Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11

bei uns veröffentlicht am29.10.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Mit Schriftsatz vom 28. September 2010 hat der anwaltlich vertretene Kläger Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben, dass er berechtigt sei, neben der Bezeichnung „Steuerberater“ mit der Angabe der Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ zu werben. Dem liegt folgendes zugrunde:
Rating-Analysten bewerten die Bonität von potentiellen Kreditnehmern und Schuldnern. Um diese Tätigkeit ausüben zu können, ist üblicherweise ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger einschlägiger Berufspraxis sowie eine Weiterbildung in den Bereichen Bank, Finanzdienstleistungen oder Rechnungswesen oder eine kaufmännische Weiterbildung im Bankgewerbe erforderlich. Allerdings liegen bisher keine gesetzlichen Regelungen vor, die den Berufszugang regeln (vgl. Homepage der Bundesagentur für Arbeit - BERUFENET).
Der Bundesverband der Rating Analysten und Rating Advisor e. V. (BdRA), Berlin, hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, durch den Erlass von verbandsbezogenen Regelungen das Vertrauen in die Aussagefähigkeit von Bonitätseinschätzungen zu stärken. Diese sehen vor, dass seine Mitglieder nach einer Aus- und Weiterbildung als „Certified Rating Analyst (BdRA)“ akkreditiert werden können (vgl. http://bdra.de/grundsaetze-fuer-die-akkreditierung/). Prüfungsleistungen sind (ab 2014) die Einreichung eines Credit Rating Gutachtens (Hausarbeit) und die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachgespräch. Mitglieder, die ihre Qualifikation bei anderen Ausbildungsgängen erworben haben, können bei Vorlage entsprechender Nachweise ebenfalls eine Akkreditierung erhalten. Steuerberater können beim Deutschen Steuerberaterverband e.V., Berlin, die Bezeichnung „Fachberater für Rating (DStV e.V.)“ erwerben. Daneben werden entsprechende Fortbildungen u. a. von den Industrie- und Handelskammern und von diversen Hochschulen im In- und Ausland angeboten.
Der xxxx geborene Kläger hat 19 xx die Steuerberaterprüfung abgelegt und ist seither als Steuerberater tätig. Er nahm im Jahr 2005 an einem 80-stündigen IHK-Zertifikatslehrgang „Bonitäts-/Rating-Analyst“ der IHK B in X teil und erwarb nach Abschluss des Lehrgangs ein sogenanntes „Zertifikat“ über die erfolgreiche Teilnahme. In der Folgezeit fügte der Kläger seiner Berufsbezeichnung „Steuerberater“ die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ hinzu.
Im September 2009 wies die beklagte Steuerberaterkammer den Kläger darauf hin, dass das Führen der Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ nicht zulässig sei. Sie zeigte ihn bei der Generalstaatsanwaltschaft an, die ein berufsgerichtliches Verfahren einleitete. Mit Urteil vom xx.xx. 2011 xxxxx (DStR 2011, 1482) erteilte das Landgericht Y - Kammer für Steuerberatersachen - ihm deshalb wegen schuldhafter Verletzung seiner beruflichen Pflichten unter gleichzeitiger Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 500 Euro einen Verweis. Die dagegen erhobene Berufung verwarf das Oberlandesgericht Z - Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen - mit Urteil vom xx.xx. 2012 xxxxx (DStR 2012, 1827). Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof - Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen - mit Beschluss vom 15. Oktober 2012 StbSt (B) 2/12 (nicht veröffentlicht) zurück.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom 8. April 2011 stellte der Kläger bei der beklagten Steuerberaterkammer gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) den Antrag, seine nachfolgend dargestellten Werbemittel zu überprüfen:
Briefbogen Nr. 1:
Zwischen der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und der Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ befindet sich ein Abstand von 0,5 cm.
Briefbogen Nr. 2:
10 
Zwischen der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und der Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ befindet sich ein Abstand von 1,0 cm.
11 
Briefbogen Nr. 3:
12 
Die Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ steht vor Namen und Berufsbezeichnung.
13 
Briefbogen Nr. 4:
14 
Die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ befindet sich fettgedruckt in der Kopfzeile.
15 
Briefbogen Nr. 5:
16 
Zwischen der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und der Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ befindet sich kein Abstand, die Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ ist jedoch in Klammern gesetzt und etwas kleiner geschrieben.
17 
Visitenkarte (Nr. 6):
18 
Zwischen der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und der Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ befindet sich kein Abstand, weil dies auf einer Visitenkarte nicht möglich sei. Dafür ist die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ deutlich kleiner und nicht in Großschreibung geschrieben.
19 
Anzugrevers Nr. 1 (Nr. 7):
20 
Die Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ werden unter Wahrung des von der Beklagten verfochtenen Abstandsgebots getrennt auf dem linken und dem rechten Revers getragen.
21 
Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7):
22 
Die Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ werden auf einer Reversseite getragen.
23 
Stempel (Nr. 8):
24 
Die Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ stehen ohne Abstand untereinander.
25 
Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 (Verwaltungsakte S. 64) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Briefbögen Nr. 1 und Nr. 2 sowie das Anzugrevers Nr. 1 (Nr. 7) in ihrem Gesamteindruck für zulässig erachte. Allerdings könnte bei dem Anzugrevers bei einem unbefangenen Betrachter der Eindruck entstehen, es handele sich um zwei unterschiedliche Berufe, was bezüglich des „Zertifizierten Rating-Analysten“ die Frage nach der Gewerblichkeit aufwerfe. Zu dem Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) machte die Beklagte keine Ausführungen. Als unzulässig sah sie dagegen die Briefbogengestaltungen Nrn. 3, 4 und 5 sowie die Gestaltung der Visitenkarte (Nr. 6) und des Stempels (Nr. 8) an. Die Berufsbezeichnung und die Zusatzbezeichnung stünden in diesen Fällen jeweils in einem zu engen räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang. Diese Bedenken gegen die Verwendung der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ könnte der Kläger beseitigen, indem er dieser das Wort „Zusatzqualifikation“ voranstelle.
26 
Mit der am 30. September 2011 erhobenen Feststellungsklage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass er berechtigt sei, seiner Berufsbezeichnung die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ in der Weise hinzuzufügen, wie auf den Briefbögen Nrn. 3, 4 und 5, auf dem Stempel Nr. 5, auf der Visitenkarte Nr. 6 und auf dem Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) festgehalten. Zur Begründung führt er aus, dass es mit keinem rationalen Argument zu rechtfertigen sei, warum nur in Deutschland und hier auch nur bei Steuerberatern Einschränkungen bei Zusatzbezeichnungen gerechtfertigt sein sollen. Bei keinem anderen Beruf gebe es Beschränkungen vergleichbarer Art. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG verletze den Kläger in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10 (DStR 2010, 1694) § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG für verfassungsgemäß gehalten habe, sei seine Argumentation schlicht unhaltbar. Sie widerspreche seiner eigenen Rechtsprechung zur Verfassungskonformität von Werbeverboten bei Freiberuflern (vgl. Beschluss vom 22. Mai 1996 1 BvR 744/88, 1 BvR 60/89, 1 BvR 1519/91, NJW 1996, 3067). Es sei kein Grund dafür erkennbar, warum das Gemeinwohl einen bestimmten Abstand zwischen der Berufsbezeichnung und der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ verlangen sollte. Eine Rechtfertigung hierfür ergebe sich nur dann, wenn dieser hier dem Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen dienen sollte. Eine Irreführung im rechtlichen Sinne sei jedoch mit der hier in Rede stehenden Zusatzbezeichnung nicht verbunden. Das BVerfG bleibe jede Antwort auf die Frage schuldig, warum alle Freiberufler und jeder Bürger und Berufsangehörige Zusatzbezeichnungen als Zusätze und ohne räumlichen Abstand im Rahmen des § 5 UWG führen dürften, nicht aber deutsche Steuerberater. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG sei weder geeignet noch erforderlich, um die amtlich verliehenen Berufsbezeichnungen und Titel gegen eine Verwässerung zu schützen und Irrtümern der steuerrechtschutzsuchenden Bevölkerung über die besondere Sachkompetenz des Berufsträgers entgegenzuwirken. Das folge bereits aus dem Umstand, dass die Gerichte die Werbung mit Bezeichnungen nicht als grundsätzlich verboten angesehen, sondern allein gefordert hätten, dass ein räumlicher Abstand zur Angabe „Steuerberater“ gewahrt werde. Die Werbepraxis bei allen anderen Berufen zeige, dass die Bevölkerung des Schutzes durch § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG nicht bedürfe. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil Rechtsanwälte, die auch steuerberatend tätig werden und als Fachanwälte für Steuerrecht in direkter Konkurrenz mit Steuerberatern stehen können, bei der Werbung mit zusätzlichen Qualifikationen keinem § 43 Abs. 2 StBerG vergleichbaren Abstandsgebot unterlägen. Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Kommanditistenbrief-Entscheidung (Urteil vom 13. November 2013 I ZR 15/12 (DStR 2014, 765) unter Verweis auf die Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 einen Kurswechsel in Sachen Werbung um Mandate vorgenommen. Danach sei § 43 b BRAO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks von Art. 24 der Richtlinie 2006/123 /EG auszulegen.
27 
Zur Zulässigkeit der einzelnen Werbeformen führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus:
28 
a.) Briefbogen:
29 
aa.) Briefbogen Nr. 3:
30 
Der Name des Klägers stehe zwischen den beiden Bezeichnungen und es sei schlicht unverständlich, wie in diesem Fall von einer Zusatzbezeichnung gesprochen werden könne.
31 
bb.) Briefbogen Nr. 4:
32 
Die Ausführungen des Beklagten hätten nichts mit § 43 Abs. 2 StBerG zu tun. Die Bezeichnungen seien durch den Namen des Klägers getrennt und durch unterschiedliche Schriftarten und „Fettungsgrade“ von einander abgesetzt. Völlig unerheblich müsse sein, dass die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ besonders hervorgehoben sei. Schließlich werde damit das Besondere hervorgehoben.
33 
cc.) Briefbogen Nr. 5:
34 
Der Briefbogen könne am Maßstab des abwegigen Kriteriums der räumlichen Nähe nicht beanstandet werden. Schließlich werde die streitgegenständliche Bezeichnung nur in Klammern und in marginal kleinerer Schriftgröße abgedruckt. Soweit die Beklagte die Bezeichnung als „eine ergänzende Erläuterung“ ansehe, könne sie erst recht keine Zusatzbezeichnung sein.
35 
b.) Visitenkarte (Nr. 6)
36 
und Stempel (Nr. 8):
37 
Die Beklagte vertrete eine kleinkarierte Sicht. Schließlich könnte bei kleinformatigen Medien kein nennenswerter Abstand eingehalten werden. Dieses Totalverbot sei noch verfassungswidriger als die anderen lächerlichen Verbote. Art. 12 Abs. 1 GG und das Gebot der Angemessenheit liefen hier völlig leer.
38 
c.) Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7):
39 
Die Lächerlichkeit der von der Beklagten geforderten Abgrenzung zeige sich auch an der Werbung mit der Bezeichnung auf dem Revers eines Anzugs. Die Beklagte habe sich zur Zulässigkeit des Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) nicht geäußert.
40 
Soweit der Senat im Berichterstatterschreiben vom 22. August 2014 Zweifel an der Qualifikation des Klägers als „Zertifizierter Rating Analyst“ habe anklingen lassen, seien diese nicht gerechtfertigt. Der Lehrgang, an dem der Kläger teilgenommen habe, habe mit einer Prüfung geendet. Darüber hinaus habe der Kläger mit einem Coautor ein Buch geschrieben zum Thema „... Rating ...“, welche wesentlich mit Controlling und Bilanzerstellung zu tun hätten. Außerdem verfüge er über umfangreiche Literatur, die er vollumfänglich gelesen habe und deren Inhalt er in seiner Kanzlei einsetze und studiere auch laufend die aktuelle Literatur mit den darin enthaltenen Ausführungen zum Thema Rating. Der Verbraucher werde somit durch die Verwendung der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ nicht irregeführt.
41 
Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2014 verpflichtet, der Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ ab sofort den Zusatz „(IHK)“ hinzuzufügen.
42 
Der Kläger beantragt,
43 
festzustellen, dass er berechtigt ist, neben der Bezeichnung Steuerberater mit der Angabe „Zertifizierter Rating-Analyst“ zu werben wie auf den Briefbögen Nr. 3, 4 und 5, dem Stempel (Nr. 8), der Visitenkarte (Nr. 6) und dem Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) angegeben, jedoch mit dem Klammerzusatz „IHK“.
44 
Die Beklagte beantragt,
45 
die Klage abzuweisen.
46 
Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, dass die Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ lediglich auf die erfolgreiche Teilnahme an dem Lehrgang „Bonitäts-/Rating-Analyst“ hinweise. Der Erwerb einer weiteren Berufsbezeichnung sei hiermit nicht verbunden. Die IHK sei zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, indes umfassten die ihr im IHK-Gesetz übertragenen Aufgaben nicht die Verleihung akademischer Titel und Grade. Das Anbieten eines Lehrgangs, der mit der Verleihung eines Zertifikats abschließt, stelle ein privatwirtschaftliches Angebot dar. Die Verwendung der Bezeichnung „Zertifizierter Rating-Analyst“ stelle sich in allen von dem Kläger zur Entscheidung gestellten Gestaltungsvarianten als gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG unzulässiger Zusatz dar. Ein Zusatz liege nach gefestigter und vom Bundesverfassungsgericht bestätigter Rechtsprechung vor, wenn der beigefügte Hinweis auf eine bestimmte Qualifikation bei verständiger Würdigung in einer erkennbaren räumlichen oder inhaltlichen Verbindung mit der Berufsbezeichnung steht. Fehle diese Verbindung, stelle sich der Hinweis auf die besondere Qualifikation also nicht als mit der amtlichen Berufsbezeichnung zusammenhängend dar, sei sie - schon nach dem Wortsinn - kein Zusatz, der das Verbot des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG aktiviere. Die Ausführungen zur angeblichen Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugten nicht. Das BVerfG habe hierzu in seinem Beschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10 (DStR 2010, 1694) überzeugende Ausführungen gemacht. Das Interesse des Klägers, auf seine Zusatzqualifikation hinzuweisen, werde durch das vom Beklagten ausgesprochene Verbot nicht übermäßig beschnitten. Bei den großformatigen Medien sei es vollkommen unproblematisch, in einem angemessenen räumlichen Abstand oder mit einem sprachlich trennenden Element auf die Zusatzqualifikation hinzuweisen. Bei den kleinformatigen Medien genüge der Kläger den gesetzlichen Anforderungen, wenn er z. B. das Wort „Zusatzqualifikation“ aufnehme. Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, da eine differenzierende Betrachtungsweise zwischen Rechtsanwälten und Steuerberatern zulässig sei. Dies habe die Rechtsprechung im Bereich des Verbots einer gewerblichen Tätigkeit herausgearbeitet. So habe der BFH in seiner „Syndikus-Entscheidung“ (Urteil vom 9. August 2011 VII R 2/11, BStBl II 2012, 51) erst kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kriterien des Anwaltsberufs auf das Berufsrecht der Steuerberater nicht ohne weiteres übertragbar seien.
47 
Trotz der vom Kläger gezeigten Bereitschaft, der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst“ die Klammerbezeichnung „IHK“ hinzuzufügen, hält der Beklagte daran fest, dass die auf den Briefbögen Nr. 3, 4 und 5, auf dem Stempel (Nr. 8), auf der Visitenkarte (Nr. 6) und auf dem Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) praktizierten Werbeformen unzulässig seien. Zum Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) führte sie ergänzend aus, dass der Name des Steuerberaters, seine Berufsbezeichnung und die Zusatzbezeichnung in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang geführt würden. Die unterschiedlichen Schrifttypen und -größen seien nicht geeignet, den Eindruck der Gleichwertigkeit der Bezeichnungen zu durchbrechen.
48 
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 trug die Beklagte vor, dass der Rechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Streitfall nicht gegeben sei. Zur Entscheidung über die Frage der beruflichen Pflichten eines Steuerberaters seien ausschließlich die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigte oder die entsprechenden Senate der oberen Gerichte zuständig (vgl. FG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 1984 VII 1873/84 StB, EFG 1985, 426). Selbst wenn der Finanzgerichtsweg gegeben sei, sei die Klage unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 41 FGO nicht erfüllt seien. Denn es sei bereits fraglich, ob ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Steuerberaterkammer bestünde. Selbst wenn man dies bejahe, fehle es an einem Feststellungsinteresse. Denn die Entscheidung des Finanzgerichts könne keine Bindungswirkung in dem Sinne bewirken, dass die beklagte Steuerberaterkammer zukünftig gehindert wäre, eine Rüge zu erteilen oder eine Abgabe an die Generalstaatsanwaltschaft zu verfügen.
49 
Am 23. Juli 2014 und am 29. Oktober 2014 hat vor dem Senat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
50 
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die dem Senat vorliegenden Akten Bezug (1 Ordner) genommen.

