Bundessozialgericht Beschluss, 08. März 2018 - B 9 SB 93/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:080318BB9SB9317B0
bei uns veröffentlicht am08.03.2018

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. November 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K. aus H.
 beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 und die Zuerkennung des Merkzeichens G. Dieses Begehren hat das LSG mit Urteil vom 16.11.2017 verneint. Die beim Kläger vorliegende mittelgradige psychische Störung sei mit einem Einzel-GdB von 40, das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 20 und die entzündliche Darmerkrankung ohne Einfluss auf den Kräfte- und Ernährungszustand mit einem Einzel-GdB von 10 einzustufen. Da das seelische Leiden zu einer Intensivierung des Schmerzerlebens im Rahmen der orthopädischen Beeinträchtigungen führe, sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Hinsichtlich einer sich nicht auf das Gehvermögen auswirkenden psychischen Störung seien die Voraussetzungen des Merkzeichens G nur dann erfüllt, wenn ihre Auswirkungen mit denen der Regelbeispiele bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit nach Teil D Nr 1 f der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vergleichbar seien. Gemäß Teil D Nr 1 f der Anlage zu § 2 VersMedV entfalteten Orientierungsstörungen infolge geistiger Behinderung grundsätzlich jedoch erst ab einem GdB von wenigstens 70 Merkzeichenrelevanz. Bei einem GdB unter 80 komme eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Die Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Vielmehr bedinge das seelische Leiden, das ursächlich für die vom Kläger beschriebenen Konzentrations- und Orientierungsstörungen sei, nach den überzeugenden gutachterlichen Ausführungen des nervenärztlichen Sachverständigen G. vom 24.7.2017 lediglich einen Einzel-GdB von 40. Auch der Befundbericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 12.5.2016 und der Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 29.8.2013 rechtfertigten keine andere Beurteilung.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.

3

II. 1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für PKH erfüllt. Er hat die notwendige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt (§ 117 Abs 2 und 4 ZPO). Jedenfalls hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht (dazu unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 29.1.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

a. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6

aa. Der Kläger hält zunächst folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam,

        

"ob bei psychischen Erkrankungen ohne Auswirkungen auf das Gehvermögen eine Vergleichbarkeit mit den Regelfällen bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit überhaupt an der Höhe des GdB festzumachen, bzw. die Vergleichbarkeit auf die Höhe des GdB zu beschränken ist",

        

"ob die Unfähigkeit, sich den Lebensraum um sich herum zu erschließen, weil man psychisch krank, wahrnehmungsgestört, pseudodement, desorientiert, etc., ist entweder mit einem GdB auch unter 70/80 wegen der Regelung in Teil D, Nr. 1 f, letzter Satz, als besonderen Einzelfall bei nicht abschließender Aufzählung der Regelbeispiele und im Hinblick auf die immer schwerer und häufiger werdenden psychischen Erkrankungen rechtlich gleichzusetzen ist i.S.v. Teil D, Nr 1 f VMG",

        

"ob im Rahmen der Rechtsfortbildung auch bei einer psychischen Beeinträchtigung, die sich nicht spezifisch auf das Gehvermögen auswirkt, auch andere Regelbeispiele und geringere GdB als Vergleichsmaßstab in Betracht zu ziehen sind, vor dem Hintergrund der Regelung in Teil D, Nr 1 f letzter Satz und vor dem Hintergrund der schweren Beeinträchtigung der Raumentfaltung durch psychische Erkrankungen",

        

"ob bei psychischen Erkrankungen, die eine Wahrnehmungsstörung, Orientierungslosigkeit bis hin zur Pseudodemenz beinhalten, nicht sogar eine psychische Beeinträchtigung ergibt, die sich dadurch spezifisch auf das Gehvermögen auswirkt, dass es im Ergebnis auf dasselbe herauskommt, ob jemand einen Ort nicht erreichen kann, weil die Beine ihn nicht hintragen oder weil die Beine ihn woanders hintragen, und er sein avisiertes Ziel jedenfalls nicht erreicht."

7

Der Senat lässt offen, ob und inwieweit der Kläger damit hinreichend klar bezeichnete Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG dargetan hat. Jedenfalls hat er die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend aufgezeigt. Nach seinem Vortrag in der Beschwerdebegründung stützt der Kläger die vom ihm begehrte Zuerkennung des Merkzeichens G insbesondere auf eine bei ihm vorliegende - sich nicht unmittelbar auf sein Gehvermögen auswirkende - psychische Störung. In diesem Zusammenhang weist er selbst auf das Urteil des Senats vom 11.8.2015 (B 9 SB 1/14 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 21) hin. Er behauptet zwar, dass sich aus dieser Entscheidung keine Antworten auf die gestellten Fragen ergäben. Der Kläger versäumt es jedoch, sich mit dieser Entscheidung auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob sich bereits aus den dortigen Ausführungen und Hinweisen hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragestellungen ergeben. Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (stRspr, zB BSG Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - Juris RdNr 10).

8

Der Senat hat in seinem vorgenannten Urteil vom 11.8.2015 seine Rechtsprechung bekräftigt, dass auch eine psychische Störung zum Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens G führen kann. Hierzu hat er Senat ua ausgeführt (aaO RdNr 21-22):

"Der umfassende Behindertenbegriff im Sinne des § 2 Abs 1 S 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots(Art 3 Abs 3 S 2 GG; Art 5 Abs 2 UN-Behindertenrechtskonvention) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. (…) Anspruch auf Nachteilsausgleichs G hat deshalb auch ein schwerbehinderter Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen als den in Teil D Nr 1 Buchst d bis f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen ist(vgl BSG Urteil vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr 2). Dies gilt auch für psychosomatische oder psychische Behinderungen und Krankheitsbilder (…).

Schwerbehinderte Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen hat der Senat schon in der Vergangenheit von der Vergünstigung des Nachteilsausgleichs G nicht generell ausgeschlossen, sondern lediglich psychische Beeinträchtigungen, durch welche die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sein kann, ohne dass das Gehvermögen betroffen ist, auf eine Vergleichbarkeit mit den Regelfällen bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit beschränkt (BSG Beschluss vom 10.5.1994 - 9 BVs 45/93 - Juris). Für psychische Beeinträchtigungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, gilt diese Beschränkung indessen nicht. In solchen Fällen sind auch andere Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab in Betracht zu ziehen (…)."

9

Die Kläger setzt sich nicht damit auseinander, warum sich auf Grundlage dieser Senatsrechtsprechung die von ihm aufgeworfenen Fragestellungen nicht beantworten lassen. Er beschäftigt sich überdies - anders als geboten - nicht hinreichend mit den hier einschlägigen Inhalten des Teils D Nr 1 der Anlage zu § 2 VersMedV. Schließlich hat der Kläger in diesem Zusammenhang aber auch die Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Fragen nicht in ausreichendem Maße aufgezeigt. Er legt nicht dar, ob und inwieweit die Fragen jeweils für sich nach Maßgabe der das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) zu den psychischen Gesundheitsstörungen und den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren überhaupt entscheidungserheblich wären. Rein hypothetische Fragestellungen muss das BSG nicht beantworten. Sollte der Kläger mit seinen Fragestellungen die Schlussfolgerungen des LSG aus der zitierten Senatsrechtsprechung bezogen auf seinen Einzelfall in Frage stellen wollen, wendet er sich gegen die Unrichtigkeit der Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 3/17 B - Juris RdNr 13).

