Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - B 4 AS 17/13 R

bei uns veröffentlicht am12.12.2013

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Auferlegung von Verschuldenskosten aufgehoben wird.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

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Im Streit stehen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von 1.11.2006 bis 31.10.2007.

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Der Kläger bezieht seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er bewohnte seit dem 1.1.1995 eine 2-Zimmerwohnung, für die er eine Miete von 416,70 Euro brutto kalt zu zahlen hatte. Im Bescheid vom 28.4.2006 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete von 363,02 Euro unangemessen sei. Angemessen sei eine Kaltmiete von 229,95 Euro monatlich. In einer Übergangszeit bis zum 31.10.2006 könne der unangemessene Bedarf noch berücksichtigt werden. Der Kläger müsse sich jedoch um eine Kostensenkung bemühen und seine Bemühungen nachweisen. Das durch Bescheid vom 23.10.2006 bewilligte Alg II für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.12.2006 beinhaltete sodann Leistungen für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 278,90 Euro. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom 19.4.2007 Alg II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2007, erneut unter Berücksichtigung von abgesenkten Leistungen für Unterkunft und Heizung. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Auf die als Antrag nach § 44 SGB X gewertete Vorlage von Nachweisen für Bemühungen um angemessenen Wohnraum in den Monaten Januar sowie April bis Juli 2007 führte der Beklagte im Bescheid vom 14.9.2007 aus, dass dem Kläger, da er sich nach seinen eigenen Angaben zwischen Oktober 2006 und März 2007 nicht um eine angemessene Wohnung bemüht habe, weiterhin nur die als angemessen befundenen Aufwendungen ersetzt werden könnten. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid vom 2.11.2007 zurück.

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In dem sich anschließenden Klageverfahren gegen den Bescheid vom 14.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.11.2007 (S 13 AS 6275/07) haben die Beteiligten vor dem SG einen vom Gericht durch Schreiben vom 3.3.2010 unterbreiteten und ausführlich begründeten Vergleich geschlossen (Annahme durch den Beklagten am 9.3.2010 und durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.3.2010).

Der Vergleichstext lautet:

1. Der Beklagte gewährt dem Kläger für die Zeit vom 1.11.2006 bis 31.10.2007 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 448,96 Euro.

2. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt.

3. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu einem Viertel.

Das SG ist dabei von einem angemessenen Kaltmietzins für das Jahr 2006 von 262,98 Euro und für das Jahr 2007 von 268,24 Euro ausgegangen und hat die Differenz zu den von dem Beklagten bewilligten Beträgen errechnet. Die Auszahlung des zuvor benannten Betrags durch den Beklagten erfolgte wenige Tage später.

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Mit der Begründung, dass sich neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Ermittlung der abstrakten angemessenen Unterkunftskosten ergeben hätten, beantragte der Kläger am 6.5.2010 eine Überprüfung der Bescheide vom 14.9.2007 gemäß § 44 SGB X. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 12.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2010 unter Hinweis auf den gerichtlichen Vergleich - zunächst nur bezogen auf die Monate September und Oktober 2007 - ab. Nach Erläuterung des Klägers, dass der Überprüfungsantrag vom 6.5.2010 den gesamten Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.10.2007 erfasse, teilte der Beklagte am 28.9.2010 mit, dass sich der Bescheid vom 14.9.2007 durch Vergleich im Rechtsstreit zu dem Aktenzeichen S 13 AS 6275/07 erledigt habe und daher kein überprüfbarer Verwaltungsakt vorliege. Diese Rechtsauffassung bestätigte er im Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 und führte aus, dass das Schreiben vom 28.9.2010 keinen Verwaltungsakt darstelle.

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Das SG hat die Klage hiergegen durch Gerichtsbescheid vom 27.1.2012 (S 2 AS 6581/10) abgewiesen; das LSG hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 17.7.2012 zurückgewiesen. Es hat dem nicht persönlich zur mündlichen Verhandlung geladenen, nicht erschienen und am Terminstag nicht vertretenen Kläger ferner Gerichtskosten in Höhe von 225 Euro auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei entgegen der Auffassung des SG zulässig. Eine doppelte Rechtshängigkeit sei nicht gegeben, denn der Gerichtsbescheid, mit dem das SG über die Leistungshöhe für den Zeitraum September und Oktober 2007 entschieden habe, sei am 7.5.2012 rechtskräftig geworden. Auch sei das Schreiben des Beklagten vom 28.9.2010 ausgehend vom Empfängerhorizont des Klägers als Verwaltungsakt zu werten. Der Kläger habe jedoch deswegen keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, weil einem solchen Anspruch der gerichtliche Vergleich aus März 2010 entgegenstehe. Der Vergleich enthalte zugleich einen Verzicht auf weitere Leistungen. Hierauf sei der Kläger auch hingewiesen worden und er habe den Rechtsstreit gleichwohl weiter betrieben. Die Hinweise auf die Rechtsmissbräuchlichkeit des klägerischen Festhaltens an dem Klagebegehren und die Folge der Verhängung einer "Missbrauchsgebühr" seien in der mündlichen Verhandlung erfolgt. Der Kläger sei zwar nicht anwesend gewesen, da jedoch auch eine schriftliche Belehrung ausreiche, sei die Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung insoweit unschädlich gewesen.

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Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat das BSG die Revision durch Beschluss vom 30.1.2013 zugelassen.

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Der Kläger begründet seine Revision damit, dass zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des BSG geklärt sei, dass bei einem rechtswidrigen Konzept zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten auf die Werte der Wohngeldtabelle zu § 8 WoGG abzustellen sei. Hieraus folge jedoch ein höherer Leistungsanspruch für Unterkunftsaufwendungen im streitigen Zeitraum. Einer solchen Entscheidung stehe auch der gerichtliche Vergleich aus März 2010 nicht entgegen, denn dieser enthalte weder einen ausdrücklichen, noch einen konkludenten materiell-rechtlichen Verzicht auf weitere Leistungen. Im Hinblick auf die "Missbrauchsgebühr" sei der Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, denn er sei hierüber nicht hinreichend aufgeklärt worden.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2012 sowie den Bescheid vom 28. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 23. Oktober 2006 und 19. April 2007 zu ändern und dem Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist in der Hauptsache unbegründet. Nur soweit das LSG dem Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 225 Euro auferlegt hat, ist ihr stattzugeben und das Urteil des LSG aufzuheben.

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1. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Gewährung höheren Alg II für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.10.2007, die der Beklagte durch Bescheid vom 28.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG; vgl BSG Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R - SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 12; BSG Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R - SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 10).

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2. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

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a) Allerdings war - entgegen der Auffassung des LSG - die Klage, soweit es höheres Alg II für den Zeitraum vom 1.9.2007 bis 31.10.2007 betrifft, zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) unzulässig. Soweit sie dann wegen des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Streitverfahrens wieder zulässig geworden ist, steht ihr nun die Rechtskraftwirkung der diesen Zeitraum betreffenden ersten Entscheidung entgegen.

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Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der streitigen Ansprüche entschieden wird, festzustellen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder - wie hier - schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - RdNr 11; BSG Urteil vom 21.3.2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22 mwN).

