Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 AL 1/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:280618UB5AL117R0
bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Antragspflichtversicherung des Klägers in der Arbeitslosenversicherung ab dem 1.6.2014.

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Der im Jahr 1976 geborene Kläger war zuletzt vom 15.5.2007 bis 14.5.2014 bei der P.-Universität M. abhängig beschäftigt und erlangte die Habilitation. Für seine weitere Forschungstätigkeit als Privatdozent, beginnend ab 1.6.2014 bewilligte ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit Bewilligungsschreiben vom 8.7.2013 (im Folgenden: Bewilligungsschreiben) für einen Förderungszeitraum von zunächst 36 Monaten ein Heisenberg-Stipendium, das ab dem 1.6.2017 für weitere 24 Monate verlängert wurde. Nach den "Verwendungsrichtlinien Heisenberg-Stipendien mit Informationen für Stipendiatinnen und Stipendiaten und Leitfaden für Abschlussberichte" (im Folgenden: Verwendungsrichtlinien) der DFG soll herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht werden, sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen zu bearbeiten. Dabei sind die Forschungsstipendien zur Durchführung eines Forschungsprojektes eigener Wahl bestimmt. Der Kläger erhielt einen monatlichen Zuschuss von 4553 Euro, einschließlich eines Zuschlags von 500 Euro für die Versteuerung der Einnahmen als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Für die Publikation der wissenschaftlichen Ergebnisse des Stipendiums wurden zusätzlich 2250 Euro in Aussicht gestellt. Nach den Verwendungsrichtlinien kann eine (auch krankheitsbedingte) Unterbrechung der Tätigkeit eine Einstellung der Zahlungen ermöglichen. Der Kläger arbeitete ab 1.6.2014 an zwei Forschungsprojekten zu den Themen "Frühe Monumente des Mittelelbe-Saale-Gebietes in ihrem kulturellen und landschaftlichen Kontext - Studien zur Baalberger Kultur" und "Der Vulkanausbruch von Santorin in der ägäischen Spätbronzezeit - Methodische Überlegungen zur Datierung von Ereignisgeschichte in der Ur- und Frühgeschichte". Zur Aufarbeitung des Forschungsstandes zur "Baalberger Kultur" waren in erster Linie Bibliotheksrecherchen und der Besuch von Museen, Sammlungen und Depots vor allem in Sachsen-Anhalt erforderlich, um Objekte zu vermessen, zu fotografieren und zu zeichnen. Zum Vulkanausbruch von Santorin beschränkte sich der Kläger überwiegend auf das Literaturstudium in verschiedenen Bibliotheken. Der Kläger trug seine Reisekosten selbst. Seinen Lebensunterhalt bestritt er in erster Linie aus dem Stipendium. Daneben erzielte der Kläger auch Einkünfte als Autor und Vortragender. Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit wurden zur Einkommensteuer in den Jahren 2014, 2015 und 2016 veranlagt.

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Im Juni 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Mit Bescheid vom 25.6.2014 und Widerspruchsbescheid vom 12.8.2014 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es liege keine selbstständige Tätigkeit vor. Der Widerspruchsbescheid wurde an die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers adressiert. In den Verwaltungsakten wurde als Absendedatum der 11.8.2014 vermerkt. Im Computersystem der Beklagten war eine Bekanntgabe unmittelbar an den Kläger persönlich eingetragen (Versand am 12.8.2014).

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Am 17.10.2014 hat der Kläger zunächst Untätigkeitsklage erhoben und beim SG beantragt, die Beklagte zu verurteilen, seinen Widerspruch zu verbescheiden. Mit Schreiben vom 28.10.2014 hat die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten den Widerspruchsbescheid vom 12.8.2014 als Duplikat übermittelt mit dem Hinweis, der Widerspruchsbescheid sei am 12.8.2014 zur Post gegeben worden. Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei seinem Prozessbevollmächtigten erstmals am 29.10.2014 zugegangen. Weder er noch sein Prozessbevollmächtigter hätten den Widerspruchsbescheid zuvor erhalten. Auf die nach Akteneinsicht in die Verwaltungsakten (nach Empfangsbekenntnis vom 30.10.2014) mit Schriftsatz vom 4.11.2014 geänderte Klage und die dazu erklärte Einwilligung der Beklagten hat das SG mit Urteil vom 22.3.2016 ohne mündliche Verhandlung den Bescheid der Beklagten vom 25.6.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2014 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 1.6.2014 versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist. Der Kläger sei als Archäologe in einem Umfang von mehr als 15 Wochenstunden selbstständig tätig. Er arbeitete sowohl inhaltlich als auch nach den äußeren Rahmenbedingungen "völlig frei und weisungsunabhängig". Der Kläger sei weder Beschäftigter der P.-Universität M., zu der keine rechtlichen Beziehungen mehr seit dem 15.5.2014 bestünden, noch der DFG. Diese erteile dem Kläger keine Weisungen für seine Forschungstätigkeit. Der Kläger sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der DFG eingegliedert. Stipendiaten dürften weder von gastgebenden Forschungsinstitutionen zu Arbeiten verpflichtet werden noch den Stipendienzweck beeinträchtigende Nebentätigkeiten ausüben. Die Tätigkeit des Klägers sei auch auf Dauer angelegt und werde in persönlicher Unabhängigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausgeübt. Der Kläger habe bereits im Jahr 2014 unmittelbar aus der Forschungstätigkeit stammende Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt in Höhe von 1150 Euro. Auch seien die Zahlungen der DFG an die Erbringung der Forschungstätigkeit geknüpft. Dies ergebe sich aus den Verwendungsrichtlinien, die für den Fall einer (auch krankheitsbedingten) Unterbrechung der Tätigkeit eine Einstellung der Zahlungen ermöglichten. Dem entspreche auch die steuerrechtliche Einordnung der Zahlungen aus dem Heisenberg-Stipendium als Einkünfte aus freiberuflicher (wissenschaftlicher) Tätigkeit durch die Finanzverwaltung. Auch die weiteren Voraussetzungen der Antragspflichtversicherung seien erfüllt: Der Kläger habe innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und unmittelbar vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III erhalten. Die Forschungstätigkeit des Klägers sei weder versicherungspflichtig noch versicherungsfrei. Der Kläger sei zuvor auch noch nie auf Antrag versicherungspflichtig als Selbstständiger gewesen. Der Antrag sei innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gestellt worden. Es sei weder ein Ruhenstatbestand eingetreten noch habe das Versicherungspflichtverhältnis bereits geendet.

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Mit Urteil vom 18.8.2017 hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das LSG hat im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, der Kläger sei weder gegenüber der DFG noch einer anderen Forschungsinstitution gegenüber zur Arbeitsleistung verpflichtet oder auf andere Art weisungsgebunden für diese tätig. Nach den Verwendungsrichtlinien und dem Bewilligungsschreiben der DFG sei das Forschungsstipendium zur Durchführung eines Forschungsprojektes eigener Wahl bestimmt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ändere nichts daran, dass durch die Aufnahme des Forschungsstipendiums gerade kein Beschäftigungsverhältnis entstanden sei. Die zeitliche Befristung des Stipendiums lasse auch nicht den Schluss zu, dass es sich bei der Forschungstätigkeit des Klägers nicht um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit handele.

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verfahrensmangel, gestützt auf § 128 Abs 1 S 2 SGG, sowie eine Verletzung des § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III. Dazu trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen einer selbstständigen Tätigkeit seien beim Kläger nicht erfüllt. Das LSG habe bei seiner Beweiswürdigung verschiedene Umstände unberücksichtigt gelassen. Insbesondere das Führen des Klägers im Personalbestand der Universität, die Regelungen zur Entlohnung, Krankenversicherung, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Fahrtkostenerstattung, Nebentätigkeiten sowie zur Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf in Anlehnung an die für Beamte bzw Angestellte des öffentlichen Dienstes geltenden Regelungen sowie die Befristung der Forschungstätigkeit stünden in ihrer Gesamtheit der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit entgegen. Die zeitliche Befristung des Stipendiums auf 36 Monate widerspreche der Intention des Gesetzgebers, nach der selbstständige Tätigkeiten grundsätzlich dauerhafter Natur sein sollen. Zielgruppe dieser Pflichtversicherung auf Antrag seien "Existenzgründer". Auch sei die Privatdozentur kein Beruf iS von Art 12 Abs 1 GG. Es handele sich nicht um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, die als Grundlage der Lebensführung diene. Die allein aufgrund der Lehrbefugnis, dh ohne Lehrauftrag der Hochschule wahrgenommene Lehrtätigkeit des Privatdozenten diene weder Erwerbszwecken noch sei sie auf Dauer angelegt. Es handele sich nur um eine vorübergehende Zwischenstation auf dem Weg zum Universitätsprofessor. Die bloße Inempfangnahme eines Stipendiums könne umso weniger eine Berufstätigkeit sein und damit auch keine selbstständige Tätigkeit. Das LSG hätte zudem berücksichtigen müssen, dass aufgrund der Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art 5 Abs 3 S 1 GG) eine Weisungsgebundenheit der Universität ohnehin stark eingeschränkt sei. Die Tätigkeit des Klägers könne deshalb allenfalls als "Dienst höherer Art" im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewertet werden.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 2017 und des Sozialgerichts Marburg vom 22. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Der Kläger hält die Entscheidung des LSG für rechtmäßig.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine abschließende Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

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A. Die statthafte Revision (§ 160 Abs 1 und 3 SGG) ist zulässig erhoben und genügt jedenfalls hinsichtlich der gerügten Verletzung materiellen Rechts den Anforderungen an eine formgerechte Begründung iS des § 164 Abs 2 S 1 und S 3 SGG. Dies gilt unabhängig von dem Verfahren vor dem Großen Senat (GS 1/17) auch nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach sich Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen nach deren eigener Qualität richten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 12 mwN). Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe nicht den gesamten Inhalt, sondern nur Teilaspekte des Bewilligungsschreibens und der Verwendungsrichtlinien berücksichtigt und sei deshalb fehlerhaft zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit iS von § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III gekommen, hat die Beklagte den rechtlichen Anforderungen an die gebotene Form genügt.

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B. Im Revisionsverfahren ist darüber zu entscheiden, ob die Beklagte mit Bescheid vom 25.6.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2014 die Feststellung einer Versicherungspflicht des Klägers ab dem 1.6.2014 rechtswidrig abgelehnt und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt hat. Im Übergang von der Untätigkeitsklage zur Anfechtungs- und Feststellungsklage ist eine zulässige Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen. Die Beklagte hat ausdrücklich ihre Einwilligung im Verfahren vor dem SG erklärt. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist deshalb die richtige Klageart, da die Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a SGB III bei Vorliegen der Voraussetzungen kraft Gesetzes eintritt(BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - Juris RdNr 9; BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 4 RdNr 12, Nr 5 RdNr 11, Nr 6 RdNr 11, Nr 7 RdNr 11).

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Alle, auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat auch nicht die Klagefrist versäumt. Gemäß § 87 Abs 1 S 1 SGG ist die Anfechtungsklage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (Abs 2 aaO). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Widerspruchsbescheid dem Prozessbevollmächtigten (wie vom SG angenommen) erst am 30.10.2014 oder nach dessen eigenen Angaben bereits am 29.10.2014 zugegangen ist. Jedenfalls erfolgte die mit Schriftsatz vom 4.11.2014 geänderte Klage fristgerecht. Auf eine frühere Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides kann deshalb nicht abgestellt werden, weil der Kläger einen früheren Zugang des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2014 bestritten hat. Damit trägt die Beklagte die objektive Beweislast dafür, "dass die Klagefrist läuft" (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 87 RdNr 4d). Einen früheren Zugang des mit einfachem Brief zur Post gegebenen Widerspruchsbescheides vom 12.8.2014 hat die Beklagte weder an die früheren Prozessbevollmächtigten noch an den Kläger persönlich nachgewiesen (§ 37 Abs 2 S 3 2. HS SGB X).

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C. Der Senat kann auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob alle Voraussetzungen für das vom Kläger begehrte Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung vorliegen. Es sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich.

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Nach § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III(eingefügt mit Wirkung zum 1.2.2006 durch Art 1 Nr 20, Art 124 Abs 4 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) können in der Arbeitslosenversicherung Personen ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einer fristgebundenen Antragstellung (§ 28a Abs 3 S 1 SGB III) war nach dem vorliegend anzuwendenden Gesetzestext (in der Fassung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes vom 23.10.2012, BGBl I 2246) nach § 28a Abs 2 S 1 SGB III weitere Voraussetzung für die Feststellung einer Versicherungspflicht auf Antrag, dass der Antragsteller innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat(Nr 1) oder unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III hatte (Nr 2) und er weder versicherungspflichtig nach §§ 25, 26 SGB III noch versicherungsfrei(§§ 27, 28 SGB III) war. War die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III, ist die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses zudem unter den weiteren Voraussetzungen des § 28a Abs 2 S 2 SGB III ausgeschlossen.

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I. Die vom LSG getroffenen Feststellungen, auf die der Senat im Rahmen seiner revisionsgerichtlichen Überprüfung beschränkt ist (vgl § 163 SGG), lassen schon keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Pflichtversicherung auf Antrag möglicherweise eine nach § 28a Abs 2 S 1 SGB III vorrangige Versicherungspflicht nach § 25 Abs 1 S 1 SGB III wegen einer entgeltlichen Beschäftigung entgegensteht. Schon aus diesem Grund ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

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Nach dem Recht der Arbeitsförderung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 25 Abs 1 S 1 SGB III). Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen (stRspr vgl BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 21 mwN).

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Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 14). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 17).

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Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

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1. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung einer möglichen Beschäftigung des Klägers bei der DFG nicht alle Inhalte des Bewilligungsschreibens und der Verwendungsrichtlinien der DFG, insbesondere nicht die Regelungen zur Entlohnung, Krankenversicherung, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Fahrtkostenerstattung, Nebentätigkeiten sowie zur Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf in Anlehnung an die für Beamte bzw Angestellte des öffentlichen Dienstes geltenden Regelungen und deshalb nicht alle innerhalb der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat. Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Eine Beschäftigung im Rechtsverhältnis zur DFG kommt von vornherein deshalb nicht in Betracht, weil die Forschungstätigkeit des Klägers keine zu Erwerbszwecken ausgeübte Tätigkeit ist.

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a) Dabei kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der geförderten Tätigkeit primär auf die in diesem Zusammenhang getätigten Verrichtungen an, während dem Erhalt eines Stipendiums für sich kein eigener Aussagewert zukommt. Ein Stipendium (lateinisch stipendium: Steuer, Sold, Unterstützung) beschreibt lediglich eine an Studierende, junge Wissenschaftler[innen], Künstler[innen] vom Staat, von Stiftungen, der Kirche oÄ gewährte Unterstützung zur Finanzierung von Studium, Forschung, künstlerischen Arbeiten (Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 2017). Von der Ausreichung von Sach- und Geldmitteln zu unterscheiden ist deshalb die dem Stipendium zugrundeliegende Tätigkeit des Stipendiaten. Nur die verrichtete Tätigkeit kann eine Versicherungspflicht von Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 SGB III) begründen. Die geförderte Tätigkeit muss berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausgeübt werden. Wie insbesondere Stipendien zeigen, die an Studenten vergeben werden, ist dies nicht immer der Fall.

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b) Der Kläger wurde für die DFG nicht zu Erwerbszwecken tätig. Die Erwerbsabsicht ist ein wesentliches Merkmal zur Abgrenzung von Tätigkeiten, die vorwiegend auf ideellen Beweggründen beruhen. Zwar ist die Entgeltlichkeit kein absolut zwingendes Kriterium abhängiger Beschäftigung, jedoch ist sie Typus bildend für die abhängige Beschäftigung, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde (vgl zum Ehrenamt BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - BSGE = SozR 4-2400 § 7 Nr 31, RdNr 31). Nur wenn die Forschungstätigkeit eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ist, kann ihr deshalb als Beschäftigung iS von § 25 Abs 1 S 1 SGB III sozialversicherungsrechtliche Relevanz zukommen. Die Tätigkeit muss ausgeübt werden, um Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl zum Ehrenamt BSG aaO RdNr 33 unter Hinweis auf BAG Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 499/11 - BAGE 143, 77).

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Die Forschungstätigkeit des Klägers wird nach ihrem konkreten Förderzweck nicht in der Absicht der Erzielung von Erwerbseinkommen ausgeübt, sondern ihrerseits erst durch eine altruistische Vermögensübertragung ermöglicht. Das LSG hat für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass nach den Verwendungsrichtlinien der DFG mit dem Stipendium herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht werden soll, "sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten" und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen nach eigener Wahl zu bearbeiten. Das Stipendium dient damit der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (vgl auch zu einem Stipendium im Rahmen eines Graduiertenkollegs BAG Urteil vom 24.2.1994 - 6 AZR 505/93 - Juris, zur weiteren Ausbildung an einer Hochschule im Ausland BAG Urteil vom 19.4.1983 - 3 AZR 16/81 - BAGE 42, 212 und zur Förderung einer Habilitation BSG Urteil vom 14.11.1978 - 7 RAr 61/77 - Juris). Nach diesem von der DFG formulierten Förderzweck dient das Stipendium dazu, den Stipendiaten bei der Sicherung seines Lebensunterhaltes zu entlasten und eine Erwerbstätigkeit während der wissenschaftlichen Tätigkeit in Vorbereitung für die Berufung auf eine Dauer-Professur ganz oder zumindest teilweise entbehrlich zu machen (vgl zum Habilitationsstipendium bereits BSG Urteil vom 14.11.1978 - 7 RAr 61/77 - Juris RdNr 18). Ein Stipendium schafft in solchen Fällen erst die Grundlage dafür, sich dem Forschungsvorhaben widmen zu können (OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 23.2.2012 - OVG 4 B 30.10 - Juris RdNr 27).

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2. Es fehlen jedoch jegliche Feststellungen des LSG dazu, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang der Kläger eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach dem 31.5.2014 bei der P.-Universität M. ausübte. Insofern fehlt es an nachvollziehbaren Grundlagen für die Annahme des LSG, dass zwischen dem Kläger und der Universität "keine rechtlichen Beziehungen mehr" bestanden (dazu a). Kommt das LSG bei seinen weiteren Ermittlungen zu der - schon aufgrund der eigenen Annahme einer Tätigkeit als "Privatdozent" naheliegenden - Feststellung, dass der Kläger auch ab dem 1.6.2014 noch für die P.-Universität M. tätig wurde, wird das LSG näher aufzuklären haben, ob es sich dabei ausschließlich um ein Tätigwerden als Privatdozent handelte (dazu b) oder eine darüber hinausgehende Tätigkeit eine Versicherungspflicht nach § 25 Abs 1 S 1 SGB III begründete(dazu c).

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a) Es fehlen Feststellungen des LSG dazu, ob und in welchem Umfang sowie mit welchem Inhalt der Kläger noch für die P.-Universität M. tätig war. Der Kläger war vom 15.5.2007 bis 14.5.2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der P.-Universität M. beschäftigt gewesen. Welchen Inhalt diese frühere Tätigkeit des Klägers hatte und ob diese nach der kurzen Unterbrechung (15.5. bis 31.5.2014) möglicherweise ganz oder teilweise unverändert weitergeführt wurde, lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen, auch nicht unter Bezugnahme auf die Feststellungen des SG. Ebenso wenig lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG abschließend beurteilen, ob zwischen der P.-Universität M. und dem Kläger möglicherweise eine neue Beschäftigung ab dem 1.6.2014 begründet wurde.

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Das LSG wird dazu insbesondere näher aufzuklären haben, ob dem Kläger innerhalb der Universität ein Arbeitsplatz und weitere Arbeitsmittel zur Verfügung standen und er über die Arbeitskraft von Mitarbeitern der P.-Universität M. verfügen konnte. Ob und in welcher Form der Kläger in die Arbeitsabläufe des Fachbereichs und möglicherweise bereits in das Kollegium der Professoren eingebunden war, ist für den Senat ebenfalls nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen dazu, ob der Kläger als Mitarbeiter im Personalbestand der Universität geführt wurde. Insbesondere ist noch nicht aufgeklärt, ob der Kläger mit eigenen organisatorischen Aufgaben der Universität (zB der Sammlungsbetreuung) betraut war. Ebenfalls nicht näher ermittelt ist, ob der Kläger auch insoweit für die P.-Universität M. tätig war, als er möglicherweise weitere finanzielle Mittel (Drittmittel) eingeworben hat, die an die Hochschule ausgezahlt wurden und der Kläger darüber verfügen konnte. Dabei wird das LSG auch festzustellen haben, ob der Kläger für die P.-Universität M. zeichnungsberechtigt war und für diese Werkverträge mit Dritten (möglicherweise sogar über die Erbringung von Teilleistungen im Rahmen seiner Forschungsarbeiten) für die Hochschule abgeschlossen hat. Aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt sich, dass eine Drittmittelbewilligung vom 4.2.2016 und Werkverträge mit wissenschaftlichen Hilfskräften zur Gerichtsakte genommen wurden, ohne dass sich das LSG mit deren Inhalt in den Entscheidungsgründen befasst hat. Auch ob der Kläger verpflichtet war, für die P.-Universität M. Lehrveranstaltungen abzuhalten und Examensarbeiten zu betreuen, ist bislang nicht festgestellt. Möglicherweise sah das Bewilligungsschreiben der DFG sogar die Beteiligung an Lehrveranstaltungen der Universität ausdrücklich vor.

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b) Kommt das LSG bei seinen weiteren Ermittlungen zu der - schon aufgrund der eigenen Annahme einer Tätigkeit als "Privatdozent" naheliegenden - Feststellung, dass der Kläger auch ab dem 1.6.2014 noch für die P.-Universität M. tätig wurde, wird das LSG näher aufzuklären haben, ob es sich dabei ausschließlich um ein Tätigwerden als Privatdozent handelte. Wird eine Tätigkeit als Privatdozent aufgrund der Lehrbefugnis ohne jeden (vergüteten) Lehrauftrag seitens der Hochschule wahrgenommen, kann es insoweit an einer berufsmäßig ausgeübten Tätigkeit fehlen, so dass ein Rechtsverhältnis eigener Art anzunehmen wäre (vgl BVerwG Urteil vom 22.6.1994 - 6 C 40/92 - BVerwGE 96, 136 = Juris RdNr 26). Nach dem vorliegend anzuwendenden § 25 Abs 2 S 3 Hessisches Hochschulgesetz haben Privatdozenten keinen Anspruch auf einen Arbeitsplatz oder eine Vergütung. So hat zuletzt auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof für einen Privatdozenten einen Beruf im Sinne einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient, verneint (vgl BayVerfGH Entscheidung vom 19.10.2017 - Vf. 17-VII-14 - Juris RdNr 56).

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c) Sollte das Ergebnis der weiteren Ermittlungen des LSG sein, dass der Kläger (über eine Tätigkeit als Privatdozent hinaus) für die P.-Universität M. tätig wurde, wird für die weitere Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung iS von § 25 Abs 1 S 1 SGB III zunächst maßgeblich sein, ob der Kläger dabei persönlich abhängig tätig war, ob dieser in einen Betrieb eingegliedert war und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlag. Bei einer im Wesentlichen frei gestalteten Tätigkeit und Arbeitszeit wird das LSG zu berücksichtigen haben, ob diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts oder nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 29). Dabei sind insbesondere auch die Freiheit von Forschung und Lehre (Art 5 Abs 3 S 1 GG) zu berücksichtigen. Schließlich setzt § 25 Abs 1 S 1 SGB III eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt - auch durch Dritte(zur Vergütung von Golflehrern in einer Beschäftigung durch die Golfschüler vgl BSGE 20, 6 = SozR Nr 41 zu § 165 RVO) - voraus, dh die Tätigkeit darf nicht rein ideelle Zwecke verfolgen und ohne Erwerbsabsicht unentgeltlich ausgeübt werden (vgl zum Ehrenamt BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - BSGE = SozR 4-2400 § 7 Nr 31). Auch dies ist anhand der getroffenen Vereinbarungen und der gelebten Beziehung zwischen den Beteiligten zu bestimmen.

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II. Scheidet eine vorrangige Versicherungspflicht aus, wird festzustellen sein, ob bei dem Kläger eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.

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Selbstständige Tätigkeit iS von § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III ist eine auf Dauer angelegte, in persönlicher Unabhängigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausgeübte Tätigkeit(stRspr BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - Juris RdNr 15 mwN). Die vom Kläger ausgeübte und von der DFG geförderte Forschungstätigkeit ist keine solche selbstständige Tätigkeit. Der Kläger übt diese Tätigkeit nicht zu Erwerbszwecken aus (dazu 1.). Allenfalls die selbstständige Tätigkeit des Klägers als Autor und Vortragender könnte eine Antragspflichtversicherung begründen. Das Vorliegen aller Voraussetzungen des § 25 Abs 1 S 1 SGB III müsste das LSG gegebenenfalls weiter aufklären(dazu 2.).

