Bundessozialgericht Urteil, 25. Apr. 2018 - B 8 SO 23/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:250418UB8SO2316R0
bei uns veröffentlicht am25.04.2018

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Im Revisionsverfahren ist die Zulässigkeit der Klage umstritten.

2

Die Klägerin bezieht eine Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung auf Dauer und daneben von dem beklagten Träger der Sozialhilfe laufend Grundsicherungsleistungen. Unter anderem erließ der Beklagte für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.10.2014 einen "Änderungs- und Weitergewährungsbescheid", mit dem er die Grundsicherungsleistungen wegen Änderung des Einkommens und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen ua für Unterkunft und Heizung neu berechnete und bewilligte (Bescheid vom 28.10.2013; Widerspruchbescheid vom 30.4.2014). Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Speyer (Az S 3 SO 120/14). Den Bescheid vom 28.10.2013 änderte der Beklagte mit weiteren Bescheiden (zuletzt vom 26.1.2015) ua unter Berücksichtigung einer Rückzahlung von Heizkosten ab. Die Klage nahm die Klägerin am 27.3.2015 zurück.

3

Zuvor erhöhte die Vermieterin für die von ihr und ihrem Ehemann bewohnte Wohnung die Kaltmiete zum 1.7.2014 von monatlich 410 Euro auf 440 Euro. Den Antrag auf Berücksichtigung entsprechend höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte mit einem "Bescheid über die Ablehnung von Leistungen" ab; denn eine Kaltmiete von 440 Euro sei nicht angemessen. Es werde daher "weiterhin" die Kaltmiete in Höhe von 410 Euro im Rahmen der Leistungen berücksichtigt werden (Bescheid vom 30.6.2014). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

4

Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2014 bis zum 31.10.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen in Höhe von 294,66 Euro monatlich ua unter Berücksichtigung einer angemessenen (anteiligen) Kaltmiete in Höhe von 205 Euro (Bescheid vom 11.11.2014), änderte diesen für die Zeit vom 1.2. bis 31.10.2015 wegen veränderter Abschläge bei den Heizkosten ab und bewilligte nunmehr 302,35 Euro monatlich (Bescheid vom 27.2.2015).

5

Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten hob den Bescheid vom 30.6.2014 auf und verpflichtete den Beklagten ab dem 1.7.2014 zur Neubescheidung unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Widerspruchsausschusses. Es sei eine Kaltmiete von 418 Euro als angemessen zu berücksichtigen. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Den Widerspruchsbescheid vom 13.5.2015 stellte der Beklagte gegen Empfangsbekenntnis an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (einen Rechtsanwalt) zu. Der Widerspruchsbescheid war mit der Belehrung versehen, es könne innerhalb von einem Monat ab Zustellung Klage erhoben werden. Der Prozessbevollmächtigte stellte mit Schreiben vom 18.5.2015 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid einen Kostenantrag beim Beklagten.

6

Am 18.6.2015 um 10.53 Uhr übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine E-Mail an das SG und teilte mit, dass die Übersendung einer Klageschrift per Telefax nicht möglich gewesen sei. Er übersandte im Anhang eine eingescannte, unterschriebene Klageschrift gegen den Bescheid vom 30.6.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 im Portable Document Format (PDF). Die Geschäftsstelle des SG druckte den Anhang zur E-Mail aus und versah ihn mit einem Eingangsstempel vom selben Tag. Das Original der Klageschrift ging am 19.6.2015 per Post ein.

7

Noch vor Erhebung der Klage änderte der Beklagte gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) die Bescheide vom 28.10.2013, 11.11.2014, 26.1.2015 und 27.2.2015 und bewilligte der Klägerin "aufgrund des Widerspruchsbescheides" für die Zeit vom 1.7.2014 bis zum 31.10.2015 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 306,35 Euro unter Berücksichtigung ua einer Kaltmiete in Höhe von 209 Euro (Bescheid vom 3.6.2015). Für die Zeit ab dem 1.7.2015 änderte er die Bewilligung wegen einer Veränderung des Einkommens erneut und bewilligte Leistungen in Höhe von 297,86 Euro monatlich (Bescheid vom 27.7.2015).

8

Das SG und das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz haben die Klage als unzulässig angesehen (Gerichtsbescheid des SG vom 23.11.2015; Urteil des LSG vom 4.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG ausgeführt, die Übersendung einer einfachen E-Mail mit einem angehängten PDF-Dokument genüge nicht dem Schriftformerfordernis des § 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG), auch wenn der Anhang im Gericht noch am Tag des Fristablaufs ausgedruckt vorlegen habe. § 65a SGG, der die formwirksame Klageerhebung auf elektronischem Weg von einer qualifizierten Signatur abhängig mache, sei abschließend und schließe eine andere Auslegung des § 90 SGG aus. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil den Bevollmächtigten der Klägerin am Tag des Fristablaufs erhöhte Sorgfaltspflichten träfen und von ihm insbesondere zu verlangen gewesen sei, die Klage gestützt auf § 91 SGG bei einer inländischen Behörde am Ort der Kanzlei einzulegen.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin und macht eine Verletzung von §§ 87, 90 SGG geltend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die auch im Anwendungsbereich des § 90 SGG gelten müsse, sei die vollständig eingescannte, als PDF versandte und rechtzeitig ausgedruckte Klageschrift als fristgerechter schriftlicher Eingang anzusehen.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2016 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage nicht wegen der Versäumung der Klagefrist als unzulässig abzuweisen; es ist jedenfalls Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Es fehlen aber ausreichende Feststellungen des LSG in der Sache.

14

Die Revision wie auch die Berufung sind zulässig. Insbesondere bedurfte es keiner Zulassung der Berufung; denn die Berufung betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (vgl § 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Die Klägerin hat mit ihrer Klage höhere Leistungen ab dem 1.7.2014 geltend gemacht. Unabhängig davon, ob dieses Begehren wegen der abschnittsweisen Bewilligung dieser Leistungen (als Teil der Grundsicherungsleistungen) sinnvollerweise auf die Zeit bis zum 31.10.2015 begrenzt werden sollte, weil nur insoweit die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (dazu später), sind laufende Leistungen von mehr als einem Jahr im Streit.

15

Ob die Klagefrist des § 87 Abs 1 Satz 1 SGG versäumt ist, obwohl die unterschriebene, eingescannte und sodann als Anhang einer E-Mail an das SG gesandte Klageschrift noch am Tag des Fristablaufs vollständig ausgedruckt beim SG vorlag, kann offenbleiben(ablehnend Bundessozialgericht BSGE 122, 71 = SozR 4-1500 § 65a Nr 3 für den Fall, dass das eingescannte Exemplar nicht unterschrieben ist; anders dagegen BGH Beschluss vom 15.7.2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 ff und Beschluss vom 18.3.2015 - XII ZB 424/14 - NJW 2015, 1527 ff für unterschriebene, eingescannte und am Tag des Fristablaufs vollständig ausgedruckte Schriftsätze). Der Klägerin ist jedenfalls auch bei Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

16

Nach § 67 Abs 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Klagefrist von einem Monat, die bei der hier von der Behörde gewählten Zustellung nach den Vorschriften des Landesverwaltungszustellungsgesetzes (LVwZG) mit dem Tag der Zustellung des mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Widerspruchsbescheids zu laufen beginnt (vgl § 87 Abs 1 iVm Abs 2 SGG), ist am 18.6.2015 abgelaufen. Das Original der Klageschrift ging aber erst am 19.6.2015 per Post beim SG ein. Der Nachweis einer Zustellung ist vorliegend zwar nicht zu den Akten gelangt. Mit der Stellung eines Kostenantrags unter Bezugnahme auf den tatsächlichen Erhalt des Widerspruchsbescheids am 18.5.2015 durch den Prozessbevollmächtigten ist der Mangel des Nachweises der Zustellung aber geheilt (§ 1 Abs 1 LVwZG iVm § 8 Verwaltungszustellungsgesetz). Die Klägerin hat vorliegend die (unterstellte) Versäumung der Klagefrist um einen Tag nicht verschuldet. Kausal für die Versäumung der Klagefrist um einen Tag war allein die Störung des Faxeingangs bei Gericht; mit der Aufgabe der Klageschrift zur Post noch am Tag der gescheiterten Übersendung per Fax hat ihr Prozessbevollmächtigter alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um weitere Verzögerungen zu verhindern. Da die Verfahrenshandlung innerhalb der (Monats-)Frist des § 67 Abs 2 Satz 1 SGG nachgeholt worden ist, kann Wiedereinsetzung auch von Amts wegen gewährt werden(§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).

