Bundesfinanzhof Beschluss, 09. Okt. 2013 - V B 54/13
Gericht
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine im Bereich des Metallhandels tätige GmbH, wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 21. März 2013 5 K 5138/11, das in öffentlicher Sitzung verkündet worden ist.
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Ein erster Versuch, das mit Gründen versehene Urteil am 10. April 2013 an die --zu diesem Zeitpunkt nicht mehr durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene-- Klägerin zuzustellen, scheiterte. Nach Angaben des Zustellers sei die Klägerin unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln. Daraufhin erfolgte am 26. April 2013 eine Übersendung der "Ausfertigung des Urteils ... zur Kenntnis" per Fax gegen Empfangsbekenntnis an die Klägerin. Ein entsprechendes Empfangsbekenntnis ist in den Finanzgerichtsakten nicht enthalten.
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Die Klägerin hat ihre Beschwerde bisher nicht begründet.
Entscheidungsgründe
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II. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, da eine Entscheidung über die Beschwerde ohne ordnungsgemäße Zustellung des FG-Urteils nicht ergehen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503 zur Nachholung der Bekanntgabe von Gewinnfeststellungsbescheiden).
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1. Die Beschwerde kann trotz fehlender Begründung nicht als unzulässig verworfen werden.
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a) Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim BFH einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Bei einem --wie hier-- verkündeten Urteil kann die Beschwerde schon vor Zustellung eingelegt werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 16).
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Die Beschwerdebegründungsfrist beginnt auch bei verkündeten Urteilen erst mit Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils (§ 104 Abs. 1 Satz 2 FGO). Daran fehlt es hier.
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b) Die vom FG gewählte Zustellung an die Klägerin per Telefax gegen Empfangsbekenntnis war nicht zulässig.
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Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO, § 174 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Urteil per Telefax (gegen Empfangsbekenntnis) nur an einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts zugestellt werden.
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Die Klägerin zählt jedoch nicht zu dem genannten Personenkreis. Sie ist insbesondere keine Gesellschaft, die durch Angehörige der oben genannten Berufe handelt. Auch kann bei ihr nicht aufgrund ihrer Tätigkeit von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden, da sie weder standesrechtlich gebunden noch in den Organismus der Justiz eingebunden ist (vgl. Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 53 Rz 49).
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c) Der Zustellungsmangel ist nicht gemäß § 189 ZPO geheilt. Eine Heilung tritt danach nur ein, wenn der Klägerin das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich zugegangen ist. Davon kann aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 2007 V B 119/06, BFH/NV 2008, 583, m.w.N.).
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aa) Wegen der verschiedenen Möglichkeiten von Unterbrechungen und Störungen der Datenübermittlung im öffentlichen Netz, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden, kann durch ein Telefax-Sendeprotokoll weder der Zugang des Telefax bewiesen noch ein Anscheinsbeweis für einen Zugang erbracht werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 583, m.w.N.).
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bb) Anhaltspunkte dafür, die Klägerin habe das mit Gründen versehene Urteil tatsächlich erhalten, ergeben sich im Streitfall nicht. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschrift ist weder eine Kopie des Urteils beigefügt noch enthält sie eine Begründung, die auf die Kenntnis der vollständigen Urteilsgründe schließen lässt.
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2. Eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO kommt nicht in Betracht. Die fehlende Zustellung des Urteils stellt zwar einen Verfahrensfehler dar. Auf diesem kann das in öffentlicher Sitzung vom 21. März 2013 verkündete Urteil jedoch nicht beruhen.
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Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861). Daran fehlt es aber bei einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, die die Zustellung eines ordnungsgemäß niedergelegten und der Geschäftsstelle übergebenen vollständig abgefassten Urteils (§ 105 Abs. 4 FGO) betreffen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. April 1999 VII B 179/98, BFH/NV 1999, 1471).
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Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil wird durch Verlesung der Formel verkündet; es ist den Beteiligten zuzustellen.
(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.
(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist.
(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
(3) Wer seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Geschieht dies nicht, so gilt eine Sendung mit der Aufgabe zur Post als zugestellt, selbst wenn sie als unbestellbar zurückkommt.
Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.
Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
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die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.