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Der Beklagte erließ am 14.9.2007 mehrere Bescheide. Zwei Bescheide bezogen sich auf den Bewilligungszeitraum vom 1.9. bis 31.10.2007. Ebenfalls an diesem Tag lehnte der Beklagte auf den Überprüfungsantrag des Klägers vom 5.7.2007 die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 und 1.5.2007 bis 31.10.2007 (bestandskräftige Bescheide vom 23.10.2006 und 19.4.2007) ab. Das hiergegen wegen der Unterkunftskosten vom Kläger angestrengte Klageverfahren (S 13 AS 6275/07) endete durch gerichtlichen Vergleich im März 2010. Am 6.5.2010 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 23.10.2006 und 19.4.2007 in der Fassung des Bescheides vom 14.9.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 2.11.2007 sowie die Gewährung höheren Alg II. Im Hinblick auf die Leistungen für die Monate September und Oktober 2007 lehnte der Beklagte eine Änderung durch Bescheid vom 12.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2010 ab, weil der Bescheid durch den gerichtlichen Vergleich in dem Verfahren zu dem Aktenzeichen S 13 AS 6275/07 ersetzt worden sei. Hiergegen hat sich die Klage vom 23.9.2010 zu dem Aktenzeichen S 2 AS 4872/10 gewandt, die zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen worden ist, nachdem das LSG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG vom 11.1.2012 durch Beschluss vom 7.5.2012 zurückgewiesen hat. Nach Erhebung der Klage zu dem Aktenzeichen S 2 AS 4872/10 erließ der Beklagte den hier vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 28.9.2010, mit dem er eine Überprüfung nach § 44 SGB X im Hinblick auf die Höhe der KdUH für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.10.2007 ablehnte, da der Kläger durch den gerichtlichen Vergleich insoweit auf höhere Leistungen verzichtet habe. Den Widerspruch hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 zurück. Die dagegen erhobene Klage vom 22.12.2010 zu dem Aktenzeichen S 2 AS 6581/10 liegt dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit zugrunde. In beiden Streitverfahren war mithin die Überprüfung der Höhe des Alg II für den Zeitraum vom 1.9. bis 31.10.2007 streitig. Der hier angefochtene Bescheid wiederholt jedoch nur die Verfügung des in dem Streitverfahren zu dem Aktenzeichen S 2 AS 4872/10 angefochtenen Bescheides im Hinblick auf diesen Zeitraum. Insoweit fehlt es an einer eigenständigen Regelung in dem Schreiben vom 28.9.2010. Der Beklagte hat in diesem Schreiben für diese beiden Monate eine erneute Sachprüfung mit identischer Begründung abgelehnt und die Verfügung aus dem Bescheid vom 12.7.2010 nur wiederholt (vgl zur wiederholenden Verfügung Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 32). Er hat für diesen Zeitraum keinen neuen Verwaltungsakt erlassen. Die erneute Klage betrifft jedoch denselben Streitgegenstand - Alg II vom 1.9. bis 31.10.2007. Der Zulässigkeit der Klage stand daher die anderweitige Rechtshängigkeit in dem Verfahren S 2 AS 4872/10 entgegen.

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Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 S 2 GVG kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet mithin für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 7). Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage. An der Unzulässigkeit der zweiten Klage zu dem Aktenzeichen S 2 AS 6581/10 ändert entgegen der Auffassung des LSG der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens S 2 AS 4872/10 durch Gerichtsbescheid vom 11.1.2012 und den die Nichtzulassungsbeschwerde ablehnenden Beschluss des LSG vom 7.5.2012 vor der letzten mündlichen Verhandlung in dem hier zu entscheidenden Verfahren nichts (vgl BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - RdNr 12). Die Sperrwirkung endet zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens (Eintreten der formellen Rechtskraft des Gerichtsbescheides vom 11.1.2012; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4), sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 7b). Sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand (hier: höheres Alg II im Zeitraum vom 1.9. bis 31.10.2007) zwischen denselben Beteiligten betrifft (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 6a). Dies resultiert aus der Rechtskraft der Entscheidung (§ 105 Abs 1 S 3 iVm § 141 SGG; vgl BSG Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - RdNr 13).

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b) Soweit es den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.8.2007 betrifft, war die Klage zulässig. Der Anfechtungsklage liegt mit dem Schreiben vom 28.9.2010 entgegen der Auffassung des Beklagten ein Verwaltungsakt zugrunde. Dies folgt aus der Auslegung dieses Schreibens, die auch dem Revisionsgericht obliegt (hierzu BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 105/85 - BSGE 62, 32, 36 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris-RdNr 23; BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 - SozR 1200 § 42 Nr 4, juris-RdNr 17; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2, juris-RdNr 30; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8, juris-RdNr 14; BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a V 1/06 R - RdNr 22). Maßstab der Auslegung insoweit ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (hierzu BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a V 1/06 R - RdNr 22; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2, juris-RdNr 31; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8, juris-RdNr 14). Legt man das Schreiben vom 28.9.2010 nach diesen Grundsätzen aus, so ergibt sich aus der Sicht des Beklagten und eines verständigen Empfängers Folgendes: Der Beklagte wollte keine Überprüfung der Bescheide vom 23.10.2006 und 19.4.2007 vornehmen und hat damit verfügt, den Antrag des Klägers nach § 44 SGB X abzulehnen. Hieran ändert es nichts, dass der Beklagte in diesem Schreiben die Auffassung vertritt, eine Überprüfung nach § 44 SGB X komme nicht in Betracht, weil hier ein gerichtlicher Vergleich und kein Verwaltungsakt zur Überprüfung anstünde sowie im Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 darauf verwiesen wird, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.9.2010 um keinen Verwaltungsakt handele. Dass der Beklagte mit dem Schreiben vom 28.9.2010 als Träger der öffentlichen Verwaltung eine einseitige, also hoheitliche Entscheidung iS des § 31 S 1 SGB X getroffen hat, steht außer Zweifel. Es ist die Entscheidung, § 44 SGB X hier nicht anwenden zu wollen, also dem Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Entscheidungen nicht stattzugeben. Damit hat der Beklagte auch eine Regelung getroffen, indem er verbindlich festgestellt hat, was im Einzelfall rechtlich zutreffend ist.

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3. Auch für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis 31.8.2007 hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf höheres Alg II, als ihm von dem Beklagten mit den bestandskräftigen Bescheiden in der Gestalt des gerichtlichen Vergleichs bewilligt wurde. Dem geltend gemachten Anspruch des Klägers steht dieser gerichtliche Vergleich aus März 2010 in dem Rechtsstreit zu dem Aktenzeichen S 13 AS 6275/07 entgegen. Es sind im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 44 SGB X zur Durchbrechung der Bestandskraft nicht gegeben.

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Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

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Grundsätzlich - und hieran hält der Senat fest - steht ein gerichtlicher Vergleich der Anwendung des § 44 Abs 1 S 1 SGB X nicht entgegen(BSG Urteil vom 15.10.1985 - 11a RA 58/84 - SozR 2200 § 1251 Nr 115, juris-RdNr 13 f; s auch BSG Urteil vom 22.5.1975 - 10 RV 153/74 - SozR 3900 § 40 Nr 2, juris-RdNr 20 f; vgl auch BSG Urteil vom 13.10.1959 - 11/8 RV 49/57 - BSGE 10, 248, 249, juris-RdNr 15; s zum rechtskräftigen Urteil Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 44 RdNr 38a). Der Grundsatz der Rechtssicherheit muss auch in den Fällen hinter dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit zurücktreten, in denen sich die Verwaltung von der Unrichtigkeit ihrer - zum Nachteil des Leistungsberechtigten ergangenen - Entscheidung überzeugt bzw überzeugen muss (vgl BSG Urteil vom 15.11.1961 - 9 RV 54/59 - SozR Nr 3 zu § 40 VerwVG, juris-RdNr 7 f; BSG Urteil vom 14.3.1967 - 10 RV 504/66 - BSGE 26, 146 = SozR Nr 10 zu § 40 VerwVG, juris-RdNr 17). Ob in einem gerichtlichen Vergleich andererseits zugleich ein die erneute Überprüfung für die Vergangenheit hindernder - konkludenter - Verzicht auf Sozialleistungen iS des § 46 SGB I zu erkennen sein kann, lässt der Senat offen(so BSG Urteil vom 15.10.1985 - 11a RA 58/84 - SozR 2200 § 1251 Nr 115; aA für den Fall der Klagerücknahme mit gewichtigen Argumenten Baumeister in juris-PK-SGB X, 2013, § 44 RdNr 35, 36). Ein derartiger Verzicht ist vorliegend nicht ausdrücklich erklärt worden und der "Konstruktion" des konkludenten Verzichts bedarf es hier nicht. Denn aus den Umständen des Einzelfalls ergibt sich im konkreten Fall, dass die Beteiligten mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im März 2010 eine endgültige Regelung in der Sache - betreffend die Höhe des Alg II für den Zeitraum 1.11.2006 bis 31.8.2007 - treffen und eine erneute Überprüfung ausschließen wollten. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des LSG an.