17

Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als auch der obersten Bundesgerichte dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts (BVerfG, NJW 1996, 2857; BVerfG NJW 2001, 3473; BGH, NJW 1995, 1431, 1432; BGH NJW-RR 2004, 283, 284; BGH Beschluss vom 21.7.2011 - IX ZB 218/10, Juris RdNr 2 mwN). Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Ablauf der Frist zu rechnen ist. Erkennt der Bevollmächtigte eines Beteiligten, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz durch Telefax zu übermitteln, dass er einen Schriftsatz auf diese Weise nicht mehr fristgerecht an das zuständige Gericht übermitteln kann, steht es der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann grundsätzlich nicht entgegen, dass er den Schriftsatz in anderer Weise noch rechtzeitig hätte übermitteln können. Um eine Ungleichbehandlung mit einem Prozessbevollmächtigten zu verhindern, der seinen Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf fertigt und versendet, muss der Beteiligte in diesen Fällen nicht unter erheblichem Zeit- und Kostenaufwand alle nur denkbaren Anstrengungen unternehmen, um einen fristgerechten Eingang beim Gericht doch noch sicherzustellen, sondern nur einen naheliegenden, kaum zusätzlicher Mühe erfordernden Übermittlungsversuch (vgl nur BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858; BGH Beschluss vom 21.7.2011 - IX ZB 218/10, aaO).

18

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach diesen Grundsätzen liegen vor. Nach der Auskunft des Leiters der Geschäftsstelle des SG und den von ihm vorgelegten Faxprotokollen war das SG über 5 Tage, nämlich vom 16.6.2015 abends bis zum 23.6.2015 nachmittags, per Telefax nicht erreichbar. Es oblag dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dem dies am 18.6.2015, dem Tag des Fristablaufs bekannt wurde, weder zum Gerichtsort zu fahren und die Klageschrift beim SG persönlich einzuwerfen noch einen Kurierdienst zu beauftragen, auch wenn für beides ausreichend Zeit gewesen wäre (vgl dazu bereits BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist mit § 91 SGG, der zur Wahrung der Klagefrist - abweichend von den übrigen Prozessordnungen - auch den Eingang der an das SG gerichteten Klageschrift ua bei einer anderen inländischen Behörde genügen lässt, ebenfalls keine naheliegende Möglichkeit der Übermittlung an das zuständige Gericht aufgezeigt, die ein Rechtsanwalt bei einer von ihm nicht zu vertretenen Störung des üblichen Übertragungswegs zur Wahrung eigener Sorgfaltspflichten nutzen müsste. § 91 SGG dient allein dem Schutz rechtsunkundiger Kläger, für die die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erleichtert werden soll; einem mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befassten Anwalt soll aber gerade nicht die planmäßige Einreichung einer Klageschrift am Ort seiner Kanzlei auf diesem Weg ermöglicht werden (vgl BSG SozR 3-1500 § 91 Nr 1 S 3 f). Da eine inländische Behörde (jedenfalls wenn es sich - wie bei den hier in Betracht kommenden Behörden - nicht um eine Sozialbehörde handelt) zur Entgegennahme der Klageschrift nicht verpflichtet ist (BSG aaO) und also der Rechtsanwalt vorab prüfen müsste, ob die jeweilige Behörde im Einzelfall zur Entgegennahme auch bereit ist, stellt § 91 SGG keinen Weg der Einreichung einer Klage dar, der sich aus Sicht des Anwalts der unmittelbaren Übermittlung an das SG als gleichwertig darstellt. Nur auf solche Wege kann bei Prüfung der Gründe für eine Wiedereinsetzung aber verwiesen werden. Ebenso wenig gehört auch die Klageerhebung bei einem unzuständigen Gericht, bei dem die Sache rechtshängig (§ 94 Abs 1 SGG) und damit die Klagefrist gewahrt wird, zu den üblichen Übertragungswegen, die bei Störung des Empfangsgeräts des Gerichts zur Wahrung der prozessualen Sorgfaltspflichten zu nutzen sind.

19

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

20

Zulässiger Gegenstand der Anfechtungs- und Leistungsklage ist insoweit allerdings nur der Bescheid vom 3.6.2015, mit dem der Beklagte als örtlich und sachlich zuständige Behörde ausdrücklich sämtliche bis dahin für die Zeit vom 1.7.2014 bis zum 31.10.2015 ergangenen, zuvor bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheide zugunsten der Klägerin geändert hat, weitere Leistungen bewilligt und damit (zugleich) die Zahlung höherer Leistungen abgelehnt hat, sowie der in der Folge ergangene Bescheid für die Zeit ab dem 1.7.2015 (vom 27.7.2015). Die Möglichkeiten der Überprüfung der vorangegangenen bestandskräftig gewordenen Leistungsbewilligungen nach den Regelungen der §§ 44, 48 SGB X sind insoweit der Ausgangsbehörde vorbehalten; die Widerspruchsbehörde, die in Rheinland-Pfalz abweichend von § 85 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGG nicht auch die Ausgangsbehörde ist(vgl § 4 Abs 1 Nr 1a des Ausführungsgesetzes zum SGG, hier idF von Art 1 des Gesetzes vom 22.12.2004 ), hat kein Selbstentscheidungsrecht. Der Kreisrechtsausschuss konnte (was er auch zutreffend erkannt hat) wegen seiner funktionalen und sachlichen Unzuständigkeit selbst keine (ändernde) Regelung über die streitige Höhe der Leistung treffen, die ihrerseits (isoliert) Gegenstand einer (kombinierten Anfechtungs- und) Leistungsklage hätte sein können (anders aber bei Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde, vgl BSG Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 35/16 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 82 RdNr 12 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

21

Dabei ist der Bescheid vom 3.6.2015 nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(zur Abgrenzung von § 96 SGG zu § 86 SGG für die Zeit zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und Klageerhebung nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 3a mwN); denn er trifft eine neue, nicht nur wiederholende Regelung bezogen auf den Streitgegenstand, über den die Widerspruchsbehörde entschieden hat, und ersetzt die Entscheidung vom 30.6.2014 vollständig (vgl § 39 SGB X). Über ihn ist deshalb im vorliegenden Klageverfahren zu entscheiden, ohne dass es seiner erneuten Überprüfung in einem Vorverfahren bedarf. Dies gilt auch, wenn die Klage gegen den Bescheid vom 30.6.2014 unzulässig, weil nicht statthaft wäre (zu dieser Möglichkeit sogleich), weil auch eine unzulässige Klage die für die Anwendung des § 96 Abs 1 SGG erforderliche Rechtshängigkeit begründet(vgl etwa BSG Urteil vom 24.9.1992 - 9a RV 39/91 - juris RdNr 14). Insoweit ist Voraussetzung für eine "Änderung" iS des § 96 Abs 1 SGG lediglich, dass der Ausgangsbescheid Gegenstand eines anhängigen Gerichtsverfahrens ist(zu dieser Voraussetzung Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 96 RdNr 26; Schmidt, aaO, § 96 RdNr 2a). Folglich kann bei einer - letztlich durch Prozessurteil abzuweisenden - unzulässigen Klage bezüglich des angefochtenen Ausgangsbescheids ein neuer abändernder oder ersetzender Verwaltungsakt auf Grundlage von § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des laufenden Verfahrens werden, über den durch Sachurteil zu entscheiden ist(vgl Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 96 RdNr 17 unter Hinweis auf BSGE 18, 84, 85). Ob anderes gilt, wenn die Klage verspätet erhoben wird (dazu Bienert NZS 2011, 732, 733), braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

22

Damit kann offenbleiben, ob der Bescheid vom 30.6.2014 mit seiner Bekanntgabe seinerseits Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt noch beim SG anhängigen Klageverfahrens (S 3 SO 120/14) gegen den Bescheid vom 28.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.4.2014 geworden ist. In diesem Fall hätte der Bescheid vom 30.6.2014 zulässigerweise (und unabhängig davon, dass er in dem ersten Verfahren unter Verkennung der Rechtslage tatsächlich nicht einbezogen worden ist) nicht erneut zum Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens gemacht werden können; dies hätte zur Folge gehabt, dass auch die folgende Klage unzulässig gewesen wäre, weil der Widerspruch von vornherein nicht statthaft gewesen wäre (vgl BSG SozR 4-4300 § 323 Nr 1 RdNr 27; BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5). Die mit Rücknahme der ersten Klage eingetretene Bestandskraft hätte die Widerspruchsbehörde - wie ausgeführt - durch ihre Entscheidung auch nicht durchbrechen dürfen. Allerdings ist die Rechtsprechung des BSG zu § 96 Abs 1 SGG für die Fälle uneinheitlich, in denen ein Bescheid ergeht, der während des laufenden Klageverfahrens, gerichtet auf höhere Leistungen, eine begünstigende Änderung nach § 48 SGB X bezogen auf den Streitgegenstand des Klageverfahrens ablehnt. Der 4. Senat des BSG sieht den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 96 SGG (unter Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung) als eröffnet an, weil die vorgenommene neue Sachprüfung es rechtfertige, auch eine solche Entscheidung wie eine Änderung oder Ersetzung iS von § 96 Abs 1 SGG zu behandeln(vgl BSGE 118, 82 = SozR 4-4200 § 21 Nr 21, RdNr 11). Ob der Senat sich dieser Rechtsprechung zu § 96 SGG anschließt oder mit der Rechtsprechung des 9. Senats (vgl BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 26 RdNr 27)§ 96 SGG in der seit dem 1.4.2008 geltenden Fassung für nicht anwendbar hält, weil von dem Bescheid, der eine Änderung nach § 48 SGB X ablehnt, eine zusätzliche Beschwer bezogen auf das anhängige Klageverfahren nicht ausgeht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung; denn vorliegend ist die Klage - wie ausgeführt - nach Erlass des Bescheids vom 3.6.2015 in jedem Fall zulässig.