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1. Einer selbstständigen Tätigkeit in Form der geförderten Forschungsarbeiten steht die fehlende Erwerbsabsicht des Klägers entgegen. Ein Selbstständiger übt seine Tätigkeit mit dem Ziel aus, aus dieser Tätigkeit Einkommen zu erzielen (vgl BSG Urteil vom 28.10.1987 - 7 RAr 28/86 - SozR 4100 § 102 Nr 7 = Juris RdNr 15). Tätigkeiten, die nur aus Liebhaberei oder zum Zeitvertreib verrichtet werden, scheiden für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit ebenso aus wie reine Vorbereitungshandlungen, um eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen (stRspr BSG Urteil vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - Juris RdNr 15 mwN). Nur wenn die Forschungstätigkeit eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ist, kann ihr deshalb als selbstständige Tätigkeit iS von § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III sozialversicherungsrechtliche Relevanz zukommen. Die Tätigkeit muss ausgeübt werden, um Erwerbseinkommen zu erzielen. Wie bereits ausgeführt soll nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gemäß den Verwendungsrichtlinien der DFG herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht werden, "sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten" und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen nach eigener Wahl zu bearbeiten. Das Stipendium dient der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und soll den Stipendiaten bei der Sicherung seines Lebensunterhaltes entlasten und eine Erwerbstätigkeit während der wissenschaftlichen Tätigkeit in Vorbereitung für die Berufung auf eine Dauer-Professur ganz oder zumindest teilweise entbehrlich machen, so dass es an einer Erwerbsabsicht des Klägers fehlt (siehe dazu bereits die Ausführungen unter I. 1. b).

32

Die sozialgerichtliche Rechtsprechung ist dabei im Übrigen nicht an die Beurteilung der Finanzverwaltung (vgl OFD Frankfurt/Main vom 12.8.2014 - S 2121 A - 13 - St 213, FMNR38d310014 - Juris) gebunden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht schon keine Bindung der Träger der Sozialversicherung an die Verwaltungsakte der Steuerbehörden und die Entscheidungen der Finanzgerichte. Die Versicherungsträger, in Streitfällen die Sozialgerichte, haben vielmehr selbstständig zu entscheiden (vgl BSG Urteile vom 5.4.1956 - 3 RK 65/55 - BSGE 3, 30, 41 = SozR Nr 18 zu § 164 SGG und vom 27.3.1980 - 12 RK 26/79 = SozR 2200 § 165 Nr 45)und sind bei der rechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit nicht an die Entscheidungen der Finanzbehörden gebunden (vgl BSG Urteile vom 26.2.1960 - 3 RK 41/57 = SozR Nr 16 zu § 165 RVO und vom 30.11.1978 - 12 RK 33/76 - BSGE 47, 201 = SozR 2200 § 165 Nr 32).

33

Fehlt es bereits an einer zu Erwerbszwecken ausgeübten Tätigkeit, kommt es auf die weiteren, von der Beklagten aufgeworfenen Fragen zu den Voraussetzungen der Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III nicht mehr an. Der Senat hat deshalb vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob auch eine auf drei Jahre befristete Tätigkeit eine selbstständige Tätigkeit iS von § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III sein kann und ob - wie von der Beklagten geltend gemacht - nur "Existenzgründer" antragsberechtigt sind.

34

2. Allenfalls die selbstständige Tätigkeit des Klägers als Autor und Vortragender könnte eine Antragspflichtversicherung begründen, sofern alle Voraussetzungen einer solchen Versicherung nach § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB III vorliegen. Auch dazu müsste das LSG gegebenenfalls weitere Feststellungen treffen.

35

Bislang bestehen nur Feststellungen des LSG (auch unter Bezugnahme auf das SG-Urteil) dazu, dass der Kläger bereits im Jahr 2014 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1150 Euro erzielte. Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit wurden zur Einkommensteuer auch in den Jahren 2015 und 2016 veranlagt. Weitere Feststellungen zum Inhalt der Tätigkeit des Klägers als Autor und Vortragender wurden bislang nicht getroffen. Das LSG wird den Sachverhalt insbesondere auch im Hinblick darauf weiter aufzuklären haben, ob und wann der Kläger diese Tätigkeit in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgenommen und ausgeübt hat.

36

D. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

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(1) Versicherungspflichtig sind1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,2.Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht be

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(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

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Versicherungspflichtig sind1.Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,2.behinderte Menschen, diea)in anerk

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(1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind:1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt be

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

1. Eine Revisionsbegründung genügt bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn sie neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen.

2. Die Bezeichnung von Tatsachen ist bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis. Der Bezeichnung von Tatsachen bedarf es nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist.

Gründe

1

I. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über die Versorgung des Klägers mit einer Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet an einem Kolonkarzinom. Er beantragte befundgestützt eine Behandlung mit dendritischen Zellen (Antrag vom 21.5.2014). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung (Schreiben vom 22.5.2014). Sie unterrichtete den Kläger hierüber nicht. Der MDK meinte, die weder unmittelbar lebensbedrohliche noch dem gleichzustellende Erkrankung sei mit einer Chemotherapie behandelbar. Die Beklagte lehnte es daraufhin ab, die Immuntherapie zu bewilligen (Bescheid vom 12.6.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.8.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.5.2016). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 21.2.2017): Bei der Immuntherapie handele es sich um eine neue, bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlene Behandlungsmethode (§ 135 Abs 1 SGB V). Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedürfe, liege nicht vor. Die Leistung gelte nicht nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V als genehmigt. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers rechtzeitig innerhalb der Fünf-Wochen-Frist abgelehnt. Der Lauf dieser Frist sei nach dem Wortlaut des § 13 Abs 3a S 1 SGB V allein daran geknüpft, dass eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt werde. Zwar habe die Beklagte den Kläger hierüber nicht - wie in § 13 Abs 3a S 2 SGB V gefordert - unterrichtet. Die Verletzung dieser Pflicht führe aber - anders als das BSG meine (BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33)- nicht dazu, dass die Drei-Wochen-Frist gelte.

3

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG wegen Divergenz zugelassenen Revision eine Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 SGB V.

4

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2014 zu verurteilen, ihm eine Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen zu gewähren,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

6


die Revision zurückzuweisen.

7

Die Beklagte rügt, die Revisionsbegründung genüge mangels hinreichender Angaben zum festgestellten Sachverhalt nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

8

Der 1. Senat hat dem Großen Senat (GrS) mit Beschluss vom 26.9.2017 - B 1 KR 3/17 R - (Juris) gemäß § 41 Abs 4 SGG folgende Fragen vorgelegt:

        

"1.     

Muss die Begründung einer zugelassenen Revision, mit der keine Verfahrensmängel gerügt werden, Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Mangel ergeben, insbesondere die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen angeben, um den Anforderungen der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen?

        

2.    

Erfordert die Begründung einer zugelassenen Revision, mit der keine Verfahrensmängel gerügt werden, nach der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG, dass sie die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers aufgrund einer Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil unrichtig erscheinen lassen, ohne eigens Tatsachen zu bezeichnen, insbesondere ohne die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen anzugeben?"

9

Der 1. Senat hält im Hinblick auf die im Anfragebeschluss näher dargestellten - offenen und verdeckten - Differenzen in der Rechtsprechung verschiedener Senate zur Auslegung und Anwendung des § 164 Abs 2 S 3 SGG eine grundsätzliche Klärung der Anforderungen an eine Revisionsbegründung für erforderlich.

10

II. Der GrS entscheidet über den Vorlagebeschluss des 1. Senats wegen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in seiner Stammbesetzung nach § 41 Abs 5 S 1 SGG(dazu A.). Er fasst beide vom 1. Senat gestellten Fragen im Wege der Auslegung zu der (einen) Frage zusammen (dazu B.), ob eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG genügt, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen? Die danach zulässige Vorlagefrage(dazu C.) beantwortet der GrS dahin, dass 1. eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG genügt, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen, und 2. die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis ist, sondern es der Bezeichnung von Tatsachen nur bedarf, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist (dazu D.).

11

A. Der GrS entscheidet in der "Stammbesetzung" nach § 41 Abs 5 S 1 SGG mit insgesamt sechs ehrenamtlichen Richtern; je zwei aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber, je einer aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des SGB IX.

12

1. Die Voraussetzungen des § 41 Abs 5 S 2 und S 3 SGG für eine erweiterte Besetzung des GrS sind nicht erfüllt. Diese sehen jeweils eine Mitwirkung weiterer ehrenamtlicher Richter vor, wenn die für Vertragsarztrecht oder Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Senate dem GrS eine Rechtsfrage zur Entscheidung vorlegen oder von einer Entscheidung dieser Senate abgewichen werden soll. Auch bei einer Grundsatzvorlage nach § 41 Abs 4 SGG wird die Besetzungsfolge des § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG ausgelöst, wenn die gesetzlich geregelten Kriterien erfüllt sind(Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 43; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 41 RdNr 29). Das ist jedoch nicht der Fall. Die in § 41 Abs 5 S 2 und S 3 SGG genannten Senate sind nicht Urheber der Vorlage. Eine objektive Divergenz zwischen den Rechtssätzen, die einerseits vom 1. Senat und andererseits vom für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat sowie dem für Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen 7./8. Senat zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung nach § 164 Abs 2 S 3 SGG aufgestellt worden sind, besteht ebenfalls nicht. Zwar erwähnt der vorlegende Senat zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Vorlagefragen auch Entscheidungen des 7./8. Senats (RdNr 12 f des Vorlagebeschlusses), mit deren Rechtsauffassung er nicht vollständig übereinstimmt. Nach der Rechtsauffassung des 7./8. Senates wäre die Revision im Ausgangsverfahren jedoch im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Senat zulässig, da dieser Senat keine höheren Anforderungen an die Revisionsbegründung stellt als der vorlegende 1. Senat; allenfalls stellt der 8. Senat geringere Anforderungen. Eine Abweichung ist nicht gegeben, wenn lediglich die Begründung, aber nicht das Ergebnis der Entscheidung betroffen ist (BSGE 64, 202, 203 = SozR 4100 § 119 Nr 34 S 168; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 SGG RdNr 28; Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2016, § 41 RdNr 13).

13

2. Eine erweiternde Auslegung des Wortlauts von § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG dahingehend, dass die dort geregelte besondere Besetzung bereits eintritt, weil die genannten Senate von der Entscheidung des GrS "betroffen" sind, ist angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht möglich. Nach dem Wortlaut des § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG besteht die Betroffenheit, die die Besetzungsfolge auslöst, nur unter den geregelten formalen Kriterien der Urheberschaft der Vorlage oder der Abweichung von der Rechtsprechung eines der genannten Senate. Für eine erweiternde Auslegung der Besetzungsvorschriften besteht angesichts dieser klaren Regelung vorliegend kein Raum (vgl in diesem Sinne Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 44). Hier kann offenbleiben, ob die Anwendung von § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG aufgrund der besonderen Sachkunde der hinzuzuziehenden ehrenamtlichen Richter geboten ist, wenn es im Rahmen einer Grundsatzvorlage wesentlich um Fragen aus dem Vertragsarztrecht und/oder der Sozialhilfe bzw des Asylbewerberleistungsgesetzes geht(so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 41 RdNr 4; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 41 RdNr 29; aA Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 44). Vorliegend geht es um eine prozessuale Querschnittsmaterie und nicht um eine Angelegenheit, die der spezifisch materiell-rechtlichen Zuständigkeit dieser Senate zuzuordnen ist.

14

B. Der GrS hat das Verhältnis beider Vorlagefragen zueinander (hierzu 1.) sowie deren Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren (hierzu 2.) zu beachten. Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung der Vorlagefragen erforderlich und zulässig (hierzu 3.).

15

1. Zwischen den beiden vom 1. Senat differenzierten Rechtsfragen besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Die Vorlagefragen können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

16

Die vorgelegten Rechtsfragen differenzieren hinsichtlich der Begründungsanforderungen zwischen der Bezeichnung von festgestellten Tatsachen (Rechtsfrage Nr 1) und der sonstigen (rechtlichen) Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (Rechtsfrage Nr 2). Der mit "ohne eigens" beginnende 2. Teil der Rechtsfrage Nr 2 enthält einerseits eine Abgrenzung, andererseits eine Doppelung zur Rechtsfrage Nr 1. Die Antwort auf die Rechtsfrage Nr 1 nach der Erforderlichkeit und - bejahendenfalls - dem Umfang der Bezeichnung der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestimmt sich in Abhängigkeit und Wechselwirkung zu den Anforderungen an die rechtliche Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Die vom 1. Senat gestellte erste Vorlagefrage nach den Anforderungen an den Tatsachenvortrag stellt sich lediglich als Teilaspekt der Anforderungen an die Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung dar. Sie kann nicht losgelöst hiervon beantwortet werden, denn die Darstellung der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen ist im Ergebnis nur erforderlich, soweit dies zum Verständnis der gerügten revisiblen Rechtsverletzung unerlässlich ist (zum Verhältnis der beiden Vorlagefragen und ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren vgl auch B. Schmidt, NZS 2018, 102, 110).

17

2. Die vorgelegten Rechtsfragen sind nur in beschränktem Umfang entscheidungserheblich. Das zu klären ist Sache des GrS. Er hat nicht die Aufgabe, Rechtsgutachten zu erstatten (vgl BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 26; Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 68 mwN in Fn 153). Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage muss grundsätzlich im Vorlagebeschluss nachvollziehbar dargelegt werden (BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 26 ff, insbesondere RdNr 32; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 RdNr 61). Der GrS hat bei der Auslegung der Vorlagefragen zu beachten, dass die Antwort auf die Vorlagefrage abstrakt-generell sein muss, um einer Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen zu können. Der GrS entscheidet nach § 41 SGG über Rechtsfragen(vgl zur Unabhängigkeit des insoweit zu bildenden "Obersatzes" vom einzelnen Anwendungsfall Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2016, § 41 RdNr 8).

18

a) Die vorgelegte Rechtsfrage Nr 1 ist im Ausgangsverfahren - auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats - in der von ihm gewählten Formulierung nicht in vollem Umfang entscheidungserheblich. Denn es bedarf für eine Entscheidung im Ausgangsverfahren keiner Entscheidung des GrS darüber, ob in der Revisionsbegründung überhaupt Tatsachen vorgetragen werden müssen. Es fehlt der Revisionsbegründung nicht gänzlich an einer Darstellung der festgestellten Tatsachen. Entscheidungserheblich ist aber, ob - letztlich weitergehend als die vom 1. Senat formulierte Vorlagefrage - eine vollständige (dh die gesamten Feststellungen des Tatsachengerichts umfassende) Darstellung des festgestellten Lebenssachverhalts erforderlich ist. Eine in diesem Sinne vollständige Wiedergabe des in der angefochtenen Entscheidung festgestellten entscheidungserheblichen Sachverhalts ist in der Revisionsbegründung des Ausgangsverfahrens nicht erfolgt. Denn die Begründung enthält keine präzise Angabe der vom LSG festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Erkrankung des Klägers. Damit liegt jedenfalls nicht zu allen vom LSG selbst für entscheidungserheblich gehaltenen Umständen eine vollständige Wiedergabe des Sachverhalts vor.

19

b) Die Frage im ersten Teil von Rechtsfrage Nr 2, ob die Begründung einer zugelassenen Revision die Gründe aufzeigen muss, die das angefochtene Urteil als unrichtig erscheinen lassen, ist nicht in vollem Umfang entscheidungserheblich. Der GrS hat sich mit ihr daher nicht gesondert auseinanderzusetzen, sondern nur, soweit dies aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs mit den Anforderungen an den Umfang des erforderlichen Tatsachenvortrages erforderlich ist.

20

Nach Auffassung des 1. Senats setzt eine Entscheidung in der Sache voraus, dass die Rechtsfrage Nr 2 zu bejahen ist. Er hält bei ausschließlich materiell-rechtlichen Revisionsangriffen eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung für erforderlich. Der 1. Senat könnte jedoch unter Zugrundelegung der von ihm gewählten Fragestellung unabhängig von der Antwort auf die Rechtsfrage Nr 2 in der Sache entscheiden, da er die Revision insoweit für ausreichend begründet hält. Auch wenn die Rechtsfrage Nr 2 entgegen seiner Auffassung zu verneinen wäre, müsste die Revision nicht verworfen werden. Denn die Revisionsbegründung im Ausgangsverfahren ginge dann über die nach seiner Rechtsauffassung zu stellenden Begründungsanforderungen hinaus.

21

3. Der GrS beschränkt danach den ihm angefallenen Streitstoff auf den im Ausgangsverfahren erheblichen Kern, fasst ihn zusammen und legt ihn wie folgt aus:

        

Genügt eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen?

22

Zu dieser Auslegung der Vorlagefragen ist der GrS berechtigt. Der GrS ist bei der Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen zwar an den Vorlagebeschluss gebunden und kann grundsätzlich keine andere oder zusätzliche Rechtsfrage entscheiden. Es liegt aber in seiner Kompetenz, eine vorgelegte Rechtsfrage zu konkretisieren, zu präzisieren und ggf zu beschränken, wenn sie für den Gegenstand des konkreten Rechtsstreits nicht in dem vorgelegten Umfang entscheidungserheblich ist (vgl BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 6; BSGE 80, 24, 28 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20 = Juris RdNr 15 zu einer Grundsatzvorlage; außerdem BGHZ 126, 63, 69 f = NJW 1994, 1735, 1736; BGHSt 19, 206, 209; 41, 187, 192 f = NJW 1996, 402, 403; BGHSt 61, 221, 222 = NJW 2017, 94, 95; BFHE 176, 267, 272 = NJW 1995, 1311; Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 72; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 SGG RdNr 87).

23

C. Die im dargestellten Sinne ausgelegte und verstandene Vorlagefrage ist auch im Übrigen zulässig (hierzu 1.) und die Grundsatzvorlage ist insbesondere nicht durch den Vorrang der Divergenzvorlage gesperrt (hierzu 2.).

24

1. Nach § 41 Abs 4 SGG kann der erkennende Senat dem GrS eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung(hierzu ) zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (hierzu ). Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

a) Ob die Vorlage zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, ist bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift allein vom vorlegenden Senat zu entscheiden (vgl zum insoweit bestehenden Einschätzungsspielraum BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 24). Der vorlegende Senat hat diese Voraussetzung bejaht.

26

b) Die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen unterliegt hingegen - als objektive Voraussetzung - der Entscheidungskompetenz des GrS (BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 25; BSGE 62, 255, 258 = SozR 5050 § 15 Nr 35 S 117). Der zusammenfassend einheitlich zu beantwortenden Vorlagefrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Das Merkmal "grundsätzliche Bedeutung" hat im Kontext einer Vorlage nach § 41 Abs 4 SGG einen eigenen und über die Grundsätzlichkeit iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hinausgehenden Stellenwert. Der GrS ist vor allem dann zu einer Grundsatzentscheidung berufen, wenn "prozessuales Querschnittsrecht" betroffen ist, wenn sich also prozessuale Grundfragen in mehreren Fachsenaten gleichermaßen stellen und eine frühzeitige, Divergenzen verhindernde konzertierte Rechtsauslegung oder -fortbildung durch den GrS erforderlich erscheint (so Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 54; zum Ganzen auch BSG Vorlagebeschluss vom 10.3.2010 - B 3 KR 36/09 B - Juris RdNr 12). Demnach müssen zumindest Anhaltspunkte für unterschiedliche Auffassungen unter den Senaten vorliegen, die bezogen auf das Ausgangsverfahren zu Divergenzen in der Rechtsprechung führen könnten, weil es anderenfalls für die Rechtsfortbildung der Entscheidung des GrS objektiv nicht bedarf. Solche Anhaltspunkte für derzeit schon bestehende und zukünftig drohende Divergenzen liegen vor und haben sich gerade in jüngeren Entscheidungen sogar verdichtet. Im Kern werden so unterschiedliche Anforderungen an die Tatsachendarstellung in der Revisionsbegründung gestellt, dass eine einheitliche Rechtsanwendung gefährdet erscheint. Für die Revisionskläger kann zumindest der Eindruck entstehen, der gebotene Umfang der Ausführungen zum Sachverhalt hinge davon ab, welcher Senat über die Revision zu entscheiden hat. Das ist nicht hinnehmbar und lässt eine grundlegende Klärung nach § 41 Abs 4 SGG geboten erscheinen.

27

Eine geschlossene und vollständige Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts in dessen Worten wird von keinem Senat des BSG gefordert (so ausdrücklich BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - SozR 4-2600 § 163 Nr 1 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - Juris RdNr 22). Mehrere Senate des BSG verlangen jedoch - anders als der vorlegende Senat -, dass in der Revisionsbegründung der wesentliche, vom Tatsachengericht festgestellte Lebenssachverhalt zumindest kurz dargestellt wird. Der 13. Senat hält es für erforderlich, dass der Revisionsführer in der Revisionsbegründung bezogen auf die behauptete Rechtsverletzung den "entscheidungsrelevanten Kernlebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt" (BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 16 f). Der 4. Senat hat sich dem angeschlossen und führt aus, dass eine ausreichende Darlegung der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts neben einer kurzen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgrundlagen auch eine zumindest kurze Darstellung der für die behauptete Rechtsverletzung maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts erfordert (BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 14.12.2016 - B 4 AS 52/15 R - Juris RdNr 12). Auch der 14. Senat geht davon aus, dass eine kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts erforderlich sei (BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 14 AS 20/16 R - Juris RdNr 2 und zuletzt Urteil vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 16 RdNr 15, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

28

Der 5. Senat fordert grundsätzlich eine "vollständige" Darlegung des von der Vorinstanz festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts iS einer Gesamtheit rechtlich relevanter Umstände (BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - Juris RdNr 13). Erschöpfe sich das angegriffene Urteil im Wesentlichen in der Subsumtion abstrakt-genereller Vorgänge unter eine Vorschrift des materiellen Rechts, reiche es allerdings aus, wenn die Revisionsbegründung die vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung auf abstrakt-genereller Ebene darlege (BSG Urteile vom 23.7.2015 - B 5 RS 9/14 R - Juris RdNr 13 und - B 5 RE 17/14 R - SozR 4-2600 § 22 Nr 22 RdNr 15 ff). In anderen Konstellationen verlangt der 5. Senat aber - noch über die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts hinaus -, dass in der Revisionsbegründung die im Hinblick auf die gerügte Rechtsverletzung gerade von der Vorinstanz und im angegriffenen Urteil festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt werden müssen und darauf eingegangen werden muss, an welcher genauen Stelle sie dem Urteil zu entnehmen sind. Es sei nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die entscheidungserheblichen Tatsachen selbst zusammenzutragen (BSG Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7). An dieser Rechtsprechung hat der 5. Senat auf drei Anfragebeschlüsse des 12. Senats hin festgehalten und sie weitergehend erläutert (BSG Beschlüsse vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - und - B 5 SF 4/16 AR - sowie vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR).

29

Der 12. Senat verlangt, dass der Revisionsführer den für die geltend gemachte Rechtsverletzung entscheidungsrelevanten, also den vom LSG festgestellten Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt (BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 5 RdNr 11; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - SozR 4-2600 § 163 Nr 1 RdNr 20, auch für BSGE vorgesehen). Ggf müsse die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit darlegen, welchen Umständen sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt entnehme (BSG Urteil vom 31.3.2017, aaO RdNr 22). Nur in Ausnahmefällen bedürfe es der Angabe, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen seien, wenn der festgestellte Lebenssachverhalt nicht ohne Weiteres erkennbar sei und durch Interpretation des Urteils erst ermittelt werden müsse (BSG aaO RdNr 24).

30

2. Die Zulässigkeit der Grundsatzvorlage setzt auch nicht voraus, dass ein Anfrageverfahren nach § 41 Abs 3 SGG durchgeführt wird. Ein solches ist im Rahmen eines Vorlageverfahrens nach § 41 Abs 4 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht vorgesehen. Auch hätte der 1. Senat nicht statt der Grundsatz- eine Divergenzvorlage anbringen müssen.

31

Wegen der Klärungs- und Beteiligungswirkung des formalisierten Anfrageverfahrens nach § 41 Abs 3 SGG und der Sonderregelungen bei der Besetzung nach Abs 5 ist eine Abgrenzung zwischen Divergenz und Grundsatzanrufung dahingehend geboten, dass die Anrufung nach Abs 4 die Divergenzvorlage und das damit verbundene Anfrageverfahren nicht unterlaufen darf.

