Bundessozialgericht Beschluss, 17. Okt. 2017 - B 6 KA 5/17 C
Tenor
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Die Anhörungsrüge sowie die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2017 - B 6 KA 81/16 B - werden zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger ist Verwalter über den Nachlass des 2009 verstorbenen Dr. M, der in den streitbefangenen Quartalen IV/1993 bis III/1997 als Laborarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. Die Beklagte forderte mit Bescheiden vom 25.5.1998 und 16.7.1998 das gesamte in den streitbefangenen Quartalen erzielte Honorar von Dr. M in Höhe von 16 310 396,80 DM zurück, weil er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in freier Praxis ausgeübt habe. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.1998 zurück. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.7.2008 abgewiesen, das LSG hat mit Urteil vom 27.7.2016 die Berufung zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 28.6.2017 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richten sich die Anhörungsrüge sowie die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung des Klägers.
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II. Die Anhörungsrüge des Klägers, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung und dement-sprechend ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden kann (§ 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 124 Abs 3 SGG; s dazu BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 RdNr 16 f; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f), hat keinen Erfolg, denn sie ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbe-gründet.
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Für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), dass die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG) und dass eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG). Die ersten beiden Voraussetzungen sind erfüllt. Anders verhält es sich mit der dritten Voraussetzung. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger mit seinem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch den Beschluss des Senats vom 28.6.2017 schlüssig dargetan hat. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
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Art 103 Abs 1 GG verpflichtet ebenso wie § 62 SGG die Gerichte, die Ausführungen der Pro-zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben könnten. Dieses Gebot verpflichtet die Gerichte allerdings nicht, der Rechtsansicht eines der Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG
vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - BVerfGK 14, 238, 241 f, unter Hinweis auf BVerfGE 64, 1, 12 und BVerfGE 87, 1, 33 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 4; ebenso BVerfG . Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; sie müssen nur das wesentliche, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeiten (stRspr des BVerfG, s zB BVerfGvom 20.7.2011 - 1 BvR 3269/10 - Juris RdNr 3 am Ende) vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303, 304 = Juris, dort RdNr 9 ff mwN; BVerfGK 7, 485, 488) . Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274) oder wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich (BVerfGE 86, 133, 146). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
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Der Kläger macht geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass der Senat nicht berücksichtigt habe, dass der erste Band der Akten zum Verfahren S 39 KA 662/05 nicht mehr vorhanden sei. Zu diesem Vortrag des Klägers hat der Senat sich in seinem Beschluss indes ausdrücklich geäußert und ihn als unzureichend für die Darlegung eines Verfahrensfehlers iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG angesehen. Soweit der Kläger meint, sein Vortrag sei schlüssig und die Zulassung der Revision geboten gewesen, beanstandet er die inhaltliche Bewertung seines Vorbringens durch den Senat, die mit einer Anhörungsrüge nicht angegriffen werden kann. Das gleiche gilt für die von ihm vertretene Auffassung, der Senat habe die Darlegungsanforderungen im sozialgerichtlichen Verfahren verkannt. Mit neuem sachlichen Vortrag, mit dem er eine Überraschungsentscheidung des LSG rügt, kann der Kläger im Verfahren der Anhörungsrüge nicht gehört werden. Schließlich ist eine Überspannung der Darlegungsanforderungen nach den Maßstäben des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 ff mit zahlreichen Nachweisen) weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
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Der Gegenvorstellung, die der Kläger hilfsweise gegen den Beschluss des BSG vom 28.6.2017 erhebt, ist ebenfalls nicht stattzugeben. Eine Gegenvorstellung kann nur noch gegen eine abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden (vgl BVerwG Beschluss vom 3.5.2011 - 6 KSt 1/11- Buchholz 310 § 158 VwGO Nr 13; BFH Beschluss vom 6.12.2011 - IX S 19/11 - BFH/NV 2012, 438 RdNr 1; BSG Beschluss vom 3.8.2017 - B 4 AS 194/17 B - Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 178a RdNr 12 mwN). Die Gegenvorstellung ist nämlich kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf, und es ist ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungswirkungen einer Entscheidung ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage zu übergehen (vgl BVerfGE 122, 190, 203). Im Übrigen käme, die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs unterstellt, eine Änderung nur in Betracht, wenn die Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widersprechen oder grobes prozessuales Unrecht enthalten würde (vgl BFH Beschluss vom 6.12.2011 - IX S 19/11 - BFH/NV 2012, 438 RdNr 1; BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 12/09 C - Juris RdNr 6 mwN). Das ist nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG(vgl Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 81/16 B).