Entscheidungsgründe

 
51 
Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
52 
Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine berufsrechtliche Frage vor. Streitgegenstand ist die Frage, ob die Verwendung eines Zusatzes zur Berufsbezeichnung gemäß § 43 StBerG zulässig ist. § 43 StBerG steht im zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des StBerG, der von der Rechtswegzuweisung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO erfasst wird.
53 
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt keine berufsgerichtliche Streitigkeit vor, denn Streitgegenstand ist nicht die Frage der Zulässigkeit von Maßnahmen der Berufsaufsicht. Der Senat folgt nicht dem Beschluss des FG Münster vom 19. Dezember 1984 VII 1873/84 (EFG 1985, 368), zumal das berufsgerichtliche Verfahren gegen den Kläger bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und im Streitfall Fragestellungen zu entscheiden sind, die dort nicht Gegenstand waren. Die vom Beklagten kritisierte Zersplitterung der Rechtsweges mag unerfreulich sein. Sie ist jedoch vom Gesetzgeber so gewollt.
54 
Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (vgl. § 41 Abs. 1 FGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit des von ihm beabsichtigten Führens eines Zusatzes zur Berufsbezeichnung, soweit die Beklagte ein entsprechendes Recht des Klägers durch eine abschlägige Auskunft bestritten hat (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Dezember 1990 2 K 2402/90, juris).
55 
Die Vermeidung verbotener Zusätze zur Berufsbezeichnung ist Berufspflicht des Steuerberaters. Gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 StBerG obliegt es der Steuerberaterkammer, die Mitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Ein Mitglied, dass sich entsprechend dem erteilten Rat verhält, kann im berufsgerichtlichen Verfahren und im Strafverfahren darauf verweisen, dass ihm sein Verhalten nicht vorgeworfen werden kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns hat, das insbesondere auch für einen bestimmten Berufskreis von Bedeutung ist, eine Erkundigungspflicht hat. So muss sich selbst ein Rechtsanwalt bei einer schwierigen Frage der anwaltlichen Berufspflicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer beraten lassen (BGH, Urteil vom 16. November 1962 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192). Entsprechendes gilt für einen Steuerberater (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 1996 StO 1/95, DStR 1996, 1304). Kommt der Steuerberater dieser Pflicht nach, muss er auch die Möglichkeit haben, seine von der Steuerberaterkammer abweichende Rechtsauffassung auf dem Rechtsweg überprüfen zu lassen. Ansonsten würde er sich dem Risiko aussetzen, die Frage erst in einem berufsgerichtlichen Verfahren mit ggf. inkriminierenden Folgen klären lassen zu können.
56 
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
57 
Das von dem Kläger begehrte Führen einer Zusatzbezeichnung verstößt in allen von ihm zur Entscheidung gestellten Gestaltungen gegen § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG.
58 
Gemäß § 43 Abs. 1 StBerG lautet die Berufsbezeichnung der Berufsangehörigen „Steuerberater“ oder „Steuerbevollmächtigter“, bzw. die entsprechende weibliche Form; diese Bezeichnung ist im beruflichen Verkehr von den Berufsangehörigen zu führen.
59 
Absatz 2 der Vorschrift erlaubt dem Steuerberater neben der amtlichen Berufsbezeichnung weitere Berufsbezeichnungen zu führen, wenn auch sie amtlich verliehen worden sind. Hierbei sind nur Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder auf eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 StBerG).
60 
Als „Berufsbezeichnungen“ werden auf Dauer angelegte, erlaubte und sinnvolle Tätigkeiten benannt, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen (Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rz. 11 ff.). Daher scheiden von vornherein Bezeichnungen aus, die nicht auf eine Tätigkeit, sondern auf eine Befähigung oder auf eine bestandene Prüfung zur Fortbildung hinweisen, wie z. B. die von den Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien vergebene Bezeichnung „Betriebswirt (VWA)“ (BFH-Urteil vom 11. November 1986 VII R 105/82, BFHE 148, 201).
61 
Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen indem sie die Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen schützt. Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel bewahren und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtssuchenden Bürger Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/09, BStBl II 2010, 706).
62 
Der Regelung liegt die Annahme zugrunde, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtssuchenden Publikums. Sie soll sicher stellen, dass die mit der amtlichen Bezeichnung erbrachte hoheitliche Gewähr für Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - nicht zwingend vorhandene - Autorität verschafft (BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10, DStR 2010, 1694).
63 
Bei der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ handelt es sich um einen besonderen Qualifikationsnachweis. Durch die Hinzufügung des Kürzels „(IHK)“ besteht die Gefahr, dass bei dem rechtssuchenden Publikum der Eindruck entstehen könnte, der Kläger erbringe als Steuerberater in Bezug auf seine Tätigkeit als Rating Analyst durch eine unabhängige bzw. staatliche Einrichtung zertifizierte Dienstleistungen, nicht mehr.
64 
Für die Abgrenzung zwischen nach § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG verbotenen und erlaubten Zusätzen wird in ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt, ob der Zusatz im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters inhaltlich oder räumlich deutlich abgesetzt ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/90, BStBl II 2010, 706; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10,DStR 2010, 1694). Diese Rechtsprechung trägt dem Gedanken, dass dem Verbot des § 43 StBerG aus den vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Gründen enge Grenzen zu setzen sind, bereits Rechnung. Eine weitere Einschränkung des Geltungsbereichs des § 43 Abs. 2 StBerG ist unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Norm nicht mehr möglich. Soweit der Kläger vor diesem Hintergrund die Erforderlichkeit eines bestimmten räumlichen Abstands für lächerlich hält, übersieht er, dass es hierauf im Streitfall allein deshalb ankommt, weil er sich der Einhaltung jedes inhaltlichen Abstandes verweigert hat. Sein Verhalten gibt dem Senat die Gelegenheit, die Rechtsprechung zum sog. Abstandsgebot zu konkretisieren.
65 
Der Frage, wie groß der Abstand jeweils sein muss, ist keiner allgemeinen und abstrakten Beurteilung zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der konkreten Wortwahl und der Gestaltung des Werbeträgers - beurteilt werden.
66 
Dem möglichen Vorwurf eines richterlichen Dezisionismus bzw. einer richterlichen Willkür muss entgegengehalten werden, dass die Abstandsfrage nicht rein wertfrei und nach rein wissenschaftlichen Kriterien entschieden werden kann und dass die Konkretisierung einer Rechtsfrage durch Richterrecht auch in anderen Rechtsgebieten geboten und verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
67 
Im Streitfall stellt die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK) in allen zur Entscheidung gestellten Gestaltungen jeweils einen unerlaubten Zusatz zur Berufsbezeichnung dar.
68 
Die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ steht auf den Briefbögen Nrn. 3, 4 und 5 jeweils in so engem räumlichen Zusammenhang zum Namen und zur Berufsbezeichnung des Klägers, dass sie nach der Überzeugung des Senats geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung in Frage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zur verleiten, es handele sich auch bei dem „Zertifizierten Rating Analyst (IHK)“ um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Hierbei misst der Senat dem Umstand Bedeutung bei, dass die Industrie- und Handelskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Für die an den Dienstleistungen des Klägers interessierten Bürger ist deshalb nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ nicht um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis handelt. Schon deshalb ist im Streitfall eine klar erkennbare räumliche Abgrenzung des Zusatzes geboten.
69 
Für die Frage einer möglichen Irreführung kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Zusatz unmittelbar vor oder nach dem Namen bzw. der Berufsbezeichnung des Klägers steht. Unter dem Begriff Zusatz versteht man sprachlich etwas, was einem Text als Ergänzung, Erweiterung oder Erläuterung hinzugefügt wird. Im Streitfall geht es um eine Erweiterung der Beschreibung der beruflichen Tätigkeit des Klägers, der mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet des Ratings wirbt. Eine derartige Erweiterung des Berufsbildes eines Steuerberaters ist auch dann gegeben, wenn die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ wie in den Fällen Nrn. 3 und 5 vor dem Namen platziert wird. Der im Fall Nr. 4 vorhandene räumliche Abstand wird nach der Überzeugung des Senats durch die besondere Hervorhebung des Zusatzes aufgehoben.
70 
Nichts anderes kann für die Visitenkarte (Nr. 6), das Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) und den Stempel (Nr. 8) gelten. Auch hier hätte der Kläger die Möglichkeit einer inhaltlichen Abgrenzung durch die Verwendung des Wortes „Zusatzqualifikation“ gehabt.
71 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers verstößt § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG auch nicht gegen höherrangiges Recht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Urteilen des Landgerichts Y vom xx.xx. 2014 xxxx (DStR 2011, 1482) und des Oberlandesgerichts Z vom xx.xx. 2012 xxxxx (DStR 2012, 1827) sowie auf die darin zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 20. April 1982 1 BvR 522/78, BVerfGE 60, 215; Beschluss vom 29. Oktober 1990 1 BvR 1307/88, juris; Beschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10, DStR 2010, 1694; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/09, BStBl II 2010, 706), der es sich anschließt.
72 
Die zitierte Rechtsprechung geht einheitlich davon aus, dass die der Regelung zugrundeliegende Annahme der Gefahr einer Irreführung des steuerrechtschutzsuchenden Publikums nicht offensichtlich unzutreffend und dass das sich hieraus ergebende Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zwischenzeitlich nicht entfallen ist. Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG ist geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. Denn durch das Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Berufsbezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - tatsächlich nicht zwingend vorhandene Autorität verleiht. Die Regelung ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Steuerberaters wiegt nicht übermäßig schwer, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse des Steuerberaters auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber ist berechtigt, für unterschiedliche Berufsgruppen deren spezifischen Bedürfnissen entsprechende Berufsausübungsregeln zu erlassen.
73 
Eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz war daher nicht geboten.
74 
Aus den gleichen Gründen wirft der Streitfall auch keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Soweit sich der Kläger insoweit auf das BGH-Urteil vom 13. November 2013 I ZR 15/12 (BGHZ 199, 43) und die dort genannte Richtlinie 2006/123/EG stützt, hat er übersehen, dass die Richtlinie 2006/123/EG gemäß Art. 2 Abs. 2 b) und Abs. 3 auf den Streitfall keine Anwendung finden kann.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
76 
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.

Gründe

 
51 
Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
52 
Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine berufsrechtliche Frage vor. Streitgegenstand ist die Frage, ob die Verwendung eines Zusatzes zur Berufsbezeichnung gemäß § 43 StBerG zulässig ist. § 43 StBerG steht im zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des StBerG, der von der Rechtswegzuweisung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO erfasst wird.
53 
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt keine berufsgerichtliche Streitigkeit vor, denn Streitgegenstand ist nicht die Frage der Zulässigkeit von Maßnahmen der Berufsaufsicht. Der Senat folgt nicht dem Beschluss des FG Münster vom 19. Dezember 1984 VII 1873/84 (EFG 1985, 368), zumal das berufsgerichtliche Verfahren gegen den Kläger bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und im Streitfall Fragestellungen zu entscheiden sind, die dort nicht Gegenstand waren. Die vom Beklagten kritisierte Zersplitterung der Rechtsweges mag unerfreulich sein. Sie ist jedoch vom Gesetzgeber so gewollt.
54 
Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (vgl. § 41 Abs. 1 FGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit des von ihm beabsichtigten Führens eines Zusatzes zur Berufsbezeichnung, soweit die Beklagte ein entsprechendes Recht des Klägers durch eine abschlägige Auskunft bestritten hat (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Dezember 1990 2 K 2402/90, juris).
55 
Die Vermeidung verbotener Zusätze zur Berufsbezeichnung ist Berufspflicht des Steuerberaters. Gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 StBerG obliegt es der Steuerberaterkammer, die Mitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Ein Mitglied, dass sich entsprechend dem erteilten Rat verhält, kann im berufsgerichtlichen Verfahren und im Strafverfahren darauf verweisen, dass ihm sein Verhalten nicht vorgeworfen werden kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns hat, das insbesondere auch für einen bestimmten Berufskreis von Bedeutung ist, eine Erkundigungspflicht hat. So muss sich selbst ein Rechtsanwalt bei einer schwierigen Frage der anwaltlichen Berufspflicht vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer beraten lassen (BGH, Urteil vom 16. November 1962 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192). Entsprechendes gilt für einen Steuerberater (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 1996 StO 1/95, DStR 1996, 1304). Kommt der Steuerberater dieser Pflicht nach, muss er auch die Möglichkeit haben, seine von der Steuerberaterkammer abweichende Rechtsauffassung auf dem Rechtsweg überprüfen zu lassen. Ansonsten würde er sich dem Risiko aussetzen, die Frage erst in einem berufsgerichtlichen Verfahren mit ggf. inkriminierenden Folgen klären lassen zu können.
56 
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
57 
Das von dem Kläger begehrte Führen einer Zusatzbezeichnung verstößt in allen von ihm zur Entscheidung gestellten Gestaltungen gegen § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG.
58 
Gemäß § 43 Abs. 1 StBerG lautet die Berufsbezeichnung der Berufsangehörigen „Steuerberater“ oder „Steuerbevollmächtigter“, bzw. die entsprechende weibliche Form; diese Bezeichnung ist im beruflichen Verkehr von den Berufsangehörigen zu führen.
59 
Absatz 2 der Vorschrift erlaubt dem Steuerberater neben der amtlichen Berufsbezeichnung weitere Berufsbezeichnungen zu führen, wenn auch sie amtlich verliehen worden sind. Hierbei sind nur Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder auf eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 StBerG).
60 
Als „Berufsbezeichnungen“ werden auf Dauer angelegte, erlaubte und sinnvolle Tätigkeiten benannt, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen (Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rz. 11 ff.). Daher scheiden von vornherein Bezeichnungen aus, die nicht auf eine Tätigkeit, sondern auf eine Befähigung oder auf eine bestandene Prüfung zur Fortbildung hinweisen, wie z. B. die von den Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien vergebene Bezeichnung „Betriebswirt (VWA)“ (BFH-Urteil vom 11. November 1986 VII R 105/82, BFHE 148, 201).
61 
Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen indem sie die Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen schützt. Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel bewahren und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtssuchenden Bürger Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/09, BStBl II 2010, 706).
62 
Der Regelung liegt die Annahme zugrunde, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtssuchenden Publikums. Sie soll sicher stellen, dass die mit der amtlichen Bezeichnung erbrachte hoheitliche Gewähr für Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - nicht zwingend vorhandene - Autorität verschafft (BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10, DStR 2010, 1694).
63 
Bei der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ handelt es sich um einen besonderen Qualifikationsnachweis. Durch die Hinzufügung des Kürzels „(IHK)“ besteht die Gefahr, dass bei dem rechtssuchenden Publikum der Eindruck entstehen könnte, der Kläger erbringe als Steuerberater in Bezug auf seine Tätigkeit als Rating Analyst durch eine unabhängige bzw. staatliche Einrichtung zertifizierte Dienstleistungen, nicht mehr.
64 
Für die Abgrenzung zwischen nach § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG verbotenen und erlaubten Zusätzen wird in ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt, ob der Zusatz im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters inhaltlich oder räumlich deutlich abgesetzt ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/90, BStBl II 2010, 706; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10,DStR 2010, 1694). Diese Rechtsprechung trägt dem Gedanken, dass dem Verbot des § 43 StBerG aus den vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Gründen enge Grenzen zu setzen sind, bereits Rechnung. Eine weitere Einschränkung des Geltungsbereichs des § 43 Abs. 2 StBerG ist unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Norm nicht mehr möglich. Soweit der Kläger vor diesem Hintergrund die Erforderlichkeit eines bestimmten räumlichen Abstands für lächerlich hält, übersieht er, dass es hierauf im Streitfall allein deshalb ankommt, weil er sich der Einhaltung jedes inhaltlichen Abstandes verweigert hat. Sein Verhalten gibt dem Senat die Gelegenheit, die Rechtsprechung zum sog. Abstandsgebot zu konkretisieren.
65 
Der Frage, wie groß der Abstand jeweils sein muss, ist keiner allgemeinen und abstrakten Beurteilung zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der konkreten Wortwahl und der Gestaltung des Werbeträgers - beurteilt werden.
66 
Dem möglichen Vorwurf eines richterlichen Dezisionismus bzw. einer richterlichen Willkür muss entgegengehalten werden, dass die Abstandsfrage nicht rein wertfrei und nach rein wissenschaftlichen Kriterien entschieden werden kann und dass die Konkretisierung einer Rechtsfrage durch Richterrecht auch in anderen Rechtsgebieten geboten und verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
67 
Im Streitfall stellt die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK) in allen zur Entscheidung gestellten Gestaltungen jeweils einen unerlaubten Zusatz zur Berufsbezeichnung dar.
68 
Die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ steht auf den Briefbögen Nrn. 3, 4 und 5 jeweils in so engem räumlichen Zusammenhang zum Namen und zur Berufsbezeichnung des Klägers, dass sie nach der Überzeugung des Senats geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung in Frage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zur verleiten, es handele sich auch bei dem „Zertifizierten Rating Analyst (IHK)“ um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Hierbei misst der Senat dem Umstand Bedeutung bei, dass die Industrie- und Handelskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Für die an den Dienstleistungen des Klägers interessierten Bürger ist deshalb nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei der Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ nicht um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis handelt. Schon deshalb ist im Streitfall eine klar erkennbare räumliche Abgrenzung des Zusatzes geboten.
69 
Für die Frage einer möglichen Irreführung kann es auch keinen Unterschied machen, ob der Zusatz unmittelbar vor oder nach dem Namen bzw. der Berufsbezeichnung des Klägers steht. Unter dem Begriff Zusatz versteht man sprachlich etwas, was einem Text als Ergänzung, Erweiterung oder Erläuterung hinzugefügt wird. Im Streitfall geht es um eine Erweiterung der Beschreibung der beruflichen Tätigkeit des Klägers, der mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet des Ratings wirbt. Eine derartige Erweiterung des Berufsbildes eines Steuerberaters ist auch dann gegeben, wenn die Bezeichnung „Zertifizierter Rating Analyst (IHK)“ wie in den Fällen Nrn. 3 und 5 vor dem Namen platziert wird. Der im Fall Nr. 4 vorhandene räumliche Abstand wird nach der Überzeugung des Senats durch die besondere Hervorhebung des Zusatzes aufgehoben.
70 
Nichts anderes kann für die Visitenkarte (Nr. 6), das Anzugrevers Nr. 2 (Nr. 7) und den Stempel (Nr. 8) gelten. Auch hier hätte der Kläger die Möglichkeit einer inhaltlichen Abgrenzung durch die Verwendung des Wortes „Zusatzqualifikation“ gehabt.
71 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers verstößt § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG auch nicht gegen höherrangiges Recht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Urteilen des Landgerichts Y vom xx.xx. 2014 xxxx (DStR 2011, 1482) und des Oberlandesgerichts Z vom xx.xx. 2012 xxxxx (DStR 2012, 1827) sowie auf die darin zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 20. April 1982 1 BvR 522/78, BVerfGE 60, 215; Beschluss vom 29. Oktober 1990 1 BvR 1307/88, juris; Beschluss vom 9. Juni 2010 1 BvR 1198/10, DStR 2010, 1694; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 24/09, BStBl II 2010, 706), der es sich anschließt.
72 
Die zitierte Rechtsprechung geht einheitlich davon aus, dass die der Regelung zugrundeliegende Annahme der Gefahr einer Irreführung des steuerrechtschutzsuchenden Publikums nicht offensichtlich unzutreffend und dass das sich hieraus ergebende Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zwischenzeitlich nicht entfallen ist. Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG ist geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. Denn durch das Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Berufsbezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - tatsächlich nicht zwingend vorhandene Autorität verleiht. Die Regelung ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Steuerberaters wiegt nicht übermäßig schwer, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse des Steuerberaters auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber ist berechtigt, für unterschiedliche Berufsgruppen deren spezifischen Bedürfnissen entsprechende Berufsausübungsregeln zu erlassen.
73 
Eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz war daher nicht geboten.
74 
Aus den gleichen Gründen wirft der Streitfall auch keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Soweit sich der Kläger insoweit auf das BGH-Urteil vom 13. November 2013 I ZR 15/12 (BGHZ 199, 43) und die dort genannte Richtlinie 2006/123/EG stützt, hat er übersehen, dass die Richtlinie 2006/123/EG gemäß Art. 2 Abs. 2 b) und Abs. 3 auf den Streitfall keine Anwendung finden kann.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
76 
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11 zitiert 13 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 5 Irreführende geschäftliche Handlungen


(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. (2) Eine

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 33


(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben 1. in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,2. in öf

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 41


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Steuerberatungsgesetz - StBerG | § 43 Berufsbezeichnung


(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu füh

Steuerberatungsgesetz - StBerG | § 76 Aufgaben der Steuerberaterkammer


(1) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen. (2) Der Steuerberaterkammer obliegt insbesondere, 1. die Mitglieder der Kammer

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2013 - I ZR 15/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 15/12 Verkündet am: 13. November 2013 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja

Bundesfinanzhof Urteil, 09. Aug. 2011 - VII R 2/11

bei uns veröffentlicht am 09.08.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übt eine Angestelltentätigkeit als Steuerreferent bei der X-AG aus und nimmt dort Aufgaben im Bereich Controlling
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Okt. 2014 - 2 K 3426/11.

Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Feb. 2016 - VII B 185/14

bei uns veröffentlicht am 10.02.2016

Tenor Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2014  2 K 3426/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das in § 43 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geregelte Verbot des Führens von Zusätzen zur Berufsbezeichnung "Steuerberater".

2

1. a) Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StBerG ist das Führen weiterer Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" (§ 43 Abs. 1 StBerG) nur gestattet, wenn die weiteren Berufsbezeichnungen amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG im beruflichen Verkehr unzulässig. Nach § 43 Abs. 3 StBerG sind Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen.

3

b) Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Nach Absolvierung eines Lehrgangs wurde ihm vom Deutschen Steuerberaterverband die Bezeichnung "Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e.V.)" verliehen. Auf Anfrage des Beschwerdeführers teilte die zuständige Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 17. August 2007 unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 und 3 StBerG mit, dass das Führen von Fachberatertiteln des Deutschen Steuerberaterverbandes derzeit unzulässig sowie im Übrigen wettbewerbswidrig sei und eine Berufspflichtverletzung darstelle. Gemäß § 43 Abs. 2 und 3 StBerG sei lediglich gestattet, ergänzend auf die erfolgreiche Ableistung eines Fachberaterkurses und die hierdurch erworbene zusätzliche Qualifikation als Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung hinzuweisen; als Titel zusätzlich zur Berufsbezeichnung dürfe die Fachberaterbezeichnung nicht geführt werden.

4

Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers hat das Finanzgericht abgewiesen. Die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, soweit der Beschwerdeführer die Feststellung begehre, dass er berechtigt sei, werbend auf die erworbene Fachberaterbezeichnung hinzuweisen; die Steuerberaterkammer habe das Recht des Beschwerdeführers zur werbenden Präsentation seiner Zusatzqualifikation nicht in Abrede gestellt. Soweit es dem Beschwerdeführer allerdings vorrangig um die Auslegung des § 43 StBerG gehe, nämlich um eine Gleichstellung seiner Präsentationsbefugnis mit den von der Steuerberaterkammer amtlich im Sinne des § 43 Abs. 2 StBerG verliehenen Titeln, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Das Führen der vom Deutschen Steuerberaterverband vergebenen Fachberaterbezeichnung verstoße auch unter Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit und des Gebots der Verhältnismäßigkeit gegen § 43 Abs. 2 und 3 StBerG. Die gesetzliche Regelung halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG stand. Zweck der Regelungen des Steuerberatungsgesetzes sei der Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen. Die Unterscheidung der Fachberater in solche, die die Steuerberaterkammer verleihe, und solche, die vom Deutschen Steuerberaterverband vergeben würden, sei sachlich begründet; die Prüfungskriterien würden im ersten Fall amtlich bestimmt und stünden unter staatlicher Aufsicht, im zweiten Fall seien sie nur privater Natur. Eine Differenzierung sei im Hinblick auf den Wettbewerb und den Schutz des steuerrechtsuchenden Publikums vor Irreführung hinsichtlich der Qualifikation der Steuerberater gerechtfertigt. Einer Werbung des betroffenen Steuerberaters mit dem "Fachberater" auf seinen Geschäftspapieren, in Anzeigen und im Internet-Auftritt stehe demgegenüber nichts entgegen.

5

Auch die Revision des Beschwerdeführers ist ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht die Klage des Beschwerdeführers zu Recht als unbegründet abgewiesen, soweit das Feststellungsbegehren darauf gerichtet gewesen sei, die Fachberaterbezeichnung neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" - nicht nur als räumlich abgesetzten Hinweis auf die zusätzliche Qualifikation - führen zu dürfen. Dem Begehren des Beschwerdeführers stehe § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG entgegen, wonach Zusätze im beruflichen Verkehr unzulässig seien, soweit nicht § 43 Abs. 3 StBerG unter bestimmten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen Ausnahmen erlaube und solange es - wie im Streitfall - nicht um eine von der Bundessteuerberaterkammer zugelassene Fachberaterbezeichnung gehe. Hinweise auf bestimmte zusätzlich erworbene Qualifikationen seien im beruflichen Verkehr des Steuerberaters allerdings nicht ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert generell verboten; nach § 57a StBerG sei sachlich unterrichtende Werbung über die berufliche Tätigkeit ausdrücklich erlaubt. Für die gebotene Abgrenzung habe das Finanzgericht in nicht zu beanstandender Weise - in Übereinstimmung mit der zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband diesbezüglich getroffenen Vereinbarung - darauf abgestellt, ob die Fachberaterbezeichnung im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters räumlich deutlich abgesetzt sei. Der Streitfall biete auch keinen Anlass, § 43 Abs. 2 StBerG zugunsten des Beschwerdeführers einschränkend auszulegen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es das mit der Vorschrift verfolgte gesetzgeberische Ziel, das Hilfeleistung in Steuersachen suchende Publikum vor der Gefahr einer Irreführung durch verschiedenartige Berufsbezeichnungen oder durch besondere Sachkompetenz verheißende Zusätze zu schützen.

6

2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und macht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend. Zur Begründung führt er aus, die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG und die auf ihr beruhenden angegriffenen Entscheidungen, nach denen der Abdruck von Zusatzbezeichnungen in unmittelbarer Nähe zur Berufsbezeichnung "Steuerberater" rechtswidrig sei, trügen dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Es gebe grundsätzlich keine vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dafür, (nur) bei Steuerberatern Zusätze zu Berufsbezeichnungen ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten; für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregten, müsse in rechtlichem und geschäftlichem Verkehr Raum bleiben. Der Versuch der Fachgerichte, das streitige Verbot mit der Sicherstellung der "Eindeutigkeit" der Steuerberaterbezeichnung zu rechtfertigen, werde den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. § 43 StBerG gehe über das Verbot der Irreführung hinaus. Eine relevante Irreführung sei mit dem Führen der streitigen Bezeichnung nicht verbunden, weil die durch die Fachberaterbezeichnung ausgewiesene besondere Qualifikation den Tatsachen entspreche und die Bezeichnung nach der maßgeblichen Sichtweise des werbegewohnten Verbrauchers keine Irreführungs- und Verwechslungsgefahr gegenüber amtlich verliehenen Titeln und Bezeichnungen begründe. Am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gemessen könne es nicht gerechtfertigt sein, nur Steuerberatern die Führung von Bezeichnungen der streitigen Art zu untersagen, nicht aber den in ihrer Funktion völlig vergleichbaren Fachanwälten für Steuerrecht.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

8

Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

9

1. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG und die hierauf beruhenden Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

10

Der angegriffene Bescheid der Steuerberaterkammer und die angegriffenen Urteile berühren den Beschwerdeführer zwar in seiner Berufsausübungsfreiheit, weil sie seiner vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfassten beruflichen Außendarstellung (vgl. BVerfGE 111, 366 <379>) Grenzen setzen. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG genügt jedoch den Anforderungen, die an das Grundrecht der Berufsfreiheit einschränkende Gesetze zu stellen sind. Auch bei der konkreten Rechtsanwendung wurde der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung getragen.

11

a) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 60, 215 <233>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 1990 - 1 BvR 1307/88 -, juris ). Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können, als berufswidrig zu verbieten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juli 2001 - 1 BvR 873/00 -, NJW 2001, S. 2788 <2789>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, S. 1331).

12

aa) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen und dabei vor allem dem Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz , § 43 Rn. 2 m.w.N.; Willerscheid, in: Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 43 Rn. 8 ff.). Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel schützen und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtsuchenden Personen Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 - I ZR 29/79 -, NJW 1981, S. 2519; Urteil vom 10. März 1988 - I ZR 217/85 -, GRUR 1988, S. 624 <626>).

13

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beschwerdeführers, eine Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums sei vorliegend nicht zu besorgen. Der Gesetzgeber hat seinen Einschätzungsspielraum bei Schaffung der Regelung in § 43 Abs. 2 StBerG nicht überschritten. Die der Regelung zugrunde liegende Annahme, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums, ist nicht offensichtlich unzutreffend; ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor einem Wildwuchs an nicht amtlichen Zusätzen zur Berufsbezeichnung und vor einer hierdurch bedingten Verwässerung zwischenzeitlich entfallen wäre.

14

bb) Die Regelung ist auch geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG gestattet nur das Führen amtlich verliehener Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" und untersagt andere Zusätze, sofern sie nicht auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen. Durch dieses Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Bezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - tatsächlich nicht zwingend vorhandene - Autorität verschafft; die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist daher geeignet, die amtlich verliehenen Berufsbezeichnungen und Titel gegen eine Verwässerung zu schützen und Irrtümern der steuerrechtsuchenden Bevölkerung über die besondere Sachkompetenz des Berufsträgers entgegenzuwirken.

15

cc) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen; ein milderes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Irreführung über die Aussagekraft der Berufsbezeichnung "Steuerberater", ihr beigefügter Zusätze und über die hierdurch ausgewiesenen Qualifikationen ist nicht ersichtlich. Ohne die angegriffene Regelung bestünde - wie die Situation vor Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes gezeigt hat (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, a.a.O.) - ein nicht unerhebliches Risiko eines Konturverlusts der amtlichen Berufsbezeichnungen und damit eine Gefahr der Irreführung über die Qualität und Aussagekraft von einerseits amtlich sowie andererseits privat verliehener Bezeichnungen. Es wäre zu befürchten, dass ein neuerlicher Wildwuchs an privat verliehenen - möglicherweise wenig aussagekräftigen und verlässlichen - Bezeichnungen und Titeln entstünde, der - soweit diese als Zusatz zu der amtlichen Berufsbezeichnung zugelassen würden - eine Orientierung des steuerrechtsuchenden Publikums nachhaltig erschweren und die Gefahr einer Irreführung über die Aussagekraft und Autorität der Berufsbezeichnungen und Zusätze begründen würde.

16

dd) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch angemessen und führt nicht zu unzumutbaren Beschränkungen für die betroffenen Steuerberater. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Steuerberater wiegt nicht schwer. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG zielt schon nach seinem Wortlaut nicht auf ein umfassendes - und als solches verfassungswidriges (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>) - Verbot jeglicher Angaben und Zusätze ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte ab; sie untersagt lediglich nicht amtlich verliehene Berufsbezeichnungen und Zusätze, weil diese im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu einer Irreführung über die Qualität einer Bezeichnung oder eines Titels - nämlich insbesondere über die Reichweite der durch einen amtlichen Titel oder eine amtliche Bezeichnung zum Ausdruck gebrachten hoheitlichen Gewähr für die zugrunde liegenden Qualifikationsstandards - führen können.

17

Schon aus dem in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG verwendeten Begriff "Zusatz" ergibt sich, dass sachlich zutreffende Hinweise auf nicht amtlich verbürgte besondere Qualifikationen nur bei Bestehen einer inhaltlichen oder räumlichen Verbindung zu der amtlichen Berufsbezeichnung unzulässig, im Übrigen aber erlaubt sind. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG steht daher einer - verfassungsrechtlich geschützten und im Übrigen durch § 57a StBerG ausdrücklich erlaubten - beruflichen Außendarstellung und Werbung durch interessengerechte und sachangemessene Information nicht entgegen. Steuerberatern werden werbende Hinweise auf ihre zusätzlich zur allgemeinen beruflichen Qualifikation erworbene Sachkompetenz nicht grundsätzlich untersagt; ihnen wird lediglich versagt, ihren von privater Stelle zuerkannten Bezeichnungen den Anschein einer besonderen - tatsächlich nicht vorhandenen - Autorität zu geben.

18

b) Auch die konkrete Rechtsanwendung durch die Fachgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Regelung obliegt den Fachgerichten und ist durch das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Vorliegend haben die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG vertretbar ausgelegt und angewendet; die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe wurden berücksichtigt und in der gebotenen Weise zur Anwendung gebracht.

19

aa) Insbesondere haben die Fachgerichte zutreffend erkannt, dass das Führen der vom Beschwerdeführer erworbenen Fachberaterbezeichnung in unmittelbarer Verbindung mit der Berufsbezeichnung "Steuerberater" der Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG unterfällt und geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung infrage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zu verleiten, es handele sich auch bei der dem Beschwerdeführer vom Deutschen Steuerberaterverband zuerkannten Fachberaterbezeichnung um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Die Fachgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass das Führen der Bezeichnung in räumlicher Nähe zu der amtlichen Berufsbezeichnung ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit und trotz des Zusatzes "DStV e.V." zu Irrtümern des steuerrechtsuchenden Publikums führen kann.

20

bb) Das Abgrenzungskriterium der räumlichen Nähe oder Distanz der Fachberaterbezeichnung zu der amtlichen Berufsbezeichnung ist, wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat, auch nicht zu unbestimmt und untauglich für eine sachgerechte Abgrenzung. Die Gefahr einer Irreführung ist einer allgemeinen und abstrakten Beurteilung nicht zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der konkreten Wortwahl und Gestaltung des Werbeträgers - verantwortbar beurteilt werden. Eine damit verbundene Rechtsunsicherheit ist nicht vollständig zu vermeiden, begegnet aber wegen der Möglichkeit einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

21

cc) Die Auslegung und Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG durch die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse der Steuerberater - hier des Beschwerdeführers - auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. Nachdem sowohl die Steuerberaterkammer als auch die Fachgerichte dem Beschwerdeführer ausdrücklich zugestanden haben, in einer Weise werbend auf seine Zusatzqualifikation hinzuweisen, die aufgrund der konkreten Wortwahl und des räumlichen Abstands zu der amtlichen Berufsbezeichnung nicht die Gefahr birgt, dass die Fachberaterbezeichnung für eine amtlich verliehene Auszeichnung gehalten oder die amtliche Berufsbezeichnung verwässert wird, wiegt der mit den angegriffenen Hoheitsakten verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers nicht schwer. Er steht zu dem mit ihm verfolgten Zweck in angemessenem Verhältnis.

22

dd) Der angegriffenen fachgerichtlichen Rechtsprechung steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Angabe rechtsförmlich erworbener fachlicher Qualifikationen als herkömmliches Mittel der Ankündigung freiberuflicher Leistungen vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und ein diesbezügliches Verbot unzulässig ist (vgl. BVerfGE 33, 125 <170>; 57, 121 <133>; 82, 18 <28>). Die zitierte Rechtsprechung betraf - anders als der vorliegende Fall - Konstellationen, in denen Berufsträgern das Führen von hoheitlich verliehenen Bezeichnungen neben ihrer Berufsbezeichnung untersagt worden war; eine Gefahr der Irreführung oder der Verwässerung der amtlichen Bezeichnung war daher - anders als im vorliegenden Fall - nicht gegeben.

23

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits mangels einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechenden Begründung unzulässig (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>). Der Beschwerdeführer behauptet nur pauschal, dass Rechtsanwälten das Führen einer entsprechenden Fachberater-Bezeichnung erlaubt sei und dass daher eine unzulässige Diskriminierung vorliege; auf die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte geht der Beschwerdeführer nicht ein. Auch mit den entsprechenden Ausführungen des Bundesfinanzhofs setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er übergeht, dass - worauf der Bundesfinanzhof zutreffend hinweist - auch nach den Regelungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte (§ 7 Abs. 2 BORA) das Führen einer Zusatzbezeichnung unter anderem dann ausscheidet, wenn die Gefahr einer Verwechslung mit einer Fachanwaltschaft besteht. Ob dies bei der im vorliegenden Fall streitigen Bezeichnung der Fall sein könnte, wird nicht erörtert. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil die Verwendung vergleichbarer Zusätze, die mit dem Begriff "Fach-" beginnen, von der ganz herrschenden Meinung für irreführend im Sinne des § 7 Abs. 2 BORA gehalten wird, sofern eine entsprechende Fachanwaltschaft besteht (vgl. auch Römermann, in: Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl. 2009, § 7 BORA, Rn. 82 ff. <87>; Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 1. Aufl. 2010, § 7 BORA, Rn. 63 ff. <66>; ders., BRAK-Mitt. 2009, S. 134 <135> m.w.N.).

24

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Absatz 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;
3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen;
5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;
6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder
7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.

(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder
2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.

