Finanzgericht Hamburg Urteil, 25. Nov. 2015 - 6 K 167/15

bei uns veröffentlicht am25.11.2015

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides, durch den der Beklagte Insolvenzforderungen aus Umsatzsteuer 2002 gegen Umsatzsteuerguthaben der Schuldnerin aus 2008 aufgerechnet hat.

2

Über das Vermögen der A ... GmbH (Schuldnerin) wurde aufgrund des Antrags vom 28.11.2002 am ... 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

Der Beklagte hat unstreitige Ansprüche aus Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden für Oktober bis Dezember 2002 gegen die Schuldnerin von insgesamt 125.997,20 €.

4

Die Schuldnerin schrieb im Jahr 2002 Rechnungen, in denen sie Umsatzsteuer auswies. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Schuldnerin keine Lieferungen erbracht und daher zu Unrecht die Umsatzsteuer ausgewiesen habe und lehnte einen Vorsteuererstattungsanspruch des Rechnungsempfängers ab. Wegen des konkreten Sachverhalts wird auf das im nachfolgenden Klageverfahren ergangene und rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Hamburgs 5 K 74/06 vom 29.04.2008 verwiesen.

5

Der Kläger berichtigte daraufhin Anfang 2009 die von der Schuldnerin erstellten Rechnungen und beantragte bei dem Beklagten die Berichtigung der Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Dabei ging er zunächst davon aus, dass die Korrektur für 2002 erfolgen müsse. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass die Korrektur erst für den Besteuerungszeitraum 2008 möglich sei. Der Kläger erhob Klage zum Aktenzeichen 6 K 123/10 und nahm nach Durchführung eines Erörterungstermins am 12.12.2011 die Klage zurück.

6

Im Dezember 2012 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung für 2008 ein, in der er die Minderung der Umsatzsteuer wegen der nicht durchgeführten Lieferungen 2002 erklärte. Am 20.06.2014 erging der Umsatzsteuerbescheid 2008, durch den sich ein Restguthaben i. H. v. 646.164,48 € zuzüglich Erstattungszinsen in Höhe von 161.538 € (insgesamt 807.702,48 €) ergab.

7

Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 03.07.2014 die Aufrechnung seiner Forderungen aus Umsatzsteuer 2002 gegen das Umsatzsteuerguthaben der Schuldnerin aus 2008. Dieser Erklärung widersprach der Kläger am 14.07.2014. Am 25.07.2014 erließ der Beklagte den hier angefochtenen Abrechnungsbescheid.

8

Am 01.08.2014 legte der Kläger Einspruch ein, welcher durch die Einspruchsentscheidung vom 20.05.2014 unter Hinweis auf ein Schreiben des Beklagten vom 18.02.2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

9

Der Kläger hat am 22.06.2015 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Abrechnungsbescheid sei rechtswidrig, weil er gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) verstoße. Die Forderung der Schuldnerin sei erst in 2008 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Zwar habe von Anfang an wegen der Nichtdurchführung von Lieferungen keine Umsatzsteuerpflicht bestanden. Die Schuldnerin habe jedoch wegen des unberechtigten Umsatzsteuerausweises die Umsatzsteuer geschuldet. Nach materiellem Steuerrecht habe diese Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG berichtigt werden müssen. Dies sei auch geschehen und habe zu dem entsprechenden Vergütungsanspruch geführt. Damit habe der Vergütungsanspruch zwar seine Grundlage in 2002, er sei aber nicht in 2002, sondern erst in 2008 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden.

10

Entscheidend für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei nach der Rechtsprechung des BFH bei Umsatzsteuererstattungsansprüchen wegen Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand verwirklicht ist (BFH-Urteil vom 25.07.2012 VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht). Damit knüpfe der VII. Senat des BFH an die Rechtsprechung des V. Senats an, nach dessen Rechtsprechung es für die Entstehung des Steueranspruchs auf die vollständige Tatbestandsverwirklichung nach den steuerrechtlichen Vorschriften ankomme. Der Beklagte berufe sich für seine Rechtsansicht auf alte Rechtsprechung des VII. Senats des BFH, die nach der Rechtsprechungsänderung vom 25.07.2012 nicht mehr gelte.

11

Entscheidend sei daher, ob der Erstattungsanspruch der Schuldnerin bereits in 2002 oder erst in 2008 entstanden sei. Materielle Voraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs seien insbesondere, dass eine Steuerberichtigung durchgeführt und die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden sei. Die zweite Voraussetzung sei erst durch die Rechtskraft des Urteils vom 29.04.2008 und damit nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Dieses Urteil sei das Ereignis, das die Umsatzsteuerberichtigung erst zulässig gemacht und damit den Erstattungsanspruch begründet habe. Bei dieser Voraussetzung handele es sich um eine materielle Voraussetzung für die Entstehung des Umsatzsteuererstattungsanspruch und nicht lediglich um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung.

12

Die Schuldnerin sei bei der Rechnungserstellung in 2002 von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen ausgegangen. Dass umsatzsteuerlich keine Leistungsbeziehung bestanden habe, sei erst durch das Urteil des FG Hamburg vom 29.04.2008 festgestellt worden.

13

Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 25.07.2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2015 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung seines Antrags verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 20.05.2014 und führt ergänzend aus: Die Aufrechnung sei rechtmäßig. Insbesondere verhindere § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht die Aufrechnung. Entscheidend sei, wann der Erstattungsanspruch der Schuldnerin im Sinne des § 38 InsO entstanden sei. Der Kläger berufe sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 25.07.2012 VII R 29/11, denn dieses sei im Streitfall nicht anwendbar, da hier die Änderung des Bescheides nicht nach § 17 Abs. 2 UStG, sondern nach §§ 14c in Verbindung mit 17 Abs. 1 UStG erfolgt sei und somit nicht auf einer nachträglichen Änderung des zugrundeliegenden steuerlichen bzw. zivilrechtlichen Sachverhalt beruhe. Im Streitfall sei gerade keine nachträgliche Änderung der Bemessungsgrundlage aufgrund von Rechtshandlungen des Klägers entstanden. Auch sei es den handelnden Personen von Anfang an bewusst gewesen, dass keine Leistungen im Sinne des UStG erbracht worden seien. Ein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis des Schuldners stelle gerade keine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Führe die spätere Rechnungsberichtigung durch den Insolvenzverwalter zu einem Erstattungsbetrag, sei dieser uneingeschränkt mit Insolvenzforderungen aufrechenbar.

16

Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des BFH nicht, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden sei, sondern ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt gewesen sei. Dies richte sich ausschließlich nach § 38 InsO und damit nach der insolvenzrechtlichen Vermögenszuordnung und nicht nach der abgabenrechtlichen Abgrenzung bezüglich "Entstehung" oder "Fälligkeit". Dies habe der VII. Senat des BFH in seinem Urteil vom 04.02.2005 (VII R 20/04, BFHE 209, 13, BStBl II 2010, 55) bestätigt. Im Streitfall basierten sowohl die Forderung des Finanzamts als auch der Erstattungsanspruch des Klägers auf in 2002 erfolgten Rechnungsstellungen.

17

Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 22.09.2015 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Rechtsbehelfsakten und die Vollstreckungsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

18

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I.

19

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid vom 25.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Die bereits gezahlte und aufgrund des geänderten Bescheids für 2008 zu erstattende Umsatzsteuer durfte nicht mit Insolvenzforderungen aufgerechnet werden.

20

1. Gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.

21

Der Beklagte ist erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am ... 2003) etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden, denn der Umsatzsteuererstattungsanspruch des Klägers ist 2008 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ... 2003 entstanden.

22

a) Wann ein Anspruch im Sinne des § 96 InsO entsteht, richtet sich nach § 38 InsO. Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung der beiden Umsatzsteuersenate des BFH (V. und XI. Senat) danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteil vom 09.02.2011 XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000; siehe auch Urteil des FG München vom 10.10.2012 3 K 733/10, zitiert nach juris mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 24/11, BStBl II 2012, 466). Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (BFH-Urteil vom 29.01.2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1., m. w. N. zur BFH-Rechtsprechung).

23

b) Der für die Aufrechnung zuständige VII. Senat hatte zunächst eine andere Abgrenzung vorgenommen. Entscheidend war nach seiner Rechtsprechung nicht, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden sei, sondern ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt gewesen sei. Dies richte sich ausschließlich nach § 38 InsO und damit nach der insolvenzrechtlichen Vermögenszuordnung und nicht nach der abgabenrechtlichen Abgrenzung bezüglich "Entstehung" oder "Fälligkeit" (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 04.02.2005 VII R 20/04). Der VII. Senat des BFH begründete seine für erforderlich gehaltene Aufrechnung damit, dass es "schwerlich gerechtfertigt sein [würde] anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen" (BFH-Urteil vom 17.04.2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589).

24

aa) In der Literatur wurde die unterschiedliche Auslegung durch die verschiedenen Senate des BFH insbesondere mit der Begründung kritisiert, dass die Urteile des BFH "eher ergebnisorientiert und fiskalfreundlich wirkten". So habe vor allem der V. und der XI. BFH-Senat den Begründungszeitpunkt staatlicher Ansprüche zur Umsatzsteuer (USt) möglichst spät gelegt, um daraus gem. § 55 Abs. 1 InsO Masseverbindlichkeiten herzuleiten, während der VII. BFH-Senat (u. a. zuständig für die Erhebung) bei nahezu vergleichbaren Sachverhalten den Zeitpunkt früh angesetzt habe, um hierdurch insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverboten nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO auszuweichen (siehe hierzu Kahlert, Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote im Umsatzsteuerrecht - Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf die Insolvenzpraxis, ZIP 2013, 500; Heinze, DZWIR 2011, 276 Umsatzsteuern aus dem Forderungseinzug des Insolvenzverwalters).

25

bb) Der VII. Senat hat mit Urteil vom 25.07.2012 (VII R 29/11) seine Rechtsprechung, die der Rechtsprechung des V. Senats zum Teil widersprach, aufgegeben und einen Einklang zwischen der Auslegung des § 38 InsO und der Auslegung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO hergestellt (so Kahlert, a. a. O). Diese Rechtsprechungsänderung war von dem Bestreben getragen, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen -im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen (BFH-Beschluss vom 11.07.2013 XI B 41/13, HFR 2013, 917).

26

Mit Urteil vom 18.08.2015 (VII R 29/14, ZIP 2015, 2237) hat der VII. Senat des BFH ausgeführt, dass das Aufrechnungsverbot nicht gelte, wenn die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet sei, d. h. sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt gewesen seien.

27

Bereits in seinem Beschluss vom 21.03.2014 (VII B 214/12, BFH/NV 2014, 1088) hatte der VII. Senat des BFH entschieden, dass es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Aufrechnung gegen einen Anspruch auf Investitionszulage darauf ankomme, ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Investitionszulageanspruchs vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt seien. Nicht entscheidend sei, wann der Antrag auf Gewährung der Investitionszulage gestellt werde. Denn der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage sei keine materiell-rechtliche, sondern eine eigenständige formelle Voraussetzung des Investitionszulageanspruchs. Der materiell-rechtliche Anspruch entstehe dagegen bereits mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen worden sind. Für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung komme es nicht auf die Abgabe bzw. die Berichtigung einer Steueranmeldung an.

28

Damit ist nunmehr nach der Rechtsprechung aller drei für die Schnittstelle Umsatzsteuer und Insolvenzrecht zuständigen BFH-Senate maßgeblich, ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt waren.

29

c) Im Streitfall entstand der Umsatzsteuervergütungs- bzw. erstattungsanspruch des Klägers erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Anders als in den den Urteilen des BFH vom 21.03.2014 (VII B 214/12) und vom 18.08.2015 (VII R 29/14) zugrunde liegenden Sachverhalten fehlte es im Streitfall im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Entstehung des Umsatzsteuervergütungs- bzw. erstattungsanspruchs. Denn materiell-rechtliche und nicht verfahrensrechtliche Voraussetzung für eine Berichtigung gem. § 14c Abs. 2 UStG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 UStG ist, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (siehe z. B. auch OFD Frankfurt am Main S 7340 A-85.St 112 vom 16.07.2015).

30

aa) Gem. § 14c Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG schuldet der Unternehmer, der in einer Rechnung wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt, den ausgewiesenen Betrag. Der hiernach geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (Satz 3 der Vorschrift). Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist (Satz 4 der Vorschrift). Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind (Satz 5 der Vorschrift).

31

bb) Angewandt auf den Streitfall folgt hieraus, dass der Beklagte erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Erst mit Rechtskraft des Urteils des Finanzgerichts Hamburgs vom 29.04.2008 (5 K 74/06) war die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt und konnte eine Steuerberichtigung - nach Zustimmung durch den Beklagten - erfolgen. Bis zur Rechtskraft des Urteils war nicht ausgeschlossen gewesen, dass der Rechnungsempfänger die Vorsteuer aus den Rechnungen hätte ziehen können. Erst mit der Rechtskraft des Urteils trat die Änderung der Bemessungsgrundlage ein und erfolgte die vollständige Verwirklichung bzw. der Abschluss des den Umsatzsteueranspruch begründenden Tatbestands des § 14c Abs. 2 S. 5 UStG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 UStG.

32

cc) Dieses Ergebnis ist auch interessengerecht, denn es würde der Systematik des Gesetzes widersprechen, dem Insolvenzverwalter die Berichtigung in 2002 zu versagen, weil noch nicht alle Voraussetzungen für die Berichtigung erfüllt sind, trotzdem aber die Aufrechnung zuzulassen, weil der Anspruch bereits 2002 entstanden sein soll (so im Ergebnis wohl aber Gosch in Beermann/Gosch Kommentar zur Abgabenordnung, § 251 AO Rn. 130 und 178; Sinz in Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, Rn. 18, 19, 27: dieser ist der Ansicht, dass nach der neuen Rechtsprechung des BFH maßgeblich sei, wann der Rechtsgrund für die Erstattung gelegt worden sei, so dass der Zeitpunkt der Leistungserbringung entscheidend sei). Die hier vorgenommene Qualifizierung führt im Streitfall auch nicht zu einem systematisch nicht nachvollziehbaren Ergebnis, weil etwa zwei Seiten eines Sachverhalts unterschiedlich behandelt würden (so z. B. im Fall des FG Düsseldorf im Urteil 12 K 4478/11 vom 15.05.2014). Denn im Streitfall resultieren die Insolvenzforderungen des Beklagten nicht aus den Rechnungen, die später in 2008 berichtigt wurden, sondern es handelt sich hierbei um Umsatzsteuern aus späterer Zeit.

33

dd) Der Abrechnungsbescheid ist auch nicht aus einem anderen Grund rechtmäßig. Zwar wäre eine Aufrechnung dann nicht erforderlich, wenn die Berichtigung sich in 2002 selbst im Bescheid ausgewirkt hätte, denn dann hätte im Bescheid selbst saldiert werden können (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG). Im Streitfall war dem Kläger indes nicht die Möglichkeit eröffnet gewesen, die Umsatzsteuer 2002 zu ändern, denn die Voraussetzungen für eine Berichtigung in 2002 lagen gerade nicht vor, da erst nach der Rechtskraft des Urteils die Gefährdung des Steueraufkommens durch einen möglichen Vorsteuerabzug der Rechnungsempfängerin ausgeschlossen war (siehe z. B. BFH-Urteil vom 10.12.2009 XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497).2. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus § 95 InsO, denn die Forderung des Insolvenzverwalters war nicht bedingt. Dieses ist nur dann der Fall, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht" (BFH-Urteil vom 23.02.2011 I R 20/10, BStBl II 2011, 822).

II.

34

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

36

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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Bundesfinanzhof Urteil, 08. Nov. 2016 - VII R 34/15

bei uns veröffentlicht am 08.11.2016

Tenor Die Revision des Finanzamts gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 25. November 2015  6 K 167/15 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass der Abrechnungsbescheid vom

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(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Steuer entsteht

1.
für Lieferungen und sonstige Leistungen
a)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
b)
bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind,
c)
in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus in das Inland gelangt,
d)
in den Fällen des § 18 Abs. 4c mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Abs. 1a Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
e)
in den Fällen des § 18 Absatz 4e mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1b Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
f)
in den Fällen des § 18i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1c Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
g)
in den Fällen des § 18j vorbehaltlich des Buchstabens i mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1d Satz 1, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind,
h)
in den Fällen des § 18k mit Ablauf des Besteuerungszeitraums nach § 16 Absatz 1e Satz 1, in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind; die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde,
i)
in den Fällen des § 3 Absatz 3a zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde;
2.
für Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und 9a mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt worden sind;
3.
in den Fällen des § 14c im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung;
4.
(weggefallen)
5.
im Fall des § 17 Abs. 1 Satz 6 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist;
6.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1a mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats;
7.
für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des § 1b am Tag des Erwerbs;
8.
im Fall des § 6a Abs. 4 Satz 2 in dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung ausgeführt wird;
9.
im Fall des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Gegenstand aus einem Umsatzsteuerlager ausgelagert wird.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die auf den Zeitraum nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entfallen, als Insolvenzverbindlichkeiten oder als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese hatte im Jahr 1998 eine Einkaufspassage in H errichtet und die einzelnen Ladenlokale an verschiedene Mieter vermietet. Aus den Herstellungskosten hatte sie die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe der Quote der im Erstjahr 1998 erfolgten steuerpflichtigen Vermietung von 79 % als Vorsteuer abgezogen.