32

Ein "Unterlaufen" des formalisierten Anfrageverfahrens liegt hier jedoch nicht vor. Es bestehen - wie aufgezeigt - Anhaltspunkte für entscheidungserhebliche Divergenzen zwischen der Auffassung des vorlegenden 1. Senats einerseits und den wiederum teilweise untereinander abweichenden Auffassungen des 5., des 12., des 13. sowie des 4. und des 14. Senats. Da weiterhin die vom 12. Senat mit Beschlüssen vom 27.4.2016 (B 12 KR 16/14 R und B 12 KR 17/14 R) und 29.6.2016 (B 12 KR 2/15 R) gegenüber dem 5. Senat eingeleiteten Anfrageverfahren keine eindeutige Klärung erbracht haben, wie sich aus dem Urteil des 12. Senats vom 23.5.2017 (B 12 KR 2/15 R) sowie aus dem Beschluss des 5. Senats vom 23.2.2017 (B 5 SF 5/16 AR) ergibt, ist das auf die Lösung eines Konfliktes allein zwischen zwei Senaten zugeschnittene Divergenzverfahren nicht hinreichend geeignet, die im Interesse der Rechtssicherheit dringend gebotene Klärung herbeizuführen. Das hat der vorlegende 1. Senat in seinem Vorlagebeschluss nachvollziehbar dargelegt. Dem folgt der GrS.

33

D. Der GrS beantwortet die Vorlage in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne. Eine Revisionsbegründung genügt bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn sie neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Die Bezeichnung von Tatsachen ist bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis. Der Bezeichnung von Tatsachen bedarf es nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist. Dies folgt aus Wortlaut, Regelungssystem, Regelungszweck und der Entstehungsgeschichte der ausschließlichen Zulassungsrevision. Es steht im Einklang mit der Rspr aller obersten Gerichtshöfe des Bundes zum Revisionsrecht.

34

1. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung. Es ist aber erforderlich, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung nach einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach § 164 Abs 2 S 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30.7.1974 (BGBl I 1625) muss die Begründung einer Revision einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Der Wortlaut differenziert zwischen Verfahrens- und materiell-rechtlichen Rügen (Sachrügen). Er schreibt nur für die Rüge von Verfahrensmängeln vor, dass Tatsachen bezeichnet werden müssen. Diese Differenzierung ist - wie der vorlegende 1. Senat im Vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat (RdNr 23) - damit zu erklären, dass das Revisionsgericht grundsätzlich gemäß § 163 SGG an die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen gebunden ist. Tatsachen, aus denen sich Verfahrensmängel ergeben, lassen sich den getroffenen Feststellungen hingegen oftmals nicht oder zumindest nicht ohne Weiteres entnehmen.

35

Schon nach dem aufgezeigten Wortlaut der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG bezweckt die Revisionsbegründung, frühzeitig Klarheit zu erzielen über Art, Umfang und Ziel der Revisionsangriffe. Hierzu bedarf es einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Die Darstellung des Revisionsklägers darf sich nicht in abstrakten formelhaften oder inhaltsleeren Allgemeinplätzen ohne Bezug zum angefochtenen Urteil erschöpfen, sondern muss einen Fallbezug nach den Kriterien der revisionsgerichtlichen Prüfung haben. Es genügt nicht, wenn der Revisionsführer etwa nur um Nachprüfung aller in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfenen Rechtsfragen bittet oder die Rechtsauffassung der Vorinstanz schlicht als unrichtig bezeichnet.

36

2. Es entspricht auch der Systematik des auf der Zulassung beruhenden Revisionsrechts und dem in diesem System maßgeblichen Zweck der Regelung sowie der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 S 1 GG), dass die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung ist, aber eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfordert, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Für die Revisionsbegründung bedarf es der Bezeichnung von Tatsachen danach nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist.

37

a) Rechtssystematisch sind die Begründungsanforderungen für die Revision (§ 164 Abs 2 S 3 SGG)förmliche Zulässigkeitsvoraussetzungen. Mangelt es hieran, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen (vgl § 169 S 2 SGG). Die inhaltliche Unrichtigkeit der Begründung führt dagegen nicht zur Verwerfung der Revision, sondern zu ihrer Zurückweisung als unbegründet. Die förmlichen Anforderungen an die Begründung sind durch ihren Zweck begrenzt, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs innerhalb der Begründungsfrist klarzustellen. Die Beachtung dieses Zwecks sichert, dass es nicht zu einer Verlagerung der Prüfung der Begründetheit in die Prüfung der Zulässigkeit der Revision kommt. Einer Wiedergabe der getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bedarf es hierzu bei bloßen Sachrügen in aller Regel nicht. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind allen Beteiligten und dem Gericht aufgrund ihrer Kenntnis der angegriffenen Entscheidung bekannt. Ihre Wiederholung in der Revisionsbegründung zu fordern, wäre eine bloße, unnötige Förmelei (vgl entsprechend BFH GrS BFHE 196, 39 = BStBl II 2001, 802 = Juris RdNr 73 mwN). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Revisionsbegründung das Revisionsgericht vom eigenständigen Lesen und Durchdringen des Urteils entlasten soll. Die Rechtsausführungen für die Sachrüge in der Revisionsbegründung müssen lediglich verdeutlichen, wieso der Revisionskläger sich aus seiner Sicht durch die Rechtsanwendung der Vorinstanz verletzt sieht. Die Rechtsausführungen hierzu müssen weder zwingend, überzeugend noch sonst richtig sein (vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, IV D RdNr 292 mwN). Nur ausnahmsweise kann es für das Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich sein, in der Revisionsbegründung Tatsachen zu bezeichnen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es um eine Rechtsverletzung durch eine abstrakte Norm geht, bei der bereits im Normtext tatsächliches Geschehen tatbestandsbildend ist (Beispiel: einzelne Fallgruppen des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder des venire contra factum proprium, § 242 BGB).

38

Dementsprechend unterscheidet das Regelungssystem hinsichtlich der Anforderungen für die Revisionsbegründung aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei zulässiger Revision zwischen Sach- und Verfahrensrügen: Das Revisionsgericht überprüft im Rahmen der Anträge vollständig eine sachliche, auch nicht gerügte Verletzung revisiblen Rechts der vorinstanzlichen Entscheidung (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 557 Abs 3 S 1 ZPO) und in den Grenzen der Revisionsanträge und der Anfallwirkung von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 557 Abs 3 ZPO). Dagegen prüft es bei den nur auf Rüge berücksichtigungsfähigen Verfahrensmängeln bloß die innerhalb der Begründungsfrist vorgetragenen Fehler.

39

Die dargelegten Grenzen der Anforderungen an die Revisionsbegründung mit der Sachrüge sichern rechtssystematisch zugleich das Gebot, durch die Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht die Bindung an die Revisionszulassung gemäß § 160 Abs 3 SGG zu unterlaufen. Würde - über die Begründungsanforderungen von § 164 Abs 2 S 3 SGG gleichsam durch die Hintertür - vom Revisionskläger bereits auf der Zulässigkeitsebene gefordert, darzulegen, dass etwa eine vom LSG angenommene Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG auch entscheidungserheblich ist, würde eine erneute Prüfung einer bereits bejahten Voraussetzung gefordert. Diese Voraussetzung ist nach der gesetzlichen Konzeption für das BSG bindend mit der Zulassungsentscheidung bereits bejaht worden. Formerfordernisse - wie die Revisionsbegründung - dürfen aber nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt (vgl BVerfGE 88, 118, 126 f). Das Verfahren der Zulassung der Revision bezweckt bereits, revisionswürdige Verfahren für das Revisionsgericht herauszufiltern (vgl Hennig, SGG, Stand Juni 2017, § 160 RdNr 60; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 5 mwN; Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 160 RdNr 12). Das Erfordernis, die Revision zu begründen, dient nicht erneut diesem Zweck.

40

Ergibt sich schon aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, dass das Tatsachengericht von einer bestimmten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist, und will der Revisionskläger nur diese Abweichung rügen, reicht es nach den dargelegten Grundsätzen als Revisionsbegründung aus, wenn er diese Abweichung darstellt und im Übrigen darauf hinweist, dass er sich der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt (vgl BFHE 144, 40 = BStBl II 1985, 523 noch zu § 120 Abs 2 S 2 FGO aF).

41

b) Die Entwicklung des Regelungssystems und der sich hieraus ergebende Zweck der Revisionsbegründung mit der Sachrüge bestätigen dieses Ergebnis. Die umfassende Einführung der Zulassungsrevision (vgl Art I Nr 20 iVm Art VI des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30.7.1974, BGBl I 1625; Begründung des Gesetzentwurfs der BReg, BT-Drucks 7/861 S 9 f zu Art 1 Nr 13) mit ihrer Filterwirkung und Ablösung der früher bestehenden zulassungsfreien Revision nach Gesetzesvorgaben (vgl zB § 162 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGG idF vom 3.9.1953, BGBl I 1239, berichtigt BGBl I 1326) im SGG - inzwischen im Einklang mit den Verfahrensordnungen aller anderen Gerichtsbarkeiten - hat die frühere Zweckrichtung des Begründungserfordernisses einer Revision geändert. Ursprünglich diente das Begründungserfordernis dazu, das Revisionsgericht zu entlasten (vgl zur Ursprungsfassung des § 164 SGG durch das SGG vom 3.9.1953, BGBl I 1239, berichtigt BGBl I 1326, Gesetzentwurf der BReg einer Sozialgerichtsordnung BT-Drucks I/4357 S 22 Nr 7, S 31 zu § 112, § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF nachgebildet aufgrund desGesetzes betreffend Änderungen der ZPO vom 5.6.1905, RGBl S 536 und hierzu RT-Drucks Nr 782 vom 10.5.1905, Stenographischer Bericht 1903/05 Achter Anlageband S 4520 ff; zur entstehungsgeschichtlichen Entwicklung vgl umfassend BFH GrS BFHE 196, 39 = BStBl II 2001, 802 = Juris RdNr 72 mwN). Der Rechtsmittelführer sollte durch das Begründungserfordernis von aussichtlosen Revisionen abgehalten werden. Die Entlastungsfunktion hat das umfassende System notwendiger Zulassung jeder Revision durch Gerichtsentscheidung übernommen und verschärft, da nun ein Gericht die Revision zulassen muss. Ist dies durch Zulassung seitens des SG (Sprungrevision), des LSG oder des BSG auf Nichtzulassungsbeschwerde hin geschehen, ist das Rechtsmittel in aller Regel nicht völlig aussichtslos, sondern revisionswürdig (vgl näher Groth, SGb 2017, 593). Die Zulassungsentscheidung darf dann nicht mehr durch unangemessene Anforderungen an die Revisionsbegründung unterlaufen werden. Die Filterfunktion erfüllt die Begrenzung der Zulassungsgründe und das abgestufte Zulassungsverfahren der §§ 160, 160a SGG.

42

c) Es entspricht auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 S 1 GG, dass die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung ist, aber eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfordert, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen.

43

Nach der Rechtsschutzgarantie in Art 19 Abs 4 S 1 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (stRspr, vgl zB BVerfG Beschluss vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118, 123 f; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - NJW 2016, 44, Juris RdNr 22). Der Zugang zur Revision darf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Hürden erschwert oder vereitelt werden, die durch den Zweck der Revisionsbegründung nicht gerechtfertigt sind. Das müssen auch die Gerichte bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und so für den Rechtsmittelführer leerlaufen lassen (BVerfG Beschluss vom 30.4.1997 - 2 BvR 817/90 ua - BVerfGE 96, 27, 39; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 aaO). Formerfordernisse dürfen deshalb nicht weitergehen als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG Beschluss vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118, 126 f). Das gilt auch für Darlegungsanforderungen. Sie dürfen nicht derart streng gehandhabt werden, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (BVerfG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 137; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 aaO; vgl auch BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 13). Die dargelegten Anforderungen an die Revisionsbegründung mit der Sachrüge tragen diesen Erfordernissen Rechnung. Sie begründen eine mit der Verfassung konforme Auslegung von § 164 Abs 2 S 3 SGG.

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3. Auch die anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, stellen auf Grundlage der jeweiligen Prozessordnungen entsprechende Anforderungen. Danach bezweckt das Erfordernis einer Revisionsbegründung, frühzeitig Klarheit über Art, Umfang und Ziel der Revisionsangriffe des Revisionsklägers gegen die angefochtene Entscheidung zu erzielen. Die Begründung soll Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs klarstellen (vgl BAG Urteil vom 24.1.2017 - 1 AZR 774/14 - NZA 2017, 777 = Juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 20.8.2012 - I R 3/12 - Juris RdNr 8; BGH Beschluss vom 22.9.2014 - IV ZR 371/13 - VersR 2015, 1121 = Juris RdNr 2; BVerwGE 154, 328 = Juris RdNr 15). Die Rspr von BAG, BFH, BGH und BVerwG fordert für die Zulässigkeit einer Revision dagegen nicht, dass die Revisionsbegründung die vorinstanzlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen wiedergibt.

45

Nach der mit § 164 Abs 2 S 3 SGG nahezu wortgleichen Vorschrift in § 139 Abs 3 S 4 VwGO muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt, dass der Revisionskläger "den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss" (stRspr, vgl zB BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3). Die Revisionsbegründung erfordert lediglich, dass sich der Rechtsmittelführer "mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und in diesem Zusammenhang erkennbar macht, aus welchen Gründen er mit dem angefochtenen Urteil nicht einverstanden ist" (stRspr, vgl zB BVerwG aaO, BVerwG Beschluss vom 30.4.1980 - 7 C 88/79 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 55 und Urteil vom 3.3.1998 - 9 C 20/97 - BVerwGE 106, 202 ff). Eine formelhafte Rüge, das materielle Recht, eine einzelne Norm, sei verletzt, wird dieser Anforderung nicht gerecht (BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; zum Ganzen auch Pietzner/Buchheister in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 139 RdNr 42).

46

Die Anforderungen an die Revisionsbegründung sind bei den anderen Gerichtsbarkeiten im Kern hiermit vergleichbar, obwohl die Parallelregelungen zu § 164 Abs 2 SGG in § 120 Abs 3 FGO und § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst a ZPO inzwischen im Wortlaut von § 164 Abs 2 SGG abweichen. Diese Normen fordern die "bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt" (§ 120 Abs 3 FGO idF des Art 1 Nr 14 des 2. FGOÄndG vom 19.12.2000 mWv 1.1.2001, BGBl I 1757 und § 551 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO idF des Art 2 Abs 1 Nr 72 ZPO-RG vom 27.7.2001 mWv 1.1.2002, BGBl I 1887). Nach den Gesetzesbegründungen konkretisieren diese Neufassungen im Wesentlichen entsprechend dem zuvor geltenden Recht (§ 120 Abs 2 S 2 FGO und § 554 Abs 3 Nr 3 ZPO aF) die Darlegungsanforderungen für die Geltendmachung der Rechtsverletzung im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung. Sie verlangen die Angabe der Gründe, die aus Sicht des Revisionsklägers den materiellen oder verfahrensrechtlichen Fehler ausmachen (vgl Gesetzentwurf der BReg eines 2. FGOÄndG, BT-Drucks 14/4061 S 11 und Gesetzentwurf der BReg eines ZPO-RG, BT-Drucks 14/4722 S 107).

47

Nach der Rspr des BFH bedarf es dementsprechend hierzu einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger diese und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (vgl zB BFH Beschluss vom 20.8.2012 - I R 3/12 - Juris RdNr 8; BFH Urteil vom 25.6.2003 - X R 66/00 - BFH/NV 2004, 19 = Juris RdNr 17; vgl bereits zur alten Rechtslage Beschluss vom 6.10.1982 - I R 71/82 - BFHE 136, 521). BGH und BAG fordern ebenfalls, dass die Revisionsbegründung auf den Streitfall zugeschnitten konkret darlegt, aus welchen Gründen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl zB BGH Beschluss vom 26.6.2003 - III ZB 71/02 - Juris RdNr 9 und Urteil vom 20.5.2011 - V ZR 250/10 - Juris RdNr 6 mwN; BAG Urteil vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 ff; jeweils mwN).

48

Der GrS sieht sich hiernach nicht veranlasst, ein Vorlageverfahren gemäß §§ 2 Abs 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes(RsprEinhG) einzuleiten.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte für den Zeitraum September 2014 bis März 2015.

2

Der am geborene Kläger war nach einer Fachschulausbildung im August 1968 mit der Aufnahme einer beruflichen Ausbildung in das Arbeitsleben eingetreten und langjährig berufstätig. Zu Beginn des Jahres 2014 war er bei der "N. Transport K. GmbH" (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Bereich des Rechnungswesens beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Arbeitgeberin am 12.12.2013 zum 31.1.2014. In einer Bescheinigung vom 10.6.2014 erklärte sie, dass die Kündigung als Kostensenkungsmaßnahme eine seinerzeit drohende Insolvenz abwenden sollte. Im Ergebnis blieb diese Maßnahme jedoch ohne Erfolg. Am 31.3.2014 stellte die Arbeitgeberin den Insolvenzantrag. Ab Februar 2014 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (Alg) von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die aufgrund des Leistungsbezugs auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete.

3

Am 26.8.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab September 2014. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2.10.2014 ab, weil der Kläger statt der erforderlichen 540 Monate nur 533 Wartezeitmonate zurückgelegt habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 zurück. Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung könnten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur bei der Wartezeit berücksichtigt werden, sofern das vorangegangene Beschäftigungsverhältnis durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe beendet worden sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Kündigung durch die Arbeitgeberin sei bereits vor der Stellung des Insolvenzantrags erklärt worden.

4

Bereits im September 2014 hatte der Kläger eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, die er bis März 2015 ausübte. Unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden sieben weiteren Beitragsmonate bewilligte die Beklagte dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 25.3.2015 die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab April 2015.

5

Gegen die Ablehnung der Rente für den Zeitraum September 2014 bis März 2015 hat der Kläger beim SG Stade Klage erhoben. Mit Urteil vom 14.9.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 2.3.2016 zurückgewiesen. Im Zeitraum September 2014 bis März 2015 sei die Wartezeit von 45 Jahren für die Bewilligung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte noch nicht erfüllt gewesen. Die sieben Monate des Alg-Bezugs mit Beitragszahlung durch die BA von Februar bis August 2014 könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen und daher nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB VI für die Berechnung der 45-jährigen Wartezeit nicht berücksichtigungsfähig seien. Die (Rück-)Ausnahmeregelung, wonach solche Zeiten gleichwohl angerechnet werden dürften, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, greife nicht ein. Die Arbeitgeberin habe sich im Zeitpunkt der Kündigung im Dezember 2013 zwar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, sei aber seinerzeit noch nicht in Insolvenz geraten. Der Insolvenzantrag sei vielmehr erst am 31.3.2014 gestellt worden. Eine Auslegung, wonach auch eine nur zur Abwehr einer möglicherweise in Betracht kommenden Insolvenz ausgesprochene Kündigung für das Eingreifen der (Rück-)Ausnahmeregelung ausreiche, sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Es finde sich auch keine tragfähige Grundlage in den Gesetzesmaterialien und in der Systematik, die die Annahme rechtfertige, dass eine solche Auslegung über den Wortlaut hinaus dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestünden im Ergebnis nicht.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 51 Abs 3a SGB VI. Das Berufungsgericht habe den Anwendungsbereich der Norm verkannt. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seien auf die Wartezeit von 45 Jahren auch dann anzurechnen, wenn der Insolvenzantrag noch nicht gestellt worden, die Kündigung aber dennoch - wie in seinem Fall - durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bedingt sei, also zeitlich mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse die Kündigung nur durch eine Insolvenz bedingt sein. In der Gesetzesbegründung fänden sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung von der Stellung eines Insolvenzantrags oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abhängig habe machen wollen. In der Insolvenzordnung (InsO) sei die drohende Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens gleichgestellt. Es reiche daher bereits die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die kausale Verknüpfung zwischen Kündigung und Zahlungsunfähigkeit bzw drohender Zahlungsunfähigkeit aus. Sofern dieser Argumentation nicht gefolgt werde, müsse die Regelung jedenfalls verfassungskonform auf den Fall einer Kündigung im Rahmen einer Insolvenz, dh einer zeitlich kurz vor der Stellung eines Insolvenzantrags ausgesprochenen Kündigung angewandt werden. Dies gebiete der allgemeine Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG bei einem Vergleich mit Personen, die nach der Anmeldung einer Insolvenz gekündigt würden. Beide Personengruppen seien unfreiwillig und unverschuldet entlassen worden. Auch könnten bei beiden die objektiven Umstände, die zu einer Kündigung geführt hätten, von außen überprüfbar und unkompliziert nachvollzogen werden. Zudem handele es sich bei beiden Gruppen um Härtefälle, bei denen die gesetzliche (Rück-)Ausnahme greifen soll. Sofern auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht für möglich gehalten werde, müsse das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs 3a SGB VI zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Vorschrift verstoße neben Art 3 Abs 1 GG zudem in der Auslegung des LSG gegen Art 14 GG. Es liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in rentenrechtliche Anwartschaften vor.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. März 2016 und des Sozialgerichts Stade vom 14. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Altersente für besonders langjährig Versicherte bereits für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis einschließlich 31. März 2015 zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (§ 160 Abs 1 und 3 SGG) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere entgegen den von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken formgerecht iS des § 164 Abs 2 S 1 und S 3 SGG begründet.

11

Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6; vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7 und vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 13). Diesen Anforderungen kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts nur genügen, wenn sie den vom Vordergericht festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig darlegt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 14).

12

Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 22; zustimmend 12. Senat des BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 20 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR).

13

Eine formgerechte Revisionsbegründung erfordert daher weder stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffs und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes noch bedarf sie zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 23). Unzulässig sind solche Formen der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts allerdings nicht. Etwas Gegenteiliges ist auch nicht dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 24.2.2016 (B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 20) zu entnehmen. Dieser hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Wiedergabe des kompletten Berufungsurteils in der Revisionsbegründung wegen deren Überfrachtung mit Unwesentlichem und der damit verbundenen Erschwernis der Arbeit des Revisionsgerichts nicht wünschenswert ist.

14

Der Kläger, der in der Revisionsbegründung die angefochtene Entscheidung nahezu vollständig wiedergegeben hat, hat mit dieser Art der Darstellung - unabhängig von der Frage ihrer Sachdienlichkeit - den rechtlichen Anforderungen an die gebotene Form genügt.

15

B. Die Revision ist allerdings unbegründet.

16

Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1.9.2014. Er hat die gesetzlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt (dazu I.). Auch verstößt § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 (BGBl I 787) nicht gegen die Verfassung (dazu II.). Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG kommen daher nicht in Betracht.

17

I. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 236b Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, die vor dem 1.1.1953 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet (Abs 1 Nr 1) und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben (Abs 1 Nr 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist der Kläger vor dem 1.1.1953 - am 29.12.1950 - geboren und hatte am 1.9.2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Er erfüllte jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die 45-jährige Wartezeit.

18

1. Welche Zeiten auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden, regelt § 51 Abs 3a S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Danach werden auf die Wartezeit von 45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 1), Berücksichtigungszeiten (Nr 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr 3 Buchst a), Leistungen bei Krankheit (Nr 3 Buchst b) und Übergangsgeld (Nr 3 Buchst c), soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind (Teils 1), wobei Zeiten nach Buchst a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden (Teils 2), es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt (Teils 3). Ferner werden auf die Wartezeit von 45 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen Kalendermonate mit freiwilligen Beiträgen angerechnet (Nr 4).

19

Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger bis Ende Januar 2014 533 Kalendermonate zurückgelegt, die auf die 45-jährige Wartezeit (= 540 Monate) anrechenbar sind. Die darüber hinaus von Februar bis August 2014 zurückgelegten 7 Monate des Bezugs von Alg, einer Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung (§ 3 Abs 4 Nr 1 SGB III), sind nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI nicht anrechnungsfähig. Sie liegen in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn 1.9.2014 (Teils 2), ohne dass der Alg-Bezug durch eine Insolvenz - die vorliegend allein als Rückausnahmefall in Betracht kommt - bedingt ist (Teils 3).

20

Insolvenzbedingt ist der Alg-Bezug nur dann, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung - die ihrerseits Ursache der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für Alg ist (§ 136 Abs 1 Nr 1 SGB III) - als Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die InsO gelenkten Tätigkeit darstellt. Dies ist der Fall, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Erklärung zB Kündigung einer Person beruht, deren Handlungsbefugnis durch die InsO begründet ist. Als solche Person kommt der (vorläufige) Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber in der Funktion als Schuldner in Eigenverwaltung in Betracht.

