Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. August 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die 1934 geborene Klägerin, die seit Januar 2014 - wie auch bis Februar 2008 - unter Betreuung steht, erhielt seit 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die gegen die Pfändung ihrer Sparguthaben durch vom Beklagten erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gerichtete Klage wies das Sozialgericht Landshut (SG) ab (Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 1.8.2012). Die am 1.10.2012 an die Anschrift "G straße, L." verfügte Zustellung des Urteils war erfolglos; die Zustellungsurkunde kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurück. Auf Anfrage des SG teilte das Einwohnermeldeamt als alleinige Wohnung "G straße, L." mit. In der Akte wurde vermerkt, eine Rückfrage bei der Geschäftsstelle der 16. Kammer und den Sozialämtern des Landkreises bzw der Stadt Landshut habe ergeben, dass dort "ebenfalls keine aktuelle Anschrift bekannt" sei. Daraufhin erfolgte die öffentliche Zustellung des Urteils (Aushang vom 10.10. bis 13.11.2012).

2

Am 3.4.2014 legte die Klägerin Berufung gegen das Urteil ein, von dem sie erst bei ihrer persönlichen Vorsprache beim SG am 3.4.2014 Kenntnis erlangt habe. Nach Anhörung der Klägerin wurde die Berufung als unzulässig verworfen (Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4.8.2014). Die Berufung sei wegen Versäumens der Frist zu ihrer Einlegung unzulässig. Die öffentliche Zustellung sei ordnungsgemäß erfolgt; das Urteil habe mithin am 13.11.2012 als zugestellt gegolten. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Auch auf Vorhalt der Fristversäumnis habe die Klägerin auf ihrer Rechtsansicht zum materiellen Recht insistiert und nur darauf hingewiesen, sie habe auf einen Brief des Gerichts gewartet und keine Veranlassung gesehen, selbst tätig zu werden.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG rügt die Klägerin einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG sei zu Unrecht von einer wirksamen öffentlichen Zustellung des Urteils ausgegangen und habe deshalb zu Unrecht ein Prozess- anstelle eines Sachurteils gefällt. Sie habe immer an der bezeichneten Anschrift gewohnt. Zudem sei sie bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des SG prozessunfähig gewesen, sodass an sie schon aus diesem Grund nicht hätte wirksam zugestellt werden können.

4

II. Die Beschwerde der Klägerin, eingelegt durch den von ihrer Betreuerin wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt, ist zulässig. Die Zulässigkeit scheitert nicht daran, dass der Beschluss des LSG ihr noch nicht wirksam zugestellt und damit ihr gegenüber nicht wirksam ist. Dass die Zustellung der LSG-Entscheidung an die zu diesem Zeitpunkt bereits (wieder) unter Betreuung stehende Klägerin selbst erfolgte (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 170 Abs 1 Zivilprozessordnung), führt schon deshalb nicht zu deren Unwirksamkeit, weil das LSG weder davon noch von einer eventuellen Prozessunfähigkeit Kenntnis hatte (vgl dazu BGHZ 104, 109 mwN). Ob anderenfalls das Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 114 Abs 2 SGG auszusetzen wäre(vgl dazu BFH, Beschluss vom 9.10.2013 - V B 54/13), bedarf keiner Entscheidung.

5

Die Beschwerde genügt auch hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Da der gerügte Verfahrensfehler auch vorliegt, hat der Senat den angefochtenen Beschluss gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Ob sich die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen als richtig darstellt, was dem Senat unter Umständen eine Entscheidung in der Sache hätte ermöglichen können (dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 19e mwN), kann nicht beurteilt werden, weil für eine Entscheidung in der Sache die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) fehlen.

6

Die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung des Urteils des SG durch dieses lagen nicht vor. Die Klägerin hat deshalb am 3.4.2014 fristgerecht (§ 151 SGG) Berufung eingelegt, und das LSG hat zu Unrecht ein Prozessurteil erlassen. Nach § 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 185 Nr 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (nur) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt (vgl nur BGH, Urteil vom 4.7.2012 - XII ZR 94/10 -, NJW 2012, 3582 ff; BGHZ 149, 311 ff). Das traf für den Aufenthalt der Klägerin nicht zu, die in der gesamten Zeit unter derselben Adresse gewohnt hat. Insoweit war auch die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung nur kurze Zeit vorher möglich.

7

Demgemäß war bei allen angefragten Stellen die Anschrift "G straße, L." bekannt. Abgesehen davon, dass dies das SG hätte erkennen können (zu dieser Voraussetzung für die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung trotz fehlender gesetzlicher Voraussetzungen für eine solche BGHZ 149, 311 ff), hätte es vor einer öffentlichen Zustellung ohnedies weitere Nachforschungen anstellen und die Zustellung des Urteils an die benannte Anschrift ein weiteres Mal versuchen müssen, ggf auch, weil die letzte bekannte Anschrift der Klägerin am Sitz des Gerichts war, durch einen Boten (vgl zu den Anforderungen an die Ermittlung des Aufenthalts auch Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 185 RdNr 2 mwN). Die öffentliche Zustellung war somit fehlerhaft und hat den Lauf der Berufungsfrist nicht ausgelöst (vgl BGH, Urteil vom 6.10.2006 - V ZR 282/05).

8

Ob die fehlerhafte Zustellung am 3.4.2014 geheilt wurde (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 189 ZPO), kann dahin stehen; nach Aktenlage kann nicht nachvollzogen werden, ob die Klägerin das maßgebliche Dokument ausgehändigt erhalten hat. Gleichwohl hätte die Klägerin gegen die vom SG verkündete Entscheidung Berufung einlegen können (vgl dazu allgemein Leitherer, aaO, § 143 RdNr 2b); die Berufungsfrist wäre in diesem Fall eingehalten, weil eine Frist in diesem Fall noch gar nicht zu laufen begonnen hätte.