3

Am 30. April 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die GbR die Mietverträge in der Weise geändert, dass sich die Quote der steuerpflichtigen Vermietungsumsätze verminderte. Sie betrug im Streitjahr 2002 (ab Insolvenzeröffnung) 75,36 %, im Streitjahr 2003 75,65 % und im Streitjahr 2004  75,30 %. Dies hatte (unstreitig) zur Folge, dass Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15a UStG für das Jahr 2002 in Höhe von... €, für das Jahr 2003 in Höhe von ... € und für das Jahr 2004 in Höhe von ... € entstanden.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte diese Vorsteuerberichtigungsbeträge entgegen der Ansicht des Klägers nicht als Insolvenzforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, sondern als Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) und setzte sie in den gegenüber dem Kläger erlassenen Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre fest.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage im Streitpunkt als unbegründet ab. Es war der Auffassung, dass Vorsteuerberichtigungsansprüche nach § 15a Abs. 1 UStG, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, Masseverbindlichkeiten darstellen. Der Steueranspruch sei durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden, denn er sei durch die teilweise steuerfreie Vermietung des zur Insolvenzmasse gehörenden Einkaufszentrums entstanden.

7

Das Urteil ist u.a. in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 276 veröffentlicht.

8

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 38, 55 InsO und von § 15a UStG i.V.m. § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

9

Für die Abgrenzung der Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) von den Masseforderungen (§ 55 InsO) komme es darauf an, ob die Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits "begründet" waren oder ob sie erst nach Eröffnung des Verfahrens durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse "begründet" wurden. Eine Steuerforderung sei in diesem Sinne begründet, sobald ihr Rechtsgrund gelegt sei; dafür komme es --entgegen der Auffassung des FG-- auf die steuerrechtliche Entstehung der Forderung im Sinne des Tatbestandsprinzips (§ 38 AO) und deren Fälligkeit nicht an. Dementsprechend habe der VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 17. April 2007 VII R 27/06 (BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589) ausdrücklich betont, dass es sich bei dem aus der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG resultierenden Anspruch der Finanzbehörde nicht um eine Masseforderung handeln könne. Er sei bereits vor Insolvenzeröffnung begründet und könne daher nur als Insolvenzforderung angesehen werden. Denn für die Ermittlung des Zeitpunkts der insolvenzrechtlichen Begründung des Anspruchs müsse der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt --hier die Veränderung der Mietverhältnisse durch die GbR-- einbezogen werden.

10

Die Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteile vom 9. April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527, und vom 6. Juni 1991 V R 115/87, BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817; Beschluss vom 29. November 1993 V B 93/93, BFH/NV 1995, 351), auf die das FG sein gegenteiliges Ergebnis gestützt habe, überzeuge nicht. Sie stehe im Übrigen einer Einordnung der Ansprüche des FA aus § 15a UStG als Insolvenzforderungen bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht entgegen, weil die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift bereits durch die Veränderung in den Mietverhältnissen vor Insolvenzeröffnung ausgelöst worden sei.

11

Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 18. Januar 2006, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2007 und der Änderungsbescheide vom 13. März 2007, sowie die Umsatzsteuerfestsetzung für 2004 vom 19. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2007, geändert durch Bescheide vom 20. März 2007 und 4. September 2009, unter Aufhebung des FG-Urteils dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2002 um ... €, für 2003 um ... € und für 2004 um ... € niedriger festgesetzt wird.

12

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

13

Es tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und weist darauf hin, dass im Streitfall die für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG maßgeblichen Vorgänge, nämlich die monatliche Überlassung der vermieteten Räume gegen monatliche Mietzahlung, sämtlich nach Insolvenzeröffnung erfolgt seien.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei den streitigen Vorsteuerberichtigungsbeträgen um Masseverbindlichkeiten handelt.

15

1. Die Insolvenzmasse dient gemäß § 38 InsO zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Die Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt fest (§ 251 Abs. 3 AO).

16

Anderes gilt für Steuerforderungen, die als Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind (§ 53 InsO). Masseverbindlichkeiten sind u.a. die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Sie können durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden und sind von ihm nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen (vgl. BFH-Urteile vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, unter II.1.).

17

2. Ob es sich bei einem Umsatzsteueranspruch des FA um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; unerheblich ist dagegen der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. BFH-Urteil in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, unter II.1., m.w.N.).

18

a) § 15a Abs. 1 UStG hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 folgenden Wortlaut: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken [...] tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren."

19

b) Nach der zur Konkursordnung (KO) und zum UStG 1973/1980 ergangenen Rechtsprechung des V. Senats des BFH gehört der Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA nach § 15a UStG 1973/1980, der durch die Verwertung des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter ausgelöst wird oder der dadurch entsteht, dass ein absonderungsberechtigter Grundschuldgläubiger ein zur Konkursmasse gehörendes Grundstück zwangsversteigern lässt, zu den "Ausgaben für die Verwaltung oder Verwertung der Masse" und ist deshalb den Massekosten i.S. des § 58 Nr. 2 KO zuzurechnen (vgl. Urteile in BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527; in BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817).

20

Zur Begründung hat der BFH u.a. dargelegt, der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1973 setze voraus, dass sich die Verwendungsverhältnisse gegenüber der erstmaligen --für den Vorsteuerabzug maßgebenden-- Verwendung ändern. Erst wenn diese Änderung eintrete, sei der Tatbestand der Vorsteuerberichtigung erfüllt; im Zeitpunkt des Wechsels der Verwendungsart sei der nach den Verhältnissen des Kalenderjahrs der erstmaligen Verwendung des Leistungsbezugs materiell-rechtlich abschließend gewährte Vorsteuerabzug zu berichtigen. Gegenstand der Berichtigung nach § 15a UStG 1973 seien zwar die Vorsteuerbeträge, die für den Bezug eines Wirtschaftsgutes für das Unternehmen angefallen und abgezogen worden seien; § 15a UStG 1973 diene insoweit --im Ergebnis-- der Korrektur des vom Unternehmer vorgenommenen Vorsteuerabzugs bei Wirtschaftsgütern, die langfristig im Unternehmen verwendet werden sollen. Rechtlich sei diese Vorschrift im Verhältnis zu § 15 Abs. 1 UStG 1973 jedoch selbständig ausgestaltet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527, unter II.1.b).

21

Ergänzend hat der BFH u.a. ausgeführt, § 15a UStG 1980 begründe einen eigenen Steuertatbestand, der die Steuer lediglich in der in dieser Vorschrift bestimmten Höhe entstehen lasse und den Vorsteuerabzug nicht schlechthin rückgängig mache (vgl. Urteil in BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817).

22

c) Für den Streitfall und die in den Streitjahren geltende Fassung des § 15a UStG kann nichts anderes gelten.

23

aa) Der Tatbestand der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ist entgegen der Ansicht des Klägers hier nicht bereits durch die Veränderung in den Mietverhältnissen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, sondern erst durch die von den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen (steuerpflichtige Vermietung in Höhe von 79 %) abweichende tatsächliche Verwendung der Ladenlokale (in den Streitjahren steuerpflichtige Vermietung in Höhe von 75,36 %, 75,65 % und 75,30 %).

24

Stellt sich bei einem tatsächlich verwendeten Wirtschaftsgut --hier die Ladenlokale-- die Frage einer Änderung der Verwendungsverhältnisse i.S. des § 15a UStG, kommt es darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang eine von der ursprünglichen (ggf. beabsichtigten) Verwendung abweichende tatsächliche Verwendung vorliegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435, unter II.2.a bb; BFH-Beschluss vom 10. November 2003 V B 134/02, BFH/NV 2004, 381).

25

bb) Deshalb folgt der Senat auch nicht der Auffassung des Klägers, die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats betone zu sehr die tatbestandliche Ausgestaltung des § 15a UStG (als eigenständiger Steueranspruch) und lasse den materiellen Kern von § 15a UStG außer Betracht.

26

Denn es geht bei der hier vorgenommenen Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nicht "um die Korrektur der Besteuerung eines von dem Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Rechtsgeschäfts". Vielmehr hat das FA die Vorsteuerbeträge, die für den Bezug von Wirtschaftsgütern für das Unternehmen vor Eintritt der Insolvenz angefallen und abgezogen worden sind, in den Streitjahren nach § 15a UStG teilweise zurückgefordert, weil der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirtschaftsgüter (durch Vermietung) abweichend von den ursprünglichen Verhältnissen tatsächlich verwendet hat.

27

cc) Diese Vermietung in den Streitjahren war eine Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn nach § 108 Abs. 1 InsO bestehen Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume "mit Wirkung für die Insolvenzmasse" fort; dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war. Damit ist die Vermietung der Insolvenzmasse zuzurechnen.

28

Erst mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres steht fest, ob und in welchem Umfang sich durch die Vermietung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert haben (§ 15a Abs. 1 UStG). Die der Masse zuzurechnende Vermietung ist ausschlaggebend dafür, ob eine Verpflichtung zur Berichtigung nach § 15a UStG besteht. Dann aber kann die aus § 15a Abs. 1 UStG resultierende Verbindlichkeit kein anderes Schicksal haben als die sonstigen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Mietverträgen.

29

d) Der Senat vermag den vom Kläger behaupteten Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) nicht zu erkennen, wonach der Anspruch des FA auf Rückforderung abgezogener Vorsteuerbeträge nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 eine Konkursforderung ist.

30

Denn der BFH hat in diesem Urteil maßgeblich darauf abgestellt, dass der Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 zwar erst im Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Entgelte begründet sei, dass aber eine Berichtigungspflicht des Unternehmers (mit der Folge eines entsprechenden Anspruchs des FA) bereits dann eintrete, wenn der Umfang der tatsächlichen Vereinnahmung noch nicht endgültig feststehe. Diese Voraussetzung sei (schon) mit Konkurseröffnung gegeben; in diesem Augenblick sei der Rechtsgrund für die Entstehung des Vorsteuerrückforderungsanspruchs gelegt gewesen (vgl. unter II.2 der Gründe). Im vorliegenden Fall war dagegen --wie dargelegt-- im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Anspruch des FA auf Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG noch nicht verwirklicht.

31

e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger ferner auf den BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04 (BFH/NV 2006, 369).

32

aa) Nach diesem Beschluss kommt es hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (ebenso Hefermehl in MünchKommInsO, 2. Aufl., § 55 Rz 71).

33

Diese Voraussetzung sieht der erkennende Senat bei einem auf einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG beruhenden Erstattungsanspruch aus den dargelegten Gründen erst dann als erfüllt an, wenn die nach dieser Vorschrift erforderliche Änderung der Verhältnisse tatsächlich eingetreten ist (vgl. auch Bäuerle in Braun, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 55 Rz 21).

34

bb) Ob der erkennende Senat der in diesem Beschluss des VII. Senats in BFH/NV 2006, 369 vertretenen Auffassung folgen kann, ein Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch, der aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG resultiert, sei insolvenzrechtlich bereits im Zeitpunkt der Besteuerung des für die Lieferung oder sonstigen Leistung vereinbarten Entgelts begründet worden (vgl. auch BFH-Urteile vom 9. April 2002 VII R 108/00, BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562; vom 27. Oktober 2009 VII R 4/08, BFHE 227, 318, BStBl II 2010, 257; siehe dagegen BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, BFHE 214, 467, BStBl II 2007, 415, unter II.2.a), bedarf im Streitfall, der § 15a UStG betrifft, keiner Entscheidung.

35

f) Schließlich verweist der Kläger ohne Erfolg auf das BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589.

36

Denn dieses Urteil betrifft die Frage, ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entstanden ist. Dies hängt nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH davon ab, ob "der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führt", "bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden" ist (vgl. Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3. der Gründe). Dagegen geht es im Streitfall um die --davon zu unterscheidende und unabhängig von dem zivilrechtlichen Sachverhalt zu beurteilende-- Frage, ob der Besteuerungstatbestand des § 15a UStG vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist.

37

Zwar hat der VII. Senat des BFH in diesem Urteil u.a. ausgeführt, wenn "der Steuerpflichtige vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Steuervorteil erhalten" habe "--z.B. ... das Recht zum Vorsteuerabzug--, aufgrund eines nach Eröffnung des Verfahrens eintretenden Ereignisses er aber ... den ihm seinerzeit gewährten Steuervorteil zurückführen" müsse "(wie z.B. wegen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG; anders aber offenbar BFH-Urteil vom 6. Juni 1991 V R 115/87, BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817)", sei der "diesbezügliche Anspruch der Finanzbehörde ... keine Masseforderung, sondern als vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und mithin als Insolvenzforderung anzusehen" (vgl. unter II.3. der Gründe; ebenso Rüsken, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, 2053, 2055 f.).

38

Dabei handelt es sich aber um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum (zutreffend Beschluss des FG Brandenburg vom 19. Juni 2008  7 V 7032/08, EFG 2008, 1586, unter II., Rz 23), dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgt und das auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung gebietet (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 11, m.w.N.).

39

g) Das hier gefundene Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser hat zu der vergleichbaren Rechtslage in Österreich ebenfalls die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA um eine Masseverbindlichkeit handelt (z.B. Urteil vom 19. Oktober 1999  98/14/0143).

40

Der Österreichische Verwaltungsgerichtshof hat dabei u.a. ausgeführt, dass Grundlage für die Vorsteuerberichtigung nicht der ursprünglich vorgenommene Vorsteuerabzug sei, sondern dass die Pflicht zur Berichtigung der Vorsteuer und die daraus resultierende Forderung des Abgabengläubigers darauf beruhe, dass sich die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, geändert haben. Er hat in diesem Zusammenhang zustimmend Ruppe zitiert, wonach die Ansicht, den Vorsteuerberichtigungsanspruch als "bedingten Rückforderungsanspruch des Fiskus" zu qualifizieren, als "gekünstelt" anzusehen sei.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter einer GmbH, die Flachglas produzierte und lieferte.

2

Die GmbH erwarb im August 2000 ein Erbbaurecht an einem Grundstück, für das sie den Vorsteuerabzug geltend machte. Am 1. April 2004 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger veräußerte mit Vertrag vom 23. Dezember 2004 das Erbbaurecht umsatzsteuerfrei mit Lastenwechsel zum 1. Oktober 2005.

3

Am 10. November 2005 reichte der Kläger eine Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2005 unter der Steuernummer der GmbH ein, in der er eine Vorsteuerberichtigung zu Lasten der GmbH in Höhe von 367.065 € berücksichtigte. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2005 vom 15. September 2006, die der Kläger für das sog. Massekonto der GmbH abgab, berücksichtigte er diese Vorsteuerberichtigung nicht.

4

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Auffassung, dass die Vorsteuerberichtigung aus der steuerfreien Veräußerung des Erbbaurechts beim Massekonto in Höhe von 366.905,58 € zu erfassen sei, da insoweit eine Masseverbindlichkeit vorliege. Dementsprechend erging am 17. Januar 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2005, in dem eine Umsatzsteuer von 411.574,79 € festgesetzt wurde; daraus ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 366.905,54 €.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, dass die Umsätze in dem für das Massekonto ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2005 um 433.792 € zu mindern seien, da in dieser Höhe uneinbringliche Entgelte aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung vorlägen. Dem folgte das FA und setzte die Umsatzsteuer 2005 durch Bescheid vom 4. November 2009 auf 342.168,07 € herab. Die Steuer wurde um 69.406,72 € und somit um den Betrag gemindert, der sich aufgrund des im Streitjahr geltenden Steuersatzes von 16 % bei einer Entgeltminderung von 433.792 € ergab.

6

Für die Klageabweisung führte das Finanzgericht (FG) an, dass es sich bei der Vorsteuerberichtigung um eine Masseverbindlichkeit und nicht um eine Insolvenzforderung gehandelt habe. Hierfür spreche, dass sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft als auch das dingliche Vollzugsgeschäft nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden seien. Auf insolvenzaufrechnungsrechtliche Überlegungen komme es nicht an.