21

Ein solches Verständnis des im Gesetz nicht näher umschriebenen und auch durch den Sprachgebrauch nicht eindeutig bestimmten Rechtsbegriffs der "Insolvenz" (dazu a) ergibt sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm (dazu b) sowie systematischer Erwägungen (dazu c) insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit.

22

a) § 51a Abs 3a SGB VI definiert den Begriff "Insolvenz" nicht. Ebenso wenig ergibt sich ein eindeutiger Wortsinn aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Insoweit wird unter dem Begriff "Insolvenz" insbesondere "Zahlungsunfähigkeit" (Gabler, Lexikon Recht in der Wirtschaft, 1998, S 519; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl 2007, S 631), aber auch zusätzlich "Bankrott, Ruin, Pleite, Illiquidität" (Duden, Das Synonymwörterbuch, Bd 8, 6. Aufl 2014, S 530) verstanden, wobei die Erläuterung "Zahlungsunfähigkeit" teilweise mit dem Hinweis verbunden wird, dass die InsO das Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners regelt (Der Brockhaus in einem Band, 14. Aufl 2011, S 416). Ähnlich verhält es sich im allgemeinen rechtlichen Sprachgebrauch, bei dem unter dem Begriff "Insolvenz" ua auf das Insolvenzrecht und das Insolvenzverfahren nach der InsO verwiesen wird (vgl Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl 2014, S 669 iVm 672). Danach bezeichnet der Begriff "Insolvenz" entweder inhaltlich einen bestimmten finanziellen Zustand oder aber ist in Anlehnung an die InsO verfahrensrechtlich geprägt.

23

b) Unter Berücksichtigung des sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinns und Zwecks des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI ist der Begriff "Insolvenz" in letzterem Sinn zu verstehen.

24

Welches Verständnis dem Begriff "Insolvenz" bei der Konzeption des § 51 Abs 3a SGB VI zugrunde gelegt worden ist, geben die Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich an. Der ursprüngliche Entwurf des § 51 Abs 3a SGB VI sah weder eine Ausnahme von der Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die 45-jährige Wartezeit noch eine Rückausnahmeregelung für bestimmte Fälle vor(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 25.3.2014 - BT-Drucks 18/909, S 7 Anlage 1 Art 1 Nr 2 und S 13 f Begründung A.I.). Erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens empfahl der Ausschuss für Arbeit und Soziales zwecks Vermeidung von Fehlanreizen, die sich aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten, diese Zeiten nicht zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn lägen; um Härtefälle zu verhindern, sollten diese Zeiten zwei Jahre vor Rentenbeginn nur dann anrechnungsfähig sein, wenn sie durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt seien (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales <11. Ausschuss> vom 21.5.2014 - BT-Drucks 18/1489, S 5 und S 26 zu Buchst b). Welche Voraussetzungen an das Vorliegen einer Insolvenz zu stellen sind, ist dabei nicht erläutert worden.

25

Anhaltspunkte für die Bedeutung des Begriffs "Insolvenz" bzw "durch eine Insolvenz … des Arbeitgebers bedingt" lassen sich aber der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186) entnehmen, in der die Formulierung Vermeidung bzw Verhinderung von "Fehlanreizen" wieder aufgenommen wird. Im Einzelnen heißt es dort (BT-Drucks 12/2186, S 9):

26

"Bereits bei Kabinettsbeschluss bestand Einigkeit, dass im parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein wird, wie Frühverrentung verhindert werden kann. Denn Ziel der sogenannten Rente ab 63 soll nicht sein, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Arbeitslosengeld in die abschlagsfreie Rente zu gehen. Um derartige Missbräuche von vornherein auszuschließen, werden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre nicht mitgezählt. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs, die durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurden. Denn in diesen Fällen liegt typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vor.

           

                 
        

Zutreffend ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Die Einführung großzügigerer Kriterien als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe wäre jedoch missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. Denn in anderen als den geregelten Ausnahmefällen ist kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind."

27

Das Ziel, eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein auszuschließen, ist regelmäßig nur erreichbar, wenn die Insolvenz in einem durch die InsO geprägten Sinn zu verstehen ist.

28

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen bereits vor der Eröffnung verliert der Arbeitgeber die Verfügungs- bzw unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen oder fällt dieses bei Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse als Basis von Beschäftigungen weg mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (dazu aa). Dieses Ziel ist nicht erreichbar, wenn dem Begriff "Insolvenz" die Bedeutung einer bloßen Zahlungsunfähigkeit oder eines vergleichbaren finanziellen Zustands beigemessen wird (dazu bb).

29

aa) (1) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das Insolvenzgericht im Regelfall einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 S 1 InsO). Mit der Eröffnung des Verfahrens tritt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl 2010, S 643 RdNr 4; Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl 2017, Einführung InsO RdNr 37, § 113 RdNr 1). Damit ist er aus den Arbeitsverhältnissen, die auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen (§ 108 Abs 1 S 1 InsO), nach Maßgabe der geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsvertragsregelungen und Gesetze berechtigt und verpflichtet (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO). Die Kündigungs- und Anfechtungsbefugnis gehen auf ihn über (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1999, RdNr 518). Bereits vor der Eröffnung hat das Insolvenzgericht die Befugnis, vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens anzuordnen. Bei der Anordnung der vorläufigen Verwaltung wird differenziert zwischen der sog "schwachen" Verwaltung mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 Alt 2 InsO und der sog "starken" Verwaltung mit Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 Alt 1, § 22 InsO(Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 641 RdNr 2). Die Anordnung der "schwachen" vorläufigen Verwaltung hat keine Auswirkung auf die Arbeitgeberstellung; der Insolvenzschuldner bleibt Arbeitgeber (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 499). Eine von ihm ausgesprochene Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist jedoch nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam, sofern sich nichts anderes aus den Anordnungen des Insolvenzgerichts ergibt (vgl BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 532/01 - Juris RdNr 23 ff; Rüntz in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 8. Aufl 2016, S 227 RdNr 17). Ordnet das Insolvenzgericht die "starke" vorläufige Verwaltung an, so geht mit diesem Zeitpunkt die Arbeitgeberstellung, insbesondere das Kündigungsrecht auf den Insolvenzverwalter über (vgl Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 492).

30

Im Regelinsolvenzverfahren hat damit der Arbeitgeber nach Eröffnung des Verfahrens keine Möglichkeit mehr, Arbeitsverhältnisse zu beenden und ist auch vor dem Eröffnungsbeschluss bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen zumindest von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Kündigungen abhängig.

31

Ordnet das Gericht dagegen ausnahmsweise (dazu Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 498 RdNr 7) Eigenverwaltung an (§§ 270 ff InsO), erhält der Schuldner zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, unterliegt aber der umfassenden Aufsicht und Überwachung eines vom Insolvenzgericht eingesetzten Sachwalters (§ 270 Abs 1 S 1 InsO; Undritz in Schmidt, InsO, 19. Aufl 2016, § 270 InsO RdNr 25; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 3. Aufl 2017, § 270 RdNr 29). Dabei schließt der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff InsO) grundsätzlich nicht aus (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 502 RdNr 14).

32

Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird der Schuldner daher zumindest in seinen Verfügungen kontrolliert.

33

(2) Die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß § 26 Abs 1 S 1 InsO führt etwa bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Offenen Handelsgesellschaften sowie Kommanditgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, zu deren Auflösung(§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG, § 262 Abs 1 Nr 4 AktG, § 81a Nr 1 GenG, § 131 Abs 2 Nr 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB). Die Auflösung führt zur Abwicklung (Liquidation) der Gesellschaft (vgl Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl 2017, § 60 RdNr 2; Kamanabrou in Oetker, HGB, 5. Aufl 2017, § 131 RdNr 19; Füller in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl 2017, § 262 RdNr 12) und anschließender Beendigung (vgl Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 60 RdNr 19 mwN; vgl zur Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften § 394 FamFG). Damit entfällt in diesen Fällen das Unternehmen als Basis der Beschäftigung des Arbeitnehmers, sodass eine missbräuchliche Kündigung insoweit ebenfalls ausscheidet. Dies gilt letztlich ebenso, wenn der Arbeitgeber eine natürliche Person ist. Auch diese ist im Fall ihrer - durch Beschluss des Insolvenzgerichts nachgewiesenen - Vermögenslosigkeit wirtschaftlich nicht in der Lage, ein Unternehmen fortzuführen.

34

bb) Verstünde man dagegen unter Insolvenz iS von § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI nur den Zustand der Zahlungsunfähigkeit oder einen vergleichbaren finanziellen Zustand, bliebe die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers rechtlich uneingeschränkt, sodass ein Zusammenwirken zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen werden kann. Interne, nicht dokumentierte Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich eines Nachweises entziehen, sind insoweit immer möglich. Abgesehen davon wäre auch die Zahlungsunfähigkeit nicht in einem geregelten Verfahren festgestellt worden, was zusätzlich Raum für eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Alg und anschließender Rente bietet.

35

c) Für das hier vertretene Begriffsverständnis sprechen schließlich auch systematische Erwägungen, insbesondere der zweite gesetzlich geregelte Rückausnahmetatbestand, die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers. Hierbei entfällt die Basis vorhandener Beschäftigungsverhältnisse und damit die Gelegenheit für eine missbräuchliche Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die zweite Rückausnahmeregelung entspricht insoweit der oben dargestellten zweiten Variante einer verfahrensrechtlich geprägten Insolvenz, der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, und ist mit der aufgezeigten ersten verfahrensrechtlichen Insolvenzvariante, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in der Wirkung vergleichbar. Beide schließen typischerweise einen Missbrauch aus, die vollständige Geschäftsaufgabe in tatsächlicher Hinsicht durch Wegfall der Beschäftigungsbasis und das eröffnete Insolvenzverfahren in rechtlicher Hinsicht durch Wegfall der uneingeschränkten oder unkontrollierten Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers.

36

Darüber hinaus verwenden auch die sonstigen Bücher des SGB, soweit sie Rechtsfolgen an die Insolvenz knüpfen, einen durch die InsO verfahrensrechtlich geprägten Insolvenzbegriff.

37

So setzt zB in § 165 Abs 1 S 1 SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld den Eintritt eines Insolvenzereignisses voraus, das in § 165 Abs 3 S 2 SGB III definiert wird. Danach gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Im SGB IV normiert zB § 28a Abs 1 S 1 Nr 3 eine Meldepflicht des Arbeitgebers oder eines anderen Meldepflichtigen bei der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten bei Eintritt eines Insolvenzereignisses. § 8a der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung, der die Meldepflicht für bereits vor dem Insolvenzereignis freigestellte Beschäftigte betrifft(vgl Erkelenz in Jahn/Jansen, SGB IV, § 28a RdNr 16a, Stand 30.6.2015), konkretisiert diesen Begriff iS der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder dessen Nichteröffnung mangels Masse. § 19 Abs 1a S 1 SGB V nennt die Insolvenz einer Krankenkasse als Grund für das Ende der Mitgliedschaft eines Versicherten. § 171b SGB V, der die "Insolvenz von Krankenkassen" näher regelt, bestimmt in Abs 1, dass vom 1.1.2010 an die InsO für die Krankenkassen nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze gilt und regelt in Abs 5, dass mit dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder dem Tag der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, die Krankenkasse mit der Maßgabe geschlossen ist, dass die Abwicklung der Geschäfte der Krankenkasse im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der InsO erfolgt. Hiermit übereinstimmend definiert § 171d Abs 1 SGB V den Insolvenzfall als Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Krankenkasse oder die rechtskräftige Abweisung der Eröffnung mangels Masse.

38

Ein insolvenzbedingter Alg-Bezug im dargelegten Sinn liegt bei dem Kläger nicht vor. Seine Arbeitgeberin hat ihre Befugnis zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses am 12.12.2013 nicht aus den Regelungen der InsO abgeleitet. Das Insolvenzverfahren war vielmehr zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet.

39

2. Eine analoge Anwendung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI auf Fälle des Alg-Bezugs aufgrund der Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Abwendung einer dann doch eingetretenen Insolvenz des Arbeitgebers oder gar auf sämtliche unfreiwilligen und unverschuldeten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen kommt nicht in Betracht.

40

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (BGHZ 149, 165, 174; BGH NJW 2007, 992, 993 und 2008, 1446 Tz 14; BAG NJW 2003, 2473, 2474 f; BFH NJW 2006, 1837). Eine solche liegt hier nicht vor. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Er hat sich trotz dieser Erkenntnis lediglich für die zwei genannten Rückausnahmen entschieden, weil in allen anderen Fällen kein Nachweis darüber möglich sei, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruhe (vgl Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber hat daher wissentlich und willentlich eine nur enge Rückausnahmeregelung geschaffen.

41

II. § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI stehen mit der Verfassung in Einklang.

42

1. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

43

a) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung gemäß § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teil 2 SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn entgegen der Grundregel des Teils 1 nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden.

44

Der allgemeine Gleichheitssatz iS von Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl nur BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr).

45

Die Regelung des Teils 2 benachteiligt die Personengruppe, die Zeiten im Sinne des Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zurückgelegt hat, gegenüber der Personengruppe, die derartige Zeiten vor diesem Zeitraum absolviert hat und damit der Grundregel des Teils 1 unterfällt.

46

Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

47

Da eine Anordnung des Gesetzgebers, Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind, auf die 45-jährige Wartezeit anzurechnen, angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfGE 122, 1, 23; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1; BVerwGE 101, 86, 95; BSGE 70, 62, 67 = SozR 3-5750 Art 2 § 62 Nr 6)aus Verfassungsgründen nicht geboten war, kann es ihm grundsätzlich auch nicht verwehrt sein, für sie zeitliche Grenzen zu setzen. Insoweit liegt ein Vergleich mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen nahe (vgl BVerfGE 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8).

48

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl zB BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 5050 § 226 Nr 9).

49

Einer Prüfung anhand dieser Kriterien hält § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI stand.

50

aa) Der Gesetzgeber durfte die Einführung einer zeitlichen Begrenzung der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren iS eines Berücksichtigungsausschlusses in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn für notwendig halten.

51

Die Ausschlussregelung iS des Teils 2 ist in das Gesetz aufgenommen worden, um eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein zu verhindern. Die sog "Rente ab 63" dient - wie bereits oben ausgeführt - nicht dem Ziel, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente zu wechseln (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber durfte von der Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung ausgehen. Es liegt im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, bei einer nicht eindeutig geklärten und auch nicht ohne Weiteres aufklärbaren Sachlage seinen Entscheidungen über zu ergreifende Maßnahmen eine Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, wobei er sich allerdings nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützen darf (BVerfGE 138, 136 RdNr 144 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

52

Die Einschätzung einer missbräuchlichen Frühverrentung kann sich nicht auf empirisch nachweisbare Befunde stützen; ebenso wenig ist ein derartiger Sachverhalt im voraus aufklärbar oder vorhersehbar, weil das Rentenzugangsgeschehen multifaktoriell ist und sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Akteure, wie zB individuellen Überlegungen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht, ergibt (vgl schriftliche Stellungnahme der BA zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82 S 32, 33). Es stellt auch keine der Lebenserfahrung widersprechende Würdigung des Lebenssachverhalts dar, dass ältere Arbeitnehmer, die bereits ein langes und in der Regel anstrengendes Erwerbsleben absolviert, die 45-jährige Wartezeit möglicherweise aber dennoch nicht erfüllt haben, sich unter Inanspruchnahme von Alg aus dem Erwerbsleben verabschieden, um ggf über den Leistungsbezug die noch nicht erfüllte Wartezeit zu erreichen und anschließend mit 63 in die abschlagsfreie Rente zu wechseln. Die Möglichkeit, ein langes Erwerbsleben bei vorhandener sozialer Absicherung vorzeitig beenden zu können, stellt einen nicht zu leugnenden Anreiz dar (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Bromsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18<11>82 S 63, 65 und 82) (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Bromsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18<11>82 S 63, 65 und 82), der durch interne Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unschwer umgesetzt werden kann. Angesichts dieser Lebenswirklichkeit hält der Senat den moralischen Vorwurf der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die Ausschlussregelung stelle Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den "Generalverdacht" einer missbräuchlichen Absprache über die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 9), für nicht gerechtfertigt. Erst recht vermag er nicht die Legitimität der gesetzgeberischen Erwägung in Frage zu stellen.

53

bb) Ein Ausschluss der Anrechnung für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn orientiert sich auch am gegebenen Sachverhalt und ist damit vertretbar.

54

Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird gemäß § 236b SGB VI frühestens ab Vollendung des 63. Lebensjahres geleistet. Die Personen, die von der Ausschlussregelung des Teils 2 betroffen sind, haben daher mindestens das 61. Lebensjahr vollendet. Versicherte dieser Altersgruppe erhalten nach § 147 Abs 2 SGB III - vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren dort normierten Anspruchsvoraussetzungen - Alg für 24 Monate, mithin also zwei Jahre. Der vom Gesetzgeber im Teils 2 gewählte Ausschlusszeitraum entspricht damit dem Zeitraum, in dem Alg maximal vor dem Rentenbeginn bezogen werden kann.

55

cc) Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Regelung des Teils 2 eine Härte für ihn - und vergleichbar betroffene Personen - darstellt, weil die Kündigung durch seine Arbeitgeberin zu einem Zeitpunkt (12.12.2013) erklärt worden ist, zu dem der Entwurf des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes noch nicht vorgelegen hat, sodass missbräuchliche Absichten bezogen auf die ab 1.7.2014 neu geregelte Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorgelegen haben können. Gleichwohl ist der Teils 2 zur Überzeugung des Senats mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, weil jede Stichtagsregelung gewisse Härten mit sich bringt und Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht aufgibt, die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; 122, 151, 714 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16). Dies gilt umso mehr, als der Kläger seinerzeit kein Vertrauen auf die Anrechenbarkeit von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit haben konnte, weil derartige Zeiten nach der damaligen Rechtslage insoweit überhaupt nicht berücksichtigungsfähig waren (vgl § 51 Abs 3a SGB VI idF von Art 1 Nr 17 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554).

56

b) Ebenso erweist sich die Rückausnahmeregelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI, nach dem Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn in den Fällen angerechnet werden, in denen dieser Bezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

57

Da die Rückausnahmeregelung des Teils 3 die Personengruppen begünstigt, die aufgrund einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zwei Jahre vor Rentenbeginn Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen, kommen als Vergleichsgruppen solche Personengruppen in Betracht, die aus anderen betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben und ebenfalls im vorgenannten Zeitraum Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen. Ihnen wird anders als den begünstigten Personengruppen diese Zeit nicht auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet, was zu einem Rentenausschluss führt, falls die Wartezeit nicht bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt ist.

58

aa) Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

59

Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre grundsätzlich ausgeschlossen, um - wie bereits oben dargelegt - eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern. Versicherte sollen nicht bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben ausscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente gehen. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Alg-Bezugs, die durch eine Insolvenz oder die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht werden, weil in diesen Fällen typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vorliegt. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186, S 9) ist die Einführung großzügigerer Kriterien missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. In anderen als den geregelten Ausnahmefällen sei kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind.

60

Diese Gründe sind sachgerecht. Der Arbeitgeber verliert im Fall der Insolvenz, dh der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen vor der Eröffnung die Verfügungs- bzw uneingeschränkte oder unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen oder bei einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse das Unternehmen als Basis von Beschäftigungen mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (vgl B.I.1.b aa). Letzteres gilt auch für die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers (vgl B.I.1.c).

61

Für alle sonstigen Fälle eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes lässt sich dagegen ein Missbrauch nicht ausschließen. Zwischen einem Arbeitgeber, der die unkontrollierte und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über seinen laufenden Betrieb hat, und Arbeitnehmern sind vielmehr interne Absprachen über die Auflösung von Arbeitsverhältnissen möglich, die sich eines Nachweises entziehen.

62

bb) Schließlich liegen auch keine Fälle unzulässiger Typisierung vor.

63

Insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - wie der Normierung von Voraussetzungen für den Anspruch einer gesetzlichen Rente - sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl nur BVerfGE 103, 310, 319; 113, 167, 236 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 136; stRspr); der Gesetzgeber hat sich dabei am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, solange eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob durch sie eintretende Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413). Außerdem ist zu beachten, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besonders groß bei einer bevorzugenden Typisierung ist (BVerfGE 17, 1, 24 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 103, 310, 319).

64

(1) Die in den Teils 3 aufgenommenen Ausnahmefälle stellen gemessen am Normzweck Regelfälle dar. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die Wartezeit ausgenommen, um von vornherein eine missbräuchliche Frühverrentung auszuschließen (BT-Drucks 18/2186, S 9). Hiervon hat er lediglich die Fälle der Insolvenz und der vollständigen Geschäftsaufgabe rückausgenommen, weil in diesen typischerweise keine Frühverrentung vorliegt, während in anderen Fällen kein Nachweis möglich ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruht (BT-Drucks aaO).

65

(2) Auch wird durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt.

66

Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 2.9.2016 (BT-Drucks 18/9513, S 4) sind von 199 560 im Jahre 2014 gestellten Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte 195 833 Anträge bewilligt und 1653 Anträge abgelehnt worden, wobei die Ablehnung von 1425 Anträgen wegen Nichterfüllung der Wartezeit erfolgt ist. Damit sind lediglich 0,714 % der 2014 gestellten Anträge an der Nichterreichung der 45-jährigen Wartezeit gescheitert. Im Jahr 2015 ist dieser Anteil noch geringer ausgefallen. Von 264 236 Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte sind 260 394 Anträge bewilligt und 1488 abgelehnt worden, von denen 1250 auf dem Ablehnungsgrund "Wartezeit nicht erfüllt" beruhen (BT-Drucks 18/9513, S 4). Dies entspricht einem Anteil von 0,4731 % an allen gestellten Rentenanträgen.

67

Zwar handelt es sich bei diesen Werten nicht um eine präzise Berechnung der Auswirkungen der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen Regelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 iVm 3 SGB VI. Denn die og Zahlen erfassen auch Personen, die nach altem Recht (vor dem 1.7.2014) eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten (vgl BT-Druck 18/9513, S 3 und 4), und auf die sich die umstrittene Regelung möglicherweise nicht ausgewirkt hat. Außerdem könnte ein Teil der Ablehnungsfälle aufgrund nicht erfüllter Wartezeit auf anderen Gründen als der Regelung des Teils 2 iVm Teils 3 beruhen. Insoweit ist insbesondere zu bedenken, dass nicht nur Versicherte aus der Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch "Beschäftigte", "geringfügig Beschäftigte", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige" die Gewährung einer "Rente ab 63" beantragt haben (so Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016, S 24 über die Rentenzugänge aus diesen Gruppen im Jahr 2014). Bei den zuletzt genannten Gruppen kann die Wartezeit von 45 Jahren ebenso nicht erfüllt sein, ohne dass hierfür die umstrittene Regelung ursächlich gewesen sein dürfte. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte behalten die ermittelten Werte indes eine hinreichend verlässliche Aussagekraft. Da nur weniger als ein Prozent aller Rentenanträge an der nicht erfüllten Wartezeit gescheitert sind, erlaubt dieser Befund trotz einer gewissen Ungenauigkeit die Aussage, dass die Ausschlussregelung in Verbindung mit den eng gefassten Rückausnahmen nur einen geringen Anteil von Personen erfasst.

68

(3) Schließlich wiegt die Ungleichbehandlung auch nicht sehr intensiv. Wie der Fall des Klägers zeigt, können Versicherte, die mangels Anrechenbarkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllen, die fehlenden Beitragsmonate durch Ausübung einer (geringfügigen) versicherungspflichtigen Beschäftigung nachträglich erwirtschaften. Angesichts der Arbeitsmarktlage ist der Fall des Klägers auch nicht als Ausnahmefall anzusehen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 25.3.2014 (BT-Drucks 18/909, Begründung A I S 14) ist darauf hingewiesen, dass sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen von knapp 20 % auf 46,5 % im Jahr 2012 mehr als verdoppelt hat. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung realisierten immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend gebraucht würden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Entsprechend sei die Wertschätzung der Unternehmen gegenüber ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich gestiegen. Die Unternehmen investierten im eigenen Interesse zunehmend in altersgerechte Arbeitsbedingungen, Weiterbildung und Gesundheitsmanagement. Es seien keine Anzeichen erkennbar, dass sich dieser Trend umkehren könnte. Dem entspricht die Hintergrundinformation der BA - Statistik - vom Dezember 2015 (S 2 und 7): Danach hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in den letzten Jahren auch aus demografischen Gründen stark zugenommen. Seit 2009 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 63 kontinuierlich gestiegen. Nach Einführung der "Rente ab 63" im Juli 2014 habe sich zwar die Beschäftigtenzahl verringert; ein Zusammenhang mit der Einführung der Rente könne plausibel vermutet werden. In der Altersgruppe der 61 und 62-Jährigen ist von 2010 bis Ende 2015 ein Beschäftigungsanstieg zu verzeichnen.