9

Ob die angefochtene Entscheidung auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG beruht, weil die Klägerin jedenfalls im Berufungsverfahren, ggf aber auch schon im Klageverfahren prozessunfähig und daher nicht wirksam vertreten war(§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO), kann deshalb dahin stehen.

10

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

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Tenor Auf die Beschwerden der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung und Verhandlung an dieses Gericht z

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(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

(1) Bei nicht prozessfähigen Personen ist an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam.

(2) Ist der Zustellungsadressat keine natürliche Person, genügt die Zustellung an den Leiter.

(3) Bei mehreren gesetzlichen Vertretern oder Leitern genügt die Zustellung an einen von ihnen.

(1) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits von einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis ab, so kann das Gericht das Verfahren solange aussetzen, bis dieses Verhältnis im Zivilprozeß festgestellt worden ist.

(2) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei. Auf Antrag kann das Gericht die Verhandlung zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.

(2a) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ab von der Gültigkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Vorschrift, die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Antragsverfahrens nach § 55a auszusetzen ist.

(3) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine im Bereich des Metallhandels tätige GmbH, wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 21. März 2013  5 K 5138/11, das in öffentlicher Sitzung verkündet worden ist.

2

Ein erster Versuch, das mit Gründen versehene Urteil am 10. April 2013 an die --zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene-- Klägerin zuzustellen, scheiterte. Nach Angaben des Zustellers sei die Klägerin unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln. Daraufhin erfolgte am 26. April 2013 eine Übersendung der "Ausfertigung des Urteils ... zur Kenntnis" per Fax gegen Empfangsbekenntnis an die Klägerin. Ein entsprechendes Empfangsbekenntnis ist in den Finanzgerichtsakten nicht enthalten.

3

Die Klägerin hat ihre Beschwerde bisher nicht begründet.

Entscheidungsgründe

4

II. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, da eine Entscheidung über die Beschwerde ohne ordnungsgemäße Zustellung des FG-Urteils nicht ergehen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503 zur Nachholung der Bekanntgabe von Gewinnfeststellungsbescheiden).

5

1. Die Beschwerde kann trotz fehlender Begründung nicht als unzulässig verworfen werden.

6

a) Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim BFH einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Bei einem --wie hier-- verkündeten Urteil kann die Beschwerde schon vor Zustellung eingelegt werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 16).

7

Die Beschwerdebegründungsfrist beginnt auch bei verkündeten Urteilen erst mit Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils (§ 104 Abs. 1 Satz 2 FGO). Daran fehlt es hier.

8

b) Die vom FG gewählte Zustellung an die Klägerin per Telefax gegen Empfangsbekenntnis war nicht zulässig.

9

Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO, § 174 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Urteil per Telefax (gegen Empfangsbekenntnis) nur an einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts zugestellt werden.

10

Die Klägerin zählt jedoch nicht zu dem genannten Personenkreis. Sie ist insbesondere keine Gesellschaft, die durch Angehörige der oben genannten Berufe handelt. Auch kann bei ihr nicht aufgrund ihrer Tätigkeit von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden, da sie weder standesrechtlich gebunden noch in den Organismus der Justiz eingebunden ist (vgl. Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 53 Rz 49).

11

c) Der Zustellungsmangel ist nicht gemäß § 189 ZPO geheilt. Eine Heilung tritt danach nur ein, wenn der Klägerin das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich zugegangen ist. Davon kann aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 2007 V B 119/06, BFH/NV 2008, 583, m.w.N.).

12

aa) Wegen der verschiedenen Möglichkeiten von Unterbrechungen und Störungen der Datenübermittlung im öffentlichen Netz, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden, kann durch ein Telefax-Sendeprotokoll weder der Zugang des Telefax bewiesen noch ein Anscheinsbeweis für einen Zugang erbracht werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 583, m.w.N.).

13

bb) Anhaltspunkte dafür, die Klägerin habe das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich erhalten, ergeben sich im Streitfall nicht. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschrift ist weder eine Kopie des Urteils beigefügt noch enthält sie eine Begründung, die auf die Kenntnis der vollständigen Urteilsgründe schließen lässt.

14

2. Eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO kommt nicht in Betracht. Die fehlende Zustellung des Urteils stellt zwar einen Verfahrensfehler dar. Auf diesem kann das in öffentlicher Sitzung vom 21. März 2013 verkündete Urteil jedoch nicht beruhen.

15

Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861). Daran fehlt es aber bei einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, die die Zustellung eines ordnungsgemäß niedergelegten und der Geschäftsstelle übergebenen vollständig abgefassten Urteils (§ 105 Abs. 4 FGO) betreffen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. April 1999 VII B 179/98, BFH/NV 1999, 1471).