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Zwar kann der Senat über die Auslegung des Vergleichs selbst entscheiden und ist nicht an die Auslegung durch das LSG gebunden. Anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen, bei denen das Revisionsgericht nicht in die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des Tatsachengerichts eingreifen darf, sondern lediglich die Rechtsanwendung zu überprüfen hat, also festzustellen hat, ob die Tatsacheninstanz die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (s BSG Urteil vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 mwN), hat das Revisionsgericht bei Prozesserklärungen die Auslegung der Erklärung in vollem Umfang zu überprüfen. Es ist "das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln" (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 25.10.2012 - B 9 SB 70/11 B, RdNr 8; s auch BSG Urteil vom 25.7.2002 - B 11 AL 23/02 R - RdNr 21; BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - RdNr 8; BSG Urteil vom 16.4.1964 - 11/1 RA 206/61 - BSGE 21, 13, 14 = SozR 5 zu § 156 SGG, juris-RdNr 13 f). Es handelt sich hier auch um eine Prozesserklärung im Sinne eines gerichtlichen Vergleichs, obwohl er im schriftlichen Verfahren geschlossen worden ist. Nach § 202 SGG iVm § 278 Abs 6 S 1 ZPO gilt: Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Bereits die Überlegungen des LSG zur Auslegung des Vergleichs sind hier jedoch überzeugend.

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Das LSG hat im Hinblick auf die Endgültigkeit der durch den gerichtlichen Vergleich getroffenen Regelung zwischen den Beteiligten insbesondere auf die sorgfältige und ausführliche Begründung des SG bei der Unterbreitung des Vergleichsvorschlags abgestellt. Dort hat das SG alle einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkte abgewogen, auch den nun vom Kläger geltend gemachten Aspekt der Heranziehung der Werte der Wohngeldtabelle nach dem WoGG zur Begrenzung der angemessenen Referenzmiete. Zutreffend folgert das LSG hieraus, dass angesichts dessen nicht angenommen werden könne, die Beteiligten hätten sich nur vorläufig einigen wollen, insbesondere nicht, dass der Kläger sich vorbehalten hätte, nur sechs Wochen später eine erneute Überprüfung der vergleichsweisen Einigung herbeiführen zu können. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten über fast vier Jahre hinweg, kann der Vergleich nur so verstanden werden, dass die Beteiligten eine Befriedung und endgültige Lösung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen für die Vergangenheit erreichen wollten. Insoweit unterscheidet sich der gerichtliche Vergleich hier auch von einem rechtskräftigen Urteil, das die Rechtmäßigkeit eines Bescheides schon einmal bestätigt hat und einer erneuten Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 SGB X nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall haben sich die Beteiligten - wenn auch auf Vorschlag des Gerichts - selbst entschlossen, eine Beendigung des Rechtsstreits und damit der Überprüfung des angefochtenen Bescheides herbeizuführen. Sie haben einen "Kompromiss" mit gegenseitigem Nachgeben, nach Erwägung aller einschlägigen rechtlichen Überlegungen, geschlossen.

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4. Auf die Revision des Klägers ist jedoch die Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe von 225 Euro durch das Berufungsgericht aufzuheben. Das BSG hat hierüber im Rahmen der Kostenentscheidung des Revisionsurteils zur Hauptsache nach § 193 SGG von Amts wegen zu befinden, denn die Auferlegung von Verschuldenskosten betrifft den Inhalt der Entscheidung und nicht das Verfahren(Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, XII. Kap, RdNr 53, S 554; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 192 RdNr 20). Vorliegend waren die Voraussetzungen für die Auferlegung der Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG nicht gegeben. Danach kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Die Entscheidung des Gerichts steht zwar in dessen Ermessen. Die Ausübung des Entschließungsermessens in Bezug auf die Auferlegung von Verschuldenskosten setzt jedoch neben der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung tatbestandlich voraus, dass der missbräuchlich handelnde Beteiligte durch den Vorsitzenden auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen worden ist. Mangelt es hieran, reduziert sich das Entschließungsermessen des Gerichts, soweit es die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten betrifft, auf Null. So liegt der Fall hier.

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Ausweislich der Begründung der Entscheidung über die Verschuldenskosten im Urteil des LSG hat der Vorsitzende des erkennenden Senats des Berufungsgerichts dem Kläger weder persönlich noch schriftlich die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt, noch ihn auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen. Dem LSG ist zwar zuzugeben, dass seit der Änderung des § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG aufgrund des SGGArbGGÄndG(vom 26.3.2008, BGBl I 444) durch die Streichung der Worte "in einem Termin" nun auch die schriftliche Belehrung über die Missbräuchlichkeit und zu erwartende Kostenauferlegung für den Fall der Fortführung des Rechtsstreits genügt. Ausweislich der Entscheidung des LSG hat der dortige Vorsitzende den Kläger jedoch nicht schriftlich belehrt. Da der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist und auch nicht persönlich zur Verhandlung geladen war, mangelt es hier an einer entsprechenden persönlichen Belehrung.

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Entgegen der Auffassung des LSG kann aus der zuvor benannten Gesetzesänderung auch nicht geschlossen werden, dass die schriftliche Belehrung durch eine mündliche in der Verhandlung in Abwesenheit des betroffenen Beteiligten ersetzt werden kann. Dies würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwiderlaufen. Das Erfordernis der ausschließlichen Belehrung im Termin ist ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf des SGGArbGGÄndG abgeschafft worden, um einen zusätzlichen Aufwand in den Verfahren, in denen ansonsten auch ohne den Termin eine Entscheidung möglich wäre, zu vermeiden. Als Beispiel wird dort das Eilverfahren benannt, in dem ansonsten die Verhängung von Verschuldenskosten praktisch ausgeschlossen sei (BT-Drucks 16/7716, S 22, 23). Dass an der Belehrung, die den Betroffenen auch tatsächlich erreichen soll, festgehalten werden sollte, folgt eindeutig aus der weiteren Begründung, in dem es in dem Gesetzentwurf heißt, die entsprechende Darlegung solle künftig auch in einer gerichtlichen Verfügung möglich sein. Nur wenn der Beteiligte jedoch tatsächlich Kenntnis von der Möglichkeit erhält, dass ihm Verschuldenskosten auferlegt werden könnten, hat er die Chance zu entscheiden, ob er dies auf sich nehmen will oder den Rechtsstreit nicht fortführt. § 192 SGG ist keine Strafvorschrift, sondern eine Schadensersatzregelung(Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, XII. Kap, RdNr 27, S 546). Dass sich der Beteiligte in einem an sich kostenfreien Gerichtsverfahren ausnahmsweise "schadensersatzpflichtig" machen könnte, weil er den Prozess "mutwillig" fortführt und damit in dem ansonsten für ihn kostenfreien Verfahren doch Kosten auferlegt bekommen könnte, muss ihm vor Augen geführt werden. Dazu genügt nicht die Ladung zur mündlichen Verhandlung, soweit sie nicht mit einer entsprechenden Belehrung verbunden ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 192 RdNr 10). Insoweit überzeugt es nicht, wenn das LSG meint, auch bei einer schriftlichen Belehrung sei nicht sichergestellt, dass der Betroffene diese zur Kenntnis nehme. Die schriftliche Belehrung - so sie denn den Beteiligten erreicht - ist alsdann in seinem Herrschaftsbereich und es wird ihm die Möglichkeit einer Reaktion, insbesondere der Rücknahme des Rechtsmittels, eröffnet, um der Schadensersatzforderung zu entgehen. Bei einer Belehrung in Abwesenheit des Beteiligten mangelt es bereits an dieser Möglichkeit.