7

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1385 veröffentlicht worden.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch sei eine Insolvenzforderung. Maßgeblich sei, dass der Anspruch in seinem Kern bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei und nur noch vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhänge. Es könne nicht bei § 38 der Insolvenzordnung (InsO) auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen sei, wenn es für § 96 InsO auf die den Umsatzsteuererstattungsansprüchen zugrunde liegenden Lieferungen und Leistungen ankomme. Für § 38 InsO sei daher maßgeblich, ob der Rechtsgrund für die Entstehung der Forderung bereits vor Verfahrenseröffnung gelegt wurde. Hierfür sei auf die der Umsatzsteuer zugrunde liegenden Lieferungen und Leistungen abzustellen. Eine Klärung durch den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) sei erforderlich.

9

Zu beachten sei weiter, dass es im Streitfall nicht um die Besteuerung eines Verwertungsvorgangs i.S. von § 55 Abs. 1 InsO gehe, sondern um eine Änderung in Bezug auf die Besteuerung des im Jahr 2000 erfolgten Erwerbsvorgangs. Im Hinblick auf diesen Erwerb führe die Veräußerung im Streitjahr nicht zu einem neuen umsatzsteuerbaren Vorgang, sondern nur zu einer Änderung bei der Besteuerung des damaligen Erwerbsvorgangs. Die Vermögensmasse sei bereits vor der Insolvenz mit einem latenten Vorsteuerberichtigungsanspruch belastet gewesen. Daher seien der Rechtsgrund und der umsatzsteuerrechtlich relevante Lebenssachverhalt für die Vorsteuerberichtigung bereits vor Verfahrenseröffnung gelegt gewesen. Beim Vorsteuerberichtigungsanspruch handele es sich um eine Berichtigung der Besteuerung vor Insolvenzeröffnung, nicht aber um eine Besteuerung einer vom Verwalter neu geschaffenen Schuldrechtsbeziehung. Nur die vom Insolvenzverwalter neu geschaffenen Rechtsbeziehungen, nicht aber auch die Abwicklung von Altbeziehungen könnten Masseverbindlichkeiten begründen. Auch bei der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) habe sich der Lebenssachverhalt vor Verfahrenseröffnung zugetragen. Dementsprechend sei das FA insoweit seiner Auffassung gefolgt. Für eine unterschiedliche Behandlung bestehe kein nachvollziehbarer Grund. Daher sei es zu der Vorsteuerberichtigung aufgrund einer Änderung der Verhältnisse bereits mit und damit vor der Insolvenzeröffnung gekommen.

10

Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben, den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 4. November 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. 24.737,51 € festgesetzt wird und weiter, dass die Umsatzsteuer in Höhe von 366.905,58 € zuzüglich Zinsen an die Insolvenzmasse ausgezahlt wird.

11

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sowohl schuldrechtliches Grundgeschäft als auch dingliches Vollzugsgeschäft seien erst nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Hierauf komme es für die Frage der Tatbestandsverwirklichung an. Es liege daher eine Masseverbindlichkeit vor.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Streitfall führt erst die Veräußerung des mit Vorsteuerabzug erworbenen Wirtschaftsguts durch den Insolvenzverwalter zu einer Änderung der Verhältnisse i.S. von § 15a UStG. Der dadurch entstandene Berichtigungsanspruch ist eine Masseverbindlichkeit.

14

1. Die von § 15a UStG vorausgesetzte Änderung der Verhältnisse wurde erst durch die steuerfreie Veräußerung des Wirtschaftsguts durch den Insolvenzverwalter, nicht aber --entsprechend der Auffassung des Klägers-- bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt.

15

a) § 15a Abs. 1 UStG hatte im Streitjahr folgenden Wortlaut: Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren.

16

Der Steueranspruch gemäß § 15a Abs. 1 UStG aufgrund einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse setzt danach einen Vergleich zwischen der Verwendungsabsicht beim Entstehen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug und der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der späteren tatsächlichen Verwendung voraus (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.c).

17

b) Im Streitfall begründete erst die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung des Wirtschaftsguts, nicht aber bereits die zuvor erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Änderung der Verhältnisse hinsichtlich des Wirtschaftsguts, das die GmbH zuvor für steuerpflichtige Umsätze erworben hatte. Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Rechtsprechung des Senats zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

18

aa) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG hat der leistende Unternehmer den Steuerbetrag und der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung "uneinbringlich" wird. Die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Uneinbringlichkeit von Entgelten tritt sowohl bei Eingangsleistungen als auch bei Ausgangsleistungen nicht bereits aufgrund der bloßen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern aufgrund der mit der Insolvenzeröffnung verbundenen Besonderheiten ein. So ergibt sich die Uneinbringlichkeit des Entgelts für eine vor Insolvenzeröffnung an den Insolvenzschuldner erbrachte Leistung daraus, dass der Entgeltgläubiger seinen Forderungsanspruch nur noch unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Beschränkungen geltend macht (BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, Leitsatz) und daher nur noch zur Insolvenztabelle anmelden kann. Die Uneinbringlichkeit des Entgelts für eine durch den Insolvenzschuldner vor Insolvenzeröffnung erbrachte Ausgangsleistung beruht darauf, dass mit Verfahrenseröffnung die Vereinnahmungszuständigkeit für diese Forderung auf den Insolvenzverwalter und die seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unterliegende Tätigkeit übergeht (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c).

19

bb) Die Insolvenzeröffnung ist dagegen für die Berichtigung nach § 15a UStG ohne Bedeutung. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt weder tatsächlich noch rechtlich eine Änderung in der Verwendung von Wirtschaftsgütern.

20

Allein die Insolvenzeröffnung ändert die tatsächliche Verwendung nicht. Auch in rechtlicher Hinsicht wirkt sich --anders als bei dem von § 15a Abs. 7 UStG vorausgesetzten Übergang zum Kleinunternehmerstatus nach § 19 Abs. 1 UStG oder zur Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG-- die Insolvenzeröffnung nicht auf die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse aus; insbesondere enthält die InsO anders als z.B. §§ 19, 24 UStG keine materiell-rechtlichen Regelungen, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich sind.

21

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Insolvenzeröffnung auch nicht einer Entnahme gleichgesetzt werden, die gemäß § 15a Abs. 9 UStG i.V.m. § 3 Abs. 1b UStG eine Änderung der Verhältnisse bewirkt.

22

Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen zwar nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen, zu denen die Insolvenzmasse und das vorinsolvenzrechtliche Vermögen gehören (BFH-Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa, und vom 24. November 2011 V R 13/11, Der Betrieb --DB-- 2011, 2818, unter II.1.). Die im Insolvenzfall entstehenden Unternehmensteile gehören aber aufgrund des fortgeltenden Grundsatzes der Unternehmenseinheit (BFH-Urteile vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.5.; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.c aa, und in DB 2011, 2818, unter II.1.) gleichwohl zu einem einheitlichen Unternehmen. Die Insolvenzeröffnung führt daher nicht, wie von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG vorausgesetzt, zu einer Verwendung für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke oder zu einer unentgeltlichen Zuwendung.

23

2. Wie das FG zu Recht entschieden hat, war der Berichtigungsanspruch nach § 15a UStG als Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Steuerfestsetzung für die Masse zu berücksichtigen.

24

a) Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden...". Bei der Besteuerung der Masse sind diese Verbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, unter II.1., und in BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.1.), während der "zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermögensanspruch" i.S. von § 38 InsO als sog. Insolvenzforderung gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden ist.

25

Die Steuerfestsetzung für die Masse erfordert eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG, bei der Umsätze, abziehbare Vorsteuerbeträge und Berichtigungen insoweit zu berücksichtigen sind, als diese der Masse zuzuordnen sind. Dies richtet sich für Umsätze, abziehbare Vorsteuerbeträge und Berichtigungen gleichermaßen nach den Kriterien des § 55 InsO. Die der Steuerfestsetzung zugrunde liegende Steuerberechnung für die Masse ist keine Aufrechnung und unterliegt deshalb nicht den Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 94 ff. InsO (vgl. BFH-Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639, unter II.4. zu Umsätzen und Vorsteuerbeträgen, die im Rahmen des dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters unterliegenden Unternehmensteils ausgeführt werden, und BFH-Urteil in DB 2011, 2818, unter II.2.c und II.3. zur Parallelfrage der Steuerberechnung für die Anmeldung als Insolvenzforderung zur Tabelle gemäß § 174 InsO).

26

b) Der Berichtigungsanspruch nach § 15a UStG aufgrund der steuerfreien Veräußerung des Wirtschaftsguts ist eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und in die Steuerberechnung (§ 16 Abs. 2 Satz 2 UStG) und Steuerfestsetzung für die Masse einzubeziehen.

27

aa) Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung der beiden Umsatzsteuersenate des BFH danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.; in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, unter II.1.; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.1., und in BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.).

28

Der Kläger kann sich für seine Gegenauffassung auch nicht auf das von ihm angeführte BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10 (BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822) berufen, da es auch danach darauf ankommt, ob "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen" ist und damit "ein gesicherter Rechtsgrund" festgestellt werden kann. Die Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate steht im Übrigen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), nach der für das Vorliegen einer Insolvenzforderung entscheidend ist, ob "der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen" ist, d.h. ob das diesen Tatbestand begründende "Schuldverhältnis vor Verfahrenseröffnung bestand" (BGH-Beschlüsse vom 7. April 2005 IX ZB 195/03, ZInsO 2005, 484, unter II.4., und vom 7. April 2005 IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, unter II.4.; vgl. auch vom 22. September 2011 IX ZB 121/11, NZI 2011, 953, und vom 13. Oktober 2011 IX ZB 80/10, ZInsO 2011, 2184, unter II.2.a).

29

bb) Der Berichtigungstatbestand nach § 15a Abs. 1 UStG setzt zusätzlich zu den auf Anschaffungs- und Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträgen eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats handelt es sich bei der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG daher materiell-rechtlich um einen gegenüber dem Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG eigenständigen Tatbestand. Der Berichtigungstatbestand des § 15a UStG erschöpft sich somit nicht in der Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs (BFH-Urteile vom 9. April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527, unter II.1.b, und vom 6. Juni 1991 V R 115/87, BFHE 165, 113, BStBl II 1991, 817, unter II.; BFH-Beschluss vom 29. November 1993 V B 93/93, BFH/NV 1995, 351). Hieran ist auch unter der Geltung der InsO festzuhalten (BFH-Urteil in BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.).

30

cc) Im Streitfall hat der Insolvenzverwalter das mit Vorsteuerabzug erworbene Wirtschaftsgut erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert. Daher ist erst hierdurch der Berichtigungstatbestand des § 15a UStG verwirklicht worden, so dass es sich bei dem Berichtigungsanspruch um eine Masseverbindlichkeit handelt. Schließlich erfüllte die steuerfreie Veräußerung im Streitfall auch die weiteren Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da die Lieferung des Wirtschaftsguts durch den Insolvenzverwalter zur Verwertung der Masse erfolgte.

31

3. Die Beurteilung des Streitfalls durch den erkennenden Senat steht nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des VII. Senats des BFH, der für den Umkehrfall einer Berichtigung nach § 15a UStG, die zu einer Steuervergütung führt, die Aufrechnung gegen diesen Vergütungsanspruch zulässt.

32

a) Bei der Steuerberechnung für den dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegenden Unternehmensteil sind gemäß §§ 16 ff. UStG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO steuermindernd die diesen Unternehmensteil betreffenden Einzelansprüche aus Vorsteuerbeträgen und Berichtigungen zugunsten des Unternehmens zu berücksichtigen (s. oben II.2.a).

33

Veräußert daher z.B. --anders als im Streitfall-- der Insolvenzverwalter ein Wirtschaftsgut steuerpflichtig, das aufgrund einer beabsichtigten Verwendung für überwiegend steuerfreie Umsätze nur teilweise mit Recht auf Vorsteuerabzug erworben wurde, ergibt sich für die Masse ein Berichtigungsanspruch aus § 15a UStG, der bei Fehlen anderer Umsatztatbestände für den Besteuerungszeitraum zu einem Steuervergütungsanspruch für die Masse führt.

34

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats hat daher zur Folge, dass die Berichtigungen nach § 15a UStG aufgrund einer Lieferung durch den Insolvenzverwalter stets gleichbehandelt werden und unabhängig davon, ob die Berichtigung zu Lasten oder zu Gunsten der Masse wirkt, gleichermaßen im Rahmen der Steuerberechnung und Steuerfestsetzung für die Masse zu berücksichtigen ist.

35

b) Nach dem Urteil des VII. Senats des BFH vom 16. Januar 2007 VII R 7/06 (BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745, unter II.) ist das FA als Insolvenzgläubiger zur Aufrechnung berechtigt, wenn sich aus einem der Masse zustehenden Berichtigungsanspruch nach § 15a UStG ein Vergütungsanspruch ergibt.

36

aa) Insolvenzrechtlich ist die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, wenn das FA als "Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist".

37

bb) Ergibt sich bei der Steuerberechnung und Steuerfestsetzung für die Masse aufgrund von Vorsteuerbeträgen oder Berichtigungen ein Vergütungsanspruch (s. oben II.3.a), ist das FA nach der zu Abrechnungsbescheiden gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ergangenen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH auch unter Berücksichtigung von § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO zur Aufrechnung gemäß § 226 AO gegen den sich für die Masse aus der Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG ergebenden Vergütungsanspruch berechtigt, wenn und soweit der Vergütungsanspruch auf Vorsteuer- oder Berichtigungsbeträgen beruht, die "insolvenzrechtlich vor Verfahrenseröffnung begründet worden" sind (BFH-Urteil in BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745, unter II.).

38

Zur Begründung führt er aus, dass "es aus insolvenzrechtlicher Sicht auf die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestandes nicht ankommt", sondern maßgeblich "der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt [sei], der zu der Entstehung der Steueransprüche führt" (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195, unter II.2., und vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II.; vgl. auch BFH-Urteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, unter II.3., wonach es darauf ankommt, dass der "Anspruch ... in einem Steuerschuldverhältnis [wurzelt], das ... schon vor Verfahrenseröffnung bestanden hat").

39

c) Auch wenn der VII. Senat des BFH im Erhebungsverfahren die Aufrechnung gegen einen der Masse zustehenden Vergütungsanspruch zulässt, obwohl dieser auf einer Steuerberechnung für die Masse im Festsetzungsverfahren beruht, liegt darin keine im Streitfall entscheidungserhebliche Abweichung, die eine Anfrage an den VII. Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 3 FGO und ggf. eine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 2 FGO rechtfertigt. Der erkennende Senat schließt sich auch insoweit dem Urteil des XI. Senats des BFH (in BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.f.) an.

40

aa) Eine Abweichungsanfrage gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO setzt voraus, dass ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Für eine derartige Anfrage und ggf. Vorlage an den Großen Senat fehlt es im Streitfall an einer Abweichung hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage.

41

(1) Nach dem für die Entscheidung maßgebenden Geschäftsverteilungsplan (Teil A VII. Senat 5 c) ist der VII. Senat des BFH zuständig für Aufrechnung, Abtretung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für Abrechnungsbescheide, Rückforderungsbescheide und Anrechnungsverfügungen im Erhebungsverfahren, wenn nicht zugleich die Steuerfestsetzung streitig ist. Die Zuständigkeitsverteilung im Verhältnis zum VII. Senat des BFH entspricht daher der steuerverfahrensrechtlichen Unterscheidung zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungsverfahren (§§ 155 ff. AO und §§ 218 ff. AO). Im Streitfall entscheidet der erkennende Senat im Festsetzungsverfahren über die gemäß §§ 16 ff. UStG i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO für die Masse vorzunehmende Steuerberechnung und -festsetzung und berücksichtigt dabei, den insolvenzrechtlichen Besonderheiten entsprechend, nur die umsatzsteuerrechtlichen Einzelansprüche aus Umsätzen, abziehbaren Vorsteuerbeträgen und Berichtigungen, die nicht nach § 38 InsO bei der Berechnung der Insolvenzforderung dem vorinsolvenzrechtlichen Bereich, sondern nach den Bedingungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dem dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegenden Unternehmensteil zuzuordnen sind (s. oben II.2.a und 3.a). Demgegenüber betrifft die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH Abrechnungsbescheide nach § 218 AO, mit denen über die Wirksamkeit von Aufrechnungen gemäß § 226 AO unter Beachtung von § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entschieden wird, und damit das Erhebungsverfahren (s. oben II.3.b).

42

(2) Im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die im Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung für das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Denn Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sind gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 AO Steuerbescheide und Steuervergütungsbescheide. Daher ist im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid z.B. nicht über das materiell-rechtliche Bestehen der Gegenforderung des FA zu entscheiden, da dies Gegenstand des Festsetzungsverfahrens und des dieses Verfahren betreffenden Rechtsbehelfs ist. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH aus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285).

