Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 16. Juni 2016 - 1 BvR 2509/15
Tenor
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Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. August 2015 (3 Oa 1/15) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht Hamburg zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer ein Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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A.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts, mit denen über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, eine Anhörungsrüge und ein Ablehnungsgesuch entschieden wurde.
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I.
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Der Beschwerdeführer beantragte für eine beabsichtigte Klage auf Entschädigung wegen überlanger Dauer mehrerer arbeitsgerichtlicher Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der dem Antrag beigefügte Klageentwurf war geprägt von Verunglimpfungen und Beschimpfungen der Justiz im Allgemeinen und auch von einzelnen, namentlich genannten Richtern.
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Das Landesarbeitsgericht wies den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück, weil für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünden. Die schriftlichen Äußerungen des Beschwerdeführers in seinem Klageentwurf, mit denen er gegen die mit den zugrunde liegenden Verfahren betrauten Richterinnen und Richtern in äußerst beleidigender Weise schwerwiegende Vorwürfe erhoben habe, seien nur vor dem Hintergrund erklärbar, dass dem Beschwerdeführer jeglicher Realitätsbezug fehle. Es lägen Anhaltspunkte vor, dass er unter einer wahnhaften Entwicklung im Sinne eines sogenannten Querulantenwahns leide. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest partiell geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig sei. Die Rechtsbeschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.
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Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge und lehnte den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit beidem blieb der Beschwerdeführer erfolglos.
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II.
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Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Das Landesarbeitsgericht habe ihn insbesondere weder persönlich angehört noch ein Sachverständigengutachten über die Frage der Prozessfähigkeit eingeholt.
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B.
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Die Verfassungsbeschwerde wurde der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg zugestellt, die keine Stellungnahme abgegeben hat. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
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C.
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Nicht zur Entscheidung anzunehmen ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die das Ablehnungsgesuch und die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlüsse richtet. Sie ist insoweit nicht hinreichend substantiiert begründet (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG).
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Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit sie sich gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landesarbeitsgerichts wendet, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Eine insoweit stattgebende Entscheidung kann die Kammer treffen, da die maßgeblichen Fragen vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde in diesem Umfang zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Inhalt und Tragweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG erwachsenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).
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I.
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Die gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.
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1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stehen etwaige Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers nicht entgegen. Wegen der besonderen Eigenart der verfassungsgerichtlichen Verfahren können im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Bestimmungen anderer Verfahrensordnungen, die hinsichtlich der Prozessfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit anknüpfen, nicht ohne weiteres angewendet werden (vgl. BVerfGE 1, 87 <89>; 19, 93 <100 f.>). Die Verfahrensfähigkeit ist insbesondere zuzuerkennen, wenn sich nur so ein effektiver Grundrechtsschutz verwirklichen lässt. Das ist hier der Fall.
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2. Unabhängig davon, dass das Landesarbeitsgericht die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers nicht im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern allein als Frage der Begründetheit behandelt hat, was Bedenken aufwirft (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9. Juni 1997 - 1 W 24/97 -, juris, Rn. 2; OLG Hamm, Beschlüsse vom 22. Februar 2012 - I-13 W 44/11, 13 W 4413 W 44/11 -, juris, Rn. 2, und vom 10. Juni 2014 - I-11 SchH 27/12, 11 S11 SchH 27/12 -, juris, Rn. 10; Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 117 Rn. 5), verletzt der Beschluss des Landesarbeitsgerichts den Beschwerdeführer in seinem in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es danach, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist zwar in eng begrenztem Rahmen zulässig. Kommt jedoch eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil Beschwerdeführender ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. August 2014 - 1 BvR 3001/11 -, juris, Rn. 12).
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Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen. Auslegung und Anwendung der §§ 114 ff. ZPO obliegen dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Verfassungsrecht wird jedoch dann verletzt, wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).