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Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG). Der Kläger ist auch im Revisionsverfahren in der Hauptsache unterlegen.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. (2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlun

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(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen An

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(1) Der Ausschluss vom Wohngeld besteht vorbehaltlich des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 für die Dauer des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung von Grund und Höhe der Leistungen nach § 7 Abs. 1. Der Ausschluss besteht vorbehaltlich

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Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

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(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. (2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn and

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(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Ausschluss vom Wohngeld besteht vorbehaltlich des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 für die Dauer des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung von Grund und Höhe der Leistungen nach § 7 Abs. 1. Der Ausschluss besteht vorbehaltlich des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2

1.
nach der Antragstellung auf eine Leistung nach § 7 Abs. 1 ab dem Ersten
a)
des Monats, für den der Antrag gestellt worden ist, oder
b)
des nächsten Monats, wenn die Leistung nach § 7 Abs. 1 nicht vom Ersten eines Monats an beantragt wird,
2.
nach der Bewilligung einer Leistung nach § 7 Abs. 1 ab dem Ersten
a)
des Monats, für den die Leistung nach § 7 Abs. 1 bewilligt wird, oder
b)
des nächsten Monats, wenn die Leistung nach § 7 Abs. 1 nicht vom Ersten eines Monats an bewilligt wird,
3.
bis zum Letzten
a)
des Monats, wenn die Leistung nach § 7 Abs. 1 bis zum Letzten eines Monats bewilligt wird, oder
b)
des Vormonats, wenn die Leistung nach § 7 Abs. 1 nicht bis zum Letzten eines Monats bewilligt wird.
Der Ausschluss gilt für den Zeitraum als nicht erfolgt, für den
1.
der Antrag auf eine Leistung nach § 7 Absatz 1 zurückgenommen wird,
2.
die Leistung nach § 7 Absatz 1 abgelehnt, versagt, entzogen oder ausschließlich als Darlehen gewährt wird,
3.
der Bewilligungsbescheid über eine Leistung nach § 7 Absatz 1 zurückgenommen oder aufgehoben wird,
4.
der Anspruch auf eine Leistung nach § 7 Absatz 1 nachträglich im Sinne des § 103 Absatz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ganz entfallen ist oder nach § 104 Absatz 1 oder 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 40a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nachrangig ist oder
5.
die Leistung nach § 7 Absatz 1 nachträglich durch den Übergang eines Anspruchs in vollem Umfang erstattet wird.

(2) Verzichten Haushaltsmitglieder auf die Leistungen nach § 7 Abs. 1, um Wohngeld zu beantragen, gilt ihr Ausschluss vom Zeitpunkt der Wirkung des Verzichts an als nicht erfolgt; § 46 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ist in diesem Fall nicht anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Sozialhilfeleistungen bzw Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere ein Mehrbedarf (wegen Behinderung) für den Zeitraum vom 1.2.2004 bis 30.9.2006.

2

Der 1948 geborene Kläger bezog bis Dezember 2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 25.4.2005), nachdem ihm zunächst Sozialhilfeleistungen gezahlt worden waren, nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), von Januar 2005 bis Mai 2005 Arbeitslosengeld II (bestandskräftiger Bescheid vom 16.2.2005) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und ab Juni 2005 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (bestandskräftiger Bescheid vom 23.5.2005) nach §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

3

Mit (Ausführungs-)Bescheid vom 11.10.2006 stellte das Versorgungsamt beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Voraussetzungen für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs "G" fest. Dieser Entscheidung war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover vorausgegangen, das mit einem entsprechenden Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2006 endete. Ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 und dem Nachteilsausgleich "G", gültig ab 1.2.2004, wurde am 23.10.2006 ausgestellt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag des Klägers vom 31.10.2006 für die Zeit ab Oktober 2006 einen pauschalierten Mehrbedarf aufgrund der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G", lehnte diesen aber für den Zeitraum von Februar 2004 bis September 2006 mit der Begründung ab, ein Mehrbedarf könne erst ab Ausstellung des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" gewährt werden (Bescheid vom 22.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.4.2007).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 31.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand seien nur Mehrbedarfsleistungen wegen der Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G". Einen solchen Anspruch habe der Kläger nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006. Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) sei der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" für den pauschalierten Mehrbedarf Anspruchsvoraussetzung. Da nach § 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) Ansprüche auf Sozialleistungen erst entstünden, wenn ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien, scheide ein pauschalierter Mehrbedarf für zurückliegende Zeiten ab Feststellung des Merkzeichens "G" aus. Von diesem Verständnis gehe auch der Gesetzgeber aus; dies zeige die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII, wonach die bis zum 6.12.2006 geltende Rechtslage zur Folge habe, dass der Mehrbedarf erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG und des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Die vom LSG vorgenommene Auslegung sei keineswegs zwingend. Die Tatbestandsvoraussetzung "Besitz" sage nichts zum Leistungsbeginn. Nach seinem Wortsinn könne dieses Tatbestandsmerkmal auch so verstanden werden, dass die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Gültigkeitsdatum genüge, das den Zeitraum vor Ausstellung erfasse; der Beweiswert, der von dem Ausweis ausgehe, sei bei einer nachträglichen Vorlage derselbe. Eine solche Auslegung ermögliche eine möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte, wie dies § 2 Abs 2 SGB I fordere. Eine zeitliche Begrenzung, wann der Nachweis der Voraussetzungen durch den Ausweis zu erfolgen habe und dass dieser Nachweis nicht rückwirkend erbracht werden könne, sei den maßgebenden Normen nicht zu entnehmen. Ein enges Verständnis führe hingegen zu einem praktischen Rechtsverlust für die Zeiten, in denen die Gehbehinderung bereits vorgelegen und damit auch ein erhöhter Bedarf bestanden habe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und den substantiellen Anspruch auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) sei ungenügend; der Betroffene erleide durch die Fehleinschätzung der Behörde nicht hinnehmbare finanzielle Nachteile. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs stelle insoweit keinen adäquaten Ersatz dar. Der Anspruch auf den Mehrbedarf für den streitbefangenen Zeitraum ergebe sich (hilfsweise) aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil nur durch das Verschulden der Versorgungsverwaltung eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 aufzuheben und ihm unter Abänderung entgegenstehender Bescheide für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu zahlen bzw den Regelsatz zu erhöhen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII hat; ob der Kläger allerdings einen Mehrbedarf hatte, der eine vom Regelsatz abweichende Festlegung und im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) rückwirkend zu erbringende Leistungen rechtfertigt, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung eines behinderungsbedingten Mehraufwands für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt hat. Dabei hat der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht allein darüber zu befinden, ob dem Kläger ein Mehrbedarf wegen rückwirkender Änderung der Verhältnisse ab Februar 2004 nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zusteht; ist der pauschalierte Mehrbedarf nachträglich nicht zu erbringen, ist auch darüber zu entscheiden, ob ein (konkret) bestehender behinderungsbedingter Mehrbedarf, der durch den Kläger tatsächlich gedeckt wurde, im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringen ist, weil die Beklagte zu Unrecht höhere Leistungen vorenthalten hat.

11

Zwar ist der pauschalierte Mehrbedarf nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein abtrennbarer Streitgegenstand, mit der Möglichkeit, die Klage entsprechend zu beschränken(vgl nur Coseriu in juris Praxiskommentar SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 76.2 mwN zur Rechtsprechung); nach dem sog Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl hierzu nur: BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN zur Rechtsprechung) muss aber davon ausgegangen werden, dass die Klage insoweit gerade nicht beschränkt worden ist, sondern ein "Mehrbedarf" für die Vergangenheit unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage geltend gemacht wurde. Bestätigt wird dies durch das Schreiben an die Beklagte vom 26.10.2006 mit dem Antrag, die zustehenden "zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004" zu bewilligen, sowie durch den Klagantrag, mit dem die Zahlung eines Mehrbedarfs für die Vergangenheit verlangt worden ist. Im Streit sind somit insgesamt höhere Leistungen.

12

Unabhängig davon, ob sich die Begründetheit der Klage an § 48 SGB X oder an § 44 SGB X bzw (für die Zeit bis 31.12.2004) an den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) iVm dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) misst, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG. In beiden Fällen ist neben der Aufhebung der streitgegenständlichen (ablehnenden) Bescheide die Behörde zu verpflichten, die (einer nachträglichen Leistung) entgegenstehenden Bescheide (im Urteil des LSG sind nicht alle bezeichnet) aufzuheben, und zur Leistung zu verurteilen (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSGE 104, 213 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-1300 § 44 Nr 20).