43

Im Hinblick auf diese Vorgreiflichkeit berührt die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH nicht die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides, der zu der Steuervergütung führt, gegen die das FA nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH auch unter Berücksichtigung der §§ 94 ff. InsO zur Aufrechnung berechtigt ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Mai 1998 V R 74/97, BFHE 185, 552, BStBl II 1998, 634, unter II.1. zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines Sequesters bei der Steuerfestsetzung für die Masse trotz der vom VII. Senat des BFH insoweit angenommenen Aufrechnungsbefugnis des FA). Dementsprechend hat die Aufrechnung keinen Einfluss auf die der Steuervergütung zugrunde liegenden Steuerfestsetzung (BFH-Urteil in BFHE 185, 552, BStBl II 1998, 634, unter II.1.).

44

bb) Nach § 11 Abs. 4 FGO kann dem Großen Senat auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung vorlegt werden, wenn das nach Auffassung des vorlegenden Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall aufgrund der Vorgreiflichkeit des Festsetzungs- für das Erhebungsverfahren (s. oben II.3.c.aa(1) gleichfalls nicht vor.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem über das Vermögen der H-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) am 21. Februar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Eröffnung des Verfahrens war von der Schuldnerin am 6. November 2001 beantragt worden.

2

Vom Kläger 2006 wegen angeblich uneinbringlich gewordener Forderungen aus einer Reihe von Ausgangsrechnungen vorgenommene Berichtigungen der Umsatzsteuer 2002 und 2003 führten zu Erstattungsbeträgen. Der Kläger hat dazu erklärt, die Berichtigung der betreffenden Anmeldungen habe zu einer Verminderung der Zahllast in den beiden Jahren um die in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) angeführten Beträge geführt, die deshalb zu erstatten seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen diese Beträge indes die Aufrechnung mit seinen unbefriedigten Umsatzsteuerforderungen März, April und September 2001 erklärt und hierüber aufgrund des Widerspruchs des Klägers den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 erlassen. Aufgrund einer späteren Berichtigungserklärung des Klägers für 2002 ist ein weiteres Vergütungsguthaben von rund ... € entstanden, welches das FA mit weiterhin rückständiger Umsatzsteuer März 2001 verrechnet hat. Hierüber ist der Abrechnungsbescheid vom 13. Februar 2007 ergangen.

4

Nach erfolglosem Einspruch gegen die beiden Abrechnungsbescheide ist Klage erhoben worden, mit der sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruft, dass eine Umsatzsteuerforderung erst dann entstanden sei, wenn der volle steuerrechtliche Tatbestand verwirklicht worden ist (Hinweis auf die Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; vom 30. April 2009 V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138, sowie vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996). Das sei hier erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall gewesen, so dass der Aufrechnung § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe.

5

Abgesehen davon verstoße der Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Kläger bezieht sich dabei auf einen nach seiner Darstellung und den Ausführungen im Urteil des FG verrechneten Umsatzsteuerbetrag November 2001; dieser sei erst nach Stellung des Insolvenzantrags entstanden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. Oktober 2009 IX ZR 147/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2010, 90, und die Urteile des Senats vom 2. November 2010 VII R 62/10, BFHE 232, 290, BStBl II 2011, 439 und VII R 6/10, BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374).

6

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (FG-Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1593).

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wesentlichen vorträgt, der Senat habe seit seinen Entscheidungen vom 21. September 1993 VII R 119/91 (BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83) und VII R 68/92 (BFH/NV 1994, 521) den Begriff des Begründetseins i.S. des § 38 InsO in ständiger Rechtsprechung als gleichbedeutend mit dem Begriff des Schuldigwerdens i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO betrachtet. Von dieser Rechtsprechung sei der V. Senat des BFH in seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf die Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und in BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138) eindeutig abgewichen, wenn er nun für das Begründetsein einer Forderung i.S. des § 38 InsO die vollständige Verwirklichung des steuerrechtlichen Tatbestands fordere. An dieser Abweichung ändere es nichts, dass der V. Senat zum Festsetzungs-, der VII. Senat hingegen zum Erhebungsverfahren entscheide; denn beide stellten in ihrer Rechtsprechung auf § 38 InsO ab.

8

Nach dieser neuen Rechtsprechung seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtswidrig, da die vollständige Tatbestandsverwirklichung hinsichtlich der aufgerechneten Erstattungsforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei.

9

Hinsichtlich des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hebt die Revision hervor, die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH und des VII. Senats des BFH. Der für die Anwendung vorgenannter Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf die Masse sei schon dann gegeben, wenn die Rechtshandlung für die Gläubigerbenachteiligung kausal sei, ohne dass es darauf ankomme, wann die Gegenforderung entstehe. Im Übrigen treffe die Annahme des FG, bei einer "Gesamtbetrachtung" hätten die Rechtshandlungen der Schuldnerin zu einer Vermögensmehrung geführt, nach der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht zu. Denn danach führe z.B. eine im November 2001 erbrachte Leistung zunächst zu einer Umsatzsteuerschuld November 2001, wenn das Entgelt aber erst im März 2002 zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, zu einer Umsatzsteuerschuld März 2002. Die durch die Insolvenzeröffnung ausgelöste Notwendigkeit einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spiele selbst bei einer Gesamtbetrachtung insofern keine Rolle, da ein etwaiges Guthaben --welches aufgrund des § 16 Abs. 2 UStG ohnehin unwahrscheinlich sei-- aufrechenbar wäre, so dass die Umsatzsteuer immer die Schuldenmasse erhöhe.

10

Das FA hält eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht für gegeben und teilt die Auffassung, dass eine Leistungserbringung keine anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist begründet (§ 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FA erklärten Aufrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

12

1. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO, der Vorrang vor § 96 Abs. 1 InsO beansprucht, gestattet die Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens einem Insolvenzgläubiger, der gegen den Insolvenzschuldner eine vor Verfahrenseröffnung begründete Forderung besitzt, bei welcher eine Bedingung erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dass ein Anspruch in diesem Sinne bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, nimmt die bereits zur Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des BGH an, wenn für das Entstehen der Forderung zwar noch eine vertragliche Bedingung oder eine gesetzliche Voraussetzung hinzutreten muss, also "ein Element der rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs noch nicht erfüllt ist", die Forderung jedoch "in ihrem rechtlichen Kern" aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist (BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1). Die Vorschrift solle jedoch nur den Gläubiger schützen, dessen Anspruch gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedürfe (vgl. BGH-Urteile vom 6. November 1989 II ZR 62/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 1301, und vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, NJW–Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2000, 1285). Die Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung werde deshalb nur dann unbeschadet der Insolvenzeröffnung nicht angetastet, wenn dieser vor der Eröffnung darauf "vertrauen" durfte, dass die Durchsetzung seiner Forderung mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (BGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206). Forderungen, deren Entstehen als Vollrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht so weitgehend gesichert war, dass mit ihrem gleichsam "automatischen" Entstehen gerechnet werden konnte, d.h. ohne dass dies von Entscheidungen oder sonstigen Willensbetätigungen des Steuerpflichtigen oder Dritter abhängig wäre, werden danach nicht erfasst (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 160, 1).

13

2. Bei steuerlichen Erstattungs- und Vergütungsforderungen hat der erkennende Senat bisher in Anknüpfung an diese Rechtsprechung für die insolvenzrechtliche Begründung eines Anspruchs nur verlangt, dass die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Er hat dies angenommen, wenn der Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (vgl. statt aller Senatsurteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). So liege es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gutzubringen sei. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung, Vergütung oder sonst die Rückführung der steuerlichen Belastung auslösende Ereignis selbst --z.B. die Notwendigkeit einer Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369)-- nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Insbesondere in den Fällen des § 17 UStG entstehe zwar ein steuerverfahrensrechtlich selbständiger Anspruch, der jedoch kompensatorischen Charakter habe, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegengesetzten Ereignisses zurückführe. Das rechtfertige es, ihn als bereits mit der Verwirklichung des Besteuerungstatbestands insolvenzrechtlich begründet anzusehen.

14

Es liegt auf der Hand und ist von der Rechtsprechung des Senats schon bisher nicht in Abrede gestellt worden, dass in den Fällen des § 17 Abs. 2 UStG bei Entstehen der betreffenden Steuerforderung ungewiss ist, ob es zu deren Kompensation durch einen entgegengesetzten Vergütungsanspruch bzw. einen aufgrund des Anspruchs auf Berücksichtigung eines entsprechenden Berichtigungsbetrags gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehenden Erstattungsanspruchs kommen wird, weil der künftige, dafür erforderliche Eintritt der "Bedingung" (hier: das Uneinbringlichwerden von Forderungen der Schuldnerin), also der Eintritt des steuerverfahrensrechtlichen Entstehungsgrunds --anders als in den vorgenannten, vom BGH entschiedenen Fällen das Entstehen der betreffenden zivilrechtlichen Forderung als Vollrecht-- ungewiss ist (vgl. u.a. Urteil des Senats in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Der Senat hat gleichwohl die in der Behandlung gemäß § 17 UStG berichtigter Umsatzsteuerforderungen in seiner Rechtsprechung liegende Zurückverlagerung des Entstehenszeitpunkts solcher Forderungen für gerechtfertigt gehalten, weil zwischen der durch eine solche Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung ein enger Zusammenhang dergestalt besteht, dass das Steuerrecht den Steueranspruch entstehen lässt, bevor der eigentliche steuerliche Belastungsgrund eingetreten ist bzw. unabänderlich feststeht, und zum Ausgleich für die Vorverlagerung der Steuerschuldentstehung dem Steuerpflichtigen einen ("kompensatorischen") Korrekturanspruch für den Fall garantiert, dass der steuerliche Belastungsgrund nicht in der von dem Steuergesetz vorausgesetzten Weise dauerhaft eintritt. Dass das UStG in einem solchen Fall einen eigenständigen Berichtigungsanspruch gewährt, statt entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) eine rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung zuzulassen, beruht allein auf steuerverfahrensrechtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und ändert an dem vorstehend zum Wesen der Umsatzsteuerberichtigung dargestellten Befund nichts.

15

3. Die Rechtsprechung des Senats hat im Schrifttum keinen oder nur zurückhaltenden Widerspruch gefunden (vgl. etwa Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 95 Rz 19, m.N. auch zu kritischen Stellungnahmen; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 9.279; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 92 ff.). Der für das Umsatzsteuerrecht zuständige V. Senat des BFH ist ihr in neuerer Zeit jedoch nicht gefolgt, sondern meint, jedenfalls für das Festsetzungsverfahren sei § 38 InsO dahin auszulegen, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimme, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich sei lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, und zuletzt vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466). Auch der ebenfalls für Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH scheint diesem Verständnis zu folgen. Der I. Senat des BFH hat ein bedingtes Entstehen einer Steuerforderung nur dann anerkennen wollen, wenn "der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann", so dass "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht"; das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch z.B. einen --bei Verfahrenseröffnung noch nicht gefällten-- Gewinnausschüttungsbeschluss voraussetze (vgl. Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822).

16

4. Der erkennende Senat hat all dies zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Er hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen.

17

Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist danach als entscheidend anzusehen, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird, die in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen also eintreten. Wird ein Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, insbesondere etwa dadurch, dass der Unternehmer zahlungsunfähig wird (wie es in der Regel ohne weiteres aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens --außer in den Fällen des § 18 InsO-- geschlossen werden kann), greift das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings auch dann nicht ein, wenn der betreffende Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens endet und mithin die Steuer i.S. des § 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, NJW-RR 2008, 206). Auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, kommt es in diesem Zusammenhang selbstredend erst recht nicht an.

18

5. Die Streitsache ist entscheidungsreif.

19

Aufgrund der Steueranmeldungen des Klägers, denen das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 2 AO --wenn auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- zwischen den Beteiligten fest, dass in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 zugunsten der Schuldnerin negative Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, die den vom FA verrechneten Anspruch ausgelöst haben. Der für dieses Verfahren --vorbehaltlich einer Änderung aufgrund des Nachprüfungsvorbehalts-- verbindlichen Rechtswirkung dieser Festsetzungen steht nicht entgegen, dass bei Abgabe der betreffenden Anmeldungen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war und im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine Steuerfestsetzungen ergehen können, vielmehr die Forderungen des FA nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen, nämlich zur Tabelle anzumelden, zu erörtern und zur Tabelle mangels Widerspruchs gegen die Anmeldung oder aufgrund eines Bescheids nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen sind. Es geht hier nämlich nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der (gegen den Kläger) festgesetzten nachinsolvenzlichen Steuerschuld der Schuldnerin. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte (BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11), weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert, die in der eben geschilderten Weise Gegenstand des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens sind.

20

Im Übrigen ist weder zwischen den Beteiligten streitig noch aus einem sonstigen Grund ernstlich zweifelhaft und deshalb von Amts wegen aufklärungsbedürftig, dass die vorgenannten Berichtigungsbeträge der Höhe und der zeitlichen Zuordnung nach zugunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen sind, die den Anmeldungen des Klägers zugrunde liegenden Forderungen aus vorinsolvenzlichen Leistungsvereinbarungen also in 2002 bzw. 2003 uneinbringlich geworden sind. Der erkennende Senat könnte deshalb diesen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur weiteren Sachaufklärung bedürfte. Angesichts der Rechtswirkung vorgenannter Anmeldungen kann er jedoch die Rechtsfrage dahinstehen lassen, ob die betreffenden angemeldeten (und auch entrichteten) Umsatzsteuern aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin bereits früher, nämlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen zu berichtigen gewesen wären. Für den Fall noch nicht entrichteter Umsatzsteuer hat das BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 erkannt, erbringe ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte ein. Mithin werde der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwirklicht und die Umsatzsteuer sei in einer logischen Sekunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, um sie bei Vereinnahmung des Entgelts durch den Verwalter erneut entstehen lassen zu können.

21

Es bedarf indes in dieser Entscheidung keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Rechtsauffassung und ihrer Konsequenz für Fälle wie den Streitfall, in dem die auf die angeblich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich gewordenen Entgelte zu entrichtende Umsatzsteuer bei Insolvenzeröffnung bereits entrichtet war und bei einer Berichtigung auf Null in dem Voranmeldungszeitraum Februar 2002 ggf. zu vergüten gewesen wäre. Auf einen derartigen, bislang auch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch dürfte der angefochtene Bescheid im Übrigen ohnehin nicht bezogen werden können.

22

Ist demnach davon auszugehen, dass das FA die von ihm verrechneten Berichtigungsbeträge erst 2002 bzw. 2003 i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldig geworden ist, so sind die angefochtenen Abrechnungsbescheide, welche die diesbezüglich vom FA erklärte Aufrechnung als wirksam bestätigt haben, rechtswidrig und folglich entsprechend dem Antrag des Klägers zu ändern.

23

6. Das FG hat den Abrechnungsbescheid vom 17. Oktober 2006 als (Bestätigung einer) Aufrechnung (auch) mit Umsatzsteuer November 2001 angesehen. Dazu weist der erkennende Senat darauf hin, dass diese Steuerforderung nicht streitgegenständlich ist --ebenso wenig wie die im Urteil des FG erwähnte Umsatzsteuer Oktober 2001--, nachdem die angefochtenen Abrechnungsbescheide über diese Forderungen nicht entscheiden, vielmehr ausschließlich die Aufrechnung gegen Umsatzsteuer März, April und September 2001 betreffen.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (GmbH).

2

Mit Beschluss vom 7. Juni 2012 ordnete das Amtsgericht … (AG) über das Vermögen der GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte den Antragsteller zum sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit weiterem Beschluss vom 19. Juli 2012 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren und bestellte den Antragsteller zum Insolvenzverwalter.

3

Der Antragsteller vereinnahmte im Voranmeldungszeitraum Juli 2012 Entgeltzahlungen für sonstige Leistungen in Höhe von 13.241,90 €, die die GmbH vor dem 7. Juni 2012 ausgeführt hatte. Er behandelte diese Leistungsentgelte in der für die GmbH eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) als Masseverbindlichkeit und bezog sie in Höhe von 11.127 € (= 13.241,90 € : 1,19) in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze ein. Die Abgabe dieser Steueranmeldung für Juli 2012 stand gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

4

Der gleichzeitig mit seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 eingelegte Einspruch, in dem der Antragsteller geltend machte, die aus den vor dem 7. Juni 2012 erbrachten sonstigen Leistungen herrührenden Umsatzsteuerforderungen seien keine Masseverbindlichkeiten sondern Insolvenzforderungen, blieb ohne Erfolg. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

5

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 lehnte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ebenfalls ab. Das FG gab dem bei ihm gestellten Antrag auf AdV gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 18. März 2013 statt. Denn die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 erscheine nicht über jegliche Rechtmäßigkeitszweifel erhaben.

6

Sie entspreche zwar der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298). Diese Rechtsprechung sei jedoch im Schrifttum umstritten.

7

Eine Entscheidung des ebenfalls für Umsatzsteuerangelegenheiten zuständigen XI. Senats des BFH sei bisher nicht bekannt geworden. Der VII. Senat des BFH habe offengelassen, ob er sich der Auffassung des V. Senats anschließen könne (Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36).