69

Angesichts der nachträglich möglichen Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung stellt die Regelung des Teils 2 iVm 3 für die nicht privilegierten Personengruppen entgegen der Ansicht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 10 f) auch keine unzumutbare Belastung dar.

70

(4) Schließlich wäre die durch die Ungleichbehandlung entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar.

71

Bei einer Privilegierung auch solcher Personen, die aus anderen Gründen als der Insolvenz oder der vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren haben, könnte die Regelung ihre Zweckbestimmung, Missbrauchsfälle von vornherein auszuschließen, nicht erreichen. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 ist in anderen als den geregelten Ausnahmefällen kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind (BT-Drucks 18/2186, S 9). Diese Erwägung ist vor dem Hintergrund stets möglicher, nicht dokumentierter Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachvollziehbar und plausibel.

72

(5) Letztlich ist im Rahmen der Prüfung eines Gleichheitsverstoßes zu bedenken, dass es sich bei der Rückausnahme des Teils 3 um eine bevorzugende Typisierung handelt, bei der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers weiter gespannt ist als bei einer benachteiligenden Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 65, 325, 356; 103, 310, 319).

73

Ob eine bevorzugende oder benachteiligende Typisierung vorliegt, ist ausgehend vom Normalfall zu beurteilen, dh ausgehend von dem Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfasst werden soll und erfasst wird (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG). Grundsätzlich will der Gesetzgeber keine Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn, um eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern (BT-Drucks 18/2186, S 9). Ausgehend hiervon stellt die Rückausnahme der in Teils 3 privilegierten Personengruppen eine Bevorzugung dar. Die Zahl der infolge der Typisierung bevorzugten Personen dürfte sich in solchen Grenzen halten, die angesichts der bei Bevorzugungen weit gespannten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hingenommen werden kann (vgl hierzu BVerfGE 17, 1, 25 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG).

74

Nach dem Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016 (S 24) wechseln in die Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor allem beschäftigte Personen. Im Jahr 2014 stellten "Beschäftigte" 77 % der Zugänge in diese Rente. Die restlichen 23 % entfielen auf "geringfügig Beschäftigte", "Arbeitslose", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige". Der Anteil der Arbeitslosen lag hierbei bei nur knapp 10 %. Hiervon wird nach der Lebenserfahrung nur ein Teil zu denjenigen gehören, die Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn infolge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe ihres Arbeitgebers bezogen haben und nur über die Rückausnahmeregelung des Teils 3 und die hierdurch mögliche Anrechnung dieser Zeiten die Wartezeit erfüllt haben. Eine nicht mehr hinnehmbare Begünstigungsquote von mehr als 10 % (vgl hierzu Jarass in ders/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 3 RdNr 31) wird auf keinen Fall erreicht.

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2. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Art 14 Abs 1 S 1 GG vor.

76

Was zum "Inhalt" des Eigentums gehört, bestimmen entsprechend Art 14 Abs 1 S 2 GG die Gesetze (BVerfGE 52, 1, 27). Der Gesetzgeber schafft auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein (BVerfGE 58, 300, 330).

77

Die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs auf die 45-jährige Wartezeit ist erst durch § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI mit Wirkung zum 1.7.2014 angeordnet worden, wobei zugleich die Berücksichtigung dieser Zeiten für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn ausgeschlossen worden ist. Die Vorschrift hat damit nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingegriffen, sondern ihnen vielmehr von Anfang an nur eine beschränkte Rechtsposition eingeräumt. Art 14 GG schützt aber lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (BVerfGE 68, 193, 222 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 78, 205, 211; 95, 173, 187 f).

78

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen, sowie Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
2.
Personen, die nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes, des § 58b des Soldatengesetzes oder des Zivildienstgesetzes Wehrdienst oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig sind,
3.
(weggefallen)
3a.
(weggefallen)
4.
Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 des Strafvollzugsgesetzes) erhalten oder Ausbildungsbeihilfe nur wegen des Vorrangs von Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung nach diesem Buch nicht erhalten; das Versicherungspflichtverhältnis gilt während arbeitsfreier Sonnabende, Sonntage und gesetzlicher Feiertage als fortbestehend, wenn diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen. Gefangene im Sinne dieses Buches sind Personen, die im Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder einstweilig nach § 126a Abs. 1 der Strafprozeßordnung untergebracht sind,
5.
Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(2) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, für die sie

1.
von einem Leistungsträger Mutterschaftsgeld, Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen,
2.
von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen,
2a.
von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen,
2b.
von einer Pflegekasse, einem privaten Versicherungsunternehmen, der Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder dem Dienstherrn Pflegeunterstützungsgeld beziehen oder
3.
von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen,
wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten.

(2a) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie

1.
unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und
2.
sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes haben würden.
Satz 1 gilt nur für Kinder
1.
der oder des Erziehenden,
2.
seiner nicht dauernd getrennt lebenden Ehegattin oder ihres nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder
3.
ihrer nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartnerin oder seines nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners.
Haben mehrere Personen ein Kind gemeinsam erzogen, besteht Versicherungspflicht nur für die Person, der nach den Regelungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung die Erziehungszeit zuzuordnen ist (§ 56 Abs. 2 des Sechsten Buches).

(2b) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie als Pflegeperson einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches, der Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, nicht erwerbsmäßig wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten. Versicherungspflicht besteht auch, wenn die Voraussetzungen durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger erfüllt werden.

(3) Nach Absatz 1 Nr. 1 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach § 25 Abs. 1 versicherungspflichtig ist. Nach Absatz 1 Nr. 4 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach anderen Vorschriften dieses Buches versicherungspflichtig ist. Versicherungspflichtig wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld nach Absatz 2 Nr. 1 ist nicht, wer nach Absatz 2a versicherungspflichtig ist. Nach Absatz 2 Nr. 2 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 2 Nr. 1 versicherungspflichtig ist oder während des Bezugs von Krankentagegeld Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat. Nach Absatz 2a und 2b ist nicht versicherungspflichtig, wer nach anderen Vorschriften dieses Buches versicherungspflichtig ist oder während der Zeit der Erziehung oder Pflege Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat; Satz 3 bleibt unberührt. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 2a mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 2b zusammen, geht die Versicherungspflicht nach Absatz 2a vor.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als

1.
Beamtin, Beamter, Richterin, Richter, Soldatin auf Zeit, Soldat auf Zeit, Berufssoldatin oder Berufssoldat der Bundeswehr sowie als sonstige Beschäftigte oder sonstiger Beschäftigter des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder eines Verbandes öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben,
2.
Geistliche der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben,
3.
Lehrerin oder Lehrer an privaten genehmigten Ersatzschulen, wenn sie hauptamtlich beschäftigt sind und nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben,
4.
satzungsmäßige Mitglieder von geistlichen Genossenschaften, Diakonissen und ähnliche Personen, wenn sie sich aus überwiegend religiösen oder sittlichen Beweggründen mit Krankenpflege, Unterricht oder anderen gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen und nicht mehr als freien Unterhalt oder ein geringes Entgelt beziehen, das nur zur Beschaffung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse an Wohnung, Verpflegung, Kleidung und dergleichen ausreicht,
5.
Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes gelten als ein Unternehmen.

(2) Versicherungsfrei sind Personen in einer geringfügigen Beschäftigung; abweichend von § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vierten Buches werden geringfügige Beschäftigungen und nicht geringfügige Beschäftigungen nicht zusammengerechnet. Versicherungsfreiheit besteht nicht für Personen, die

1.
im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz,
2.
wegen eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder
3.
wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 Fünftes Buch, § 44 Neuntes Buch) oder aus einem sonstigen der in § 146 Absatz 1 genannten Gründe
nur geringfügig beschäftigt sind.

(3) Versicherungsfrei sind Personen in einer

1.
unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist,
2.
Beschäftigung als Heimarbeiterin oder Heimarbeiter, die gleichzeitig mit einer Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister (§ 12 Abs. 4 Viertes Buch) ausgeübt wird, wenn der überwiegende Teil des Verdienstes aus der Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister bezogen wird,
3.
Beschäftigung als ausländische Arbeitnehmerin oder ausländischer Arbeitnehmer zur beruflichen Aus- oder Fortbildung, wenn
a)
die berufliche Aus- oder Fortbildung aus Mitteln des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes oder aus Mitteln einer Einrichtung oder einer Organisation, die sich der Aus- oder Fortbildung von Ausländerinnen oder Ausländern widmet, gefördert wird,
b)
sie verpflichtet sind, nach Beendigung der geförderten Aus- oder Fortbildung das Inland zu verlassen, und
c)
die im Inland zurückgelegten Versicherungszeiten weder nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft noch nach zwischenstaatlichen Abkommen oder dem Recht des Wohnlandes der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers einen Anspruch auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit in dem Wohnland der oder des Betreffenden begründen können,
4.
Beschäftigung als Bürgermeisterin, Bürgermeister, Beigeordnete oder Beigeordneter, wenn diese Beschäftigung ehrenamtlich ausgeübt wird,
5.
Beschäftigung, die nach den §§ 16e und 16i des Zweiten Buches gefördert wird.

(4) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer

1.
ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule oder
2.
ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule
eine Beschäftigung ausüben. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn die oder der Beschäftigte schulische Einrichtungen besucht, die der Fortbildung außerhalb der üblichen Arbeitszeit dienen.

(5) Versicherungsfrei sind Personen, die während einer Zeit, in der ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, eine Beschäftigung ausüben. Satz 1 gilt nicht für Beschäftigungen, die während der Zeit, in der ein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld besteht, ausgeübt werden.

(1) Versicherungsfrei sind Personen,

1.
die das Lebensjahr für den Anspruch auf Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches vollenden, mit Ablauf des Monats, in dem sie das maßgebliche Lebensjahr vollenden,
2.
die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd nicht mehr verfügbar sind, von dem Zeitpunkt an, an dem die Agentur für Arbeit diese Minderung der Leistungsfähigkeit und der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt haben,
3.
während der Zeit, für die ihnen eine dem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers zuerkannt ist.

(2) Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung oder auf Grund des Bezuges einer Sozialleistung (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 und 2), soweit ihnen während dieser Zeit ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist.

(3) Versicherungsfrei sind nicht-deutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1. in einer Tätigkeit als Erziehungsbeistand der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

2

Der klagende Landkreis ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Zur Erfüllung seiner Aufgaben schließt er Verträge mit freien Trägern sowie Einzelpersonen ab, die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort in den Familien erbringen. Der Beigeladene zu 1. ist Heilpädagoge und im Hauptberuf in Vollzeit bei einem freien Träger beschäftigt. Daneben ist er seit August 2007 auch für den Kläger als Erziehungsbeistand tätig. Diese Tätigkeit umfasst etwa vier bis sieben Stunden wöchentlich, in denen der Beigeladene zu 1. im Monat durchschnittlich ein bis zwei Familien betreut. Die Erziehungsbeistandschaft wird hilfesuchenden Familien mit Bescheiden des Klägers bewilligt, in denen der Beigeladene zu 1. als Hilfeanbieter genannt ist. Zusätzlich werden zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. für jeden Einzelfall Honorarverträge und eine "Vereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII" abgeschlossen. Darüber hinaus wird ein Hilfeplan erstellt, der regelmäßig gemeinschaftlich von der Familie, dem Beigeladenen zu 1. und einem Mitarbeiter des Klägers erarbeitet wird.

3

Der Beigeladene zu 1. beantragte am 4.4.2007 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit für den Kläger, nach dessen Anhörung die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund feststellte, dass die Tätigkeit seit dem 1.8.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde (Bescheid vom 22.6.2010). Auf den Widerspruch des Klägers stellte die Beklagte zusätzlich die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest und wies den Widerspruch sodann zurück (Änderungsbescheid vom 25.8.2010, Widerspruchsbescheid vom 2.12.2010).

4

Das SG hat diese Bescheide aufgehoben, weil der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für den Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei (Urteil vom 11.9.2013). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Abhängige Beschäftigung werde beim Kläger weder durch die Honorarverträge noch durch die Bescheide über die Bewilligung ambulanter Jugendhilfeleistungen noch durch andere Vereinbarungen oder die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit begründet. Der Beigeladene zu 1. sei weitgehend weisungsfrei und nicht in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingegliedert. Er trage ein Unternehmerrisiko im Sinne eines Verdienstausfallrisikos. Dem entspreche die schriftliche Vereinbarung einer selbstständigen Tätigkeit ohne Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Demgegenüber träten das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, wie auch die den Besonderheiten des SGB VIII geschuldete Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung und die Gesamtverantwortung des Klägers zurück.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte Verstöße des LSG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) sowie eine Verletzung von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. In materiell-rechtlicher Hinsicht hält sie "eine gewisse Typisierung der Berufsgruppen" bei der Abgrenzungsentscheidung nach § 7 Abs 1 S 1 SGB IV für notwendig. Bei der Statusprüfung müsse eine Gewichtung aller für oder gegen Beschäftigung sprechenden Anhaltspunkte erfolgen und geprüft werden, ob ein Umstand für Beschäftigung oder Selbstständigkeit typisch sei. Sei ein Umstand für beide Tätigkeitsformen gleichermaßen typisch, sei er für die Statusabgrenzung irrelevant. Hiervon ausgehend unternimmt sie eine ausführliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den Kläger als Beschäftigung zu werten sei.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. April 2015 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Zwar sei der Beigeladene zu 1. nicht nur als Erziehungsbeistand (16 Fälle), sondern in zwei Fällen auch in der sozialpädagogischen Familienhilfe eingesetzt worden. Für die Statusfeststellung sei dies - wie auch die Qualifikation des Beigeladenen zu 1. - jedoch nicht relevant, da die Tätigkeitsinhalte sehr ähnlich seien.

9

Die zu 2. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellt keinen eigenen Antrag. Sie schließt sich der Revisionsbegründung der Beklagten an und vertritt die Auffassung, aufgrund der Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 79 SGB VIII und seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sei jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII (= Familienhilfe) zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der einzelnen Mitarbeiter erforderlich, dass diese in die betrieblichen Abläufe des Jugendhilfeträgers eingegliedert sein müssten und Tätigkeiten der Familienhilfe somit nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden könnten.

10

Auch die weiteren Beigeladenen stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

12

Die von der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund erhobenen Rügen mehrerer Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz sind teils unzulässig, teils unbegründet (hierzu A.). Soweit die Revision die Rüge der Verletzung materiellen Rechts betrifft, ist sie zulässig aber unbegründet (hierzu B.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. im Bescheid vom 22.6.2010 in der Gestalt des Bescheids vom 25.8.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2010 war rechtswidrig.

13

A. Die von der Beklagten erhobenen Rügen mehrerer Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) sind teils unzulässig, teils unbegründet.

14

1. Die Rüge eines Verfahrensmangels ist nur zulässig, wenn in der Revisionsbegründung neben der verletzten Rechtsnorm auch alle Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12a mwN). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte (zum Ganzen vgl BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 1/12 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 7 RdNr 18). Diesen Anforderungen genügen die Aufklärungsrügen der Beklagten nicht.

15

2. Die Rüge der Beklagten, das LSG habe die tatsächliche Tätigkeit und Qualifikation des Beigeladenen zu 1. weiter aufklären müssen, ist unzulässig, weil die Beklagte nicht darlegt, dass der vereinzelte Einsatz des Beigeladenen zu 1. als sozialpädagogischer Familienhelfer aufgrund des dadurch erweiterten Einsatzspektrums zu einer anderen Statusbeurteilung hätte führen müssen. Die Beklagte zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, dass sich die statusrelevanten Umstände bei einem Einsatz als Familienhelfer wesentlich von denen beim Einsatz als Erziehungsbeistand unterscheiden.

16

3. Die Rüge der Beklagten, das LSG sei seiner Aufklärungspflicht bezüglich einer möglichen Kostenübernahmezusage des Klägers für den Fall der Teilnahme des Beigeladenen zu 1. an einer Supervision nicht ausreichend nachgekommen, ist unbegründet, denn das LSG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Beigeladenen zu 1. und den Kläger zum Thema Supervisionen befragt, ohne dass sich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass noch weitere Erkenntnisse zur Supervision und deren Honorierung gewonnen werden könnten.

17

4. Die Rüge eines Verstoßes des LSG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz wegen ungenügender Sachaufklärung zu einer Erstattung von Fahrtkosten ist wegen ungenügender Begründung unzulässig. Nach Auffassung der Beklagten bestand Anlass zu weiteren Ermittlungen, weil entgegen den Angaben des Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung zwei der vorgelegten Honorarverträge eine pauschale Abgeltung von 10 Euro bei einer Entfernung von mehr als 18 km zwischen Büro und Klient vorsahen. Es sei nicht auszuschließen, dass das LSG in Kenntnis dieser und möglicher weiterer solcher Fälle das Unternehmerrisiko anders bewertet hätte und in seiner Gesamtabwägung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die Beklagte hätte insoweit näher begründen müssen, wieso das geringe Gewicht, welches das LSG dem unternehmerischen Risiko des Beigeladenen zu 1. im Rahmen seiner Gesamtabwägung beigemessen hat, durch eine pauschale Abgeltung längerer Fahrten in weiteren Fällen soweit hätte verringert werden können, dass es das Abwägungsergebnis entscheidend beeinflusst. Hieran fehlt es.

18

5. Die Rüge, das LSG habe die Frage, ob die Vergütung in Abhängigkeit von der Schwierigkeit des jeweiligen Hilfefalles ausgehandelt wurde, nicht ausreichend aufgeklärt, ist unbegründet. Denn selbst wenn die Klägerin die Stundensätze einseitig angeboten und nicht weiter verhandelt hätte, änderte dies in Fällen wie dem vorliegenden nichts an der statusrechtlichen Bewertung (dazu unter B.).

19

B. Die Revision der Beklagten ist zulässig, soweit sie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts betrifft. Insbesondere erfüllt die Revisionsbegründung die hierfür geltenden Anforderungen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Sie ist jedoch unbegründet. Der Beigeladene zu 1. war in der Zeit vom 1.8.2007 bis 29.4.2015 (zum insoweit maßgebenden Endzeitpunkt - letzte mündliche Verhandlung beim LSG - vgl allgemein zB BSG Urteil vom 21.12.2011 - B 12 KR 22/09 R - BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21) nicht versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung, denn er war in seiner Tätigkeit als Erziehungsbeistand nicht beim klagenden Landkreis (abhängig) beschäftigt.

20

Das LSG ist mit § 7 Abs 1 SGB IV und den durch die Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Grundsätzen vom richtigen Maßstab zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung ausgegangen(hierzu nachfolgend 1.). Aufgrund der von ihm festgestellten, nicht mit erfolgreichen Revisionsrügen angegriffenen (hierzu oben A.) Tatsachen ist es bezogen auf die jeweiligen Erziehungsbeistandschaften (hierzu nachfolgend 2.) nach einer im Wesentlichen zutreffenden Gesamtschau aller Umstände zu dem Schluss gelangt, dass der Beigeladene zu 1. bei dem Kläger nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Schon nach dem Inhalt der Honorarverträge und der Vereinbarungen zu § 8a SGB VIII unterlag der Beigeladene zu 1. weder Weisungen des Klägers von erheblichem Gewicht noch war er in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert (hierzu 3.). Die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) hieran geübte Kritik ist unbegründet (hierzu 4.). Ebenso ist es im Ergebnis unschädlich, dass das LSG nicht alle in die Gesamtabwägung eingestellten Kriterien so gewertet hat, wie dies der Rechtsprechung des Senates entspricht (hierzu 5.).

21

1. In den Jahren 2007 bis 2015, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Das kann bei manchen Tätigkeiten dazu führen, dass sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zB BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17 ; BSG Urteil vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Die Beiträge Beilage 2016, 445 einerseits und anderseits BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25).

22

2. Das LSG hat die maßgeblichen Umstände zutreffend ermittelt. Es ist dabei zu Recht vom Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen schriftlichen Honorarverträge ausgegangen und hat nach Prüfung festgestellt, dass die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen, die Verträge also tatsächlich "gelebt" wurden (vgl zu diesem Vorgehen zB BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 17 ff). Dies gilt für den gesamten streitigen Zeitraum, denn das LSG hat festgestellt, dass Honorarverträge mit im Wesentlichen gleichem Inhalt während des gesamten streitigen Zeitraums geschlossen wurden, also auch im Zeitraum vor der ersten schriftlichen Fixierung des Honorarvertrages. Daher musste das LSG nicht zwischen den einzelnen Beistandschaften differenzieren, obwohl es im Übrigen zutreffend berücksichtigt hat, dass bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art - keine Rahmenvereinbarung mit einer Pflicht zur Übernahme einzelner Erziehungsbeistandschaften - für die Frage der Versicherungspflicht jeweils auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 19 mwN).

23

3. Das Ergebnis der vom LSG vorgenommenen Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG hat zu Recht angenommen, dass der Beigeladene zu 1. während der einzelnen Einsätze als Erziehungsbeistand für den Kläger nicht wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig war. Denn nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der Honorarverträge sowie der Vereinbarungen zu § 8a SGB VIII unterlag der Beigeladene zu 1. weder Weisungen des Klägers von erheblichem Gewicht noch war er in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert.

24

a) In den zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen Honorarverträgen für selbstständige Fachkräfte in der Jugendhilfe ist im Wesentlichen folgendes vereinbart:

        

- Vertragsgegenstand ist die Gewährung ambulanter Jugendhilfeleistungen in Form einer Erziehungsbeistandschaft (§ 30 SGB VIII) die der Beigeladene zu 1. als Auftragnehmer für den Kläger im Rahmen eines selbstständigen freien Mitarbeiterverhältnisses erbringt.
- Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht begründet und ist nicht gewollt.
- Der Auftragnehmer hat die übernommenen Aufgaben selbstständig, eigenverantwortlich, mit unbedingter Sorgfalt und fachlich korrekt auszuführen.
- Er ist nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden.
- Er unterliegt keinem Weisungsrecht und ist in der Auftragsausführung, der Einteilung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes grundsätzlich frei, soweit sich nicht aus der Natur der Sache etwas anderes ergibt.
- Dem Auftragnehmer sind die zivilrechtlichen Konsequenzen (kein Anspruch auf Urlaub, Fortbildung, Kündigungs-, Mutter- und Schwerbehindertenschutz, keine Vergütung bei Urlaub oder Krankheit) sowie die öffentlich-rechtlichen Folgen (eigenverantwortliche Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, selbstständige Vornahme eventuell notwendiger behördlicher Anmeldungen bzw Einholung von Genehmigungen) bekannt.
- Der Auftragnehmer hat die Aufgabe, die im Hilfeplan (§ 36 SGB VIII) genannten Ziele zu realisieren.
- Je Fall wird eine Betreuungszeit zwischen 18 und 20 Stunden monatlich vereinbart.
- Eine gegebenenfalls erforderliche Änderung der Stundenzahl ist abzustimmen und schriftlich zu vereinbaren.
- Die Monatsstunden können flexibel erbracht werden.
- Das Honorar beträgt 40 Euro (in späteren Verträgen bis 41,50 Euro) je vereinbarter und geleisteter Betreuungsstunde. Zur Abrechnung kommt nur die Zeit, die direkt mit dem Hilfeempfänger und dessen sozialem Umfeld gearbeitet wird.
- Die übrige fallbezogene Tätigkeit, Fahrzeiten sowie sonstige Sach- und Nebenkosten sind mit dem Fachleistungsstundensatz abgegolten.
- Ein Wettbewerbsverbot besteht nicht.
- Zur Zielerreichung und Qualität der Aufgabenerledigung wird vereinbart, dass sich verändernde Aufgaben durch die Fortschreibung des Hilfeplans festgelegt werden.
- Der für den Einzelfall zuständige Sozialarbeiter erhält das Recht, sich nach dem Grad der Zielerreichung zu erkundigen.
- Die Auftragsausführung beinhaltet ein Auswertungsgespräch über die Erreichung der vereinbarten Ziele und den Verlauf des Hilfeprozesses. Grundlage des Auswertungsgespräches ist ein im Abstand von sechs Monaten zu fertigender schriftlicher Bericht.
- Über die Teilnahme des Auftragnehmers an der hauseigenen Supervision des Auftraggebers können im Einzelfall Absprachen getroffen werden. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nicht.
- Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB VIII zu erbringen; der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung ist entsprechend den Bestimmungen des § 8a SGB VIII wahrzunehmen.
- Das Auftragsverhältnis ist mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende ohne Angabe von Gründen oder aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar.