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Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger ist Nachlassverwalter über den Nachlass des 2009 verstorbenen Dr. M., der in den streitbefangenen Quartalen IV/1993 bis III/1997 als Laborarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. In dieser Zeit war er in einer Praxis tätig, die im Alleineigentum von Dr. R. stand. Es entstanden nach den mit Dr. R. getroffenen Vereinbarungen Dr. M. keine Finanzierungskosten und es traf ihn kein wirtschaftliches Risiko. Alle gegenwärtigen und zukünftigen Honoraransprüche wurden an Dr. R. abgetreten. Dieser fungierte auch als Arbeitgeber der Mitarbeiter der Praxis. Dr. M. erhielt als ärztlicher Geschäftsführer eine Vergütung in Höhe von 210 000 DM im Jahr. Die Beklagte führte Anfang 1998 eine Plausibilitätsprüfung durch und forderte mit Bescheiden vom 25.5.1998 und 16.7.1998 das gesamte in den streitbefangenen Quartalen erzielte Honorar von Dr. M. in Höhe von 16 310 396,80 DM zurück, weil Dr. M. seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in freier Praxis ausgeübt habe. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.1998 zurück. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.7.2008 abgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Dr. M. habe weder ein wirtschaftliches Risiko getragen noch habe er über die erforderliche Handlungsfreiheit in fachlicher und persönlicher Hinsicht verfügt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend macht.
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
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a) Der Kläger stellt die Frage,
"Stellt es eine besondere Härte dar und verstößt zugleich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn der vermeintlich 'abhängige' und nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beteiligte Vertragsarzt, gleichwohl (faktisch) das volle wirtschaftliche Risiko der Praxis wegen der Honorarrückforderung durch die Kassenärztliche Vereinigung trägt und wie ist dies mit der Gesamtschau, wonach Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, vereinbar?".
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Diese Frage kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats eindeutig beantwortet werden. Dr. M. trug nach den mit Dr. R. geschlossenen Vereinbarungen das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, der durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 33). Der in Wahrheit abhängig beschäftigte Arzt trägt das wirtschaftliche Risiko dann, wenn er als derjenige, der über eine Zulassung verfügt, allein gegenüber der Beklagten abrechnungsberechtigt ist. "Vertragspartner" der Beklagten war hier Dr. M., sodass auch die Rückabwicklung in diesem Verhältnis zu erfolgen hat (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 31). Zu Dr. R. bestand seitens der Beklagten keine Rechtsbeziehung. Eine solche konnte nicht dadurch begründet werden, dass ihm tatsächlich die in der Praxis erwirtschafteten Honorare zuflossen.
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Dass Dr. M. mit der Honorarrückforderung die wirtschaftlichen Folgen dieses Vorgehens treffen, ist weder eine besondere Härte noch unverhältnismäßig. Allein der von Dr. M. gegenüber den Zulassungsgremien und der Beklagten erweckte Anschein einer selbstständigen Praxisführung ermöglichte erst das in kollusivem Zusammenwirken mit Dr. R. errichtete Konstrukt zur rechtswidrigen Generierung von Honorar. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus der absoluten Höhe der Rückforderung, weil diese sich am zuvor erzielten Honorar orientiert. Dabei kann offenbleiben, ob dem Kläger nicht Ausgleichsansprüche gegen Dr. R. und seinen damaligen Prozessbevollmächtigten zustehen. Soweit der Kläger auf die zugunsten von Dr. M. ergangene Entscheidung des BVerfG vom 7.6.2005 (2 BvR 1822/04) rekurriert, ging es darin um die Annahme eines das Eigentumsgrundrecht von Dr. M. überwiegenden Sicherstellungsbedürfnisses der Beklagten im Rahmen eines Arrestes iS der §§ 111 ff Abs 2 StPO. Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben.