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b) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufend überspannt. Es hat bei der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten allein darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer nach Aktenlage mit großer Wahrscheinlichkeit prozessunfähig ist und die beabsichtigte Klage daher keinen Erfolg haben kann. Dabei hat das Landesarbeitsgericht verkannt, dass es, um die Prozessfähigkeit von Verfahrensbeteiligten beurteilen zu können, erforderlich ist, sämtliche Beweismittel auszuschöpfen, (vgl. BAG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 -, juris, Rn. 4, m.w.N.; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - VI ZR 284/08 -, juris, Rn. 8, m.w.N.), insbesondere ein Sachverständigengutachten einzuholen und vor einer Beweisaufnahme zur Prozessfähigkeit eine persönliche Anhörung durchzuführen ist (vgl. BVerfGK 6, 380 <383>).Unbeachtet geblieben ist zudem die Pflicht, dass Gerichte bei angenommener Prozessunfähigkeit auf die Bestellung einer Betreuungsperson hinzuwirken haben (BAG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 -, juris, Rn. 6, m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2012 - I-13 W 44/11, 13 W 4413 W 44/11 -, juris, Rn. 3). Dass eine Beweisaufnahme über die Frage der Prozessfähigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit das Ergebnis erbrächte, der Beschwerdeführer sei prozessunfähig, ist nicht offensichtlich. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Prozessunfähigkeit für eine ordnungsgemäße Vertretung gesorgt hätte, indem er sich um die Bestellung einer Betreuungsperson bemüht hätte.
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II.
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Der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagende Beschluss ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.
(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom
16. November 2012 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Prozess-kostenhilfeprüfungsverfahren wird auf 4.000 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage. Mit Beschluss des insoweit gem. § 118 Abs. 3 ZPO zuständigen Vorsitzenden vom 19.04.2013 ist die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Prozessfähigkeit des Antragstellers angeordnet worden. Mit der Gutachtenerstellung ist der Sachverständige Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. med. T - in Abänderung des Beschlusses vom 19.04.2013 – durch Beschluss des Vorsitzenden vom 22.05.2013 beauftragt worden.
4Zuvor hatte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 13.05.2013 die Richter I und L erneut und die Richter S und I erstmals wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, nachdem sein mit der Antragsschrift vom 16.11.2012 angebrachtes Ablehnungsgesuch (Bl. 1) mit Beschluss vom 03.01.2013 (Bl. 34) und seine nachfolgenden weiteren Ablehnungsgesuche vom 18.02.2013 (Bl. 49) sowie 06.03.2013 (Bl. 65) mit Beschluss vom 19.04.2013 (Bl. 75) und eine dagegen erhobene Anhörungsrüge vom 27.04.2013 (Bl. 86) mit Beschluss vom 03.05.2013 (Bl. 131) zurückgewiesen worden waren.
5Nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.07.2013 (Bl. 221) erklärt hatte, den vom Sachverständigen angekündigten Untersuchungstermin in der Wohnung des Antragstellers nicht wahrzunehmen, weil nach seiner Auffassung die Beauftragung des Sachverständigen durch den Vorsitzenden im Hinblick auf sein erneutes Ablehnungsgesuch vom 13.05.2013 (Bl. 139) und die daraus folgende Sperrwirkung des § 47 ZPO rechtswidrig und nichtig sei, hat der Sachverständige ohne Untersuchung des Antragstellers ein schriftliches Gutachten erstellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 18.10.2013 Bezug genommen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 18.11.2013 zum Gutachten Stellung genommen und Beweisanträge gerichtet auf Einholung eines verfassungsrechtlichen Gutachtens gestellt (Bl. 210 ff.). Das Ablehnungsgesuch vom 13.05.2013 ist durch Senatsbeschluss vom 27.11.2013 als unzulässig verworfen worden (Bl. 228), eine dagegen gerichtete Anhörungsrüge des Antragstellers vom 02.12.2013 mit Senatsbeschluss vom 04.12.2013 zurückgewiesen worden (Bl. 245).
6Nachdem dem Antragsteller in dem Beschluss vom 04.12.2013 Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bewilligt worden ist (Bl. 245) und ein weiteres Ablehnungsgesuch vom 16.12.2013 (Bl. 250) mit Senatsbeschluss vom 29.01.2014 teils als unzulässig verworfen und teils als unbegründet zurückgewiesen worden ist (Bl. 271), ist dem Antragsteller auf seinen Antrag hin mit Senatsbeschluss vom 07.02.2014 Rechtsanwalt F im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden (Bl. 280). Die vom Antragsteller gegen den Senatsbeschluss vom 29.01.2014 mit Schriftsatz vom 07.02.2014 erhobene Anhörungsrüge (Bl. 284) ist mit Beschluss vom 11.04.2014 zurückgewiesen worden (Bl. 315).