10

bb. Soweit der Kläger schließlich im Zusammenhang mit seinem Begehren nach einem Gesamt-GdB von 80 als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwirft, "ob einem medizinischen Sachverständigen überhaupt eine Kompetenz dahingehend zugeschrieben werden kann, die tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen zu den Einschränkungen der Antragsteller unter die juristischen Begriffe von Gesetzen oder der VMG zu subsumieren", setzt er sich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Rolle des medizinischen Sachverständigen als "Gehilfe des Gerichts" im sozialgerichtlichen Verfahren auseinander (vgl zB Senatsbeschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - Juris RdNr 10). Der medizinische Sachverständige soll dem Richter seine besondere medizinische Sachkunde zur Verfügung stellen. Grundlage sind dabei stets die neuesten Erkenntnisse des Fachgebiets des Sachverständigen (Senatsbeschluss vom 2.12.2010 - B 9 VH 3/09 B - Juris RdNr 14). Die Rechtsfragen muss der Richter aber selbst entscheiden, wie hier die Frage über die Einschätzung des (Gesamt-)GdB, wozu der Sachverständige indes Rat geben und Vorschläge machen muss (vgl Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 11a). Überdies hat der Kläger die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der aufgeworfenen Fragestellung nicht aufgezeigt.

11

b. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

12

Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Das LSG habe vor Erlass seines Urteils nicht erkennen lassen, dass es entgegen der Einschätzung des SG "nicht von einer schweren Störung im Rechtssinne" ausgehe, sondern den medizinischen Sachverhalt nur unter eine "mittelgradige Störung subsumieren möchte und dass es dadurch eine wesentlich geringeren GdB und in der Folge auch keinen vergleichbaren Regelfall für das Merkzeichen G annehmen möchte".

13

Soweit der Kläger damit eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) durch Erlass einer Überraschungsentscheidung geltend machen will, vermag ihm auch dies nicht zur Zulassung der Revision zu verhelfen.

14

Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht nur dann zu einer vorherigen Erörterung der für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, zB BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 327/16 B - Juris RdNr 7 mwN).

15

Dies ist nach der Beschwerdebegründung nicht anzunehmen. Vielmehr muss in einem tatsachengerichtlichen Verfahren, in dem aus den Angaben von mehreren behandelnden Ärzten, des versorgungsärztlichen Dienstes und von Sachverständigen unterschiedliche Bewertungen für die Gesamteinschätzung der Behinderungen abgeleitet und zwischen den Beteiligten streitig erörtert werden, jeder Beteiligte, also auch der Kläger, damit rechnen, dass das Gericht auch zu seinen Ungunsten entscheiden kann (vgl Senatsbeschluss vom 11.7.2017 - B 9 SB 15/17 B - Juris RdNr 12). Der Kläger behauptet nicht, dass ihm die Sachverständigengutachten und die medizinischen Berichte, auf die sich das LSG bei seiner Entscheidungsfindung gestützt hat, nicht bekannt gewesen seien. Welche Schlussfolgerungen das Gericht aus den Tatsachen bzw Beweisergebnissen ziehen wird, muss es vorab nicht mitteilen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf die in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 9.2.2017 - B 9 SB 83/16 B - Juris RdNr 6 mwN).

16

Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG)durch das LSG geltend macht, hat er bereits keinen von ihm bis Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufrecht erhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet. Ein Verfahrensmangel kann aber gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur dann auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

17

Mit seiner Rüge, das LSG habe die "Grenzen der Beweiswürdigung überschritten (§ 128 Abs 1 S 1 SGG)", kann der Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von vornherein nicht gehört werden. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden.

18

c. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

19

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten noch um die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

2

Bei der 1969 geborenen Klägerin war zunächst ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt (Bescheid vom 29.8.2008). Auf erneuten Antrag stellte der beklagte Landkreis einen GdB von 50 fest, lehnte aber die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G ab (Bescheid vom 6.7.2009; Erschöpfungssyndrom, Somatisierungsstörung, Schmerzverarbeitungsstörung, rezidivierende depressive Störung, ; Wirbelsäulensyndrom, Bandscheibenschaden mit Nervenwurzelreizungen, Tendomyopathie, ; Hautleiden mit Gelenkerkrankung, ; allergische Bronchitis, allergische Diathese, allergische Hauterkrankung, ). Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2009).

3

Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin ursprünglich einen höheren GdB als 50 neben dem Merkzeichen G begehrte, nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens abgewiesen. Bei der Klägerin liege eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradige Episode) und eine abhängige Persönlichkeitsstörung vor. Die Beeinträchtigungen im Bereich der Psyche seien mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, der Gesamt-GdB betrage 50. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr liege nicht vor. Soweit die Klägerin subjektiv das Gefühl habe, dass sie nur 400 Meter gehen könne, ordne sich dies unter dem Gefühl der Verschlimmerung einer allgemeinen Schmerzsymptomatik ein und entspreche nicht einer eigentlichen Gehstörung (Urteil vom 5.3.2012).

4

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG ein fachärztlich sozialmedizinisches Gutachten eingeholt, das den Gesamt-GdB mit 50 für angemessen hielt und bezüglich des geltend gemachten Nachteilsausgleichs G ausführte, keiner der gesetzlich geregelten Regelfälle liege vor. Jedoch bestehe bei der Klägerin eine Schmerzproblematik durch das vorhandene Fibromyalgie-Syndrom, auch als somatoforme Störung, zT mit hypochondrischen Symptomen bei depressiven Episoden. Die Klägerin sei überzeugt von ihren Einschränkungen und auf die körperlichen Einschränkungen fixiert, wobei die Schmerzwahrnehmung durch psychogene Prozesse deutlich verstärkt werde. Die Dauerleistungsfähigkeit mit der Vorgabe von zwei Kilometern in 30 Minuten sei zu keiner Zeit ohne erhebliche, nicht zumutbare Schmerzen zu bewältigen. Gestützt auf das sozialmedizinische Gutachten hat das LSG den Beklagten zur Feststellung des allein noch begehrten Nachteilsausgleichs G verurteilt. Das im SG-Verfahren eingeholte Gutachten sei demgegenüber nicht überzeugend, da es allein auf ein organisch bedingtes Gehvermögen abstelle, wenn es ein subjektives Gefühl nicht als eigentliche Gehstörung bezeichne (Urteil vom 16.10.2013).

5

Mit seiner Revision rügt der beklagte Landkreis die Verletzung materiellen Rechts (§ 146 Abs 1 S 1 SGB IX). Die Klägerin erfülle nicht die Beispielsfälle der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-VO (AnlVersMedV). Das bei ihr vorhandene Schmerzsyndrom sei diesen auch nicht vergleichbar.

6

Der beklagte Kreis beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 5. März 2012 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des beklagten Landkreises ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig (dazu 1.) und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G (dazu 2.).

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem das LSG den Bescheid des Beklagten vom 6.7.2009 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 17.8.2009 sowie das nachfolgende Urteil des SG abgeändert und den Beklagten verurteilt hat, bei der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G festzustellen.

11

a) Dieses prozessuale Ziel verfolgt die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - siehe zur statthaften Klageart etwa BSG Urteil vom 27.2.2002 - B 9 SB 6/01 R - Juris RdNr 40).

12

b) Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche ist in Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Wirkung vom 1.1.2008 durch das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW (GVBl NRW S 482) in Einklang mit höherrangigem Recht den Landkreisen übertragen worden. Dies hat der erkennende Senat wiederholt entschieden(vgl BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - Juris; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 13 ff mwN, 21; zum erneuten Übergang der Zuständigkeiten durch das hier nicht einschlägige Städteregion Aachen Gesetz vgl BSGE 109, 154 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2). Hieran hält der Senat fest.

13

2. Die Klägerin hat wegen ihrer psychogenen Gangstörung Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G.

14

a) Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G sind §§ 145 Abs 1 S 1, 146 Abs 1 S 1 iVm § 69 Abs 1 und 4 SGB IX. Gemäß § 145 Abs 1 S 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr iS des § 147 Abs 1 SGB IX. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs 1 und 4 SGB IX).