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist,
3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder
4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 94/10 Verkündet am:
4. Juli 2012
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet
werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und
ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten
zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber
dem Gericht dargelegt hat.

b) Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt
des letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten genügt
hierfür in der Regel nicht.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 14. Mai 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt nach der Kündigung eines Mietvertrages von der Beklagten die Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen.
2
Der Kläger vermietete im August 2002 ein in seinem Eigentum stehendes Appartement an die Beklagte zur Nutzung als Wohnraum. Beim Abschluss des schriftlichen Mietvertrages wurde der Kläger durch die Streithelferin der Beklagten (nachfolgend: Streithelferin) vertreten, die mit der Verwaltung der Wohnung beauftragt war. Gleichzeitig mietete die Beklagte in dem Gebäude zwei angrenzende Wohnungen anderer Eigentümer an, wobei diese beim Vertragsschluss ebenfalls von der Streithelferin vertreten wurden. Die drei Wohnungen waren durch verschiedene bauliche Maßnahmen, insbesondere durch den Einbau einer gemeinsamen Eingangstür, zu einer räumlichen Einheit verbunden , in der die Beklagte ein Bordell betreibt.
3
Nachdem der Kläger Kenntnis von der tatsächlichen Nutzung des Appartements als Bordellbetrieb erfahren hatte, kündigte er im August 2008 das Mietverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde als Einschreiben mit Rückschein an die Adresse der Mietwohnung versandt und konnte der Beklagten dort auch zugestellt werden.
4
Nachdem die Räumungsklage der Beklagten unter dieser Adresse nicht zugestellt werden konnte, hat das Amtsgericht auf Antrag des Klägers die öffentliche Zustellung der Klage angeordnet und nach Ablauf der gesetzten Fristen im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten ebenfalls durch öffentliche Bekanntmachung am 2. März 2009 zugestellt worden.
5
Am 20. Mai 2009 hat die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.
6
Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und den Einspruch wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtstreits an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Unrecht den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wirke nicht gegen die Beklagte, so dass ihr Einspruch nicht verfristet sei. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setze voraus, dass der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und daher die Zustellung nicht möglich sei. An die Feststellung dieser Voraussetzungen seien durchweg hohe Anforderungen zu stellen, um das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Eine Partei, die eine öffentliche Zustellung beantrage, habe daher darzutun und nachzuweisen, dass sie das Erforderliche und Mögliche zur Prüfung des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsadressaten getan habe.
9
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger habe lediglich eine Nachfrage beim Einwohnermeldeamt sowie eine Anschriftenprüfung durch die Deutsche Post AG veranlasst. Ihm seien jedoch weitere Nachforschungen unschwer möglich gewesen. So habe er bei der Streithelferin als Verwalterin der Wohnung nachfragen können, ob die Beklagte vor Ort aufhältlich sei. Solche Nachforschungen oder auch nur ein Anruf bei dem Bordell hätten zweifellos zur Klärung der Aufenthaltsfrage geführt.
10
Somit hätten die Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntmachung für das Amtsgericht erkennbar nicht vorgelegen. Die Zustellung sei zwar grundsätzlich wirksam; Rechtsmittelfristen würden durch sie jedoch nicht in Gang gesetzt. Daher sei der Einspruch der Beklagten nicht verfristet gewesen. Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sei nicht erforderlich gewesen.
11
Der Kläger könne allerdings nicht die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen, weil er den Mietvertrag nicht ohne die Mitwirkung der Vermieter der beiden anderen Wohnungen habe kündigen können.
12
Da die drei Wohnungen baulich zu einer Einheit verbunden gewesen seien, die von der Beklagten insgesamt gewerblich genutzt werde, bestehe auf Vermieterseite eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB.
13
Grundsätzlich sei bei einer Mehrheit von Vermietern, die untereinander durch das Miteigentum an dem Mietgegenstand verbunden seien, davon auszugehen , dass eine Gemeinschaft im Sinne von § 741 BGB vorliege. Die Kündigung sei in einem solchen Fall wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses von allen Gemeinschaftern zu erklären. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben. Die Beklagte habe zwar drei Wohnraummietverträge mit verschiedenen Eigentümern, die jeweils durch die Streithelferin vertreten worden seien, abgeschlossen. Diese Wohnraummietverträge seien jedoch als Scheingeschäfte gemäß § 117 Abs. 1 BGB unwirksam. Tatsächlich sei von der Beklagten und der Streithelferin als Vertreterin der Eigentümer der Abschluss eines gewerblichen Mietvertrages für ein einheitliches Objekt, bestehend aus den drei Wohnungen , beabsichtigt gewesen. Dies ergebe sich aus den bei dem durchgeführten Ortstermin getroffenen Feststellungen. Die drei Wohnungen seien durch bauliche Veränderungen zu einer Einheit verbunden gewesen. Schon vor der Anmietung der Wohnungen durch die Beklagte sei in den gesamten Räumlichkeiten ein "Studio" betrieben worden. Aus Sicht der Streithelferin und der Beklagten habe daher beim Vertragsschluss die Vorstellung bestanden, dass das Objekt als Einheit angemietet werde und auch nur einheitlich gekündigt werden könne. Dieses Vorstellungsbild der Streithelferin müsse sich der Kläger nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Die Voraussetzungen für ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des Klägers seien nicht erfüllt.

II.