23

Für die Zeit ab dem 1.7.2015 hat schließlich der Bescheid vom 27.7.2015 die Regelung vom 3.6.2015 ersetzt (vgl erneut § 96 Abs 1 SGG). Da die beiden zulässigerweise angefochtenen Bescheide lediglich den Zeitraum vom 1.7.2014 bis zum 31.10.2015 regeln und Bescheide wegen der weiteren Bewilligungsabschnitte (zur abschnittsweisen Bewilligung von Grundsicherungsleistungen vgl § 44 Abs 3 SGB XII) nicht (insbesondere im Wege einer Klageerweiterung nach § 99 SGG) in das Verfahren einbezogen worden sind, können höhere Leistungen für die Zeit ab dem 1.11.2015 nicht zulässiger Streitgegenstand sein. Auf eine entsprechende Beschränkung des Klageantrags in zeitlicher Hinsicht wird das LSG nach Zurückverweisung hinzuwirken haben, bevor es in der Sache entscheidet.

24

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
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(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 65b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

(1) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist.

(2) Die Klageschrift ist unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 8/08
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Berufungsbegründung per E-Mail
Eine Berufungsbegründung ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald dem
Berufungsgericht ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht
übermittelten, die vollständige Berufungsbegründung enthaltenden Bilddatei
(hier: PDF-Datei) vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines vom Prozessbevollmächtigten
unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis
des § 130 Nr. 6 ZPO genügt.
BGH, Beschl. v. 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Juli 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Keukenschrijver, Prof.
Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Februar 2008 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1 Million Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch. Mit am 3. Juli 2007 zugestelltem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
2
Am Nachmittag des 3. September 2007 versuchte die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die ausgedruckte und unterzeichnete Begründung der fristgemäß eingelegten Berufung gemeinsam mit der Beru- fungsbegründung in einem Parallelverfahren per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Der erste Übermittlungsversuch schlug gegen 15.15 Uhr nach Übermittlung der ersten neun Seiten der Berufungsbegründung im Parallelverfahren fehl. Auf telefonische Anfrage erhielt die Anwaltssekretärin von der auf der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts tätigen Justizhauptsekretärin die Auskunft, die Berufungsbegründung könne auch auf elektronischem Wege (per E-Mail) übersandt werden; die Beamtin nannte hierzu ihre persönliche elektronische Anschrift unter der E-Mail-Adresse des Oberlandesgerichts. Die Anwaltssekretärin übersandte hierauf die von ihr zuvor eingescannte Berufungsbegründung als Datei im Portable-Document-Format (PDF). Die Geschäftsstellenbeamtin druckte die Datei aus und versah sie mit einem Eingangsstempel; hierüber vergewisserte sich die Anwaltssekretärin telefonisch und bat um Übersendung einer Eingangsbestätigung. Am Folgetag ging die Berufungsbegründung per Post beim Berufungsgericht ein.
3
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung verworfen.
4
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.
5
II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Übermittlung der Berufungsbegründung als PDF-Anhang zu einer elektronischen Nachricht habe die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt. In § 130 Nr. 6 und § 130a unterscheide die Zivilprozessordnung zwischen der Übermittlungsform der Telekopie und der Einreichung eines elektronischen Dokuments. Die erstere Form sei durch die Übermittlung des Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst definiert; dabei handele es sich um einen Telekommunikationsdienst zur Übermittlung von Fernkopien über das Fern- sprechnetz. Dagegen regele § 130a ZPO die Einreichung von Schriftsätzen per E-Mail oder in sonstiger Weise über das Internet. Dieser Form habe sich die Klägerin bedient, jedoch nicht in wirksamer Weise, da die hierfür erforderliche Zulassung durch Rechtsverordnung für das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht erfolgt sei. Der Ausdruck der Datei durch die Geschäftsstellenbeamtin sei unerheblich , da maßgeblich die verwendete Übermittlungstechnik sei; andernfalls werde die vom Gesetz vorgesehene Steuerungsmöglichkeit des Verordnungsgebers ausgehöhlt. Die Klägerin sei auch nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Das Telefaxgerät des Oberlandesgerichts sei am Sendetag grundsätzlich funktionsfähig gewesen , wie sich aus vor und nach 15.15 Uhr empfangenen Sendungen ergebe. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe daher durch organisatorische Maßnahmen dafür Sorge tragen müssen, dass die Übermittlung per Telefax so lange weiterversucht würde, bis die Zwecklosigkeit weiterer Versuche festgestanden hätte. Dass die Anwaltssekretärin gegen 16.20 Uhr einen weiteren Übermittlungsversuch gemacht habe, sei nicht glaubhaft gemacht und im Übrigen unzureichend. Für die Klägervertreter sei auch erkennbar gewesen, dass die Übermittlung per E-Mail zur Fristwahrung nicht geeignet sei; auf die Rechtsauskunft der Geschäftsstellenbeamtin habe er sich nicht verlassen dürfen.
6
III. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Eingang des die unterzeichnete Berufungsbegründung enthaltenden Ausdrucks der PDF-Datei am 3. September 2007 auf der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts hat die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.
7
1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass das Gesetz unterschiedliche Anforderungen an die Übermittlung eines Schriftsatzes in Schriftform und die Einreichung eines elektronischen Dokuments stellt. Die Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument ist nur zulässig, wenn die zuständige Landesregierung oder Bundesregierung durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form bestimmt hat (§ 130a Abs. 2 ZPO). Damit soll sichergestellt werden, dass die elektronische Übermittlung von Schriftsätzen erst dann erfolgt, wenn und soweit bei den betreffenden Gerichten die organisatorischen und technischen Voraussetzungen hierfür und für die weitere Bearbeitung der Schriftsätze geschaffen sind (BT-Drucks. 14/4987, S. 23 f.). Da die badenwürttembergische Landesregierung eine entsprechende Verordnung für die Einreichung elektronischer Dokumente bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe bislang nicht erlassen hat, stand diese Übermittlungsform der Klägerin nicht zur Verfügung.
8
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis jedoch nicht maßgeblich, dass die Klägerin dem Berufungsgericht ein elektronisches Dokument übermittelt hat, sondern dass dem Berufungsgericht die Berufungsbegründung fristgerecht in Schriftform, nämlich als ausgedruckter Schriftsatz mit der (in Kopie wiedergegebenen) Unterschrift des Prozessbevollmächtigten , vorgelegen hat.
9
a) Wie das Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 126, 126a BGB) unterscheidet die Zivilprozessordnung zwischen der Schriftform und der elektronischen Form. Wo die Schriftform vorgeschrieben ist, wie für die Berufungsschrift (§ 519 Abs. 1 ZPO) und die Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO), "genügt" dieser Form, wie § 130a Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Inhaltlich übereinstimmend, aber genauer spricht § 126 Abs. 3 BGB davon, dass die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden kann.
10
Während die schriftliche Form durch die vom Aussteller unterzeichnete Urkunde gekennzeichnet wird (§ 126 Abs. 1 BGB), besteht das elektronische Dokument aus der in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge selbst; an die Stelle der Unterschrift tritt demgemäß die (qualifizierte) elektronische Signatur (§ 126a Abs. 1 BGB, § 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO). § 130a Abs. 3 ZPO bestimmt demgemäß, dass ein elektronisches Dokument eingereicht ist, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat.
11
Zu den schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten zählt das Gesetz auch diejenigen, die im Wege der Telekopie (per Telefax) übermittelt werden. Maßgeblich für die Wirksamkeit eines auf diesem Wege übermittelten Schriftsatzes ist allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde (GmS-OGB BGHZ 144, 160, 165). Auch wenn ein Telefax zunächst im Empfangsgerät des Gerichts elektronisch gespeichert wird, tritt die Speicherung der Nachricht nicht an die Stelle der Schriftform (BGHZ 167, 214 Tz. 21). Daran ändert es auch nichts, dass es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes allein darauf ankommt, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind. Damit wird lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass es der Absender nicht in der Hand hat, wann der Ausdruck eines empfangenen Telefaxes erfolgt und die Gerichte zum Teil dazu übergegangen sind, außerhalb der Dienstzeiten eingehende Faxsendungen erst am nächsten Arbeitstag auszudrucken (BGHZ aaO Tz. 17 f.). § 130 Nr. 6 ZPO trägt der elektronischen Übermittlungsform nur insofern Rechnung, als er an Stelle der - bei bestimmenden Schriftsätzen nach ständiger Rechtsprechung (s. nur GmS-OGB BGHZ 75, 340, 349; BGHZ 97, 283, 284 f.) grundsätzlich zwingenden - Unterschrift auf der Urkunde die Wiedergabe dieser Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie genügen lässt.
12
b) Der beim Berufungsgericht erstellte Ausdruck der auf elektronischem Wege übermittelten Datei genügt der Schriftform.
13
Der Ausdruck verkörpert die Berufungsbegründung in einem Schriftstück und schließt auch mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ab. Dass die Unterschrift nur in der Kopie wiedergegeben ist, ist entsprechend § 130 Nr. 6 2. Alt. ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schriftsatz elektronisch als PDF-Datei übermittelt und von der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts entgegengenommen worden ist.
14
Zwar lässt das Gesetz die Wiedergabe der Unterschrift nur für den Fall der Übermittlung durch einen Telefaxdienst ausdrücklich zu. Nimmt das Gericht indessen einen auf andere Weise elektronisch übermittelten Schriftsatz entgegen , behinderte es den Zugang zu Gericht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise (BVerfGE 41, 323, 326 f.; 41, 332, 334 f.; 69, 381, 385; BGHZ 151, 221, 227), würde die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie in diesem Fall nicht für genügend erachtet.
15
Der Gesetzgeber hat dies nicht ausschließen wollen. Vielmehr heißt es im Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (BT-Drucks. 14/5561, S. 20), die Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung und an die Landesregierungen in § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO sei dahingehend zu präzisieren, dass sich die Regelungsbefugnis nur auf solche elektronische Dokumente erstrecke, deren Empfang und weitere Bearbeitung besondere technische und organisatorische Vorbereitungen bei den Gerichten erfordere. Dies sei typischerweise bei elektronischen Dokumenten der Fall, die mit einer elektronischen Signatur versehen seien, nicht aber bei anderen auf elektronischem Wege übermittelten Doku- menten wie dem Telefax oder dem Computer-Fax. Diese Übermittlungsformen seien von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, zuletzt von der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe vom 5. April2000, bereits vorbehaltlos für zulässig erachtet worden. Sie würden durch den Zulässigkeitsvorbehalt in § 130a nicht erfasst. Diese Stellungnahme bestätigt, dass § 130a ZPO nur die Einreichung von (zur Bearbeitung durch das Gericht geeigneten ) Dateien als elektronische Dokumente regeln soll, die die Bundesregierung den Verfahrensbeteiligten nach der Begründung ihres Gesetzentwurfs als zusätzliche Möglichkeit zur Verfügung stellen wollte (BT-Drucks. 14/4987, S.