8

Nach der Ansicht des FG sei nicht frei von Zweifeln, ob allein der Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) zur Uneinbringlichkeit i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führe. Denn bisher habe die Rechtsprechung den Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, nicht als Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG genommen. Dies gelte sowohl für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge als auch für solche der Organschaft. Denn der BFH (Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 2/05, BFHE 216, 375, BStBl II 2007, 848) sei bisher davon ausgegangen, dass der Ausfall einer vorsteuerbelasteten Forderung, die gegenüber einer Organgesellschaft begründet und nach Ende der Organschaft uneinbringlich geworden sei, zur Vorsteuerberichtigung gegenüber der nunmehr umsatzsteuerlich selbständigen Organgesellschaft führe. Daraus sei geschlossen worden, dass in gleicher Weise die Berichtigung von Umsätzen vorzunehmen sei, dass also ein während der Organschaft erbrachter Umsatz der Organgesellschaft nach dem Ende der Organschaft von der Organgesellschaft zu berichtigen sei, wenn die Entgeltforderung nach dem Ende der Organschaft uneinbringlich werde.

9

Der BFH habe sich bisher nicht damit auseinandergesetzt, ob die zuvor skizzierte Besteuerungspraxis ebenfalls zu ändern sei oder ob sie in anderer Weise mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH vereinbar sei. Schließlich habe der BFH bislang nicht erörtert, ob die neuere Rechtsprechung des V. Senats richtlinienkonform sei (vgl. Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

10

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, es lägen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2012 vor. Es gebe keine widersprüchliche oder unterschiedliche Rechtsprechung mehrerer BFH-Senate, die "ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründen könne. Der VII. Senat und der XI. Senat des BFH hätten sich zwar der Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht angeschlossen, dieser aber auch nicht widersprochen.

11

Das FA beantragt sinngemäß,
den FG-Beschluss vom 18. März 2013 aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

14

1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist statthaft, weil sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO).

15

2. Die Beschwerde des FA ist auch begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Juli 2012 als unbegründet abgelehnt. Es bestehen bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids.

16

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschlüsse vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschlüsse in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; vom 25. April 2013 XI B 123/12, juris, Rz 12).

17

Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine Rechtsfrage streitig ist, die von einem oder mehreren Senaten des BFH unterschiedlich oder widersprüchlich entschieden worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 1986 I B 39/85, BFHE 146, 105, BStBl II 1986, 490, Leitsatz 1; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 69 FGO Rz 310).

18

b) Es genügt indes --entgegen der Auffassung des FG (Beschluss, Seite 5)-- nicht, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2012 "nicht über jeglichen Rechtmäßigkeitszweifel" erhaben erscheint.

19

Wie unter II.2.a dargelegt, rechtfertigt nicht irgendein und nicht jeder Zweifel, sondern nur ein in seiner Bedeutung als "ernstlich" anzusehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids eine AdV (vgl. Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 285).

20

3. Nach diesen Maßgaben bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

21

a) Nach den übereinstimmenden Auffassungen des Antragstellers, des FA und des FG entspricht der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2012 den durch die Rechtsprechung des V. Senats des BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen (vgl. Urteile vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682 zur Istbesteuerung; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996; in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298).

22

Mit Urteil vom 9. Dezember 2010 hat der BFH (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Leitsatz) entschieden, dass in dem Fall, in dem der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte steuerpflichtige Leistung vereinnahmt, die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollversteuerung eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet.

23

Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören". Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO oder um eine Masseverbindlichkeit handele, bestimme sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen sei. Unerheblich sei demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die vollständige Tatbestandsverwirklichung zu stellen seien, richte sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach Insolvenzrecht. Komme es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handele es sich um eine Insolvenzforderung, erfolge die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liege unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. BFH-Urteile in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 17 f.).

24

Zwar gelte auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Unternehmenseinheit, das Unternehmen bestehe jedoch nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden könnten. Zu unterscheiden seien der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden seien (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen seien, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden könnten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 28 f.).

25

Ändere sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, habe der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Diese Vorschrift gelte gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden sei. Uneinbringlichkeit setze nach ständiger BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, Leitsatz 1) voraus, dass der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt werde und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen könne. Erbringe der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, trete mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Rechtsgründen Uneinbringlichkeit ein (BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 27). Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe nach § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter über (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 30 ff.).

26

Werde das Entgelt nachträglich vereinnahmt, seien Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Diese erneute Berichtigung sei nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung vorzunehmen. Die erste Steuerberichtigung aufgrund der Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil und die zweite Steuerberichtigung aufgrund der Vereinnahmung führten somit zu einer zutreffenden Besteuerung des Gesamtunternehmens. Die aufgrund der Vereinnahmung entstehende Steuerberichtigung begründe eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ergebende Steueranspruch sei erst mit der Vereinnahmung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen. Für dieses Ergebnis spreche auch das Erfordernis, die Besteuerungsgleichheit zwischen Ist- und Sollbesteuerung zu wahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, Rz 31 f.).

27

b) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09 (BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II.2.) --mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH übereinstimmend-- entschieden, dass sich die Beurteilung, ob "es sich bei einem Umsatzsteueranspruch des FA um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) handelt, nach dem Zeitpunkt [bestimmt], zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; unerheblich ist dagegen der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor."

28

Es bedurfte indes bislang keiner Stellungnahme des erkennenden Senats zu der dem BFH-Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der wegfallenden Empfangszuständigkeit des Insolvenzschuldners die Uneinbringlichkeit der an ihn noch nicht entrichteten Entgelte für seine vor Verfahrenseröffnung ausgeführten Leistungen eintritt.

29

c) Auch der VII. Senat des BFH (Urteile in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 15 ff.; vom 25. Juli 2012 VII R 56/09, BFH/NV 2013, 413, unter II.2.; VII R 30/11, BFH/NV 2013, 603, unter II. am Ende) folgt dem Verständnis des V. und XI. Senats darin, dass sich die "Begründung" steuerlicher Forderungen und damit die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen danach bestimmt, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" ist; nicht maßgeblich ist lediglich der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

30

Der VII. Senat des BFH (in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, Rz 16) "hält nicht länger an seiner Rechtsansicht fest, dass eine aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstehende steuerliche Forderung bereits mit Begründung der zu berichtigenden Steuerforderung im insolvenzrechtlichen Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet ist. Dafür ist vor allem das Bestreben maßgeblich, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen, womit es nur schwer vereinbar wäre, wenn § 38 InsO im umsatzsteuerlichen Festsetzungsverfahren anders ausgelegt und angewendet würde als § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Erhebung der Umsatzsteuer. Denn beide Vorschriften beruhen auf demselben Rechtsgedanken: unter einem Vermögensanspruch, der gegen das Finanzamt zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war (§ 38 InsO), kann unbeschadet der unterschiedlichen Wortwahl des Gesetzes nichts anderes verstanden werden als etwas, was das Finanzamt nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dass letztere Vorschrift vor allem im Erhebungsverfahren zum Zuge kommt, nämlich bei einer Aufrechnung, während erstere die Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenzforderungen --im Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten (§§ 53 bis 55 InsO)-- betrifft, die zumindest in erster Linie für das Steuerfestsetzungsverfahren bedeutsam ist, ist insofern belanglos und ändert an der rechtslogischen Notwendigkeit nichts, die beiden vorgenannten Vorschriften gleich auszulegen."

31

Es liegt daher keine unterschiedliche oder widersprüchliche Rechtsprechung des BFH vor, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids begründen könnte.

32

d) Der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) folgt das Bundesministerium der Finanzen (Schreiben vom 9. Dezember 2011 IV D 2-S 7330/09/10001:001, BStBl I 2011, 1273) für alle Insolvenzverfahren, die --wie im Streitfall-- nach dem 31. Dezember 2011 eröffnet wurden.

33

e) Im Schrifttum hat die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats (in BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682; in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996) zum Teil Zustimmung (z.B. Wäger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1925; Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 555) und zum Teil Ablehnung (z.B. Kahlert, DStR 2011, 921, und DStR 2011, 1973; Welte/ Friedrich-Vache, UR 2012, 740) hervorgerufen.

34

Diese Kritik begründet jedoch bei der gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, weil der V. Senat des BFH im Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54 die Gegenargumente bereits im Wesentlichen verbeschieden hat (vgl. dazu Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 313). Er hat sich in dieser Entscheidung mit der Kritik von Kahlert (DStR 2011, 921, 925 f., und DStR 2011, 1973 ff., 1978) auseinandergesetzt und --auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06 (UR 2007, 742, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 206, unter II.2.c)-- festgestellt, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht insolvenzrechtlichen Wertungen widerspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat insoweit auf die dortige Begründung des V. Senats (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 16 ff. und 54). Mit der Entscheidung vom 24. November 2011 hält der V. Senat des BFH (in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 54) ausdrücklich --trotz der Kritik-- an seinem Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 fest.

35

f) Soweit das FG gegen die dargelegte Rechtsprechung des V. Senats des BFH einwendet, dass der Wechsel der Verfügungsmacht über eine Entgeltforderung, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz zurückgehe, z.B. in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, bislang kein Anlass für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG gewesen sei und die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung durch den V. Senat auf solche Fälle ungeklärt seien, kann der erkennende Senat diese Rechtsfrage im Aussetzungsverfahren offenlassen. Denn das summarische Beschlussverfahren ist schon deshalb nicht geeignet, diese Rechtsfrage zu klären, weil eine Gesamtrechtsnachfolge dem Streitfall nicht zugrunde liegt und diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Dasselbe gilt für den vom FG ferner angeführten Fall einer Organschaft.

36

g) Auch der allgemeine Hinweis des FG, dass der V. Senat des BFH nicht die Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL erörtert habe, begründet bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids.

37

Denn das FG nennt weder einen konkreten Grund, der für eine Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit Art. 90 MwStSystRL sprechen könnte, noch bringt das FG zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der dargelegten Rechtsprechung des V. Senats mit Unionsrecht bestünden.

38

Die Klärung dieser Rechtsfrage kann im Hauptsacheverfahren erfolgen. Sofern die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, ist ggf. im Urteil des FG die Revision zuzulassen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2014  12 K 4478/11 AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, der Inhaber mehrerer Spielhallen war.

2

Für die Jahre 1999 bis 2002 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Nachdem A ab dem Vorauszahlungszeitraum Februar 2001 zunächst nach Mahnung leistete, zahlte er nach Vollstreckungsankündigung am 22. Mai 2003 auf Rückstände ab November 2002 einen nicht ausreichenden Tilgungsbetrag (5.000 €). Wegen der Restforderung unternahm das FA weitere Vollstreckungsversuche. Im Juni 2003 gingen Drittschuldnerzahlungen ein. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) waren die Umsatzsteuern der Jahre 1999 bis 2002 vollständig getilgt, als ein Sozialversicherungsträger wegen rückständiger Beiträge Mai bis August 2004 am 20. Oktober 2004 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A stellte.

3

Am 17. März 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA meldete festgesetzte rückständige Steuern zur Insolvenztabelle an, die sich nach diversen Änderungen insgesamt auf rund 160.000 € beliefen.

4

Auf Antrag des Klägers, die bisher der Umsatzsteuer unterworfenen Umsätze aus den Spielautomaten in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei zu belassen, änderte das FA am 30. Januar 2006 erklärungsgemäß die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002. Das nunmehr festgesetzte Guthaben von insgesamt über 222.000 € verrechnete es mit den angemeldeten rückständigen Steuern und kehrte die Differenz der Insolvenzmasse aus.

5

Einspruch und Klage gegen den darüber erteilten Abrechnungsbescheid, den der Kläger im Wesentlichen mit einem Verbot der Aufrechnung rückständiger Steuern gegen den vermeintlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Erstattungsanspruch begründete, blieben erfolglos.

6

Das FG urteilte, das FA habe gegen die bereits gezahlte und aufgrund der geänderten Bescheide für die Jahre 1999 bis 2002 zu erstattende Umsatzsteuer mit Insolvenzforderungen aufrechnen dürfen. Zwar ergebe sich das Aufrechnungsrecht nicht aus § 94 der Insolvenzordnung (InsO), weil der Erstattungsanspruch des Schuldners noch der Ausübung des Wahlrechts durch den Kläger zur unmittelbaren Anwendung von Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG und der entsprechenden Änderung der Umsatzsteuerbescheide bedurft habe. Jedoch gestatte § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO die Aufrechnung, weil der Umsatzsteuererstattungsanspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt entstanden sei. Das FA sei die Erstattung nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erst nach Verfahrenseröffnung zur Masse schuldig geworden, vielmehr sei sie "ihrem Kern nach" --unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Änderung der den Zahlungen zu Grunde liegenden Bescheide-- bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Zu erstatten sei die vor Insolvenzeröffnung aufgrund der Umsätze des Schuldners für die Jahre 1999 bis 2002 entstandene und gezahlte Umsatzsteuer, weil die Umsatzsteuerfestsetzungen dieser Jahre nach Insolvenzeröffnung geändert worden seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 (BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36). Anders als in jenem Fall eines Berichtigungsanspruchs nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) --in welchem der für den Berichtigungsanspruch maßgebliche umsatzsteuerliche Sachverhalt erst nach Insolvenzeröffnung erfüllt worden sei, weil erst infolge der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung davon auszugehen war, dass die Rechnung nicht mehr beglichen werde-- sei der steuerliche Sachverhalt in Gestalt der Ausführung von Spielautomatenumsätzen in den Jahren 1999 bis 2002 unverändert geblieben. Der nach Insolvenzeröffnung gestellte Antrag des Klägers auf unmittelbare Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG und auf Änderung der bisherigen Umsatzsteuerbescheide nach Maßgabe der neu eingereichten berichtigten Umsatzsteuererklärungen habe den zu besteuernden Lebensvorgang nicht nachträglich verändert, sondern nur die durch die Ausübung des Wahlrechts bedingte Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Steuerfestsetzungen eintreten lassen.

7

Die Aufrechnung sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 133 Abs. 1 InsO ausgeschlossen. Soweit die festgesetzten Umsatzsteuern durch Beitreibungsmaßnahmen oder Verrechnung getilgt worden seien, habe das FA sie nicht durch eine Rechtshandlung des Schuldners erlangt und eigene Rechtshandlungen des FA wären nur innerhalb der Fristen der §§ 130, 131 InsO anfechtbar gewesen. Zahlungen des A seien nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil vom Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen worden sei, dass mit dem Vorsatz gezahlt worden sei, die Gläubiger zu benachteiligen und das FA dies gewusst habe. Das Urteil des FG ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1362.

8

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Aufrechnung des FA sei --entgegen der Auffassung des FG-- unzulässig, weil das FA die mit den Änderungsbescheiden festgesetzten Erstattungen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs Europäischen Union (EuGH) Linneweber und Akritidis vom 17. Februar 2005 C-453/02 und C-462/02 (EU:C:2005:92) und nachfolgend des BFH vom 12. Mai 2005 V R 7/02 (BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617) könne sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG keine Anwendung finde. Im Anschluss daran habe der BFH mit Urteil vom 31. August 2011 X R 19/10 (BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190) entschieden, dass Umsatzsteuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren seien, der auf die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 8. Januar 2003 VII R 7/02 (BFHE 200, 475, BFH/NV 2003, 575) folge. Diese wirtschaftlich an § 266 des Handelsgesetzbuchs ausgerichtete Betrachtungsweise decke sich mit dem steuerrechtlichen Entstehen des Erstattungsanspruchs aus Umsatzsteuer. Danach sei der Erstattungsanspruch erst aufgrund geänderter Bescheide nach korrigierten Umsatzsteuererklärungen im Januar 2006 sowohl wirtschaftlich als auch steuerrechtlich entstanden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Verbot der Aufrechnung mit einer aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstandenen steuerlichen Forderung (Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36), wonach es im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht auf die Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts ankomme, sondern darauf, wann die Forderung des Insolvenzschuldners umsatzsteuerrechtlich begründet sei.

9

Im Übrigen hält der Kläger das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 133 und 134 InsO für einschlägig. So komme es nicht darauf an, ob den Parteien die Inkongruenz bewusst oder bekannt gewesen sei. Von der jedenfalls "drohenden" Inkongruenz sei mit Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils des FG Münster vom 26. Oktober 2001  5 K 4280/00 U (EFG 2002, 501 - Vorinstanz zu BFH V R 7/02) auszugehen. Ferner habe die Finanzverwaltung Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des A gehabt, wie sich aus der Nichtzahlung fälliger Steuerverbindlichkeiten und der späteren Beitreibung der Steuerforderungen ergebe. Außerdem begründeten die seinerzeit den Umsatzsteuerzahlungen zu Grunde liegenden Steuerbescheide keinen Rechtsgrund für das "Behaltendürfen", weil sie materiell-rechtlich rechtswidrig und noch nicht bestandskräftig gewesen seien.