14
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
15
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Sachentscheidung über die mit dem Einspruch erhobenen Einwände der Beklagten getroffen, ohne über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu entscheiden. Denn das am 2. März 2009 öffentlich zugestellte Versäumnisurteil, gegen das die Beklagte erst am 20. Mai 2009 Einspruch eingelegt hat, war nicht rechtskräftig geworden. Durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wurde die Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 2 ZPO) nicht in Gang gesetzt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 185 Nr. 1 ZPO) für eine öffentliche Zustellung erkennbar nicht vorgelegen haben (vgl. BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827, 830).
16
a) Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht , sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt (BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827, 828). Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Dies gilt auch, wenn die Zustellung von Amts wegen vorzunehmen ist (MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 6).
17
b) In welchem Umfang die Partei Nachforschungen zum Aufenthalt des Zustellungsadressaten anzustellen hat, wird in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings unterschiedlich beurteilt. Vereinzelt wird es für ausreichend angesehen , wenn die Partei ergebnislos beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamtdes letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten angefragt hat (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2001, 1148 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 33. Aufl. § 185 Rn. 7). Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs sind jedoch an die Feststellung, dass der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH Urteil vom 14. Februar 2003 - IXa ZB 56/03 - NJW 2003, 1530 f. unter ausdrücklicher Abgrenzung zum Vollstreckungsverfahren ; vgl. auch Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 185 Rn. 2; Dornhöfer in BeckOK ZPO [Stand: April 2012] § 185 Rn. 2). Die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum verlangt deshalb zu Recht, dass die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anstellt, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln. Die begünstigte Partei ist daher beispielsweise auch gehalten, durch persönliche Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, bei dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten des Zustellungsadressaten dessen Aufenthalt zu ermitteln (vgl. OLG Köln Urteil vom 16. Februar 2011 - 11 U 183/10 - juris Rn. 8; OLG Frankfurt MDR 1999, 1402; OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 630; MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 2; Zöller /Stöber ZPO 29. Aufl. § 185 Rn. 2; Musielak/Wittschler ZPO 9. Aufl. § 185 Rn. 2). Die vorgenommenen Nachforschungen und deren Ergebnis muss die begünstigte Partei gegenüber dem Gericht darlegen. Hat das Gericht Zweifel an der Darstellung der Partei, ist es, sofern die Zustellung von Amts wegen vorzunehmen ist, auch zu eigenen Überprüfungen verpflichtet (MünchKommZPO /Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 7).
18
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage durfte sich das Amtsgericht für die Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils nicht mit den vom Kläger vorgelegten Unterlagen begnügen und hätte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils ablehnen müssen. Das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass dem Kläger weitere geeignete Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts der Beklagten zur Verfügung standen, die er ungenutzt ließ. Naheliegend wäre gewesen, dass sich der Kläger zunächst mit der Streithelferin als Verwalterin der Eigentumswohnanlage in Verbindung setzt und dort nachfragt, ob ihr der Aufenthalt der Beklagten bekannt ist. Da dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bekannt war, dass die Beklagte in der Wohnung ein Bordell betreibt, war ihm auch zuzumuten, sich unmittelbar telefonisch oder schriftlich an das in der Wohnung betriebene Bordell zu wenden, um dort Erkenntnisse über den Aufenthaltsort der Beklagten zu erhalten. Dazu bestand auch deshalb Anlass, weil dem Kläger bekannt war, dass zuvor die Kündigung des Mietvertrages unter dieser Anschrift an die Beklagte zugestellt werden konnte.
19
d) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGHZ 149, 311, 321 = NJW 2002, 827, 830; BGH Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - NJW 2007, 303 Rn. 12). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGHZ 149, 311, 323 = NJW 2002, 827, 830). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zum Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedarf (BGHZ 149, 311, 322 = NJW 2002, 827, 831; BGH Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - NJW 2007, 303 Rn. 12).
20
2. Soweit das Berufungsgericht dagegen die vom Kläger erklärte Kündigung mit der Begründung für unwirksam hält, dieser bilde zusammen mit den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen eine Bruchteilsgemeinschaft und habe daher die Kündigung des Mietverhältnisses nicht allein erklären können, sind die Erwägungen nicht frei von Rechtsirrtum. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass zwischen dem Kläger und den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen eine Bruchteilsgemeinschaft besteht, nicht.
21
a) Zwar geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass eine Mehrheit von Vermietern, die Miteigentümer des vermieteten Gegenstandes sind, eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB bilden, wenn sie keinen weiteren gemeinsamen Zweck verfolgen, ihr Interesse sich mithin allein am Miteigentum an dem vermieteten Gegenstand erschöpft (vgl. Schmidt-Futterer/ Blank Mietrecht 10. Aufl. vor § 535 BGB Rn. 269). Dass an den Mietwohnungen Miteigentum der drei Vermieter besteht, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es führt in der angegriffenen Entscheidung vielmehr selbst aus, dass die an die Beklagte vermieteten Wohnungen jeweils im Alleineigentum der Vermieter stehen. Da die Eigentumsverhältnisse an den Wohnungen weder durch die rein tatsächlichen baulichen Veränderungen noch durch die Vermietung der drei Wohnungen an dieselbe Mieterin verändert werden, kann unter diesem Gesichtspunkt nicht auf das Vorliegen einer Bruchteilsgemeinschaft geschlossen werden.
22