24).


16
Ein erhöhtes Risiko, dass eine über das Internet übermittelte Datei auf diesem Wege verfälscht werden könnte, rechtfertigt eine Ungleichbehandlung von Telekopien und Bilddateien beim Unterschriftserfordernis nicht. Ein per Telefax übermittelter Schriftsatz kann zulässigerweise als Computerfax mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten versandt werden (GmS-OGB BGHZ 144, 160), und der Versand kann von jedem beliebigen Telefonanschluss erfolgen (BAG, Beschl. v. 14.3.1989 - 1 AZB 26/88, NJW 1989, 1822); zudem soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung die Wiedergabe der Unterschrift in der Telekopie unabhängig davon ausreichen , ob das Telefax bei Gericht unmittelbar eingeht oder diesem durch einen Boten überbracht wird (BT-Drucks. 14/4987, S. 24). Schon dies erlaubt kaum eine Überprüfung, ob der Schriftsatz tatsächlich von demjenigen autorisiert ist, von dem er autorisiert zu sein scheint. Zudem bieten zahlreiche Dienstleister die Möglichkeit an, ein Telefax aus dem Internet zu versenden. Technisch möglich, wenn auch noch kaum gebräuchlich ist ferner die Echtzeitübertragung von Faxnachrichten über IP-Netze mittels des von der International Telecommunication Union (ITU) definierten Standards T.38 ("Fax over IP" - FoiP). Auch solche Fernkopien fallen in den Anwendungsbereich des § 130 Nr. 6 ZPO, weil die Übermittlung an den Empfänger über das Telefonnetz erfolgt, dürften aber kaum eine höhere Gewähr für eine autorisierte und unverfälschte Übermittlung als eine Versendung per E-Mail bieten.
17
Der Gleichbehandlung steht auch nicht entgegen, dass damit, wie das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen des § 130a ZPO für die Einreichung elektronischer Dokumente ausgehöhlt würden. Denn solange dies nicht durch Rechtsverordnung zugelassen wird, ist das Gericht nicht verpflichtet, elektronische Dokumente entgegenzunehmen. Das Berufungsgericht hat demgemäß hierfür auch keine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt und die Berufungsbegründung nicht als elektronisches Dokument entgegengenommen. Die Klägerin hat sich vielmehr der persönlichen dienstlichen E-Mail-Adresse der Geschäftsstellenbeamtin bedient, nachdem diese sich bereit erklärt hatte, den Schriftsatz über diese Adresse entgegenzunehmen, auszudrucken und mit einem Eingangsvermerk zu versehen. Das Gericht hat damit wie mit der Bereitstellung eines Telefaxanschlusses eine besondere Möglichkeit geschaffen, die - elektronisch übermittelte - Berufungsbegründung in schriftlicher Form einzu- reichen.
18
Besteht aber eine solche Möglichkeit, ist es sachlich nicht zu rechtfertigen , anders als bei einem Telefax die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie nicht genügen zu lassen.
19
c) Der Senat tritt mit dieser Beurteilung auch nicht in Widerspruch zu der Annahme des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2006 (XI ZB 40/05, NJW 2006, 3784; zustimmend Musielak /Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 129 Rdn. 11), eine eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmenden Schriftsatz genüge nicht den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO, wenn der Schriftsatz nicht unmit- telbar aus dem Computer, sondern mit Hilfe eines normalen Faxgeräts versandt werde. Sofern eine Differenzierung zwischen "Computerfax" und "Normalfax" überhaupt tragfähig sein sollte, könnte es nicht darauf ankommen, durch welches Gerät das Telefax aufgezeichnet und versandt worden ist, sondern nur darauf, ob es von einer eigenhändig unterzeichneten Urkunde gewonnen worden ist. Ist es unzulässig, einen bestimmenden Schriftsatz mit einer FaksimileUnterschrift über ein herkömmliches Faxgerät zu versenden, kann es ebenso wenig zulässig sein, denselben Schriftsatz mittels eines Scanners aufzunehmen und über den Computer zu versenden. In beiden Fällen fehlt es nämlich an der technischen Notwendigkeit, eine Faksimile-Unterschrift genügen zu lassen (vgl. BGH aaO Tz. 9). Umgekehrt muss es dann aber auch dem Unterschriftserfordernis ebenso genügen, wenn der Schriftsatz mit eigenhändig geleisteter Unterschrift insgesamt eingescannt und erst dann als Telefax aus dem Computer versendet wird, wie wenn die Aufzeichnung nicht durch einen an den Computer angeschlossenen Scanner, sondern durch ein herkömmliches Telefaxgerät erfolgt, das die Vorlage ebenfalls mit einer Scanneinrichtung abtastet und (bei den Fax-Gruppen 1 und 2) analoge bzw. (bei den Fax-Gruppen 3 und
4) digitale Abtastdaten überträgt. In diesem Sinne ist im Streitfall, in dem der Schriftsatz wie beim "Normalfax" als eigenhändig unterzeichnetes Original vorliegt und mitsamt der Unterschrift eingescannt worden ist, ein auch nach den Maßstäben der Entscheidung des XI. Zivilsenats aaO zulässiger Fall der Wiedergabe der Unterschrift in Kopie gegeben.
Melullis Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 29.06.2007 - 7 O 294/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.02.2008 - 6 U 128/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I I Z B 4 2 4 / 1 4
vom
18. März 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht
, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer
elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden
PDF-Datei vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines von dem
Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten
Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis des § 64
Abs. 2 Satz 4 genügt (im Anschluss an BGH Beschluss vom 15. Juli 2008
- X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649).
BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - Kammergericht Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des 13. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 8. August 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 3 (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist.
2
Der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem der Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind entzogen und das Jugendamt zum Vormund des Kindes bestellt worden war, wurde ihr am 31. Mai 2014 zugestellt. Mit elektronischem, auf den 4. Juni 2014 datierten Dokument, das am 25. Juni 2014 auf dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts eingegangen ist, hat die Mutter Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Der Beschwerdeschriftsatz war nicht mit einer qualifizierten elektroni- schen Signatur versehen. Vielmehr wurde der Beschwerdeschriftsatz mitsamt Anlagen eingescannt und als PDF-Datei elektronisch an das Amtsgericht versandt.
3
Das Kammergericht hat die Beschwerde verworfen; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Mutter.

II.

