbesondere bei Betrieben mit hohem Fremdkapitaleinsatz, die nur geringe Gewinne oder Verluste erzielten, könnten diese Abzugsverbote zur Substanzbesteuerung führen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG bestünden gleichwohl keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da es sich insoweit um eine zwangsläufige Folge des Realsteuercharakters der Gewerbesteuer handele.
37Auf der Grundlage dieses Objektsteuerprinzips als Fundamentalprinzip des Gewerbesteuerrecht werde der Gewerbebetrieb selbst als Steuerobjekt ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönlichen Beziehungen zum Steuerobjekt erfasst. Insbesondere werde dabei nicht auf die persönliche Leistungsfähigkeit der Betriebsinhaber abgestellt (BVerfG-Beschluss vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BStBl. II 1978, 125). Der BFH habe im Urteil vom 5. Juli 1973 (IV R 215/71, BStBl. II 1973, 739) festgestellt, dass die Hinzurechnungen auch dann nicht gegen die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 S. 1 GG verstießen, wenn ein Gewerbebetrieb keine oder nur geringe Gewinne erziele. Aus diesem Grund hätten auch die für das Einkommensteuerrecht maßgeblichen Grundsätze, dogmatischen Rechtfertigungen und verfassungsrechtlichen Begrenzungen, wie sie insbesondere in den Prinzipien der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, des objektiven und subjektiven Nettoprinzips sowie dem Übermaßverbot zum Ausdruck kämen, keine entsprechende Bedeutung.
38Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht zu erkennen. Die Gewerbesteuer knüpfe nach ihrem System und ihrer Struktur allein an die objektivierte Ertragskraft eines Gewerbebetriebes und gerade nicht an die Leistungsfähigkeit des betreffenden Betriebsinhabers an. Der Gewerbeertrag sei all dasjenige, was der Gewerbebetrieb als solcher, unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers einschließlich der von diesem gewählten Finanzierungsformen, objektiv erwirtschafte bzw. erwirtschaften könne. Gerade dieser Zweck werde beim Vergleich mit einem Unternehmer mit einer starken Eigenkapitalbasis, der die betreffende Immobilie selbst angeschafft oder selbst errichtet habe, erreicht. Denn die Klägerin solle mit einem solchen Unternehmen gleichgestellt werden, das identische Hotelbetriebseinnahmen als Gewerbeertrag erwirtschafte, jedoch keinen (hohen) Mietzinsaufwand entgegenstellen könne. Im Vergleich mit einem reinen Hotelmanagement-Unternehmen, das den betreuten Hotelimmobilienbestand nicht selbst anmiete und die Zimmer auch nicht selbst vermiete, sondern sich auf reine Dienstleistungen im Bereich der Hotelbetriebsführung, Übernahme von Geschäftsführungstätigkeit, Durchführung von Buchhaltungstätigkeiten usw. konzentriere, liege zwar eine unterschiedliche Behandlung vor. Die sachliche Rechtfertigung hierfür ergebe sich jedoch gerade aus der unterschiedlichen Struktur der verschiedenen Unternehmenstypen. Das klassische Hotelmanagement-Unternehmen generiere nur einen Gewerbeertrag in Höhe der Vergütung für die von ihm erbrachten Dienstleistungen. Am Wertschöpfungsprozess der Vermietung nehme es hingegen, anders als die Klägerin, nicht teil.
39Auch die mit den neuen Regelungen angenommenen Pauschalierungen bzw. Typisierungen verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. So habe das BVerfG schon mit Beschluss vom 29. August 1974 (HFR 1974, 498) ausgeführt, dass der Gesetzgeber nicht daran gehindert sei, anstelle eines individuellen Maßstabs aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich somit mit einer Typisierung zu begnügen. Eine Verfassungswidrigkeit könne nur dann anzunehmen sein, wenn der Mieter oder Pächter gegenüber einem Eigentümer zu einer höheren Gewerbesteuerlast herangezogen werde.
40Schließlich sei auch keine Verletzung von Art. 12 GG erkennbar. Das Grundrecht auf freie Berufswahl bzw. Berufsausübung garantiere nicht, dass mit der Berufswahl ein wirtschaftlicher Erfolg verbunden sei.
41Der EMRK habe das BVerfG lediglich den Rang als einfaches Bundesrecht mit völkerrechtlicher Verpflichtung aber ohne Verfassungsrang eingeräumt. In den Verfahren vor dem BVerfG, welche die Klägerin anstrengen könne, spielten daher nur die Grundrechte und das Grundgesetz eine Rolle. Eine Verletzung der EMRK selbst sei in diesem Zusammenhang nicht unmittelbar überprüfbar. Zwar sei zuzugeben, dass allgemein die EMRK als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden könne. Umgekehrt bedeute dies aber auch, dass die Reichweite dieser einfachgesetzlichen Norm keinesfalls weitergehen könne als Art. 14 Abs. 1 GG selbst. Der Auffassung der Klägerin sei daher nicht zuzustimmen, wonach der Eigentumsbegriff der EMRK autonom zu verstehen sei.
42Soweit die Klägerin sich zur Begründung der Verfassungswidrigkeit darauf stütze, dass die Gewerbesteuer aufgrund der zahlreichen Änderungen ihren Charakter als Realsteuer (Objektsteuer) verloren habe, sei dem zum einen entgegenzuhalten, dass im Zusammenhang mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in Art. 106 Abs. 6 GG das Wort „Realsteuer“ durch das Wort „Gewerbesteuer“ ersetzt worden sei. Dadurch habe der Verfassungsgeber klar zu erkennen gegeben, dass er die Gewerbesteuer in ihrer heutigen Gestalt, zumindest in ihren Grundstrukturen, als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkenne (vergleiche Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 1997, BGBl. I 1997, 2470). Dass der eigenständige Charakter der Gewerbesteuer aufgrund der Änderungen nicht verloren gegangen sei, werde durch die Entscheidung des BVerfG vom 15. Januar 2008 (1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1) bestätigt. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 18. Januar 2006 stelle es überdies keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Vermögenssubstanz dar, wenn der Steuerpflichtige Geldleistungsverpflichtungen erfüllen müsse, die an den Erwerb vermögenswerter Rechtspositionen anknüpften und zwar gleichgültig, aus welchen Mitteln der staatliche Steueranspruch erfüllt werde (BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).
43Soweit die Klägerin anrege, das Verfahren im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dem BVerfG vorzulegen und das laufende Verfahren bis zur Entscheidung hierüber auszusetzen, sei anzumerken, dass dies nur dann zwingend durchzuführen sei, wenn das Gericht eine entscheidungserhebliche Gesetzesnorm für verfassungswidrig halte. Es sei nicht ausreichend, dass das Gericht berechtigte Zweifel an der Verfassungswidrigkeit habe; die Richter müssten davon überzeugt sein.
44Einer förmlichen Verfahrensunterbrechung nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Hinblick auf die Vorlage des FG Hamburg an das BVerfG vom 29. Februar 2012 (1 K 138/10, EFG 2012, 960; Az. beim BVerfG: 1 BvL 8/12), mit welchem das FG Hamburg die Neuregelungen des § 8 Nr. 1 Buchst. a), d) und e) GewStG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt hat, ist die Klägerin entgegengetreten.
45Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 12. Januar 2015 hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken auf die Entscheidungen des I. Senats des BFH vom 16. Oktober 2012 (I B 125/12, BFH/NV 2013, 249 und I B 128/12, BStBl. II 2013, 30) und vom 4. Juni 2014 (I R 70/12, BFH/NV 2014, 1850) hingewiesen.
46Entscheidungsgründe.
47I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
481. Die ursprünglich zulässige Klage ist durch den Erlass des geänderten Gewerbesteuermessbescheids vom 19. März 2013 nicht unzulässig geworden. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.
49Der um den Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GewStG hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d) und e) GewStG erweiterte Gewerbesteuermessbescheid vom 19. März 2013 ist nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Vorläufigkeit betrifft die auch im vorliegenden Verfahren streitige Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG. Die ebenfalls von der Klägerin geltend gemachte Verfassungswidrigkeit von § 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG ist von der Vorläufigkeit nicht umfasst, so dass allein deshalb das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entfallen ist. Darüber hinaus hat der BFH in mehreren Verfahren entschieden, dass allein die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks im Klageverfahren im Hinblick auf die durch dieses Verfahren aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Streitpunkte das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. September 1992 III B 43/92, BStBl. II 1993, 123; BFH-Beschluss vom 10. Februar 1995 III B 73/94, BStBl. II 1995, 415; BFH Beschluss vom 23. Dezember 2005 XI B 98/04, BFH/NV 2006, 952). Andernfalls könnte die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen durch die nachträgliche Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks aus dem Klageverfahren drängen, was mit dem Zweck des § 68 FGO nicht vereinbar wäre (Buciek in Beermann/Gosch, § 165 AO, Rz. 84).
502. Die Klage ist allerdings nicht begründet.
51Der Gewerbesteuermessbescheid 2008 sowie der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts zum 31.12.2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten. Die Miet- und Pachtzinsen sind bei der Berechnung des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrages sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zutreffend nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG einbezogen worden, ebenso wie die Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG.
52Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG sind dem Gewinn, soweit die Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, ein Viertel der Summen aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzahlungen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, sowie ein Viertel der Summen aus dreizehn Zwanzigstel (65 %) der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der entsprechenden unbeweglichen Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen. Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen) sind dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG in Höhe von einem Viertel der Summen aus einem Viertel (25%) der Aufwendungen hinzuzurechnen.
53Die von der Klägerin im Streitjahr aufgewendeten Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von 10.066.675 €, Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von 59.011.743 € sowie Lizenzgebühren in Höhe von 459.238 € erfüllen diese Voraussetzungen nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten, der sich das erkennende Gericht mangels davon abweichender Anhaltspunkte anschließt. Folgerichtig erklärte die Klägerin hieraus Hinzurechnungsbeträge in Höhe von 503.333 €, 9.589.407 € und 28.702 €, die der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden erklärungsgemäß zugrundegelegte. Diese Steuerbescheide enthalten nach Auffassung des erkennenden Senats keine Rechtsfehler.
543. Der Senat ist auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der zu Grunde liegenden gewerbesteuerlichen Regelungen überzeugt. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zur Frage der Verfassungswidrigkeit des § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG kommt daher nicht in Betracht.
55a) Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG hat ein Gericht, welches ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ist Voraussetzung für die Vorlagepflicht bzw. für die Zulässigkeit einer entsprechenden Vorlage jedoch, dass das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Gesetzesvorschrift überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht dagegen nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden (BVerfG-Urteil vom 20. März 1952 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 184; BVerfG-Beschlüsse vom 19. Februar 1957 1 BvL 13/54, BVerfGE 6, 222; vom 31. Mai 1983 1 BvL 11/80, BVerfGE 64, 180; vom 06. April 1989 2 GvL 8/87, BVerfGE 80, 59; weitere Nachweise bei Jarass/Pieroth, 13. Auflage 2014, Art. 100 GG Rn. 10; BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VI R 121/90, BStBl. II 1997, 692; vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl. II 2014, 925).
56Der erkennende Senat ist, anders als der 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg zumindest hinsichtlich der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG (vgl. den Vorlagebeschluss vom 29. Februar 2012 – 1 K 138/10, EFG 2012, 960, 1 BvL 8/12), nicht in diesem Sinne von einem Verfassungsverstoß der vorliegend relevanten Regelungen überzeugt und daher nicht zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht berechtigt.
57Das Klageverfahren war auch nicht gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg auszusetzen, da zum Einen vorliegend neben der Verfassungswidrigkeit der Buchstaben d) und e) auch diejenige des Buchstabens f) von § 8 Nr. 1 GewStG geltend gemacht wird und sich die Klägerin zum Anderen explizit gegen eine Verfahrensunterbrechung ausgesprochen hat um eigene Argumente im Rahmen einer verfassungsrechtlichen bzw. verfassungsgerichtlichen Überprüfung vortragen zu können. Der erkennende Senat sieht dies in Ausübung seines Ermessens als ausreichend an, das Verfahren nicht bis zu einer Entscheidung des BVerG im Verfahren 1 BvL 8/12 auszusetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2010 VI B 119/09, BFH/NV 2010, 923).
58b) Das BVerfG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung sowohl die Gewerbesteuer an sich als auch einzelne Hinzurechnungsregelungen, insbesondere die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 a.F. GewStG und § 8 Nr. 7 GewStG a.F., als verfassungsgemäß angesehen (Entscheidungen des BVerfG vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, BStBl II 1969, 424; vom 29. August 1974 1 BvR 67/73, HFR 1974, 498; vom 25.Oktober 1977 1 BvR 15/75, BStBl. II 1978, 125; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 und vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1).
59Danach ist die Gewerbesteuer eine als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Sie ist neben der Einkommensteuer verfassungsrechtlich gerechtfertigt. In Abgrenzung zu dieser Steuer spielen bei der Gewerbesteuer die persönlichen Verhältnisse des Inhabers des Gewerbebetriebs keine Rolle. Die Bemessungsgrundlage bildet allein der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG 2002 n.F.), der zwar an den gleichen Gewinn wie das Einkommensteuerrecht anknüpft, diesen aber durch objektsteuertypische Elemente zu einem Gewerbeertrag modifiziert, insbesondere durch Hinzurechnungen und Kürzungen (§§ 8, 9 GewStG). Dementsprechend konkretisiert sich auch die Leistungsfähigkeit in beiden Steuergegenständen unterschiedlich: Bei der Einkommensteuer zeigt sich die Leistungsfähigkeit in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen selbst und bei der Gewerbesteuer in der objektivierten Ertragskraft des Gewerbebetriebs (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, und vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1). Zudem ist der Gesetzgeber nicht zu einer "reinen" Verwirklichung des so verstandenen Objektsteuerprinzips verpflichtet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224, m.w.N.).