25

Zudem verpflichtete sich der Beigeladene zu 1. in einer jeweils gesondert getroffenen "Vereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII":

        

- Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung ist die Abschätzung des Gefährdungsrisikos unter Einbeziehung einer erfahrenen Fachkraft vorzunehmen.
- Der Auftragnehmer unterrichtet das Jugendamt, wenn die erforderlichen Jugendhilfeleistungen zur Abwendung des Gefährdungsrisikos von ihm selbst nicht angeboten werden, die Maßnahmen nicht ausreichen oder die Personensorgeberechtigten nicht in der Lage oder nicht bereit sind, sie in Anspruch zu nehmen.

26

Das LSG hat festgestellt, dass der Vertrag so auch praktiziert wurde.

27

b) Das LSG hat aus dem Gesamtbild dieser Umstände zu Recht den Schluss gezogen, dass der Beigeladene zu 1. beim Kläger nicht abhängig beschäftigt war.

28

Ein Weisungsrecht des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit war in den Honorarverträgen ausdrücklich ausgeschlossen. Weisungen sind nach der zwischen den Vertragsparteien geübten Praxis während der einzelnen Beistandschaften auch tatsächlich nicht erteilt worden. Umstände, die eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers nahelegen könnten, hat das LSG nicht festgestellt. Nach allem liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB IV nicht vor.

29

4. Die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. gegen die Bewertung einzelner Indizien durch das LSG erhobenen Einwände greifen nicht durch.

30

a) Die rechtliche Struktur des Leistungserbringerrechts der Kinder- und Jugendhilfe weist die Gesamtverantwortung für die Erbringung ua von Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII und den besonderen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII dem Träger der Jugendhilfe zu. Hieraus folgt - entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 2. - jedoch nicht, dass die zur Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten nötigen Tätigkeiten - und damit auch die für den Kläger erbrachten Leistungen des Beigeladenen zu 1. als Erziehungsbeistand - (rechtmäßig) nur in Beschäftigung ausgeübt werden können. Dies hat der Senat bereits in mehreren Urteilen deutlich gemacht (BSG Urteile vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 18 ff und - B 12 KR 14/10 R - RdNr 17 ff des Umdrucks; vgl zur allenfalls indiziellen Bedeutung leistungsrechtlicher Vorgaben des SGB V für den Status im Bereich der Heilmittelversorgung BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 26 ff) und wird selbst von der Beklagten nicht (mehr) bezweifelt.

31

b) Soweit der Beigeladene zu 1. in den an die Leistungsberechtigten gerichteten Bewilligungsbescheiden als Leistungserbringer benannt wird, kann hieraus nicht auf dessen abhängige Beschäftigung geschlossen werden.

32

Nach der Struktur des Leistungserbringerrechts des SGB VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 4 Abs 2 SGB VIII gehalten, von eigenen Maßnahmen abzusehen, wenn ua geeignete Dienste durch anerkannte Träger der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können(vgl hierzu allg Luthe in JurisPK-SGB VIII § 4 RdNr 35 ff). Dies verdeutlicht, dass anstelle des Beigeladenen zu 1. grundsätzlich auch ein freier Träger mit der Wahrnahme von Erziehungsbeistandschaften beauftragt und im Leistungsbescheid als Leistungserbringer benannt werden könnte. Dass hieraus nicht auf einen Beschäftigtenstatus einer solchen Organisation im Verhältnis zum öffentlichen Träger geschlossen werden kann, liegt auf der Hand und gilt gleichermaßen für eine mit der Leistungserbringung beauftragte Einzelperson.

33

c) Am Fehlen eines Weisungsrechts des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. ändert auch dessen Verpflichtung auf die im Hilfeplan genannten Ziele nichts.

34

Aus den Hilfeplänen bzw aus deren Fortschreibung ergibt sich die aktuelle Situation in den Familien, ferner werden erreichte Ziele sowie neue, zusätzliche Ziele dargestellt und ergänzende Vereinbarungen dokumentiert. Konkrete Anweisungen zur Zielerreichung enthalten die Hilfepläne nicht. Die Arbeit an der Realisierung der im Hilfeplan vereinbarten Ziele war gerade die vom Beigeladenen zu 1. geschuldete Hauptleistungspflicht. Insofern erfolgte über den Hilfeplan lediglich eine Konkretisierung seiner vertraglichen Verpflichtungen, nicht jedoch eine Weisung hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erfüllung. Dies gilt beispielsweise auch für das von der Beklagten angeführte Beispiel der "Anbindung" eines Jugendlichen an einen bestimmten Tischtennisverein. Zwar liegt hierin die Festlegung einer konkreten Maßnahme zur Verwirklichung des übergeordneten Ziels, den Betroffenen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen zu unterstützen und seine Verselbstständigung zu fördern (vgl § 30 SGB VIII). Dennoch blieb es dem Beigeladenen zu 1. überlassen, wie er den Betroffenen anspricht und motiviert, damit diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird.

35

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt auch die Kündigungsfrist von (ordentlich) 14 Tagen zum Monatsende weder zu einer rechtlichen noch zu einer faktischen Weisungsunterworfenheit. Das subjektive Empfinden bzw die möglicherweise wirtschaftliche Abhängigkeit von Folgeaufträgen steht unter den vorliegenden Umständen einem objektiven Weisungsrecht des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nicht gleich. Die Möglichkeit der Unterschreitung der Kündigungsfristen des § 622 BGB ist gerade eine Folge der Vereinbarung eines freien Dienstvertrags anstelle eines Arbeitsvertrags. Es wäre daher ein Zirkelschluss, jeden kurzfristig kündbaren freien Dienstvertrag als Arbeitsvertrag auszulegen.

36

e) Ein für die Statusfeststellung bedeutsames Weisungsrecht kann vorliegend auch nicht den - neben den Honorarverträgen jeweils geschlossenen - "Vereinbarungen zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII" entnommen werden.

37

Gegenstand dieser Vereinbarungen, die mit allen "Einrichtungen und Diensten", insbesondere auch der Träger der freien Jugendhilfe zu schließen sind (vgl Kößler in JurisPK-SGB VIII § 8a RdNr 59), waren die Pflichten des Beigeladenen zu 1. für den Fall gewichtiger, in einer Anlage näher bezeichneter Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung. Lagen solche Anhaltspunkte vor, hatte er unter Einbeziehung einer konkret benannten, erfahrenen und über bestimmte Qualifikationen verfügende Fachkraft eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos vorzunehmen und auf die Inanspruchnahme der - grundsätzlich von ihm selbst zu erbringenden - erforderlichen Maßnahmen bei den Personensorgeberechtigten hinzuwirken. Nur wenn er die erforderlichen Leistungen nicht selbst anbot, die Maßnahmen nicht ausreichten oder die Personensorgeberechtigten nicht in der Lage oder nicht bereit waren, sie in Anspruch zu nehmen, hatte er das Jugendamt zu unterrichten. Somit oblagen die Auswahl, Ausgestaltung und Durchführung von Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung entgegen der Auffassung der Beklagten in erster Linie dem Beigeladenen zu 1. Lediglich bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos hatte er eine "erfahrene Fachkraft" zu beteiligen. Hierbei muss es sich aber keineswegs um einen Mitarbeiter des Jugendamtes oder einer anderen Stelle des Klägers handeln, wie sich aus § 8a Abs 2 SGB VIII(idF vom 14.12.2006, BGBl I 3134) bzw für die Zeit ab 1.1.2012 aus § 8a Abs 4 SGB VIII(idF vom 11.9.2012, BGBl I 2022) ergibt (vgl auch Kößler in jurisPK-SGB VIII § 8a RdNr 57 f).

38

f) Auch für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb bzw in die Arbeitsorganisation des Klägers finden sich ausgehend von den Honorarverträgen und den Schutzvereinbarungen keine gewichtigen Anhaltspunkte. Der Kläger bediente sich ua des Beigeladenen zu 1. zur Erfüllung seiner Leistungsverpflichtung bezüglich Hilfen zur Erziehung (§ 2 Abs 2 Nr 4 iVm § 3 Abs 2 S 2 SGB VIII; vgl hierzu auch Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 10/06, K 27 SGB VIII RdNr 51). Er verzichtete insoweit auf die Einrichtung eines eigenen Betriebes bzw einer eigenen operativen Verwaltungseinheit. Und auch sonst fehlt es an Tatsachenfeststellungen, aus denen sich eine unmittelbare Einbindung in die übrigen betrieblichen Abläufe des Klägers ergeben könnten.

39

Bereits der Kontakt zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. beschränkte sich nach der Auftragserteilung - sofern nicht ausnahmsweise die Informationspflichten nach der Schutzvereinbarung griffen - regelmäßig allein auf ein Auswertungsgespräch über die Erreichung der vereinbarten Ziele und den Verlauf des Hilfeprozesses anhand von im Abstand von sechs Monaten zu fertigender schriftlicher Berichte. Diese zeitlich geringen Berichtspflichten, dienten der Umsetzung der allein den Kläger treffenden gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung des Hilfeplanverfahrens, das der Jugendhilfeträger nicht (vollständig) auf freie Träger oder eine Honorarkraft delegieren kann (vgl hierzu Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 10/06, K 27 SGB VIII RdNr 50 ff). Im Übrigen sind die Ergebnisberichte kein Spezifikum abhängiger Beschäftigung, sondern verbreitet auch eine Selbstverständlichkeit im Rahmen selbstständiger Dienstleistungen.

40

g) Gleiches gilt für die Klausel der Honorarverträge, wonach über die Teilnahme des Beigeladenen zu 1. an der hauseigenen Supervision des Klägers im Einzelfall Absprachen getroffen werden konnten. Bereits nach dem Wortlaut der Honorarverträge bestand keine Verpflichtung zur Teilnahme. Zudem hat das LSG festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. tatsächlich "weder an Supervisionen noch an kollegialen Beratungen" - also auch nicht etwa an Teambesprechungen (vgl zu deren möglicher Bedeutung BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 27) - teilgenommen hat.

41

5. An der Richtigkeit des vom LSG gefundenen Ergebnisses, wonach der Beigeladene zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, ändert es auch nichts, dass das LSG nicht alle in die Gesamtabwägung eingestellten Kriterien so gewertet hat, wie dies der Rechtsprechung des Senates entspricht.

42

a) Dies gilt zunächst für die Frage eines - hier allenfalls sehr geringen - Unternehmerrisikos des Beigeladenen zu 1. Bei reinen Dienstleistungen, die - wie vorliegend - im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist damit bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden.

43

Daher ist es unerheblich, dass der Beigeladene zu 1. sein Auto, seinen PC sowie sein Mobiltelefon, die er auch für seine Tätigkeit als Erziehungsbeistand einsetzte, nicht speziell und gerade im Hinblick auf diese Tätigkeit angeschafft hat. Deren Anschaffung speziell für die Tätigkeit als Erziehungsbeistand wäre nach der Rechtsprechung des BSG aber erforderlich, um diese Investitionen gegen Beschäftigung (und für selbstständige Tätigkeit) werten zu können; denn nur dann könnte das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder Ausbleiben weiterer Aufträge als verloren und damit als Realisierung eines unternehmerischen Investitionsrisikos angesehen werden (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 37).

44

b) Unerheblich für das Gesamtergebnis ist auch das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte. Dem Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte kommt für Beschäftigung und gegen selbstständige Tätigkeit indizielle Bedeutung in der Regel dann zu, wenn eine solche Betriebsstätte bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist. Bei Tätigkeiten wie der vorliegenden, die - mit Ausnahme des Verfassens der Berichte und der Terminabstimmung - ausschließlich vor Ort in den Familien zu erbringen sind, ist zwar eine Arbeitsmöglichkeit im privaten Bereich, aber keine Betriebsstätte im engeren Sinne zu erwarten.

45

c) Ebenso ist die hier vereinbarte Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung nur dann als gewichtiges Indiz für abhängige Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit zu sehen, wenn diese nicht den Eigenheiten und besonderen Erfordernissen der Erziehungsbeistandschaft geschuldet ist. Gerade bei Tätigkeiten, deren Erfolg ein besonderes Vertrauen über einen ggf längeren Zeitraum oder aber eine besondere Expertise voraussetzt, ist die Leistungserbringung durch eine bestimmte Person häufig als Vertragsinhalt anzusehen.

46

d) Gleichfalls spräche es nicht notwendig gegen die Selbstständigkeit (und für Beschäftigung) des Beigeladenen zu 1., sollte dieser - wie von der Beklagten behauptet und nach den vorliegenden Honorarverträgen naheliegend - tatsächlich in einzelnen Fällen Fahrtkostenerstattungen für längere Anfahrtswege erhalten haben. Denn solche Anfahrt- oder Wegepauschalen sind zB auch bei selbstständigen Handwerkern durchaus verbreitet.

47

e) Zwar hat das LSG entgegen der Rechtsprechung des BSG (hierzu BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 27 mwN) die Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie von Urlaubsgeld als Indiz für die selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. gewertet. Ist wie vorliegend selbstständige Tätigkeit vereinbart, entspräche die Gewährung von Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt/Urlaubsgeld nicht dem gewollten Vertragstyp.

48

f) Schließlich spricht auch die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars nicht zwingend für abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zB eines materiellen Produkts - ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (trotz regelmäßig zeitabhängigen Entgelts Selbstständigkeit für nicht ausgeschlossen erachtet: BSG Urteil vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; vgl aber auch BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 31). Dies würde selbst dann gelten, wenn die Honorare für die jeweiligen Erziehungsbeistandschaften nicht frei ausgehandelt, sondern entsprechend beim Kläger gebräuchlicher Sätze festgelegt worden wären. Denn bei entsprechender Markt- und Verhandlungsmacht eines Auftraggebers ist die Vergabe von Dienstleistungen zu von ihm einseitig festgelegten Konditionen nicht unüblich. Andererseits kann ein freies Aushandeln der Vergütungshöhe auch bei der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen außerhalb des Geltungsbereichs von Entgelttarifverträgen oder anderen rechtlichen Vorgaben stattfinden.

49

g) Das Fehlen eines Wettbewerbsverbots ist kein Indiz für die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1., weil auch (teilzeitbeschäftigte) Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse bei verschiedenen Arbeitgebern in derselben Branche nebeneinander haben können. Allerdings könnte umgekehrt ein bestehendes Wettbewerbsverbot für einen höheren Grad an Abhängigkeit des vermeintlichen Auftragnehmers und deswegen uU auch für Beschäftigung sprechen.

50

h) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, exakt zu ermitteln, was ein von freien Trägern ähnlich oder vergleichbar eingesetzter beschäftigter Erziehungsbeistand verdienen würde, um dieses Einkommen mit dem Einkommen des Beigeladenen zu 1. zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus hinreichende Eigenvorsorge (Alter, Krankheit etc) finanziert werden kann. Die Vereinbarung von Entgelten ist - von gesetzlichen Vergütungsordnungen abgesehen - Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie. Liegt das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies jedoch ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von uU vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl etwa BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 29 f). Daher war ein solcher Vergleich entgegen der Auffassung des LSG vorliegend nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach dessen Feststellungen beim Kläger selbst keine Erziehungsbeistände beschäftigt sind und der Beigeladene zu 1. nach eigener Auskunft wegen seiner Qualifikation auch nicht bei einem freien Träger als Erziehungsbeistand beschäftigt sein könnte.

51

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

52

D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

(1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind:

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind; für die Zeit des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch bleibt die Versicherungspflicht unberührt,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, auch wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler, die nach § 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig sind,
4.
selbständige Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe, in Berufsbildungswerken oder in ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Berufsfindung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Leistungen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
Behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
10.
Personen, die zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt beschäftigt sind oder die eine Fachschule oder Berufsfachschule besuchen oder eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten (Praktikanten), längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; Auszubildende des Zweiten Bildungsweges, die sich in einem nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnittes befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, soweit sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 11, 11a, 11b oder 12 des Fünften Buches der Krankenversicherungspflicht unterliegen,
12.
Personen, die, weil sie bisher keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Krankenversicherungspflicht unterliegen.

(2) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(2a) Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(3) Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung.

(4) Nehmen Personen, die mindestens zehn Jahre nicht in der sozialen Pflegeversicherung oder der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig waren, eine dem äußeren Anschein nach versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung auf, besteht die widerlegbare Vermutung, daß eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nach Absatz 1 Nr. 1 oder eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 tatsächlich nicht ausgeübt wird. Dies gilt insbesondere für eine Beschäftigung bei Familienangehörigen oder Lebenspartnern.

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2016 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2015 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2632,73 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ihrem ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister.

2

Die Klägerin ist die Kreishandwerkerschaft N., eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Mitglieder die Handwerksinnungen des südlichen Teils des Landkreises N. sind. Sie hat insbesondere die Aufgabe, die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen und diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Ihre Geschäfte führt ein von der Mitgliederversammlung gewählter Vorstand. Der Vorstand besteht aus dem Kreishandwerksmeister, dessen Stellvertreter und drei weiteren Mitgliedern. Die Aufgaben des Kreishandwerksmeisters (etwa Einladung zu den Sitzungen des Vorstands und zur Mitgliederversammlung) ergeben sich ua aus der Satzung der Kreishandwerkerschaft. Die Klägerin unterhält eine Geschäftsstelle und beschäftigt dort ua einen hauptamtlichen Geschäftsführer, dem die Aufgaben des laufenden Geschäfts übertragen sind. Der Beigeladene zu 1. war als selbstständiger Handwerker tätig und wurde von der Kreishandwerkerschaft zum ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister gewählt. Er übte dieses Amt vom 1.1.2006 bis 30.9.2010 aus und erhielt dafür in den Jahren 2006 und 2007 eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 6420 Euro jährlich und in den Jahren 2008 und 2009 von 6600 Euro jährlich.

3

Nach einer Betriebsprüfung forderte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 von der Klägerin ua pauschale Rentenversicherungsbeiträge wegen geringfügiger Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in Höhe von insgesamt 2632,73 Euro nach. Der Beigeladene zu 1. sei als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister geringfügig beschäftigt gewesen, weil er für die Klägerin nicht nur repräsentative, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen gehabt habe und insoweit weisungsgebunden gewesen sei (Bescheid vom 7.7.2011). Die Klägerin beantragte im September 2011 die Rücknahme des inzwischen bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 7.7.2011, soweit er den Beigeladenen zu 1. betrifft; dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 31.1.2012). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister stelle sich als abhängige Beschäftigung dar und sei als geringfügige Beschäftigung beitragspflichtig in der GRV gewesen.

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 7.7.2011 insoweit zurückzunehmen, als damit das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. festgestellt und deshalb Beiträge zur Sozialversicherung erhoben worden sind. Zudem hat es antragsgemäß festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit als Kreishandwerksmeister für die Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.9.2010 nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag (Urteil vom 11.8.2015). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.2.2016): Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister sei als geringfügige Beschäftigung beitragspflichtig in der GRV gewesen. Obwohl ihm eine Reihe von Aufgaben oblegen habe, die der Repräsentation zuzurechnen seien, seien ihm darüber hinaus trotz der auf den Geschäftsführer übergegangenen und von diesem zu erledigenden Aufgaben Verwaltungsaufgaben verblieben und von ihm auch tatsächlich wahrgenommen worden, die zur Beurteilung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis führten. Diese Verwaltungsaufgaben in Form von Mitwirkungs-, Vertretungs- und Überwachungsfunktionen ergäben sich aus der Satzung der Klägerin und seien nicht vollkommen untergeordnet; sie seien vielmehr prägend für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. gewesen. Der Beigeladene zu 1. habe an der Spitze einer Hierarchie innerhalb der Klägerin gestanden, über die wiederum die Handwerkskammer Aufsicht ausgeübt habe. Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. sei wegen Geringfügigkeit iS von § 8 Abs 1 SGB IV versicherungsfrei, nicht jedoch beitragsfrei gewesen. Da der Beigeladene zu 1. privat krankenversichert gewesen sei, bestehe nur eine Beitragspflicht zur GRV.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 7 Abs 1 und 15 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe eine unzutreffende Gesamtwürdigung der Aufgaben des Beigeladenen zu 1. vorgenommen, denn bei der Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters stünde die Wahrnehmung protokollarischer und organschaftlicher Repräsentationsaufgaben sowie die weisungsfreie Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im Vordergrund. Die laufenden Geschäfte der Verwaltung habe der zur Vertretung berechtigte Geschäftsführer wahrgenommen. Zudem handele es sich nicht um eine allgemein zugängliche Verwaltungstätigkeit. Der Beigeladene zu 1. habe kein Arbeitsentgelt erzielt, denn steuerrechtlich sei die Aufwandsentschädigung als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit angesehen worden. Auch unter Berücksichtigung allgemeiner Kriterien sei festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei und keine Weisungen erhalten habe. Er sei weiterhin als selbstständiger Handwerksmeister tätig gewesen; dies erfordere auch das Ehrenamt.

6

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.7.2017 die Feststellungsklage zurückgenommen und zuletzt nur noch beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2016
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Schleswig vom 11. August 2015 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

9

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und keine Stellungnahmen abgegeben.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist, soweit der Rechtsstreit nicht durch Zurücknahme der Feststellungsklage seitens der Klägerin erledigt worden ist, begründet.

11

1. Das LSG hat zu Unrecht die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen und das Urteil des SG insoweit aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2012 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, ihren Bescheid vom 7.7.2011 nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zurückzunehmen, soweit in diesem die Entrichtung von Beiträgen zur GRV für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Kreishandwerksmeister der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 gefordert wird.

12

Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X liegen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 7.7.2011 ist rechtswidrig und die Beklagte erhebt zu Unrecht aufgrund dieses Bescheides Beiträge. Im Rahmen der Betriebsprüfung war der beklagte Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB IV zwar befugt, über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin zu entscheiden. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister der klagenden Kreishandwerkerschaft begründete jedoch keine Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur GRV. Der beigeladende Kreishandwerksmeister war im streitigen Zeitraum nicht - auch nicht geringfügig - beschäftigt.

13

Gemäß § 172 Abs 3 S 1 SGB VI trugen im streitigen Zeitraum Arbeitgeber für Beschäftigte nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind oder die nach § 5 Abs 4 SGB VI versicherungsfrei sind, einen Beitragsanteil in Höhe von 12 vom Hundert(Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.7.2004, BGBl I 1791) bzw 15 vom Hundert (Fassung des HBeglG 2006 vom 29.6.2006, BGBl I 1402 und des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) des Arbeitsentgelts, das bei Versicherungspflicht der Beschäftigten beitragspflichtig gewesen wäre. Eine geringfügige Beschäftigung lag nach § 8 Abs 1 SGB IV in seiner hier noch gültigen alten Fassung(= Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 23.1.2006, BGBl I 86, Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21.12.2008, BGBl I 2933 und Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009, BGBl I 3710) vor, wenn

1.    

das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht überstieg,

2.    

die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt 400 Euro im Monat überstieg.

14

Das LSG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beigeladene zu 1. eine geringfügig entlohnte Beschäftigung iS des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV ausgeübt hat. Es bestand weder ein Beschäftigungsverhältnis (dazu 2.) noch erhielt der Beigeladene zu 1. Arbeitsentgelt (dazu 3.).

15

2. Der beigeladene Kreishandwerksmeister war in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit nicht abhängig beschäftigt.

16

a) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Gemäß § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

17

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN). Diese von der Rechtsprechung formulierten Kriterien orientieren sich am Typus des Arbeitnehmers, der in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als normativer Regelfall abhängiger Beschäftigung genannt wird. Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit Beschäftigter ist ebenfalls, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages oder Rechtsverhältnisses (insbesondere eines Arbeitsverhältnisses) erbringen, um als Gegenleistung dafür eine Entlohnung zu erhalten, sodass die Arbeitsleistung bei objektiver Betrachtung zu Erwerbszwecken erbracht wird (zur Rechtsfigur des Typus vgl BVerfG Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

18

b) Hieran fehlt es vorliegend. Weder unterlag der Beigeladene zu 1. Weisungen bezüglich Art, Zeit oder Ort seiner Tätigkeit noch war er einem Arbeitnehmer vergleichbar in die Arbeitsorganisation der Kreishandwerkerschaft eingebunden (aa); daran ändert es auch nichts, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht auf reine Repräsentationsaufgaben beschränkte (bb). Ebenso wenig erbrachte er sein ehrenamtliches Engagement um einer finanziellen Gegenleistung willen (cc). Vielmehr zeichnete sich die Tätigkeit dadurch aus, dass sie - wie dies bei ehrenamtlichem Engagement typisch ist - nicht zu Erwerbszwecken oder auch nur in der Erwartung einer finanziellen Gegenleistung ausgeübt wurde.