4
Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
5
1. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , dass eine Beschwerde zwar auch auf elektronischem Wege bei Gericht eingelegt werden könne, sie aber in diesem Fall mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müsse. Daran fehle es hier, denn die Beschwerdeschrift sei lediglich als elektronisches PDF-Dokument übermittelt worden , das zwar unterzeichnet, aber nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen gewesen sei. Die einfache Unterschrift unter dem elektronisch übermittelten Dokument reiche nicht aus. Die Beschwerde sei daher mangels formgerechter Einlegung unwirksam und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen in die versäumte Beschwerdefrist komme nicht in Betracht, denn die Mutter sei nicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die betreffende Frist einzuhalten.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Zwar ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass die mittels Datei übersandte Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gerecht wird. Jedoch hat sich das Beschwerdegericht nicht die Frage vorgelegt, ob der ausweislich des Eingangsstempel am 25. Juni 2014 im Geschäftsgang des Amtsgerichts eingegangene Ausdruck der PDFDatei mit dem unterzeichneten Beschwerdeschriftsatz die am 30. Juni 2014 abgelaufene Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt hat.
7
a) Grundsätzlich sieht § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Einlegung der Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle vor. Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten eigenhändig zu unterzeichnen. Das Erfordernis der Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. GmS-OGB BGHZ 75, 340 = NJW 1980, 172, 174 und BGHZ 144, 160 = NJW 2000, 2340, 2341).
8
aa) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG können die Beteiligten Anträge und Erklärungen auch als elektronisches Dokument übermitteln. Über § 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG gelten für das elektronische Dokument § 130 a Abs. 1 und 3 ZPO sowie § 298 ZPO entsprechend. Anstelle der vom Urheber unterzeichneten Urkunde besteht das elektronische Dokument aus der in der elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge selbst. An die Stelle der Unterschrift tritt demgemäß die qualifizierte elektronische Signatur (§ 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG i.V.m. § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bei der qualifizierten elektronischen Signatur handelt es sich um eine elektronische Signatur nach § 2 Nr. 1 Signaturgesetz (SigG), die zusätzlich die Voraussetzungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 2 SigG erfüllen und weiter auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein muss (BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 12 ff.; BGHZ 197, 209 = NJW 2013, 2034 Rn. 9). Bestimmende Schriftsätze müssen grundsätzlich entweder mit einer Unterschrift oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO versehen werden (BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 15 ff.).
9
bb) Zu den schriftlichen, nicht den elektronischen Dokumenten zählen diejenigen, die im Wege eines Telegramms, mittels Fernschreiben oder per Telefax übermittelt werden (vgl. zu den Ausnahmen vom Unterschriftserfordernis insoweit jeweils die Nachweise bei GmS-OGB BGHZ 144, 160 = NJW 2000, 2340, 2341). Für die Übermittlung einer Berufungsbegründung durch Computerfax hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden , dass in Prozessen mit Anwaltszwang bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können (GmS-OGB BGHZ 144, 160 = NJW 2000, 2340 f.). Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit eines elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist allein die auf Veranlassung des Absenders beim Gericht erstellte körperliche Urkunde. Die vorübergehende Speicherung tritt aber nicht an die Stelle der Schriftform. Statt der handschriftlichen Unterschrift auf der Urkunde genügt bei der elektronischen Übermittlungsform die Wiedergabe der Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Eingabe sicherzustellen, kann auch im Fall einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden.
10
Wird eine im Original eigenhändig unterzeichnete Berufungsbegründung eingescannt und im Anhang einer Email als PDF-Datei nach vorheriger Rück- sprache mit der Geschäftsstellenbeamtin an die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts geschickt, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Ausdruck einer auf diesem Weg übermittelten Datei der Schriftform. Denn der Ausdruck verkörpert die Berufungsbegründung in einem Schriftstück und schließt mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten ab. Dass die Unterschrift nur in Kopie wiedergegeben ist, ist entsprechend § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schriftsatz elektronisch übermittelt und von der Geschäftsstelle entgegengenommen worden ist (BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 13; ebenso BAG NZA 2013, 983 Rn. 12; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16. August 2012 - L 3 R 801/11 - juris Rn. 39).
11
b) Nach diesen Maßstäben ist das Kammergericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Übersendung der PDF-Datei mit der eingescannten Beschwerdeschrift den Anforderungen an ein elektronisches Dokument nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 130 a Abs. 1 ZPO nicht genügt, weil es an der hierfür erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur fehlt.
12
Indes hat sich das Beschwerdegericht nicht mit der Tatsache befasst, dass sich in den Akten eine ausgedruckte und mit der Unterschrift der Mutter versehene Beschwerdeschrift befindet, die ausweislich des Eingangsstempels am 25. Juni 2014 zu den Akten gelangt ist. Dieser Fall ist mit dem bereits vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649) vergleichbar. Die Mutter hat ihre Beschwerdeschrift eingescannt und als PDF-Datei an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts übermittelt, wo der Schriftsatz ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Das Beschwerdegericht hat allerdings offen gelassen, ob die Mutter das Original des Beschwerdeschriftsatzes vor dem Einscannen handschriftlich unterzeichnet oder es lediglich mit ihrer eingescannten bzw. hineinkopierten Unterschrift versehen hat. Hierauf kommt es aber maßgeblich an.
13
Von dem grundsätzlichen Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift sind Ausnahmen bislang stets nur dann zugelassen worden, wenn eine Unterschrift auf Grund der technischen Besonderheiten des Übermittlungswegs nicht möglich war (BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 40/05 - NJW 2006, 3784 Rn. 8). Zu diesen Ausnahmen gehört etwa die Möglichkeit, verfahrensbestimmende Schriftsätze per Computerfax zu übermitteln. Da hier ein Ausdruck des Schriftsatzes im Verantwortungsbereich des Absenders nicht gefertigt wird, weil die im Computer erstellte Datei unmittelbar aus dem Computer an das Faxgerät des Gerichts übermittelt wird, und der Schriftsatz erstmals bei Gericht die Papierform erhält, scheidet eine eigenhändige Unterschrift aus technischen Gründen aus. Anders verhält es sich aber, wenn der bestimmende Schriftsatz mittels eines normalen Telefaxgeräts übermittelt wird, weil dann der ausgedruckt vorliegende, per Fax zu übermittelnde Schriftsatz von dem Absender ohne weiteres unterschrieben werden kann. Mangels technischer Notwendigkeit genügt daher eine eingescannte Unterschrift nicht den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO (bzw. § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG), wenn der Schriftsatz mit Hilfe des normalen Faxgeräts und nicht unmittelbar aus dem Computer versandt wird (BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 40/05 - NJW 2006, 3784 Rn. 9).
14
Diese unterschiedlichen Anforderungen an die Unterschrift bei Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes per Computerfax einerseits und herkömmlichen Telefax andererseits verstoßen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Der Umstand , dass die Rechtsprechung dem technischen Fortschritt Rechnung trage und Ausnahmen von dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift zulasse, zwinge nicht dazu, diese noch auf weitere Fälle zu erstrecken (BVerfG NJW 2007, 3117, 3118). Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Original eines bestimmenden Schriftsatzes stelle am wirkungsvollsten sicher, dass der Berechtigte das Schreiben autorisiert habe. Bei der eingescannten oder hineinkopierten Unterschrift sei dies nicht in gleicher Weise gegeben. Die in Dateiform gespeicherte Unterschrift könne dem Ausdruck vielmehr von jeder Person beigefügt werden, ohne dass diese Person im Nachhinein erkennbar sei (BVerfG NJW 2007, 3117, 3118).
15
Aus denselben Gründen wird die Einreichung eines mit einem FaksimileStempel versehenen Schriftsatzes als dem eigenhändigen Unterschrifterfordernis nicht genügend angesehen (BAG NJW 2009, 3596 Rn. 18). Ist es aber unzulässig , einen bestimmenden Schriftsatz mit einer Faksimile-Unterschrift über ein herkömmliches Faxgerät zu versenden, kann es ebenso wenig zulässig sein, denselben Schriftsatz mittels eines Scanners einzulesen und über den Computer zu versenden. In beiden Fällen fehlt es an der technischen Notwendigkeit , eine Faksimile-Unterschrift genügen zu lassen (BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 19).
16
Für den Fall, dass die Mutter den Beschwerdeschriftsatz im Original unterschrieben und den Schriftsatz mit ihrer eigenhändig geleisteten Unterschrift insgesamt eingescannt und verschickt hat, wäre dem Unterschriftserfordernis genüge getan. Die Mutter hätte dann die Beschwerdefrist eingehalten. Für den Fall, dass sie das Original der Beschwerdeschrift lediglich mit einer eingescannten oder hineinkopierten Unterschrift versehen hat, wäre die Beschwerde dagegen nicht wirksam eingelegt. Mangels entsprechender Feststellungen ist zugunsten der Mutter im Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass sie den Beschwerdeschriftsatz im Original unterschrieben hat.
17
3. Die Sache ist deswegen gemäß § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FamFG aufzuheben und an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil es an den erforderlichen Feststellungen fehlt.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 27.05.2014 - 155 F 19415/13 -
Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 08.08.2014 - 13 UF 202/14 -