60c) Ebenso wie der I. Senat des BFH in mehreren jüngeren Entscheidungen gelangt der erkennende Senat unter Berücksichtigung dieser Ausführungen des BVerfG dazu, dass er nicht von der Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungen in § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG überzeugt ist (BFH-Beschlüsse vom 16. Oktober 2012 I B 125/12, BFH/NV 2013, 249 und I B 128/12, BStBl. II 2013, 30 jeweils zu § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) GewStG; BFH-Urteil vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFH/NV 2014, 1850 zu § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG). Entsprechend der Ausführungen des I. Senats des BFH in diesen Entscheidungen kann im Ergebnis „nur so dem offenkundig zu Tage getretenen Willen des verfassungsgebenden und verfassungsändernden Gesetzgebers (…), wonach es eine Gewerbesteuer in herkömmlicher Ausprägung auch unter der Herrschaft des Grundgesetzes geben darf, entsprochen“ werden. Auch hat es die „Fortentwicklung der Gewerbesteuer zu einer "reinen" (Zusatz-)Ertragsteuer“ trotz mehrfacher Änderungen „so nicht gegeben; die den Steuertypus prägenden Hinzurechnungen wurden beibehalten oder --wie zuletzt mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG) geschehen-- strukturell vereinheitlicht und ausgebaut“ (BFH-Urteil vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFH/NV 2014, 1850; BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2012 I B 128/12, BStBl. II 2013, 30; BTDrucks 16/4841, 79).
61„Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Gewerbesteuer als ertragsorientierter Objektsteuer“ folgert der BFH, „dass die Ist-Leistungsfähigkeit, die auf die konkrete Steuerzahlungsfähigkeit des einzelnen Grundrechtsträgers abstellt und als deren einfach-rechtliche Ausprägung das objektive Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts (§ 2 Abs. 2 EStG) zu gelten hat, nicht den Maßstab für die Prüfung der streitigen Hinzurechnungsregelung darstellt (a.A. z.B. Hey, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2009, Beih. 34, 109; Beschluss des FG Hamburg in EFG 2012, 960). Vielmehr kommt es darauf an, ob sich diese folgerichtig in das Konzept einer "ertragsorientierten Objektsteuer" einfügen lässt“ (BFH-Urteil vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFH/NV 2014).
62aa) Nach den weiteren Ausführungen des BFH im Urteil vom 4. Juni 2014 (I R 70/12, BFH/NV 2014) sind „Hinzurechnungen als solche (…) nicht zu beanstanden. Sie betreffen nicht die nähere Ausgestaltung des Steuergegenstands, sondern bilden zusammen mit dem nach ertragsteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinn und den Kürzungen (vgl. Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 n.F.) die Grundstruktur der Gewerbesteuer als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Eine Gewerbesteuer ohne Hinzurechnungen entspricht dem Bild der herkömmlichen Gewerbesteuer nicht mehr. Die von ihnen ausgehenden Belastungen sind damit von der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und von den betroffenen Grundrechtsträgern im Grundsatz hinzunehmen (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; BVerfG-Beschlüsse vom 3. Juni 1970 1 BvR 333/70, HFR 1970, 401; vom 29. August 1974 1 BvR 67/73, HFR 1974, 498).“
63Aus diesem Grund sind nach den weiteren Erläuterungen des BFH im Hinblick auf § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG „die auf eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG gestützten Rügen (…) unbegründet. Dass Betriebe, die mit hohem Fremdkapitaleinsatz arbeiten und nur geringe Gewinne oder gar Verluste erzielen, wegen der Hinzurechnungen mit der Folge einer Substanzbesteuerung zur Gewerbesteuer herangezogen werden, liegt in der Natur einer "ertragsorientierten Objektsteuer". Diese aus der Grundstruktur der herkömmlichen Gewerbesteuer herrührende, allgemein bekannte Belastungsfolge als ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte auf Eigentum und freie Berufsausübung zu qualifizieren, (…) entzieht der Steuer unmittelbar ihre Legitimität und verkehrt die Aussage des BVerfG in das Gegenteil. An der ständigen Rechtsprechung, dass die Hinzurechnungen --oder ertragsunabhängige Komponenten der Gewerbesteuer wie z.B. die frühere Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage-- keine Verstöße gegen Art. 12 und Art. 14 GG bewirken, ist daher festzuhalten (BVerfG-Entscheidungen vom 21. Dezember 1966 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54, betreffend Lohnsummensteuer; in BVerfGE 26, 1, betreffend Art. 12 GG; BFH-Urteile vom 5. Juli 1973 IV R 215/71, BFHE 110, 50, BStBl II 1973, 739; vom 21. April 1977 IV R 161/75, BFHE 122, 141, BStBl II 1977, 512, dort auch zu Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall; BFH-Beschluss vom 5. April 2005 IV B 96/03, BFH/NV 2005, 1564)“ (so der BFH in seinem Urteil vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFH/NV 2014).
64Aus diesen Überlegungen, denen sich der erkennende Senat anschließt und die nach seiner Auffassung nicht nur für § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG sondern auch für § 8 Nr. 1 Buchst. d) GewStG gelten, folgt für die Klägerin, dass sie sich trotz der auch bei ihr vorliegenden Substanzbesteuerung nicht auf eine aus Art. 14 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG folgende Verfassungswidrigkeit berufen kann. Im Übrigen muss sie sich hinsichtlich der von ihr vorgebrachten Erdrosselungswirkung entgegenhalten lassen, dass diese letztlich auf die von ihr selbst gewählte Unternehmensstruktur und die daraus folgende Anmietung von Mobiliar und Immobilien von andern Konzernunternehmen zurückzuführen ist.
65bb) Soweit die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungen der Pachtaufwendungen nach § 8 Nr. 1 e) GewStG als rechtswidrige Typisierung und realitätsferne pauschale Hinzurechnung rügt, vermag sie auch insoweit keinen Erfolg zu haben. Dies ergibt sich aus den folgenden erschöpfenden Ausführungen des BFH im Urteil vom 4. Juni 2014 (I R 70/12, BFH/NV 2014), der sich der erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich anschließt:
66„Bei der näheren Ausgestaltung des Hinzurechnungstatbestands, insbesondere bei der Bestimmung der Höhe des Hinzurechnungsbetrags, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung, Typisierung und Pauschalierung zu beachten (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1).
67aaa) Die Grenzen, die ihm dabei gesetzt sind, sind weit zu ziehen. Dies folgt aus der Rechtsprechung des BVerfG, die an der vergleichbar pauschalen Festlegung der jeweiligen Hinzurechnungsbeträge in früheren Fassungen des § 8 GewStG bislang keinen Anstoß genommen hat (BVerfG-Entscheidung in BVerfGE 26, 1 und BVerfG-Beschluss in HFR 1974, 498, betreffend die hälftige Hinzurechnung der Mietzinsen für die Überlassung beweglicher Wirtschaftsgüter). Außerdem bedingt die --verfassungsrechtlich zulässige-- grobe Orientierung an einem "fiktiven" eigenkapitalfinanzierten Vergleichsunternehmen beträchtliche Unschärfen, die sich in einer freieren tatbestandlichen Ausgestaltung niederschlagen (dürfen). Eine uneingeschränkt realitätsgetreue Abbildung der "Wirklichkeit" ist damit ebenso wenig geboten (BFH-Beschluss in BFHE 238, 452, BStBl II 2013, 30) wie eine "reine" Verwirklichung des Objektsteuerprinzips (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 46, 224).
68bbb) Zureichende Anhaltspunkte für einen Verfassungsverstoß gibt es danach entgegen der Auffassung der Revision, des FG Hamburg (Beschluss in EFG 2012, 960) und Teilen der Literatur (z.B. Malzkorn/Rossa, Der Betrieb 2012, 1169; Petrak/ Karrenbrock, DStR 2012, 2046) nicht. Dem § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F. liegt die Vorstellung zugrunde, dass der in Mieten und Pachten enthaltene Finanzierungsanteil im Wesentlichen vom Umfang des berücksichtigten Wertverzehrs für das überlassene Wirtschaftsgut abhängig ist, der bei Immobilien niedriger ist als bei beweglichen Wirtschaftsgütern. Umgekehrt ist der Finanzierungsanteil bei Grundstücksmieten höher (BTDrucks 16/4841, 80). Der Gesetzgeber hat ihn --für das Streitjahr 2008-- pauschal mit dreizehn Zwanzigstel, also 65 %, angesetzt. Die Pauschalierung als solche begegnet keinen Bedenken. Die Regelung in § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F. ist angesichts der weiten Verbreitung gewerblicher Grundstücksmietverhältnisse zur Bewältigung von Massenvorgängen bestimmt und daher in besonderer Weise auf Vereinfachung angewiesen. Zudem ist die jeweils individuelle Bestimmung des Finanzierungsanteils einer einzelnen Grundstücksüberlassung mit ganz erheblichem Aufwand für die Finanzverwaltung, den Steuerpflichtigen und ggf. den Vermieter verbunden, da zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sind und der Finanzierungsanteil während der Vertragslaufzeit Änderungen unterliegen kann (vgl. zum Immobilienleasing Schreiben des Bundesverbands Deutscher-Leasing-Unternehmen vom 23. März 2007, Finanzausschussprotokoll Nr. 16/56, S. 248 ff.; Hartmann-Wendels/Wohl, Zur gewerbesteuerlichen Behandlung des Leasing im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, Finanzausschussprotokoll Nr. 16/56, S. 264 ff.). Wenn es einen --verfassungsrechtlich anerkannten-- Bedarf an Typisierung und Pauschalierung gibt, dann sieht der Senat ihn hier. Deswegen war insbesondere auch eine "Dynamisierung" der Quote, also deren Ankopplung an einen sich ständig ändernden Referenzzinssatz (so Petrak/Karrenbrock, DStR 2012, 2046), verfassungsrechtlich nicht vonnöten (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 238, 452, BStBl II 2013, 30). Im Gesetzgebungsverfahren haben denn auch die angehörten Verbände und Sachverständigen durchweg die Pauschalierung nicht nur nicht beanstandet, sondern teilweise als geboten angesehen (Finanzausschussprotokoll Nr. 16/56, S. 188, 276). Die Höhe des vom Gesetzgeber pauschal mit 65 % angenommenen Finanzierungsanteils beruht auf fundierten Schätzungen der branchenkundigen Verbände, deren Sachverstand sich der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nutzbar gemacht hat (vgl. z.B. Finanzausschussprotokolle Nr. 16/56, S. 53, 251 ff., 263 ff., und 16/59, S. 42). Je schwieriger es für den Gesetzgeber ist, ein Bild von der vielgestaltigen Realität zu gewinnen, desto größer werden seine Typisierungsspielräume, jedenfalls dann, wenn die Eingriffsintensität, (…) wegen der geringen Hinzurechnungsquote von einem Viertel und dem Freibetrag von 100.000 € im Regelfall eher gering ist. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber zu einer groben Schätzung berechtigt war. Denn in tatsächlicher Hinsicht variieren die Finanzierungsanteile von Vertragstyp zu Vertragstyp (z.B. "klassischer" Gewerbemietraumvertrag, Voll- und Teilamortisationsleasingverträge) in erheblichem Ausmaß. In Abhängigkeit unterschiedlicher Faktoren (z.B. Laufzeit, Finanzierungszins, Wertverhältnis Grundstück zu Gebäude, Gebäuderestwert, Umfang der Nebenleistungen u.a.) und verschiedener Berechnungsmethoden lassen sich beim Leasing Werte in einer großen Bandbreite von bis zu über 60 % ermitteln, die am Beginn der Vertragslaufzeit noch deutlich höher liegen können. Im Bereich der "klassischen" Immobilienvermietung gehen die Schätzungen von geringeren Quoten aus (vgl. Finanzausschussprotokoll Nr. 16/56, S. 248 ff. und S. 264 ff.; Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen zum Referentenentwurf zur Unternehmensteuerreform vom 23. Februar 2007, abrufbar unter www.bdl.leasingverband.de/presse/statements).
69ccc) Dass der Gesetzgeber den Finanzierungsanteil schließlich mit 65 % angesetzt hat, ist angesichts der erheblichen tatsächlichen Unsicherheiten, des großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraums und der ohnehin nur im Umfang von einem Viertel des Finanzierungsanteils erfolgenden Hinzurechnung deshalb hinzunehmen. Dass er den Anteil mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2010 auf 50 % abgesenkt hat (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. Dezember 2009, BGBl I 2009, 3950, BStBl I 2010, 2) setzt die früher getroffene Entscheidung angesichts eines allgemein sinkenden Zinsniveaus und der nach wie vor bestehenden Bandbreite von "richtigen" Werten nicht ins Unrecht.“
70Eine willkürliche Festsetzung des Finanzierungsanteils ist nach alledem nicht festzustellen.
71cc) Soweit sich die Klägerin auf Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK beruft, ist dem entsprechend der Ausführungen des Beklagten entgegenzuhalten, dass das BVerfG dieser Konvention lediglich den Rang als einfaches Bundesrecht mit völkerrechtlicher Verpflichtung aber ohne Verfassungsrang eingeräumt hat. Die EMRK kann mithin als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden. Ihre eigene Reichweite kann allerdings keinesfalls weitergehen als die der Grundrechte selbst (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 16. Oktober 2012 I B 125/12, BFH/NV 2013, 249, I B 128/12, BStBl. II 2013, 30).