b) Eine Bruchteilsgemeinschaft kann jedoch auch rechtgeschäftlich begründet werden (Palandt/Sprau BGB 71. Aufl. § 741 Rn. 2). Dies ist der Fall, wenn ein Recht durch Rechtsgeschäft als gemeinschaftliches begründet wird (MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 30). Deshalb führt die rechtsgeschäftliche Begründung einer gemeinschaftlichen Forderung zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft, wenn die Beteiligten keinen weiteren gemeinsamen Zweck verfolgen (MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 30). Ob eine rechtsgeschäftlich begründete Bruchteilsgemeinschaft nur an einzelnen Rechten und Forderungen oder auch an einem Rechtsverhältnis - z.B. einem Mietverhältnis - bestehen kann, ist allerdings umstritten (vgl. MünchKommBGB/ K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 18 mwN). Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben.
23
c) Voraussetzung für die rechtsgeschäftliche Begründung einer Bruchteilsgemeinschaft ist stets, dass die Beteiligten gemeinsam gehandelt haben oder wirksam vertreten wurden (Gehrlein in BeckOK/BGB [Stand: 1. Mai 2012] § 741 Rn. 7). Hierzu verhält sich das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsgericht hat die Frage der wirksamen Vertretung des Klägers nur unter dem Gesichtspunkt des Vollmachtsmissbrauchs behandelt und einen solchen verneint, da ein Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des Klägers nicht erkennbar sei. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, die Streithelferin habe als Stellvertreterin des Klägers einen einheitlichen Mietvertrag über alle drei Wohnungen abgeschlossen, hätte das Berufungsgericht zunächst prüfen müssen, ob die Streithelferin beim Abschluss des Mietvertrages die Grenzen einer ihr erteilten Vollmacht überschritten und damit insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) gehandelt hat.
24
aa) Ein Vollmachtsmissbrauch liegt vor, wenn sich ein Vertreter bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln im Außenverhältnis zwar im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht bewegt, dabei jedoch nicht die ihm im Innenverhältnis zum Vertretenen für ihre Ausübung gezogenen Grenzen beachtet (MünchKommBGB/Schramm 6. Aufl. § 164 Rn. 106). Die Prüfung eines Vollmachtsmissbrauchs setzt daher voraus, dass das abgeschlossene Rechtsgeschäft grundsätzlich von der erteilten Vollmacht erfasst wird. Überschreitet ein Vertreter dagegen die ihm im Außenverhältnis gesetzten Grenzen der erteilten Vollmacht, handelt er insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht und die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts hängt von der Genehmigung durch den Vertretenen ab (§ 177 Abs. 1 BGB).
25
bb) Im vorliegenden Fall war die Streithelferin vom Kläger mit der Verwaltung seiner Eigentumswohnung beauftragt. Inwieweit sie in dieser Funktion überhaupt berechtigt war, für den Kläger Mietverträge abzuschließen, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Das Berufungsgericht geht zwar offensichtlich von der Annahme aus, dass die Streithelferin vom Kläger bevollmächtigt war, für eine Vermietung der Wohnung Sorge zu tragen und in seinem Namen entsprechende Mietverträge abzuschließen. Aber auch dann kann nicht ohne genauere Prüfung davon ausgegangen werden, dass die Streithelferin zu einer Vermietung der Wohnung zur gewerblichen Nutzung - gar zur Nutzung als Bordell - oder dazu bevollmächtigt war, Verträge abzuschließen, die den Kläger zu einem Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft werden lassen.
26
cc) Die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft hätte nicht nur zur Folge, dass der Kläger den Mietvertrag ohne die Mitwirkung der beiden anderen Woh- nungseigentümer nicht kündigen könnte (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 25/09 - NJW 2011, 61 Rn. 20 mwN). Der Kläger würde auch in anderen Belangen erheblich in seinen Rechten beschränkt. Insbesondere könnte der Kläger von der Beklagten nicht mehr unmittelbar die Zahlung der Miete fordern. Der Grundsatz der gemeinsamen Verwaltung (§§ 744, 745 BGB) schließt die Anwendung des § 420 BGB auf Forderungen der Gemeinschaft gegen einen Mieter aus; die Forderungen sind auf eine im Rechtssinne unteilbare Leistung (§ 432 BGB) gerichtet (BGH Urteil vom 28. Mai 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781, 3782). Dem Kläger stünde daher nur ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil des Ertrages aus dem gesamten Mietverhältnis zu, der sich ausschließlich gegen die anderen Teilhaber richtet (vgl. BGH Urteil vom 29. Januar 1969 - VIII ZR 20/67 - NJW 1969, 839). Auch sonstige Verwaltungsmaßnahmen wie Reparaturarbeiten, Modernisierungsmaßnahmen und ähnliches wären gemäß §§ 744, 745 BGB ohne die Mitwirkung der beiden anderen Wohnungseigentümer nicht mehr möglich. Zudem wäre der Kläger gemäß § 748 BGB entsprechend seinem Anteil an den Lasten und Kosten beteiligt, die durch die Nutzung und Verwaltung der beiden anderen Wohnungen anfallen.
27
d) Das Berufungsgericht hat zum Umfang der Vollmacht der Streithelferin keine Feststellungen getroffen. Die bei dem im Berufungsverfahren durchgeführten Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse über den tatsächlichen baulichen Zustand der drei Wohnungen lassen keine zwingenden Rückschlüsse auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen oder den Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht zu. Die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung der Räumlichkeiten zum Betrieb eines Bordells verlangt auch nicht notwendig die Annahme eines einheitlichen Mietverhältnisses mit allen drei Wohnungseigentümern. Dies mag zwar für die Beklagte vorteilhaft und auch von der Streithelferin intendiert worden sein. Feststellungen, inwieweit die Vollmacht der Streithelferin reicht, werden hierdurch jedoch nicht entbehrlich.
28
3. Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Auf die Revision ist es aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil weitere Feststellungen, insbesondere zum Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht, zu treffen sind. Das Verfahren ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 17.07.2009 - 16 C 2615/08 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 14.05.2010 - 6 S 317/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 282/05 Verkündet am:
6. Oktober 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist auf den Fall einer öffentlichen Zustellung, deren Voraussetzungen
für das Gericht erkennbar nicht vorlagen, nicht entsprechend anwendbar
(Ergänzung von BGHZ 153, 189).