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 218/10
vom
21. Juli 2011
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser und die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 21. Juli 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 5. Oktober 2010 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 300 Abs. 3 Satz 2, §§ 4, 6, 7 InsO, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, sie ist jedoch gemäß § 574 Abs. 2 ZPO im Übrigen unzulässig. Sie deckt keinen Zulässigkeitsgrund auf. Weder weicht das Beschwerdegericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab noch verletzt sie verfassungsmäßige Rechte des Schuldners.
2
1. Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt ins- besondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts (BVerfG, NJW 2001, 3473 f; BGH, Beschluss vom 6. März 1995 - II ZB 1/95, NJW 1995, 1431, 1432 f; vom 30. September 2003 - X ZB 48/02, NJW-RR 2004, 283, 284). Auch vorliegend lag die Übermittlungsstörung in der Sphäre des Insolvenzgerichts, weil nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung das angewählte Faxgerät auf der Insolvenzgeschäftsstelle des Amtsgerichts Nordenham am 2. September 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht anwählbar war. Dies befreit den Bevollmächtigten eines Verfahrensbeteiligten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich herausstellt, dass aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung nicht zustande kommt (BGH, Beschluss vom 6. März 1995 aaO). Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Möglichkeit bestanden hätte, die Beschwerde an das einsatzbereite Hauptfaxgerät des Amtsgerichts Nordenham zu versenden oder aber an das Faxgerät des Landgerichts Oldenburg.
3
Mit dieser Bewertung setzt sich das Beschwerdegericht nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2003 (V ZB 60/02, VersR 2004, 492), wie die Rechtsbeschwerdebegründung meint. Der Bundesgerichtshof ist in dieser Entscheidung nur der Auffassung des Berufungsgerichts entgegengetreten, der Rechtsanwalt habe ein Blitztelegramm aufgeben, einen Kurierdienst mit 24 Stunden-Service oder ein am Sitz des Berufungsgerichts residierendes Rechtsanwaltsbüro beauftragen müssen, den Schriftsatz in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts einzuwerfen, oder aber selbst mit dem Auto zum Berufungsgericht fahren müssen. Er hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass anders zu entscheiden wäre, wenn der fristwahrende Schriftsatz einer anderen Stelle des Rechtsmittelgerichts per Fax hätte übermittelt werden können.
4
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858) steht dem nicht entgegen. Nach ihr kann von einem Rechtsanwalt , der sich darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz durch Fax zu übermitteln , beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt. Das Beschwerdegericht hat jedoch vom Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nicht verlangt, eine andere als die von ihm gewählte Telefaxübermittlung zu wählen, es hat von ihm nur gefordert, das Hauptfaxgerät des Amtsgerichts Nordenham anzuwählen. Dies ist einem Verfahrensbevollmächtigten auch von Verfassungs wegen zumutbar. Denn er soll nicht untererheblichem Zeit- und Kostenaufwand alle nur denkbaren Anstrengungen unternehmen, um einen fristgerechten Eingang beim Gericht doch noch sicherzustellen, sondern nur einen naheliegenden, kaum zusätzlicher Mühe erfordernden Übermittlungsversuch. Deswegen kann auch nicht gesagt werden, dass eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte vorliege, weil ein Rechtsanwalt, der seinen Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf fertige, ohne weiteres Wiedereinsetzung erhalte, sofern er nur einen fehlgeschlagenen Übermittlungsversuch so zeitig begonnen habe, dass er unter normalen Umständen bis 24 Uhr abgeschlossen worden wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858).
5
2. Der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners hätte auch bemerken müssen, dass der Übermittlungsversuch des Schriftsatzes durch Telefax erfolglos war, wenn er die erforderliche Ausgangskontrolle vorgenommen hätte (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 15; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11 f; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12; vom 22. September 2010 - XII ZB 117/10, NJW-RR 2011, 138 Rn. 11). Die Ausgangskontrolle anhand des Sendeberichts dient nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010, aaO Rn. 14).
6
3. Selbst wenn den Rechtsbeschwerdeführer an der Versäumung der Beschwerdefrist kein Verschulden träfe, wäre die angefochtene Entscheidung im Ergebnis dennoch richtig, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners die Wiedereinsetzungsfrist (§ 238 Abs. 2 ZPO) nicht gewahrt hat. Er hätte innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist spätestens bis zum 17. September 2010 Wiedereinsetzung beantragen müssen (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2004 - X ZB 3/03, NJW-RR 2005, 923; vom 23. November 2004 - XI ZB 4/04, MDR 2005, 526, 527). Demgegenüber ist der Antrag auf Wiedereinsetzung beim Amtsgericht erst am 21. September 2010 eingegangen.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Nordenham, Entscheidung vom 16.08.2010 - 6 IN 15/04 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 05.10.2010 - 6 T 756/10 -

(1) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist.

(2) Die Klageschrift ist unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2015 unter Berücksichtigung von in diesem Monat gezahltem Kinderzuschlag für August 2015.

2

Die Kläger zu 1 und 2 und ihre 2007, 2011 und 2014 geborenen Töchter - die Klägerinnen zu 3, 4 und 5 - leben zusammen in einer Mietwohnung, für die im streitbefangenen Zeitraum eine Kaltmiete von 636 Euro und ein Heizkostenabschlag von 89,50 Euro zu zahlen waren. Die Klägerin zu 1 war vom 14.2.2015 bis 18.10.2016 in Elternzeit und erhielt Elterngeld in Höhe von monatlich 455,49 Euro. Der Kläger - in Elternzeit vom 19.7. bis zum 18.9.2015 - erhielt im September kein Elterngeld und das Arbeitsentgelt für den restlichen September im Oktober 2015. Das Kindergeld belief sich im September 2015 auf 570 Euro. Für September 2015 bewilligtes Wohngeld wurde dem Konto der Kläger zu 1 und 2 am 31.8.2015 gutgeschrieben. Als Kinderzuschlag bewilligte die Familienkasse für August 2015 einen Betrag von 420 Euro, der am 4.9.2015 auf dem Konto einging. Für September 2015 lehnte sie den Antrag auf Kinderzuschlag mangels Erreichens der Mindesteinkommensgrenze ab, für Juli 2015 forderte sie 180 Euro zurück, die am 21.9.2015 abgebucht wurden (Bescheide jeweils vom 31.8.2015).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern auf ihren Antrag vom 15.9.2015 für September 2015 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von zuletzt insgesamt 921,82 Euro. Dabei berücksichtigte es den für August 2015 gezahlten Gesamtkinderzuschlag von 420 Euro als Einkommen und behielt von dem bewilligten Betrag 462 Euro ein, da das für September 2015 gezahlte Wohngeld zu erstatten sei (Bescheid vom 25.9.2015; Änderungsbescheid vom 1.10.2015). Die Widersprüche hiergegen wies der Beklagte zurück und setzte die Leistungen gleichzeitig abschließend fest (Widerspruchsbescheid vom 18.1.2016).

4

Das SG hat den Beklagten verurteilt, den Klägern weitere Leistungen in Höhe von 420 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen, weil der Kinderzuschlag eine Leistung "nach diesem Buch" iS von § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II und daher nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei.

5

Mit der vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Kläger eingelegten Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 11 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II. Nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II sei der Kinderzuschlag als Einkommen beim jeweiligen Kind zu berücksichtigen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. September 2016 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die Kläger waren im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Im Ergebnis zutreffend hat das SG entschieden, dass die Kläger den Kinderzuschlag für August 2015 nicht zur Deckung ihrer Bedarfe im September 2015 einzusetzen haben. Der Kinderzuschlag ist zwar keine der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II schlechthin entzogene Leistung "nach diesem Buch" iS von § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II. Als zugeflossen gilt er bei normativer Betrachtungsweise abweichend vom tatsächlichen Zahlungseingang aber schon im August 2015 als dem Monat, für den er zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erbracht worden ist.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidung des SG und (nur noch) der Widerspruchsbescheid vom 18.1.2016, soweit der Beklagte - ein zugelassener kommunaler Träger (§ 6a Abs 2 SGB II iVm § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung) - durch ihn die den Klägern für September 2015 zunächst vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 921,82 Euro abschließend zuerkannt ("Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis 28.02.2016 werden endgültig festgesetzt wie folgt:") und den am 4.9.2015 zugeflossenen Kinderzuschlag für August 2015 als Einkommen berücksichtigt und die Zahlung von weiteren 420 Euro abgelehnt hat, zu der er vom SG verurteilt worden ist. Die zuvor ergangenen Bescheide über die vorläufige Leistungsbewilligung vom 25.9.2015 und vom 1.10.2015 haben sich für den streitbefangenen Zeitraum hierdurch erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl letztens etwa BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 15 mwN). Nicht zu entscheiden ist nach dem ausschließlich auf die Gewährung höherer Leistungen gerichteten Klagebegehren, ob der Beklagte von den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts rechtmäßig einen Betrag von 462 Euro zur Weiterleitung an die Wohngeldstelle einbehalten hat.