15

Nach § 146 Abs 1 S 1 SGB IX in der fortgeltenden Ursprungsfassung des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.Das Gesetz fordert in § 145 Abs 1 S 1, § 146 Abs 1 S 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken(BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 7/06 R - SozR 4-3250 § 146 Nr 1 RdNr 12).

16

Die nähere Präzisierung des Personenkreises schwerbehinderter Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ergibt sich aus dem in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX aF Bezug genommenen versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, dessen Kern ursprünglich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) waren. Diese sind seit 1.1.2009 abgelöst durch die auf der Grundlage des § 30 Abs 17(bzw Abs 16) BVG erlassenen Versorgungsmedizin-VO vom 10.12.2008 (VersMedV, BGBl I 2412). Zwischenzeitlichen Bedenken an dieser Ermächtigung des Verordnungsgebers insbesondere zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen (vgl Dau jurisPR-SozR 24/2009 Anm 4) hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7.1.2015 (BGBl II 15) Rechnung getragen durch Schaffung einer nunmehr eigenständig in § 70 Abs 2 SGB IX angesiedelten Ermächtigungsgrundlage. Durch diese wird das BMAS seit 15.1.2015 ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage (vgl § 159 Abs 7 SGB IX; hierzu BT-Drucks 18/2953 und 18/3190 S 5).

17

Gemäß den Grundsätzen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche (Teil D Nr 1 Buchst b S 1 der Anlage zu § 2 VersMedV) ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (zur Anwendbarkeit der Grundsätze und zu normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen vgl zuletzt BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R RdNr 10 mwN; Loytved jurisPR-SozR 12/2015 Anm 3). Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (Loytved jurisPR-SozR 12/2015 Anm 3 mwN; anders bei Nachteilsausgleich aG, s Urteil des erkennenden Senats vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R RdNr 16 f). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - dh altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (Teil D Nr 1 Buchst b S 2 AnlVersMedV). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Teil D Nr 1 Buchst b S 3, 4 AnlVersMedV). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten darüber hinaus Teil D Nr 1 Buchst d, e und f AnlVersMedV. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind danach ua als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (Teil D Nr 1 Buchst d S 1). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (Teil D Nr 1 Buchst d S 3), die ebenfalls mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sind. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle (Teil D Nr 1 Buchst e) und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung (Teil D Nr 1 Buchst f), die grundsätzlich nur ab einem Behinderungsgrad von wenigsten 70 Merkzeichenrelevanz entfalten. Weder das eine noch das andere in Teil D Nr 1 AnlVersMedV konkret gelistete Krankheitsbild liegt - wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist - bei der Klägerin vor.

18

b) Psychische Störungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen, auch wenn sie Anfallsleiden oder Orientierungsstörungen nicht gleichzusetzen sind. Dies ergibt sich aus Folgendem:

19

Anspruch auf den Nachteilsausgleich G hat über die genannten Regelbeispiele hinausgehend auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke (vgl zur "Generalklausel" Löbner Sozialrecht aktuell 2015, 5, 8) dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Teil D Nr 1 AnlVersMedV enthält keine abschließende Listung in Betracht kommender Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen, sondern erfasst etwa auch psychische Behinderungen. Dies legt schon der - noch der gesetzlichen Altregelung in § 60 Abs 1 S 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF entsprechende - Wortlaut(Teil D Nr 1 Buchst b S 1 AnlVersMedV: "Einschränkung des Gehvermögens, auch durch…") nahe, der mit der Regelung in § 146 Abs 1 S 1 SGB IX trotz der zum 1.7.2001 eingefügten Klammer übereinstimmt ("Einschränkung des Gehvermögens (auch durch…)"; vgl BT-Drucks 14/5074 S 115). Zwar hat der erkennende Senat die inhaltgleiche Umschreibung der in Betracht kommenden Behinderungen in § 60 Abs 1 S 1 SchwbG aF in seiner Entscheidung vom 10.5.1994 als abschließend betrachtet und psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nicht mit "Anfällen" gleichzusetzen ist und nicht zu Störungen der Orientierungsfähigkeit führt, sondern nur zB mit Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen ohne Betroffenheit des Gehvermögens einhergeht, nicht in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erheblich beeinträchtigt angesehen (BSG Beschluss vom 10.5.1994 - 9 BVs 45/93). Zugrunde lag der Entscheidung die besondere Fallgestaltung einer starken Antriebsminderung, deretwegen es bei Spaziergängen in Begleitung des Ehemannes gelegentlich zu - überwindbaren - Bewegungsstopps kam.

20

Der Senat hat andererseits schon damals hervorgehoben, dass mit dem Kriterium des "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigten Personenkreises" in §§ 59, 60 SchwbG aG der Kreis der Begünstigten gegenüber den "erheblich gehbehinderten Körperbehinderten, Beschädigten und Verfolgten" iS des früheren § 2 Abs 1 Nr 2, 4 und 6, Abs 2 Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie anderen Behinderten vom 27.8.1965 (BGBl I 978; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfGE 39, 148) gerade erweitert werden und auf alle Schwerbehinderten ohne Rücksicht auf die Ursache ihrer Behinderung erstreckt werden sollte (BT-Drucks 8/2453 S 9, 10). Hiervon ausgehend hat er in seiner späteren Entscheidung vom 13.8.1997 die in Ziff 30 Abs 3 bis 5 der AHP 1983 (ebenso AHP 1996 oder auch zuletzt 2008) beschriebenen und Teil D Nr 1 Buchst d bis f AnlVersMedV entsprechenden Behinderungen und Krankheitsbilder in Parallele zur Vorgehensweise bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG (hierzu jetzt Teil D Nr 3 AnlVersMedV; Votum zu B 9 SB 2/14 R) als Regelfälle typisiert und diese Typisierung später bestätigt (BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 7/06 R - SozR 4-3250 § 146 Nr 1 RdNr 12). Bei diesen Regelfällen sind nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt anzusehen. Dort nicht erwähnte Behinderungen sind aber keineswegs ausgeschlossen.

21

Der umfassende Behindertenbegriff iS des § 2 Abs 1 S 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots(Art 3 Abs 3 S 2 GG; Art 5 Abs 2 UN-BRK, hierzu BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 31) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. Den nicht erwähnten Behinderungen sind die Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab zur Seite zu stellen. Anspruch auf Nachteilsausgleich G hat deshalb auch ein schwerbehinderter Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen als den in Teil D Nr 1 Buchst d bis f AnlVersMedV genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - SozR 3-3870 § 60 Nr 2). Dies gilt auch für psychosomatische oder psychische Behinderungen und Krankheitsbilder, wie das der Entscheidung vom 13.8.1997 ua zugrunde liegende Schmerzsyndrom oder das hier im Falle der Klägerin bestehende Fibromyalgie-Syndrom und die damit einhergehende Schmerzproblematik.

22

Schwerbehinderte Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen hat der Senat schon in der Vergangenheit von der Vergünstigung des Nachteilsausgleichs G nicht generell ausgeschlossen, sondern lediglich psychische Beeinträchtigungen, durch welche die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sein kann, ohne dass das Gehvermögen betroffen ist, auf eine Vergleichbarkeit mit den Regelfällen bei Anfällen und Störungen der Orientierungsfähigkeit beschränkt (BSG Beschluss vom 10.5.1994 - 9 BVs 45/93 - Juris; zu Schmerzattacken etwa Hessisches LSG Urteil vom 17.2.1998 - L 4 SB 1351/95 - Juris). Für psychische Beeinträchtigungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, gilt diese Beschränkung indessen nicht. In solchen Fällen sind auch andere Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab in Betracht zu ziehen (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.1.2014 - L 13 SB 51/12 - Juris RdNr 19; Vogl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, SGB IX § 146 RdNr 16; Masuch in Hauck/Noftz, Stand 4/15, SGB IX, § 146 RdNr 50).