10

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Abrechnungsbescheid dahin zu ändern, dass ein Guthaben in Höhe von 160.371 € ausgewiesen wird.

11

Das FA schließt sich den Ausführungen des FG mit ergänzenden Ausführungen an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist. Das FA war berechtigt, mit seinen zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen gegen den sich aufgrund der geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 ergebenden Erstattungsanspruch aufzurechnen.

13

1. Allerdings war das FA nicht schon nach § 94 InsO zur Aufrechnung berechtigt. Denn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens standen sich die Insolvenzforderungen des FA und der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch noch nicht in der nach § 226 der Abgabenordnung i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorausgesetzten Weise aufrechenbar gegenüber. Vielmehr bestand der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der durch vollziehbare Bescheide festgesetzten und von A bereits entrichteten Umsatzsteuern 1999 bis 2002 jedenfalls so lange fort, wie die (verfahrensrechtliche) Voraussetzung für die Änderung dieser Bescheide noch nicht erfüllt war. Diese Voraussetzung, die Geltendmachung des sich unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG ergebenden Rechtsanspruchs auf die Steuerbefreiung der Umsätze aus den Glücksspielautomaten, ist erst mit dem Antrag des Klägers --und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- eingetreten.

14

2. Nachdem das FA auf Antrag des Klägers die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 1999 bis 2002 erlassen hatte (zur Zulässigkeit, Erstattungsbescheide über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erlassen, vgl. Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, m.w.N.) und (spätestens) damit die Aufrechnungslage entstanden war, war das FA auch nicht durch ein insolvenzrechtliches Verbot gemäß § 96 Abs. 1 InsO an der Aufrechnung mit seinen Insolvenzforderungen gegen diese Erstattungsansprüche gehindert.

15

a) Die Aufrechnung war nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, weil das FA die Erstattungen nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.

16

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, besteht das Aufrechnungsverbot nach der Senatsrechtsprechung nicht, wenn die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, d.h. sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt waren (Senatsurteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, m.w.N.). Anders als offenbar der Kläger meint, kommt der Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Senat hatte in jener Entscheidung über die insolvenzrechtliche Begründung des Berichtigungsanspruchs nach § 17 Abs. 2 UStG zu befinden. Für die dort geregelten Fälle --in denen das Uneinbringlichwerden der Forderung im Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer noch ungewiss ist-- gewährt das UStG einen eigenständigen Berichtigungsanspruch und bestimmt für dessen Entstehung den Voranmeldungszeitraum der Uneinbringlichkeit.

17

Der im Streitfall zu beurteilende Erstattungsanspruch weist eine vergleichbare Besonderheit in seiner Entstehung nicht auf. Materiell-rechtlich waren die Umsätze aus den Glücksspielautomaten bereits in den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2002 in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Denn nach der Linneweber und Akritidis Entscheidung des EuGH (EU:C:2005:92) hat diese Bestimmung seit ihrem Inkrafttreten (so der EuGH in Rz 41 der Entscheidung) unmittelbare Wirkung in dem Sinne, dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften --§ 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG i.d.F. vom 21. Februar 2005, gültig bis 5. Mai 2006-- zu verhindern. Der Umstand, dass sich der Betreiber der Geräte auf die Bestimmung "berufen kann", sie also geltend machen muss, ändert nichts daran, dass der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Februar 2012 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822) in dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem die Umsatzsteuer für diese Umsätze entrichtet worden ist. Für den insoweit vergleichbaren Fall einer erst während des Insolvenzverfahrens beantragten Investitionszulage hat der Senat bereits entschieden, dass für die insolvenzrechtliche Begründung dieses Anspruchs nicht erforderlich ist, dass der Investitionszulageantrag bereits gestellt war (Senatsbeschluss vom 21. März 2014 VII B 214/12, BFH/NV 2014, 1088).

18

b) Ein Aufrechnungsverbot des FA ergibt sich auch nicht aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Denn das FA hat die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt.

19

aa) Die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 130 und § 131 InsO scheitern --unbeschadet der vom FG insoweit erörterten weiteren Voraussetzungen-- bereits daran, dass Rechtshandlungen, deren Anfechtung in Betracht kommen könnte, jedenfalls nicht innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden sind. Nach den Feststellungen des FG erfolgte die letzte Zahlung des Schuldners A an das FA am 22. Mai 2003 und damit mehr als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20. Oktober 2004. Auch Rechtshandlungen des FA (insbesondere Vollstreckungsmaßnahmen) sind nach den Feststellungen des FG nicht innerhalb der genannten Fristen vorgenommen worden.

20

bb) Nach § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, die dieser mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil, hier das FA, zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, wobei die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung die Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners begründet. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), kann von einem Vorsatz des A, seine Gläubiger zu benachteiligen, jedoch nicht ausgegangen werden.

21

3. Die Revision war daher mit der Folge zurückzuweisen, dass der Kläger die Kosten zu tragen hat (§ 135 Abs. 2 FGO).

Tatbestand

1

I. Nachdem am 1. Dezember 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der V GmbH & Co. KG eröffnet worden war, stellte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter am 29. November 2005 für das Jahr 2003 einen Antrag auf Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999). Am 24. Februar 2006 erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung des Anspruchs auf Investitionszulage 2003 mit der Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 66.069,54 € und mit der Lohnsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) 2002 in Höhe von 83,36 €. Der Investitionszulagebescheid für das Jahr 2003 erging am 3. März 2006.

2

Auf Antrag des Klägers erließ das FA am 12. Juli 2006 gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung einen Abrechnungsbescheid. Der Anspruch auf Investitionszulage 2003 sei durch Aufrechnung erloschen. § 96 der Insolvenzordnung (InsO) stehe der Aufrechnung nicht entgegen, da der Anspruch auf Investitionszulage --ebenso wie die Umsatzsteuer 2004 und die Lohnsteuer 2002-- bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sei.

3

Sowohl das Einspruchsverfahren als auch das Klageverfahren blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die vom FA erklärte Aufrechnung sei nicht durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. Denn der dem Anspruch auf Investitionszulage 2003 zugrunde liegende Sachverhalt sei im Kern bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden. Dass der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, habe auf die insolvenzrechtliche Begründung des Anspruchs keinen Einfluss.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher nicht entschieden, ob ein Anspruch auf Investitionszulage erst mit dem entsprechenden Antrag auf Gewährung der Investitionszulage insolvenzrechtlich begründet sei.

5

Darüber hinaus sei die Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen. Denn das Urteil des FG widerspreche hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Investitionszulage insolvenzrechtlich begründet sei, sowohl der geänderten Rechtsprechung des VII. Senats des BFH als auch der Rechtsprechung des V. und des I. Senats des BFH sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

6

Das FG habe insbesondere das Urteil des VII. Senats des BFH vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 (BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36) unberücksichtigt gelassen. Unter ausdrücklicher Änderung der vom FG zitierten Rechtsprechung stelle der VII. Senat darin für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung auf den Eintritt der materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen ab. Dies setze bei der Investitionszulage eine entsprechende Antragstellung voraus. Mit der Änderung seiner Rechtsprechung habe sich der VII. Senat des BFH der Rechtsprechung des V. Senats angeschlossen, nach dem es für die insolvenzrechtliche Begründung eines Umsatzsteueranspruchs darauf ankomme, ob der den Steueranspruch begründende Tatbestand "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" sei (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466, m.w.N.). Der I. Senat des BFH verlange ebenfalls, dass der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen sei und "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes" entstehe (BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822). Schließlich gehe auch der BGH nur dann von einer Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung aus, wenn dieser vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf habe vertrauen dürfen, dass die Durchsetzung seiner Forderung wegen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206, m.w.N.).

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Unabhängig davon, ob die Beschwerde den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, liegt weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO vor.

8

1. Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtsfrage beizumessen, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 VII B 167/11, BFH/NV 2012, 2029, m.w.N.).

9

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

10

Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO weist der Kläger selbst auf das Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 hin, in dem sich der Senat ausdrücklich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH angeschlossen hat. Danach setzt die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO voraus, dass sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Weiterer Klärungsbedarf ist nicht erkennbar.

11

Dies gilt auch für die spezielle Frage, ob bei einem Anspruch auf Investitionszulage für dessen insolvenzrechtliche Begründung die Stellung eines Investitionszulageantrags erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich diese Frage auf der Grundlage der bisher ergangenen BFH-Rechtsprechung ohne Weiteres verneinen. Denn der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage (§ 5 InvZulG 1999) ist nach dem BFH-Urteil vom 24. Mai 2012 III R 95/08 (BFH/NV 2012, 1658, m.w.N.) keine materiell-rechtliche, sondern eine eigenständige formelle Voraussetzung des Investitionszulageanspruchs. Der materiell-rechtliche Anspruch entsteht dagegen bereits mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen worden sind. Im Übrigen hat der BFH sowohl in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 als auch in BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822 ausdrücklich entschieden, dass es für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung nicht auf die Abgabe bzw. die Berichtigung einer Steueranmeldung ankommt. Dies muss für den Antrag auf Gewährung von Investitionszulage entsprechend gelten.

12

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass der Kläger tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 110/11, BFH/NV 2012, 616).

13

Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger zutreffend dargelegt, dass das FG hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Begründung einer Forderung von den Grundsätzen einer mittlerweile überholten Rechtsprechung des beschließenden Senats ausging und damit sowohl vom Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 als auch von der Rechtsprechung des V. Senats in BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466 und der Rechtsprechung des BGH in BGHZ 170, 206 abwich. Entgegen der Auffassung des Klägers waren diese Unterschiede aber nicht entscheidungserheblich. Vielmehr bleibt es im Streitfall auch nach den vom Kläger genannten divergierenden Entscheidungen, die für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung andere Anforderungen stellen und damit zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO führen, bei dem durch das FG gefundenen Ergebnis, dass der Investitionszulageanspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich begründet und die Aufrechnung durch das FA nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig war. Insofern wird auf die Ausführungen unter II.1. Bezug genommen.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tatbestand

1

I. Nachdem am 1. Dezember 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der V GmbH & Co. KG eröffnet worden war, stellte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter am 29. November 2005 für das Jahr 2003 einen Antrag auf Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999). Am 24. Februar 2006 erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Aufrechnung des Anspruchs auf Investitionszulage 2003 mit der Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 66.069,54 € und mit der Lohnsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) 2002 in Höhe von 83,36 €. Der Investitionszulagebescheid für das Jahr 2003 erging am 3. März 2006.

2

Auf Antrag des Klägers erließ das FA am 12. Juli 2006 gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung einen Abrechnungsbescheid. Der Anspruch auf Investitionszulage 2003 sei durch Aufrechnung erloschen. § 96 der Insolvenzordnung (InsO) stehe der Aufrechnung nicht entgegen, da der Anspruch auf Investitionszulage --ebenso wie die Umsatzsteuer 2004 und die Lohnsteuer 2002-- bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sei.

3

Sowohl das Einspruchsverfahren als auch das Klageverfahren blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die vom FA erklärte Aufrechnung sei nicht durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. Denn der dem Anspruch auf Investitionszulage 2003 zugrunde liegende Sachverhalt sei im Kern bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden. Dass der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, habe auf die insolvenzrechtliche Begründung des Anspruchs keinen Einfluss.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher nicht entschieden, ob ein Anspruch auf Investitionszulage erst mit dem entsprechenden Antrag auf Gewährung der Investitionszulage insolvenzrechtlich begründet sei.

5

Darüber hinaus sei die Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen. Denn das Urteil des FG widerspreche hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Investitionszulage insolvenzrechtlich begründet sei, sowohl der geänderten Rechtsprechung des VII. Senats des BFH als auch der Rechtsprechung des V. und des I. Senats des BFH sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

6

Das FG habe insbesondere das Urteil des VII. Senats des BFH vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 (BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36) unberücksichtigt gelassen. Unter ausdrücklicher Änderung der vom FG zitierten Rechtsprechung stelle der VII. Senat darin für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung auf den Eintritt der materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen ab. Dies setze bei der Investitionszulage eine entsprechende Antragstellung voraus. Mit der Änderung seiner Rechtsprechung habe sich der VII. Senat des BFH der Rechtsprechung des V. Senats angeschlossen, nach dem es für die insolvenzrechtliche Begründung eines Umsatzsteueranspruchs darauf ankomme, ob der den Steueranspruch begründende Tatbestand "vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen" sei (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466, m.w.N.). Der I. Senat des BFH verlange ebenfalls, dass der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen sei und "ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes" entstehe (BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822). Schließlich gehe auch der BGH nur dann von einer Befugnis des Gläubigers zur Aufrechnung aus, wenn dieser vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf habe vertrauen dürfen, dass die Durchsetzung seiner Forderung wegen einer Aufrechnungslage keine Schwierigkeiten bereiten werde (Urteil vom 14. Dezember 2006 IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206, m.w.N.).

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Unabhängig davon, ob die Beschwerde den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, liegt weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO vor.

8

1. Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtsfrage beizumessen, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 VII B 167/11, BFH/NV 2012, 2029, m.w.N.).

9

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

10

Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO weist der Kläger selbst auf das Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 hin, in dem sich der Senat ausdrücklich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH angeschlossen hat. Danach setzt die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO voraus, dass sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Weiterer Klärungsbedarf ist nicht erkennbar.

11

Dies gilt auch für die spezielle Frage, ob bei einem Anspruch auf Investitionszulage für dessen insolvenzrechtliche Begründung die Stellung eines Investitionszulageantrags erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich diese Frage auf der Grundlage der bisher ergangenen BFH-Rechtsprechung ohne Weiteres verneinen. Denn der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage (§ 5 InvZulG 1999) ist nach dem BFH-Urteil vom 24. Mai 2012 III R 95/08 (BFH/NV 2012, 1658, m.w.N.) keine materiell-rechtliche, sondern eine eigenständige formelle Voraussetzung des Investitionszulageanspruchs. Der materiell-rechtliche Anspruch entsteht dagegen bereits mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen worden sind. Im Übrigen hat der BFH sowohl in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 als auch in BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822 ausdrücklich entschieden, dass es für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung nicht auf die Abgabe bzw. die Berichtigung einer Steueranmeldung ankommt. Dies muss für den Antrag auf Gewährung von Investitionszulage entsprechend gelten.

12

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass der Kläger tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 110/11, BFH/NV 2012, 616).

13

Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger zutreffend dargelegt, dass das FG hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Begründung einer Forderung von den Grundsätzen einer mittlerweile überholten Rechtsprechung des beschließenden Senats ausging und damit sowohl vom Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 als auch von der Rechtsprechung des V. Senats in BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466 und der Rechtsprechung des BGH in BGHZ 170, 206 abwich. Entgegen der Auffassung des Klägers waren diese Unterschiede aber nicht entscheidungserheblich. Vielmehr bleibt es im Streitfall auch nach den vom Kläger genannten divergierenden Entscheidungen, die für die insolvenzrechtliche Begründung einer Forderung andere Anforderungen stellen und damit zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO führen, bei dem durch das FG gefundenen Ergebnis, dass der Investitionszulageanspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich begründet und die Aufrechnung durch das FA nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig war. Insofern wird auf die Ausführungen unter II.1. Bezug genommen.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2014  12 K 4478/11 AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, der Inhaber mehrerer Spielhallen war.

2

Für die Jahre 1999 bis 2002 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Nachdem A ab dem Vorauszahlungszeitraum Februar 2001 zunächst nach Mahnung leistete, zahlte er nach Vollstreckungsankündigung am 22. Mai 2003 auf Rückstände ab November 2002 einen nicht ausreichenden Tilgungsbetrag (5.000 €). Wegen der Restforderung unternahm das FA weitere Vollstreckungsversuche. Im Juni 2003 gingen Drittschuldnerzahlungen ein. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) waren die Umsatzsteuern der Jahre 1999 bis 2002 vollständig getilgt, als ein Sozialversicherungsträger wegen rückständiger Beiträge Mai bis August 2004 am 20. Oktober 2004 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A stellte.

3

Am 17. März 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA meldete festgesetzte rückständige Steuern zur Insolvenztabelle an, die sich nach diversen Änderungen insgesamt auf rund 160.000 € beliefen.

4

Auf Antrag des Klägers, die bisher der Umsatzsteuer unterworfenen Umsätze aus den Spielautomaten in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei zu belassen, änderte das FA am 30. Januar 2006 erklärungsgemäß die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002. Das nunmehr festgesetzte Guthaben von insgesamt über 222.000 € verrechnete es mit den angemeldeten rückständigen Steuern und kehrte die Differenz der Insolvenzmasse aus.

5

Einspruch und Klage gegen den darüber erteilten Abrechnungsbescheid, den der Kläger im Wesentlichen mit einem Verbot der Aufrechnung rückständiger Steuern gegen den vermeintlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Erstattungsanspruch begründete, blieben erfolglos.