13

Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl § 70 Nr 3 SGG) richtet sich die Klage gemäß § 70 Nr 1 SGG gegen die Region Hannover. Hieran ändert nichts, dass die Stadt Hannover den angegriffenen Bescheid erlassen hat. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (AG SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt 644) kann die Region Hannover zwar zur Durchführung der ihr als örtlichem Sozialhilfeträger obliegenden Aufgabe durch Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag regionsangehörige Gemeinden heranziehen, und von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht (§ 1 der Satzung über die Heranziehung von regionsangehörigen Städten und Gemeinden zur Durchführung der von der Region Hannover als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII vom 14.12.2004 in der Fassung vom 7.3.2006 - Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover Nr 14 vom 6.4.2006); jedoch handelt die herangezogene kommunale Körperschaft gemäß § 9 Abs 4 AG SGB XII (nur) im Namen des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, der damit der richtige Beteiligte bleibt(vgl hierzu Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - RdNr 13 mwN).

14

Die Beklagte war der für die Entscheidung örtlich und sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe nach § 3 Abs 2, § 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 AG SGB XII (und § 44 Abs 3 SGB X). Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover und nimmt dessen Aufgaben wahr (§§ 2, 3 Abs 3 Gesetz über die Region Hannover vom 5.6.2001 - GVBl 348). Die Heranziehung der Stadt Hannover nach § 99 Abs 1 SGB XII in Verbindung mit § 8 Abs 1 AG SGB XII verändert nicht die Zuständigkeit(§ 9 Abs 4 AG SGB XII). Der Senat ist nicht gehindert, die dem Grunde nach nicht revisiblen (§ 162 SGG) landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden und auszulegen, weil das LSG diese Vorschriften bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 102, 10 ff RdNr 28 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - juris RdNr 14).

15

Materiellrechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 44 Abs 1 SGB X. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X findet - unabhängig von der Frage nach seiner Geltung im Rahmen des GSiG - keine Anwendung. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist frühestens für die Zeit ab Oktober 2006 anzunehmen, weil der Kläger erst ab diesem Zeitpunkt im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" war und deshalb auch erst ab Oktober 2006 die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII zu bejahen sind, sodass ohne Bedeutung ist, ob § 48 SGB X im Rahmen des GSiG Anwendung findet, bzw welche Regelung bei Änderung der Verhältnisse anzuwenden wäre.

16

Nach § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG umfasste die bedarfsorientierte Grundsicherung einen Mehrbedarf von 20 vH des für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bei Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) mit dem Merkzeichen "G". Eine entsprechende Regelung sieht für die Zeit ab 1.1.2005 § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) vor. Danach wird ein Mehrbedarf von 17 vH des maßgebenden Regelsatzes für Personen anerkannt, die unter 65 Jahre und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und einen Ausweis nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Merkzeichen G besitzen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der Kläger war - unabhängig von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII - in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls nicht im Besitz eines solchen Ausweises.

17

Diese Regelungen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass die im Oktober 2006 eingetretene Änderung der Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" - hier also auf die Zeit ab Februar 2004 - zurückwirkt. Zwar können spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sogar bis auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Dauerverwaltungsaktes zurückwirken, also die Sach- oder Rechtslage ex tunc ändern (vgl BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 mwN); maßgebend hierfür ist aber eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage, deretwegen der Verwaltungsakt (auch für den zurückliegenden Zeitraum) nicht mehr oder nicht mehr so erlassen werden dürfte.

18

§ 3 Abs 1 Nr 4 GSiG stellte allerdings ebenso wie § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht lediglich auf die Feststellungswirkung des Nachteilsausgleichs "G" oder das Vorliegen seiner Voraussetzungen ab. Zu den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen gehört nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften vielmehr der "Besitz" (Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 23 RdNr 13). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass der Mehrbedarf des § 30 Abs 1 Nr 1 SGB XII tatbestandlich mit der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" verbunden ist(BSGE 104, 200 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 30 Nr 1); allein der Zeitpunkt der Feststellungswirkung des Merkzeichens "G" ist zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen also nicht ausreichend. Anders als die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" selbst, die für die Zeit ab Februar 2004 Wirkung entfaltet, wird der "Besitz" nicht rückwirkend eingeräumt. Die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalierten Mehrbedarf können deshalb nicht vor Oktober 2006 eintreten. Zu Recht verweist das LSG in diesem Zusammenhang auf § 40 Abs 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit Vorliegen der im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen entstehen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor dieser Zeit kein Anspruch nach den bezeichneten Vorschriften besteht.

19

Auch Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigen keine erweiternde Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinn. Der jetzigen Regelung über den pauschalierten Mehrbedarf war die Regelung des § 23 Abs 1 BSHG(vom 30.6.1961 - BGBl I 815) vorausgegangen, die den Mehrbedarfszuschlag zunächst nicht an eine bestimmte Behinderung, sondern typisierend nur an Alter und geminderte Erwerbsfähigkeit knüpfte (BSG, aaO, RdNr 15). Die zusätzliche Koppelung des Anspruchs auf einen pauschalierten Mehrbedarf an den Besitz eines Ausweises nach § 4 Abs 5 SchwbG mit dem Merkzeichen "G" erfolgte durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088), weil wegen veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr allgemeine Bedarfslagen im Zusammenhang mit Alter und Erwerbsminderung erfasst werden sollten, sondern nur die Fälle, bei denen neben Alter und Erwerbsunfähigkeit auch mittelbar oder unmittelbar mit dem eingeschränkten Gehvermögen zusammenhängende Bedarfe vorhanden waren, die zur Vermeidung einer verwaltungsaufwändigen Prüfung der konkret mit den gesundheitlichen Einschränkungen verbundenen Bedarfe pauschaliert abgedeckt werden sollten (BSG, aaO, RdNr 17 unter Hinweis auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/5067, S 2 f).

20

Soweit der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen dabei nicht allein an das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" knüpfte, sondern an den Besitz eines entsprechenden Ausweises, diente dies, wie sich auch aus der Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) zeigt, Nachweiszwecken und damit der Verwaltungspraktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung. Den Sozialhilfeträgern sollte - jedenfalls für die Gewährung eines typisierten, pauschalierten Mehrbedarfs - nicht aufgebürdet werden, eigene Ermittlungen zur Feststellung einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit zu prüfen. Anders etwa als bei der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung, die in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist - ggf nach einem entsprechenden Ersuchen nach § 109a Abs 2 SGB VI und der Bindung des ersuchenden Sozialhilfeträgers an die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung(vgl § 45 Abs 1 SGB XII) - hat der Gesetzgeber hier auf eine vergleichbare Regelung verzichtet. Ebenso hat er von einer (bloßen) Bindung an die Entscheidung des Versorgungsamtes - wie etwa bei der Hilfe zur Pflege in § 62 SGB XII (Bindung an die Entscheidung der Pflegekasse) - abgesehen.

21

Das gesetzgeberische Anliegen ist nachvollziehbar. Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, und dementsprechend ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel der Tag des Eingangs des Antrags auf eine entsprechende Feststellung vorgesehen. Wollte man auch bei dem typisierten Mehrbedarf nach dem GSiG bzw SGB XII auf den Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen abstellen, führte dies bei vorangegangenem Leistungsbezug in jedem Falle zu einer rückwirkenden Leistung pauschalierter Mehrbedarfe für die Vergangenheit. Dies widerspräche nicht nur den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, sondern auch der Absicht des Gesetzgebers, weil andernfalls eine Korrektur praktisch in allen Fällen, in denen ein Antrag nach dem SGB IX (früher SchwbG) gestellt wird bzw dem GSiG gestellt worden war, im Gesetz bereits angelegt wäre.