23

Der Verordnungsgeber ist allerdings für künftige Fälle nicht daran gehindert, die Voraussetzungen des Merkzeichens G dadurch einzuschränken, dass er für Fälle psychischer Gehbehinderungen einen Einzel-GdB von zB 70 verlangt.

24

c) Durch die psychische Erkrankung liegen bei der Klägerin gleich schwere Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke vor wie bei dem in Teil D Nr 1 Buchst d AnlVersMedV beispielhaft aufgeführten Personenkreis.

25

Entsprechend der vom Gesetz geforderten doppelten Kausalität (s oben II.2.) ist Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen und diese Behinderung schränkt sein Gehvermögen ein (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 7/06 R - SozR 4-3250 § 146 Nr 1 RdNr 12). Nach den Feststellungen des LSG steht fest, dass die Klägerin wegen ihrer psychischen Behinderung durch das Fibromyalgie-Syndrom, die somatoforme Störung und Schmerzproblematik schwerbehindert ist, die psychische Behinderung sich unmittelbar auf das Gehvermögen auswirkt, und die Klägerin deswegen eine im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückzulegende Wegstrecke von etwa zwei Kilometern in 30 Minuten nicht zurücklegen kann. Der Beklagte hat gegen die bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben.

26

Soweit der Beklagte meint, die Einschränkung der Gehstrecke beruhe bei der Klägerin allein auf einer subjektiven Prognose, ist eine Überschreitung der Grenzen der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG; vgl dazu BSGE 94, 133, 137 RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/11 R - Juris RdNr 20) auch nicht sinngemäß dargetan. Weder zeigt der Beklagte auf noch ist sonst ersichtlich, dass ein (medizinischer) Erfahrungssatz zu psychischen Gangstörungen oder in Bezug auf die Messung der relevanten Wegstrecke (hierzu die Äußerung des Sachverständigenbeirats, zitiert nach Schillings/Wendler Versorgungsmedizinische Grundsätze, 6. Aufl S 346) existiert, mit dem die Beweiswürdigung des LSG nicht in Einklang steht. Im Übrigen hat sich das LSG mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen der eingeholten Sachverständigengutachten auseinandergesetzt und sich frei von Denkfehlern überzeugt, dass das vom Sachverständigen Dr. Brodersen herausgefilterte subjektive Gefühl der Klägerin, nicht mehr als 400 m laufen zu können, Ausdruck ihrer unstreitig schweren psychischen Beeinträchtigung ist und deshalb in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. Schwinning nicht vor dem Hintergrund einer organisch bedingten Gehstörung betrachtet werden könne.

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der im Jahr 1951 geborene Kläger erhält vom beklagten Rentenversicherungsträger seit November 2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sowie aufgrund eines erneuten Rentenantrags vom 25.11.2008 seit November 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er begehrt einen früheren Beginn der zuletzt genannten Rente, weil eine entsprechende Einschränkung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit jedenfalls bereits im Jahr 2007 eingetreten sei. Das Bayerische LSG hat im Urteil vom 11.11.2015 einen Anspruch des Klägers auf einen früheren Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint. Es stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch bis Oktober 2009 in der Lage gewesen sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens sechs Stunden täglich mit gewissen qualitativen Einschränkungen erwerbstätig zu sein.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil in erster Linie Verfahrensmängel sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 7.4.2016 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat weder einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet noch die grundsätzliche Bedeutung formgerecht dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG)und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

5

Das Vorbringen des Klägers wird den genannten Anforderungen nicht gerecht:

6

1. Der Kläger rügt zunächst eine Verletzung der Denkgesetze bzw der Logik durch das "Landgericht". Auch wenn davon auszugehen ist, dass er das LSG meint, ist dieser Angriff auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kraft gesetzlicher Anordnung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG)von vornherein ausgeschlossen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 534; s auch BSG Beschluss vom 14.4.2015 - B 13 R 29/15 B - JurionRS 2015, 15333 RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 17.7.2015 - B 11 AL 32/15 B - Juris RdNr 10). Die gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht zusätzlich als eine Verletzung des Rechtssicherheitsgebots, des Willkürverbots und des Gleichheitssatzes bezeichnet wird.

7

2. Weiterhin macht der Kläger in vielfältiger Weise eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) geltend.

8

a) Eine Gehörsverletzung sieht er zunächst darin begründet, dass das LSG die Feststellungen im Gutachten des Dr. U. zu einer Arbeitsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden "zwar erwähnt, aber im völlig gegenteiligen Sinne berücksichtigt" habe. Die damit verbundene Behauptung, das LSG habe den von ihm vorgetragenen tatsächlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung beigemessen, vermag jedoch schon im Ansatz keinen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG zu begründen (stRspr des BVerfG, zB BVerfG Beschluss vom 11.9.2015 - 2 BvR 1586/15 - Juris RdNr 4 mwN).

9

b) Als Überraschungsentscheidung rügt der Kläger, dass das LSG der für ihn günstigen Beurteilung des vom SG in einem vorangegangenen Verfahren nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. I. nicht gefolgt sei, obwohl das habe erwartet werden dürfen; dies enthalte zudem eine willkürliche Sachverhaltsveränderung zu seinen Lasten. Soweit der Kläger damit erneut die Beweiswürdigung des LSG angreift, ist das - wie oben bereits ausgeführt - im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich. Soweit er jedoch mit diesem Vortrag gerade auf das Überraschungsmoment der Entscheidung des LSG abstellt, hat er eine Gehörsverletzung nicht schlüssig und nachvollziehbar dargetan. Von einer Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl zB BVerfG Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 RdNr 18 mwN). Die Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt. Daran fehlt es hier. Der Kläger beruft sich lediglich pauschal darauf, er sei von der Beweiswürdigung des LSG überrascht worden, weil eine ihm günstigere Entscheidung "im Raum stand bzw. erwartet werden durfte". Dass das Gutachten des Dr. I. weder in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch im Verfahren zuvor - etwa im erstinstanzlichen Urteil - so gewürdigt worden wäre, wie es später im Urteil des LSG geschehen ist, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

10

c) Als weitere Gehörsverletzung beanstandet der Kläger, dass im LSG-Urteil weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erörtert worden seien, obwohl der Gutachter Dr. I. diese Aspekte klar angesprochen habe, indem er auf S 30 seines Gutachtens auf den Nachweis eines Rotatorenmanschettenschadens und einer Bizepssehnenruptur auf der rechten Seite hingewiesen habe. Dieser Vortrag ist nicht schlüssig. Rechtliches Gehör ist den Beteiligten des Verfahrens zu gewähren; ein Sachverständiger als Gehilfe des Gerichts gehört nicht dazu (vgl § 69 SGG). Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass er selbst gegenüber dem LSG als zentrales Vorbringen zur Stützung seines Anspruchs auch das Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen geltend gemacht habe.

11

d) Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung und einen Verstoß gegen das Willkürverbot auch darin sieht, dass das LSG eine "gewaltsame Veränderung des Sachverhalts" vorgenommen habe, indem es angenommen habe, es sei ihm - dem Kläger - noch möglich gewesen, zumindest leichte Gegenstände zu sortieren, greift er wiederum die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an (s oben unter 1.).