6

Das FG urteilte, das FA habe gegen die bereits gezahlte und aufgrund der geänderten Bescheide für die Jahre 1999 bis 2002 zu erstattende Umsatzsteuer mit Insolvenzforderungen aufrechnen dürfen. Zwar ergebe sich das Aufrechnungsrecht nicht aus § 94 der Insolvenzordnung (InsO), weil der Erstattungsanspruch des Schuldners noch der Ausübung des Wahlrechts durch den Kläger zur unmittelbaren Anwendung von Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG und der entsprechenden Änderung der Umsatzsteuerbescheide bedurft habe. Jedoch gestatte § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO die Aufrechnung, weil der Umsatzsteuererstattungsanspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt entstanden sei. Das FA sei die Erstattung nicht i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erst nach Verfahrenseröffnung zur Masse schuldig geworden, vielmehr sei sie "ihrem Kern nach" --unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Änderung der den Zahlungen zu Grunde liegenden Bescheide-- bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Zu erstatten sei die vor Insolvenzeröffnung aufgrund der Umsätze des Schuldners für die Jahre 1999 bis 2002 entstandene und gezahlte Umsatzsteuer, weil die Umsatzsteuerfestsetzungen dieser Jahre nach Insolvenzeröffnung geändert worden seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 2012 VII R 29/11 (BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36). Anders als in jenem Fall eines Berichtigungsanspruchs nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) --in welchem der für den Berichtigungsanspruch maßgebliche umsatzsteuerliche Sachverhalt erst nach Insolvenzeröffnung erfüllt worden sei, weil erst infolge der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung davon auszugehen war, dass die Rechnung nicht mehr beglichen werde-- sei der steuerliche Sachverhalt in Gestalt der Ausführung von Spielautomatenumsätzen in den Jahren 1999 bis 2002 unverändert geblieben. Der nach Insolvenzeröffnung gestellte Antrag des Klägers auf unmittelbare Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG und auf Änderung der bisherigen Umsatzsteuerbescheide nach Maßgabe der neu eingereichten berichtigten Umsatzsteuererklärungen habe den zu besteuernden Lebensvorgang nicht nachträglich verändert, sondern nur die durch die Ausübung des Wahlrechts bedingte Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Steuerfestsetzungen eintreten lassen.

7

Die Aufrechnung sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 133 Abs. 1 InsO ausgeschlossen. Soweit die festgesetzten Umsatzsteuern durch Beitreibungsmaßnahmen oder Verrechnung getilgt worden seien, habe das FA sie nicht durch eine Rechtshandlung des Schuldners erlangt und eigene Rechtshandlungen des FA wären nur innerhalb der Fristen der §§ 130, 131 InsO anfechtbar gewesen. Zahlungen des A seien nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil vom Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen worden sei, dass mit dem Vorsatz gezahlt worden sei, die Gläubiger zu benachteiligen und das FA dies gewusst habe. Das Urteil des FG ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1362.

8

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Aufrechnung des FA sei --entgegen der Auffassung des FG-- unzulässig, weil das FA die mit den Änderungsbescheiden festgesetzten Erstattungen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs Europäischen Union (EuGH) Linneweber und Akritidis vom 17. Februar 2005 C-453/02 und C-462/02 (EU:C:2005:92) und nachfolgend des BFH vom 12. Mai 2005 V R 7/02 (BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617) könne sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG keine Anwendung finde. Im Anschluss daran habe der BFH mit Urteil vom 31. August 2011 X R 19/10 (BFHE 234, 420, BStBl II 2012, 190) entschieden, dass Umsatzsteuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren seien, der auf die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 8. Januar 2003 VII R 7/02 (BFHE 200, 475, BFH/NV 2003, 575) folge. Diese wirtschaftlich an § 266 des Handelsgesetzbuchs ausgerichtete Betrachtungsweise decke sich mit dem steuerrechtlichen Entstehen des Erstattungsanspruchs aus Umsatzsteuer. Danach sei der Erstattungsanspruch erst aufgrund geänderter Bescheide nach korrigierten Umsatzsteuererklärungen im Januar 2006 sowohl wirtschaftlich als auch steuerrechtlich entstanden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Verbot der Aufrechnung mit einer aufgrund Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG entstandenen steuerlichen Forderung (Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36), wonach es im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht auf die Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts ankomme, sondern darauf, wann die Forderung des Insolvenzschuldners umsatzsteuerrechtlich begründet sei.

9

Im Übrigen hält der Kläger das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 133 und 134 InsO für einschlägig. So komme es nicht darauf an, ob den Parteien die Inkongruenz bewusst oder bekannt gewesen sei. Von der jedenfalls "drohenden" Inkongruenz sei mit Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils des FG Münster vom 26. Oktober 2001  5 K 4280/00 U (EFG 2002, 501 - Vorinstanz zu BFH V R 7/02) auszugehen. Ferner habe die Finanzverwaltung Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des A gehabt, wie sich aus der Nichtzahlung fälliger Steuerverbindlichkeiten und der späteren Beitreibung der Steuerforderungen ergebe. Außerdem begründeten die seinerzeit den Umsatzsteuerzahlungen zu Grunde liegenden Steuerbescheide keinen Rechtsgrund für das "Behaltendürfen", weil sie materiell-rechtlich rechtswidrig und noch nicht bestandskräftig gewesen seien.

10

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Abrechnungsbescheid dahin zu ändern, dass ein Guthaben in Höhe von 160.371 € ausgewiesen wird.

11

Das FA schließt sich den Ausführungen des FG mit ergänzenden Ausführungen an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist. Das FA war berechtigt, mit seinen zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen gegen den sich aufgrund der geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 ergebenden Erstattungsanspruch aufzurechnen.

13

1. Allerdings war das FA nicht schon nach § 94 InsO zur Aufrechnung berechtigt. Denn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens standen sich die Insolvenzforderungen des FA und der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch noch nicht in der nach § 226 der Abgabenordnung i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorausgesetzten Weise aufrechenbar gegenüber. Vielmehr bestand der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der durch vollziehbare Bescheide festgesetzten und von A bereits entrichteten Umsatzsteuern 1999 bis 2002 jedenfalls so lange fort, wie die (verfahrensrechtliche) Voraussetzung für die Änderung dieser Bescheide noch nicht erfüllt war. Diese Voraussetzung, die Geltendmachung des sich unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG ergebenden Rechtsanspruchs auf die Steuerbefreiung der Umsätze aus den Glücksspielautomaten, ist erst mit dem Antrag des Klägers --und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens-- eingetreten.

14

2. Nachdem das FA auf Antrag des Klägers die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 1999 bis 2002 erlassen hatte (zur Zulässigkeit, Erstattungsbescheide über vorinsolvenzliche Umsatzsteuerguthaben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erlassen, vgl. Senatsurteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36, m.w.N.) und (spätestens) damit die Aufrechnungslage entstanden war, war das FA auch nicht durch ein insolvenzrechtliches Verbot gemäß § 96 Abs. 1 InsO an der Aufrechnung mit seinen Insolvenzforderungen gegen diese Erstattungsansprüche gehindert.

15

a) Die Aufrechnung war nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, weil das FA die Erstattungen nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.

16

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, besteht das Aufrechnungsverbot nach der Senatsrechtsprechung nicht, wenn die Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist, d.h. sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt waren (Senatsurteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, m.w.N.). Anders als offenbar der Kläger meint, kommt der Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Senat hatte in jener Entscheidung über die insolvenzrechtliche Begründung des Berichtigungsanspruchs nach § 17 Abs. 2 UStG zu befinden. Für die dort geregelten Fälle --in denen das Uneinbringlichwerden der Forderung im Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer noch ungewiss ist-- gewährt das UStG einen eigenständigen Berichtigungsanspruch und bestimmt für dessen Entstehung den Voranmeldungszeitraum der Uneinbringlichkeit.

17

Der im Streitfall zu beurteilende Erstattungsanspruch weist eine vergleichbare Besonderheit in seiner Entstehung nicht auf. Materiell-rechtlich waren die Umsätze aus den Glücksspielautomaten bereits in den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2002 in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Denn nach der Linneweber und Akritidis Entscheidung des EuGH (EU:C:2005:92) hat diese Bestimmung seit ihrem Inkrafttreten (so der EuGH in Rz 41 der Entscheidung) unmittelbare Wirkung in dem Sinne, dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften --§ 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG i.d.F. vom 21. Februar 2005, gültig bis 5. Mai 2006-- zu verhindern. Der Umstand, dass sich der Betreiber der Geräte auf die Bestimmung "berufen kann", sie also geltend machen muss, ändert nichts daran, dass der Rechtsanspruch auf Erstattung kraft Gesetzes ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Februar 2012 I R 20/10, BFHE 233, 114, BStBl II 2011, 822) in dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem die Umsatzsteuer für diese Umsätze entrichtet worden ist. Für den insoweit vergleichbaren Fall einer erst während des Insolvenzverfahrens beantragten Investitionszulage hat der Senat bereits entschieden, dass für die insolvenzrechtliche Begründung dieses Anspruchs nicht erforderlich ist, dass der Investitionszulageantrag bereits gestellt war (Senatsbeschluss vom 21. März 2014 VII B 214/12, BFH/NV 2014, 1088).

18

b) Ein Aufrechnungsverbot des FA ergibt sich auch nicht aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Denn das FA hat die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt.

19

aa) Die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 130 und § 131 InsO scheitern --unbeschadet der vom FG insoweit erörterten weiteren Voraussetzungen-- bereits daran, dass Rechtshandlungen, deren Anfechtung in Betracht kommen könnte, jedenfalls nicht innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden sind. Nach den Feststellungen des FG erfolgte die letzte Zahlung des Schuldners A an das FA am 22. Mai 2003 und damit mehr als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20. Oktober 2004. Auch Rechtshandlungen des FA (insbesondere Vollstreckungsmaßnahmen) sind nach den Feststellungen des FG nicht innerhalb der genannten Fristen vorgenommen worden.

20

bb) Nach § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, die dieser mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil, hier das FA, zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, wobei die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung die Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners begründet. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), kann von einem Vorsatz des A, seine Gläubiger zu benachteiligen, jedoch nicht ausgegangen werden.

21

3. Die Revision war daher mit der Folge zurückzuweisen, dass der Kläger die Kosten zu tragen hat (§ 135 Abs. 2 FGO).

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.

(2) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Die Steuer ist, soweit nicht § 20 gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen, soweit für sie die Steuer in dem Besteuerungszeitraum entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Der Steuer sind die nach § 6a Abs. 4 Satz 2, nach § 14c sowie nach § 17 Abs. 1 Satz 6 geschuldeten Steuerbeträge hinzuzurechnen.

(1a) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18 Abs. 4c Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Abs. 5 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1b) Macht ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2) von § 18 Absatz 4e Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Absatz 5 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1c) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18i Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1d) Macht ein Unternehmer von § 18j Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates und der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, sowie der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3 und der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1e) Macht ein Unternehmer oder ein in seinem Auftrag handelnder Vertreter von § 18k Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum der Kalendermonat. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(2) Von der nach Absatz 1 berechneten Steuer sind vorbehaltlich des § 18 Absatz 9 Satz 3 die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. § 15a ist zu berücksichtigen.

(3) Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so tritt dieser Teil an die Stelle des Kalenderjahres.

(4) Abweichend von den Absätzen 1, 2 und 3 kann das Finanzamt einen kürzeren Besteuerungszeitraum bestimmen, wenn der Eingang der Steuer gefährdet erscheint oder der Unternehmer damit einverstanden ist.

(5) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, wird die Steuer, abweichend von Absatz 1, für jeden einzelnen steuerpflichtigen Umsatz durch die zuständige Zolldienststelle berechnet (Beförderungseinzelbesteuerung), wenn eine Grenze zum Drittlandsgebiet überschritten wird. Zuständige Zolldienststelle ist die Eingangszollstelle oder Ausgangszollstelle, bei der der Kraftomnibus in das Inland gelangt oder das Inland verlässt. Die zuständige Zolldienststelle handelt bei der Beförderungseinzelbesteuerung für das Finanzamt, in dessen Bezirk sie liegt (zuständiges Finanzamt). Absatz 2 und § 19 Abs. 1 sind bei der Beförderungseinzelbesteuerung nicht anzuwenden.

(5a) Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in § 1a Abs. 1 Nr. 2 genannten Personen ist die Steuer abweichend von Absatz 1 für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

(5b) Auf Antrag des Unternehmers ist nach Ablauf des Besteuerungszeitraums an Stelle der Beförderungseinzelbesteuerung (Absatz 5) die Steuer nach den Absätzen 1 und 2 zu berechnen. Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend.

(6) Werte in fremder Währung sind zur Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf Euro nach den Durchschnittskursen umzurechnen, die das Bundesministerium der Finanzen für den Monat öffentlich bekanntgibt, in dem die Leistung ausgeführt oder das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor Ausführung der Leistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4) vereinnahmt wird. Ist dem leistenden Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet (§ 20), so sind die Entgelte nach den Durchschnittskursen des Monats umzurechnen, in dem sie vereinnahmt werden. Das Finanzamt kann die Umrechnung nach dem Tageskurs, der durch Bankmitteilung oder Kurszettel nachzuweisen ist, gestatten. Macht ein Unternehmer von § 18 Absatz 4c oder 4e oder den §§ 18i, 18j oder 18k Gebrauch, hat er zur Berechnung der Steuer Werte in fremder Währung nach den Kursen umzurechnen, die für den letzten Tag des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellt worden sind. Sind für die in Satz 4 genannten Tage keine Umrechnungskurse festgestellt worden, hat der Unternehmer die Steuer nach den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskursen umzurechnen.

(7) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten § 11 Abs. 5 und § 21 Abs. 2.

(1) Sind zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Die §§ 41, 45 sind nicht anzuwenden. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann.

(2) Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Forderungen auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können. Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der für diesen Ort zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Anspruch auf Auszahlung des sog. Körperschaftsteuerguthabens durch Aufrechnung erloschen ist.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem durch Beschluss vom 27. April 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E-GmbH (Gemeinschuldnerin). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte durch Bescheide vom 11. März 2005 über die gesonderte Feststellung der Endbeträge gemäß § 36 Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) und über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 n.F. zum 31. Dezember 2001 gegenüber der Gemeinschuldnerin das sog. Körperschaftsteuerguthaben i.S. des § 37 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 auf 14.040 € fest. Mit Bescheid vom 25. September 2008 setzte das FA gegenüber dem Kläger den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) --KStG 2002 n.F.-- in dieser Höhe fest, wobei auf 2008 ein Betrag von 1.404 € (1/10) entfiel. Das FA rechnete alsdann mit einem Erstattungsanspruch aus Investitionszulage 2001 gegen den Auszahlungsanspruch auf (interne Umbuchung unter dem 1. Oktober 2008, die dem Kläger mitgeteilt wurde). Die Klage gegen den auf den Antrag des Klägers hin erteilten Abrechnungsbescheid vom 13. November 2008 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) blieb erfolglos (Thüringer Finanzgericht --FG--, Urteil vom 18. Februar 2010  2 K 215/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 750).

3

Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Abrechnungsbescheid dahingehend zu ändern, dass in diesem Bescheid eine Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens für 2008 in Höhe von 1.404 € ausgewiesen wird, und das FA zu verurteilen, das sich für 2008 ergebende Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von 1.404 € auszuzahlen.

4

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision ist insoweit begründet, als das FG auf eine Rechtswirksamkeit der Aufrechnungserklärung des FA erkannt hat. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); auf die Anfechtungsklage des Klägers wird der Abrechnungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise geändert (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO), dass in diesem Bescheid ein erstattungsfähiges Guthaben (Körperschaftsteuerguthaben für 2008) in Höhe von 1.404 € ausgewiesen wird. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

6

1. Die in §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angeführten allgemeinen Voraussetzungen einer Aufrechnung, die nach § 226 Abs. 1 AO im Steuerschuldverhältnis sinngemäß anzuwenden sind, lagen mit Blick auf die Forderung des FA auf Rückzahlung der Investitionszulage 2001 und die Forderung des Klägers auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens für 2008 im Zeitpunkt der in Gestalt der Umbuchungsnachricht erklärten Aufrechnung des FA (s. insoweit Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 2005 VII R 70/04, BFH/NV 2006, 7) vor. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.

7

2. Die Aufrechnungserklärung des FA hat den Erstattungsanspruch des Klägers aber nicht i.S. des § 47 AO (i.V.m. § 226 Abs. 1 AO und § 389 BGB) zum Erlöschen gebracht, da eine Aufrechnung --die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe der §§ 94 bis 96 der Insolvenzordnung (InsO) zulässig ist-- nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zugelassen war.