22

Dass der Gesetzgeber von einem solchen Verständnis der Norm ausgegangen ist, zeigt insbesondere die spätere Gesetzesentwicklung. Durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2670) wurde in § 30 Abs 1 SGB XII mit Wirkung vom 7.12.2006 die Angabe "einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen" durch die Angabe "durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen" ersetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass der Mehrbedarf ohne die Gesetzesänderung erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises und damit regelmäßig erst mehrere Wochen nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides in Anspruch genommen werden könne (BT-Drucks 16/2711, S 11 zu Nr 8). Ob die vom Senat vorgenommene Auslegung nach der Änderung des § 30 Abs 1 SGB XII auch für die Zeit ab 7.12.2006 gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (verneinend: Simon in jurisPK-SGB XII, § 30 SGB XII RdNr 44; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 11; bejahend: Coseriu in Kommentar zum Sozialrecht , 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; nicht ganz eindeutig: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 30 SGB XII RdNr 4, Stand Januar 2008).

23

Das in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I enthaltene Gebot, bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die ihrer dogmatischen Natur und ihrem Inhalt nach umstrittene Vorschrift (vgl nur: Bürck, SGb 1984, 7 ff; ders, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 139 ff; Eichenhofer, SGb 2011, 301 ff und 511 ff) besagt allerdings nicht mehr, als dass Auslegungsspielräume bei den einzelnen Anspruchsgrundlagen, die die in §§ 3 bis 10 SGB I genannten sozialen Rechte umsetzen sollen - §§ 3 bis 10 SGB I bilden, wie aus § 2 Abs 1 Satz 2 SGB I folgt, selbst keine Anspruchsgrundlagen -, mit dem normativen Gehalt des jeweils betroffenen sozialen Rechts gefüllt und dadurch möglichst weitgehend zur Geltung gebracht werden sollen(BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 9 S 34 f). Die Vorschrift ist aber keine Korrekturvorschrift, die es erlauben würde, einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu überspielen (Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 2 RdNr 25). Selbst wenn danach ein Auslegungs- oder Entscheidungsresultat anzustreben ist, das die sozialen Rechte zur Geltung bringt und optimiert (vgl Eichenhofer, SGb 2011, 301, 302; Voelzke, aaO, § 2 RdNr 24), setzt eine Konkretisierung der maßgeblichen Normen voraus, dass das bei der Auslegung nach den anerkannten Methoden (Wortlaut, Teleologie, Entstehungsgeschichte und Systematik) zu berücksichtigende Optimierungsgebot einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulässt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

24

Die auf die Tatbestandswirkung des Besitzes abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Art 3 Abs 1 GG ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252). Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen (BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt insoweit eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11). Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (vgl zusammenfassend: BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173).

25

Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so besteht nur zwischen der Personengruppe, die im Besitz eines Ausweises ist, und der Personengruppe ohne einen entsprechenden Ausweis ein Unterschied. Innerhalb der Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Die Dauer bis zur Erteilung eines Schwerbehindertenausweises mag zwar unterschiedlich sein, hieran knüpft der Gesetzgeber aber nicht die von ihm gewählten Rechtsfolgen. Eine vermeintliche Ungleichbehandlung erfolgt allenfalls durch die Verwaltungspraxis, sie ist aber nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" fordert.

26

Soweit es die unterschiedliche Behandlung von Schwerbehinderten mit und ohne Schwerbehindertenausweis betrifft, hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nach oben Gesagtem eingehalten. Der der Regelung innewohnende Nachweiszweck mag es zwar auch zulassen, auf einen früheren Zeitpunkt als den des Besitzes des Schwerbehindertenausweises abzustellen; verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende Bewilligung eines pauschalierten Mehrbedarfs vorzusehen, zumal eine solche Leistung dem Zweck der Sozialhilfe widerspräche. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass sie grundsätzlich nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient (sog Gegenwärtigkeitsprinzip) und grundsätzlich nicht als nachträgliche (pauschale) Geldleistung ausgestaltet ist, sondern an einen aktuellen Hilfebedarf anknüpft (BSGE 104, 213 ff RdNr 13 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20 mwN). Zwar hat der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zu § 44 SGB X ausgeführt(BSG aaO), dass ggf auch pauschalierte Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit nachzuzahlen sind; diese Rechtsprechung ist allerdings im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vorenthaltung von Leistungen zu sehen. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, es sei generell verfassungsrechtlich geboten, unabhängig von einem konkreten Bedarf rückwirkend typisierte, pauschalierte Leistungen zu erbringen.

27

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig und verstößt deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Sie macht zwar den Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarf wegen der Tatbestandswirkung der anderweitig zu treffenden Entscheidung auch von Zufälligkeiten im Verfahrensablauf abhängig. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass ein Sozialleistungsanspruch von einer anderen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1; zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz BSGE 70, 197 ff = SozR 3-7833 § 1 Nr 7).

28

Der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Verzögerung kann ausreichend begegnet werden. Bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt (bzw früher bis zur Ausstellung eines entsprechenden Ausweises) ist den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" nämlich nur die Möglichkeit genommen, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf pauschal (also ohne Nachweis) geltend zu machen; soweit die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, hat er gleichwohl generell einen Anspruch auf Ausgleich eines abweichenden Bedarfs(Münder in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 30 SGB XII RdNr 8; Coseriu in KSW, 2. Aufl 2011, § 30 SGB XII RdNr 3; ähnlich auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 30 SGB XII RdNr 19), weil sein Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden muss; ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf kann dem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

29

§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist im Rahmen der Grundsicherung der §§ 41 ff SGB XII anzuwenden; denn § 42 SGB XII verweist durch die Bezugnahme auf § 28 SGB XII auf dessen gesamtes Leistungsspektrum(Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, aaO, § 42 SGB XII RdNr 2), wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 99, 252 ff RdNr 20 f = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 mwN). Höhere Leistungen als der Regelsatz können aber auch im Rahmen der Leistungen nach dem GSiG erbracht werden. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 GSiG wird zwar zur Bemessung der Grundsicherungsleistung nach dem GSiG allein auf den Regelsatz des § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt, weil der Gesetzgeber den Bedarf unabhängig von individuellen Bedürfnissen pauschaliert und unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung vorgesehen hat (BT-Drucks 14/5150, S 49). Allerdings muss die Sozialhilfe als gegenüber Leistungen nach dem GSiG nachrangige Leistung (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl heute § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) den nach den Vorschriften des GSiG ermittelten Lebensunterhalt aufstocken, soweit das BSHG den nach den Besonderheiten des Einzelfalls bemessenen Lebensunterhalt in größerem Umfang deckt (Schoch in LPK-GSiG, § 3 RdNr 11; zum SGB XII BSG, Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R -, sowie Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 43 ff; zu der im GSiG nicht vorgesehenen Übergangsregelung des § 23 Abs 1 Satz 2 BSHG BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 2 RdNr 18). Das GSiG beabsichtigte keine Bedarfsdeckung für jeden individuellen Einzelfall, sondern eine eigenständige Sozialleistung, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe typischerweise entbehrlich machen sollte. Demzufolge konnte und musste ein atypischer Mehrbedarf mittels der Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt werden (Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, RdNr 4 f Vor GSiG).

30

Vor diesem Hintergrund scheidet ein Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG aus. Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 29 mwN); dies erfordert, dass irreparable Entscheidungen soweit wie möglich ausgeschlossen werden (BSG, aaO, mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es der Betroffene selbst in der Hand hat, durch Substantiierung eines Mehrbedarfs über § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG drohende Nachteile zu verhindern. Bei einer ablehnenden Entscheidung durch den Sozialhilfeträger steht ihm darüber hinaus der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs 2 SGG zur Seite. Selbst bei Bestandskraft eines einen individuellen Mehrbedarf ablehnenden Bescheids steht dem Betroffenen der Weg über § 44 SGB X(dazu unten) offen.

31

Da eine etwaige Verzögerung in dem Anerkennungsverfahren nach dem SGB IX nicht dem Beklagten zuzurechnen ist, kann ein etwa eingetretener Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII muss sich der Beklagte ein etwaiges Fehlverhalten des Versorgungsamtes im Rahmen eines Herstellungsanspruches nicht zurechnen lassen, weil das Versorgungsamt nicht in das Sozialleistungsverfahren nach dem SGB XII funktional einbezogen ist(vgl dazu BSGE 71, 217 f mwN = SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 19). Insoweit verbleibt ggf der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 GG, der sich allerdings nicht gegen den Sozialhilfeträger selbst richtet.