(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 15/12 Verkündet am:
13. November 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kommanditistenbrief
UWG § 4 Nr. 11; BRAO § 43b; Richtlinie 2006/123/EG Art. 24
Ein Rechtsanwalt verstößt nicht zwingend gegen das Verbot der Werbung um
Praxis (§ 43b BRAO), wenn er einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines
konkreten Beratungsbedarfs (hier: Inanspruchnahme als Kommanditist einer
Fondsgesellschaft auf Rückzahlung von Ausschüttungen) persönlich anschreibt
und seine Dienste anbietet. Ein Verstoß liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn
der Adressat einerseits durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder
überrumpelt wird und er sich andererseits in einer Lage befindet, in der er auf
Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche
Werbung hilfreich sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. März
2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom
15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch
und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2012 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Kammer für Handelssachen, vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien vertreten als Rechtsanwälte Anleger der in Insolvenz befindlichen Fondsgesellschaft „G. KG“ (nachfolgend: Fondsgesellschaft). Deren Kommanditisten werden - teilweise schon im Klagewege - vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen.
2
Im September 2010 versandte die Beklagte an zahlreiche von ihr nicht anwaltlich vertretene Kommanditisten der Fondsgesellschaft ein im Folgenden in Auszügen wiedergegebenes, an den jeweiligen Empfänger persönlich adressiertes Schreiben: In vorbezeichneter Angelegenheit zeigen wir an, dass wir mehrere Kommanditisten vertreten, die vom Insolvenzverwalter der G. KG vor dem Landgericht D. aus Kommanditistenhaftung in Anspruch genommen werden. Wir halten eine Verteidigung gegen die Klagen mindestens insoweit für erfolgsversprechend , sofern und soweit die Kommanditisten nicht direkt an der G. KG, sondern nur mittelbar, und zwar als Treugeber über die Treunehmerin, die M., beteiligt waren. Es gibt darüber hinaus einige weitere aussichtsreiche Ansatzpunkte , wie z.B. eine mögliche Verjährung der Ansprüche. Aus den uns vorliegenden Unterlagen ... ergibt sich weiter, dass sich der Insolvenzverwalter mit zwei größeren Anlegergruppen in Vergleichsgesprächen befindet. Gerne erörtern wir mit Ihnen diese diversen Aspekte der Angelegenheit ausführlich telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch. Wir weisen insbesondere darauf hin, dass es für Kommanditisten, die bereits in Anspruch genommen werden bzw. bei denen dies noch bevorsteht, sinnvoll sein kann, sich zum Zwecke gemeinsamer Interessenvertretung zusammenzuschließen , um gegenüber dem Insolvenzverwalter eine stärkere Verhandlungsposition aufzubauen. Wir sind auch interessiert am Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit Anwaltskollegen , die Sie eventuell in dieser Angelegenheit bereits vertreten.
3
Das Schreiben erreichte auch Mandanten des Klägers.
4
Der Kläger ist der Ansicht, das Schreiben sei eine gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO unzulässige Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, bei den von ihr nicht vertretenen Kommanditisten der G. KG in einem persönlich an diese Kommanditisten gerichteten Schreiben um die Erteilung eines Mandats zur Abwehr der vom Insolvenzverwalter gegen die Kommanditisten geführten Klage auf Rückzahlung der Ausschüttungen wie folgt zu werben (es folgt das oben wiedergegebene Schreiben).
5
Der Kläger hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG München, GRUR-RR 2012, 163). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt , verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO, § 242 BGB zu. Das beanstandete Schreiben verstoße gegen das Werbeverbot gemäß § 43b BRAO. Eine Werbung sei im Sinne dieser Vorschrift auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten umwerbe, bei dem ein konkreter, dem Rechtsanwalt bekannter Beratungsbedarf bestehe. Auf eine konkrete Beeinträchtigung der Interessen des Adressaten komme es nicht an. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen erfüllt. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft die von ihr angeschriebenen Kommanditisten in der Vergangenheit auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen habe. Es habe deshalb nicht nur ein potentieller, sondern ein aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung in Bezug auf die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten einer Verteidigung gegen die Forderungen des Insolvenzverwalters bestanden. Das Rundschreiben der Beklagten habe darauf abgezielt, diesen konkreten Bedarf zu decken. Eine solche Werbung sei gemäß § 43b BRAO unzulässig , ohne dass es weiterer Umstände wie etwa einer unsachlichen Belästigung der Adressaten, einer tatsächlichen Einschränkung ihrer Entschließungsfreiheit oder sonstiger Momente bedürfe.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Das beanstandete Schreiben verstößt nicht gegen § 43b BRAO. Es ist auch nicht aus anderen Gründen wettbewerbswidrig.
9
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom September 2010 verstoße gegen § 43b BRAO, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
a) Gemäß § 43b BRAO ist Werbung einem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
11
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Einschränkung der Werbemöglichkeit bei verfassungskonformer Auslegung des § 43b BRAO nur dann in Betracht, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BGH, Urteil vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f. - Anwaltswerbung II; Urteil vom 27. Januar 2005 - I ZR 202/02, GRUR 2005, 520, 521 = WRP 2005, 738 - Optimale Interessenvertretung; vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 57a StBerG BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 77/07, GRUR 2010, 349 Rn. 22 - EKW-Steuerberater). In der Vergangenheit hat der Senat allerdings angedeutet, dass er eine Werbung um Aufträge bereits dann als unzulässig erachtet, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung versuche - vergleichbar mit der offenen Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall - in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunutzen, dass sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befinde, in der er auf Hilfe angewiesen sei und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden könne (BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom 15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben). Dagegen hat der Senat solche Fälle nicht als vom Verbot erfasst angesehen, in denen sich der Rechtsanwalt an Personen wendet, bei denen er keinen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf, sondern - beispielsweise wegen einer erfolgten Gesetzesänderung - einbloß generelles Interesse an seiner Leistung erwartet. Er hat es als zulässig erachtet, diesen Adressaten einen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf erst mit den in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst zu machen. In einer solchen Situation fehlte es an einer gezielten persönlichen und daher gegebenenfalls als aufdringlich empfundenen Kontaktaufnahme (BGH, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
12
bb) Teilweise werden jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum strengere Anforderungen an ein Werbeverbot gestellt. So sei eine Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall nicht bereits dann unzulässig, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anspreche. Ein Verbot setze vielmehr zusätzlich voraus , dass die Werbung in ihrer individuellen Ausgestaltung geeignet sei, das Schutzgut des § 43b BRAO konkret zu gefährden (KG, GRUR-RR 2010, 437, 438 f.; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43b Rn. 21 ff.; Prütting in Henssler /Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43b Rn. 44; Huff, NJW 2003, 3525, 3527; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703; Degen, NJW 2011, 867 f.). Es bedürfe einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine gemeinwohlschädliche Aufdringlichkeit vorliege, die ein Verbot rechtfertigen könne. Maßgeblich sei, ob ein der Ansprache durch den Rechtsanwalt entgegenstehender Wille des po- tentiellen Mandanten ersichtlich sei. Ferner komme es auf das Verhältnis zwischen der Art und Intensität des konkreten Beratungsbedarfs (aktueller Todes-, Krankheits- oder Unglücksfall, Strafverfolgung oder lediglich drohende wirtschaftliche Verluste durch eine notleidend gewordene Geldanlage) auf der einen Seite und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung im Sinne einer Bedrängung, Nötigung oder Überrumpelung auf der anderen Seite an (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 445, 446; Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 29 ff.).
13
Das Erfordernis einer konkreten Gefährdung der Schutzgüter des § 43b BRAO wird damit begründet, dass es eine Werbeform nicht schon per se unzulässig mache, dass ein Umworbener konkreten Beratungsbedarf habe. Befinde sich jemand in einer Situation, in der er auf Rechtsrat angewiesen sei, werde ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung regelmäßig Nutzen bringen können. Erst in Fällen, in denen sich ein Anwalt in einer aufdringlichen Art aufnötige oder einen Verbraucher überrumpele, müssten klare Grenzen gezogen werden, beispielsweise bei der Ausnutzung eines Unglücksfalls. Werde dagegen einem Fondsanleger in sachlicher Weise anwaltlicher Rat angeboten , könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Umworbene nicht in der Lage sei zu entscheiden, ob er Kontakt zu dem Anwalt aufnehmen, gar nicht aktiv werden oder einen anderen Anwalt seines Vertrauens zu Rate ziehen wolle (vgl. Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 24 ff.; Hellwig, NJW 2005, 1217, 1219; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703).
14
cc) Diese Ansicht ist zumindest seit dem 28. Dezember 2009 vorzugswürdig. Seit diesem Zeitpunkt ist § 43b BRAO im Hinblick auf die Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt anhand des Maßstabs des Art. 24 der Richtlinie richtlinienkonform auszulegen; ein Werbeverbot ist danach nur bei einer durch eine Abwägung derUmstände des Einzelfalls festzustellenden konkreten Gefährdung der unionsrechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt.
15
(1) Die Bestimmung des § 43b BRAO regelt die berufsrechtlichen Grenzen , innerhalb deren Rechtsanwälte für ihre Dienstleistung werben dürfen. Die Vorschrift stellt damit eine berufsrechtliche Regelung über die kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 4 Nr. 12 der Richtlinie 2006/123/EG dar, die die Rechtsanwaltschaft und damit einen reglementierten Beruf im Sinne von Art. 4 Nr. 11 der Richtlinie 2006/123/EG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie in Verbindung mit § 4 BRAO betrifft.
16
(2) Gemäß Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG setzen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um der Richtlinie bis 28. Dezember 2009 nachzukommen. Seit diesem Tag ist § 43b BRAO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Rn. 108, 124 - Adeneler ELOG).
17
(3) Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG sind absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe untersagt. Gemäß Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2006/123/EG sind mit absoluten Verboten nicht solche gemeint, die sich auf den Inhalt der kommerziellen Kommunikation beziehen, sondern solche, die diese allgemein und für ganze Berufsgruppen in einer oder mehreren Formen untersagen, beispielsweise ein Verbot von Werbung in einem bestimmten Medium oder in einer Reihe von Medien. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass von einem absoluten Verbot im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG aus- zugehen ist, wenn eine nationale Bestimmung eine kommerzielle Kommunikation unabhängig von ihrer Form, ihrem Inhalt oder den verwendeten Mitteln untersagt (EuGH, Urteil vom 5. April 2011 - C-119/09, Slg. 2011, I-2551 = EuZW 2011, 681 Rn. 41 f. - Société fiduciaire nationale d’expertise comptable).
18
Daraus ergibt sich, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergibt. Allein der Umstand, dass ein potentieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen wird, genügt diesen Anforderungen nicht.
19
(4) Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die kommerzielle Kommunikation durch Angehörige reglementierter Berufe die Anforderungen der berufsrechtlichen Regeln erfüllt, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht je nach Beruf insbesondere die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten sollen. Berufsrechtliche Regelungen über die kommerzielle Kommunikation dürfen nicht diskriminierend sein und müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
20
Wie sich aus dieser Bestimmung („insbesondere“) ergibt, sind die Schutzgüter, deren Beeinträchtigung eine Einschränkung der kommerziellen Kommunikation rechtfertigen können, nicht auf die in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG ausdrücklich genannten Gesichtspunkte, also die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität der Rechtsanwaltschaft sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses, beschränkt. Vielmehr sind bei der Auslegung auch der systematische Regelungszusammenhang des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG und damit die Interessen der Verbraucher zu beachten (EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 28 - Société fiduciaire nationale d´expertise comptable).
21
Daraus folgt, dass ein Werbeverbot zum Schutz des potentiellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung , Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein kann. Aus der gesetzlichen Anordnung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt sich ferner, dass eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist. Dabei sind neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen. Außerdem kommt es darauf an, ob und inwieweit die Interessen des Verbrauchers deshalb nicht beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung Nutzen bringen kann.
22
b) Nach diesen Grundsätzen ist das beanstandete Werbeschreiben der Beklagten nicht zu beanstanden.
23
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die angeschriebenen Anleger ein der Beklagten bekannter aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung bestand, weil der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft bereits in der Vergangenheit an diese Anleger herangetreten war, sie zur Rückzahlung von Ausschüttungen aufgefordert und teilweise bereits Ansprüche klageweise geltend gemacht hatte. Daraus lässt sich indessen noch keine hinreichend konkrete Beeinträchtigung der Interessen der Anleger entnehmen, weil in der Situation eines konkreten Beratungsbedarfs gerade ein Interesse der Anleger an einer bedarfsgerechten sachlichen Werbung bestehen kann. Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die Entscheidungsfreiheit der angeschriebenen Anle- ger durch die Besonderheiten ihrer Situation oder durch die Art und Weise der werblichen Ansprache beeinträchtigt gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. So bestand für die Kommanditisten keine Situation, in der die Gefahr des Verlustes erheblicher Vermögenswerte derart unmittelbar gedroht hätte, dass eine überlegte und informationsgeleitete Entscheidung für oder gegen das Angebot der Beklagten erheblich erschwert gewesen wäre. Das beanstandete Schreiben war schließlich in Form und Inhalt sachlich abgefasst. Belästigende oder bedrängende Elemente finden sich dort ebenso wenig wie Gesichtspunkte, die mit der Würde, Integrität und Unabhängigkeit des Berufsstandes des Rechtsanwalts nicht im Einklang stehen.
24
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Angaben in dem beanstandeten Schreiben irreführend gewesen wären oder dass die Beklagte gezielt in die Beziehung des Klägers zu seinen Mandanten eingegriffen hätte.
25
III. Der Streitfall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2006/123/EG bestehen keine vernünftigen Zweifel. Die Bestimmung des § 43b BRAO ist - wie dargelegt - einer restriktiven Auslegung zugänglich, die mit Art. 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG im Einklang steht. Dementsprechend ist auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
26
IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsurteil nur wegen der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt aufzuheben und die Sache nach diesem Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
27
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.02.2011 - 1 HKO 18466/10 -
OLG München, Entscheidung vom 12.01.2012 - 6 U 813/11 -

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übt eine Angestelltentätigkeit als Steuerreferent bei der X-AG aus und nimmt dort Aufgaben im Bereich Controlling und Steuern wahr, wie sie sich aus einer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung ergeben. Seine frühere Bestellung als Steuerberater ist am 1. August 2007 durch Verzicht erloschen.

2

Im Juli 2009 hat der Kläger seine Wiederbestellung als Steuerberater beantragt. Er legte dabei Bescheinigungen seines Arbeitgebers X-AG vor, aus denen u.a. hervorgeht, dass er berechtigt ist, neben seiner Tätigkeit als Angestellter den Beruf des Steuerberaters auszuüben, "seine Dienstzeiten innerhalb der Flexibilisierungs-Bandbreiten einzuteilen" und geleistete Überstunden jederzeit als Freizeitausgleich abzubauen.

3

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Steuerberaterkammer) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. März 2010 mit der Begründung ab, dass der Kläger eine mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbare Tätigkeit ausübe, da er durch sein Arbeitsverhältnis an einer berufskonformen Ausübung des Steuerberaterberufs gehindert werde.

4

Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 744 veröffentlichten Urteil als unbegründet abgewiesen.

5

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen des § 58 Satz 2 Nr. 5a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für eine Bestellung erfülle. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich nicht, dass der Syndikus zusätzlich neben der Angestelltentätigkeit den Steuerberaterberuf in eigener Kanzlei ausüben müsse. Der Gesetzgeber habe bei der in § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 3 StBerG normierten Tätigkeitseinschränkung nicht die Doppelberufstheorie des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) im Blick gehabt. Während die BRAO die anwaltliche Tätigkeit des Syndikus-Rechtsanwalts nicht regele, sei in § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG unter Bezugnahme auf § 33 StBerG ausdrücklich klargestellt, dass der Syndikus-Steuerberater steuerberaterspezifische Vorbehaltsaufgaben ausüben muss. Daher sei die Übernahme der Doppelberufstheorie --wonach der Syndikus-Rechtsanwalt zwar zwei Berufe ausübe, jedoch nur die selbständige Tätigkeit als Rechtsanwaltstätigkeit anerkannt wird-- durch das FG verfehlt. Der Syndikus-Steuerberater sei stets --ob als Angestellter oder als Freiberufler-- Steuerberater. Auch könne wegen der Berufsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht die Eröffnung einer eigenen Kanzlei vom Syndikus-Steuerberater verlangt werden, da es keine Pflicht zur Berufsausübung in eigener Kanzlei gebe. Ferner sei durch die Freistellungserklärung seines Arbeitgebers nachgewiesen, dass die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung in eigener Kanzlei durch seine Tätigkeit als Angestellter nicht beeinträchtigt werde. Mangels Berufsausübungspflicht des Steuerberaters könne eine weitergehende Arbeitgeberfreistellungserklärung nicht verlangt werden. Schließlich seien durch die Entscheidung des FG die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.

6

Die Steuerberaterkammer hält das FG-Urteil für im Ergebnis richtig. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesbegründung sei davon auszugehen, dass § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG neben der Angestelltentätigkeit eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater voraussetze. Ferner bestünden Zweifel an einer unabhängigen Berufsausübung des Klägers, da die X-AG als dessen Arbeitgeber nur eine eingeschränkte Freistellungserklärung erteilt habe. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers seien unbegründet.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids der Steuerberaterkammer vom 29. März 2010 und zur Verpflichtung der Steuerberaterkammer, den Kläger als Steuerberater wiederzubestellen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

Der Kläger hat einen Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 3 Nr. 2 StBerG, wonach die Wiederbestellung zu versagen ist, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG), stehen der Wiederbestellung nicht entgegen.

9

Die Tätigkeit des Klägers als Angestellter der X-AG ist nicht nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar, da die Voraussetzungen der --einzig in Betracht kommenden-- gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG erfüllt sind.

10

1. Nach der vom FG sinngemäß in Bezug genommenen Tätigkeitsbeschreibung übt der Kläger ausschließlich Aufgaben i.S. des § 33 StBerG bei der X-AG aus, weshalb die Voraussetzungen des § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG erfüllt sind (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2011 VII R 47/10, BFHE 234, 379; BFH/NV 2011, 1621).

11

Ob die vom BGH zum Syndikus-Rechtsanwalt vertretene sog. Doppelberufstheorie (vgl. BGH-Urteil vom 25. Februar 1999 IX ZR 384/97, BGHZ 141, 69) auf den Syndikus-Steuerberater zu übertragen ist, kann offenbleiben, denn das FG hat dies zwar angenommen, aber zu Recht darauf abgestellt, dass vom noch nicht als Steuerberater bestellten Kläger lediglich der Wille zu einer selbständigen beruflichen Tätigkeit als Steuerberater verlangt werden kann. An die Feststellung des FG, dass der Kläger einen solchen Willen habe und dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger insoweit nur eine Scheinerklärung abgegeben hat, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

12

2. Durch die Tätigkeit des Klägers als Angestellter der X-AG wird seine Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) nicht beeinträchtigt.

13

Das FG hat dieser Regelung zu Unrecht entnommen, dass ein Syndikus tatsächlich und rechtlich in der Lage sein muss, eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater nicht nur gelegentlich als Feierabend-Steuerberater auszuüben.