72dd) Der Senat vermag auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG erkennen, den die Klägerin im Hinblick auf § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG reklamiert:
73Die Klägerin kann, wie von ihr selbst angeführt, grundsätzlich mit zwei unterschiedlichen Unternehmenstypen verglichen werden:
74aaa) Zum einen ist dies ein Unternehmen mit einer identischen Unternehmenstätigkeit, das allerdings auf Grund einer starken Eigenkapitalbasis die Hotelimmobilien nicht gepachtet, sondern erworben hat. Im Vergleich mit einem solchen Unternehmen greift der Gesetzeszweck des § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG in vollem Umfang ein, denn die Klägerin soll mit ihrem erheblichen Pachtaufwand denjenigen Unternehmen gleichgestellt werden, die identische Einnahmen als Gewerbeertrag erwirtschaften, diesem Ertrag jedoch keinen Pachtaufwand entgegenstellen können.
75Soweit die Klägerin dem entgegenhält, dass speziell bei von ihr abgeschlossenen Pachtverträgen auf Grund von erfolgsabhängigen Variablen bei den Pachtzahlungen auch der Verpächter einen Teil des wirtschaftlichen Risikos trage (wie z.B. im Vertrag über die Hotelimmobilie .... ), hat dies vorliegend nach Auffassung des erkennenden Senats keine Relevanz. Denn eine Verringerung der Pachtzahlungen würde bei der Klägerin auch zu einer verringerten Hinzurechnung führen.
76bbb) Zum anderen könnte die Klägerin mit einem Unternehmen verglichen werden, das lediglich Hotelserviceleistungen erbringt. Ein solches Hotelmanagement-Unternehmen würde die Hotelimmobilien nicht selbst pachten und das Hotel auch nicht auf eigene Rechnung führen, sondern sich z.B. auf die Hotelbetriebsführung, auf die die technische Hausverwaltung, auf Serviceleistungen gegenüber den Hotelgästen, auf Buchführungsleistungen und auf sonstige im Hotel anfallende Dienstleistungen konzentrieren.
77Bei einem solchen Unternehmen käme es zwar nicht zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG. Diese unterschiedliche gewerbesteuerliche Behandlung der Klägerin im Vergleich zu einem solchen Unternehmen ist jedoch auf Grund der verschiedenen Strukturen und eines unterschiedlichen Wertschöpfungsprozesses gerechtfertigt: Das klassische Hotelmanagement-Unternehmen generiert nur einen Gewerbeertrag in Höhe der Vergütung für die von ihm erbrachten Dienstleistungen. Die Klägerin als Hotelbetreiberin in angepachteten Hotelimmobilien hat hingegen von den Eigentümern der Immobilien das Liquiditätsrisiko und die Verwaltung einer Vielzahl von Gästezimmern übernommen. Nicht die Eigentümer treten am Markt auf, sondern die Klägerin. Mit Ausnahme der Pachtaufwendungen, die gerade der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen, ähnelt die Klägerin mithin in ihrer Unternehmensstruktur und in ihrem umfassenden Dienstleistungsangebot eher einem Unternehmen, das seinen eigenen Immobilienbestand selbst verwaltet und betreibt, als einem Dienstleistungsunternehmen, das lediglich im Rahmen der Betreuung fremder Immobilien und fremder Hotelverträge die genannten Dienstleistungen erbringt. Die Klägerin nimmt daher an einem weitaus größeren Wertschöpfungsprozess teil und erzielt dabei in Gestalt der Hoteleinnahmen einen entsprechend größeren Gewerbeertrag, der auch die größere Ertragskraft abbildet. Dies bildet zugleich auch den sachlichen Grund dafür, die Klägerin gewerbesteuerlich einem Unternehmen gleichzusetzen, das in einem eigenen Objekt ein Hotel betreibt, und nicht einem Hotelmanagement-Unternehmen, das nur im Umfang seines Dienstleistungsangebots Erträge erzielt und dementsprechend eine weitaus geringere Ertragskraft aufweist.
78Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf einen „Binnenvergleich“ zwischen § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG und § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG annimmt, vermag der erkennende Senat auch insoweit keinen Verfassungsverstoß erkennen. Unabhängig davon, dass der von der Klägerin in der Beispielsrechnung (Bl. 269 f. FG-Akte) zugrundegelegte Darlehenszinssatz i.H.v. 2,55 % für Fremdkapital im Streitjahr 2008 nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätte, zumal man bei einer vollständig refinanzierten Immobilie einen prozentualen Aufschlag auf einen Durchschnittszinssatzes regelmäßig in Kauf nehmen muss, aufgrund eines nicht unerheblich höheren Zinssatzes die Hinzurechnungen mithin deutlich weniger auseinander gefallen wären, lässt sich aus den unterschiedlichen Regelungsansätzen in Buchst. a) und Buchst. e) kein Verfassungsverstoß herleiten. Um Finanzierungsanteile aus dem Ertrag des Gewerbebetriebs zu eliminieren, können bei der Hinzurechnung von Schuldentgelten nach § 8 Nr. 1 Buchst. a) GewStG grundsätzlich problemlos die fraglichen Schuldentgelte selbst als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Bei der Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. e) GewStG, die nur teilweise Finanzierungansteile enthalten, die zudem regelmäßig nicht explizit vereinbart und ausgewiesen sind, ist eine typisierende Pauschalierung erforderlich, die zumindest grundsätzlich auch unabhängig von (kleineren) Zinsschwankungen am Markt Bestand haben muss. Dass die vorliegend erfolgte Typisierung nach Auffassung des erkennenden Senats den Anforderungen des Grundgesetzes standhält, wurde schon dargelegt.
79ee) Gesichtspunkte, die speziell die Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG begründen könnten, hat die Klägerin weder vorgetragen, noch sind sie für den erkennenden Senat ersichtlich. Vielmehr ist der Senat angesichts der eingangs dargestellten allgemeinen Aspekte auch nicht von der Verfassungswidrigkeit dieser Hinzurechnungsregelung überzeugt.
804. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
815. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 1 Buchst. d), e) und f) GewStG und des Vorlagebeschlusses des Finanzgerichts Hamburg vom 29. Februar 2012 zugelassen.
Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
- 1.
Ein Viertel der Summe aus - a)
Entgelten für Schulden.2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen.3Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt, - b)
Renten und dauernden Lasten.2Pensionszahlungen auf Grund einer unmittelbar vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage gelten nicht als dauernde Last im Sinne des Satzes 1, - c)
Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters, - d)
einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nur zur Hälfte vorzunehmen bei - aa)
Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge), - bb)
extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, für die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG oder aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ergibt, dass das Fahrzeug eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt, und - cc)
Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind,
- e)
der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und - f)
einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen).2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nicht vorzunehmen auf Aufwendungen, die nach § 25 des Künstlersozialversicherungsgesetzes Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind,
- 2.
(weggefallen) - 3.
(weggefallen) - 4.
die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind; - 5.
die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 und 10 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. - 6.
(weggefallen) - 7.
(weggefallen) - 8.
die Anteile am Verlust einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind.2Satz 1 ist bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen nicht anzuwenden; für Pensionsfonds gilt Entsprechendes; - 9.
die Ausgaben im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes; - 10.
Gewinnminderungen, die - a)
durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an einer Körperschaft oder - b)
durch Veräußerung oder Entnahme des Anteils an einer Körperschaft oder bei Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals der Körperschaft
entstanden sind, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder die sonstige Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2a, 7 oder 8 zu kürzen ist, oder organschaftliche Gewinnabführungen der Körperschaft zurückzuführen ist; - 11.
(weggefallen) - 12.
ausländische Steuern, die nach § 34c des Einkommensteuergesetzes oder nach einer Bestimmung, die § 34c des Einkommensteuergesetzes für entsprechend anwendbar erklärt, bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 gekürzt werden.
Tenor
Die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 28. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 werden dahingehend abgeändert, dass eine gewinnmindernde Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen i.H.v. ... € berücksichtigt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderten Steuerfestsetzungen nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten bezüglich der Festsetzung der Körperschaftsteuer – KSt – und des Gewerbesteuermessbetrags – GewStMB – 2004 über die Frage, ob eine Rückstellung wegen noch zu erbringender Verwertungs- und Entsorgungsverpflichtungen von Verpackungen steuermindernd berücksichtigt werden kann.
3Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft „X“ – nachfolgend ebenfalls als Klägerin bezeichnet –, dessen Unternehmensgegenstand im Streitjahr 2004 die privatwirtschaftliche Sammlung, Sortierung und Zuführung zur Wiederverwertung von Papier, Kunststoffen, Gläsern, Weißblech, Verbundverpackungen und ähnlichen Materialien nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) in der im Streitjahr geltenden Fassung (VerpackV i.d.F. vom 21. August 1998) war.
4Nach dem Wegfall der Monopolstellung der Klägerin ist diese ein Systembetreiber i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 9, Abs. 3 VerpackV. Unternehmen im Handel und der Industrie (Vertreiber und Hersteller i.S.d. VerpackV) haben mit der Klägerin Verträge abgeschlossen, welche die Unternehmen von den Rücknahme-, Verwertungs- und Entsorgungspflichten gemäß der VerpackV befreien. Hierfür zahlen die Unternehmen als „Zeichennehmer“ an die Klägerin Lizenzentgelte zur Nutzung der Marke „Y“, dessen Inhaberin die Klägerin ist.
5Die vertraglichen Beziehungen richten sich nach einem gleichlautend mit allen Zeichennehmern abgeschlossenen Zeichennutzungsvertrag – ZNV – für die Marke „Y“. Nach § 1 des Vertrages gestattet die Klägerin die Zeichennutzung auf den Verkaufsverpackungen der Zeichennehmer.
6§ 2 des Vertrages lautet:
7„Auf der Grundlage der Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 sichert das X zu, die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen.“
8§ 3 des Vertrages lautet:
9„Die Zeichennehmerin ist verpflichtet, die Marke auf jeder angemeldeten, den Inlandsverbrauch betreffenden Verpackung in einer für den Endverbraucher sichtbaren Weise und nur in Verbindung mit vom X genehmigten Aussagen aufzubringen. ...“
10§§ 4 bis 7 des Vertrages sehen die Zahlung eines nach Menge und Art aller vom jeweiligen Zeichennehmer in Umlauf gebrachten Verpackungen bemessenen Lizenzentgelts sowie Informations- und Prüfungspflichten vor. Nach § 5 Abs. 3 und 7 des Vertrages haben die Zeichennehmer die Anzahl der in den Verkehr gebrachten Verpackungen in regelmäßigen Abständen zu melden.
11Eine mengen- oder quotenmäßige Begrenzung der Lizenzierung und/oder der Sammlung, Sortierung, Verwertung oder Entsorgung sieht der Vertrag nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in den Betriebsprüfungshandakten – BpHA – befindlichen Mustervertrag (Stand 1. Januar 2005) verwiesen.
12Die Klägerin unterhält ihrerseits vertragliche Beziehungen zu Entsorgungsfirmen – Entsorgungspartnern –, welche gegen Entgelt die Wertstoffe sammeln (erfassen), sortieren, verwerten und entsorgen. Hierzu hat die Klägerin gleichlautende Verträge mit diversen Entsorgungspartnern im gesamten Bundesgebiet geschlossen.
13Nach dem in den BpHA befindlichen (Muster-)Vertrag über Aufbau und Betrieb eines Systems zur Erfassung und Sortierung von gebrauchten Verkaufsverpackungen – Erfassungsvertrag – ist der jeweilige Auftragnehmer (Erfasser/Bereitsteller) zur Erfassung und Bereitstellung aller im jeweiligen Vertragsgebiet anfallenden am System der Klägerin beteiligten Verpackungen verpflichtet. § 2 des Erfassungsvertrages regelt, dass der Entsorgungspartner das System zur Erfassung und Sortierung so zu gestalten und zu betreiben hat, dass mindestens die in der VerpackV festgelegten Erfassungs- und Sortierquoten erreicht werden oder übertroffen werden können. Die erfassten bzw. erfassten und sortierten Wertstoffe werden von Abnehmern (Garantiegebern) verwertet (§ 6 des Erfassungsvertrages). Nach § 7 des Erfassungsvertrages ist die Klägerin zur Zahlung eines gewichtsbezogenen Entgelts an den Entsorgungspartner (Entsorger) verpflichtet. § 9 des Erfassungsvertrages sieht eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit vor, ansonsten verlängert sich der Vertrag um fünf Jahre. Ein Recht, die Sammlung, Erfassung und Bereitstellung der im System befindlichen Verpackungen nach Erreichen einer bestimmten Menge oder Quote zu unterlassen oder eine nach der Quote bemessene Vergütung sieht der Vertrag nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den (Muster-)Vertrag verwiesen.
14Ebenso enthalten spätere Vertragsversionen (vgl. für die Jahre 2012 ff. die Anlagen zur Klagebegründung vom 31. Januar 2013: Vertrag über die Erfassung von Leichtverpackungen; Vertrag über die Sortierung und Verwertung einer variablen Menge von Leichtverpackungen) keine mengen- oder quotenmäßigen Begrenzungen der von den Entsorgungspartnern auf Kosten der Klägerin erbrachten Leistungen.
15In Ausführung von § 6 Abs. 3 VerpackV war die Klägerin durch Verfügungen der Bundesländer (beispielsweise Verfügung des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 1995) verpflichtet, die nach Maßgabe der VerpackV und den dazu ergangenen Anhängen erforderlichen Mindestverwertungs- oder -entsorgungsmengen nachzuweisen und ferner durch ausreichend Bilanzrückstellungen oder Sicherheitsleistungen jährlich nachzuweisen, dass für den Fall einer Systemeinstellung die Verwertung der zu diesem Zeitpunkt im System befindlichen Materialien gewährleistet ist. Nach der – dem Streitjahr zeitlich nachfolgenden – 5. Novelle der VerpackV vom 2. April 2008 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2008, 531) genügt eine bilanzielle Rückstellungsbildung dem Erfordernis der Sicherheitsleistung gem. § 6 Abs. 3 bis 5 VerpackV hingegen nicht mehr (Schreiben des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 2010).