19

aa) Der Beigeladene zu 1. unterlag in seinem Aufgabenbereich keinen Weisungen der Kreishandwerkerschaft oder deren Organen, wie sie in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als Anhaltspunkte abhängiger Beschäftigung genannt sind. Insbesondere führte die Erfüllung der ihn im Rahmen von § 87 Abs 1 Handwerksordnung (HwO) treffenden organschaftlichen Aufgaben nicht zu persönlicher Abhängigkeit, wie sie § 7 Abs 1 SGB IV umschreibt. Die Kreishandwerkerschaft hat danach aufgrund Bundesrechts die Aufgabe,

-       

die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes

-       

sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen,

-       

die Handwerksinnungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen,

-       

Einrichtungen zur Förderung und Vertretung der gewerblichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Mitglieder der Handwerksinnungen zu schaffen oder zu unterstützen,

-       

die Behörden bei den das selbstständige Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe ihres Bezirks berührenden Maßnahmen zu unterstützen und ihnen Anregungen, Auskünfte und Gutachten zu erteilen,

-       

die Geschäfte der Handwerksinnungen auf deren Ansuchen zu führen,

-       

die von der Handwerkskammer innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Vorschriften und Anordnungen durchzuführen; die Handwerkskammer hat sich an den hierdurch entstehenden Kosten angemessen zu beteiligen.

20

Der Kreishandwerksmeister ist der Vorsitzende des Vorstands der Kreishandwerkerschaft. Der Vorstand führt die Geschäfte der Kreishandwerkerschaft, soweit sie nicht der Mitgliederversammlung obliegen oder dem Geschäftsführer übertragen sind. Die Klägerin unterhält eine Geschäftsstelle und beschäftigt dort ua einen hauptamtlichen Geschäftsführer, dem die Aufgaben des laufenden Geschäfts übertragen sind. Der Kreishandwerksmeister vertritt gemeinsam mit dem Geschäftsführer die Kreishandwerkerschaft in allen öffentlich- und zivilrechtlichen Angelegenheiten, sofern nicht Angelegenheiten der laufenden Geschäfte betroffen sind.

21

Vorrangige Aufgabe des beigeladenen Kreishandwerksmeisters war die Umsetzung der genannten Aufgaben der Klägerin als Kreishandwerkerschaft bei Führung der Geschäfte durch den Vorstand. Er übte dabei als Vorsitzender des Vorstands Repräsentationsaufgaben und organschaftliche Verwaltungsaufgaben aus. Die Verwaltungsaufgaben waren aufgrund normativer Vorgaben der HwO und der Satzung festgelegt, der Beigeladene zu 1. musste die ihm durch diese Regelungen zugewiesenen Aufgaben erfüllen, jedoch wurden dem Beigeladenen zu 1. darüber hinaus keine Weisungen zur Ausübung seiner Aufgaben erteilt: es gab keine Zeiterfassung, keine vorgeschriebenen Anwesenheitszeiten, zumal der Beigeladene zu 1. über kein Büro in der Geschäftsstelle verfügte. Auch über die Art der Ausführung der Tätigkeit erhielt der Beigeladene zu 1. von Dritten keine Weisungen.

22

Aus der Tatsache, dass er im Vorstand, einem Kollegialgremium, überstimmt werden konnte, ergibt sich rechtlich nichts für die Frage einer Weisungsgebundenheit iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Beigeladene zu 1. führte nämlich die Beschlüsse des Vorstands, soweit es die laufenden Geschäfte betrifft, nicht selbst aus, sondern der Geschäftsführer (s auch BSG Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 33/76 - BSGE 47, 201 = SozR 2200 § 165 Nr 32, SozR 1500 § 96 Nr 14 - Verbandsvorsteher eines Wasser- und Bodenverbandes, dem alle den Verband betreffenden Geschäfte oblagen und der als "Verwaltungsorgan" tätig war).

23

Aber auch soweit die laufenden Geschäfte nicht betroffen sind, ergaben sich aus der Satzung und aus der HwO keine Aufgaben, die der Beigeladene zu 1. hätte ausführen müssen, deren Ausgestaltung sich wegen eines möglichen Vorstandsbeschlusses als weisungsgebunden darstellen würden. Gleiches gilt hinsichtlich der Beschlüsse der Mitgliederversammlung, die den Vorstand ggf binden. Solche Beschlüsse geben die Ausrichtung der Aktivitäten der Klägerin vor, es handelt sich aber nicht um eine Weisung iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Ebenso übte die Handwerkskammer keine Fachaufsicht aus, die zu einer Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1. führen würde (s auch BVerwG Urteil vom 25.4.1972 - I C 3.70 - Juris). Der Vorstand ist zudem nach seiner Wahl nicht ohne Weiteres in einer Weise abberufbar, wie Arbeitnehmer regelmäßig kündbar sind. Der Widerruf der Bestellung des Vorstands oder einzelner seiner Mitglieder ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Die Satzung benennt als Beispiele für einen wichtigen Grund eine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit. Letztlich führen auch die normativen Vorgaben durch die HwO und die Satzung an sich nicht zu einer Weisungsgebundenheit der Tätigkeit, denn in jedweder Tätigkeit sind solche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Beigeladenen zu 1. vollständig seiner organschaftlichen Stellung als Vorsitzender des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft entsprach.

24

bb) Dass das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Ehrenamts nach der Satzung nicht nur Repräsentationsaufgaben umfasst, sondern zugleich auch Verwaltungsaufgaben, führt nicht zur Annahme abhängiger Beschäftigung.

25

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter als solches noch dessen Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit eigenen gesetzlichen Befugnissen noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall die Annahme eines versicherungspflichtigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses per se ausschließen (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 12/05 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN). Er hat dabei zwischen Repräsentationstätigkeiten bzw Tätigkeiten aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung und allgemein zugänglicher (Verwaltungs-)Tätigkeit differenziert. Er hat damit die Besonderheiten ehrenamtlichen Engagements anerkannt und die mit einem Ehrenamt verbundenen Repräsentationsaufgaben als weisungsfreie, dem Grunde nach nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten qualifiziert (BSG Urteil vom 27.3.1980 - 12 RK 56/78 - SozR 2200 § 165 Nr 44). Der Senat hat - trotz dieses Befundes - in einer Gesamtwürdigung jedoch insgesamt abhängige Beschäftigung dann angenommen, wenn ein ehrenamtlich Tätiger zugleich allgemein zugängliche Verwaltungsaufgaben übernommen und zudem für die Ausübung dieser Tätigkeiten eine Aufwandsentschädigung erhalten hat, die über den tatsächlichen Aufwänden lag (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 12/05 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN). Weiter hat er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in Fällen angenommen, in denen die Betätigung nicht allein aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung und wegen dieser Verpflichtung ohne Erwerbszweck für einen Verein ausgeübt wurde (BSG Urteil vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16,98 = SozR Nr 5 zu § 160 RVO; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 mit Verweis auf die Rechtsprechung zur Beschäftigung gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII: BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27; s auch BSG Urteil vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - Juris).

26

Der Senat entwickelt diese Grundsätze seiner Rechtsprechung zur ehrenamtlichen Betätigung fort. Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und auch nicht für jedermann frei zugänglich sind, führen regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit(dazu cc). Zudem ist ehrenamtliche Tätigkeit nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit (dazu dd).

27

cc) Einladungen zur und die Leitung der Sitzungen des Vorstands und der Mitgliederversammlung sowie die Mitzeichnung von Niederschriften durch den Kreishandwerksmeister gehören ebenso zum Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Beigeladenen zu 1. als Vorsitzendem des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft wie die Erstellung des Haushaltsplanes seitens des Vorstandes für das jeweils folgende Rechnungsjahr und einer Jahresrechnung für das abgelaufene Rechnungsjahr. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Verwaltungsaufgaben allesamt in der Funktion des ehrenamtlichen Kreishandwerksmeisters gründen und der Umsetzung seiner Aufgabe dienen. Sie sind nicht allgemein zugänglich, denn sie können nur vom gewählten Vorstand bzw Vorstandsvorsitzenden verrichtet werden. Zum Kreishandwerksmeister kann grundsätzlich nur einer der Vertreter der Mitgliedsinnungen, welche die Mitgliederversammlung bilden, gewählt werden, der zudem die Befugnis zum Ausbilden von handwerklichen Lehrlingen besitzt (§§ 88, 89 Abs 1 Nr 3 und 5, § 61 Abs 1 S 3, § 66 Abs 1 S 1 HwO iVm §§ 7, 11 Abs 1 und § 18 Abs 1 der Satzung der Klägerin).

28

Über das gesetzlich und satzungsrechtlich bestimmte Spektrum von Aufgaben hinaus hat der Beigeladene zu 1. keine überobligatorischen, sein Ehrenamt überschreitenden Aufgaben des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt. Etwas anderes würde gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass der Beigeladene zu 1. den Bereich des Ehrenamts verlassen und eine darüber hinausgehende Beschäftigung für die Klägerin ausgeübt hätte; dies wäre zB dann der Fall, wenn er die Aufgaben des Geschäftsführers mit übernommen hätte. Denn die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit schließt es nicht aus, dass bei einem die Grenzen der Organstellung überschreitenden, überobligatorischen Engagement zusätzlich und neben dem nicht zu abhängiger Beschäftigung und damit zur Versicherungspflicht führenden Ehrenamt ein Rechtsverhältnis vorliegt, das als abhängige Beschäftigung, idR als Arbeitsverhältnis oder Dienstvertrag, qualifiziert werden kann. Ein solches Beschäftigungsverhältnis entsteht dann zusätzlich zum Ehrenamt, steht neben diesem (s auch BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 3/08 R - Juris) und ändert nichts an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der ehrenamtlichen Betätigung als solcher sowie hierfür ggf gewährter Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz. Nach den Feststellungen des LSG bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für ein Tätigwerden des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin über das Ehrenamt hinaus.

29

dd) Ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält ihr Gepräge durch die Verfolgung ideeller Zwecke und Unentgeltlichkeit.

30

Ehrenamtliche Tätigkeit kommt im Bereich des Privatrechts aber auch im Bereich des öffentlichen Rechts vor. Sie knüpft teilweise an einen speziellen Status an, sodass sie von vornherein nur für bestimmte Personen in Betracht kommt. Die Ausübung von Aufgaben der Repräsentation im Rahmen ehrenamtlicher Betätigung ist möglich, jedoch nicht typischerweise kennzeichnend für eine ehrenamtliche Tätigkeit; viele ehrenamtliche Tätigkeiten beinhalten keinerlei Repräsentationsaufgaben. Trotzdem wird bei Ausübung einer solchen, nicht oder kaum mit Repräsentationsaufgaben verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit nicht in jedem Fall eine Beschäftigung ausgeübt, die bei wertender Betrachtung eine Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung, an welche die Sozialversicherungspflicht anknüpft, unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Sozialversicherung sinnvoll erscheinen lässt. Dies gilt auch dann, wenn sich der ehrenamtlich Tätige im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements bei seinem Einsatz, seiner "Arbeit" zB sachlichen oder fachlichen Weisungen Dritter fügt oder er sich in eine Organisation einordnet, weil in aller Regel nur auf diese Weise die Funktionsfähigkeit der Organisation gewährleistet ist.

31

Ehrenamtliche Tätigkeit erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit, nicht durch persönliche Abhängigkeit, wie sie für abhängige Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV typisch ist. Entgeltlichkeit ist zwar kein absolut zwingendes Kriterium abhängiger Beschäftigung, jedoch ist sie Typus bildend für die abhängige Beschäftigung, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde. Selbst in den Fällen, in denen es - wie zB bei Willensmängeln oder Verstoß gegen gesetzliche Verbote - an einem rechtswirksamen Arbeitsverhältnis fehlt und arbeitsrechtlich von einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis und sozialversicherungsrechtlich von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist (Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 25 RdNr 43 ff, Stand Einzelkommentierung Dezember 2014; Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 7 RdNr 49), wird idR eine Gegenleistung für geleistete Arbeit gewährt (Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 7 RdNr 44 bis 46). Das Gesetz bezieht Beschäftigte im Sinne individueller Vorsorge einerseits und zum Schutz der Allgemeinheit vor mangelnder Eigenvorsoge des Einzelnen andererseits in die einzelnen Zweige der Sozialversicherung ein und ordnet dazu Versicherungs- und Beitragspflicht an (vgl BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 12 KR 21/98 R - BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19; s auch BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 RE 17/14 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 22; Schlegel NZS 2000, 421, 427 f). Das Versicherungsverhältnis ist als Gegenleistungsverhältnis des Beschäftigten auf der einen Seite und der Solidargemeinschaft aller Versicherten eines Zweiges der Sozialversicherung auf der anderen Seite angelegt und erfordert, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Dass Versicherungsschutz auch Personengruppen in Tätigkeiten gewährt wird, die gemeinnütziger Ziele und nicht der Erzielung von Erwerbseinkommen wegen verrichtet werden, ist im System nicht angelegt und bedarf der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie zB in § 2 Abs 1 Nr 9 und 10 SGB VII getroffen worden ist.

32

Dies lässt es zu, in Fällen, in denen eine Arbeitsleistung oder Tätigkeit nicht auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages, insbesondere eines Arbeitsvertrages, sondern auf sonstiger (Rechts-)Grundlage (zB familiäre Beistandspflichten, Vereinsmitgliedschaft) erbracht wird, dem Kriterium der fehlenden Entgeltlichkeit oder fehlenden Erwerbsabsicht erhebliches Gewicht beizumessen. Durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse ist zu prüfen, ob eine Arbeitnehmern im Wesentlichen vergleichbare Schutzbedürftigkeit vorliegt, die es zulässt, die betreffende Person noch dem Typus des abhängig Beschäftigten zuzurechnen. Der Senat knüpft insoweit an die von ihm zur familienhaften Mithilfe entwickelten Grundsätze an (vgl BSG Urteil vom 29.3.1962 - 3 RK 83/59 - BSGE 17, 1 = SozR Nr 3 zu § 1399 RVO; BSG Urteil vom 30.4.1968 - 3 RK 100/64 - SozR Nr 24 zu § 160 RVO)und entwickelt seine Rechtsprechung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung ehrenamtlicher Betätigung in diesem Sinne fort (zur Berücksichtigung der Höhe der Honoraransprüche bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Entscheidung vgl auch die Entscheidung des Senats vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30).

33

Die Unentgeltlichkeit, die für diverse Ehrenämter auch von Gesetzes wegen angeordnet ist (s zB hier §§ 89 Abs 1 Nr 5, 66 Abs 4 HwO iVm § 18 Abs 4 der Satzung der Klägerin), ist Ausdruck dafür, dass bei der im Rahmen ideeller Zwecke "geleisteten Arbeit" keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Eine Gegenleistung für geleistete Arbeit wird nicht erbracht und regelmäßig auch nicht erwartet. Der Senat sieht sich insoweit in Einklang mit der Rechtsprechung des BAG. Dieses differenziert im Arbeitsrecht ebenfalls anhand einer Vergütungserwartung, wenn festzustellen ist, ob einer ehrenamtlichen Betätigung ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt. Mit einem Arbeitsverhältnis sei nämlich typischerweise die Vereinbarung oder jedenfalls die berechtigte Erwartung einer angemessenen Gegenleistung für die versprochenen Dienste verbunden. Ob eine berechtigte Vergütungserwartung besteht, richte sich nach der Art der Arbeit und nach den Umständen, unter denen sie geleistet werde (§ 612 Abs 1 BGB). Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft sei, spreche ihr Fehlen doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Denn typischerweise verfolge ein Arbeitnehmer das Ziel, für seine Arbeit ein Entgelt zu erhalten. Dass neben diesem materiellen Interesse oftmals auch immaterielle Interessen eine Rolle spielen, schließe nicht aus, die Erwerbsabsicht als wesentliches Merkmal zur Abgrenzung von Tätigkeiten heranzuziehen, die vorwiegend auf ideellen Beweggründen beruhen (BAG Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 499/11 - BAGE 143, 77).

34

Sofern finanzielle Zuwendungen erfolgen, schließen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell aus. Sie sind unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecken. Im Rahmen einer Aufwandsentschädigung kann auch ein pauschaler Ausgleich für die übernommene Verpflichtung gewährt werden (vgl Seewald, SGb 2006, 538). Finanzielle Zuwendungen können auch Ausfall für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall enthalten (vgl auch BFH Urteil vom 31.1.2017 - IX R 10/16 - BFHE 256, 250 - Zuwendungen für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter). Die Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit erfolgt dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Dazu ist zu klären, was vom ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung - von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen - ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft erwartet werden kann. Dabei sind - in Fällen wie dem vorliegenden - auch Körperschaften des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Satzungsmacht Grenzen gesetzt. Die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen. Der vorliegende Fall bietet für eine solche Verschleierung jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

35

Der Beigeladene zu 1. übte die ehrenamtliche Tätigkeit neben seiner selbstständigen Tätigkeit als selbstständiger Handwerksmeister aus. Er tat dies unentgeltlich und ohne objektivierbare Erwerbsabsicht. Die Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters knüpft daran an, dass der Amtsinhaber seine Tätigkeit als selbstständiger Handwerker nicht aufgibt, denn diese garantiert die erforderliche Praxisnähe zur Handwerkerschaft. Die Übernahme des Ehrenamts als Kreishandwerksmeister erfolgt somit nicht zu Erwerbszwecken, sondern zur Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe. Da die Klägerin zudem eine Geschäftsstelle betreibt und einen hauptamtlichen Geschäftsführer beschäftigt, obliegen dem Kreishandwerksmeister auch keine Aufgaben, die bei objektiver Betrachtung nicht mehr vom Ehrenamt umfasst sind.

36

Auch die Höhe der gewährten Aufwandsentschädigung und des Aufwendungsersatzes - 6420 Euro bzw 6600 Euro jährlich, wobei das LSG keine Feststellungen zur Zusammensetzung der Beträge getroffen hat - gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass ein Erwerbszweck der Ausübung des Ehrenamts zugrunde liegen könnte. Die Tätigkeit wurde nicht in Erwartung einer Vergütung ausgeübt.

37

3. Mangels Vorliegens abhängiger Beschäftigung des beigeladenen Kreishandwerksmeisters scheidet damit auch die Einstufung der ihm gewährten finanziellen Zuwendungen als Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV aus.

38

4. Der Senat erlaubt sich den Hinweis, dass er es für wünschenswert hält, dass der Gesetzgeber hinsichtlich ehrenamtlichen Engagements durch gesetzliche Klarstellung weitergehende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schafft. Der Gesetzgeber hat durch die Einsetzung einer Enquetekommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" im Jahr 1999 sowie aktuell eines Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement" des Deutschen Bundestags der Bedeutung ehrenamtlichen Engagements für das gesellschaftliche Zusammenleben in organisatorischer Hinsicht Rechnung getragen. Bemühungen um eine weitere Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Rechtslage durch gesetzliche Regelungen (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit vom 4.7.2000 - BT-Drucks 14/3778; Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit vom 14.8.2008 - BR-Drucks 597/08) sind bisher ohne Erfolg geblieben, könnten aber zur Stärkung ehrenamtlichen Engagements beitragen.

39

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 bis 3, 162 Abs 3 VwGO.

40

6. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

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a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2016 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2015 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2632,73 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ihrem ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister.

2

Die Klägerin ist die Kreishandwerkerschaft N., eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Mitglieder die Handwerksinnungen des südlichen Teils des Landkreises N. sind. Sie hat insbesondere die Aufgabe, die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen und diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Ihre Geschäfte führt ein von der Mitgliederversammlung gewählter Vorstand. Der Vorstand besteht aus dem Kreishandwerksmeister, dessen Stellvertreter und drei weiteren Mitgliedern. Die Aufgaben des Kreishandwerksmeisters (etwa Einladung zu den Sitzungen des Vorstands und zur Mitgliederversammlung) ergeben sich ua aus der Satzung der Kreishandwerkerschaft. Die Klägerin unterhält eine Geschäftsstelle und beschäftigt dort ua einen hauptamtlichen Geschäftsführer, dem die Aufgaben des laufenden Geschäfts übertragen sind. Der Beigeladene zu 1. war als selbstständiger Handwerker tätig und wurde von der Kreishandwerkerschaft zum ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister gewählt. Er übte dieses Amt vom 1.1.2006 bis 30.9.2010 aus und erhielt dafür in den Jahren 2006 und 2007 eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 6420 Euro jährlich und in den Jahren 2008 und 2009 von 6600 Euro jährlich.

3

Nach einer Betriebsprüfung forderte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 von der Klägerin ua pauschale Rentenversicherungsbeiträge wegen geringfügiger Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in Höhe von insgesamt 2632,73 Euro nach. Der Beigeladene zu 1. sei als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister geringfügig beschäftigt gewesen, weil er für die Klägerin nicht nur repräsentative, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen gehabt habe und insoweit weisungsgebunden gewesen sei (Bescheid vom 7.7.2011). Die Klägerin beantragte im September 2011 die Rücknahme des inzwischen bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 7.7.2011, soweit er den Beigeladenen zu 1. betrifft; dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 31.1.2012). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister stelle sich als abhängige Beschäftigung dar und sei als geringfügige Beschäftigung beitragspflichtig in der GRV gewesen.

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 7.7.2011 insoweit zurückzunehmen, als damit das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. festgestellt und deshalb Beiträge zur Sozialversicherung erhoben worden sind. Zudem hat es antragsgemäß festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit als Kreishandwerksmeister für die Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.9.2010 nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag (Urteil vom 11.8.2015). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.2.2016): Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister sei als geringfügige Beschäftigung beitragspflichtig in der GRV gewesen. Obwohl ihm eine Reihe von Aufgaben oblegen habe, die der Repräsentation zuzurechnen seien, seien ihm darüber hinaus trotz der auf den Geschäftsführer übergegangenen und von diesem zu erledigenden Aufgaben Verwaltungsaufgaben verblieben und von ihm auch tatsächlich wahrgenommen worden, die zur Beurteilung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis führten. Diese Verwaltungsaufgaben in Form von Mitwirkungs-, Vertretungs- und Überwachungsfunktionen ergäben sich aus der Satzung der Klägerin und seien nicht vollkommen untergeordnet; sie seien vielmehr prägend für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. gewesen. Der Beigeladene zu 1. habe an der Spitze einer Hierarchie innerhalb der Klägerin gestanden, über die wiederum die Handwerkskammer Aufsicht ausgeübt habe. Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. sei wegen Geringfügigkeit iS von § 8 Abs 1 SGB IV versicherungsfrei, nicht jedoch beitragsfrei gewesen. Da der Beigeladene zu 1. privat krankenversichert gewesen sei, bestehe nur eine Beitragspflicht zur GRV.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 7 Abs 1 und 15 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe eine unzutreffende Gesamtwürdigung der Aufgaben des Beigeladenen zu 1. vorgenommen, denn bei der Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters stünde die Wahrnehmung protokollarischer und organschaftlicher Repräsentationsaufgaben sowie die weisungsfreie Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im Vordergrund. Die laufenden Geschäfte der Verwaltung habe der zur Vertretung berechtigte Geschäftsführer wahrgenommen. Zudem handele es sich nicht um eine allgemein zugängliche Verwaltungstätigkeit. Der Beigeladene zu 1. habe kein Arbeitsentgelt erzielt, denn steuerrechtlich sei die Aufwandsentschädigung als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit angesehen worden. Auch unter Berücksichtigung allgemeiner Kriterien sei festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei und keine Weisungen erhalten habe. Er sei weiterhin als selbstständiger Handwerksmeister tätig gewesen; dies erfordere auch das Ehrenamt.

6

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.7.2017 die Feststellungsklage zurückgenommen und zuletzt nur noch beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2016
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Schleswig vom 11. August 2015 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

9

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und keine Stellungnahmen abgegeben.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist, soweit der Rechtsstreit nicht durch Zurücknahme der Feststellungsklage seitens der Klägerin erledigt worden ist, begründet.

11

1. Das LSG hat zu Unrecht die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen und das Urteil des SG insoweit aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2012 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, ihren Bescheid vom 7.7.2011 nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zurückzunehmen, soweit in diesem die Entrichtung von Beiträgen zur GRV für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Kreishandwerksmeister der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 gefordert wird.

12

Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X liegen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 7.7.2011 ist rechtswidrig und die Beklagte erhebt zu Unrecht aufgrund dieses Bescheides Beiträge. Im Rahmen der Betriebsprüfung war der beklagte Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB IV zwar befugt, über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin zu entscheiden. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ehrenamtlicher Kreishandwerksmeister der klagenden Kreishandwerkerschaft begründete jedoch keine Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur GRV. Der beigeladende Kreishandwerksmeister war im streitigen Zeitraum nicht - auch nicht geringfügig - beschäftigt.