12

e) Seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sieht der Kläger zudem im Hinblick auf "die fehlende Berücksichtigung der Schulterfehlbildung des Klägers links, Os acromiale" verletzt. Das LSG habe diese anatomische Variante nicht berücksichtigt und deshalb ein höheres Leistungsvermögen des Klägers angenommen, als es tatsächlich vorgelegen habe, zumal dieser zu einer extremen Untertreibung seiner Beeinträchtigungen neige. Auch damit ist eine Gehörsverletzung nicht in schlüssiger Weise dargetan. Denn der Kläger zeigt nicht auf, dass diese Fehlbildung der linken Schulter zu seinem zentralen Vorbringen gehörte, auf welches das LSG in seinem Urteil jedenfalls hätte eingehen müssen. Das ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Vortrag, es sei bereits in der Klagebegründung vom 11.1.2012 dargelegt worden, dass der Kläger die linke Hand nur als Hilfshand benutzen könne. Außerdem wird aus der Beschwerdebegründung nicht ersichtlich, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Nichterwähnung dieser anatomischen Variante beruhen kann. Für die Beurteilung der verbliebenen Erwerbsfähigkeit sind nicht einzelne Diagnosen oder anatomische Gegebenheiten als solche, sondern lediglich deren feststellbare funktionale Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit von Bedeutung.

13

f) Wenn der Kläger schließlich eine weitere Gehörsverletzung darin sieht, dass das LSG zwischenzeitlich neu hinzugekommene Befunde, die der Sachverständige Dr. B. in einer ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten vom 18.8.2009 im März 2010 beschrieb, seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt habe, verkennt er erneut den Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Art 103 Abs 1 GG gewährt keinen Anspruch auf eine "richtige" Entscheidung (BVerfG Beschluss vom 31.3.2016 - 2 BvR 1576/13 - Juris RdNr 71).

14

3. Eine Verletzung der Verpflichtung des LSG zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) hat der Kläger ebenfalls nicht formgerecht bezeichnet.

15

a) Soweit er "höchst hilfsweise" rügt, das LSG hätte "unbedingt klären müssen und sich hierzu aufgerufen sehen müssen, von welchem Zeitpunkt gegebenenfalls Herr Dr. U. seine Feststellungen treffen wollte" (Beschwerdebegründung S 4 unten), fehlt es an der gemäß § 160a Abs 2 Nr 3 Teils 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG erforderlichen Bezeichnung eines Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist.

16

b) Entsprechendes gilt für die Beanstandung, das LSG habe keine zusätzliche neurologische Untersuchung veranlasst (Beschwerdebegründung S 7 unten).

17

4. Soweit der Kläger eine "Verkennung der Rechtslage" durch das LSG rügt (Beschwerdebegründung S 11), hat er keinen nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG relevanten Revisionszulassungsgrund bezeichnet.

18

5. Den Vorwurf, das LSG habe die Grundsätze eines fairen Verfahrens verletzt (Beschwerdebegründung S 12), hat der Kläger nicht in nachvollziehbarer Weise erläutert. Es wird aus seiner Darstellung nicht ersichtlich, weshalb es unfair und entscheidungserheblich gewesen sein könnte, dass das LSG seinem ursprünglichen Vorbringen im Berufungsverfahren, es sei schon vor 2007 - nämlich bereits im Jahr 2004 - eine zur vollen Erwerbsminderung führende Verschlechterung seines Gesundheitszustands eingetreten, entgegengehalten hat, dass er selbst im erneuten Rentenantrag vom 25.11.2008 und nochmals im Mai 2010 einen Verschlimmerungszeitpunkt erst im September 2007 geltend gemacht habe.

19

6. Soweit der Kläger seine Verfahrensrügen ergänzend auf "Art 2 I GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des staatlichen Verfahrens (BVerfG Beschluss vom 03.10.1979, 1 BvR 726/78, so wie Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.04.1981, 1 BvR 159/80, BVerfGE 57, 117, 120)" stützt (Beschwerdebegründung S 16 unten), hat er damit keine weiteren Umstände aufgezeigt, aus denen sich Mängel des zweitinstanzlichen Verfahrens ergeben könnten.

20

7. Wenn der Kläger schließlich vorträgt, die Zulassung der Revision sei auch als Grundsatzrevision durchzuführen, denn "die Summe der Veränderungen des Sachverhalts die vom Gericht ist so umfangreich und gravierend, dass die hier gezeigte Praxis den Fall als deutlich über den Einzelfall hinausgehend bedeutsam erscheinen lässt und zwar angesichts der entsprechenden Veränderungen in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht", so ist damit keine klärungsbedürftige abstrakt-generelle Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu einer konkret bezeichneten Norm des Bundesrechts aufgezeigt.

21

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

22

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Streitig ist im Rahmen eines sog Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sowie die Zuerkennung von Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vH bzw einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 70.

2

Der 1934 geborene Kläger war von Dezember 1958 bis Dezember 1964 in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert. Nach Abschluss seines Medizinstudiums im Jahre 1966 und seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1968 erkannte das Versorgungsamt Berlin mit Bescheid vom 6.1.1970 eine Narbe unterhalb der rechten Kniescheibe sowie eine fibrotische Leberreststörung nach Gelbsucht als Schädigungsfolgen iS des § 4 Häftlingshilfegesetz an. Die Gewährung einer Rente wurde abgelehnt, weil die Schädigungsfolgen eine MdE von mindestens 25 vH nicht bedingten. Im Mai 1979 stellte der Kläger - insbesondere wegen Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden - einen Verschlimmerungsantrag, der zunächst keinen Erfolg hatte (Bescheid des Versorgungsamts Karlsruhe vom 24.11.1980, Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Baden-Württemberg vom 22.7.1981, Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.7.1984). Während des anschließenden - zeitweise ruhenden - Berufungsverfahrens beantragte der Kläger die Anerkennung psychischer Haftschäden. Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 9.4.1986 ab. Durch Bescheid vom 30.6.1987 wurden - in Ausführung eines Teilvergleichs - degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule als zusätzliche Schädigungsfolgen anerkannt. Schließlich verurteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg durch Urteil vom 12.10.1992, berichtigt durch Beschluss vom 29.10.1992, beim Kläger als weitere Schädigungsfolge eine erlebnisreaktive Verstimmung anzuerkennen und diesem ab 1.10.1984 Versorgungsrente nach einer MdE um 30 vH zu gewähren. Im Übrigen wies es die Berufung des Klägers zurück und die Klage ab.

3

Dieses Urteil führte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 24.11.1992 aus. Die dagegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück.

4

           

Mit Bescheid vom 29.7.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.1999 lehnte das Versorgungsamt Freiburg die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab, weil dessen Voraussetzungen hinsichtlich des Bescheides vom 24.11.1992 nicht gegeben seien. Das Sozialgericht Konstanz (SG) hat durch Urteil vom 18.12.2007 die Klage abgewiesen. Vor dem LSG hat der Kläger ua beantragt,

        

das Urteil des SG Konstanz vom 18.12.2007 und den Bescheid des Versorgungsamts Freiburg - Außenstelle Radolfzell - vom 29.7.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamts Baden-Württemberg vom 17.11.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid des Versorgungsamts Karlsruhe vom 24.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamts Baden-Württemberg vom 18.10.1993 zurückzunehmen, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Persönlichkeitsänderung, somatoforme Beschwerden, einen Knieschaden sowie ein Lendenwirbelsäulenleiden als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und ihm Beschädigtenrente nach einer MdE um 70 vH bzw einem GdS von 70 zu gewähren,
hilfsweise von Amts wegen, höchst hilfsweise gemäß § 109 SGG, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. F. zu der Frage einzuholen, welche Gesundheitsstörungen von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Gebiets vorliegen und ob diese im Zusammenhang mit der DDR-Haft stehen.

5

Durch Urteil vom 11.11.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Es gehe allein um die Frage, ob mit Bescheid vom 29.7.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.1999 zu Recht der Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 24.11.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.1993 nach § 44 SGB X abgelehnt worden sei, denn allein darüber sei im angefochtenen Bescheid entschieden worden. Zwar habe der Bescheid vom 24.11.1992 keine eigenständige Regelung getroffen, weil mit ihm lediglich das Urteil des LSG vom 12.10.1992 ausgeführt worden sei. Das stehe dem Überprüfungsbegehren nach § 44 SGB X aber nicht entgegen, weil es für den Rechtsschutz des Bürgers keinen Unterschied mache, ob die unrichtige Entscheidung von einem Gericht oder der Verwaltung getroffen worden sei.