8

a) Nach § 94 InsO bleibt zwar das zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsrecht des Insolvenzgläubigers unberührt. Die mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbundene Beschränkung in der Durchsetzung der Ansprüche der Insolvenzgläubiger hindert damit denjenigen Insolvenzgläubiger nicht an der Aufrechnung, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt gewesen wäre. Eine solche Berechtigung bestand für das FA in diesem Zeitpunkt (27. April 2006) für den Anspruch aus § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. angesichts der eindeutigen Regelungslage (§ 37 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F.: "Der Anspruch entsteht mit Ablauf des 31. Dezember 2006 ... .") aber nicht.

9

b) Über § 94 InsO hinaus gestattet allerdings § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO auch dann eine Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage erst im Insolvenzverfahren eintritt. Voraussetzung dafür ist, dass zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind, sofern nicht (Satz 3 der Vorschrift) die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22. September 2005 VII ZR 117/03, BGHZ 164, 159; BFH-Urteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Damit schützt das Gesetz das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vertrauen des Insolvenzgläubigers, mit dem Entstehen der Aufrechnungslage seine Forderung durchsetzen zu können (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195; Brandes in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung --MünchKommInsO--, 2. Aufl., § 95 Rz 1; Kroth in Braun, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 95 Rz 1). Die mit Satz 3 der Regelung verbundene Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis hat im Streitfall keine Bedeutung, da die Hauptforderung (Erstattungsanspruch Körperschaftsteuerguthaben) nicht vor dem Rückerstattungsanspruch des FA vollwirksam entstanden und fällig (durchsetzbar) war.

10

Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung allerdings --soweit sie nicht nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO zugelassen ist (s. zum Vorrang des § 95 InsO z.B. BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589; Brandes in MünchKommInsO, a.a.O., § 96 Rz 18, m.w.N.)-- unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Eine erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Aufrechnungsbefugnis verdient im Interesse der Insolvenzmasse und dem Ziel einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung keinen Schutz (BGH-Urteil vom 6. Dezember 1990 IX ZR 44/90, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1060; Brandes in MünchKommInsO, a.a.O., § 96 Rz 1, 6; Kroth in Braun, a.a.O., § 96 Rz 1).

11

c) Die Voraussetzungen für einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO sind im Streitfall nicht erfüllt. Das FA als Insolvenzgläubiger konnte mit Blick auf das Körperschaftsteuerguthaben vor dem 31. Dezember 2006 nicht auf eine "im Entstehen begriffene Aufrechnungslage" vertrauen. Vielmehr ist das FA i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO "etwas" (nämlich die Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens) erst am 31. Dezember 2006 --und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am 27. April 2006)-- insolvenzrechtlich schuldig geworden, nicht aber --wie im angefochtenen Urteil entschieden-- mit dem streitigen Teilbetrag von 1.404 € schon mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 und damit bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

12

aa) Ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) als aufschiebend bedingt für eine Aufrechnung erheblich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Maßgeblich hierfür ist, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, verwirklicht worden ist; dann ist (dem Rechtsgedanken des § 38 InsO entsprechend) ein "begründeter Vermögensanspruch" gegen den Insolvenzgläubiger entstanden. Es muss insoweit damit ein "gesicherter Rechtsgrund" der Forderung gelegt sein (BGH-Urteil vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2000, 1285; Kroth in Braun, a.a.O., § 96 Rz 8). Auf die steuerrechtliche Entstehung i.S. des § 38 AO kommt es für diesen "gesicherten Rechtsgrund" nicht an (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 1. August 2000 VII R 31/99, BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323; in BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195; vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745; in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589; BFH-Beschlüsse vom 30. April 2007 VII B 252/06, BFHE 217, 212, BStBl II 2009, 624; vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925; vom 12. August 2008 VII B 213/07, BFH/NV 2008, 1819; s.a. Rüsken, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2007, 2053, 2056; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rz 55, 100, 102, je m.w.N.). Letzteres schließt allerdings nicht aus, dass insolvenzrechtliche und steuerrechtliche Entstehung zeitlich zusammenfallen, z.B. dann, wenn ein "Dauerschuldverhältnis" besteht, in dem der steuerrechtliche Anspruch zeitabschnittsweise unter der Bedingung entsteht, dass die Anspruchsvoraussetzungen auch in dem betreffenden Zeitabschnitt erfüllt sind (BFH-Urteil vom 17. April 2007 VII R 34/06, BFHE 217, 14, BStBl II 2008, 215, zur Eigenheimzulage).

13

Insolvenzrechtlich relevant sind z.B. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen, ohne dass es auf die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid ankommt; sie entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (z.B. BFH-Urteile vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193; vom 31. Mai 2005 VII R 71/04, BFH/NV 2005, 2147). Damit ist nach der BFH-Rechtsprechung auch bei der Erstattung von vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen der diesbezügliche Anspruch vor Eröffnung des Verfahrens begründet, selbst wenn die Steuer, auf die vorauszuleisten war, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589, m.w.N.).

14

Außerdem steht es der Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO in solchen Fällen nach der BFH-Rechtsprechung nicht entgegen, dass der Anspruch von Bedingungen abhängt, deren Eintritt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungewiss ist und die herbeizuführen oder zu vereiteln in der Macht des Anspruchsberechtigten oder zumindest eines Dritten steht (z.B. BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589). Zwar hat der BGH in seinem Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03 (BGHZ 160, 1) die Aufrechenbarkeit einer Forderung im Insolvenzverfahren davon abhängig gemacht, dass sie vor Verfahrenseröffnung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf. Dies hindert aber nicht, bezogen auf Steueransprüche solche Fälle abzugrenzen, in denen der Anspruch nicht durch eine Rechtshandlung im Sinne der vorgenannten BGH-Entscheidung begründet wird, sondern kraft Gesetzes entsteht und auch durch dieses Gesetz von vornherein gesichert war. Auf einen gesetzlich garantierten Erstattungsanspruch bezieht sich die Entscheidung des BGH nicht und sie kann auf solche Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis auch nicht etwa übertragen werden, wenn das für die Anspruchsentstehung maßgebliche Steuergesetz außer an die Entstehung der Steuer aufgrund eines Ereignisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch an eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung anknüpft. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese Rechtshandlung in einem inneren Zusammenhang mit der Steuerentstehung vor Verfahrenseröffnung steht (so BFH-Urteil in BFHE 217, 8, BStBl II 2009, 589; s.a. Rüsken, ZIP 2007, 2053, 2056 f.).

15

bb) Der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens führt, ist im Streitfall nicht vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Zeitlich besteht vielmehr eine Übereinstimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F. steuerrechtlich entsteht (im Streitfall: Ablauf des 31. Dezember 2006).

16

aaa) Das FG hat ausgeführt, der Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens sei insolvenzrechtlich durch die Tatsache begründet worden, dass die Körperschaft ein Körperschaftsteuerguthaben während der Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens aufgebaut hatte. Nach der Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren sei dieser Anspruch auf Auszahlung nicht von einem Ausschüttungsbeschluss abhängig gewesen; der Anspruch sei entstanden, ohne dass es eines weiteren Zutuns von Seiten der betroffenen Körperschaft bedurft hätte. Die ursprünglich zu gewährende Minderung der Körperschaftsteuer habe durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren nicht verloren gehen, sondern erhalten bleiben sollen. Der für die Auszahlung des Erstattungsbetrags notwendige Ausschüttungsbeschluss, an dessen Stelle die später in das Gesetz eingefügte Regelung des § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. getreten sei, stelle lediglich eine aufschiebende Bedingung für das Entstehen des Erstattungsanspruchs dar (dieser Rechtsansicht folgend z.B. Sterzinger, Betriebs-Berater 2008, 1480, 1481 f.; Fett, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2008, 768, 770 f.; Ladiges, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2041, 2044 f.; Loose, EFG 2010, 752 u. 1396 f.; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 177). Weder der ursprünglich notwendige Ausschüttungsbeschluss noch § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. zur ratierlichen Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens hätten den Kern des Erstattungsanspruchs geregelt. Es handele sich um eine Situation, die mit den vom BFH entschiedenen Fällen vergleichbar sei, in denen vor Insolvenz- bzw. Konkurseröffnung geleistete, überhöhte Vorauszahlungen bereits vor Insolvenz- bzw. Konkurseröffnung einen aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch begründet hätten, gegen den die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren aufrechnen könne, obwohl das die Erstattung auslösende Ereignis selbst erst nach Eröffnung des Verfahrens, nämlich mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, eintrete.

17

bbb) Dem FG ist darin zu folgen, dass das auf den Schluss des letzten vor dem 1. Januar 2001 beginnenden Wirtschaftsjahrs ermittelte Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 n.F.) als Rückzahlungsanspruch ohne weitere rechtliche Bedingung und antragsunabhängig (dabei unter möglichst weitgehender Bewahrung dieses Guthabens - s. insoweit Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. November 2009  1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434) der Körperschaft für die Folgejahre zur Realisierung zugewiesen wurde. Die Realisierung dieses Anspruchs war jedoch --wie auch beim Anrechnungsguthaben vor der Systemumstellung durch die Unternehmenssteuerreform 2001-- ausschüttungsabhängig. Ein bilanzieller Vermögensposten (ein Steuererstattungsanspruch als sonstiger Vermögensgegenstand) war erst im Zusammenhang mit einer Gewinnausschüttung zu erfassen. Darüber hinaus war die "Nutzung" des Körperschaftsteuerguthabens zeitlich auf (zuletzt) 18 Jahre beschränkt. Ein nach Ablauf dieser Zeit verbleibendes Guthaben sollte verfallen. Mit der Einführung des § 37 Abs. 4 ff. KStG 2002 n.F. hat der Gesetzgeber das Verfahren zur Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens dagegen von den Gewinnausschüttungen der Körperschaften und der jährlichen Körperschaftsteuerveranlagung gelöst. § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. fingiert für den Auszahlungszeitraum von 10 Jahren (2008 bis 2017) gleichmäßige, offene Gewinnausschüttungen zur Nutzung des Körperschaftsteuerguthabens. Dieser Zahlungsanspruch der Körperschaft ist ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut, das sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2006, dem Zeitpunkt seines Entstehens, gewinnerhöhend zu erfassen ist (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2008 I B 16/08, BFHE 222, 396, BStBl II 2008, 886; s.a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 14. Januar 2008, BStBl I 2008, 280).

18

ccc) Auf dieser Grundlage ist dem FG nicht darin zu folgen, dass der Anspruch auf das Körperschaftsteuerguthaben, auch wenn es materiell um die Rückzahlung von Körperschaftsteuer geht (Senatsbeschluss in BFHE 222, 396, BStBl II 2008, 886), einem durch Steuervorauszahlungen ausgelösten und nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch gleichzustellen ist. Das mit seinem Bestand zum 31. Dezember 2000 festgestellte Körperschaftsteuerguthaben stellt keinen aufschiebend bedingten Auszahlungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO dar (so im Ergebnis auch Oberfinanzdirektion --OFD-- Münster, Verfügung vom 20. April 2007, Der Betrieb --DB-- 2007, 1001; OFD Koblenz, Verfügung vom 7. Dezember 2007, DStR 2008, 354; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 37 KStG Rz 109a; Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 251 AO Rz 183; Binnewies, GmbH-Rundschau 2010, 408, 412; ders. in Streck, KStG, 7. Aufl., § 37 Rz 106; Schmittmann, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2008, 502; Krüger, ZInsO 2008, 1295, 1302; ders., ZInsO 2010, 164, 170; ders., ZInsO 2010, 1732, 1733 f.; Hubertus/Fürwentsches, DStR 2010, 2382, 2385 f.; Schmittmann, Unternehmensteuern und Bilanzen 2011, 70; Förster/Felchner, DStR 2006, 1725, 1726 f.; Grashoff/Kleinmanns, ZInsO 2008, 609; wohl auch Sedemund/Schreiber, DB 2009, 697, 698 f.; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rz 1631 mit Fußn. 2).

19

Denn wenn es nach dem Zweck der insolvenzrechtlichen Modifikationen der Aufrechnungsmöglichkeiten darum geht, einerseits das Vertrauen des Gläubigers auf eine bestehende bzw. sich entwickelnde Aufrechnungslage zu schützen und andererseits zugleich die gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu sichern, muss insbesondere ausgeschlossen sein, dass ein Insolvenzgläubiger mit Forderungen aufrechnet, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht durch eine Gegenforderung gesichert und deshalb wirtschaftlich entwertet sind (Brandes in MünchKommInsO, a.a.O., § 96 Rz 1). Von einer solchen Entwertung wird man dann nicht auszugehen haben, wenn --wie oben dargelegt-- der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann. Damit sind ohne weiteres Situationen abgedeckt, in denen --ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten-- der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht (z.B. in Gestalt der Gegenrechnung überzahlter Beträge). Davon kann aber nach der BFH-Rechtsprechung auch gesprochen werden, wenn das steuerrechtliche "Erstattungsverhältnis" noch durch eine Willensbetätigung z.B. des potenziellen Erstattungsgläubigers konkretisiert werden muss (z.B. nachträgliche Abgabe einer berichtigten Steueranmeldung mit Zustimmung des FA).

20

Im Streitfall ist aber --noch darüber hinausgehend-- der bis zur Neuregelung durch § 37 Abs. 4 ff. KStG 2002 n.F. durch eine entsprechende Veranlagung zur Körperschaftsteuer bedingte Anspruch auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens in einem doppelten (aufeinander aufbauenden) Sinne abhängig von zwei Voraussetzungen, wobei die zweite nicht allein willensabhängig ist, sondern zugleich auch von einer weitgehend objektivierten Komponente abhängt, und in seinem Gesamtbestand einem Realisierungsrisiko ausgesetzt ist: Das Vorhandensein eines Körperschaftsteuerguthabens kann zwar als wirtschaftlicher Ausgangs- und zugleich Schwerpunkt der Entstehungsvoraussetzungen anzusehen sein. Es handelt sich aber nur um eine notwendige, nicht aber um eine hinreichende Bedingung für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs. Auslösendes Moment für eine "Mobilisierung" des Körperschaftsteuerguthabens ist vielmehr ein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnausschüttungsbeschluss im gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen. Erst dieser Beschluss komplettiert den eigentlichen Rechtsgrund für die --im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zu berücksichtigende-- Minderung der Körperschaftsteuer des Ausschüttungsjahres (zur handelsbilanziellen Erfassung [erst] in dem Veranlagungszeitraum des Ausschüttungsbeschlusses s. Thurmayr in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 37 KStG Rz 28, m.w.N.) bzw. eines etwaigen Erstattungsanspruchs der Körperschaft nach dem Abschluss des Veranlagungszeitraums (s. insoweit BMF-Schreiben vom 6. November 2003, BStBl I 2003, 575, Tz. 31). Kann mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Körperschaft (auch unter Berücksichtigung von Gestaltungsmaßnahmen zur zweckgerechten Erhöhung des handelsrechtlichen Bilanzgewinns) ein entsprechender Ausschüttungsbeschluss in der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit (§ 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002) nicht gefasst werden, hindert dies das Entstehen des Anspruchs endgültig. Damit ist vor einem Gewinnausschüttungsbeschluss unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Voraussetzungen einer Anspruchsentstehung auch insolvenzrechtlich keine begründete Aussicht entstanden, dass dem Körperschaftsteuerguthaben schon vor der Insolvenzeröffnung ein wirtschaftlicher Wert zukommt, gegen den das FA als Insolvenzgläubiger hätte aufrechnen können. Die Differenz zwischen der Tarifbelastung der nach altem Körperschaftsteuerrecht thesaurierten Gewinne und der Belastungshöhe im sog. Halbeinkünfteverfahren (als Grundlage des Körperschaftsteuerguthabens) ist wegen des dem Guthaben anhaftenden Realisierungsrisikos keine mit einer Steuervorauszahlung vergleichbare Situation. Die Neuregelung in § 37 Abs. 4 ff. KStG 2002 n.F. hat damit nicht nur das Auszahlsystem eines bereits begründeten Vermögensanspruchs geändert, sondern durch die Beseitigung des Realisierungsrisikos den Kern des Anspruchs zeitgleich mit der steuerrechtlichen Entstehung zum 31. Dezember 2006 begründet, was aber für vor diesem Stichtag eröffnete Insolvenzverfahren mit Blick auf eine Möglichkeit zur Aufrechnung keine Bedeutung hat.

21

3. Eine Verurteilung des FA, den streitigen Betrag auszuzahlen, kommt nicht in Betracht. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf Auszahlung gerichteten Leistungsantrag i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO (s. z.B. BFH-Urteil vom 16. Juli 1980 VII R 24/77, BFHE 131, 158, BStBl II 1980, 632; Senatsurteil vom 9. April 1986 I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 218 Rz 38; Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl., § 100 Rz 53; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 100 FGO Rz 153; Schwarz in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 151 FGO Rz 26; abweichend Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 100 FGO Rz 50; Albert, DStZ 1998, 503) ist vom Kläger nicht dargelegt worden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.