10

2. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie vom SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird; nach § 161 Abs 1 Satz 3 SGG ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist. Das SG hat die Sprungrevision im Urteil vom 14.9.2016 zugelassen. Die schriftliche Zustimmung der Kläger hat der Beklagte vor Ablauf der Revisionsfrist mit Schriftsatz vom 1.12.2016 vorgelegt. An die Zulassung der Sprungrevision ist der Senat gebunden (§ 161 Abs 2 Satz 2 SGG).

11

3. Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG), da mit Wahrscheinlichkeit von höheren Leistungen ausgegangen werden kann, wenn dem Klagebegehren gefolgt wird (vgl nur BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10 mwN).

12

4. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende Hindernisse bestehen nicht.

13

a) Insbesondere ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil sich die ursprünglich mit den Widersprüchen der Kläger angefochtene vorläufige Bewilligung durch die im Widerspruchsbescheid getroffene abschließende Entscheidung für September 2015 erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl letztens etwa BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 15 mwN) und die nunmehr allein streitbefangene abschließende Entscheidung nicht gemäß § 78 Abs 1 Satz 1 SGG im Rahmen eines (weiteren) Vorverfahrens nachgeprüft worden ist. Zwar liegt insoweit keiner der Fälle des § 78 Abs 1 Satz 2 SGG vor. Ebenso ist die abschließende Entscheidung nicht über § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens oder nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil sie weder vor(§ 86 SGG) noch nach Klageerhebung (§ 96 SGG) bzw nach Erlass des Widerspruchsbescheids getroffen worden ist.

14

Jedoch enthält der Widerspruchsbescheid eine gegenüber der ursprünglichen vorläufigen Bewilligung zusätzliche selbständige Beschwer, was nach der im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 79 Abs 2 Satz 1 VwGO seine selbständige Anfechtbarkeit eröffnet(BSG vom 15.8.1996 - 9 RV 10/95 - SozR 3-1300 § 24 Nr 13 S 35; BSG vom 25.3.1999 - B 9 SB 14/97 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 14 S 39 f; BSG vom 24.3.2015 - B 8 SO 16/14 R - SozR 4-3500 § 116 Nr 1 RdNr 11; zustimmend etwa B. Schmidt in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 95 RdNr 3a; Wehrhahn in jurisPK-SGG, 2017, § 95 RdNr 16 mwN). Entsprechend § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 2 VwGO macht das die erneute Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich(vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 78 RdNr 8; vgl auch Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl 2017, § 68 RdNr 20). Ob der ursprüngliche Ausgangsbescheid hiervon unberührt bleibt wie im Fall der Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift bei Erlass des Widerspruchsbescheids (so etwa BSG vom 15.8.1996 - 9 RV 10/95 - SozR 3-1300 § 24 Nr 13 S 35) oder ob sich der Ausgangsbescheid durch die im Widerspruchsbescheid getroffene Regelung in dem besonderen Verhältnis zwischen vorläufiger und abschließender Entscheidung (vgl dazu nur BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 22)nach § 39 Abs 2 SGB X erledigt hat, ist hierfür nach Sinn und Zweck von § 79 Abs 2 Satz 1 VwGO unbeachtlich.

15

b) Kein Sachentscheidungshindernis begründet es weiter, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 420 Euro unterhalb der Grenze von 750 Euro liegt (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), denn in der im Urteil des SG erfolgten Zulassung der Sprungrevision liegt zugleich eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG(vgl nur BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 10).

16

5. Die abschließende Entscheidung für September 2015 unterliegt nicht (allein) deshalb der Aufhebung, weil der Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als insoweit funktional und sachlich unzuständige Behörde entschieden hätte (zum Aufhebungsanspruch in einer solchen Lage vgl etwa BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - juris, RdNr 15). Denn abweichend von der Grundregel des § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG - Zuständigkeit der nächsthöheren Behörde, wenn nicht eine oberste Bundes- oder Landesbehörde den Verwaltungsakt erlassen hat - ist ua in Angelegenheiten nach dem SGB II der zuständige Träger, der den dem Widerspruch zugrunde liegenden Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig(§ 85 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGG). Jedenfalls solange ein - wie hier - zugelassener kommunaler Träger zur Durchführung der Aufgaben nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II nicht nach landesrechtlicher Maßgabe ihm zugehörige Gemeinden oder Gemeindeverbände herangezogen hat(§ 6 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II) - wofür hier nichts ersichtlich ist - ist er deshalb befugt, als Widerspruchsbehörde eine sachlich der Ausgangsbehörde vorbehaltene Entscheidung zu treffen; ob das in einem Heranziehungsfall nach § 6 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II ebenso gilt(zur zuständigen Widerspruchsbehörde dann vgl § 6 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II), bedarf hier keiner Entscheidung.

17

6. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Kläger auf abschließende Feststellung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für September 2015 sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II idF, die das SGB II vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das Gesetz vom 24.6.2015 (BGBl I 974) erhalten hat. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (vgl letztens BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 30/16 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 11).

18

a) Die Grundvoraussetzungen, um Alg II und Sozialgeld zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGB II), erfüllten die miteinander in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG ergibt.

19

b) Zutreffend ist der Beklagte von einem Gesamtbedarf der Kläger für September 2015 in Höhe von 2180,50 Euro ausgegangen, der sich aus folgenden Einzelbedarfen ergibt: Für die Kläger zu 1 und 2 ist ein Regelbedarf in Höhe von jeweils 360 Euro anzuerkennen (§ 20 Abs 4 SGB II iVm § 2 RBSFV 2015 vom 14.10.2014, BGBl I 1618), hinzu kommen die kopfteilig umzulegenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II)in Höhe von jeweils 145,10 Euro (1/5 von den tatsächlichen, nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG angemessenen Kosten von insgesamt 725,50 Euro), insgesamt jeweils 505,10 Euro. Die Regelbedarfe für die Klägerinnen zu 3 bis 5 betragen 267 Euro bzw 234 Euro (§ 23 Nr 1 SGB II iVm § 2 RBSFV 2015 vom 14.10.2014, BGBl I 1618) zuzüglich jeweils 145,10 Euro als Bedarfe für Unterkunft und Heizung, somit insgesamt 412,10 Euro bzw 379,10 Euro.

20

c) Von diesen Bedarfen hat der Beklagte bei den Klägerinnen zu 3 bis 5 - von dem Kinderzuschlag abgesehen (dazu unter 7. und 8.) - zu Recht das jeweilige Kindergeld (nicht das durchschnittlich geteilte Kindergeld, vgl zB BSG vom 1.12.2016 - B 14 AS 28/15 R - juris, RdNr 16) abzüglich des rückwirkend zum 1.1.2015 erhöhten Unterschiedsbetrags (vgl Art 8 Abs 2 des Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergelds und des Kinderzuschlags vom 16.7.2015, BGBl I 1202, 1205) als Einkommen abgezogen (§ 11 Abs 1 Satz 4 iVm Satz 3 SGB II) und dem Gesamtbedarf der Kläger weiter das der Klägerin zu 1 im September 2015 gezahlte Elterngeld in Höhe von 455,49 Euro gegenübergestellt (§ 9 Abs 2 SGB II), bereinigt um den hälftigen Minderungsbetrag nach § 10 Abs 5 Satz 2 BEEG(§ 10 Abs 5 Satz 3 iVm § 4 Abs 1 Satz 2 BEEG), um den Beitrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 14,81 Euro (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 Halbsatz 1 Alt 1 SGB II), die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V, vgl etwa BSG vom 1.12.2016 - B 14 AS 28/15 R - juris, RdNr 17) sowie den Beitrag zur Altersvorsorge in Höhe von 10 Euro (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II).

21

7. Zutreffend ist der Beklagte entgegen der Auffassung des SG davon ausgegangen, dass der Kinderzuschlag für August 2015 keine "Leistung nach diesem Buch" gemäß § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II darstellt und deshalb nicht schon dem Grunde nach von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen ist.

22

a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte(vgl nur BSG vom 30.7.2008 - B 14/11b AS 17/0AS 17/07 R - RdNr 20 ff; s auch BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 46 RdNr 18). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie, stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt etwa BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 80 RdNr 21; dazu unten 8.).

23

b) Ausgenommen von der Berücksichtigung als Einkommen sind nach § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II ua "Leistungen nach diesem Buch". Hiernach sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats über den Wortlaut hinaus nach Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung systematischer und historischer Zusammenhänge zwischen den drei nebeneinanderstehenden Existenzsicherungssystemen des SGB II, SGB XII und AsylbLG ebenfalls nicht als Einkommen zu berücksichtigen existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII und dem AsylbLG (BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 17/14 R - BSGE 119, 164 = SozR 4-4200 § 11 Nr 73 zum inhaltlich entsprechenden § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung).