14

Ein Angestellter ist typischerweise an feste Arbeitszeiten gebunden und wird seinem Arbeitgeber auch den Großteil seiner Arbeitskraft (bei Vollzeit zwischen 38 bis 40 Stunden pro Woche) zur Verfügung stellen müssen. Jegliche weitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur außerhalb dieser --zumindest dem Umfang nach feststehenden-- Arbeitszeiten ausüben, so dass er zwangsläufig nicht in gleichem Umfang selbständig als Steuerberater tätig sein kann wie ein hauptberuflicher Steuerberater. Aber auch ein hauptberuflicher Steuerberater ist nicht an Mindestarbeitszeiten gebunden und kann die Anzahl und den Umfang seiner Mandate frei bestimmen. Da nichts anderes für einen "nebenberuflichen" Steuerberater gelten kann, kann von einem Syndikus-Steuerberater auch nicht eine selbständige Steuerberatertätigkeit in "nennenswertem Umfang" gefordert werden. Er ist vielmehr berechtigt, den Umfang seiner selbständigen Steuerberatertätigkeit der ihm neben dem Angestelltenberuf verbleibenden Zeit anzupassen. Die Steuerberaterkammer war daher nicht berechtigt, vom Kläger die Vorlage einer "umfassenden" Freistellungsbescheinigung der X-AG zu verlangen.

15

Die Ansicht des FG, der Gesetzgeber habe einen Feierabend-Steuerberater nicht gewollt, findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/7077, Seite 33) einen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Angestelltentätigkeit des Syndikus-Steuerberaters ohne irgendeine Vorgabe zu ihrem Umfang als mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar angesehen, weshalb sie sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden kann (so auch Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 58 Rz 20, m.w.N.). Daher vermag der Senat nicht der Rechtsauffassung des FG zu folgen, die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung sei beeinträchtigt, weil der Kläger Pflichtenkollisionen zwischen seinem Hauptberuf und der Steuerberatertätigkeit "nicht eigenverantwortlich regeln" könne, nicht stets für seine Mandanten erreichbar sei und auch nicht zur Wahrnehmung von Terminen seinen Arbeitsplatz bei der X-AG jederzeit verlassen dürfe. Im Übrigen gibt es vielfältige technische Möglichkeiten (z.B. E-mail, Handy etc.), derer sich auch ein Syndikus-Steuerberater an seinem Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber bedienen und mittels derer er seine Erreichbarkeit für Mandanten sicherstellen kann.

16

Das Berufsbild des Steuerberaters unterscheidet sich maßgeblich von dem des Rechtsanwalts (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2006 VII B 13/06, BFH/NV 2006, 1888, m.w.N.), welches nach dem Urteil des BGH vom 9. November 2009 AnwZ (B) 83/08 (Neue Juristische Wochenschrift 2010, 1381) von diesem allerdings verlangt, jederzeit und ohne Beschränkung durch ein Angestelltenverhältnis Gerichtstermine wahrnehmen, eilige Schriftsätze fertigen sowie Telefongespräche und alle sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeiten erledigen zu können. Das Berufsbild des Steuerberaters ist hingegen nicht durch dessen Möglichkeit geprägt, seinen Mandanten jederzeit und einschränkungslos zur Verfügung stehen zu können. Wie die Begründung zum Achten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BTDrucks 16/7077, Seite 33) zeigt, ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Berufsbilder der Anwälte und Steuerberater in einer Weise voneinander abweichen, die eine unterschiedliche berufsrechtliche Behandlung rechtfertigt. Wenn dieser diese Unterschiede zum Anlass genommen hat, statt (wie bei Rechtsanwälten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO) eine umfassende Unvereinbarkeitsklausel zu formulieren, die Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater mit dem Beruf des Steuerberaters ausdrücklich für vereinbar zu erklären, dann folgt daraus, dass die vom BGH mit vorgenanntem Urteil für den Anwaltsberuf aufgestellten Vereinbarkeitskriterien auf das Berufsrecht der Steuerberater nicht ohne Weiteres übertragbar sind.

17

Dass allein eine sich aus der Angestelltentätigkeit ergebende zeitliche Beschränkung der selbständigen Steuerberatertätigkeit geeignet ist, die Pflicht des Steuerberaters zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) zu beeinträchtigen, ist nicht anzunehmen.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen.

(2) Der Steuerberaterkammer obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten (§ 57) zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern obliegenden Pflichten (§ 57) zu überwachen und das Recht der Rüge (§ 81) zu handhaben;
5.
die Vorschlagslisten der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Berufsgerichten den Landesjustizverwaltungen einzureichen (§ 99 Abs. 3);
6.
Fürsorgeeinrichtungen für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie deren Hinterbliebene zu schaffen;
7.
Gutachten zu erstatten, die ein Gericht, eine Landesfinanzbehörde oder eine andere Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
8.
die durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben im Bereich der Berufsbildung wahrzunehmen;
9.
die berufsständischen Mitglieder der Prüfungsausschüsse für die steuerberatenden Berufe vorzuschlagen;
10.
die Wahrnehmung der den Steuerberaterkammern zugewiesenen Aufgaben des Zweiten und Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils dieses Gesetzes;
11.
die Erfüllung der den Steuerberaterkammern nach § 80a Absatz 2 der Abgabenordnung zugewiesenen Pflichten.

(3) Die Steuerberaterkammer kann die in Absatz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen; weitere Aufgaben können Abteilungen im Sinne des § 77a übertragen werden. Im Fall des Absatzes 2 Nr. 4 zweite Alternative kann der Betroffene eine Entscheidung des Vorstandes verlangen.

(4) Im Einvernehmen mit der Steuerberaterkammer, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes für die Wahrnehmung der ihr nach Absatz 2 Nr. 10 obliegenden Aufgaben örtlich zuständig ist, kann eine andere Steuerberaterkammer diese Aufgaben übernehmen. Diese Vereinbarung ist in die Satzungen der beteiligten Steuerberaterkammern aufzunehmen.

(5) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, das Berufsregister ihres Bezirks zu führen. Die Steuerberaterkammern können sich bei der Führung des Berufsregisters einer nach § 84 gebildeten Arbeitsgemeinschaft bedienen.

(6) Die Steuerberaterkammer ist berechtigt, die Ausbildung des Berufsnachwuchses zu fördern.

(7) Die Länder können durch Gesetz den Steuerberaterkammern allein oder gemeinsam mit anderen Stellen die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. Das Gesetz regelt die Aufsicht und kann vorsehen, dass die Steuerberaterkammern auch für Antragsteller tätig werden, die nicht als Steuerberater tätig werden wollen.

(8) Die Steuerberaterkammer ist im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten Verwaltungsbehörde für Ordnungswidrigkeiten nach § 6 der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung und nach § 56 des Geldwäschegesetzes, die durch ihre Mitglieder begangen werden.

(9) Die Geldbußen aus der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 8 fließen in die Kasse der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.

(10) Die nach Absatz 9 zuständige Kasse trägt abweichend von § 105 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die notwendigen Auslagen. Sie ist auch ersatzpflichtig im Sinne des § 110 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

(11) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, in den Fällen des § 160 Absatz 1 Ansprüche nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend zu machen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen fortgesetzt wird.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das in § 43 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geregelte Verbot des Führens von Zusätzen zur Berufsbezeichnung "Steuerberater".

2

1. a) Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StBerG ist das Führen weiterer Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" (§ 43 Abs. 1 StBerG) nur gestattet, wenn die weiteren Berufsbezeichnungen amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG im beruflichen Verkehr unzulässig. Nach § 43 Abs. 3 StBerG sind Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen.

3

b) Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Nach Absolvierung eines Lehrgangs wurde ihm vom Deutschen Steuerberaterverband die Bezeichnung "Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e.V.)" verliehen. Auf Anfrage des Beschwerdeführers teilte die zuständige Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 17. August 2007 unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 und 3 StBerG mit, dass das Führen von Fachberatertiteln des Deutschen Steuerberaterverbandes derzeit unzulässig sowie im Übrigen wettbewerbswidrig sei und eine Berufspflichtverletzung darstelle. Gemäß § 43 Abs. 2 und 3 StBerG sei lediglich gestattet, ergänzend auf die erfolgreiche Ableistung eines Fachberaterkurses und die hierdurch erworbene zusätzliche Qualifikation als Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung hinzuweisen; als Titel zusätzlich zur Berufsbezeichnung dürfe die Fachberaterbezeichnung nicht geführt werden.

4

Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers hat das Finanzgericht abgewiesen. Die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, soweit der Beschwerdeführer die Feststellung begehre, dass er berechtigt sei, werbend auf die erworbene Fachberaterbezeichnung hinzuweisen; die Steuerberaterkammer habe das Recht des Beschwerdeführers zur werbenden Präsentation seiner Zusatzqualifikation nicht in Abrede gestellt. Soweit es dem Beschwerdeführer allerdings vorrangig um die Auslegung des § 43 StBerG gehe, nämlich um eine Gleichstellung seiner Präsentationsbefugnis mit den von der Steuerberaterkammer amtlich im Sinne des § 43 Abs. 2 StBerG verliehenen Titeln, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Das Führen der vom Deutschen Steuerberaterverband vergebenen Fachberaterbezeichnung verstoße auch unter Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit und des Gebots der Verhältnismäßigkeit gegen § 43 Abs. 2 und 3 StBerG. Die gesetzliche Regelung halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG stand. Zweck der Regelungen des Steuerberatungsgesetzes sei der Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen. Die Unterscheidung der Fachberater in solche, die die Steuerberaterkammer verleihe, und solche, die vom Deutschen Steuerberaterverband vergeben würden, sei sachlich begründet; die Prüfungskriterien würden im ersten Fall amtlich bestimmt und stünden unter staatlicher Aufsicht, im zweiten Fall seien sie nur privater Natur. Eine Differenzierung sei im Hinblick auf den Wettbewerb und den Schutz des steuerrechtsuchenden Publikums vor Irreführung hinsichtlich der Qualifikation der Steuerberater gerechtfertigt. Einer Werbung des betroffenen Steuerberaters mit dem "Fachberater" auf seinen Geschäftspapieren, in Anzeigen und im Internet-Auftritt stehe demgegenüber nichts entgegen.

5

Auch die Revision des Beschwerdeführers ist ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht die Klage des Beschwerdeführers zu Recht als unbegründet abgewiesen, soweit das Feststellungsbegehren darauf gerichtet gewesen sei, die Fachberaterbezeichnung neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" - nicht nur als räumlich abgesetzten Hinweis auf die zusätzliche Qualifikation - führen zu dürfen. Dem Begehren des Beschwerdeführers stehe § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG entgegen, wonach Zusätze im beruflichen Verkehr unzulässig seien, soweit nicht § 43 Abs. 3 StBerG unter bestimmten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen Ausnahmen erlaube und solange es - wie im Streitfall - nicht um eine von der Bundessteuerberaterkammer zugelassene Fachberaterbezeichnung gehe. Hinweise auf bestimmte zusätzlich erworbene Qualifikationen seien im beruflichen Verkehr des Steuerberaters allerdings nicht ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert generell verboten; nach § 57a StBerG sei sachlich unterrichtende Werbung über die berufliche Tätigkeit ausdrücklich erlaubt. Für die gebotene Abgrenzung habe das Finanzgericht in nicht zu beanstandender Weise - in Übereinstimmung mit der zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband diesbezüglich getroffenen Vereinbarung - darauf abgestellt, ob die Fachberaterbezeichnung im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters räumlich deutlich abgesetzt sei. Der Streitfall biete auch keinen Anlass, § 43 Abs. 2 StBerG zugunsten des Beschwerdeführers einschränkend auszulegen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es das mit der Vorschrift verfolgte gesetzgeberische Ziel, das Hilfeleistung in Steuersachen suchende Publikum vor der Gefahr einer Irreführung durch verschiedenartige Berufsbezeichnungen oder durch besondere Sachkompetenz verheißende Zusätze zu schützen.

6

2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und macht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend. Zur Begründung führt er aus, die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG und die auf ihr beruhenden angegriffenen Entscheidungen, nach denen der Abdruck von Zusatzbezeichnungen in unmittelbarer Nähe zur Berufsbezeichnung "Steuerberater" rechtswidrig sei, trügen dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Es gebe grundsätzlich keine vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dafür, (nur) bei Steuerberatern Zusätze zu Berufsbezeichnungen ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten; für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregten, müsse in rechtlichem und geschäftlichem Verkehr Raum bleiben. Der Versuch der Fachgerichte, das streitige Verbot mit der Sicherstellung der "Eindeutigkeit" der Steuerberaterbezeichnung zu rechtfertigen, werde den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. § 43 StBerG gehe über das Verbot der Irreführung hinaus. Eine relevante Irreführung sei mit dem Führen der streitigen Bezeichnung nicht verbunden, weil die durch die Fachberaterbezeichnung ausgewiesene besondere Qualifikation den Tatsachen entspreche und die Bezeichnung nach der maßgeblichen Sichtweise des werbegewohnten Verbrauchers keine Irreführungs- und Verwechslungsgefahr gegenüber amtlich verliehenen Titeln und Bezeichnungen begründe. Am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gemessen könne es nicht gerechtfertigt sein, nur Steuerberatern die Führung von Bezeichnungen der streitigen Art zu untersagen, nicht aber den in ihrer Funktion völlig vergleichbaren Fachanwälten für Steuerrecht.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

8

Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

9

1. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG und die hierauf beruhenden Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

10

Der angegriffene Bescheid der Steuerberaterkammer und die angegriffenen Urteile berühren den Beschwerdeführer zwar in seiner Berufsausübungsfreiheit, weil sie seiner vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfassten beruflichen Außendarstellung (vgl. BVerfGE 111, 366 <379>) Grenzen setzen. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG genügt jedoch den Anforderungen, die an das Grundrecht der Berufsfreiheit einschränkende Gesetze zu stellen sind. Auch bei der konkreten Rechtsanwendung wurde der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung getragen.

11

a) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 60, 215 <233>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 1990 - 1 BvR 1307/88 -, juris ). Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können, als berufswidrig zu verbieten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juli 2001 - 1 BvR 873/00 -, NJW 2001, S. 2788 <2789>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, S. 1331).

12

aa) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen und dabei vor allem dem Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz , § 43 Rn. 2 m.w.N.; Willerscheid, in: Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 43 Rn. 8 ff.). Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel schützen und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtsuchenden Personen Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 - I ZR 29/79 -, NJW 1981, S. 2519; Urteil vom 10. März 1988 - I ZR 217/85 -, GRUR 1988, S. 624 <626>).

13

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beschwerdeführers, eine Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums sei vorliegend nicht zu besorgen. Der Gesetzgeber hat seinen Einschätzungsspielraum bei Schaffung der Regelung in § 43 Abs. 2 StBerG nicht überschritten. Die der Regelung zugrunde liegende Annahme, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums, ist nicht offensichtlich unzutreffend; ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor einem Wildwuchs an nicht amtlichen Zusätzen zur Berufsbezeichnung und vor einer hierdurch bedingten Verwässerung zwischenzeitlich entfallen wäre.

14

bb) Die Regelung ist auch geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG gestattet nur das Führen amtlich verliehener Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" und untersagt andere Zusätze, sofern sie nicht auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen. Durch dieses Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Bezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - tatsächlich nicht zwingend vorhandene - Autorität verschafft; die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist daher geeignet, die amtlich verliehenen Berufsbezeichnungen und Titel gegen eine Verwässerung zu schützen und Irrtümern der steuerrechtsuchenden Bevölkerung über die besondere Sachkompetenz des Berufsträgers entgegenzuwirken.

15

cc) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen; ein milderes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Irreführung über die Aussagekraft der Berufsbezeichnung "Steuerberater", ihr beigefügter Zusätze und über die hierdurch ausgewiesenen Qualifikationen ist nicht ersichtlich. Ohne die angegriffene Regelung bestünde - wie die Situation vor Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes gezeigt hat (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, a.a.O.) - ein nicht unerhebliches Risiko eines Konturverlusts der amtlichen Berufsbezeichnungen und damit eine Gefahr der Irreführung über die Qualität und Aussagekraft von einerseits amtlich sowie andererseits privat verliehener Bezeichnungen. Es wäre zu befürchten, dass ein neuerlicher Wildwuchs an privat verliehenen - möglicherweise wenig aussagekräftigen und verlässlichen - Bezeichnungen und Titeln entstünde, der - soweit diese als Zusatz zu der amtlichen Berufsbezeichnung zugelassen würden - eine Orientierung des steuerrechtsuchenden Publikums nachhaltig erschweren und die Gefahr einer Irreführung über die Aussagekraft und Autorität der Berufsbezeichnungen und Zusätze begründen würde.

16

dd) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch angemessen und führt nicht zu unzumutbaren Beschränkungen für die betroffenen Steuerberater. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Steuerberater wiegt nicht schwer. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG zielt schon nach seinem Wortlaut nicht auf ein umfassendes - und als solches verfassungswidriges (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>) - Verbot jeglicher Angaben und Zusätze ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte ab; sie untersagt lediglich nicht amtlich verliehene Berufsbezeichnungen und Zusätze, weil diese im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu einer Irreführung über die Qualität einer Bezeichnung oder eines Titels - nämlich insbesondere über die Reichweite der durch einen amtlichen Titel oder eine amtliche Bezeichnung zum Ausdruck gebrachten hoheitlichen Gewähr für die zugrunde liegenden Qualifikationsstandards - führen können.

17

Schon aus dem in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG verwendeten Begriff "Zusatz" ergibt sich, dass sachlich zutreffende Hinweise auf nicht amtlich verbürgte besondere Qualifikationen nur bei Bestehen einer inhaltlichen oder räumlichen Verbindung zu der amtlichen Berufsbezeichnung unzulässig, im Übrigen aber erlaubt sind. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG steht daher einer - verfassungsrechtlich geschützten und im Übrigen durch § 57a StBerG ausdrücklich erlaubten - beruflichen Außendarstellung und Werbung durch interessengerechte und sachangemessene Information nicht entgegen. Steuerberatern werden werbende Hinweise auf ihre zusätzlich zur allgemeinen beruflichen Qualifikation erworbene Sachkompetenz nicht grundsätzlich untersagt; ihnen wird lediglich versagt, ihren von privater Stelle zuerkannten Bezeichnungen den Anschein einer besonderen - tatsächlich nicht vorhandenen - Autorität zu geben.