6

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 24.11.1992 und demgemäß auch nicht auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung höher Beschädigtenrente. Entgegen der Auffassung des Klägers liege keine auf die Haft zurückzuführende PTBS vor. Zur Beurteilung der Frage, ob beim Kläger eine PTBS vorliege, sei die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) und das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-IV-TR) zu berücksichtigen. Nach den - im Einzelnen wiedergegebenen - Schilderungen der Haftumstände durch den Kläger gegenüber den ärztlichen Gutachtern habe der Kläger zwar keine Situation erlebt, die mit der Androhung des Todes oder einer schweren Verletzung zu tun gehabt hätte. Aber bei den Geschehnissen im Zusammenhang mit einer Isolierhaft im Winter 1961/62 habe es sich um eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers gehandelt. Ob der Kläger auf dieses Hafterlebnis mit intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagiert habe, lasse der Senat dahingestellt. Denn der Kläger habe nicht von anhaltendem Wiedererleben der Hafterlebnisse in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen, quälenden Träumen, Erleben von dissoziativen Zuständen oder intensiver psychischer Belastung bei Konfrontationen mit ähnlichen Ereignissen oder Erinnerungen berichtet.

7

Gegen das Vorliegen einer PTBS spreche ferner nach Überzeugung des Senats der Umstand, dass zwischen der Beendigung der Haft im Jahre 1964 und dem erstmaligen Auftreten der über eine erlebnisreaktive Verstimmung hinausgehenden Störung im Jahre 1982 rund 18 Jahre ohne Hinweise auf mit den Hafterlebnissen in Zusammenhang zu bringende seelische Gesundheitsstörungen lägen. Zwar sehe der Senat, dass sich nach der ICD-10 und dem DSM-IV-TR die Ausbildung der Symptome auch über Jahre verzögern könne. In solchen Fällen sei aber die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen. Solche eindeutigen Befunde seien nach Einschätzung des Senats weder aktenkundig noch durch die Gutachten belegt. Würde man gänzlich auf eine Brückensymptomatik verzichten, wäre kaum noch abgrenzbar, unter welchen Voraussetzungen eine seelische Erkrankung haftbedingt oder nicht haftbedingt sei. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträgen auf die Einholung weiterer Gutachten sei nicht stattzugeben. Der Senat vermöge keine Notwendigkeit zu erkennen, weitere Gutachten von Amts wegen einzuholen, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend geklärt sei.

8

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels begründet.

9

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 11.11.2009 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG)ergangen. Dieser vom Kläger schlüssig gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

10

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es entgegen dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des LSG aufrechterhaltenen Beweisantrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zu der Frage, welche Gesundheitsstörungen von Seiten dieses Fachgebiets bei dem Kläger vorliegen und ob diese im Zusammenhang mit seiner DDR-Haft stehen, ohne hinreichende Begründung nicht entsprochen hat. Die Wendung "ohne hinreichende Begründung" in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist nicht formell, sondern materiell iS von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen(BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Es kommt darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben. Die Amtsermittlungspflicht ist verletzt, wenn Tatsachen, die nach der rechtlichen Sicht des LSG entscheidungserheblich waren, offen geblieben sind, weil die notwendigen Feststellungen überhaupt fehlen oder weil sie nicht prozessordnungsgemäß zustande gekommen sind.

11

Das Fehlen notwendiger Feststellungen behauptet der Kläger hier mit Recht. Er macht geltend, dass er wegen der in den Jahren 1958 bis 1964 in der DDR erlittenen rechtsstaatswidrigen Inhaftierung nicht nur an einer mit einem GdS von 30 bewerteten erlebnisreaktiven Verstimmung leide, sondern bei ihm ua eine mit einem höheren GdS zu bewertende PTBS bestehe. Im sozialgerichtlichen und im landessozialgerichtlichen Verfahren waren zu dieser Frage - jeweils nach § 109 SGG - neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Dipl. Psych. J. vom 20.6.2007 sowie des Prof. Dr. E. vom 3.11.2008 eingeholt worden, die zu unterschiedlichen Beurteilungen gelangt sind. Während Dr. J. das Bestehen einer PTBS angenommen hat, hat Prof. Dr. E. deren Existenz verneint. Der Kläger hat vor der mündlichen Verhandlung des LSG geltend gemacht, das Gutachten des Prof. Dr. E. sei fehlerhaft und berücksichtige nicht die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur häufig jahrzehntelangen Beschwerdelatenz .

12

Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung des Klägers und zur Ablehnung des Beweisantrages ausgeführt, es verlange für die Anerkennung einer PTBS als durch die DDR-Haft wahrscheinlich verursachter dauerhafter Gesundheitsstörung das Vorliegen - hier nicht gegebener - zeitnaher Brückensymptome, weil andernfalls eine Abgrenzung zu wesentlich durch nicht haftbedingte Umstände verursachten psychischen Störungen nicht möglich sei. Entgegen der Ansicht des Klägers gebe es keine neuen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass in diesem Zusammenhang auf eine Brückensymptomatik verzichtet werden könne. Dabei hat das LSG nicht erläutert, woher es die Überzeugung, es gebe keine entsprechenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, gewonnen hat.

13

Da das LSG selbst nicht über die medizinische Sachkunde, die die Feststellung des Nichtbestehens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse erlaubt hätte (s allgemein Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 7b mwN) verfügt und auch nicht offengelegt hat, aufgrund welcher Erkenntnisquelle es die Überzeugung von dem Nichtbestehen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnen hat (BSG SozR 1500 § 128 Nr 31), hätte es sich letztlich schon von Amts wegen, jedenfalls aber aufgrund des vom Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrages, zu einer entsprechenden Aufklärung und Feststellung des Sachverhalts gedrängt fühlen müssen.

14

Soweit der Kläger als von Amts wegen zu hörenden Sachverständigen Prof. Dr. F. benannt hat, handelte es sich ersichtlich lediglich um einen das Gericht nicht bindenden Auswahlvorschlag (s dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 118 RdNr 11c mwN). Dem Kläger war, wie die Formulierung des Hilfsantrages unterstreicht, der Unterschied zwischen Beweisanträgen nach § 106 SGG einerseits und § 109 SGG andererseits bekannt. Es ist daher anzunehmen, dass der auf § 106 SGG gestützte Antrag in erster Linie auf die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen durch das LSG selbst zielte und die Benennung des Prof. Dr. F. insoweit nur einen Auswahlvorschlag darstellte. Auch hinsichtlich des Beweisthemas musste dem LSG klar sein, dass es in erster Linie um die Frage des Bestehens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur (fehlenden) Notwendigkeit zeitnaher Brückensymptome ging. Der Kläger hatte in seinen vorterminlichen Schriftsätzen auch als Stellungnahme zum Gutachten des Prof. Dr. E. auf diese Frage hingewiesen. Zudem ist sie durch das allgemein formulierte Beweisthema, "welche Gesundheitsstörungen von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Gebiets vorliegen und ob diese im Zusammenhang mit der DDR-Haft stehen" schon deswegen umfasst, weil ein medizinischer Sachverständiger seine Beurteilung selbstverständlich auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse seines Fachgebietes abzugeben hat (zur ggf notwendigen Beweisaufnahme über den aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse s BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 21).