7Mit Schriftsatz vom 27.04.2014 hat der Antragsteller geltend gemacht, dass der Vorsitzende Richter I aus persönlichen Gründen die Vorgreiflichkeit des verfassungsgerichtlichen Verfahrens 1 BvR 2768/13 nicht beachte, in dem das Bundesverfassungsgericht darüber zu entscheiden habe, inwieweit die Senatsbeschlüsse vom 29.01.2014 und 07.02.2014 verfassungswidrig seien (Bl. 334 ff.).
8Der Senat hat den Antragsteller im Termin am 10.06.2014 im Beisein des ihm beigeordneten Anwalts und des Sachverständigen Dr. T gem. § 118 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll und den zu diesem Termin gefertigten Berichterstattervermerk verwiesen.
9II.
10Die nachgesuchte Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht bewilligt werden, weil ein rechtswirksamer Antrag im Sinne von § 114 ZPO nicht festgestellt werden kann.
111.
12Der Senat ist in der beschließenden Besetzung zur Entscheidung befugt. Die vom Antragsteller angebrachten Ablehnungsgesuche sind sämtlich zurückgewiesen oder verworfen worden. Soweit dagegen vom Antragsteller Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, hindert das den Senat nicht an einer Entscheidung. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Suspensivwirkung; sie rechtfertigt auch nicht die vom Antragsteller beantragte Aussetzung. Vielmehr ist die Frage der Prozessfähigkeit vorrangig zu klären, weil davon die Zulässigkeit aller anderen Sach- und Verfahrensanträge abhängt.
132.
14Voraussetzung für einen wirksamen Prozesskostenhilfeantrag ist unter anderem die Prozessfähigkeit des Antragstellers, weil gerichtlichen Rechtsschutz nur begehren kann, wer prozessfähig ist.
15Zwar ist das Prozesskostenhilfeverfahren nicht identisch mit dem gerichtlichen Rechtsschutz, welcher erst mit der Prozesskostenhilfebewilligung ermöglicht werden soll. Prozesskostenhilfe ist jedoch eine spezialgesetzlich geregelte Art der Sozialhilfe (vgl. OVG Hamburg, FamRZ 2005, 44), deren Bewilligung in einem in den §§ 114 ff. ZPO gesondert geregelten gerichtlichen Verfahren erfolgt. Deshalb ist das Bewilligungsverfahren Bestandteil des gerichtlichen Rechtsschutzes und setzt die Prozessfähigkeit desjenigen voraus, der diesen Rechtsschutz begehrt.
16Bestehen nicht ausräumbare Zweifel an der Prozessfähigkeit, ist das Prozesskostenhilfegesuch bereits mangels wirksamen Antrages und nicht erst wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigen Rechtsverfolgung abzulehnen. Dies folgt aus der Schutzfunktion des Erfordernisses der Prozessfähigkeit, wonach der Prozessunfähige vor ihm nachteilige Folgen unsachgemäßer Prozessführung bewahrt werden soll (vgl. Lindacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, §§ 51, 52 Rdnr. 2). Solche nachteiligen Folgen könnten hier entstehen, wenn das Prozesskostenhilfegesuch als zulässig erachtet wird und die Bewilligung nur mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt wird. Denn in diesem Fall könnte der Antragsteller gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG für Auslagen im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren haften müssen (vgl. Zöller/Philippi, § 118 Rdnr. 24). Dazu würden die im vorliegenden Verfahren angefallenen Sachverständigenkosten gehören, die – mit Rücksicht auf die erwähnte Schutzfunktion des Erfordernisses der Prozessfähigkeit – nicht von einem Antragsteller ersetzt verlangt werden dürften, der schon keinen rechtswirksamen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat.
173.
18Verbleiben nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, so gehen etwa noch vorhandene Zweifel zu Lasten der betroffenen Partei (vgl. BGH NJW 2000, 289 <290>). So liegt der Fall hier.