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Die Frage, ob und wie ein wirtschaftliches Risiko des "abhängigen" Vertragsarztes wegen der gegen ihn persönlich gerichteten Honorarrückforderung im Rahmen der Gesamtschau einzubeziehen ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers im Urteil des Senats vom 23.6.2010 in der oben dargelegten Weise angesprochen (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 42 ff). Das wirtschaftliche Risiko bildet einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Bewertung des Gesamtbildes der Praxisführung. Da eine etwaige Rückforderung nicht im Ermessen der KÄV steht, ist nicht ersichtlich, inwiefern die aus der Rückforderung entstehende wirtschaftliche Belastung zu berücksichtigen wäre. Inwiefern der Fall von Dr. M. im Zusammenhang mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, ist ebenfalls nicht erkennbar.
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b) Auch die Frage,
"Trägt die Kassenärztliche Vereinigung oder der Vertragsarzt die 'volle' Beweis- bzw Feststellungslast für die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vorliegens der vertragsärztlichen Tätigkeit 'in freier Praxis'?"
ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Der Kläger hat insofern zu Recht ausgeführt, dass nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte die Beweislast für die Berechtigung ihrer Rückforderung trifft. Das LSG hat jedoch keine Beweislastentscheidung getroffen. Soweit der Kläger meint, dies aus der Formulierung, "ergeben die vorliegenden vertraglichen Gestaltungen wesentliche Indizien gegen eine selbstständige Tätigkeit des Klägers" schließen zu können, berücksichtigt er nicht hinreichend den Kontext der Entscheidung. Wie sich aus der anschließenden Schlussfolgerung des LSG ergibt, ist es anhand der vertraglichen Gestaltung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass Dr. M. nicht in freier Praxis tätig war. Die Frage nach der Beweislastverteilung stellte sich damit nicht.
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2. Ein Verfahrensmangel ist nicht hinreichend gerügt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Vortrag des Klägers, das LSG habe entschieden, ohne dass der nicht mehr auffindbare Band I der Akte des SG S 39 KA 148/99 vorgelegen habe, ist insoweit unzureichend. Mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 GG; § 62 SGG) müssen nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet werden. Da die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist zudem der Vortrag erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem Gehörsverstoß beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Zudem müssen die Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich ergibt, dass der Betroffene alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Mit den pauschalen Ausführungen, sein - nicht näher konkretisiertes - unberücksichtigt gebliebenes Vorbringen ua zum tatsächlichen "Leben" der vertragsärztlichen Praxis hätte zu einem anderen Urteilsspruch führen können, ist diesen Darlegungsanforderungen in keiner Hinsicht genügt. Da Dr. M. bereits vor dem SG von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vertreten wurde, wäre ein ergänzender Vortrag ohne Weiteres möglich gewesen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht, da die Klageerhebung 1999 und damit vor Einfügung des § 197a SGG erfolgte, auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.
(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.
(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.
(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.
(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf dem geltend gemachten Verfassungsverstoß, denn es kann ausgeschlossen werden, dass die Durchführung des Verfahrens der Anhörungsrüge zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 <241>; 13, 132 <145>; 52, 131 <152 f.>; 89, 381 <392 f.>).
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Zwar durfte das Amtsgericht die Anhörungsrüge nicht als unstatthaft behandeln. Gerade die Unanfechtbarkeit des Beschlusses über die Erinnerung mit der Beschwerde (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG) eröffnete selbst bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung die Möglichkeit, eine etwaige Gehörsverletzung des Amtsgerichts im Rahmen einer Anhörungsrüge geltend zu machen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).