16Die vorgenannte Konzeption bewirkt, dass eine bestimmte Menge an Verpackungen lizenziert wird und anschließend in den Wirtschafts- und Abfallkreislauf – nachfolgend „System“ genannt – gelangt. Aufgrund von Lager-, Nutzungs- und Rücklaufzeiten befinden sich Verpackungen eine gewisse Dauer im System. Die Verweildauer unterscheidet sich für die unterschiedlichen Materialfraktionen und beträgt im Durchschnitt vier Monate. Im Jahre 2004 lag die geringste durchschnittliche Verweildauer einer Materialfraktion bei 8,4 Tagen (Verpackungen für Eier) und die höchste durchschnittliche Verweildauer einer Materialfraktion bei 197,3 Tagen (Verpackungen für Uhren, Schmuck). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zur Verweildauer von Verpackungen vom Dezember 2011 verwiesen.
17Ein bestimmter Anteil lizenzierter Verpackungen gelangt aufgrund diverser Ursachen (z. B. Dauergebrauch, Vernichtung, Entsorgung über den Hausmüll, Verbringung ins Ausland) nicht an die Entsorgungspartner und kann folglich nicht gesammelt, sortiert, verwertet oder entsorgt werden.
18Im Gegenzug landen in den von der Klägerin bereitgehaltenen Sammelsystemen jedoch auch nicht lizenzierte Verpackungen sowie sonstige – nicht verwertungsfähige – Abfälle („Fremdeinwurf“). Der Einwurf beruht teilweise auf Fehlverhalten der Verbraucher, welche nicht lizenzierte Verpackungen oder nicht verwertungsfähige Abfälle gleichwohl in den Sammelsystemen der Klägerin entsorgen. Zum anderen beruht er darauf, dass einige Inverkehrbringer die Lizenzierung mit dem Hinweis, dass die Verwertung und Entsorgung in sog. „geschlossenen Systemen“ erfolgt, unterlassen haben, die in Verkehr gebrachten Verpackungen aber gleichwohl in Sammelsystemen der Klägerin und nicht in anderweitigen Systemen entsorgt wurden. Teilweise beruht der Fremdeinwurf auch darauf, dass Inverkehrbringer die Marke „Y“ ohne Zahlung eines Lizenzentgelts verwendet haben. Zur Vermeidung oder Verringerung von Fremdeinwürfen kontrolliert die Klägerin stichprobenartig etwa an Endverkaufsstellen im Einzelhandel, ob eine ordnungsgemäße Lizenzierung vorlag. Bei Verstößen versucht sie – soweit möglich – Lizenzansprüche gegenüber den Inverkehrbringern geltend zu machen. Die Sammlung nicht verwertungsfähiger Abfälle (bspw. Bauschutt, organische Abfälle, Restmüll) versucht die Klägerin beispielsweise durch ein Wiegen der Tonnen bei der Abholung zu verhindern oder zu vermindern.
19Die vorgenannten Umstände bewirken, dass das „Entsorgungs-Soll“ (aufgrund der Zeichennutzungsverträge) vom „Entsorgungs-Ist“ (aufgrund der Entsorgungsverträge) abweicht. Aus diesem Grunde bildete die Klägerin seit dem Jahre 1992 – so auch im Streitjahr 2004 – jährlich für rückständige Mengen (= im System befindliche, aber noch nicht verwertete oder entsorgte Verpackungen) eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rückstellung.
20Im Streitjahr bildete sie in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004 zunächst eine Rückstellung i.H.v. ... €. Aufgrund einer hier nicht im Streit stehenden „ersten“ Betriebsprüfung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B – GKBP B – im Jahre 2009 wurde die Rückstellung um allgemeine Verwaltungskosten auf nunmehr ... € gemindert. Diese Rückstellungshöhe basiert auf den noch zu entsorgenden Verpackungen (Soll-Ist-Abweichung unter Berücksichtigung der verschiedenen Verpackungsarten und der durchschnittlichen Verweildauer der Verpackungen im System) und den dafür geschätzten Kosten (Entsorgungskosten sowie Nebenentgelte und Verwertungskosten). Wegen der rechnerisch unstreitigen Berechnung wird auf das Gutachten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) zur Verweildauer von Verpackungen im Dezember 2011 sowie die Kalkulationsbeispiele (Blatt – Bl. – 118 der Gerichtsakte) und die Entwicklung der Rückstellungen (Bl. 119 ff. der Gerichtsakte) gemäß Anlagen K4 bis K6 der Klagebegründung (Bl. 86 ff. d. A.) verwiesen.
21Der Rückstellungsbildung liegen folgende Parameter zugrunde: Im Jahre 2004 wurde gemäß Mengenstromnachweis eine lizenzierte Menge von ... Tonnen in das Duale System der Klägerin eingebracht. Wegen der einzelnen Materialfraktionen wird auf die Anlagen 1 und 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2014 (Bl. 270, 274 der Gerichtsakte) verwiesen. Die eingesammelte Menge beläuft sich auf ... Tonnen (vgl. Bl. 326 der Gerichtsakte), hiervon wurden ... Tonnen der Verwertung zugeführt (vgl. Bl. 327 der Gerichtsakte). Die eingesammelte Menge beträgt demnach 128 % der lizenzierten Menge, wobei sich in der eingesammelten Menge auch nicht lizenzierte aber gleichwohl verwertungsfähige Verpackungen oder nicht verwertbare Abfälle befinden. Deren Anteil ist nicht konkret bezifferbar. Im Gegenzug ist ein Teil der lizenzierten Menge aus verschiedenen Gründen (Dauergebrauch, Verbringung ins Ausland, Vernichtung, Entsorgung im Restmüll oder auf andere Weise) nicht im Auftrag der Klägerin verwertet oder entsorgt worden und wird – ausgehend von den Verhältnissen des Bilanzstichtags 31. Dezember 2004 – auch nicht verwertet oder entsorgt werden.
22Die Klägerin gab die Körperschaftsteuererklärung sowie Gewerbesteuererklärung 2004 im Jahre 2007 beim Beklagten ab und wurde zunächst mit Bescheiden vom 23. Mai 2007 antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung – AO – veranlagt. Der Beklagte legte dabei einen Jahresfehlbetrag von ... € und ein körperschaftsteuerliches zu versteuerndes Einkommen von – ... € zugrunde und setzte die KSt mit ... € sowie den GewStMB mit ... € fest.
23In der Folgezeit erließ er gegenüber der Klägerin nach § 164 Abs. 2 AO bezüglich hier nicht interessierender Punkte geänderte Bescheide. In den Jahren 2008 und 2009 führte die GKBP B bei der Klägerin die zuvor genannte „erste“ steuerliche Betriebsprüfung – Bp – für das Streitjahr 2004 durch. Die hier streitige Rückstellung für Verpflichtungen nach der VerpackV beanstandete die GKBP B dabei dem Grunde nach nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht – Bp-Bericht – vom 13. November 2009 verwiesen. Der Beklagte folgte den Feststellungen und erließ nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide, die Vorbehalte der Nachprüfung blieben bestehen.
24In den Jahren 2008 bis 2011 führte die GKBP B im Rahmen einer primär für die Jahre 2006 und 2007 geführten Bp (vgl. hierzu Bp-Bericht vom 5. September 2011, Bl. 165 ff d. A.) eine erneute Prüfung auch des Streitjahres 2004 durch (vgl. Bp-Bericht vom 11. Juli 2011). Ausweislich Tz. 2.3.12 des Bp-Berichts für 2004/2005 bzw. Tz. 2.3.13 des Bp-Berichts für 2006/2007 vertrat der Betriebsprüfer hierbei die Ansicht, dass eine Rückstellung für Verpflichtungen nach der VerpackV i.H.v. ... € im Streitjahr 2004 gewinnerhöhend aufzulösen sei. In den Folgejahren ergaben sich gegenläufige Auswirkungen (vgl. Bl. 165 R der Gerichtsakte).
25Der Beklagte setzte die Bp-Ergebnisse mit Änderungsbescheiden gem. § 164 Abs. 2 AO vom 28. September 2011 unter Aufhebung der Vorbehalte um. Bei einem Steuerbilanzgewinn von ... € und einem körperschaftsteuerlich zu versteuernden Einkommen (zugleich Gewinn aus Gewerbebetrieb für gewerbesteuerliche Zwecke) von ... € setzte er die KSt nunmehr mit ... € und den GewStMB mit ... € fest.
26Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen, zu deren Begründung sie insbesondere vortrug, eine Rückstellungsbildung sei zulässig. Es bestehe eine hinreichend konkretisierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Nach § 6 Abs. 3 VerpackV sei sie zur Sicherheitsleistung für Entsorgungsverpflichtungen im Falle einer Systemeinstellung verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei sie durch Bildung einer Rückstellung nachgekommen, da ihr andernfalls zum Geschäftsbetrieb benötigte liquide Mittel entzogen worden wären. Ferner sei eine Rückstellung auch bei fortlaufendem Systembetrieb für die im System befindlichen, noch nicht eingesammelten Verpackungen zulässig.
27Der Beklagte wies den Einspruch durch zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er gleichlautend zur Bp – zusammengefasst – aus: Die Voraussetzungen für eine Rückstellung gem. Richtlinie 5.7 Abs. 2 der Einkommensteuerrichtlinien – EStR – 2008 lägen nicht vor. Voraussetzung für eine Rückstellung sei, dass eine ihrer Entstehung oder ihrer Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung bestehe, die vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sei. Ferner müsse mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen sein, außerdem dürften die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.
28Eine Rückstellung wegen Einstellung des Systembetriebs komme hiernach nicht in Betracht. Es bestehe bereits keine wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung zum Bilanzstichtag, ferner sei eine Inanspruchnahme nicht wahrscheinlich. Eine Einstellung des Systembetriebs sei zum Bilanzstichtag weder eingetreten und auch nicht wahrscheinlich gewesen. Nach Auskunft des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums erfülle die Rückstellung nach der 5. Novelle der VerpackV zudem nicht mehr das Kriterium einer Sicherheitsleistung, im Übrigen bestehe ohnehin keine steuerliche Bindung an Bilanzierungsanweisungen anderweitiger Behörden.
29Auch könnten Rückstellungen nicht wegen noch zu erbringender Entsorgungsverpflichtungen bei fortlaufendem Systembetrieb anerkannt werden. Eine derartige Verpflichtung nach der VerpackV scheide aus. § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV verpflichte Systembetreiber, hier die Klägerin, zur flächendeckenden Abholung, Verwertung sowie Entsorgung bestimmter Mindestquoten (zwischen 60-75 %) gemäß Anhang I der VerpackV. Die Quote berechne sich nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV nur nach den in den Sammelsystemen erfassten Verpackungen (Anhang I zu § 6 VerpackV), nicht nach allen im Umlauf befindlichen Verpackungen. Die Klägerin habe die Quoten unstreitig erfüllt, weitere Verpflichtungen als Systembetreiberin ergäben sich aus der VerpackV nicht. Nur wenn die Mindestquoten nachweislich nicht erfüllt worden seien, sei eine Rückstellungsbildung zulässig.
30Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Erlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2010 (Az. S 2137 – Fi 10 – V B 1), in dem das Ministerium weder Rückstellungen wegen (möglicher) Einstellung des Systembetriebs, noch Rückstellungen wegen noch zu erbringender Entsorgungsverpflichtungen bei fortlaufendem Systembetrieb für steuerlich zulässig erachtet. Der Erlass wurde zwecks verwaltungsinterner Abstimmung an das Bundesministerium der Finanzen – BMF – sowie die obersten Finanzbehörden der anderen Länder bekanntgegeben.
31Gegen die Versagung der Rückstellung wendet sich die Klägerin mit der Klage, zu deren Begründung sie vorträgt: Die Bescheide seien rechtswidrig. Die Bildung einer Rückstellung sei zulässig, jedenfalls könne in gleicher Höhe ein ebenso gewinnmindernder passiver Rechnungsabgrenzungsposten – pRAP – gebildet werden.
32Die Voraussetzungen für eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – seien gegeben.
33Zum einen dürfe eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten aus Vertrag gebildet werden.
34Zum 31. Dezember 2004 habe sie – die Klägerin – ca. 19.000 Verträge mit Zeichennehmern gemäß den ZNV (Zeichennutzungsverträgen) geschlossen. Es handele sich um Dauerschuldverhältnisse, welche eine fortwährende Befreiung der Zeichennehmer nach § 6 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Anhang I der VerpackV vorsähen. Nach den Verträgen sei sie zur Entsorgung von 100 % der tatsächlich erfassten Mengen an Verpackungen verpflichtet. Dies folge aus § 2 der ZNV. Dessen genaue Formulierung („...die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass ... die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen.“)“ sei so auszulegen, dass die auf den Systembetreiber delegierten Verwertungs- und Entsorgungspflichten gleichlaufend mit den sonst bestehenden – umfassenden – Primärpflichten der Hersteller oder Vertreiber gemäß der VerpackV seien. Jene Verpflichtungen seien unabhängig von den Mindestmengen nach Anhang I Nr. 1 zu § 6 VerpackV, da das KrW-/AbfG sowie die VerpackV – ihrem Gesetzeszweck folgend – eine vollständige Rücknahme sowie Verwertung oder Entsorgung vorsähen.