18

b) Auch die konkrete Rechtsanwendung durch die Fachgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Regelung obliegt den Fachgerichten und ist durch das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Vorliegend haben die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG vertretbar ausgelegt und angewendet; die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe wurden berücksichtigt und in der gebotenen Weise zur Anwendung gebracht.

19

aa) Insbesondere haben die Fachgerichte zutreffend erkannt, dass das Führen der vom Beschwerdeführer erworbenen Fachberaterbezeichnung in unmittelbarer Verbindung mit der Berufsbezeichnung "Steuerberater" der Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG unterfällt und geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung infrage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zu verleiten, es handele sich auch bei der dem Beschwerdeführer vom Deutschen Steuerberaterverband zuerkannten Fachberaterbezeichnung um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Die Fachgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass das Führen der Bezeichnung in räumlicher Nähe zu der amtlichen Berufsbezeichnung ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit und trotz des Zusatzes "DStV e.V." zu Irrtümern des steuerrechtsuchenden Publikums führen kann.

20

bb) Das Abgrenzungskriterium der räumlichen Nähe oder Distanz der Fachberaterbezeichnung zu der amtlichen Berufsbezeichnung ist, wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat, auch nicht zu unbestimmt und untauglich für eine sachgerechte Abgrenzung. Die Gefahr einer Irreführung ist einer allgemeinen und abstrakten Beurteilung nicht zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der konkreten Wortwahl und Gestaltung des Werbeträgers - verantwortbar beurteilt werden. Eine damit verbundene Rechtsunsicherheit ist nicht vollständig zu vermeiden, begegnet aber wegen der Möglichkeit einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

21

cc) Die Auslegung und Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG durch die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse der Steuerberater - hier des Beschwerdeführers - auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. Nachdem sowohl die Steuerberaterkammer als auch die Fachgerichte dem Beschwerdeführer ausdrücklich zugestanden haben, in einer Weise werbend auf seine Zusatzqualifikation hinzuweisen, die aufgrund der konkreten Wortwahl und des räumlichen Abstands zu der amtlichen Berufsbezeichnung nicht die Gefahr birgt, dass die Fachberaterbezeichnung für eine amtlich verliehene Auszeichnung gehalten oder die amtliche Berufsbezeichnung verwässert wird, wiegt der mit den angegriffenen Hoheitsakten verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers nicht schwer. Er steht zu dem mit ihm verfolgten Zweck in angemessenem Verhältnis.

22

dd) Der angegriffenen fachgerichtlichen Rechtsprechung steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Angabe rechtsförmlich erworbener fachlicher Qualifikationen als herkömmliches Mittel der Ankündigung freiberuflicher Leistungen vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und ein diesbezügliches Verbot unzulässig ist (vgl. BVerfGE 33, 125 <170>; 57, 121 <133>; 82, 18 <28>). Die zitierte Rechtsprechung betraf - anders als der vorliegende Fall - Konstellationen, in denen Berufsträgern das Führen von hoheitlich verliehenen Bezeichnungen neben ihrer Berufsbezeichnung untersagt worden war; eine Gefahr der Irreführung oder der Verwässerung der amtlichen Bezeichnung war daher - anders als im vorliegenden Fall - nicht gegeben.

23

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits mangels einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechenden Begründung unzulässig (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>). Der Beschwerdeführer behauptet nur pauschal, dass Rechtsanwälten das Führen einer entsprechenden Fachberater-Bezeichnung erlaubt sei und dass daher eine unzulässige Diskriminierung vorliege; auf die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte geht der Beschwerdeführer nicht ein. Auch mit den entsprechenden Ausführungen des Bundesfinanzhofs setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er übergeht, dass - worauf der Bundesfinanzhof zutreffend hinweist - auch nach den Regelungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte (§ 7 Abs. 2 BORA) das Führen einer Zusatzbezeichnung unter anderem dann ausscheidet, wenn die Gefahr einer Verwechslung mit einer Fachanwaltschaft besteht. Ob dies bei der im vorliegenden Fall streitigen Bezeichnung der Fall sein könnte, wird nicht erörtert. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil die Verwendung vergleichbarer Zusätze, die mit dem Begriff "Fach-" beginnen, von der ganz herrschenden Meinung für irreführend im Sinne des § 7 Abs. 2 BORA gehalten wird, sofern eine entsprechende Fachanwaltschaft besteht (vgl. auch Römermann, in: Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl. 2009, § 7 BORA, Rn. 82 ff. <87>; Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 1. Aufl. 2010, § 7 BORA, Rn. 63 ff. <66>; ders., BRAK-Mitt. 2009, S. 134 <135> m.w.N.).

24

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Absatz 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 15/12 Verkündet am:
13. November 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kommanditistenbrief
UWG § 4 Nr. 11; BRAO § 43b; Richtlinie 2006/123/EG Art. 24
Ein Rechtsanwalt verstößt nicht zwingend gegen das Verbot der Werbung um
Praxis (§ 43b BRAO), wenn er einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines
konkreten Beratungsbedarfs (hier: Inanspruchnahme als Kommanditist einer
Fondsgesellschaft auf Rückzahlung von Ausschüttungen) persönlich anschreibt
und seine Dienste anbietet. Ein Verstoß liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn
der Adressat einerseits durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder
überrumpelt wird und er sich andererseits in einer Lage befindet, in der er auf
Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche
Werbung hilfreich sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. März
2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom
15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch
und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2012 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Kammer für Handelssachen, vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien vertreten als Rechtsanwälte Anleger der in Insolvenz befindlichen Fondsgesellschaft „G. KG“ (nachfolgend: Fondsgesellschaft). Deren Kommanditisten werden - teilweise schon im Klagewege - vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen.
2
Im September 2010 versandte die Beklagte an zahlreiche von ihr nicht anwaltlich vertretene Kommanditisten der Fondsgesellschaft ein im Folgenden in Auszügen wiedergegebenes, an den jeweiligen Empfänger persönlich adressiertes Schreiben: In vorbezeichneter Angelegenheit zeigen wir an, dass wir mehrere Kommanditisten vertreten, die vom Insolvenzverwalter der G. KG vor dem Landgericht D. aus Kommanditistenhaftung in Anspruch genommen werden. Wir halten eine Verteidigung gegen die Klagen mindestens insoweit für erfolgsversprechend , sofern und soweit die Kommanditisten nicht direkt an der G. KG, sondern nur mittelbar, und zwar als Treugeber über die Treunehmerin, die M., beteiligt waren. Es gibt darüber hinaus einige weitere aussichtsreiche Ansatzpunkte , wie z.B. eine mögliche Verjährung der Ansprüche. Aus den uns vorliegenden Unterlagen ... ergibt sich weiter, dass sich der Insolvenzverwalter mit zwei größeren Anlegergruppen in Vergleichsgesprächen befindet. Gerne erörtern wir mit Ihnen diese diversen Aspekte der Angelegenheit ausführlich telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch. Wir weisen insbesondere darauf hin, dass es für Kommanditisten, die bereits in Anspruch genommen werden bzw. bei denen dies noch bevorsteht, sinnvoll sein kann, sich zum Zwecke gemeinsamer Interessenvertretung zusammenzuschließen , um gegenüber dem Insolvenzverwalter eine stärkere Verhandlungsposition aufzubauen. Wir sind auch interessiert am Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit Anwaltskollegen , die Sie eventuell in dieser Angelegenheit bereits vertreten.
3
Das Schreiben erreichte auch Mandanten des Klägers.
4
Der Kläger ist der Ansicht, das Schreiben sei eine gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO unzulässige Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, bei den von ihr nicht vertretenen Kommanditisten der G. KG in einem persönlich an diese Kommanditisten gerichteten Schreiben um die Erteilung eines Mandats zur Abwehr der vom Insolvenzverwalter gegen die Kommanditisten geführten Klage auf Rückzahlung der Ausschüttungen wie folgt zu werben (es folgt das oben wiedergegebene Schreiben).
5
Der Kläger hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG München, GRUR-RR 2012, 163). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt , verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO, § 242 BGB zu. Das beanstandete Schreiben verstoße gegen das Werbeverbot gemäß § 43b BRAO. Eine Werbung sei im Sinne dieser Vorschrift auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten umwerbe, bei dem ein konkreter, dem Rechtsanwalt bekannter Beratungsbedarf bestehe. Auf eine konkrete Beeinträchtigung der Interessen des Adressaten komme es nicht an. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen erfüllt. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft die von ihr angeschriebenen Kommanditisten in der Vergangenheit auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen habe. Es habe deshalb nicht nur ein potentieller, sondern ein aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung in Bezug auf die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten einer Verteidigung gegen die Forderungen des Insolvenzverwalters bestanden. Das Rundschreiben der Beklagten habe darauf abgezielt, diesen konkreten Bedarf zu decken. Eine solche Werbung sei gemäß § 43b BRAO unzulässig , ohne dass es weiterer Umstände wie etwa einer unsachlichen Belästigung der Adressaten, einer tatsächlichen Einschränkung ihrer Entschließungsfreiheit oder sonstiger Momente bedürfe.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Das beanstandete Schreiben verstößt nicht gegen § 43b BRAO. Es ist auch nicht aus anderen Gründen wettbewerbswidrig.
9
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom September 2010 verstoße gegen § 43b BRAO, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
a) Gemäß § 43b BRAO ist Werbung einem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
11
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Einschränkung der Werbemöglichkeit bei verfassungskonformer Auslegung des § 43b BRAO nur dann in Betracht, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BGH, Urteil vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f. - Anwaltswerbung II; Urteil vom 27. Januar 2005 - I ZR 202/02, GRUR 2005, 520, 521 = WRP 2005, 738 - Optimale Interessenvertretung; vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 57a StBerG BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 77/07, GRUR 2010, 349 Rn. 22 - EKW-Steuerberater). In der Vergangenheit hat der Senat allerdings angedeutet, dass er eine Werbung um Aufträge bereits dann als unzulässig erachtet, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung versuche - vergleichbar mit der offenen Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall - in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunutzen, dass sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befinde, in der er auf Hilfe angewiesen sei und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden könne (BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom 15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben). Dagegen hat der Senat solche Fälle nicht als vom Verbot erfasst angesehen, in denen sich der Rechtsanwalt an Personen wendet, bei denen er keinen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf, sondern - beispielsweise wegen einer erfolgten Gesetzesänderung - einbloß generelles Interesse an seiner Leistung erwartet. Er hat es als zulässig erachtet, diesen Adressaten einen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf erst mit den in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst zu machen. In einer solchen Situation fehlte es an einer gezielten persönlichen und daher gegebenenfalls als aufdringlich empfundenen Kontaktaufnahme (BGH, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
12
bb) Teilweise werden jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum strengere Anforderungen an ein Werbeverbot gestellt. So sei eine Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall nicht bereits dann unzulässig, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anspreche. Ein Verbot setze vielmehr zusätzlich voraus , dass die Werbung in ihrer individuellen Ausgestaltung geeignet sei, das Schutzgut des § 43b BRAO konkret zu gefährden (KG, GRUR-RR 2010, 437, 438 f.; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43b Rn. 21 ff.; Prütting in Henssler /Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43b Rn. 44; Huff, NJW 2003, 3525, 3527; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703; Degen, NJW 2011, 867 f.). Es bedürfe einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine gemeinwohlschädliche Aufdringlichkeit vorliege, die ein Verbot rechtfertigen könne. Maßgeblich sei, ob ein der Ansprache durch den Rechtsanwalt entgegenstehender Wille des po- tentiellen Mandanten ersichtlich sei. Ferner komme es auf das Verhältnis zwischen der Art und Intensität des konkreten Beratungsbedarfs (aktueller Todes-, Krankheits- oder Unglücksfall, Strafverfolgung oder lediglich drohende wirtschaftliche Verluste durch eine notleidend gewordene Geldanlage) auf der einen Seite und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung im Sinne einer Bedrängung, Nötigung oder Überrumpelung auf der anderen Seite an (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 445, 446; Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 29 ff.).
13
Das Erfordernis einer konkreten Gefährdung der Schutzgüter des § 43b BRAO wird damit begründet, dass es eine Werbeform nicht schon per se unzulässig mache, dass ein Umworbener konkreten Beratungsbedarf habe. Befinde sich jemand in einer Situation, in der er auf Rechtsrat angewiesen sei, werde ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung regelmäßig Nutzen bringen können. Erst in Fällen, in denen sich ein Anwalt in einer aufdringlichen Art aufnötige oder einen Verbraucher überrumpele, müssten klare Grenzen gezogen werden, beispielsweise bei der Ausnutzung eines Unglücksfalls. Werde dagegen einem Fondsanleger in sachlicher Weise anwaltlicher Rat angeboten , könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Umworbene nicht in der Lage sei zu entscheiden, ob er Kontakt zu dem Anwalt aufnehmen, gar nicht aktiv werden oder einen anderen Anwalt seines Vertrauens zu Rate ziehen wolle (vgl. Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 24 ff.; Hellwig, NJW 2005, 1217, 1219; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703).
14
cc) Diese Ansicht ist zumindest seit dem 28. Dezember 2009 vorzugswürdig. Seit diesem Zeitpunkt ist § 43b BRAO im Hinblick auf die Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt anhand des Maßstabs des Art. 24 der Richtlinie richtlinienkonform auszulegen; ein Werbeverbot ist danach nur bei einer durch eine Abwägung derUmstände des Einzelfalls festzustellenden konkreten Gefährdung der unionsrechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt.
15
(1) Die Bestimmung des § 43b BRAO regelt die berufsrechtlichen Grenzen , innerhalb deren Rechtsanwälte für ihre Dienstleistung werben dürfen. Die Vorschrift stellt damit eine berufsrechtliche Regelung über die kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 4 Nr. 12 der Richtlinie 2006/123/EG dar, die die Rechtsanwaltschaft und damit einen reglementierten Beruf im Sinne von Art. 4 Nr. 11 der Richtlinie 2006/123/EG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie in Verbindung mit § 4 BRAO betrifft.
16
(2) Gemäß Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG setzen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um der Richtlinie bis 28. Dezember 2009 nachzukommen. Seit diesem Tag ist § 43b BRAO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Rn. 108, 124 - Adeneler ELOG).
17
(3) Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG sind absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe untersagt. Gemäß Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2006/123/EG sind mit absoluten Verboten nicht solche gemeint, die sich auf den Inhalt der kommerziellen Kommunikation beziehen, sondern solche, die diese allgemein und für ganze Berufsgruppen in einer oder mehreren Formen untersagen, beispielsweise ein Verbot von Werbung in einem bestimmten Medium oder in einer Reihe von Medien. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass von einem absoluten Verbot im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG aus- zugehen ist, wenn eine nationale Bestimmung eine kommerzielle Kommunikation unabhängig von ihrer Form, ihrem Inhalt oder den verwendeten Mitteln untersagt (EuGH, Urteil vom 5. April 2011 - C-119/09, Slg. 2011, I-2551 = EuZW 2011, 681 Rn. 41 f. - Société fiduciaire nationale d’expertise comptable).
18
Daraus ergibt sich, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergibt. Allein der Umstand, dass ein potentieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen wird, genügt diesen Anforderungen nicht.
19
(4) Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die kommerzielle Kommunikation durch Angehörige reglementierter Berufe die Anforderungen der berufsrechtlichen Regeln erfüllt, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht je nach Beruf insbesondere die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten sollen. Berufsrechtliche Regelungen über die kommerzielle Kommunikation dürfen nicht diskriminierend sein und müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
20
Wie sich aus dieser Bestimmung („insbesondere“) ergibt, sind die Schutzgüter, deren Beeinträchtigung eine Einschränkung der kommerziellen Kommunikation rechtfertigen können, nicht auf die in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG ausdrücklich genannten Gesichtspunkte, also die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität der Rechtsanwaltschaft sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses, beschränkt. Vielmehr sind bei der Auslegung auch der systematische Regelungszusammenhang des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG und damit die Interessen der Verbraucher zu beachten (EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 28 - Société fiduciaire nationale d´expertise comptable).
21
Daraus folgt, dass ein Werbeverbot zum Schutz des potentiellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung , Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein kann. Aus der gesetzlichen Anordnung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt sich ferner, dass eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist. Dabei sind neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen. Außerdem kommt es darauf an, ob und inwieweit die Interessen des Verbrauchers deshalb nicht beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung Nutzen bringen kann.
22
b) Nach diesen Grundsätzen ist das beanstandete Werbeschreiben der Beklagten nicht zu beanstanden.
23
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die angeschriebenen Anleger ein der Beklagten bekannter aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung bestand, weil der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft bereits in der Vergangenheit an diese Anleger herangetreten war, sie zur Rückzahlung von Ausschüttungen aufgefordert und teilweise bereits Ansprüche klageweise geltend gemacht hatte. Daraus lässt sich indessen noch keine hinreichend konkrete Beeinträchtigung der Interessen der Anleger entnehmen, weil in der Situation eines konkreten Beratungsbedarfs gerade ein Interesse der Anleger an einer bedarfsgerechten sachlichen Werbung bestehen kann. Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die Entscheidungsfreiheit der angeschriebenen Anle- ger durch die Besonderheiten ihrer Situation oder durch die Art und Weise der werblichen Ansprache beeinträchtigt gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. So bestand für die Kommanditisten keine Situation, in der die Gefahr des Verlustes erheblicher Vermögenswerte derart unmittelbar gedroht hätte, dass eine überlegte und informationsgeleitete Entscheidung für oder gegen das Angebot der Beklagten erheblich erschwert gewesen wäre. Das beanstandete Schreiben war schließlich in Form und Inhalt sachlich abgefasst. Belästigende oder bedrängende Elemente finden sich dort ebenso wenig wie Gesichtspunkte, die mit der Würde, Integrität und Unabhängigkeit des Berufsstandes des Rechtsanwalts nicht im Einklang stehen.
24
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Angaben in dem beanstandeten Schreiben irreführend gewesen wären oder dass die Beklagte gezielt in die Beziehung des Klägers zu seinen Mandanten eingegriffen hätte.
25
III. Der Streitfall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2006/123/EG bestehen keine vernünftigen Zweifel. Die Bestimmung des § 43b BRAO ist - wie dargelegt - einer restriktiven Auslegung zugänglich, die mit Art. 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG im Einklang steht. Dementsprechend ist auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
26
IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsurteil nur wegen der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt aufzuheben und die Sache nach diesem Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
27
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.02.2011 - 1 HKO 18466/10 -
OLG München, Entscheidung vom 12.01.2012 - 6 U 813/11 -

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen.