19Im Ausgangspunkt ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es allgemein anerkannt ist, dass die Geschäftsfähigkeit und damit die Prozessfähigkeit wegen einer geistigen Störung (§ 104 Nr. 2 BGB in Verb. mit § 52 ZPO) nur für einen beschränkten Kreis von Angelegenheiten – etwa die Führung von Rechtsstreitigkeiten – ausgeschlossen sein kann (vgl. BGH NJW 2000, 289 <290>).
20Nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Dr. med. T sprechen hier alle vorliegenden Informationen dafür, dass bei dem Antragsteller eine überdauernde wahnhafte Entwicklung im Sinne eines Querulantenwahns vorliegt, und dass der Antragsteller sich hinsichtlich des Bereichs der Führung von Rechtsstreitigkeiten dauerhaft in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB befindet. Dieses Ergebnis seines schriftlichen Gutachtens vom 18.10.2013 hat der Sachverständige im Senatstermin unter Berücksichtigung der in seiner Anwesenheit erfolgten Anhörung des Antragstellers bestätigt.
21Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung des Sachverständigen, der senatsbekannt über eine große forensische Erfahrung verfügt. Die ersichtlich von Sachkunde getragene Beurteilung des Sachverständigen ist plausibel und auf die aktenkundigen Sachverhalte gestützt. Sowohl die beim Senat als auch beim 22. Zivilsenat seit 2012 geführten bzw. noch anhängigen Verfahren jeweils gerichtet auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Entschädigungsklagen gem. § 198 GVG (insgesamt 46) als auch die vom antragsgegnerischen Land erwähnten 65 Vorgänge in der Zeit von 2009 bis 2012, mit denen die Generalstaatsanwaltschaft befasst war, und auch schon die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Verwirkung des Petitionsrecht aus dem Jahre 2005 belegen diese Einschätzung. Danach ist Kernpunkt sämtlicher Anträge des Antragstellers der sich immer wiederholende Vorwurf, in den jeweiligen Ausgangsverfahren seien von ihm gestellte Anträge und Rechtsmittel nicht, nicht rechtzeitig oder inhaltlich falsch entschieden worden. Insbesondere ist augenfällig, dass regelmäßig Entscheidungen, mit denen der Antragsteller nicht einverstanden war bzw. ist, zum Anlass genommen werden, die betreffenden Entscheidungsträger mit dem Vorwurf abzulehnen, diese begingen in kollusiver Weise Rechtsbeugung und beteiligten sich an einem bundesweiten Netzwerk, das bewusst zu seinem Nachteil die Abkehr von Prinzipien des Rechtsstaats sowie den Grund- und Menschenrechten betreibe. Diese Ablehnungsgesuche sind sämtlich ohne Erfolg geblieben, weil die ihnen zu Grunde liegenden Vorwürfe haltlos bzw. – wie in dem im hier betreffenden Verfahren ergangenen Beschluss vom 03.01.2013 zum Ausdruck gebracht – absurd sind. Gleichwohl werden die Ablehnungsanträge zurückweisenden Entscheidungen regelmäßig zum Anlass genommen, weitere Verfahren – teils in Form von offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfen, teils auch mittels Strafanzeigen mit dem Vorwurf der Rechtsbeugung sowie teils in Form von Dienstaufsichtsbeschwerden - zu initiieren, die wiederum einen ähnlichen Verlauf haben. Diese eigendynamische Kaskade von immer neuen Verfahren zeigt sich unter anderem auch darin, dass nahezu jeder neue Antrag sogleich mit Ablehnungsgesuchen gegen diejenigen Richter verbunden ist, die in der Vergangenheit eine Entscheidung zum Nachteil des Antragstellers getroffen haben.