15

Die unterlassene Beweisaufnahme wird das LSG im nunmehr wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Dazu weist der erkennende Senat auf Folgendes hin:

Das LSG hat zutreffend § 44 SGB X für anwendbar gehalten. Allerdings ist fraglich, ob Gegenstand des Verfahrens nach § 44 SGB X entsprechend dem zuletzt vom Kläger gestellten Antrag der Ausführungsbescheid vom 24.11.1992 sein kann. Es wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass ein reiner Ausführungsbescheid, also ein Bescheid, der ausschließlich einen Urteilsausspruch umsetzt, keine eigenständige Regelung treffe und deshalb auch nicht anfechtbar sei (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 30 mwN). Hiervon ausgehend dürfte ein Ausführungsbescheid auch nicht gemäß § 44 SGB X überprüfbar sein. Indes entspricht es allgemeiner Auffassung, dass ein ablehnender Bescheid, der durch gerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, der Überprüfung nach § 44 SGB X zugänglich ist(Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand 1.1.2009, § 44 SGB X RdNr 5 mwN). Bei richtiger Betrachtung liegt im vorliegenden Verfahren eine ähnliche Sachlage vor. Der Kläger ist nicht durch den Ausführungsbescheid vom 24.11.1992 beschwert. Vielmehr steht der Anerkennung weiterer, über den Ausführungsbescheid hinausgehender Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und der Zahlung einer Rente nach einem GdS von mehr als 30 der ablehnende Bescheid vom 24.11.1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.1981 und der Bescheide vom 9.4.1986 und 30.6.1987 entgegen. Dieser Verwaltungsakt ist durch das Urteil des LSG vom 12.10.1992 teilweise bestätigt worden (Zurückweisung der Berufung im Übrigen und Klageabweisung). Er ist damit bei sachdienlicher Fassung des klägerischen Antrages (s § 106 Abs 1 SGG) Gegenstand der Überprüfung nach § 44 SGB X.

16

Vor einer weiteren medizinischen Beweiserhebung könnte es sinnvoll sein, den (nicht medizinischen) Sachverhalt soweit wie möglich zu ermitteln und dem zu ernennenden Sachverständigen entsprechende tatrichterliche Vorgaben zu machen, auf deren Grundlage dieser seine Diagnose zu stellen und die Beurteilung zur Kausalität abzugeben hat. Solche Vorgaben sollten insbesondere erfolgen hinsichtlich der Umstände (Belastungen) während der DDR-Haft des Klägers sowie hinsichtlich der Persönlichkeit und der sonstigen relevanten Verhältnisse des Klägers vor und nach der Haft.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 2.2.2017 hat das LSG das Urteil des SG vom 4.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin noch die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen zur Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab dem 7.4.2014 im Wesentlichen aufgrund einer Persönlichkeitsstörung und depressiven Erkrankung begehrte. Zwar seien psychische Erkrankungen nicht generell geeignet, die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" auszulösen, aber soweit diese Erkrankungen mit Angst vor der Öffentlichkeit, vor Menschenansammlungen oder Ähnlichem wie zB großen offenen Plätzen im öffentlichen Raum einhergehen würden, kämen sie als Grundlage des Merkzeichens "RF" in Betracht. Allerdings müsse es sich in diesen Fällen um eine außergewöhnliche, atypische Konstellation handeln. Der Senat sei jedoch nicht davon überzeugt, dass der Klägerin tatsächlich nur noch die Besuche beim Arzt und der Einzeltherapie sowie das Einkaufen möglich seien. Ebenso sei der Senat nicht davon überzeugt, dass bei ihr eine psychische Erkrankung vorliege, die mit erheblicher Angst vor der Öffentlichkeit bzw größeren Menschengruppen oder vor großen offenen Bereichen wie Plätzen oder Straßen (vgl F40.0, F40.1, F41.0 ff oder ggf F60.6 ICD-10 GM) einhergehe. Insbesondere aus dem Entlassungsbericht der Tagesklinik O. vom 23.7.2014 ergebe sich keine Unfähigkeit, Veranstaltungen mit anderen Menschen zu besuchen. Entsprechend seien in dem Bericht auch keine Angsterkrankungen und auch keine Erkrankungen mit einer Angstkomponente diagnostiziert. Dies gelte auch für die kombinierte Persönlichkeitsstörung nach F61 ICD-10 GM, bei der es sich um eine Persönlichkeitsstörung mit Merkmalen aus verschiedenen der unter F60 aufgeführten Störungen handele, jedoch ohne ein vorherrschendes Symptombild. Im Entlassungsbericht der S. tal-Klinik vom 20.1.2016 werde die Klägerin als bewusstseinsklar, allseits orientiert, mit intakter Auffassungsgabe, gehobener Stimmung, fluktuierendem Antrieb, als "im Verhalten sicher", als "gewandt", sicher, vertrauensvoll und kooperativ im Kontakt beschrieben.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend gemacht.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist(vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um ihrer Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdeführerin mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderung genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

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Die Klägerin hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Muss es sich bei psychischen Erkrankungen als Leiden im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV stets um Angsterkrankungen oder solche Angsterkrankungen handeln, die einen direkten Bezug zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aufweisen, wie etwa Erkrankungen mit den ICD-10-Dioagnoseschlüsseln F40.0, F40.1, F41.0 oder F60.6?"

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Zur Begründung dieser Rechtsfrage verweist die Klägerin darauf, dass sich diese weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung und auch nicht aus der Literatur beantworten lasse. Es gehe um die Auslegung der revisiblen Vorschrift des § 4 Abs 2 Nr 3 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) iVm § 69 Abs 4 SGB IX und § 3 Abs 1 Nr 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV). Der Wortlaut dieser Vorschrift spreche allgemein nur von Leiden. Unabhängig davon, ob man diesem Begriff die Bedeutung von Krankheit, Funktionsbeeinträchtigung oder Behinderung beimesse, werde schon nach dem Wortlaut nicht zwischen psychischem oder somatischem Leiden differenziert. Somit ergebe sich auch keine weitere Differenzierung innerhalb der Gruppe psychischer Krankheiten danach, ob es sich um eine bestimmte Angsterkrankung handeln müsse.

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Soweit die von der Klägerin aufgeworfene Frage auf die Klärung eines allgemeinen Erfahrungssatzes bei der Bewertung eines Leidens gerichtet sein sollte, welches einen Antragsteller ständig daran hindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können, handelt es sich von vornherein nicht um eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann. Nicht dazu gehören Fragen, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze bzw wissenschaftliche Erkenntnisse betreffen, die sich auf die Feststellung und Würdigung von Tatsachen beziehen (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9). In rechtlicher Hinsicht kann sich die Frage zwar auf die Auslegung und Anwendung von § 4 Abs 2 Nr 3 RBStV in der seit dem 1.1.2013 gültigen Fassung (vgl GBl Baden-Württemberg 2011 S 477 ff) iVm § 69 Abs 4 SGB IX und § 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV beziehen. Dabei wird im Grunde danach gefragt, ob bei der Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nur bestimmte Angsterkrankungen als psychische Leiden in Betracht kommen, die einen direkten Bezug zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aufweisen. Insoweit ist die Frage jedoch einerseits entgegen der Auffassung der Klägerin durch die Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt und richtet sich andererseits gegen die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit sie gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