b) Lagen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung für das Gericht erkennbar
nicht vor, werden Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen nicht in Gang gesetzt
(Bestätigung von BGHZ 149, 311).
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - OLG Düsseldorf
LGDüsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den
Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2005 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nichtigkeitsklage des Klägers als rechtzeitiger Einspruch gegen das Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 2003 (1 O 576/01) zu behandeln ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte reichte am 11. Oktober 2001 gegen den Kläger eine auf Zahlung von 38.717,70 € nebst Zinsen gerichtete Klage ein und beantragte, diese an dem spanischen Wohnort des Klägers zuzustellen. Je ein Zustellungsversuch an dem spanischen und an dem früheren deutschen Wohnort des Klägers blieb erfolglos. Daraufhin ordnete das Landgericht auf Antrag des Beklagten am 20. November 2002 die öffentliche Zustellung der Klage an. Da sich der Kläger nicht meldete, erließ es am 5. Februar 2003 ein Versäumnisurteil, durch welches es ihn antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Es ordnete am gleichen Tag die öffentliche Zustellung auch dieses Urteils an.
2
Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage möchte der Kläger die Aufhebung seiner Verurteilung erreichen. Er behauptet, er habe erstmals am 21. Juni 2004 von dem Urteil erfahren, und meint, das Landgericht habe seinerzeit zu Unrecht die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung angenommen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zu erneuten Verhandlung und Entscheidung in der Hauptsache des Ausgangsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I.