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Die Anhörungsrüge war jedoch aus anderen Gründen unzulässig oder jedenfalls unbegründet. Es trifft bereits nicht zu, dass das Gericht den wesentlichen Tatsachenvortrag, nämlich dass die Gegenseite mehrere Ansprüche geltend gemacht habe, unberücksichtigt gelassen hat. Schon im Beschluss der Rechtspflegerin wird dieser Umstand verarbeitet. Des Weiteren würde eine bloß perpetuierte Gehörsverletzung keinen eigenständigen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellen; eine sekundäre Gehörsrüge ist von Verfassungs wegen - auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes - nicht gefordert (vgl. BVerfGK 13, 496 <499 f.>). Alle Argumente waren bereits zuvor zwischen den Beschwerdeführern und der Rechtspflegerin ausgetauscht worden. Auf eine fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts können sich die Beschwerdeführer nicht berufen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch darauf, dass das Gericht einer bestimmten Rechtsauffassung folgt (vgl. BVerfGK 6, 334 <340>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Gründe
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1. Die Gegenvorstellung der Kläger, Beschwerdeführer, Antragsteller und Rügeführer (Kläger) ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Eine Gegenvorstellung kann nur noch gegen eine --vorliegend nicht gegebene-- abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden (vgl. auch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. November 2008 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190). Im Übrigen wäre die Gegenvorstellung, selbst wenn ihre Statthaftigkeit unterstellt würde, nur zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder sie entbehre jeder gesetzlichen Grundlage. Hiervon ist im Streitfall --auch jetzt-- nicht auszugehen.
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2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Verfahren IX K 1/11 nicht verletzt.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
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3. Die Gegenvorstellung ergeht gerichtsgebührenfrei (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474). Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger ist Nachlassverwalter über den Nachlass des 2009 verstorbenen Dr. M., der in den streitbefangenen Quartalen IV/1993 bis III/1997 als Laborarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. In dieser Zeit war er in einer Praxis tätig, die im Alleineigentum von Dr. R. stand. Es entstanden nach den mit Dr. R. getroffenen Vereinbarungen Dr. M. keine Finanzierungskosten und es traf ihn kein wirtschaftliches Risiko. Alle gegenwärtigen und zukünftigen Honoraransprüche wurden an Dr. R. abgetreten. Dieser fungierte auch als Arbeitgeber der Mitarbeiter der Praxis. Dr. M. erhielt als ärztlicher Geschäftsführer eine Vergütung in Höhe von 210 000 DM im Jahr. Die Beklagte führte Anfang 1998 eine Plausibilitätsprüfung durch und forderte mit Bescheiden vom 25.5.1998 und 16.7.1998 das gesamte in den streitbefangenen Quartalen erzielte Honorar von Dr. M. in Höhe von 16 310 396,80 DM zurück, weil Dr. M. seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in freier Praxis ausgeübt habe. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.1998 zurück. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.7.2008 abgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Dr. M. habe weder ein wirtschaftliches Risiko getragen noch habe er über die erforderliche Handlungsfreiheit in fachlicher und persönlicher Hinsicht verfügt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend macht.
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
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a) Der Kläger stellt die Frage,
"Stellt es eine besondere Härte dar und verstößt zugleich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn der vermeintlich 'abhängige' und nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beteiligte Vertragsarzt, gleichwohl (faktisch) das volle wirtschaftliche Risiko der Praxis wegen der Honorarrückforderung durch die Kassenärztliche Vereinigung trägt und wie ist dies mit der Gesamtschau, wonach Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, vereinbar?".
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Diese Frage kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats eindeutig beantwortet werden. Dr. M. trug nach den mit Dr. R. geschlossenen Vereinbarungen das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, der durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 33). Der in Wahrheit abhängig beschäftigte Arzt trägt das wirtschaftliche Risiko dann, wenn er als derjenige, der über eine Zulassung verfügt, allein gegenüber der Beklagten abrechnungsberechtigt ist. "Vertragspartner" der Beklagten war hier Dr. M., sodass auch die Rückabwicklung in diesem Verhältnis zu erfolgen hat (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 31). Zu Dr. R. bestand seitens der Beklagten keine Rechtsbeziehung. Eine solche konnte nicht dadurch begründet werden, dass ihm tatsächlich die in der Praxis erwirtschafteten Honorare zuflossen.