32

Vorliegend verbleibt eine Prüfung des geltend gemachten Anspruchs in Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X. Ob für das GSiG § 44 SGB X - was nahe liegt - Anwendung findet oder ob insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 1 VwVfG iVm § 1 NVwVfG zu rekurrieren ist(offen gelassen BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff), der die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte und damit die nachträgliche Zahlung von Leistungen grundsätzlich ins Ermessen der Beklagten stellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beklagte Leistungen bis 31.12.2004 (zunächst) nach dem BSHG gewährt hat und erst durch Bescheid vom 23.5.2005 (im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X) Leistungen nach dem GSiG unter Berücksichtigung bereits nach dem BSHG erbrachter Leistungen bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat sie die früheren Sozialhilfebescheide ersetzt und gleichzeitig, ohne dass dies einer ausdrücklichen Verfügung bedurft hätte, zusätzliche Sozialhilfeleistungen abgelehnt. Das Verfahren nach § 44 SGB X, mit dem höhere Leistungen begehrt werden, betrifft mithin Leistungen des BSHG, für das der Senat die Anwendung des § 44 SGB X bereits angenommen hat(BSG, aaO, RdNr 19).

33

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob dies der Fall ist, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG zu den Anspruchsvoraussetzungen allgemein und zur Höhe des Anspruchs, insbesondere zu einem etwa bestehenden Mehrbedarf nicht zu beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen und dabei zu berücksichtigen haben, dass es insoweit nicht auf eine Kenntnis des Sozialhilfeträgers bezüglich des Mehrbedarfs, der ergänzende bzw höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG bzw § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, ankommt. Die für die Erbringung von Leistungen notwendige Kenntnis (§ 5 BSHG; § 18 SGB XII) wird schon durch die der Beklagten bekannte Hilfebedürftigkeit vermittelt (vgl BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1). § 18 SGB XII bzw § 5 BSHG sollen zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen, sodass es für die Annahme einer Kenntnis ausreichend ist, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst erkennbar ist(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23). Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Kläger zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, wird es die von dem Senat in seinem Urteil vom 29.9.2009 (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) aufgestellten Grundsätze beachten müssen.

34

Für den Zeitraum von Januar bis Mai 2005, in dem der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wird das LSG zu prüfen haben, ob er (der Kläger) als Erwerbsfähiger oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war. Dann scheiden nach § 21 SGB XII Leistungen der Beklagten für die Vergangenheit auch in Anwendung des § 44 SGB X für den genannten Zeitraum aus. War der Kläger aber auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II), und sind ihm deshalb (bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoraussetzungen) statt der Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II)Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, ist dem Bewilligungsbescheid vom 23.5.2005 gleichzeitig die konkludente Ablehnung von Leistungen (auch eines Mehrbedarfs) für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 zu entnehmen, die einer Korrektur nach § 44 Abs 1 SGB X zugänglich ist.

35

Das LSG wird schließlich auch prüfen müssen, ob wegen einer etwaigen Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren (§ 116 Abs 2 SGB XII) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Mangel des Vorverfahrens vorliegt (dazu BSGE 106, 62 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6), und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Zahlung zusätzlicher 220,70 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat März 2007 wegen einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für das Kalenderjahr 2006.

2

Die 1982 geborene Klägerin bezieht seit dem 1.7.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), wobei an Kosten der Unterkunft 225 Euro für Kaltmiete, 65 Euro für einen Betriebskostenvorschuss und 45 Euro für einen Heizkostenvorschuss erbracht wurden (Bescheid vom 27.8.2007 für die Zeit vom 1.1. bis 31.10.2007, mit dem Heizkosten zunächst nur in Höhe von 32,50 Euro übernommen wurden; Bescheid vom 8.10.2008, mit dem rückwirkend der Heizkostenvorschuss in voller Höhe übernommen wurde). Mit dem ersten Antrag auf Grundsicherungsleistungen hatte die Betreuerin der Klägerin am 15.6.2005 eine Erklärung mit ua folgendem Inhalt unterschrieben: "Soweit sich aus meinem Mietvertrag jährliche Nebenkostenabrechnungen ergeben, werde ich auch diese umgehend, d.h. spätestens bis zur Fälligkeit bzw. 4 Wochen nach Erhalt der Rechnung, dem Sozialamt zur Überprüfung vorlegen. Ansonsten besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme dieser einmaligen Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe."

3

Am 20.3.2007 erhielt die Klägerin eine Heiz- und Betriebskostenabrechnung des Vermieters für das Jahr 2006 mit einer Nachforderung für Heizkosten in Höhe von 129,82 Euro und von Nebenkosten in Höhe von 90,88 Euro. Erst am 25.9.2007 reichte die Betreuerin der Klägerin die Rechnung mit der Bitte um Erstattung der von der Klägerin mittlerweile verauslagten Kosten in Höhe von 220,70 Euro ein. Die Beklagte lehnt dies ab, weil ihr die Rechnung verspätet vorgelegt worden sei (Bescheid vom 26.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.7.2008).

4

Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Beklagte verurteilt, "den Nachzahlungsbetrag der Klägerin aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2006 in Höhe von 220,70 € zu übernehmen" (Urteil vom 11.3.2009); das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 19.4.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass es sich bei der Heiz- und Betriebskostenabrechnung um einen Bedarf an Unterkunfts- und Heizkosten handele, der im Monat März 2007 entstanden und sofort fällig geworden sei. Dieser Bedarf sei nicht dadurch entfallen, dass die Rechnung beglichen worden sei, bevor ein Erstattungsantrag bei der Beklagten eingereicht worden sei. Insoweit stehe einer Leistung der Beklagten § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach der Bewilligungszeitraum der Grundsicherung bei einer Änderung der Leistung zugunsten des Berechtigten am Ersten des Monats beginne, in dem die Voraussetzung für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sei, schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift keine einmaligen Bedarfe erfasse. Ein Ausschluss der geltend gemachten Leistungen ergebe sich auch nicht aus der von der Betreuerin unterzeichneten Erklärung über die rechtzeitige Vorlage von Nebenkostenabrechnungen.

5

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 18 Abs 1 SGB XII iVm § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Die Klägerin habe nicht zeitnah die Nebenkostenabrechnung vorgelegt, sodass ihr weder für den Monat März 2007 noch für die Zeit danach eine höhere Leistung zustehe.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Ob und in welcher Höhe die Klägerin für März 2007 einen Anspruch auf höhere Leistungen (220,70 Euro) hat, kann nicht abschließend entschieden werden. Hierzu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG, die es dem Senat ermöglichen würden, Grund und Höhe des Anspruchs zu überprüfen. Allerdings hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) für einmalige Bedarfsänderungen wie eine Heiz- und Betriebskostennachforderung keine Anwendung findet.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008 (§ 95 SGG), soweit darin für den Monat März 2007 eine höhere Leistung - beschränkt auf Kosten der Unterkunft und Heizung - abgelehnt wurde (zur Beschränkung in diesem Sinn später). Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG), weil sich das Klagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) misst(dazu später). Bei Anwendung dieser Vorschrift genügt wie in Fällen des § 44 SGB X nicht die reine Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R - RdNr 12 mwN). Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - der Bescheid vom 27.8.2007 schon ein solcher nach § 48 SGB X ist(dazu später) und höhere Leistungen als im ändernden und als im abgeänderten Bescheid verlangt werden.

11

Entgegen der Ansicht des LSG ist zwar der Bescheid vom 8.10.2008, soweit die Beklagte rückwirkend für den Monat März 2007 die noch fehlenden 12,50 Euro zum von der Klägerin tatsächlich gezahlten monatlichen Heizkostenvorschuss bewilligt hat, gemäß § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden, weil dieser Bescheid unmittelbar den vorliegenden Streitgegenstand erfasst(dazu später); jedoch ist der Senat mangels Verfahrensrüge daran gehindert, diesen Bescheid materiellrechtlich in seine Prüfung einzubeziehen (vgl nur das Senatsurteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 29/10 R - RdNr 10 mwN). Da die Sache ohnedies aus anderen Gründen an das LSG zurückzuverweisen ist und das LSG dann den Änderungsbescheid vom 8.10.2008 einzubeziehen hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, welche prozessualen und materiellrechtlichen Auswirkungen das Verbot der Nichtberücksichtigung im Revisionsverfahren für den Senat - evtl Teilerledigung des Klageantrags in Höhe von 12,50 Euro (vgl zu einer vergleichbaren Problematik das Senatsurteil vom 25.8.2011, aaO) - bei einer abschließenden Entscheidung des Senats besäße.