4
Das Berufungsgericht hält die Nichtigkeitsklage in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für zulässig. Zwar habe der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen eine öffentliche Zustellung formell ordnungsgemäß angeordnet worden sei, abgelehnt. Offen gelassen habe er aber, ob das auch gelte, wenn die öffentliche Zustellung verfahrensfehlerhaft angeordnet worden sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Das Landgericht habe im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung zu Unrecht angenommen und die öffentliche Zustellung auch des Versäumnisurteils ohne entsprechenden Antrag des Beklagten verfügt. In einem solchen Fall müsse in entsprechender Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage eröffnet sein, um dem Zustel- lungsbetroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Die Sache sei in entsprechender Anwendung des § 538 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, da dieses, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, über die Hauptsache des Ausgangsverfahrens nicht neu verhandelt habe.

II.


5
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus einem anderen Grund als richtig.
6
1. Die erhobene Klage ist als Nichtigkeitsklage unzulässig, weil es an einem Nichtigkeitsgrund fehlt.
7
a) Einer der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsgericht geht auch zutreffend davon aus, dass § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hier nicht schon deshalb entsprechend angewendet werden kann, weil die Klage und das Versäumnisurteil überhaupt öffentlich zugestellt worden sind (BGHZ 153, 189, 194-196). Es meint aber, die Vorschrift sei dann entsprechend anzuwenden, wenn die Vorschriften über die öffentliche Zustellung fehlerhaft angewandt worden seien. Das ist umstritten (dafür: KG NJW-RR 1987, 1215, 1216; MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl., § 579 Rdn. 19; Wieczorek /Schütze/Borck, ZPO, 3. Aufl., § 579 Rdn. 52, 57; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 579 Rdn. 6; Brüggemann, JR 1969, 361, 370; Fischer, ZZP 107 [1994] 163, 179; ähnlich Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 2. Aufl., Rdn. 574; dagegen: Hk-ZPO/Kemper, § 579 Rdn. 5; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 579 Rdn. 7; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 579 Rdn. 6, 8; Gaul, JZ 2003, 1088, 1095 f.). Höchstrichterlich entschieden ist die Frage bislang nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Beschlüssen die Möglichkeit angedeutet , § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs entsprechend anzuwenden (NJW 1992, 496; 1998, 745), hat aber keine Aussage zu der hier vorliegenden Fallgestaltung gemacht. Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher offen gelassen (BGH, Urt. v. 6. April 1992, II ZR 242/91, NJW 1992, 2280, 2281; BGHZ 153, 189, 195). Das Gleiche gilt für das Bundesarbeitsgericht (BAGE 73, 378, 383).
8
b) Hier ist die Frage zu entscheiden. Der Senat verneint sie.
9
aa) Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist eine planwidrige Lücke in den gesetzlichen Vorschriften. Diese wird von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung darin gesehen, dass der von einer verfahrensfehlerhaft angeordneten öffentlichen Zustellung Betroffene einen solchen Fehler nicht erfolgreich rügen und sich gegen die Folgen einer verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung nicht effektiv zur Wehr setzen könne (dazu Brüggemann, JR 1969, 361, 370). Das trifft jedenfalls heute nicht mehr zu.
10
bb) Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen zunächst die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet. Sie ist bei einer unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordneten öffentlichen Zustellung ohne weiteres zu gewähren (BGH, Urt. v. 6. April 1992, II ZR 242/91, NJW 1992, 2280, 2281; ähnlich schon BVerfG, NJW 1988, 2361). Damit scheidet die Annahme einer Rechtsschutzlücke jedenfalls in Fällen aus, in denen der Fehler bei der Anordnung der öffentlichen Zustellung vor Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Jahresfrist bemerkt wird.
11
cc) Später hat der Bundesgerichtshof den Schutz des Betroffenen erweitert und hierbei auch die Fälle einbezogen, in welchen der Verstoß gegen § 185 ZPO nach Ablauf der in § 234 Abs. 3 ZPO bestimmten Frist bemerkt wird und damit eine Wiedereinsetzung ausscheidet.
12
(1) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 104, 301, 306) und des Bundesfinanzhofs (BFHE 192, 200, 202; BFH/NV 2005, 998, 1000) anlehnt, die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGHZ 149, 311, 321; ähnlich BayObLG NJW-RR 2000, 1452, 1453; OLG Hamm NJW-RR 1998, 497). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGHZ 149, 311, 323). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zu einem wirklichen Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedürfte (BGHZ 149, 311, 322). Damit fehlt einer Nichtigkeitsklage die Grundlage.
13
(2) Diese Rechtsprechung hat Zustimmung (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 185 Rdn. 5), aber auch Kritik erfahren (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Erg.-Band ZPO-Reform, § 185 Rdn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 185 Rdn. 14; Gaul, JZ 2003, 1088, 1091 f.; differenzierend Zöller /Stöber, aaO, § 186 Rdn. 9). Eingewandt wird vor allem, dass Fehler bei der Anwendung des § 185 ZPO weder den Anordnungsbeschluss als gerichtliche Entscheidung (MünchKomm-ZPO/Wenzel und Gaul jeweils aaO) noch das etwa durch eine öffentlich zugestellte Klage eingeleitete Gerichtsverfahren oder die an den Zustellungsakt anknüpfenden materiellrechtlichen Wirkungen in Frage stellen dürften (Zöller/Stöber aaO). Das allerdings geschieht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht (zutreffend Zöller/Stöber aaO). In den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs, an denen sich der Bundesgerichtshof orientiert hat, ist zwar von einer Unwirksamkeit der Verwaltungszustellung die Rede. Der Bundesgerichtshof hat der erkennbar verfahrensfehlerhaften öffentlichen Zustellung im Zivilprozess aber nicht schlechthin ihre Wirksamkeit abgesprochen, sondern einschränkend ausgeführt , dass sie in Ansehung der (im seinerzeitigen und auch im vorliegenden Verfahren maßgeblichen) Einspruchsfrist unwirksam sei, und diese Besonderheit mit dem Zusatz „wirkungslos“ beschrieben (BGHZ 149, 311, 321). Das bedeutet im Ergebnis nur, dass eine unter erkennbar fehlerhafter Anwendung von § 185 ZPO ergangene Anordnung der öffentlichen Zustellung lediglich Fristen nicht in Gang setzt, im Übrigen aber in ihrer Wirksamkeit nicht berührt wird. Eine solche einschränkende Auslegung des § 188 ZPO ist sachlich geboten, da dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gegen Fehler des Gerichts bei der Anwendung des § 185 ZPO und dem Anspruch auf rechtliches Gehör zweckmäßiger und systemgerechter nicht Rechnung getragen werden kann.
14
c) Damit scheidet eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden von vorneherein aus.
15
2. Die Entscheidung erweist sich aber aus einem anderen Grund als richtig.
16
a) Die von dem Kläger erhobene Nichtigkeitsklage ist nämlich als Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren anzusehen. Der Kläger hat in seiner Klageschrift keinen der gesetzlich bestimmten Nichtigkeits- gründe geltend gemacht. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er das Versäumnisurteil deshalb angreifen wolle, weil er mangels ordnungsgemäßer Zustellung bislang keine Gelegenheit zur Rechtsverteidigung gehabt habe. Aus dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Sicherung des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch, dass der Kläger den zur Verfolgung dieses Sachanliegens gegebenen Rechtsbehelf einlegen wollte. Das ist der Einspruch. Die von ihm eingereichte Nichtigkeitsklage genügt den Anforderungen an eine Einspruchsschrift. Sie war an das Landgericht zu richten, das er angerufen hat. Sie ist deshalb als Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu behandeln.
17
b) Der in der Nichtigkeitsklage liegende Einspruch war auch rechtzeitig.
18
aa) Die Einspruchsfrist ist durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Gang gesetzt worden, weil diese fehlerhaft war.
19