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Dass Dr. M. mit der Honorarrückforderung die wirtschaftlichen Folgen dieses Vorgehens treffen, ist weder eine besondere Härte noch unverhältnismäßig. Allein der von Dr. M. gegenüber den Zulassungsgremien und der Beklagten erweckte Anschein einer selbstständigen Praxisführung ermöglichte erst das in kollusivem Zusammenwirken mit Dr. R. errichtete Konstrukt zur rechtswidrigen Generierung von Honorar. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus der absoluten Höhe der Rückforderung, weil diese sich am zuvor erzielten Honorar orientiert. Dabei kann offenbleiben, ob dem Kläger nicht Ausgleichsansprüche gegen Dr. R. und seinen damaligen Prozessbevollmächtigten zustehen. Soweit der Kläger auf die zugunsten von Dr. M. ergangene Entscheidung des BVerfG vom 7.6.2005 (2 BvR 1822/04) rekurriert, ging es darin um die Annahme eines das Eigentumsgrundrecht von Dr. M. überwiegenden Sicherstellungsbedürfnisses der Beklagten im Rahmen eines Arrestes iS der §§ 111 ff Abs 2 StPO. Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben.
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Die Frage, ob und wie ein wirtschaftliches Risiko des "abhängigen" Vertragsarztes wegen der gegen ihn persönlich gerichteten Honorarrückforderung im Rahmen der Gesamtschau einzubeziehen ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers im Urteil des Senats vom 23.6.2010 in der oben dargelegten Weise angesprochen (vgl BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 42 ff). Das wirtschaftliche Risiko bildet einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Bewertung des Gesamtbildes der Praxisführung. Da eine etwaige Rückforderung nicht im Ermessen der KÄV steht, ist nicht ersichtlich, inwiefern die aus der Rückforderung entstehende wirtschaftliche Belastung zu berücksichtigen wäre. Inwiefern der Fall von Dr. M. im Zusammenhang mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, ist ebenfalls nicht erkennbar.
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b) Auch die Frage,
"Trägt die Kassenärztliche Vereinigung oder der Vertragsarzt die 'volle' Beweis- bzw Feststellungslast für die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vorliegens der vertragsärztlichen Tätigkeit 'in freier Praxis'?"
ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Der Kläger hat insofern zu Recht ausgeführt, dass nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte die Beweislast für die Berechtigung ihrer Rückforderung trifft. Das LSG hat jedoch keine Beweislastentscheidung getroffen. Soweit der Kläger meint, dies aus der Formulierung, "ergeben die vorliegenden vertraglichen Gestaltungen wesentliche Indizien gegen eine selbstständige Tätigkeit des Klägers" schließen zu können, berücksichtigt er nicht hinreichend den Kontext der Entscheidung. Wie sich aus der anschließenden Schlussfolgerung des LSG ergibt, ist es anhand der vertraglichen Gestaltung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass Dr. M. nicht in freier Praxis tätig war. Die Frage nach der Beweislastverteilung stellte sich damit nicht.
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2. Ein Verfahrensmangel ist nicht hinreichend gerügt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Vortrag des Klägers, das LSG habe entschieden, ohne dass der nicht mehr auffindbare Band I der Akte des SG S 39 KA 148/99 vorgelegen habe, ist insoweit unzureichend. Mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 GG; § 62 SGG) müssen nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet werden. Da die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist zudem der Vortrag erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem Gehörsverstoß beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Zudem müssen die Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich ergibt, dass der Betroffene alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Mit den pauschalen Ausführungen, sein - nicht näher konkretisiertes - unberücksichtigt gebliebenes Vorbringen ua zum tatsächlichen "Leben" der vertragsärztlichen Praxis hätte zu einem anderen Urteilsspruch führen können, ist diesen Darlegungsanforderungen in keiner Hinsicht genügt. Da Dr. M. bereits vor dem SG von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vertreten wurde, wäre ein ergänzender Vortrag ohne Weiteres möglich gewesen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht, da die Klageerhebung 1999 und damit vor Einfügung des § 197a SGG erfolgte, auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.