(2) Der Steuerberaterkammer obliegt insbesondere,

1.
die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten (§ 57) zu beraten und zu belehren;
2.
auf Antrag bei Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer zu vermitteln;
3.
auf Antrag bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Kammer und ihren Auftraggebern zu vermitteln;
4.
die Erfüllung der den Mitgliedern obliegenden Pflichten (§ 57) zu überwachen und das Recht der Rüge (§ 81) zu handhaben;
5.
die Vorschlagslisten der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Berufsgerichten den Landesjustizverwaltungen einzureichen (§ 99 Abs. 3);
6.
Fürsorgeeinrichtungen für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie deren Hinterbliebene zu schaffen;
7.
Gutachten zu erstatten, die ein Gericht, eine Landesfinanzbehörde oder eine andere Verwaltungsbehörde des Landes anfordert;
8.
die durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben im Bereich der Berufsbildung wahrzunehmen;
9.
die berufsständischen Mitglieder der Prüfungsausschüsse für die steuerberatenden Berufe vorzuschlagen;
10.
die Wahrnehmung der den Steuerberaterkammern zugewiesenen Aufgaben des Zweiten und Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils dieses Gesetzes;
11.
die Erfüllung der den Steuerberaterkammern nach § 80a Absatz 2 der Abgabenordnung zugewiesenen Pflichten.

(3) Die Steuerberaterkammer kann die in Absatz 2 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Aufgaben einzelnen Mitgliedern des Vorstandes übertragen; weitere Aufgaben können Abteilungen im Sinne des § 77a übertragen werden. Im Fall des Absatzes 2 Nr. 4 zweite Alternative kann der Betroffene eine Entscheidung des Vorstandes verlangen.

(4) Im Einvernehmen mit der Steuerberaterkammer, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes für die Wahrnehmung der ihr nach Absatz 2 Nr. 10 obliegenden Aufgaben örtlich zuständig ist, kann eine andere Steuerberaterkammer diese Aufgaben übernehmen. Diese Vereinbarung ist in die Satzungen der beteiligten Steuerberaterkammern aufzunehmen.

(5) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, das Berufsregister ihres Bezirks zu führen. Die Steuerberaterkammern können sich bei der Führung des Berufsregisters einer nach § 84 gebildeten Arbeitsgemeinschaft bedienen.

(6) Die Steuerberaterkammer ist berechtigt, die Ausbildung des Berufsnachwuchses zu fördern.

(7) Die Länder können durch Gesetz den Steuerberaterkammern allein oder gemeinsam mit anderen Stellen die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. Das Gesetz regelt die Aufsicht und kann vorsehen, dass die Steuerberaterkammern auch für Antragsteller tätig werden, die nicht als Steuerberater tätig werden wollen.

(8) Die Steuerberaterkammer ist im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten Verwaltungsbehörde für Ordnungswidrigkeiten nach § 6 der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung und nach § 56 des Geldwäschegesetzes, die durch ihre Mitglieder begangen werden.

(9) Die Geldbußen aus der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 8 fließen in die Kasse der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.

(10) Die nach Absatz 9 zuständige Kasse trägt abweichend von § 105 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die notwendigen Auslagen. Sie ist auch ersatzpflichtig im Sinne des § 110 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

(11) Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, in den Fällen des § 160 Absatz 1 Ansprüche nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend zu machen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen fortgesetzt wird.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das in § 43 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geregelte Verbot des Führens von Zusätzen zur Berufsbezeichnung "Steuerberater".

2

1. a) Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 StBerG ist das Führen weiterer Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" (§ 43 Abs. 1 StBerG) nur gestattet, wenn die weiteren Berufsbezeichnungen amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG im beruflichen Verkehr unzulässig. Nach § 43 Abs. 3 StBerG sind Zusätze erlaubt, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen.

3

b) Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Nach Absolvierung eines Lehrgangs wurde ihm vom Deutschen Steuerberaterverband die Bezeichnung "Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e.V.)" verliehen. Auf Anfrage des Beschwerdeführers teilte die zuständige Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 17. August 2007 unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 und 3 StBerG mit, dass das Führen von Fachberatertiteln des Deutschen Steuerberaterverbandes derzeit unzulässig sowie im Übrigen wettbewerbswidrig sei und eine Berufspflichtverletzung darstelle. Gemäß § 43 Abs. 2 und 3 StBerG sei lediglich gestattet, ergänzend auf die erfolgreiche Ableistung eines Fachberaterkurses und die hierdurch erworbene zusätzliche Qualifikation als Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung hinzuweisen; als Titel zusätzlich zur Berufsbezeichnung dürfe die Fachberaterbezeichnung nicht geführt werden.

4

Die hiergegen gerichtete Klage des Beschwerdeführers hat das Finanzgericht abgewiesen. Die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, soweit der Beschwerdeführer die Feststellung begehre, dass er berechtigt sei, werbend auf die erworbene Fachberaterbezeichnung hinzuweisen; die Steuerberaterkammer habe das Recht des Beschwerdeführers zur werbenden Präsentation seiner Zusatzqualifikation nicht in Abrede gestellt. Soweit es dem Beschwerdeführer allerdings vorrangig um die Auslegung des § 43 StBerG gehe, nämlich um eine Gleichstellung seiner Präsentationsbefugnis mit den von der Steuerberaterkammer amtlich im Sinne des § 43 Abs. 2 StBerG verliehenen Titeln, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Das Führen der vom Deutschen Steuerberaterverband vergebenen Fachberaterbezeichnung verstoße auch unter Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit und des Gebots der Verhältnismäßigkeit gegen § 43 Abs. 2 und 3 StBerG. Die gesetzliche Regelung halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG stand. Zweck der Regelungen des Steuerberatungsgesetzes sei der Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen. Die Unterscheidung der Fachberater in solche, die die Steuerberaterkammer verleihe, und solche, die vom Deutschen Steuerberaterverband vergeben würden, sei sachlich begründet; die Prüfungskriterien würden im ersten Fall amtlich bestimmt und stünden unter staatlicher Aufsicht, im zweiten Fall seien sie nur privater Natur. Eine Differenzierung sei im Hinblick auf den Wettbewerb und den Schutz des steuerrechtsuchenden Publikums vor Irreführung hinsichtlich der Qualifikation der Steuerberater gerechtfertigt. Einer Werbung des betroffenen Steuerberaters mit dem "Fachberater" auf seinen Geschäftspapieren, in Anzeigen und im Internet-Auftritt stehe demgegenüber nichts entgegen.

5

Auch die Revision des Beschwerdeführers ist ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht die Klage des Beschwerdeführers zu Recht als unbegründet abgewiesen, soweit das Feststellungsbegehren darauf gerichtet gewesen sei, die Fachberaterbezeichnung neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" - nicht nur als räumlich abgesetzten Hinweis auf die zusätzliche Qualifikation - führen zu dürfen. Dem Begehren des Beschwerdeführers stehe § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG entgegen, wonach Zusätze im beruflichen Verkehr unzulässig seien, soweit nicht § 43 Abs. 3 StBerG unter bestimmten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen Ausnahmen erlaube und solange es - wie im Streitfall - nicht um eine von der Bundessteuerberaterkammer zugelassene Fachberaterbezeichnung gehe. Hinweise auf bestimmte zusätzlich erworbene Qualifikationen seien im beruflichen Verkehr des Steuerberaters allerdings nicht ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert generell verboten; nach § 57a StBerG sei sachlich unterrichtende Werbung über die berufliche Tätigkeit ausdrücklich erlaubt. Für die gebotene Abgrenzung habe das Finanzgericht in nicht zu beanstandender Weise - in Übereinstimmung mit der zwischen der Bundessteuerberaterkammer und dem Deutschen Steuerberaterverband diesbezüglich getroffenen Vereinbarung - darauf abgestellt, ob die Fachberaterbezeichnung im beruflichen Verkehr von der Berufsbezeichnung und dem Namen des Steuerberaters räumlich deutlich abgesetzt sei. Der Streitfall biete auch keinen Anlass, § 43 Abs. 2 StBerG zugunsten des Beschwerdeführers einschränkend auszulegen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es das mit der Vorschrift verfolgte gesetzgeberische Ziel, das Hilfeleistung in Steuersachen suchende Publikum vor der Gefahr einer Irreführung durch verschiedenartige Berufsbezeichnungen oder durch besondere Sachkompetenz verheißende Zusätze zu schützen.

6

2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und macht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend. Zur Begründung führt er aus, die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG und die auf ihr beruhenden angegriffenen Entscheidungen, nach denen der Abdruck von Zusatzbezeichnungen in unmittelbarer Nähe zur Berufsbezeichnung "Steuerberater" rechtswidrig sei, trügen dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Es gebe grundsätzlich keine vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dafür, (nur) bei Steuerberatern Zusätze zu Berufsbezeichnungen ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten; für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregten, müsse in rechtlichem und geschäftlichem Verkehr Raum bleiben. Der Versuch der Fachgerichte, das streitige Verbot mit der Sicherstellung der "Eindeutigkeit" der Steuerberaterbezeichnung zu rechtfertigen, werde den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. § 43 StBerG gehe über das Verbot der Irreführung hinaus. Eine relevante Irreführung sei mit dem Führen der streitigen Bezeichnung nicht verbunden, weil die durch die Fachberaterbezeichnung ausgewiesene besondere Qualifikation den Tatsachen entspreche und die Bezeichnung nach der maßgeblichen Sichtweise des werbegewohnten Verbrauchers keine Irreführungs- und Verwechslungsgefahr gegenüber amtlich verliehenen Titeln und Bezeichnungen begründe. Am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gemessen könne es nicht gerechtfertigt sein, nur Steuerberatern die Führung von Bezeichnungen der streitigen Art zu untersagen, nicht aber den in ihrer Funktion völlig vergleichbaren Fachanwälten für Steuerrecht.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

8

Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der freien Berufe hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

9

1. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG und die hierauf beruhenden Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

10

Der angegriffene Bescheid der Steuerberaterkammer und die angegriffenen Urteile berühren den Beschwerdeführer zwar in seiner Berufsausübungsfreiheit, weil sie seiner vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfassten beruflichen Außendarstellung (vgl. BVerfGE 111, 366 <379>) Grenzen setzen. Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG genügt jedoch den Anforderungen, die an das Grundrecht der Berufsfreiheit einschränkende Gesetze zu stellen sind. Auch bei der konkreten Rechtsanwendung wurde der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung getragen.

11

a) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 60, 215 <233>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 1990 - 1 BvR 1307/88 -, juris ). Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können, als berufswidrig zu verbieten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juli 2001 - 1 BvR 873/00 -, NJW 2001, S. 2788 <2789>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, S. 1331).

12

aa) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen und dabei vor allem dem Schutz der Allgemeinheit vor irreführenden Berufsbezeichnungen (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz , § 43 Rn. 2 m.w.N.; Willerscheid, in: Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 43 Rn. 8 ff.). Sie soll vor einer Verwässerung der amtlichen Bezeichnungen und Titel schützen und insbesondere zur Vermeidung einer Irreführung der steuerrechtsuchenden Personen Klarheit darüber schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen, daher eine hoheitliche Gewähr für die ihnen zugrunde liegenden Qualitätsstandards in Anspruch nehmen können und besonderes Vertrauen verdienen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 - I ZR 29/79 -, NJW 1981, S. 2519; Urteil vom 10. März 1988 - I ZR 217/85 -, GRUR 1988, S. 624 <626>).

13

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beschwerdeführers, eine Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums sei vorliegend nicht zu besorgen. Der Gesetzgeber hat seinen Einschätzungsspielraum bei Schaffung der Regelung in § 43 Abs. 2 StBerG nicht überschritten. Die der Regelung zugrunde liegende Annahme, nicht hoheitlich verliehene Berufsbezeichnungen und nicht amtliche Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung begründeten die Gefahr einer Irreführung des steuerrechtsuchenden Publikums, ist nicht offensichtlich unzutreffend; ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor einem Wildwuchs an nicht amtlichen Zusätzen zur Berufsbezeichnung und vor einer hierdurch bedingten Verwässerung zwischenzeitlich entfallen wäre.

14

bb) Die Regelung ist auch geeignet, dem mit ihr verfolgten Zweck Rechnung zu tragen. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG gestattet nur das Führen amtlich verliehener Berufsbezeichnungen neben der Berufsbezeichnung "Steuerberater" und untersagt andere Zusätze, sofern sie nicht auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen. Durch dieses Verbot nicht amtlicher Zusätze zur amtlichen Berufsbezeichnung wird sichergestellt, dass die mit der amtlichen Bezeichnung zum Ausdruck gebrachte hoheitliche Gewähr für die Sachkompetenz des Berufsträgers nicht auf privat verliehene, nicht amtliche Bezeichnungen oder Auszeichnungen ausstrahlt und diesen hierdurch eine trügerische - tatsächlich nicht zwingend vorhandene - Autorität verschafft; die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist daher geeignet, die amtlich verliehenen Berufsbezeichnungen und Titel gegen eine Verwässerung zu schützen und Irrtümern der steuerrechtsuchenden Bevölkerung über die besondere Sachkompetenz des Berufsträgers entgegenzuwirken.

15

cc) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch erforderlich, um die mit ihr verfolgten Belange des Gemeinwohls zu schützen; ein milderes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Irreführung über die Aussagekraft der Berufsbezeichnung "Steuerberater", ihr beigefügter Zusätze und über die hierdurch ausgewiesenen Qualifikationen ist nicht ersichtlich. Ohne die angegriffene Regelung bestünde - wie die Situation vor Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes gezeigt hat (vgl. Kolbeck/Peter/Rawald, a.a.O.) - ein nicht unerhebliches Risiko eines Konturverlusts der amtlichen Berufsbezeichnungen und damit eine Gefahr der Irreführung über die Qualität und Aussagekraft von einerseits amtlich sowie andererseits privat verliehener Bezeichnungen. Es wäre zu befürchten, dass ein neuerlicher Wildwuchs an privat verliehenen - möglicherweise wenig aussagekräftigen und verlässlichen - Bezeichnungen und Titeln entstünde, der - soweit diese als Zusatz zu der amtlichen Berufsbezeichnung zugelassen würden - eine Orientierung des steuerrechtsuchenden Publikums nachhaltig erschweren und die Gefahr einer Irreführung über die Aussagekraft und Autorität der Berufsbezeichnungen und Zusätze begründen würde.

16

dd) Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG ist auch angemessen und führt nicht zu unzumutbaren Beschränkungen für die betroffenen Steuerberater. Der mit ihr verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Steuerberater wiegt nicht schwer. § 43 Abs. 2 und 3 StBerG zielt schon nach seinem Wortlaut nicht auf ein umfassendes - und als solches verfassungswidriges (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1993 - 1 BvR 166/89 -, NJW 1993, S. 2988 <2989>) - Verbot jeglicher Angaben und Zusätze ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck sowie ihren Informationswert für Dritte ab; sie untersagt lediglich nicht amtlich verliehene Berufsbezeichnungen und Zusätze, weil diese im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu einer Irreführung über die Qualität einer Bezeichnung oder eines Titels - nämlich insbesondere über die Reichweite der durch einen amtlichen Titel oder eine amtliche Bezeichnung zum Ausdruck gebrachten hoheitlichen Gewähr für die zugrunde liegenden Qualifikationsstandards - führen können.

17

Schon aus dem in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG verwendeten Begriff "Zusatz" ergibt sich, dass sachlich zutreffende Hinweise auf nicht amtlich verbürgte besondere Qualifikationen nur bei Bestehen einer inhaltlichen oder räumlichen Verbindung zu der amtlichen Berufsbezeichnung unzulässig, im Übrigen aber erlaubt sind. Die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG steht daher einer - verfassungsrechtlich geschützten und im Übrigen durch § 57a StBerG ausdrücklich erlaubten - beruflichen Außendarstellung und Werbung durch interessengerechte und sachangemessene Information nicht entgegen. Steuerberatern werden werbende Hinweise auf ihre zusätzlich zur allgemeinen beruflichen Qualifikation erworbene Sachkompetenz nicht grundsätzlich untersagt; ihnen wird lediglich versagt, ihren von privater Stelle zuerkannten Bezeichnungen den Anschein einer besonderen - tatsächlich nicht vorhandenen - Autorität zu geben.

18

b) Auch die konkrete Rechtsanwendung durch die Fachgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Regelung obliegt den Fachgerichten und ist durch das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Vorliegend haben die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte die Regelung in § 43 Abs. 2 und 3 StBerG im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG vertretbar ausgelegt und angewendet; die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe wurden berücksichtigt und in der gebotenen Weise zur Anwendung gebracht.

19

aa) Insbesondere haben die Fachgerichte zutreffend erkannt, dass das Führen der vom Beschwerdeführer erworbenen Fachberaterbezeichnung in unmittelbarer Verbindung mit der Berufsbezeichnung "Steuerberater" der Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG unterfällt und geeignet ist, die Eindeutigkeit der amtlichen Berufsbezeichnung infrage zu stellen und zu der irrtümlichen Annahme zu verleiten, es handele sich auch bei der dem Beschwerdeführer vom Deutschen Steuerberaterverband zuerkannten Fachberaterbezeichnung um einen amtlich verliehenen Qualifikationsnachweis, der besonderes Vertrauen verdient. Die Fachgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass das Führen der Bezeichnung in räumlicher Nähe zu der amtlichen Berufsbezeichnung ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit und trotz des Zusatzes "DStV e.V." zu Irrtümern des steuerrechtsuchenden Publikums führen kann.