35Entgegen der Ansicht des Beklagten würden die Zeichennehmer nicht bereits mit der Teilnahme am dualen System von ihren Verpflichtungen nach der VerpackV befreit. Die Verpflichtung gem. § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV entfalle nur bei Systemen, welche die Anforderungen nach Anhang I der VerpackV erfüllen. Anhang I Nr. 1 Abs. 5 zu § 6 VerpackV verlange aber eine vollständige Verwertung/Entsorgung aller Verpackungen. Dies überzeuge auch im Vergleich zur sonst bestehenden (primären) Selbstentsorgungsverpflichtung der Zeichennehmer. Diese Verpflichtung dürfe nach der Gesetzessystematik und der Produktverantwortung gem. § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbG (in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung) nicht durch eine Delegation von Pflichten auf die Klägerin als Systembetreiberin umgangen werden. Für eine umfassende, d.h. nicht mengen- oder quotenmäßig begrenzte Pflicht zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung spreche auch der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV, welcher eine flächendeckende und regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen vorschreibe.
36Die vorgenannte aus dem Vertrag i.V.m. der VerpackV folgende umfassende Pflicht beziehe sich – so die Klägerin – auch auf die Verwertung und/oder Entsorgung nicht lizenzierter Verpackungen sowie anderer nicht verwertungsfähiger Abfälle. Die VerpackV folge bei zutreffender Auslegung keinem strengen Verursacherprinzip. Hierfür spreche bereits § 6 Abs. 1 Satz 4 VerpackV, der eine (Primär-)Verpflichtung der Vertreiber für Verpackungen der Art, Form und Größe und Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führe, vorschreibe. Eine strenge Unterscheidung zwischen selbst in das System eingebrachter Verpackungen und Verpackungen anderer Vertreiber erfolge nicht. Überdies sei eine solche Unterscheidung auch tatsächlich nicht möglich. Im Ergebnis führe dies dazu, dass sie – die Klägerin – als Systembetreiberin auch die Verantwortung für nicht lizenzierte Verpackungen oder sonstige Abfälle treffe, die sich in ihren Sammelbehältern befinden. Diese Verpflichtung zeige sich auch an Ordnungsverfügungen der örtlichen Abfallwirtschaftsämter, beispielsweise der in der mündlichen Verhandlung überreichten Verfügung des Landratsamts A vom 7. Juli 2006. Neben der rechtlichen Pflicht sei auch ihr tatsächliches Verhalten auf eine Verwertung oder Entsorgung aller zurücklaufenden Verpackungen gerichtet.
37Auch sei eine Inanspruchnahme wahrscheinlich. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – verlange, dass mehr Gründe für eine Verpflichtung als dagegen sprechen. Hier bestehe eine vertragliche Pflicht aus den ZNV. Es sei davon auszugehen, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Zeichennehmer zur Verwertung aller Verpackungen über § 2 der ZNV auch auf die Klägerin durchschlage.
38Die Verpflichtung sei auch wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht worden. Der BFH verlange, dass der Tatbestand im Wesentlichen verwirklicht sowie eng mit dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr verknüpft sei. Hier entstünden die Verpflichtungen mit Übernahme der Produktverantwortung, diese entstehe bereits im Zeitpunkt der Markteinführung der Verpackungen durch den Hersteller oder Vertreiber ins System. Die zeitlich spätere Rückführung sei für die Produktverantwortung unerheblich. Hierfür spräche auch, dass sie – die Klägerin – ihr Lizenzentgelt gem. §§ 4 f. der ZNV bereits mit der Verwendung des Markenzeichnens durch den Lizenznehmer bei Inverkehrbringung erhalte. Ihre wirtschaftliche Verpflichtung auf Entsorgung bestehe bereits in diesem Zeitpunkt. Andernfalls würde die Klägerin einen Gewinn ausweisen, den sie nicht erwirtschaftet habe. Ähnlich wie bei der Entsorgung von Altbatterien sei es überzeugend, für Zwecke der Rückstellungsbildung bereits auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens abzustellen, da in diesem Zeitpunkt bereits die grundsätzliche Rechtspflicht zum Einsammeln, Sortieren, Verwerten und Entsorgen bestehe.
39Die Rückstellung rechtfertige sich ferner aus der Rechtsprechung des BFH zum Erfüllungsrückstand bei Vertragsbeziehungen. Bereits mit Lizenzierung der Verpackungen sei ihr das Lizenzentgelt zugeflossen, im Gegenzug bestehe ihre Verpflichtung zum Einsammeln sowie zur Verwertung und Entsorgung. Aufgrund der Verweildauer von Verpackungen im System (nach GVM-Gutachten durchschnittlich 4 Monate) befinde sich die Klägerin aber zum Bilanzstichtag im Erfüllungsrückstand für bereits in das System eingebrachte, aber noch nicht wieder eingesammelte Verpackungen.
40Auch der Höhe nach sei die Rückstellung nicht zu beanstanden, wie sich aus den als Anlagen zur Klagebegründung beigefügten Berechnungsparametern (Vergleich von Soll- und Ist-Werten; Ermittlung durchschnittlicher Verwertungs- oder Entsorgungskosten) ergebe.
41Zum anderen dürfe eine Rückstellung wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtung gebildet werden. Die Rechtsprechung gestatte die Rückstellungsbildung, wenn eine konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtung und eine Sanktionierung bei Nichterfüllung bestehe. Dies sei hier gegeben. Die Primärverpflichtung der Hersteller oder Vertreiber gemäß § 6 Abs. 1, 2 VerpackV gehe durch § 6 Abs. 3 VerpackV als Sekundärpflicht auf sie als Systembetreiber über. Die Erfüllung der Pflichten sei auch sanktionsbewährt, etwa gem. § 15 Nr. 8-13 VerpackV oder § 6 Abs. 4 Satz 1 VerpackV. Bei Nichterfüllung drohe ihr ein Bußgeld oder ein (teilweiser) Widerruf der Betriebsgenehmigung, sie – die Klägerin – werde auch laufend durch Behörden kontrolliert.
42Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehe auch öffentlich-rechtlich eine Verpflichtung zum Einsammeln, Verwerten und Entsorgen aller Verpackungen. Zwar verlange Anhang I Nr. 1 Abs. 5 zu § 6 VerpackV nur, die tatsächlich erfasste Abfallmenge (= gesammelte Menge) zu verwerten. Diese Regelung konkretisiere aber nur eine weitergehende Pflicht, da der Verordnungsgeber keine Pflicht zur Verwertung von nicht sammelbaren Verpackungen, etwa im Falle der Verbringung in das Ausland oder der Vernichtung vor der Verwertung oder Entsorgung regeln könne. Statistisch zeige sich aber, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Menge der eingesammelten Verpackungen sogar über der Menge der lizenzierten Verpackungen liege. Ursache sei insbesondere die Entwicklung verschiedener dualer Systeme nach Beendigung der Monopolstellung der Klägerin, zunehmende Möglichkeiten der Selbstentsorgung und Branchenlösungen sowie die Tatsache, dass „Trittbrettfahrer“ nicht lizenzierte Verpackungen gleichwohl einer Verwertung in den Sammelbehältern der Klägerin zuführen.
43Unabhängig von der Rückstellungsbildung sei jedenfalls die Bildung eines pRAP gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in gleicher Höhe möglich. Die Bildung eines pRAP bezwecke die periodengerechte Abgrenzung von Einnahmen bei gegenseitigen Verträgen und einem zeitlichen Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung. Neben gegenseitigen Verträgen i.S.d. §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – sei ein pRAP auch bei ähnlichen Vertragsverhältnissen, etwa bei der Forfaitierung bei Leasinggeschäften, möglich, wenn nach dem Realisationsprinzip eine Abgrenzung von Erlösen geboten sei. Dies sei hier der Fall. Zwar habe die Klägerin ihre im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht aus den ZNV bereits mit Lizenzierung und Freizeichnung des Zeichennehmers erfüllt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei aber entscheidend, dass die Klägerin alle lizenzierten Verpackungen in der Folgezeit entsorge. Es würde gegen das Realisationsprinzip verstoßen, wenn das Lizenzentgelt voll erfasst werden würde, obwohl in diesem Fall noch nicht alle Entsorgungsverpflichtungen erfüllt seien.
44Die Klägerin beantragt,
45die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 28. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2012 dahingehend zu ändern, dass eine gewinnmindernde Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen i.H.v. ... € berücksichtigt wird.
46Der Beklagte beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren.
49Ergänzend trägt er vor, eine zivilrechtliche Verpflichtung bestehe nicht. Die gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Klägerin und Zeichennehmern nach den ZNV beträfen nur das Lizenzentgelt und die Freistellung von der Entsorgungsverpflichtung. Eine Pflicht zur Verwertung oder Entsorgung aller vom Zeichennehmer in Verkehr gebrachten und noch nicht zurückgeführten Verpackungen regele der Vertrag hingegen nicht. Die Hersteller würden bereits durch ihre Beteiligung am System gem. § 6 Abs. 3 VerpackV von ihren Pflichten befreit. Die Klägerin wiederum habe nur Mindestquoten zu erbringen, um ihren Status als Systembetreiberin zu erhalten. Solange dieser Status bestehe, falle die Entsorgungsverpflichtung nicht auf die Zeichennehmer zurück, sie könnten sich sicher sein, nicht mehr für die Entsorgung in Anspruch genommen zu werden. Aus diesem Grunde seien die Vertragspflichten bereits in diesem Zeitpunkt (Erreichen der Mindestquoten) erfüllt. Ob die Klägerin darüber hinausgehend weitere Verpackungen verwerte und entsorge, sei mangels rechtlicher Verpflichtung für die Rückstellungsbildung unerheblich. Da das Lizenzentgelt für die Nutzung der Marke „Y“ und die Befreiung von der Entsorgungsverpflichtung gezahlt werde, nicht hingegen für die Entsorgung aller Verpackungen, bestehe auch kein Erfüllungsrückstand. Aus diesem Grunde könnten weder eine Rückstellung noch ein pRAP gebildet werden.
50Auch bestehe keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Er – der Beklagte – bestreite nicht die Pflicht der Klägerin, tatsächlich eingesammelte Verpackungen zu verwerten oder zu entsorgen. Insoweit habe er die Aufwendungen anerkannt, auch könne insoweit eine Rückstellung (beispielsweise für eingesammelte, aber noch nicht verwertete oder entsorgte Verpackungen) gebildet werden. Streitgegenständlich sei hier jedoch die Verpflichtung zur Verwertung oder Entsorgung noch nicht eingesammelter Verpackungen. Die VerpackV sehe die Verpflichtung zur Verwertung und Entsorgung nur für tatsächlich erfasste (= eingesammelte) Verpackungen, nicht hingegen für noch im System befindliche Verpackungen vor. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus den Verfügungen der Landesministerien zur Sicherheitsleistung. Auch soweit Behörden in der Vergangenheit vor der 5. Novelle der VerpackV eine Rückstellungsbildung als Sicherheitsleistung für den Fall der Betriebseinstellung zugelassen haben, bestehe alleine deshalb keine steuerliche Bindung. Im Übrigen hätte die Klägerin, sofern sie einen Geldbetrag als Sicherheit hinterlegt hätte, diesen nicht gewinnmindernd geltend machen können, mithin könne sich auch insoweit eine Rückstellung nicht gewinnmindernd auswirken.
51In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Voraussetzungen einer Rückstellungsbildung sowie die zugrunde liegenden Rechtsfragen in der Auslegung der Verträge sowie der VerpackV nebst Anhang I mit den Beteiligten intensiv erörtert. Das Gericht hat die Beteiligten auf das Urteil der Ersten Kammer des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Mai 2007 (EuG, Urteil vom 24.05.2007, T-151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris) hingewiesen.
52Entscheidungsgründe
53Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Änderungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens (§ 8 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG –) und der darauf beruhenden (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG –) Ermittlung des Gewerbeertrags zu Unrecht eine Rückstellung i.H.v. ... € nicht anerkannt. Entgegen dessen Ansicht liegen die Voraussetzungen für eine Rückstellung gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG vor.
54Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für die steuerliche Ermittlung maßgeblich, soweit sich aus steuerrechtlichen Vorschriften oder Wahlrechten (§ 5 Abs. 2-6 EStG) nichts anderes ergibt.
55Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dürfen gebildet werden für Verpflichtungen gegenüber Dritten oder für hinreichend konkretisierte und sanktionierte öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss sind. Die Verpflichtung muss ferner entweder rechtlich bereits entstanden oder zumindest wirtschaftlich in der Vergangenheit, d.h. bis zum Bilanzstichtag, verursacht sein. Außerdem muss eine Inanspruchnahme wahrscheinlich sein und es darf kein Passivierungsverbot (vgl. etwa § 5 Abs. 3, 4, 4a, 4b EStG) bestehen (vgl. zum Ganzen Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 361 ff.; Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 680 ff., jeweils m.w.N.).
56Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
571. Die Klägerin unterliegt – sowohl bei fortlaufendem Systembetrieb als auch bei Systemeinstellung – einer umfassenden Verpflichtung zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung von im System befindlichen und erst nach dem Bilanzstichtag zurücklaufenden Verkaufsverpackungen.
58a. Eine solche Pflicht ergibt sich bereits aus den Zeichennutzungsverträgen (ZNV).
59aa. Nach § 2 der ZNV sichert die Klägerin zu, die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen. Diese Klausel regelt keine mengen- oder quotenmäßige Beschränkung. In gleicher Weise ist auch den übrigen Klauseln der ZNV nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die Sammlung, Sortierung und Verwertung ab einem bestimmten Zeitpunkt einstellen dürfte. Vielmehr ist aus der in § 3 der ZNV geregelten umfassenden Pflicht zur Zeichennutzung und der in den §§ 4 ff. der ZNV geregelten Vergütung zu folgern, dass die Klägerin zur Bereithaltung von Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungskapazitäten für sämtliche lizenzierte Verkaufsverpackungen verpflichtet ist, da sämtliche in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen gekennzeichnet werden müssen und sich auch die der Klägerin zustehenden Vergütung nach der Gesamtmenge – und nicht etwa nach einer Quote – der in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen richtet.