13

Gemäß § 172 Abs 3 S 1 SGB VI trugen im streitigen Zeitraum Arbeitgeber für Beschäftigte nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind oder die nach § 5 Abs 4 SGB VI versicherungsfrei sind, einen Beitragsanteil in Höhe von 12 vom Hundert(Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.7.2004, BGBl I 1791) bzw 15 vom Hundert (Fassung des HBeglG 2006 vom 29.6.2006, BGBl I 1402 und des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) des Arbeitsentgelts, das bei Versicherungspflicht der Beschäftigten beitragspflichtig gewesen wäre. Eine geringfügige Beschäftigung lag nach § 8 Abs 1 SGB IV in seiner hier noch gültigen alten Fassung(= Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 23.1.2006, BGBl I 86, Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21.12.2008, BGBl I 2933 und Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009, BGBl I 3710) vor, wenn

1.    

das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht überstieg,

2.    

die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt 400 Euro im Monat überstieg.

14

Das LSG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beigeladene zu 1. eine geringfügig entlohnte Beschäftigung iS des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV ausgeübt hat. Es bestand weder ein Beschäftigungsverhältnis (dazu 2.) noch erhielt der Beigeladene zu 1. Arbeitsentgelt (dazu 3.).

15

2. Der beigeladene Kreishandwerksmeister war in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit nicht abhängig beschäftigt.

16

a) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Gemäß § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

17

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN). Diese von der Rechtsprechung formulierten Kriterien orientieren sich am Typus des Arbeitnehmers, der in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als normativer Regelfall abhängiger Beschäftigung genannt wird. Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit Beschäftigter ist ebenfalls, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages oder Rechtsverhältnisses (insbesondere eines Arbeitsverhältnisses) erbringen, um als Gegenleistung dafür eine Entlohnung zu erhalten, sodass die Arbeitsleistung bei objektiver Betrachtung zu Erwerbszwecken erbracht wird (zur Rechtsfigur des Typus vgl BVerfG Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

18

b) Hieran fehlt es vorliegend. Weder unterlag der Beigeladene zu 1. Weisungen bezüglich Art, Zeit oder Ort seiner Tätigkeit noch war er einem Arbeitnehmer vergleichbar in die Arbeitsorganisation der Kreishandwerkerschaft eingebunden (aa); daran ändert es auch nichts, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht auf reine Repräsentationsaufgaben beschränkte (bb). Ebenso wenig erbrachte er sein ehrenamtliches Engagement um einer finanziellen Gegenleistung willen (cc). Vielmehr zeichnete sich die Tätigkeit dadurch aus, dass sie - wie dies bei ehrenamtlichem Engagement typisch ist - nicht zu Erwerbszwecken oder auch nur in der Erwartung einer finanziellen Gegenleistung ausgeübt wurde.

19

aa) Der Beigeladene zu 1. unterlag in seinem Aufgabenbereich keinen Weisungen der Kreishandwerkerschaft oder deren Organen, wie sie in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als Anhaltspunkte abhängiger Beschäftigung genannt sind. Insbesondere führte die Erfüllung der ihn im Rahmen von § 87 Abs 1 Handwerksordnung (HwO) treffenden organschaftlichen Aufgaben nicht zu persönlicher Abhängigkeit, wie sie § 7 Abs 1 SGB IV umschreibt. Die Kreishandwerkerschaft hat danach aufgrund Bundesrechts die Aufgabe,

-       

die Gesamtinteressen des selbstständigen Handwerks und des handwerksähnlichen Gewerbes

-       

sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen,

-       

die Handwerksinnungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen,

-       

Einrichtungen zur Förderung und Vertretung der gewerblichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Mitglieder der Handwerksinnungen zu schaffen oder zu unterstützen,

-       

die Behörden bei den das selbstständige Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe ihres Bezirks berührenden Maßnahmen zu unterstützen und ihnen Anregungen, Auskünfte und Gutachten zu erteilen,

-       

die Geschäfte der Handwerksinnungen auf deren Ansuchen zu führen,

-       

die von der Handwerkskammer innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Vorschriften und Anordnungen durchzuführen; die Handwerkskammer hat sich an den hierdurch entstehenden Kosten angemessen zu beteiligen.

20

Der Kreishandwerksmeister ist der Vorsitzende des Vorstands der Kreishandwerkerschaft. Der Vorstand führt die Geschäfte der Kreishandwerkerschaft, soweit sie nicht der Mitgliederversammlung obliegen oder dem Geschäftsführer übertragen sind. Die Klägerin unterhält eine Geschäftsstelle und beschäftigt dort ua einen hauptamtlichen Geschäftsführer, dem die Aufgaben des laufenden Geschäfts übertragen sind. Der Kreishandwerksmeister vertritt gemeinsam mit dem Geschäftsführer die Kreishandwerkerschaft in allen öffentlich- und zivilrechtlichen Angelegenheiten, sofern nicht Angelegenheiten der laufenden Geschäfte betroffen sind.

21

Vorrangige Aufgabe des beigeladenen Kreishandwerksmeisters war die Umsetzung der genannten Aufgaben der Klägerin als Kreishandwerkerschaft bei Führung der Geschäfte durch den Vorstand. Er übte dabei als Vorsitzender des Vorstands Repräsentationsaufgaben und organschaftliche Verwaltungsaufgaben aus. Die Verwaltungsaufgaben waren aufgrund normativer Vorgaben der HwO und der Satzung festgelegt, der Beigeladene zu 1. musste die ihm durch diese Regelungen zugewiesenen Aufgaben erfüllen, jedoch wurden dem Beigeladenen zu 1. darüber hinaus keine Weisungen zur Ausübung seiner Aufgaben erteilt: es gab keine Zeiterfassung, keine vorgeschriebenen Anwesenheitszeiten, zumal der Beigeladene zu 1. über kein Büro in der Geschäftsstelle verfügte. Auch über die Art der Ausführung der Tätigkeit erhielt der Beigeladene zu 1. von Dritten keine Weisungen.

22

Aus der Tatsache, dass er im Vorstand, einem Kollegialgremium, überstimmt werden konnte, ergibt sich rechtlich nichts für die Frage einer Weisungsgebundenheit iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Beigeladene zu 1. führte nämlich die Beschlüsse des Vorstands, soweit es die laufenden Geschäfte betrifft, nicht selbst aus, sondern der Geschäftsführer (s auch BSG Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 33/76 - BSGE 47, 201 = SozR 2200 § 165 Nr 32, SozR 1500 § 96 Nr 14 - Verbandsvorsteher eines Wasser- und Bodenverbandes, dem alle den Verband betreffenden Geschäfte oblagen und der als "Verwaltungsorgan" tätig war).

23

Aber auch soweit die laufenden Geschäfte nicht betroffen sind, ergaben sich aus der Satzung und aus der HwO keine Aufgaben, die der Beigeladene zu 1. hätte ausführen müssen, deren Ausgestaltung sich wegen eines möglichen Vorstandsbeschlusses als weisungsgebunden darstellen würden. Gleiches gilt hinsichtlich der Beschlüsse der Mitgliederversammlung, die den Vorstand ggf binden. Solche Beschlüsse geben die Ausrichtung der Aktivitäten der Klägerin vor, es handelt sich aber nicht um eine Weisung iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Ebenso übte die Handwerkskammer keine Fachaufsicht aus, die zu einer Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1. führen würde (s auch BVerwG Urteil vom 25.4.1972 - I C 3.70 - Juris). Der Vorstand ist zudem nach seiner Wahl nicht ohne Weiteres in einer Weise abberufbar, wie Arbeitnehmer regelmäßig kündbar sind. Der Widerruf der Bestellung des Vorstands oder einzelner seiner Mitglieder ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Die Satzung benennt als Beispiele für einen wichtigen Grund eine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit. Letztlich führen auch die normativen Vorgaben durch die HwO und die Satzung an sich nicht zu einer Weisungsgebundenheit der Tätigkeit, denn in jedweder Tätigkeit sind solche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Beigeladenen zu 1. vollständig seiner organschaftlichen Stellung als Vorsitzender des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft entsprach.

24

bb) Dass das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Ehrenamts nach der Satzung nicht nur Repräsentationsaufgaben umfasst, sondern zugleich auch Verwaltungsaufgaben, führt nicht zur Annahme abhängiger Beschäftigung.

25

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter als solches noch dessen Rechtsstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit eigenen gesetzlichen Befugnissen noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall die Annahme eines versicherungspflichtigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses per se ausschließen (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 12/05 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN). Er hat dabei zwischen Repräsentationstätigkeiten bzw Tätigkeiten aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung und allgemein zugänglicher (Verwaltungs-)Tätigkeit differenziert. Er hat damit die Besonderheiten ehrenamtlichen Engagements anerkannt und die mit einem Ehrenamt verbundenen Repräsentationsaufgaben als weisungsfreie, dem Grunde nach nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten qualifiziert (BSG Urteil vom 27.3.1980 - 12 RK 56/78 - SozR 2200 § 165 Nr 44). Der Senat hat - trotz dieses Befundes - in einer Gesamtwürdigung jedoch insgesamt abhängige Beschäftigung dann angenommen, wenn ein ehrenamtlich Tätiger zugleich allgemein zugängliche Verwaltungsaufgaben übernommen und zudem für die Ausübung dieser Tätigkeiten eine Aufwandsentschädigung erhalten hat, die über den tatsächlichen Aufwänden lag (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 12/05 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN). Weiter hat er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in Fällen angenommen, in denen die Betätigung nicht allein aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung und wegen dieser Verpflichtung ohne Erwerbszweck für einen Verein ausgeübt wurde (BSG Urteil vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16,98 = SozR Nr 5 zu § 160 RVO; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 mit Verweis auf die Rechtsprechung zur Beschäftigung gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII: BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27; s auch BSG Urteil vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - Juris).

26

Der Senat entwickelt diese Grundsätze seiner Rechtsprechung zur ehrenamtlichen Betätigung fort. Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und auch nicht für jedermann frei zugänglich sind, führen regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit(dazu cc). Zudem ist ehrenamtliche Tätigkeit nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit (dazu dd).

27

cc) Einladungen zur und die Leitung der Sitzungen des Vorstands und der Mitgliederversammlung sowie die Mitzeichnung von Niederschriften durch den Kreishandwerksmeister gehören ebenso zum Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum des Beigeladenen zu 1. als Vorsitzendem des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft wie die Erstellung des Haushaltsplanes seitens des Vorstandes für das jeweils folgende Rechnungsjahr und einer Jahresrechnung für das abgelaufene Rechnungsjahr. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Verwaltungsaufgaben allesamt in der Funktion des ehrenamtlichen Kreishandwerksmeisters gründen und der Umsetzung seiner Aufgabe dienen. Sie sind nicht allgemein zugänglich, denn sie können nur vom gewählten Vorstand bzw Vorstandsvorsitzenden verrichtet werden. Zum Kreishandwerksmeister kann grundsätzlich nur einer der Vertreter der Mitgliedsinnungen, welche die Mitgliederversammlung bilden, gewählt werden, der zudem die Befugnis zum Ausbilden von handwerklichen Lehrlingen besitzt (§§ 88, 89 Abs 1 Nr 3 und 5, § 61 Abs 1 S 3, § 66 Abs 1 S 1 HwO iVm §§ 7, 11 Abs 1 und § 18 Abs 1 der Satzung der Klägerin).

28

Über das gesetzlich und satzungsrechtlich bestimmte Spektrum von Aufgaben hinaus hat der Beigeladene zu 1. keine überobligatorischen, sein Ehrenamt überschreitenden Aufgaben des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt. Etwas anderes würde gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass der Beigeladene zu 1. den Bereich des Ehrenamts verlassen und eine darüber hinausgehende Beschäftigung für die Klägerin ausgeübt hätte; dies wäre zB dann der Fall, wenn er die Aufgaben des Geschäftsführers mit übernommen hätte. Denn die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit schließt es nicht aus, dass bei einem die Grenzen der Organstellung überschreitenden, überobligatorischen Engagement zusätzlich und neben dem nicht zu abhängiger Beschäftigung und damit zur Versicherungspflicht führenden Ehrenamt ein Rechtsverhältnis vorliegt, das als abhängige Beschäftigung, idR als Arbeitsverhältnis oder Dienstvertrag, qualifiziert werden kann. Ein solches Beschäftigungsverhältnis entsteht dann zusätzlich zum Ehrenamt, steht neben diesem (s auch BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 3/08 R - Juris) und ändert nichts an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der ehrenamtlichen Betätigung als solcher sowie hierfür ggf gewährter Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz. Nach den Feststellungen des LSG bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für ein Tätigwerden des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin über das Ehrenamt hinaus.

29

dd) Ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält ihr Gepräge durch die Verfolgung ideeller Zwecke und Unentgeltlichkeit.

30

Ehrenamtliche Tätigkeit kommt im Bereich des Privatrechts aber auch im Bereich des öffentlichen Rechts vor. Sie knüpft teilweise an einen speziellen Status an, sodass sie von vornherein nur für bestimmte Personen in Betracht kommt. Die Ausübung von Aufgaben der Repräsentation im Rahmen ehrenamtlicher Betätigung ist möglich, jedoch nicht typischerweise kennzeichnend für eine ehrenamtliche Tätigkeit; viele ehrenamtliche Tätigkeiten beinhalten keinerlei Repräsentationsaufgaben. Trotzdem wird bei Ausübung einer solchen, nicht oder kaum mit Repräsentationsaufgaben verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit nicht in jedem Fall eine Beschäftigung ausgeübt, die bei wertender Betrachtung eine Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung, an welche die Sozialversicherungspflicht anknüpft, unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Sozialversicherung sinnvoll erscheinen lässt. Dies gilt auch dann, wenn sich der ehrenamtlich Tätige im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements bei seinem Einsatz, seiner "Arbeit" zB sachlichen oder fachlichen Weisungen Dritter fügt oder er sich in eine Organisation einordnet, weil in aller Regel nur auf diese Weise die Funktionsfähigkeit der Organisation gewährleistet ist.

31

Ehrenamtliche Tätigkeit erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit, nicht durch persönliche Abhängigkeit, wie sie für abhängige Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV typisch ist. Entgeltlichkeit ist zwar kein absolut zwingendes Kriterium abhängiger Beschäftigung, jedoch ist sie Typus bildend für die abhängige Beschäftigung, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde. Selbst in den Fällen, in denen es - wie zB bei Willensmängeln oder Verstoß gegen gesetzliche Verbote - an einem rechtswirksamen Arbeitsverhältnis fehlt und arbeitsrechtlich von einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis und sozialversicherungsrechtlich von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist (Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 25 RdNr 43 ff, Stand Einzelkommentierung Dezember 2014; Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 7 RdNr 49), wird idR eine Gegenleistung für geleistete Arbeit gewährt (Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 7 RdNr 44 bis 46). Das Gesetz bezieht Beschäftigte im Sinne individueller Vorsorge einerseits und zum Schutz der Allgemeinheit vor mangelnder Eigenvorsoge des Einzelnen andererseits in die einzelnen Zweige der Sozialversicherung ein und ordnet dazu Versicherungs- und Beitragspflicht an (vgl BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 12 KR 21/98 R - BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19; s auch BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 RE 17/14 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 22; Schlegel NZS 2000, 421, 427 f). Das Versicherungsverhältnis ist als Gegenleistungsverhältnis des Beschäftigten auf der einen Seite und der Solidargemeinschaft aller Versicherten eines Zweiges der Sozialversicherung auf der anderen Seite angelegt und erfordert, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Dass Versicherungsschutz auch Personengruppen in Tätigkeiten gewährt wird, die gemeinnütziger Ziele und nicht der Erzielung von Erwerbseinkommen wegen verrichtet werden, ist im System nicht angelegt und bedarf der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie zB in § 2 Abs 1 Nr 9 und 10 SGB VII getroffen worden ist.

32

Dies lässt es zu, in Fällen, in denen eine Arbeitsleistung oder Tätigkeit nicht auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages, insbesondere eines Arbeitsvertrages, sondern auf sonstiger (Rechts-)Grundlage (zB familiäre Beistandspflichten, Vereinsmitgliedschaft) erbracht wird, dem Kriterium der fehlenden Entgeltlichkeit oder fehlenden Erwerbsabsicht erhebliches Gewicht beizumessen. Durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse ist zu prüfen, ob eine Arbeitnehmern im Wesentlichen vergleichbare Schutzbedürftigkeit vorliegt, die es zulässt, die betreffende Person noch dem Typus des abhängig Beschäftigten zuzurechnen. Der Senat knüpft insoweit an die von ihm zur familienhaften Mithilfe entwickelten Grundsätze an (vgl BSG Urteil vom 29.3.1962 - 3 RK 83/59 - BSGE 17, 1 = SozR Nr 3 zu § 1399 RVO; BSG Urteil vom 30.4.1968 - 3 RK 100/64 - SozR Nr 24 zu § 160 RVO)und entwickelt seine Rechtsprechung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung ehrenamtlicher Betätigung in diesem Sinne fort (zur Berücksichtigung der Höhe der Honoraransprüche bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Entscheidung vgl auch die Entscheidung des Senats vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30).

33

Die Unentgeltlichkeit, die für diverse Ehrenämter auch von Gesetzes wegen angeordnet ist (s zB hier §§ 89 Abs 1 Nr 5, 66 Abs 4 HwO iVm § 18 Abs 4 der Satzung der Klägerin), ist Ausdruck dafür, dass bei der im Rahmen ideeller Zwecke "geleisteten Arbeit" keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Eine Gegenleistung für geleistete Arbeit wird nicht erbracht und regelmäßig auch nicht erwartet. Der Senat sieht sich insoweit in Einklang mit der Rechtsprechung des BAG. Dieses differenziert im Arbeitsrecht ebenfalls anhand einer Vergütungserwartung, wenn festzustellen ist, ob einer ehrenamtlichen Betätigung ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt. Mit einem Arbeitsverhältnis sei nämlich typischerweise die Vereinbarung oder jedenfalls die berechtigte Erwartung einer angemessenen Gegenleistung für die versprochenen Dienste verbunden. Ob eine berechtigte Vergütungserwartung besteht, richte sich nach der Art der Arbeit und nach den Umständen, unter denen sie geleistet werde (§ 612 Abs 1 BGB). Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft sei, spreche ihr Fehlen doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Denn typischerweise verfolge ein Arbeitnehmer das Ziel, für seine Arbeit ein Entgelt zu erhalten. Dass neben diesem materiellen Interesse oftmals auch immaterielle Interessen eine Rolle spielen, schließe nicht aus, die Erwerbsabsicht als wesentliches Merkmal zur Abgrenzung von Tätigkeiten heranzuziehen, die vorwiegend auf ideellen Beweggründen beruhen (BAG Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 499/11 - BAGE 143, 77).

34

Sofern finanzielle Zuwendungen erfolgen, schließen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell aus. Sie sind unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecken. Im Rahmen einer Aufwandsentschädigung kann auch ein pauschaler Ausgleich für die übernommene Verpflichtung gewährt werden (vgl Seewald, SGb 2006, 538). Finanzielle Zuwendungen können auch Ausfall für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall enthalten (vgl auch BFH Urteil vom 31.1.2017 - IX R 10/16 - BFHE 256, 250 - Zuwendungen für eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter). Die Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit erfolgt dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Dazu ist zu klären, was vom ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung - von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen - ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft erwartet werden kann. Dabei sind - in Fällen wie dem vorliegenden - auch Körperschaften des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Satzungsmacht Grenzen gesetzt. Die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen. Der vorliegende Fall bietet für eine solche Verschleierung jedoch keinerlei Anhaltspunkte.

35

Der Beigeladene zu 1. übte die ehrenamtliche Tätigkeit neben seiner selbstständigen Tätigkeit als selbstständiger Handwerksmeister aus. Er tat dies unentgeltlich und ohne objektivierbare Erwerbsabsicht. Die Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters knüpft daran an, dass der Amtsinhaber seine Tätigkeit als selbstständiger Handwerker nicht aufgibt, denn diese garantiert die erforderliche Praxisnähe zur Handwerkerschaft. Die Übernahme des Ehrenamts als Kreishandwerksmeister erfolgt somit nicht zu Erwerbszwecken, sondern zur Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe. Da die Klägerin zudem eine Geschäftsstelle betreibt und einen hauptamtlichen Geschäftsführer beschäftigt, obliegen dem Kreishandwerksmeister auch keine Aufgaben, die bei objektiver Betrachtung nicht mehr vom Ehrenamt umfasst sind.

36

Auch die Höhe der gewährten Aufwandsentschädigung und des Aufwendungsersatzes - 6420 Euro bzw 6600 Euro jährlich, wobei das LSG keine Feststellungen zur Zusammensetzung der Beträge getroffen hat - gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass ein Erwerbszweck der Ausübung des Ehrenamts zugrunde liegen könnte. Die Tätigkeit wurde nicht in Erwartung einer Vergütung ausgeübt.

37

3. Mangels Vorliegens abhängiger Beschäftigung des beigeladenen Kreishandwerksmeisters scheidet damit auch die Einstufung der ihm gewährten finanziellen Zuwendungen als Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV aus.

38

4. Der Senat erlaubt sich den Hinweis, dass er es für wünschenswert hält, dass der Gesetzgeber hinsichtlich ehrenamtlichen Engagements durch gesetzliche Klarstellung weitergehende Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schafft. Der Gesetzgeber hat durch die Einsetzung einer Enquetekommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" im Jahr 1999 sowie aktuell eines Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement" des Deutschen Bundestags der Bedeutung ehrenamtlichen Engagements für das gesellschaftliche Zusammenleben in organisatorischer Hinsicht Rechnung getragen. Bemühungen um eine weitere Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Rechtslage durch gesetzliche Regelungen (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit vom 4.7.2000 - BT-Drucks 14/3778; Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit vom 14.8.2008 - BR-Drucks 597/08) sind bisher ohne Erfolg geblieben, könnten aber zur Stärkung ehrenamtlichen Engagements beitragen.

39

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 bis 3, 162 Abs 3 VwGO.

40

6. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können Personen begründen, die

1.
(weggefallen)
2.
eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben,
3.
eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz aufnehmen und ausüben,
4.
eine Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Anspruch nehmen oder
5.
sich beruflich weiterbilden, wenn dadurch ein beruflicher Aufstieg ermöglicht, ein beruflicher Abschluss vermittelt oder zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigt wird; ausgeschlossen sind Weiterbildungen im Sinne des § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, es sei denn, die berufliche Weiterbildung findet in einem berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule oder einer ähnlichen Bildungsstätte unter Anrechnung beruflicher Qualifikationen statt.
Gelegentliche Abweichungen von der in den Satz 1 Nummer 2 und 3 genannten wöchentlichen Mindeststundenzahl bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind.

(2) Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist, dass die antragstellende Person

1.
innerhalb der letzten 30 Monate vor der Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat oder
2.
unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit oder der Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder der beruflichen Weiterbildung Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatte
und weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28) ist; eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) schließt die Versicherungspflicht nicht aus. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ist ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 war, die zu dieser Versicherungspflicht führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 ist ausgeschlossen, soweit für dasselbe Kind bereits eine andere Person nach § 26 Absatz 2a versicherungspflichtig ist.

(3) Der Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung oder dem Beginn der Elternzeit oder beruflichen Weiterbildung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllt sind. Kann ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag allein deshalb nicht begründet werden, weil dies wegen einer vorrangigen Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit (§§ 27, 28) ausgeschlossen ist, muss der Antrag abweichend von Satz 1 spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall des Ausschlusstatbestandes gestellt werden.

(4) Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 ruht, wenn während der Versicherungspflicht nach Absatz 1 eine weitere Versicherungspflicht (§§ 25, 26) oder Versicherungsfreiheit nach § 27 eintritt. Eine geringfügige Beschäftigung (§ 27 Absatz 2) führt nicht zum Ruhen der Versicherungspflicht nach Absatz 1.

(5) Das Versicherungspflichtverhältnis endet,

1.
wenn die oder der Versicherte eine Entgeltersatzleistung nach § 3 Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bezieht,
2.
mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen nach Absatz 1 letztmals erfüllt waren,
3.
wenn die oder der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, mit Ablauf des Tages, für den letztmals Beiträge gezahlt wurden,
4.
in den Fällen des § 28,
5.
durch Kündigung der oder des Versicherten; die Kündigung ist erstmals nach Ablauf von fünf Jahren zulässig; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende eines Kalendermonats.