22Der Sachverständige führt in seinem Gutachten überzeugend aus, dass man in den so gekennzeichneten Bemühungen des Antragstellers eine psychopathologische Qualität sehen kann, es den Anschein hat, dass sich sein querulatorisches Tun verselbständigt hat und es nicht nur um die Durchsetzung eines bestimmten Anspruchs geht. Außerdem sei es beim Antragsteller offenbar bereits zu einer wahnhaft zu nennenden Gewissheit gekommen, „man“ – oder sogar das gesamte Rechtssystem – habe sich gegen ihn verschworen, so dass von einem Querulantenwahn auszugehen sei. Aus gutachterlicher Sicht sei dieses querulatorische Bemühen vergleichbar mit den Auswirkungen einer psychotisch begründeten krankhaften seelischen Störung der zufolge der Antragsteller (höchstens) in deutlich vermindertem Umfang in der Lage sei, in dem betroffenen Lebensbereich von außen kommende Reize oder von innen andrängende Impulse kognitiv zu bewerten, ihnen die Anforderungen der Realität entgegenzusetzen oder gar Alternativverhalten zu entwickeln. Dies seien deutliche Hinweise darauf, dass der Antragsteller in seinem überdauernden Wahn so „erstarrt“ sei, dass ihm jede Möglichkeit fehle, in dem betroffenen Lebensbereich der Führung von Rechtsstreitigkeiten sein Denken und Handeln steuern zu können. In gleicher Weise sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller sich dauerhaft hinsichtlich des Bereichs der Führung von Rechtsstreitigkeiten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB befinde.
23Der Senat verkennt nicht, dass eine eindeutige Beurteilung im Sinne einer positiven Feststellung einer krankhaften Störung im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich ist, weil der Antragsteller sich an der Begutachtung nicht beteiligt hat. Eine solche positive Feststellung ist im Rahmen der Beurteilung der Prozessfähigkeit allerdings auch nicht geboten. Denn soweit nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nicht ausräumbare Zweifel an der Prozessfähigkeit verbleiben, wirkt sich das zu Lasten des Antragstellers aus (vgl. BGH NJW-RR 2011, 284).
24Die im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren auf der Grundlage von § 118 Abs. 2 und 3 ZPO vorgenommene Ermittlungen haben sämtliche ernsthaft in Betracht kommenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft. Der Senat hat dazu das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. T eingeholt, dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, die Einschätzung des Sachverständigen erschütternde Erkenntnisse vorzutragen und zu belegen, und ihn überdies persönlich angehört (vgl. zu diesem Erfordernis: OLG Hamm, FamRZ 2012, 1318 und OLG Oldenburg, FamRZ 2008, 1455). Weitere Erkenntnismöglichkeiten zur Beurteilung der Prozessfähigkeit sind nicht ersichtlich; namentlich ist der Antragsteller nicht bereit, an einer Begutachtung durch den vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr. T mitzuwirken.
25Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang im Anhörungstermin auf die Unverletzlichkeit der Wohnung und eine daraus abgeleitete Berechtigung zur Verweigerung des vom Sachverständigen angekündigten Hausbesuchs sowie der dort vorgesehenen Untersuchung verwiesen hat, steht das mit seiner schriftlichen Erklärung vom 22.07.2013 (Bl. 186 a) nicht in Einklang, die allein die vermeintlich verfassungswidrige Beauftragung des Sachverständigen als Grund für die Weigerung der Wahrnehmung des Termins in seiner Wohnung anführt. Der Antragsteller hat überdies auch im Senatstermin bekräftigt, dass er vor Einholung der von ihm beantragten verfassungsrechtlichen Gutachten der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld zur Beurteilung einzelner von ihm ausformulierter Fragen nicht bereit sei, an einer Begutachtung mitzuwirken, weil zunächst seinen Beweisanträgen nachzugehen sei.
264.
27Der Antragsteller kann bei dieser Sachlage wirksame und damit zu bescheidende Anträge selbst nicht stellen; diese können nur durch einen gem. § 1896 BGB zu bestellenden Betreuer für den Bereich der Führung von Rechtsstreitigkeiten gestellt werden, wobei mit Rücksicht auf die im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nach Vorlage des schriftlichen Sachverständigengutachtens erfolgte Anwaltsbeiordnung ein gesonderter Hinweis auf die Notwendigkeit der Betreuerbestellung entbehrlich war.
285.
29Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Wertfestsetzung beruht auf § 23a Abs. 1 RVG.
30Hamm, den 10. Juni 2014
31Das Oberlandesgericht – 11 Zivilsenat
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.
(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.
(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.
(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.