(1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht beantragt, sondern das Landgericht sie im Ausgangsverfahren von Amts wegen bewilligt hat. Das widersprach zwar der früheren Rechtslage nach § 204 Abs. 1 ZPO a.F. Diese war aber für die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vom 5. Februar 2003 nicht mehr maßgeblich. Am 1. Juli 2002 ist nämlich das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) in Kraft getreten. Dieses sieht keine Überleitungsvorschriften vor. Die geänderten Zustellungsvorschriften galten daher auch in laufenden Verfahren für die nach seinem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen. Nach §§ 166 Abs. 2, 186 ZPO bedarf es für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung keines Antrags (mehr), wenn die Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat (MünchKomm- ZPO/Wenzel, aaO, § 186 Rdn. 3; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 186 Rdn. 2). So liegt es bei einem Versäumnisurteil (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob der allein fehlende Antrag schon dazu führt, dass eine ansonsten ordnungsgemäße öffentliche Zustellung Fristen nicht in Gang setzt (offen gelassen in BGHZ 149, 311).
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(2) Die angeordnete öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils war aber fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 185 ZPO erkennbar nicht vorlagen. Auf § 185 Nr. 2 ZPO ließ sich die öffentliche Zustellung nicht stützen. Dafür kam es nicht auf den Erfolg der von dem Landgericht veranlassten Zustellung der Klageschrift in Spanien an. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit dem Zustellungsland Rechtshilfeverkehr besteht und dieser grundsätzlich Erfolg verspricht (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 185 Rdn. 7; Zöller/Stöber, aaO, § 185 Rdn. 3). Das ist nach der VO (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EG Nr. L 160 S. 37) der Fall. Der Aufenthaltsort des Klägers war auch nicht unbekannt (§ 185 Nr. 1 ZPO). Der Kläger wohnte damals an dem Ort in Spanien, den der Beklagte im Ausgangsverfahren in seiner Klageschrift angegeben hatte und den das Versäumnisurteil als letzten bekannten Aufenthalt des Klägers bezeichnet. Das hätte das Landgericht auch erkennen können, wenn es mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen wäre. Es durfte zwar davon ausgehen, dass sich seit der nur zwei Monate zurückliegenden öffentlichen Zustellung der Klageschrift keine neuen Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Klägers ergeben hatten, und die öffentliche Zustellung ohne ergänzende Prüfung bewilligen. Das setzte aber voraus, dass die öffentliche Zustellung der Klageschrift ihrerseits verfahrensfehlerfrei bewilligt worden war. Daran aber fehlt es.
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(3) Aus welchen Gründen das Landgericht die öffentliche Zustellung der Klageschrift bewilligt hat, ist seinem Bewilligungsbeschluss nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat in seinem Antrag geltend gemacht, der Kläger sei unbekannten Aufenthalts, weil ihm die Klageschrift weder an seinem spanischen Wohnort noch an seinem früheren deutschen Wohnort habe zugestellt werden können. Diese Angaben waren zwar zutreffend. Hiermit durfte sich das Landgericht im Ausgangsverfahren aber nicht begnügen. Der Beklagte hatte in seinem Antrag nämlich auch mitgeteilt, dass der Kläger seine in der Klageschrift angegebene Anschrift bei dem Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz angegeben habe. Das gab Veranlassung, die Ordnungsmäßigkeit der Auslandszustellung in Spanien noch einmal zu prüfen.
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(4) Hierbei wäre aufgefallen, dass die spanischen Zustellungsbehörden die Klageschrift der spanischen Post mit unvollständigen Angaben übergeben hatten und ihre Mitteilung über das Ergebnis des Zustellungsversuchs im entscheidenden Punkt unergiebig war. In dem Zustellschreiben war nur die Anschrift der Wohnanlage, nicht aber die Nummer des Bungalows angegeben, in welchem der Kläger wohnt. In der Mitteilung der spanischen Stellen über das Ergebnis ihrer Bemühungen heißt es zwar, dass sich der mit der Zustellung betraute Bedienstete in Person an dem Ort eingefunden habe, den die Sekretärin der Anlage angeben habe. Als dabei gewonnene Erkenntnis wird in der Mitteilung aber nur festgehalten, dass der Kläger unter seiner deutschen Anschrift ausfindig gemacht werden könne. Zu der entscheidenden Frage, nämlich ob der Kläger in dem Bungalow in der Anlage wohnt, ob er dort zufällig gerade nicht anwesend war und ob versucht wurde, die Klageschrift durch Übergabe an die Sekretärin zur späteren Aushändigung, durch eine Niederlegung oder in anderer Weise zuzustellen, enthält die Mitteilung keine Angaben. Daran ändert auch der von dem Landgericht hervorgehobene Umstand nichts, dass eine Zu- stellung durch ausländische Justizbehörden gewöhnlich ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Diese Erwartung hat sich hier nicht erfüllt. Die Mitteilung, die das Landgericht von den spanischen Justizbehörden erhalten hatte, bot keine Grundlage für die Annahme, der Kläger halte sich nicht an dem angegebenen Wohnort in Spanien auf. Dass sich, wie die Revision darlegt, dieser Mangel beheben und im Nachhinein aufklären ließe, wer die Sekretärin der Wohnanlage ist, mit welcher die spanische Zustellperson Kontakt aufgenommen haben will, und was diese Zustellperson im Einzelnen unternommen hat, ist unerheblich. Dies hätte vor der Bewilligung der öffentlichen Zustellung geschehen müssen, ist aber verfahrensfehlerhaft unterblieben.
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(5) Auch das Fehlschlagen der anschließenden Zustellung an der früheren deutschen Anschrift des Klägers berechtigte das Landgericht nicht zu der Annahme, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt war. Ein solches Fehlschlagen war nämlich zu befürchten, da der Beklagte den Kläger unter seiner spanischen Anschrift verklagt und in seinem Antrag auf öffentliche Zustellung mitgeteilt hatte, der Kläger habe seinen spanischen Wohnsitz bei dem deutschen Melderegister angegeben. Jedenfalls half dieser Umstand nicht über die Unsicherheit hinweg, ob eine Zustellung in Spanien wirklich nicht möglich war. Das Landgericht musste deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung die Möglichkeiten einer Zustellung in Spanien weiter aufklären. Es drängte sich geradezu auf, einen erneuten Zustellungsversuch mit der vollständigen Anschrift zu unternehmen. Das wäre mit einer unmittelbaren Zustellung durch die Post nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1348/2000 (heute gemäß § 1068 Abs. 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein) auch in einem Zeitrahmen möglich gewesen, der dem Beklagten als Gläubiger unter Berücksichtigung des erheblichen Zeitraums zumutbar war, den die erste förmliche Zustellung in Anspruch genommen hatte.
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bb) Die Einspruchsfrist ist gewahrt. Der Kläger hat nach seinen Angaben am 21. Juni 2004 erstmals von der Existenz des Versäumnisurteils am Telefon erfahren und kann danach das Urteil nicht früher als zwei Wochen vor Einreichung seiner Nichtigkeitsklageschrift erhalten haben. Diese Angaben hat der Beklagte zwar mit Nichtwissen bestritten. Das war aber unzureichend. Die öffentliche Zustellung hatte die Einspruchsfrist nicht ausgelöst. Dies konnte erst nach § 189 ZPO durch anderweitigen Zugang geschehen. Ein solcher war mit dem Erlass der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die der Beklagten aufgrund des Versäumnisurteils am 4. Juni 2004 erwirkt hatte, nicht verbunden, weil das Urteil dazu nach § 750 Abs. 1 ZPO nicht erneut zugestellt werden musste. Wie ein früherer anderweitiger Zugang des Urteils bei dem Kläger sonst bewirkt worden sein soll, hat der Beklagte nicht dargelegt.
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3. Das Landsgericht wird daher die Nichtigkeitsklage in der neuen Verhandlung als rechtzeitigen Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Ausgangsverfahren zu behandeln und nach §§ 342, 343 ZPO zu verfahren haben.

III.


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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.02.2005 - 1 O 382/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2005 - I-15 U 57/05 -

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

(1) Für einen nicht prozeßfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen.

(2) Die Bestellung eines besonderen Vertreters ist mit Zustimmung des Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters auch zulässig, wenn der Aufenthaltsort eines Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters vom Sitz des Gerichts weit entfernt ist.

(3) bis (5) (weggefallen)

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.