24

c) Ein vergleichbares Existenzsicherungssystem im Sinne dieser Rechtsprechung begründet § 6a BKGG nicht. Nach dieser mit dem SGB II eingeführten Regelung (Art 46 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; hier idF des Gesetzes vom 18.7.2014, BGBl I 1042) erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngelds und des Kindergelds über Einkommen iS von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngelds über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

25

Danach hat der Kinderzuschlag zwar ebenfalls existenzsichernde Wirkung. Auch bilden das SGB II und § 6a BKGG aufeinander bezogene Leistungssysteme(BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14; BSG vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - BSGE 122, 11 = SozR 4-5870 § 6a Nr 7, RdNr 14). Gleichwohl ist mit § 6a BKGG kein dem SGB II, SGB XII oder AsylbLG vergleichbares, umfassend konzipiertes Existenzsicherungssystem begründet worden, auf das sich die Sperrwirkung von § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II nach Sinn und Zweck ebenfalls erstreckt. Dem steht, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, bereits die explizite Anrechnungsregel des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II entgegen, die den Kinderzuschlag - wenn auch nur zu Rechenzwecken(vgl unten 8. c) - als Einkommen dem jeweiligen Kind zurechnet. Auch der Sache nach soll der Kinderzuschlag gerade vermeiden, dass Familien mit Kindern nur wegen des Unterhalts der Eltern für die Kinder in ein umfassendes Existenzsicherungssystem - nämlich dem des SGB II - einbezogen und dessen Regime unterstellt werden (vgl nur BSG vom 9.3.2016 - B 14 KG 1/15 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 6 RdNr 28 mit Verweis auf BT-Drucks 15/1516 S 83). Kinderzuschlag nach § 6a BKGG und Alg II bzw Sozialgeld nach § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II stehen deshalb nicht in einem Verhältnis der Gleichordnung, sondern in einem der vorrangigen Alternativität(so zutreffend Seiler, NZS 2008, 505; ähnlich Hengelhaupt in Hauck/Noftz, K § 11 SGB II, Stand der Kommentierung Dezember 2014, RdNr 335: eigenständige Sozialleistung für Erwerbstätige des Niedriglohnsektors; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K Anhang § 6a BKGG, Stand der Kommentierung November 2016, RdNr 37: eigenständiges, im wirtschaftlichen Ergebnis einem "Kombilohn" gleichkommendes Fürsorgesystem; s auch § 12a Satz 2 Nr 2 SGB II, der den Kinderzuschlag als vorrangige Leistung anführt), was es ausschließt, den Kinderzuschlag als Leistung nach diesem Buch iS von § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II anzusehen.

26

8. In dem Alternativverhältnis von § 6a BKGG einerseits und SGB II andererseits ist der Kinderzuschlag abweichend vom tatsächlichen Zufluss dem Monat als Einkommen zuzurechnen, für den er zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erbracht worden ist.

27

a) Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Einkommenszurechnung entsprechend der modifizierten Zuflusstheorie auszugehen vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt etwa BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 80 RdNr 21). Solange eine abweichende normative Vorgabe nicht besteht, ist danach entscheidend allein, ob mit den eingehenden geldwerten Mitteln ein notwendiger Bedarf gedeckt werden kann (vgl BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 22 mwN). Demgemäß hat das BSG entschieden, dass als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen ist etwa Alg (vgl etwa BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 14/07 R - juris, RdNr 21), nachgezahltes Arbeitsentgelt (vgl letztens BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 32/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 72 RdNr 14 mwN) und die bei einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes (BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 12 ff), nachgezahltes Krankengeld (vgl etwa BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19), nachgezahltes Übergangsgeld (BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 22 RdNr 12 ff) oder eine Einkommensteuererstattung (vgl etwa BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - juris, RdNr 10). Abweichungen vom tatsächlichen Wertzufluss sind hingegen etwa rechtlich vorgegeben bei einmaligen Einnahmen (§ 11 Abs 3 SGB II), beim Zeitpunkt der Berücksichtigung von Betriebskostenabrechnungen (§ 22 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II; vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - BSGE 110, 294 = SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 18 zu § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF) oder beim Zufluss einer Erbschaft bereits mit dem Tode des Erblassers (eingehend BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 17 mwN).

28

b) Einen derart vom tatsächlichen Mittelzugang normativ abweichenden Zufluss bestimmt für den Kinderzuschlag § 6a Abs 1 Nr 4 Satz 1 BKGG. Voraussetzung für dessen Bezug ist danach zusätzlich zu den Mindest- und den Höchsteinkommensgrenzen nach § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 BKGG, dass durch ihn Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Zusammen mit der Mindesteinkommensgrenze bewirkt die Regelung, dass nur diejenigen Eltern den Kinderzuschlag erhalten, deren Bedarf nach dem SGB II durch eigenes Einkommen gesichert ist (zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 Satz 1 BKGG vgl nur BSG vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - BSGE 122, 11 = SozR 4-5870 § 6a Nr 7, RdNr 12). Damit ist bezweckt, dass die Familien regelmäßig nur ein Verwaltungsverfahren entweder im Jobcenter als Empfänger von Alg II und Sozialgeld oder bei der Familienkasse für den Zuschlag durchlaufen müssen (BT-Drucks 15/1516 S 83), also entweder dem SGB II oder dem BKGG (Kinderzuschlag) zugeordnet sind (BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 14 mwN). Dieses wechselseitige Ausschlussverhältnis der Leistungssysteme nach SGB II einerseits und § 6a BKGG andererseits steht der Annahme des Beklagten entgegen, dass ein nachträglich gezahlter (Gesamt-)Kinderzuschlag während des Bezugs von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II (notfalls auch) für diesen Zeitraum bedarfsdeckend einzusetzen ist; solche existenzsichernden Wirkungen sind ihm kindergeldrechtlich nach § 6a Abs 1 Nr 4 Satz 1 BKGG gerade nicht zugedacht. Grundsicherungsrechtlich sind deshalb die Leistungen nach § 6a BKGG nur den Monaten als Einkommen zuzurechnen, für die sie zur Vermeidung des Leistungsbezugs nach dem SGB II bestimmt sind.

29

c) Dass es auf den Leistungszweck zur Bestimmung des als maßgeblich anzusehenden Zuflusszeitpunkts seit Aufgabe der sog Identitätstheorie durch das BVerwG (vgl nur BVerwG vom 18.2.1999 - 5 C 35.97 - BVerwGE 108, 296 ff; ebenso stRspr zum SGB II, vgl etwa BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 22; zuletzt etwa BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 16) grundsätzlich nicht mehr ankommt und der Kinderzuschlag gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, steht dem nicht entgegen. Rechtlich modifiziert im Sinne der modifizierten Zuflusstheorie ist die zeitliche Zurechnung des Kinderzuschlags zum Monat der Leistungsbestimmung nicht wegen seines (besonderen) Leistungszwecks, sondern aufgrund von § 6a Abs 1 Nr 4 Satz 1 BKGG, was den gleichzeitigen Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 6a BKGG und nach dem SGB II rechtlich ausschließt. Etwas anderes folgt insoweit auch nicht aus § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach der Kinderzuschlag als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist. Dadurch ist entgegen dem aufgezeigten Regelungszweck nicht zum Ausdruck gebracht, dass Leistungen nach dem SGB II und nach § 6a BKGG für identische Zeiträume zu beziehen sein könnten(ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, K § 11 SGB II, Stand der Kommentierung Januar 2015, RdNr 345). Die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich der Prüfung, ob iS von § 6a Abs 1 Nr 4 Satz 1 BKGG durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden wird(zutreffend Geiger in Münder, SGB II, 6. Aufl 2017, § 11 RdNr 53: "Rechenregel"; zustimmend Mues in Estelmann, § 11 SGB II, Stand der Kommentierung April 2016, RdNr 41; zu diesem Rechengang vgl nur BSG vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - BSGE 122, 11 = SozR 4-5870 § 6a Nr 7, RdNr 12).

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Leistungen nach diesem Kapitel werden auf Antrag erbracht. Gesondert zu beantragen sind Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 Nummer 2 in Verbindung mit den §§ 31 und 33 sowie zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 in Verbindung mit § 34 Absatz 5 und nach § 42 Nummer 5.

(2) Ein Antrag nach Absatz 1 wirkt auf den Ersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird, wenn die Voraussetzungen des § 41 innerhalb dieses Kalendermonats erfüllt werden. Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden vorbehaltlich Absatz 4 Satz 2 nicht für Zeiten vor dem sich nach Satz 1 ergebenden Kalendermonat erbracht.

(3) Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Sofern über den Leistungsanspruch nach § 44a vorläufig entschieden wird, soll der Bewilligungszeitraum nach Satz 1 auf höchstens sechs Monate verkürzt werden. Bei einer Bewilligung nach dem Bezug von Bürgergeld nach dem Zweiten Buch, der mit Erreichen der Altersgrenze nach § 7a des Zweiten Buches endet, beginnt der Bewilligungszeitraum erst mit dem Ersten des Monats, der auf den sich nach § 7a des Zweiten Buches ergebenden Monat folgt.

(4) Leistungen zur Deckung von wiederkehrenden Bedarfen nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 werden monatlich im Voraus erbracht. Für Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 sind die §§ 34a und 34b anzuwenden.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.