60bb. Für eine umfassende Verpflichtung spricht überdies der in § 2 der ZNV enthaltene Verweis auf die VerpackV, deren Inhalt auf diese Weise in die ZNV inkorporiert wird. Eine umfassende Verpflichtung ergibt sich dabei – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch direkt aus den Vorschriften der VerpackV (nebst Anhang) in der im Streitjahr geltenden Fassung.
61Nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VerpackV sind Vertreiber und Hersteller verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbare Nähe unentgeltlich zurückzunehmen, einer Verwertung entsprechend den Anforderungen in Nummer 1 des Anhangs I zuzuführen und die Anforderungen nach Nummer 2 des Anhangs I zu erfüllen. Die VerpackV regelt damit eine umfassende, nicht auf eine Quote beschränkte Rücknahmepflicht. Dies überzeugt auch vor dem Hintergrund, dass die VerpackV als Rechtsverordnung auf § 22 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 4 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz; KrW-/AbfG) in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung (heute: § 23 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen – Kreislaufwirtschaftsgesetz) beruht und diese gesetzliche Grundlage – einer umfassenden Produktverantwortung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG) folgend – keine Beschränkungen vorsieht. Derartige Beschränkungen würden dem Gedanken der Produktverantwortung sowie dem Gedanken des Umweltschutzes (vgl. auch § 1 VerpackV) evident widersprechen.
62Die vorgenannte umfassende Rücknahmepflicht besteht auch bei der Systemteilnahme und trifft vorliegend die Klägerin. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV entfallen die Verpflichtungen der Vertreiber und Hersteller gem. § 6 Abs. 1, 2 VerpackV bei Teilnahme an einem System, das flächendeckend eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise gewährleistet und die im Anhang I genannten Anforderungen erfüllt. Mit der Formulierung „in ausreichender Weise“ in § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV wird ebenso hinreichend deutlich, dass die Sammlung, Sortierung und Verwertung sich nach dem tatsächlichen Umlauf der im System befindlichen Verkaufsverpackungen richtet und keiner mengen- oder quotenmäßigen Beschränkung unterliegt.
63Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Anhang I zu § 6 VerpackV. Die Klägerin unterliegt als Systembetreiber den allgemeinen Anforderungen gem. Nr. 3 des Anhangs I zu § 6 VerpackV. Nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV müssen die Sammelsysteme geeignet sein, alle (!) am System beteiligten Verpackungen regelmäßig zu erfassen. Nach Nr. 3 Abs. 3 Nr. 1 des Anhangs I zu § 6 VerpackV hat ein Systembetreiber sicherzustellen, dass für die in das System aufgenommenen Verpackungen Verwertungskapazitäten tatsächlich vorhanden sind. Gem. Nr. 3 Abs. 3 Nr. 7 des Anhangs I zu § 6 VerpackV muss die Entsorgung der in den Sammeleinrichtungen des Systems tatsächlich erfassten Verpackungen auch im Falle der Einstellung des Systembetriebs gewährleistet sein. In einer Gesamtschau der Bestimmungen der VerpackV nebst Anhang wird deutlich, dass für alle zurücklaufenden Verpackungen eine Sammlungs-, Sortierungs-, Verwertungs- und Entsorgungspflicht besteht.
64Dem vorgenannten Ergebnis folgend wird auch – soweit ersichtlich – in der Kommentarliteratur zum KrW-/AbfG sowie zur VerpackV einhellig von einer umfassenden Pflicht zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung ausgegangen (vgl. etwa Tünnesen-Harmes in Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Kommentar, 2014, § 23 Rn. 41 ff.; Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar, § 6 Rn. 1 ff.).
65Für eine umfassende Pflicht der Klägerin zur Sammlung, Sortierung und Verwertung der rücklaufenden Verbrauchsverpackungen spricht auch das die Klägerin betreffende Urteil der Ersten Kammer des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Mai 2007 (EuG, Urteil vom 24.05.2007, T-151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris), auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich verweist. Das EuG nimmt dort eine umfassende Rücknahme- und Verwertungspflicht nach Anhang I zu § 6 VerpackV an, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Verpackungen handelt, die von Herstellern oder Vertreibern mit Selbstentsorgerlösungen (Primärverpflichtungen) oder mit Teilnahme an einem Systembetrieb (Delegation auf Systembetreiber) in Verkehr gebracht werden (vgl. insbes. Rz. 131, 134 der Entscheidungsgründe). Ein Recht der Klägerin, die Rücknahme der Verpackungen nach einer bestimmten Menge oder Verwertungsquote zu verweigern und/oder die Verwertung einzustellen, erkennt das EuG nicht an.
66cc. Soweit der Beklagte als Kernpunkt seiner Argumentation wiederholt auf die in Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV geregelten Mindestverwertungsquoten (zwischen 60 bis 75 % Masseprozent; Bemessungsgrundlage für die Quotenberechnung ist gem. Nr. 1 Abs. 1 die Summe (aller) im jeweiligen Kalenderjahr in Verkehr gebrachter Verpackungen) verweist, welche für Klägerin wegen des Verweises in § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV auf Nummer 1 des Anhangs I ebenso gelten, ergibt sich hieraus nichts anderes.
67Diese Argumentation beruht auf dem Fehlschluss, dass mit der Normierung einer Verwertungsquote im Umkehrschluss geregelt wäre, dass die Pflichten nach der VerpackV nur in Höhe der Quote bestehen. Tatsächlich besteht jedoch – wie oben unter Hinweis auf die umfassende Produktverantwortung (§ 22 KrW-/AbfG, § 6 Abs. 1 bis 3 VerpackV) ausgeführt und überdies an Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV („...unbeschadet des Absatzes 2....“) erkennbar – eine weitergehende umfängliche Produktverantwortung, welche lediglich um Verwertungsquoten als zusätzliches Kriterium ergänzt wird. Jene Verwertungsquotenregelung soll – den Zielen des KrW-/AbfG und der VerpackV folgend – gewährleisten, dass ein deutlicher Prozentsatz der in einem Jahr in Verkehr gebrachten Verpackungen auch tatsächlich wieder eingesammelt und sodann sortiert und verwertet wird. Sie verhindert, dass große Mengen an Verpackungen deponiert oder anderweitig entsorgt werden (z. B. Zuführung zum Restmüll). Mit der Normierung einer Mindestquote ist indes weder eine Begrenzung (Höchstquote) geregelt, noch kann aus ihr das Recht abgeleitet werden, die kostenträchtige Sammlung und Sortierung der Verpackungen ab dem Erreichen der Verwertungsquote zu unterlassen.
68Gegen die vom Beklagten angeführte Argumentation, wonach die Klägerin nach den ZNV und nach der VerpackV nur zur Sammlung, Sortierung und Verwertung bis zum Erreichen der Mindestquote rechtlich verpflichtet sei und für ein weiteres Tätigwerden keine rechtliche Verpflichtung bestehe, spricht außerdem, dass das tatsächliche Verhalten der Klägerin – unstreitig – auf eine Sammlung, Sortierung und Verwertung aller zurücklaufenden Verkaufsverpackungen gerichtet ist. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen überobligatorisch tätig wird und damit seinen Gewinn bewusst schmälert.
69Gegen die Rechtsauffassung des Beklagten sprechen auch die tatsächlichen Auswirkungen, die sich aus einer auf Erfüllung der Mindestquote beschränkten Rechtspflicht ergeben würden. Würden die Klägerin oder andere Systembetreiber i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV ihre Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungsleistungen bei Erreichen der Mindestquote einstellen, würden Abfallbehälter ab einem kaum vorhersehbaren Zeitpunkt im Jahr nicht mehr geleert oder eingesammelte Verpackungen nicht mehr verwertet werden. Ein derartiger Zustand würde weder den Zielen des KrW-/AbfG und der VerpackV entsprechen, noch dürfte es im Interesse der Landesregierung und des zuständigen Fachministeriums (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) liegen, dass große Mengen an Verkaufsverpackungen ab einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr unkontrolliert im System verbleiben.
70dd. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten im Laufe des Klageverfahrens eingeführten Argumentation, dass Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV zwar eine Verwertung unbeschadet der Quoten des Absatzes 2 regele, diese Verpflichtung aber auf die tatsächlich erfasste Menge begrenzt sei und folglich für erst nach dem Bilanzstichtag zurücklaufende Verpackungen nicht gelte.
71Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht, da der Beklagte die Rückstellungsbildung zunächst mit dem Argument verweigerte, dass gerade keine Rechtspflicht zur Verwertung von Verpackungen oberhalb der Quotenvorgaben bestehe. Mit der auf Absatz 5 gestützten Argumentation scheint der Beklagte doch eine über die Quoten hinausgehende Rechtsverpflichtung anzuerkennen.
72An dieser Rechtspflicht ändert es nichts, dass die sich aus § 22 KrW-/AbfG und der VerpackV ergebende Produktverantwortung einerseits durch eine Quotenregelung (bemessen nach der Menge (aller) in einem Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen) und einer an technischen Möglichkeiten und wirtschaftlicher Zumutbarkeit ausgerichteten weitergehendenden Verwertungspflicht (bezogen jedoch nur auf die tatsächlich (!) erfasste Menge an Verpackungen) flankiert wird. Ob eine Rechtspflicht früher oder später entsteht ist für die Einordnung als Rechtspflicht zunächst unerheblich. Zu der sich vielmehr stellenden Frage, ob die (erst bei tatsächlichem Rücklauf) eintretende Pflicht eine Rückstellungsbildung bereits im Kalenderjahr des Inverkehrbringens ermöglicht, verweist der Senat auf die nachfolgenden Ausführungen zur wirtschaftlichen Verursachung.
73ee. Soweit der Beklagte zusätzlich argumentiert, eine Rückstellung könne nur für im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehende Verpflichtungen gebildet werden und gegenseitige Verpflichtungen bestünden im Streitfall nur zwischen Zeichennutzungsgestattung (§ 1 der ZNV) und dem Lizenzentgelt (§ 4 der ZNV), nicht jedoch bzgl. der Pflichten gem. § 2 der ZNV, kann der Senat dem nicht folgen.
74Die Bildung einer Rückstellung setzt eine Verpflichtung gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung voraus; hierbei kann selbst eine Nebenverpflichtung genügen (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 362 f. m.w.N.; BFH-Urteil vom 25. Februar 1986 VIII R 134/80, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 147, 8, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1986, 788). Etwas anderes lässt sich auch der jüngeren Rechtsprechung des BFH zur Rückstellungsbildung beim sog. Erfüllungsrückstand nicht entnehmen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BStBl II 2012, 856; X R 48/08, Sammlung der [amtlich nicht veröffentlichten] Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2011, 2032; X R 8/10, BFH/NV 2011, 2035; X R 9/10, Betriebsberater – BB – 2011, 2665; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rn. 317). Hiernach ist geklärt, dass den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen des EStG bei der Rückstellungsbildung keine Einschränkung auf wesentliche Verpflichtungen zu entnehmen ist.
75Im Streitfall stellt in die in § 2 der ZNV geregelte Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflicht nach Überzeugung des Senats bereits eine im Gegenleistungsverhältnis zur Lizenzzahlung stehende Hauptleistungspflicht dar, da den Zeichennehmern mit einer bloßen Verwendung der Marke „Y“ nicht gedient ist. Wesentlicher Vertragsbestandteil ist vielmehr auch die Pflicht der Klägerin, für eine ordnungsgemäße Verwertung oder Entsorgung der Verpackungen zu sorgen. Selbst wenn man – abweichend von den vorherigen Ausführungen – von einer (unwesentlichen) Nebenpflicht ausginge, stünde dies einer Rückstellungsbildung nach der o.g. Rechtsprechung nicht entgegen.
76ff. Unerheblich für die Rückstellungsbildung dem Grunde und der Höhe nach ist auch, ob die Klägerin – wie tatsächlich geschehen – den Systembetrieb fortsetzt oder diesen einstellt.
77Die vor allem im Einspruchsverfahren von den Beteiligten thematisierte Unterscheidung von fortlaufendem Systembetrieb und Systemeinstellung ist nicht bedeutsam. Bei fortlaufendem Systembetrieb unterliegt die Klägerin – wie oben geschildert – umfassenden Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflichten. Für den Fall einer Systemeinstellung regeln Nr. 3 Abs. 3 Nr. 7 des Anhangs I zu § 6 VerpackV sowie einzelfallbezogene Verfügungen der Bundesländer, dass eine Verwertung der zum Zeitpunkt der Systemeinstellung im System befindlichen Materialien finanziell zu gewährleisten ist (vgl. etwa die in den BpHA befindliche Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 12. September 1994).
78Da sich die umfassenden Pflichten der Klägerin bereits aus § 6 der VerpackV nebst Anhang ergeben, kommt es auf die genauen Formulierungen in den Anordnungen der Landesministerien nicht an. Das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil vom 28. Oktober 1970 (I R 116/67, BFHE 100, 387, BStBl II 1971, 71), wonach die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte an die Anordnungen anderer Behörden bei der steuerlichen Beurteilung nicht gebunden sind, wenn diese steuerrechtlichen Vorschriften entgegen stehen, ändert daran nichts. Jenes Urteil hätte nur in dem Fall Relevanz, wenn außersteuerliche Vorschriften eine Rückstellungsbildung vorschreiben, steuerrechtliche Vorschriften diese aber unterbinden. Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hingegen vor. Ob eine Rückstellungsbildung die Voraussetzungen einer behördlich angeordneten Sicherheitsleistung erfüllt und ob die Voraussetzungen durch die – erst nach dem Streitjahr erlassene – 5. Novelle der VerpackV verändert wurden lassen die steuerrechtliche Beurteilung unberührt.