20

bb) Das Abgrenzungskriterium der räumlichen Nähe oder Distanz der Fachberaterbezeichnung zu der amtlichen Berufsbezeichnung ist, wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat, auch nicht zu unbestimmt und untauglich für eine sachgerechte Abgrenzung. Die Gefahr einer Irreführung ist einer allgemeinen und abstrakten Beurteilung nicht zugänglich, sondern kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - insbesondere der konkreten Wortwahl und Gestaltung des Werbeträgers - verantwortbar beurteilt werden. Eine damit verbundene Rechtsunsicherheit ist nicht vollständig zu vermeiden, begegnet aber wegen der Möglichkeit einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

21

cc) Die Auslegung und Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 2 StBerG durch die Steuerberaterkammer und die Fachgerichte führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, sondern bringt das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Schutz vor irreführenden Berufs- oder Qualifikationsbezeichnungen und das grundrechtlich geschützte Interesse der Steuerberater - hier des Beschwerdeführers - auf werbende Außendarstellung in einen angemessenen Ausgleich. Nachdem sowohl die Steuerberaterkammer als auch die Fachgerichte dem Beschwerdeführer ausdrücklich zugestanden haben, in einer Weise werbend auf seine Zusatzqualifikation hinzuweisen, die aufgrund der konkreten Wortwahl und des räumlichen Abstands zu der amtlichen Berufsbezeichnung nicht die Gefahr birgt, dass die Fachberaterbezeichnung für eine amtlich verliehene Auszeichnung gehalten oder die amtliche Berufsbezeichnung verwässert wird, wiegt der mit den angegriffenen Hoheitsakten verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers nicht schwer. Er steht zu dem mit ihm verfolgten Zweck in angemessenem Verhältnis.

22

dd) Der angegriffenen fachgerichtlichen Rechtsprechung steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Angabe rechtsförmlich erworbener fachlicher Qualifikationen als herkömmliches Mittel der Ankündigung freiberuflicher Leistungen vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und ein diesbezügliches Verbot unzulässig ist (vgl. BVerfGE 33, 125 <170>; 57, 121 <133>; 82, 18 <28>). Die zitierte Rechtsprechung betraf - anders als der vorliegende Fall - Konstellationen, in denen Berufsträgern das Führen von hoheitlich verliehenen Bezeichnungen neben ihrer Berufsbezeichnung untersagt worden war; eine Gefahr der Irreführung oder der Verwässerung der amtlichen Bezeichnung war daher - anders als im vorliegenden Fall - nicht gegeben.

23

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits mangels einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entsprechenden Begründung unzulässig (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>). Der Beschwerdeführer behauptet nur pauschal, dass Rechtsanwälten das Führen einer entsprechenden Fachberater-Bezeichnung erlaubt sei und dass daher eine unzulässige Diskriminierung vorliege; auf die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte geht der Beschwerdeführer nicht ein. Auch mit den entsprechenden Ausführungen des Bundesfinanzhofs setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er übergeht, dass - worauf der Bundesfinanzhof zutreffend hinweist - auch nach den Regelungen der Berufsordnung für Rechtsanwälte (§ 7 Abs. 2 BORA) das Führen einer Zusatzbezeichnung unter anderem dann ausscheidet, wenn die Gefahr einer Verwechslung mit einer Fachanwaltschaft besteht. Ob dies bei der im vorliegenden Fall streitigen Bezeichnung der Fall sein könnte, wird nicht erörtert. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil die Verwendung vergleichbarer Zusätze, die mit dem Begriff "Fach-" beginnen, von der ganz herrschenden Meinung für irreführend im Sinne des § 7 Abs. 2 BORA gehalten wird, sofern eine entsprechende Fachanwaltschaft besteht (vgl. auch Römermann, in: Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl. 2009, § 7 BORA, Rn. 82 ff. <87>; Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 1. Aufl. 2010, § 7 BORA, Rn. 63 ff. <66>; ders., BRAK-Mitt. 2009, S. 134 <135> m.w.N.).

24

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Absatz 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Berufsbezeichnung lautet "Steuerberater" oder "Steuerbevollmächtigter". Frauen können die Berufsbezeichnung "Steuerberaterin" oder "Steuerbevollmächtigte" wählen. Die Berufsangehörigen haben im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung zu führen.

(2) Die Führung weiterer Berufsbezeichnungen ist nur gestattet, wenn sie amtlich verliehen worden sind. Andere Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft sind im beruflichen Verkehr unzulässig.

(3) Zusätze, die auf einen akademischen Grad oder eine staatlich verliehene Graduierung hinweisen, sind erlaubt.

(4) Die Bezeichnung "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" darf nur führen, wer nach diesem Gesetz dazu berechtigt ist. Es ist unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere Bezeichnungen zu verwenden. Satz 2 findet auf Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 15/12 Verkündet am:
13. November 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kommanditistenbrief
UWG § 4 Nr. 11; BRAO § 43b; Richtlinie 2006/123/EG Art. 24
Ein Rechtsanwalt verstößt nicht zwingend gegen das Verbot der Werbung um
Praxis (§ 43b BRAO), wenn er einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines
konkreten Beratungsbedarfs (hier: Inanspruchnahme als Kommanditist einer
Fondsgesellschaft auf Rückzahlung von Ausschüttungen) persönlich anschreibt
und seine Dienste anbietet. Ein Verstoß liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn
der Adressat einerseits durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder
überrumpelt wird und er sich andererseits in einer Lage befindet, in der er auf
Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche
Werbung hilfreich sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. März
2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom
15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch
und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2012 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I, 1. Kammer für Handelssachen, vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien vertreten als Rechtsanwälte Anleger der in Insolvenz befindlichen Fondsgesellschaft „G. KG“ (nachfolgend: Fondsgesellschaft). Deren Kommanditisten werden - teilweise schon im Klagewege - vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen.
2
Im September 2010 versandte die Beklagte an zahlreiche von ihr nicht anwaltlich vertretene Kommanditisten der Fondsgesellschaft ein im Folgenden in Auszügen wiedergegebenes, an den jeweiligen Empfänger persönlich adressiertes Schreiben: In vorbezeichneter Angelegenheit zeigen wir an, dass wir mehrere Kommanditisten vertreten, die vom Insolvenzverwalter der G. KG vor dem Landgericht D. aus Kommanditistenhaftung in Anspruch genommen werden. Wir halten eine Verteidigung gegen die Klagen mindestens insoweit für erfolgsversprechend , sofern und soweit die Kommanditisten nicht direkt an der G. KG, sondern nur mittelbar, und zwar als Treugeber über die Treunehmerin, die M., beteiligt waren. Es gibt darüber hinaus einige weitere aussichtsreiche Ansatzpunkte , wie z.B. eine mögliche Verjährung der Ansprüche. Aus den uns vorliegenden Unterlagen ... ergibt sich weiter, dass sich der Insolvenzverwalter mit zwei größeren Anlegergruppen in Vergleichsgesprächen befindet. Gerne erörtern wir mit Ihnen diese diversen Aspekte der Angelegenheit ausführlich telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch. Wir weisen insbesondere darauf hin, dass es für Kommanditisten, die bereits in Anspruch genommen werden bzw. bei denen dies noch bevorsteht, sinnvoll sein kann, sich zum Zwecke gemeinsamer Interessenvertretung zusammenzuschließen , um gegenüber dem Insolvenzverwalter eine stärkere Verhandlungsposition aufzubauen. Wir sind auch interessiert am Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit Anwaltskollegen , die Sie eventuell in dieser Angelegenheit bereits vertreten.
3
Das Schreiben erreichte auch Mandanten des Klägers.
4
Der Kläger ist der Ansicht, das Schreiben sei eine gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO unzulässige Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, bei den von ihr nicht vertretenen Kommanditisten der G. KG in einem persönlich an diese Kommanditisten gerichteten Schreiben um die Erteilung eines Mandats zur Abwehr der vom Insolvenzverwalter gegen die Kommanditisten geführten Klage auf Rückzahlung der Ausschüttungen wie folgt zu werben (es folgt das oben wiedergegebene Schreiben).
5
Der Kläger hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG München, GRUR-RR 2012, 163). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt , verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO, § 242 BGB zu. Das beanstandete Schreiben verstoße gegen das Werbeverbot gemäß § 43b BRAO. Eine Werbung sei im Sinne dieser Vorschrift auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten umwerbe, bei dem ein konkreter, dem Rechtsanwalt bekannter Beratungsbedarf bestehe. Auf eine konkrete Beeinträchtigung der Interessen des Adressaten komme es nicht an. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen erfüllt. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft die von ihr angeschriebenen Kommanditisten in der Vergangenheit auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen habe. Es habe deshalb nicht nur ein potentieller, sondern ein aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung in Bezug auf die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten einer Verteidigung gegen die Forderungen des Insolvenzverwalters bestanden. Das Rundschreiben der Beklagten habe darauf abgezielt, diesen konkreten Bedarf zu decken. Eine solche Werbung sei gemäß § 43b BRAO unzulässig , ohne dass es weiterer Umstände wie etwa einer unsachlichen Belästigung der Adressaten, einer tatsächlichen Einschränkung ihrer Entschließungsfreiheit oder sonstiger Momente bedürfe.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Das beanstandete Schreiben verstößt nicht gegen § 43b BRAO. Es ist auch nicht aus anderen Gründen wettbewerbswidrig.
9
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Schreiben der Beklagten vom September 2010 verstoße gegen § 43b BRAO, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
a) Gemäß § 43b BRAO ist Werbung einem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
11
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Einschränkung der Werbemöglichkeit bei verfassungskonformer Auslegung des § 43b BRAO nur dann in Betracht, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BGH, Urteil vom 1. März 2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f. - Anwaltswerbung II; Urteil vom 27. Januar 2005 - I ZR 202/02, GRUR 2005, 520, 521 = WRP 2005, 738 - Optimale Interessenvertretung; vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 57a StBerG BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 77/07, GRUR 2010, 349 Rn. 22 - EKW-Steuerberater). In der Vergangenheit hat der Senat allerdings angedeutet, dass er eine Werbung um Aufträge bereits dann als unzulässig erachtet, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung versuche - vergleichbar mit der offenen Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall - in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunutzen, dass sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befinde, in der er auf Hilfe angewiesen sei und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden könne (BGHZ 147, 71, 80 - Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom 15. März 2001 - I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben). Dagegen hat der Senat solche Fälle nicht als vom Verbot erfasst angesehen, in denen sich der Rechtsanwalt an Personen wendet, bei denen er keinen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf, sondern - beispielsweise wegen einer erfolgten Gesetzesänderung - einbloß generelles Interesse an seiner Leistung erwartet. Er hat es als zulässig erachtet, diesen Adressaten einen konkreten Handlungs- oder Beratungsbedarf erst mit den in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst zu machen. In einer solchen Situation fehlte es an einer gezielten persönlichen und daher gegebenenfalls als aufdringlich empfundenen Kontaktaufnahme (BGH, WRP 2002, 71, 74 - Anwaltsrundschreiben).
12
bb) Teilweise werden jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum strengere Anforderungen an ein Werbeverbot gestellt. So sei eine Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall nicht bereits dann unzulässig, wenn der Rechtsanwalt einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anspreche. Ein Verbot setze vielmehr zusätzlich voraus , dass die Werbung in ihrer individuellen Ausgestaltung geeignet sei, das Schutzgut des § 43b BRAO konkret zu gefährden (KG, GRUR-RR 2010, 437, 438 f.; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43b Rn. 21 ff.; Prütting in Henssler /Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43b Rn. 44; Huff, NJW 2003, 3525, 3527; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703; Degen, NJW 2011, 867 f.). Es bedürfe einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine gemeinwohlschädliche Aufdringlichkeit vorliege, die ein Verbot rechtfertigen könne. Maßgeblich sei, ob ein der Ansprache durch den Rechtsanwalt entgegenstehender Wille des po- tentiellen Mandanten ersichtlich sei. Ferner komme es auf das Verhältnis zwischen der Art und Intensität des konkreten Beratungsbedarfs (aktueller Todes-, Krankheits- oder Unglücksfall, Strafverfolgung oder lediglich drohende wirtschaftliche Verluste durch eine notleidend gewordene Geldanlage) auf der einen Seite und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung im Sinne einer Bedrängung, Nötigung oder Überrumpelung auf der anderen Seite an (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 445, 446; Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 29 ff.).
13
Das Erfordernis einer konkreten Gefährdung der Schutzgüter des § 43b BRAO wird damit begründet, dass es eine Werbeform nicht schon per se unzulässig mache, dass ein Umworbener konkreten Beratungsbedarf habe. Befinde sich jemand in einer Situation, in der er auf Rechtsrat angewiesen sei, werde ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung regelmäßig Nutzen bringen können. Erst in Fällen, in denen sich ein Anwalt in einer aufdringlichen Art aufnötige oder einen Verbraucher überrumpele, müssten klare Grenzen gezogen werden, beispielsweise bei der Ausnutzung eines Unglücksfalls. Werde dagegen einem Fondsanleger in sachlicher Weise anwaltlicher Rat angeboten , könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Umworbene nicht in der Lage sei zu entscheiden, ob er Kontakt zu dem Anwalt aufnehmen, gar nicht aktiv werden oder einen anderen Anwalt seines Vertrauens zu Rate ziehen wolle (vgl. Kleine-Cosack aaO § 43b Rn. 24 ff.; Hellwig, NJW 2005, 1217, 1219; Dahns, NJW-Spezial 2010, 702, 703).
14
cc) Diese Ansicht ist zumindest seit dem 28. Dezember 2009 vorzugswürdig. Seit diesem Zeitpunkt ist § 43b BRAO im Hinblick auf die Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt anhand des Maßstabs des Art. 24 der Richtlinie richtlinienkonform auszulegen; ein Werbeverbot ist danach nur bei einer durch eine Abwägung derUmstände des Einzelfalls festzustellenden konkreten Gefährdung der unionsrechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt.
15
(1) Die Bestimmung des § 43b BRAO regelt die berufsrechtlichen Grenzen , innerhalb deren Rechtsanwälte für ihre Dienstleistung werben dürfen. Die Vorschrift stellt damit eine berufsrechtliche Regelung über die kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 4 Nr. 12 der Richtlinie 2006/123/EG dar, die die Rechtsanwaltschaft und damit einen reglementierten Beruf im Sinne von Art. 4 Nr. 11 der Richtlinie 2006/123/EG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie in Verbindung mit § 4 BRAO betrifft.
16
(2) Gemäß Art. 44 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG setzen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um der Richtlinie bis 28. Dezember 2009 nachzukommen. Seit diesem Tag ist § 43b BRAO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Rn. 108, 124 - Adeneler ELOG).
17
(3) Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG sind absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe untersagt. Gemäß Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2006/123/EG sind mit absoluten Verboten nicht solche gemeint, die sich auf den Inhalt der kommerziellen Kommunikation beziehen, sondern solche, die diese allgemein und für ganze Berufsgruppen in einer oder mehreren Formen untersagen, beispielsweise ein Verbot von Werbung in einem bestimmten Medium oder in einer Reihe von Medien. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass von einem absoluten Verbot im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG aus- zugehen ist, wenn eine nationale Bestimmung eine kommerzielle Kommunikation unabhängig von ihrer Form, ihrem Inhalt oder den verwendeten Mitteln untersagt (EuGH, Urteil vom 5. April 2011 - C-119/09, Slg. 2011, I-2551 = EuZW 2011, 681 Rn. 41 f. - Société fiduciaire nationale d’expertise comptable).
18
Daraus ergibt sich, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergibt. Allein der Umstand, dass ein potentieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen wird, genügt diesen Anforderungen nicht.
19
(4) Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die kommerzielle Kommunikation durch Angehörige reglementierter Berufe die Anforderungen der berufsrechtlichen Regeln erfüllt, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht je nach Beruf insbesondere die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten sollen. Berufsrechtliche Regelungen über die kommerzielle Kommunikation dürfen nicht diskriminierend sein und müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
20
Wie sich aus dieser Bestimmung („insbesondere“) ergibt, sind die Schutzgüter, deren Beeinträchtigung eine Einschränkung der kommerziellen Kommunikation rechtfertigen können, nicht auf die in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG ausdrücklich genannten Gesichtspunkte, also die Unabhängigkeit , die Würde und die Integrität der Rechtsanwaltschaft sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses, beschränkt. Vielmehr sind bei der Auslegung auch der systematische Regelungszusammenhang des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG und damit die Interessen der Verbraucher zu beachten (EuGH, EuZW 2011, 681 Rn. 28 - Société fiduciaire nationale d´expertise comptable).
21
Daraus folgt, dass ein Werbeverbot zum Schutz des potentiellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung , Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein kann. Aus der gesetzlichen Anordnung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt sich ferner, dass eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist. Dabei sind neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen. Außerdem kommt es darauf an, ob und inwieweit die Interessen des Verbrauchers deshalb nicht beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung Nutzen bringen kann.
22
b) Nach diesen Grundsätzen ist das beanstandete Werbeschreiben der Beklagten nicht zu beanstanden.
23
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die angeschriebenen Anleger ein der Beklagten bekannter aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung bestand, weil der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft bereits in der Vergangenheit an diese Anleger herangetreten war, sie zur Rückzahlung von Ausschüttungen aufgefordert und teilweise bereits Ansprüche klageweise geltend gemacht hatte. Daraus lässt sich indessen noch keine hinreichend konkrete Beeinträchtigung der Interessen der Anleger entnehmen, weil in der Situation eines konkreten Beratungsbedarfs gerade ein Interesse der Anleger an einer bedarfsgerechten sachlichen Werbung bestehen kann. Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die Entscheidungsfreiheit der angeschriebenen Anle- ger durch die Besonderheiten ihrer Situation oder durch die Art und Weise der werblichen Ansprache beeinträchtigt gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. So bestand für die Kommanditisten keine Situation, in der die Gefahr des Verlustes erheblicher Vermögenswerte derart unmittelbar gedroht hätte, dass eine überlegte und informationsgeleitete Entscheidung für oder gegen das Angebot der Beklagten erheblich erschwert gewesen wäre. Das beanstandete Schreiben war schließlich in Form und Inhalt sachlich abgefasst. Belästigende oder bedrängende Elemente finden sich dort ebenso wenig wie Gesichtspunkte, die mit der Würde, Integrität und Unabhängigkeit des Berufsstandes des Rechtsanwalts nicht im Einklang stehen.
24
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Angaben in dem beanstandeten Schreiben irreführend gewesen wären oder dass die Beklagte gezielt in die Beziehung des Klägers zu seinen Mandanten eingegriffen hätte.
25
III. Der Streitfall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2006/123/EG bestehen keine vernünftigen Zweifel. Die Bestimmung des § 43b BRAO ist - wie dargelegt - einer restriktiven Auslegung zugänglich, die mit Art. 24 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG im Einklang steht. Dementsprechend ist auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
26
IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsurteil nur wegen der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt aufzuheben und die Sache nach diesem Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
27
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.02.2011 - 1 HKO 18466/10 -
OLG München, Entscheidung vom 12.01.2012 - 6 U 813/11 -

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.