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Zu Recht setzt sich die Klägerin mit der Rechtsprechung des BSG zu den Modalitäten bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auseinander (vgl Urteile vom 11.9.1991 - 9a/9 RVs 15/89 - SozR 3-3870 § 4 Nr 2; vom 12.2.1997 - 9 RVs 2/96 - SozR 3-3870 § 4 Nr 17; vom 28.6.2000 - B 9 SB 2/00 R - SozR 3-3870 § 4 Nr 26 und vom 16.2.2012 - B 9 SB 2/11 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 14) und weist selbst darauf hin, dass nach dieser Rechtsprechung das Merkzeichen "RF" auch demjenigen zuzuerkennen ist, der wegen einer psychischen Störung ständig an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann. Allerdings unterscheide das BSG in seiner Rechtsprechung nicht innerhalb verschiedener psychischer Erkrankungen, sodass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht ausdrücklich geklärt sei. Vielmehr sei die Entscheidung in beide Richtungen - positive und negative Beantwortung - der Rechtsfrage interpretierbar. Mit diesen Ausführungen legt die Klägerin jedoch nicht hinreichend dar, inwieweit zu der von ihr aufgeworfenen rechtlichen Problematik ggf vor dem Hintergrund der og Rechtsprechung eine weitere (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit einer möglichen Rechtsfrage bestehen könnte. Denn eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Schließlich ist es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin selbst ein Rechtsfrage zu formulieren, der möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Das BSG hat sich - gestützt auf die oben bezeichnete und von der Klägerin selbst angeführte Rechtsprechung zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" bereits dahingehend geäußert, dass der Nachteilsausgleich "RF" auch demjenigen zuzuerkennen ist, der wegen einer psychischen Störungen ständig an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 26). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann das Merkzeichen "RF" auch einem Menschen mit Behinderung bei einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 80 zuerkannt werden, wenn ein gesundheitlich bedingter Härtefall vorliegt. Ein solcher kann gegeben sein, wenn diese Person wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 14). Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, wieso damit nicht geklärt ist, dass grundsätzlich psychische Störungen zur Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" führen können, wenn der Betroffene ständig gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Unter Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung hätte die Klägerin also darüber hinausgehenden Klärungsbedarf darlegen müssen, ferner welche weiteren Leiden bezogen auf ihren Fall zu subsumieren wären, mithin die Klärungsfähigkeit näher erörtern müssen. Bezogen auf die bei ihr vorliegenden psychischen Störungen kommt es allein auf die Frage des Ausmaßes der gesundheitlichen Beeinträchtigungen an, die die Klägerin ständig daran hindern könnten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Hinsichtlich dieser Feststellungen kommt es allerdings auf die individuelle Lage des Behinderten an, welche der Beweiserhebung und Beweiswürdigung durch die Tatsachengerichte obliegen (vgl BSG Urteil vom 10.8.1993 - 9/9a RVs 7/91 - SozR 3-3870 § 48 Nr 2 S 5, RdNr 16 und 17 nach Juris). Die Feststellungen des LSG, dass die Klägerin nicht wegen ihrer Leiden ständig nicht in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, weil bei ihr keine psychische Erkrankung vorliege, die mit erheblicher Angst vor der Öffentlichkeit bzw mit größeren Menschengruppen oder vor großen offenen Bereichen wie Plätzen oder Straßen einhergehe, hat die Klägerin nicht angegriffen.

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2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

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Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel ausschließlich einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK) in Form einer Überraschungsentscheidung. Eine Gehörsverletzung hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend dargelegt. Mit ihrer Beschwerdebegründung rügt die Klägerin, das LSG sei in der Urteilsbegründung überraschend von einem Rechtssatz ausgegangen, der an keiner Stelle in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten werde. Vor diesem Hintergrund habe auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht mit diesem Gesichtspunkt zu rechnen brauchen, sodass das Gebot des fairen Verfahrens verletzt sei und ein richterlicher Hinweis vorab erforderlich gewesen wäre. Dies gelte umso mehr als mit der dargelegten Auffassung des LSG auch eine medizinisch-psychiatrische Expertise verbunden sei, ohne dass das Gericht mitgeteilt habe, woher es die Sachkunde nehme, nach der nur bestimmte Angsterkrankungen Grundlage des Merkzeichens "RF" sein könnten. Auf diesem Mangel beruhe auch die Entscheidung des LSG, da andernfalls die Möglichkeit bestanden hätte, mit einem entsprechenden Gegenvortrag das Berufungsgericht von seiner Auffassung abzubringen oder entsprechende anderslautende Befundberichte und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Klägerin einzuholen und vorzulegen oder aber einen ordnungsgemäßen Beweisantrag zum Thema der Eignung psychischer Krankheiten im Allgemeinen bzw der Persönlichkeitsstörung der Klägerin im Speziellen für ein Leiden iS des § 4 Abs 2 Nr 3 RBStV zu stellen. Diese Ausführungen reichen für eine erforderliche Darlegung der Gehörsverletzung jedoch nicht aus, da eine solche nur vorliegt, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Hierfür trägt die Beschwerdebegründung indessen nicht ausreichend vor.

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Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass das Gericht seine Bewertung der psychischen Störungen bei der Klägerin vorher hätte mitteilen müssen, bezeichnet keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Ausführungen bestimmter medizinischer Sachverständiger oder der Beteiligten zu folgen, sondern entscheidet in freier Würdigung der erhobenen Beweise (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Die Beschwerdebegründung beanstandet, dass das Berufungsgericht bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" die erhobenen Beweise in der Weise gewürdigt habe, dass die bei der Klägerin bestehende psychische Erkrankung nicht mit einer erheblichen Angst vor der Öffentlichkeit bzw größeren Menschengruppen oder vor großen offenen Bereichen wie Plätzen oder Straßen einhergehe und sie deshalb wegen ihrer Leiden nicht ständig außer Stande sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Damit legt die Beschwerdebegründung keine unvorhersehbare Anmaßung eigener Sachkunde des Gerichts dar, sondern wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LSG als dessen ureigenste tatrichterliche Aufgabe. Das LSG hat nach den Ausführungen der Beschwerdebegründung das getan, was seine Aufgabe ist, nämlich von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der vorliegenden medizinischen Tatsachen vorzunehmen und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen selbst zu beurteilen. Mit einer solchen richterlichen Vorgehensweise mussten die Beteiligten rechnen, insbesondere auch angesichts der Argumentation des Beklagten und den Stellungnahmen dessen ärztlichen Dienstes.

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Auch eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG(vgl BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 37/07 B) als Ausgangspunkt für die gerügte Überraschungsentscheidung und Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Ein Beteiligter kann mit seiner Beschwerde diesbezüglich nur durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 11d mwN). Weshalb die Klägerin hieran gehindert gewesen sein sollte, legt sie nicht hinreichend dar. Hierzu hätte die Klägerin - wie oben ausgeführt - ebenfalls vorbringen müssen, dass sie unter keinen Umständen mit der vom LSG getroffenen Sachentscheidung habe rechnen können. Es besteht nämlich insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie der Klägerin - weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG Beschlüsse vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93 - HVBG-Info 1994, 209; vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 und vom 17.2.1999 - B 2 U 141/98 B - HVBG-Info 1999, 3700; BVerfGE 66, 116, 147; 74, 1, 5; 86, 133, 145). Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Ein derartiger Vortrag der Klägerin, dass sie unter keinen Umständen mit der vom LSG getroffenen Entscheidung habe rechnen können, wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als in einem tatsachengerichtlichen Verfahren, in dem aus den Angaben von mehreren ärztlichen Behandlern und des versorgungsärztlichen Dienstes unterschiedliche Bewertungen für die Gesamteinschätzung der Behinderungen abgeleitet und zwischen den Beteiligten streitig erörtert werden, jeder Beteiligte, also auch die Klägerin, damit rechnen muss, dass das Gericht auch zu ihren Ungunsten entscheiden kann. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, inwiefern sie in der mündlichen Verhandlung des LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35). Insoweit fehlt es an Ausführungen dazu, welchen konkreten Gegenvortrag oder welche Stellungnahmen der behandelnden Ärzte oder Beweisanträge mit welchem Thema erfolgt wären, sofern die Klägerin vorab von der Beweiswürdigung des LSG Kenntnis erlangt hätte.

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.