79Vor diesem Hintergrund vermag auch die Argumentation des Beklagten nicht zu überzeugen, dass die Klägerin eine Sicherheitsleistung (im Sinne einer Liquiditätsreserve) nicht gewinnmindernd hätte geltend machen können und dies auf die Rückstellungsbildung durchschlage.
80gg. Ohne Auswirkung auf die Rückstellungsbildung dem Grunde und der Höhe nach bleibt im Streifall der Umstand, dass einerseits ein gewisser Anteil der lizenzierten Verpackungen nicht an die Klägerin (bzw. an die von ihr beauftragten Entsorgungspartner) zurückfließt, andererseits aber unlizenzierte Verpackungen sowie nicht verwertungsfähige Abfälle in die Sammelsysteme gelangen.
81Entsprechend der mit Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2014 vorgelegten Unterlagen steht unstreitig fest, dass die zurücklaufende Menge aufgrund des „Fehleinwurfs“ im Streitjahr die lizenzierte Menge übersteigt (Verwertungsquote 128 %). Außerdem unternimmt die Klägerin unstreitig erhebliche Anstrengungen, um den Fehleinwurf, insbesondere solchen von nicht verwertungsfähigen Abfällen, zu verhindern. Der aus tatsächlichen Gründen verbleibende Fehleinwurf stellt nach Auffassung des Senats eine zwangsläufige Nebenfolge des von der Klägerin betriebenen Sammelsystems dar. Aufgrund der von Entsorgungspartnern im Auftrag der Klägerin betriebenen Sammelsysteme unterliegt die Klägerin für die in diese eingebrachten Verpackungen ebenso einer Verwertungs- oder Entsorgungspflicht.
82Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob diese Pflicht bereits aus den ZNV selbst (da die Zeichennehmer andernfalls entgegen § 2 der ZNV nicht umfänglich von ihren Pflichten nach der VerpackV befreit worden wären), aus den Entsorgungsverträgen (da die Entsorgungspartner im Auftrag der Klägerin alle in den Sammelbehältern befindlichen Inhalte sammeln, sortieren, verwerten oder entsorgen), aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung (vgl. in diesem Sinne etwa die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ordnungsverfügung des Landratsamt A vom 7. Juli 2006, welche die Klägerin auf Grundlage von § 21 KrW-/AbfG i.V.m. § 6 Abs. 3 VerpackV zur Verwertung und Beseitigung von Sortierresten auffordert) oder aus bloßer faktischer Verpflichtung (vgl. zur Rückstellungsbildung in solchen Fällen Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 EStG Rn. 362; Tiedchen in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 684 (Februar 2014)) folgt.
83Für eine solche Verpflichtung spricht insbesondere, dass die auf Grundlage des § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG erlassene VerpackV keine individuelle Produktverantwortung in dem Sinne regelt, dass es auf die einzelne (!) in Verkehr gebrachte Verpackung ankäme (vgl. Tünnesen-Harmes in Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Kommentar, 2014, § 23 Rn. 44; Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar, § 6 Rn. 3 ff.). Vielmehr bestand vor Erlass der – nach den Streitjahren ergangenen – 5. Novelle der VerpackV ein hoher Anteil sog. „Trittbrettfahrer“ mit sog. Fehleinwurf. Dieser war – soweit verwertungsfähige Verpackungen den Sammelsystemen der Klägerin zugeführt wurden – zunächst zur Erreichung der in der in Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV geregelten Verwertungsquoten willkommen, da es zur Erfüllung der Mindestquote nicht darauf ankam, ob vom Systembetreiber lizenzierte Verpackungen oder fremde Verpackungen verwertet wurden (so ausdrücklich EuG, Urteil vom 24.05.2007, T‑151/01, Celex-Nr. 62001TJ0151, Juris, Rn. 108, 116, 131 der Entscheidungsgründe). In der Folgezeit nahm der Anteil des Fehleinwurfs hingegen dermaßen zu, dass Systembetreiber erheblich benachteiligt wurden. Mit der später erlassenen 5. Novelle der VerpackV vollzog sich sodann Systemwechsel mit Einführung einer grundsätzlichen Pflicht zur Beteiligung an einem dualen System (vgl. Roder, Die Verpackungsverordnung, Kommentar , § 6 Rn. 2 ff.).
84b. Unabhängig von den Zeichennutzungsverträgen ergibt sich eine die Rückstellungsbildung rechtfertigende Pflicht zur Bezahlung einer umfassenden Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung auch aus den zwischen der Klägerin und den Entsorgungspartnern geschlossenen Verträgen.
85Die Klägerin hat zur Erfüllung ihrer Pflichten gem. § 2 der ZNV eine Vielzahl von Verträgen mit Entsorgungspartnern im jeweiligen Vertragsgebiet (Gemeindegebiet) zur Sammlung (Erfassung) und Sortierung sowie zur anschließenden Verwertung bzw. Entsorgung der zurücklaufenden Materialien abgeschlossen. Durch die Verträge ist eine regelmäßige Abholung nebst nachfolgender Sortierung und Verwertung gewährleistet. Jene Verträge sehen – wie im Tatbestand geschildert – keine an der Mindestquote der Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV orientierte Begrenzung der Sammlung und Sortierung vor.
86Durch die Erfassungsverträge ergibt sich vielmehr, dass die Entsorgungspartner im Auftrag der Klägerin alle zurücklaufenden Verpackungen sammeln (erfassen) und sortieren und diese dann dem vereinbarten Abnehmer (Verwerter) bereitstellen. Die Klägerin hat den Entsorgungspartnern gewichtsbezogene Entgelte für alle eingesammelten und sortierten Verpackungen zu zahlen. Über Kündigungsfristen von 12 Monaten (vgl. § 9 des Erfassungsvertrages) ist sichergestellt, dass eine Sammlung und Sortierung selbst nach einer Kündigung des Vertrages noch über einen Zeitraum erfolgt, welcher die durchschnittliche Verweildauer von Verpackungen im System (nach GVM-Gutachten durchschnittliche Verweildauern der Materialfraktionen in 2004 zwischen 8,4 Tagen (Verpackungen für Eier) und 197,3 Tagen (Verpackungen für Uhren, Schmuck); durchschnittliche Verweildauer: 4 Monate) deutlich übersteigt. Hieran zeigt sich, dass sich die Klägerin selbst im Falle einer Kündigung der Sammlung und Sortierung aller im System befindlichen Verpackungen mit der nachfolgenden Verwertung nicht entziehen kann.
87c. Unabhängig von den Zeichennutzungsverträgen und den mit den Entsorgungspartnern geschlossenen Verträgen ergeben sich die in Streit stehenden umfassenden Verwertungs- und Entsorgungspflichten auch unmittelbar aus der VerpackV.
88Wie zuvor geschildert, stellt die VerpackV (i.d.F. vom 21. August 1998) eine die umfassende Produktverantwortung gem. § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG (i.d.F. vom 27. September 1994) konkretisierende Rechtsverordnung dar. Den Zielen von § 22 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG und § 1 VerpackV ist demnach – wie oben ausgeführt – nur entsprochen, wenn alle tatsächlich in das System gebrachten Verpackungen nach ihrem Gebrauch gesammelt sowie verwertet bzw. entsorgt werden.
89Soweit die Rechtsprechung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eine hinreichende Konkretisierung und Sanktionierung verlangt (vgl. hierzu Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 695 m.w.N. (Februar 2014)), liegen diese Voraussetzungen auch im Streitfall vor. Die zuvor beschriebenen Pflichten der VerpackV nebst Anhang weisen einen hohen Detaillierungsgrad auf. Die Erfüllung der Pflichten wird laufend von den zuständigen Behörden kontrolliert. Im Falle eines Verstoßes ergeben sich weitgehende Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten gem. § 6 Abs. 3, 4 sowie § 15 der VerpackV.
902. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die vorgenannten Pflichten zum Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden sind. Jedenfalls ist die Verpflichtung der Klägerin zur Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung aller zurücklaufenden Verpackungen zum Bilanzstichtag bereits wirtschaftlich verursacht.
91Aus dem Wesen der Rückstellung als Bilanzposten zur periodengerechten Gewinnabgrenzung folgt, dass die dem Grunde oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag entweder bereits rechtlich entstanden ist oder jedenfalls ein Vergangenheitsbezug dergestalt besteht, dass die Verbindlichkeit zwar nicht rechtlich, aber bereits wirtschaftlich verursacht ist. Eine Verbindlichkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann wirtschaftlich verursacht, wenn der Tatbestand, von dessen Verwirklichung die Entstehung abhängt, im Wesentlichen verwirklicht ist und die Verbindlichkeit damit so eng mit dem abgelaufenen oder einem vorhergehenden Wirtschaftsjahr verknüpft ist, dass es gerechtfertigt erscheint, sie wirtschaftlich als eine am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zu behandeln (vgl. zum Ganzen Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 700 ff. m.w.N.).
92Für eine (zunächst aufgrund brancheneigener Erklärung nur freiwillige, später im Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren – Batteriegesetz – vom 25. Juni 2009 verankerte) Verpflichtung zur Entsorgung von Altbatterien hat der BFH mit Urteil vom 10. Januar 2007 (I R 53/05, BFH/NV 2007, 1102; zuvor bereits BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205) entschieden, dass das Inverkehrbringen einer der Rücknahme unterliegende Ware bereits die wesentliche wirtschaftliche Ursache für die spätere Rücknahme darstellt. Die Notwendigkeit einer Rücknahme zur Sicherstellung einer fachgerechten Entsorgung sei die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der Batterien. In diesem Zusammenhang betont der BFH, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gäbe, wonach die Bildung von Rückstellungen stets ausgeschlossen wäre, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit noch vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205).
93Dieser Rechtsprechung folgend wird eine auch eine Rückstellungsbildung zur Rücknahme von Altautos (vgl. hierzu Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 5 Rz. 376), von Mehrwegpaletten (vgl. hierzu Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. September 2010 2 K 2467/08, EFG 2011, 149) oder von Elektro- und Elektronikgeräten (vgl. Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 704 „Rücknahmeverpflichtungen“ m.w.N. (Stand Februar 2014)) zugelassen. Gleiches vertritt die Kommentar- und Aufsatzliteratur auch für Verpflichtungen nach der VerpackV (vgl. Tiedchen, a.a.O. sowie Berizze/Guldan, DB 2007, 645).
94In Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall stellt das Inverkehrbringen der Verpackungen nach Überzeugung des Senats die wesentliche Ursache dar, welche die nach Rücklauf der Verpackung entstehende Sammlungs-, Sortierungs- und Verwertungspflichten auslösen. Es erscheint, insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin bereits mit dem Inverkehrbringen ein Lizenzentgelt erhält, zur periodengerechten Gewinnabgrenzung als gerechtfertigt, bereits im Jahr des Inverkehrbringens die Pflichten nach der VerpackV als wirtschaftlich am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeiten zu behandeln.
95Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Nr. 1 Abs. 5 des Anhangs I zu § 6 VerpackV. In der Zusammenschau mit Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs I zu § 6 VerpackV zeigt sich zwar, dass sich die Quotenverpflichtung nach der Summe aller im Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen richtet und die darüber hinausgehende Pflicht nach Absatz 5 auf die tatsächlich erfasste Menge beschränkt ist. Gleichwohl konkretisiert – wie die Klägerin zutreffend anführt – die Pflicht nach Absatz 5 nur die schon zuvor bestehende (umfassende) Produktverantwortung. Selbst wenn man – dem Beklagten folgend – annimmt, dass diese Pflicht erst mit dem tatsächlichen Rücklauf entsteht, steht dies einer Rückstellungsbildung für nach dem Bilanzstichtag zurücklaufende Verpackungen nicht entgegen. Der Senat stützt die Rückstellungsbildung – den vorgenannten Entscheidungen des BFH folgend – gerade nicht auf die rechtliche Entstehung der Pflicht, sondern deren wirtschaftliche Verursachung. Da sich die wirtschaftliche Verursachung nach dem Inverkehrbringen richtet, ist der – ohnehin schwer vorhersehbare – Zeitpunkt des Rücklaufs unerheblich.
96Dem vorgenannten Ergebnis stehen auch die im BFH-Urteil vom 8. November 2000 (I R 6/96, BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 570) aufgestellten Grundsätze nicht entgegen. Der BFH hat dort in einem speziellen Fall zur Entsorgung eigenen Abfalls entschieden, dass ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse besteht und eine Rückstellungsbildung ausscheidet. Der hier zu entscheidende Fall für Pflichten nach der VerpackV unterscheidet sich bereits dadurch, dass fremder Abfall eingesammelt, sortiert und verwertet wird.
973. Eine Inanspruchnahme der Klägerin ist auch wahrscheinlich.
98Über die rechtliche Entstehung bzw. wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit hinaus muss auch die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich sein. Dies ist nach herrschender Meinung dann der Fall, wenn mehr Gründe für eine Inanspruchnahme als dagegen sprechen. Hierbei sind insbesondere betriebsindividuelle und branchentypische Erfahrungen mit einzubeziehen. Bei vertraglichen Verpflichtungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gläubiger seine Rechte kennt und von ihnen Gebrauch macht. Bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen wird eine Inanspruchnahme bei rechtlich bestehenden und tatsächlich praktizierten behördlichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten zu bejahen sein (vgl. zum Ganzen Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 EStG Anm. 694, 695 m.w.N.).
99Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Da der Senat bereits vertragliche Verpflichtungen nach den ZNV sowie den Entsorgungsverträgen bejaht, ist die Inanspruchnahme der Klägerin dadurch wahrscheinlich, dass die Zeichennehmer bzw. Entsorgungspartner ihre Rechte kennen und von ihnen Gebrauch machen. Überdies bestehen – wie zuvor geschildert – konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die laufend von den zuständigen Behörden überwacht und im Falle eines Verstoßes auch sanktioniert werden.
1004. Ein Passivierungsverbot greift im Streitfall nicht ein, insbesondere liegt kein Fall einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG) oder einer Rückstellung für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind (§ 5 Abs. 4b EStG), vor.
1015. Die Rückstellung ist im Streitfall auch der Höhe nach zutreffend mit ... € bemessen.
102Die zunächst von der Klägerin mit ... € bemessenen Rückstellungen wurden im Rahmen der ersten Betriebsprüfung einvernehmlich um allgemeine Verwaltungskosten gekürzt und auf ... € reduziert. Jene Berechnung beruht auf nachvollziehbaren und zwischen den Beteiligten unstreitigen Berechnungen der Klägerin. Aus diesem Grunde sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
1036. Da der Senat die Voraussetzungen einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rückstellung bejaht, kann er dahinstehen lassen, ob überdies die Voraussetzungen für einen mindestens in gleicher Höhe bestehenden passiven Rechnungsabgrenzungsposten gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Abgrenzung von Einnahmen (hier: Lizenzgebühren) vor dem Abschlussstichtag, die einen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen, vorliegen.
1047. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
105Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.
1068. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO nicht ersichtlich sind. Der Senat weicht mit seiner Rechtsprechung nicht von anderen Gerichten ab, auch hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung des Senats basiert auf der Umsetzung von höchstrichterlich geklärten Grundsätzen zur Rückstellungsbildung auf einen konkreten Einzelfall, hier auf Verpflichtungen aus individuellen Vertragsverhältnissen (Zeichennutzungsverträge sowie Verträge mit Entsorgungspartnern). Das Urteil beruht auf mehreren, für sich jeweils allein die Entscheidung tragenden Auslegungen jener Vertragsverhältnisse. Die Auslegung eines Vertrages im Einzelfall ist keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung.
Tatbestand
- 1
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I. Streitig ist für die Ermittlung des Gewerbeertrags die Frage der Hinzurechnung von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) --GewStG 2002 n.F.-- im Streitjahr 2008.
- 2
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Unternehmensgegenstand der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, ist das gewerbsmäßige Veranstalten öffentlicher Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) oder den Ausgang sportlicher Wettkämpfe (Sportwetten) und das gewerbsmäßige Veranstalten von Lotterien oder Ausspielungen. Sie zahlte im Streitjahr nach Maßgabe des § 13 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes vom 17. Dezember 2007 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt --NdsGVBl-- 2007, 756) --NGlüSpG-- eine Glücksspielabgabe in Höhe von ca. 141 Mio. €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in folgender Höhe (in €):
-
Aufwendungen für Konzessionen und Lizenzen etc.
141.355.195
hiervon 25 %
35.338.798
andere Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002
n.F.
65.201
Summe:
35.403.999
abzüglich Freibetrag
100.000
Summe:
35.303.999
davon 25 %
8.825.999
- 4
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Die Klage gegen den hiernach festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag blieb erfolglos (Niedersächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 11. November 2010, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 655).
- 5
-
Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2008 vom 12. November 2009 in der Fassung des Bescheids vom 28. Dezember 2009 in der Weise zu ändern, dass ein Ansatz der gezahlten Glücksspielabgabe in Höhe von 141.355.195 € im Rahmen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 2002 n.F. unterbleibt und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend herabgesetzt wird.
- 6
-
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 7
-
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
- 8
-
Das FG hat die Voraussetzungen einer Hinzurechnung von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F. ohne Rechtsfehler als erfüllt angesehen.
- 9
-
1. Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG 2002 n.F. der Gewerbeertrag. Dieser ist nach § 7 Satz 1 GewStG 2002 n.F. der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 2002 n.F. bezeichneten Beträge. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus den in den dort angeführten Buchst. a bis f benannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt. Zweck der Hinzurechnungen ist es, den unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelts erwirtschafteten ("objektivierten") Ertrag des Betriebs mittels Hinzurechnung eines "Finanzierungsanteils" als Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer zu erfassen (z.B. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2009 I R 30/08, BFHE 226, 357; s.a. die Begründung der Regierungsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum UntStRefG, BTDrucks 16/4841, S. 78 und 80; Clemens/Laurent, Deutsches Steuerrecht 2008, 440 f.). Hinzugerechnet wird dabei auch gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F. ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen). Dazu wird darauf verwiesen, dass eine Sachkapitalüberlassung nicht nur durch die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern, sondern auch durch die zeitlich befristete Überlassung von Rechten möglich sei; der Nettoertrag der befristeten Überlassung ("Finanzierungsanteil") --der trotz der regelmäßig unterschiedlichen Laufzeit der einzelnen Rechteüberlassungen einheitlich mit 25 % des zu zahlenden Entgelts pauschaliert werden könne-- sei dabei im (nutzenden) Gewerbebetrieb erwirtschaftet worden, was eine Belastung mit Gewerbesteuer rechtfertige (Hofmeister in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rz 270, 306).
- 10
-
2. Die Zahlung der Glücksspielabgabe (§ 13 NGlüSpG) führt zu Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F.
- 11
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a) Rechte i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F. sind Immaterialgüterrechte (subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert), die eine Nutzungsbefugnis und entsprechende Abwehrrechte enthalten (vgl. Keß in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 1 Buchst. f Rz 9; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 8 Nr. 1f Rz 3; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 274; Clemens in Deloitte, GewStG, § 8 Nr. 1f Rz 16). Das Gesetz führt in diesem Zusammenhang "insbesondere" Konzessionen und Lizenzen an. Die Erlaubnis (§ 4 NGlüSpG) ist als entsprechendes Recht anzusehen.
- 12
-
Durch die Beauftragung der Klägerin zur Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen (§ 3 Abs. 1 NGlüSpG) --in Gestalt der Erlaubnis nach § 4 NGlüSpG-- hat das Land Niedersachsen der Klägerin ein Recht auf Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen eingeräumt. Insoweit hat das Land Niedersachsen im Rahmen seiner nach §§ 4, 10 Abs. 2 und 5 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag vom 25. April 2007, NdsGVBl 2007, 768) bzw. § 2 Abs. 1 NGlüSpG bestehenden Aufgabe, zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots innerhalb des Landes Glücksspiele zu veranstalten und durchzuführen, das Tätigwerden der Klägerin in ihrem eigenen Unternehmensbereich ermöglicht. Diese Erlaubnis ist nach ihrem Gegenstand (die Erlaubnis fußt auf dem gemeinwohlorientierten Staatlichen Glücksspielmonopol) und auch angesichts der Möglichkeit, sie nachträglich zu beschränken oder mit Auflagen zu versehen (s. § 4 Abs. 6 Satz 2 NGlüSpG) oder sie zurückzunehmen nicht als endgültige Rechteübertragung zu bewerten, die von § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F. nicht erfasst wird (s. nur Bundesregierung, BTDrucks 16/4841, S. 80; Keß in Lenski/ Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Buchst. f Rz 16; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 6; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 278 f.; Clemens in Deloitte, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 30).
- 13
-
Diese Erlaubnis zur Veranstaltung oder Durchführung eines öffentlichen Glücksspiels nach §§ 3, 4 NGlüSpG ist als Konzession anzusehen. Es wird im Streitfall eine Bewilligung zur Ausübung einer Tätigkeit, die einer Person des öffentlichen Rechts vorbehalten ist (§ 2 NGlüSpG), ausgesprochen (s.a. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 8. September 2010 C-316/07 u.a., Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 1409 [Rz 79: "zur Konzession erteilten Rechten"]; zu verfassungsrechtlichen Fragen der Erlaubnispflicht der entsprechenden Tätigkeit s. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2008 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338). Dies steht einer befristeten behördlichen Genehmigung zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes gleich (Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Buchst. f Rz 10; Clemens in Deloitte, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 17). § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 2002 n.F. umfasst die Überlassung des Rechts durch die öffentliche Hand (ebenso gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 4. Juli 2008, BStBl I 2008, 730 Rz 35: "z.B. Glücksspiellizenzen an Spielbanken oder Konzessionen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen an Energieversorger"; s.a. Keß in Lenski/Steinberg, ebenda; Güroff in Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 3, 5; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 281; Clemens in Deloitte, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 17, 63).
- 14
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b) Die Zahlung der Glücksspielabgabe ist als Aufwendung für die Überlassung dieses Rechts auf Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. f Satz 1 GewStG 2002 n.F. anzusehen.
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Das FG hat dazu u.a. ausgeführt, dass die Erteilung der Erlaubnis zur Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen nicht ohne die Verpflichtung zur Zahlung der Glücksspielabgaben betrachtet werden könne. Denn aus § 13 NGlüSpG werde deutlich, dass die Zahlung der Abgabe im ursächlichen Zusammenhang mit der Erlaubnis zur Veranstaltung oder Durchführung von Glücksspielen stehe. Dem ist beizupflichten.
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aa) Der Wortlaut des § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG 2002 n.F. ist durch die Verwendung der Präposition "für" im Zusammenhang mit den Aufwendungen entgegen der Ansicht der Revision nicht zwingend in der Weise zu verstehen, dass die Zahlung unmittelbare Gegenleistung für die Einräumung des Rechts sein muss. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) schon im Urteil vom 29. August 1986 III R 209/82 (BFHE 148, 22, BStBl II 1987, 167) herausgestellt, dass diese Präposition sowohl im Sinne einer kausalen als auch einer modalen Verknüpfung verstanden werden kann. Dass der Gegenleistungsbegriff in einem weiteren Sinne verstanden werden kann, belegt die ständige Rechtsprechung des BFH für den Bereich des § 19 Abs. 1 EStG: Danach werden Vorteile "für eine Beschäftigung" gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind; das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (s. z.B. Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 I R 70/08, BFHE 226, 529; BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948). Ein enges Verständnis im Sinne eines direkt zurechenbaren unmittelbaren Entgelts für die Überlassung des Rechts lässt sich auch nicht durch den Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs (Bundesregierung, BTDrucks 16/4841, S. 78 ff.) belegen, in der von einem "zu zahlenden Entgelt" die Rede ist (a.A. Clemens in Deloitte, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 39, 63). Angesichts der voneinander abweichenden Formulierungen in den Hinzurechnungstatbeständen (einerseits "Entgelt"; andererseits "Aufwendungen für die Überlassung") kann ein eng verstandener Gegenleistungsbegriff nicht allen Tatbeständen des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 als systematische Gemeinsamkeit unterlegt werden (so im Ergebnis auch Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 9, der nur Kosten im "äußeren Zusammenhang" mit der Überlassung des Rechts --z.B. Beratungskosten-- ausspart).
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bb) Dieses Regelungsverständnis wird durch den Zweck der Regelung bestätigt. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen zielgerichtet im Hinblick auf die Nutzung des Rechts ("Zahlung, um zu nutzen") oder ursächlich aufgrund der Nutzung des Rechts ("Zahlung, weil genutzt wird") entsteht. Die Aufwendungen müssen lediglich dafür geleistet werden, dass das Recht auch in der Zukunft weiterhin berechtigterweise überlassen wird und dies die Fortführung der entsprechenden betrieblichen Betätigung sicherstellt (s.a. Güroff in Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 9; wohl auch Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 295; Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Buchst. f Rz 18). Damit wird die gesetzgeberische Entscheidung, die Überlassung von Rechten unter Hinweis auf eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit als Sachkapitalausstattung zu behandeln (Bundesregierung, BTDrucks 16/4841, S. 78, 80), folgerichtig umgesetzt. Soweit --in rechtspolitischer Hinsicht-- Kritik daran geübt wird, dass das Gesetz auch Sachverhalte erfasst, in denen nach der Eigenart des Rechts ein konkreter Vergleich mit einem (finanzierten) Rechtserwerb ausgeschlossen ist (z.B. Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 1 Buchst. f Rz 5, 24; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 2), wird hierdurch die Auslegung des insoweit unmissverständlichen Gesetzestatbestands nicht berührt.
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cc) Ein abweichendes Regelungsverständnis folgt nicht aus dem Umstand, dass die Glücksspielabgabe als Steuer i.S. des § 3 der Abgabenordnung oder jedenfalls als Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion anzusehen sein könnte. Die Abgabe ist ohne Rücksicht auf eine entsprechende rechtliche Qualifikation bei der einnahmenerzielenden Körperschaft als Aufwendung der Klägerin jedenfalls faktisch untrennbar mit der Erteilung und dem Fortbestand der (vorübergehenden) Erlaubnis als notwendiger Grundlage der Aufnahme und der Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden. Dies gilt unabhängig davon, dass die gesetzlich vorgesehene Entrichtung der Abgabe im Niedersächsischen Glücksspielgesetz nicht ausdrücklich als Voraussetzung für die Erteilung (für den Fortbestand) der Erlaubnis formuliert ist (a.A. Clemens in Deloitte, a.a.O., § 8 Nr. 1f Rz 63). Immerhin lässt sich aus § 13 NGlüSpG ausreichend deutlich auf einen engen Zusammenhang zwischen der Erteilung der Erlaubnis und der Erhebung der Abgabe schließen (s.a. § 13 Abs. 3 Satz 2 NGlüSpG). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Abgabe im Einzelfall auch dann geschuldet wird, wenn die Erlaubnis (noch) nicht erteilt ist.
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.
(2) Vollstreckt wird
- 1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen, - 2.
aus einstweiligen Anordnungen, - 3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.
(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.