12

Bei dem Bescheid vom 26.9.2007, mit dem die Beklagte ausdrücklich die beantragte Übernahme der Kosten für die Heiz- und Betriebskostenabrechnung des Jahres 2006 abgelehnt hat, handelt es sich demgegenüber um einen wiederholenden Bescheid ohne eigenen Regelungscharakter (vgl dazu nur Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 32); seines Erlasses hätte es nicht mehr bedurft, weil der am 25.9.2007, also innerhalb der für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.8.2007 geltenden Monatsfrist (§ 84 Abs 1 SGG), bei der Beklagten eingegangene Antrag auf Erstattung gemäß § 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) als Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.8.2007 zu werten ist, allerdings beschränkt auf den Monat März 2007 und den Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (Senatsurteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 18/09 R - RdNr 10 mwN). Dies gilt auch, wenn sich - wie hier - der Leistungsempfänger gegen einen Änderungsbescheid (§ 48 SGB X) wendet, mit dem die Gesamtleistung der Hilfe für den Lebensunterhalt bei gleichbleibender Leistung für Unterkunft und Heizung neu bewilligt wurde. Die verfahrensrechtliche Ausgangslage ist dann nicht anders als bei einem Erstbescheid bzw einem Neubescheid nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums. Eine streitgegenständliche Beschränkung allein auf die Heiz- und Nebenkostennachforderung ist allerdings unzulässig; eine Beschränkung ergibt sich deshalb nur hinsichtlich der Leistungshöhe der Unterkunftskosten insgesamt (vgl Bundessozialgericht , Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - RdNr 13) auf weitere 220,70 Euro.

13

Die Auslegung des Erstattungsantrags als Widerspruch folgt der Rechtsprechung des BSG zum sog Meistbegünstigungsprinzip. Danach sind nicht nur im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern auch im Verwaltungsverfahren gestellte Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen. Insbesondere ist derjenige Rechtsbehelf gegen denjenigen Verwaltungsakt als eingelegt anzusehen, der nach Lage der Sache in Betracht kommt und Erfolg versprechen kann (BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 mwN; SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN); auf diese Weise wird iS des § 2 Abs 2 SGB I sichergestellt, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden(vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005).

14

Erkennbar ging es der Klägerin lediglich um Überprüfung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung für den Monat März, weil im Monat März vom Vermieter die Nachforderung geltend gemacht worden ist. Folge davon ist, dass der Bescheid vom 27.8.2007 für die Monate Januar und Februar sowie für die Zeit ab April insgesamt und für März 2007 bezüglich der sonstigen Sozialhilfeleistungen (etwa Regelsatzleistung) bestandskräftig geworden ist und die (nach Aktenlage) geringfügige Leistungsminderung ab 1.1.2007 aufgrund eines erhöhten Einkommens der Klägerin gegenüber dem früheren Bewilligungsbescheid (vom 24.10.2006 für die Zeit bis 31.10.2007) keiner Überprüfung bedarf. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sind jedenfalls durchgehend in gleicher Höhe erbracht worden. Nach Aktenlage wird sich nicht das Problem ergeben, auf welche Leistung nach Beschränkung des Streitgegenstands ggf höheres Einkommen anzurechnen ist, wenn es fehlerhaft berücksichtigt worden wäre (vgl dazu Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 34 mwN).

15

Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 27.8.2007 über die Ablehnung höherer einmaliger Leistungen der Kosten für Unterkunft und Heizung (220,70 Euro) misst sich - entgegen anderer Ansichten in der sozialhilferechtlichen Literatur (H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 44 SGB XII RdNr 10; Schoch in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 8. Aufl 2008, § 44 SGB XII RdNr 7; Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 44 SGB XII RdNr 5, Stand April 2005; Steimer in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 44 SGB XII RdNr 13, Stand September 2008; Wenzel in Fichtner/Wenzel, SGB XII mit AsylbLG, 4. Aufl 2009, § 44 SGB XII RdNr 7) - an § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 1 SGB X(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12; BSG, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - RdNr 13); denn spätestens seit Inkrafttreten des SGB XII finden die Vorschriften der §§ 39 ff SGB X für die Wirksamkeit und Aufhebung von Verwaltungsakten grundsätzlich auch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anwendung(BSGE 99, 137 ff RdNr 14 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 11; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 44 RdNr 9, Stand März 2009). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie vorliegend - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, zugunsten des Betroffenen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Ob dies der Fall ist, kann vom Senat mangels tatsächlicher Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach nicht geprüft werden, weil sich das LSG ausschließlich mit der Frage befasst hat, ob § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII einschlägig ist.

16

Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X (gegenüber dem Bescheid vom 24.10.2006) ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG lediglich darauf abzustellen, ob der Bescheid aufgrund der objektiven Verhältnisse unter den geänderten Bedingungen so nicht hätte erlassen werden dürfen (vgl nur: Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 12 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 mwN). Soweit in der sozialhilferechtlichen Literatur ein eigenständiger Begriff der Wesentlichkeit (mindestens 15 % höhere Leistungen) vertreten wird (vgl hierzu nur: Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 44 SGB XII RdNr 11 mwN, Stand März 2009; Kreiner in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 44 SGB XII RdNr 11, Stand Juni 2006), entbehrt dies einer gesetzlichen Grundlage (vgl auch Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 44 SGB XII RdNr 21). § 44 Satz 2 und Satz 3 SGB XII normieren nämlich keine gegenüber § 48 SGB X völlig eigenständige Regelung, sondern modifizieren diese nur, soweit es den Leistungsbeginn betrifft(Kreikebohm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 44 SGB XII RdNr 3).

17

Gemäß § 42 Abs 1 Nr 2 SGB XII(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 - erhalten hat) iVm § 29 Abs 1 und Abs 3 SGB XII(ebenfalls idF, die die Norm durch dieses Gesetz erhalten hat) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zwar unterfallen auch einmalige Kosten dieser Vorschrift und stellen einen Bedarf im Monat der Fälligkeit dar (BSG, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - RdNr 15); jedoch beurteilt sich im Rahmen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die wesentliche Änderung gegenüber der früheren Sach- und Rechtslage nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verursachung der Kosten(BSG, aaO, RdNr 13), also hier den Verhältnissen des Jahres 2006. Mangels anderweitiger Regelungen ist die Nachforderung des Vermieters der Klägerin mit ihrer Geltendmachung fällig geworden; nicht zu prüfen ist, ob diese Forderung des Vermieters gerechtfertigt war. Es genügt, dass die Zahlung der Klägerin auf der Grundlage einer Vereinbarung gezahlt worden ist, es sich also um eine ernsthafte Forderung handelte (BSGE 104, 179 ff Nr 16 mwN = SozR 4-4200 § 22 Nr 24). Inwieweit dies vorliegend der Fall ist, hat das LSG nicht festgestellt. Nicht festgestellt ist außerdem die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung für das Jahr 2006 unter Berücksichtigung der Nachforderung des Vermieters.

18

Einer Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X und einer daraus resultierenden möglichen höheren Leistung für März 2007 steht nicht die Regelung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII entgegen. Danach beginnt der Bewilligungszeitraum bei einer Änderung der Leistung (zugunsten des Empfängers) am Ersten des Monats, in dem die Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sind. Unabhängig davon, ob der Regelung überhaupt zu entnehmen ist, dass der Bewilligungszeitraum bei späterer Mitteilung erst am Tage dieser Mitteilung bzw mit dem Monatsanfang oder erst mit dem auf die Mitteilung folgenden Monat beginnt, gilt § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII jedenfalls nicht für eine aus einem einmalig erhöhten Bedarf resultierende Veränderung(so auch Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 44 SGB XII RdNr 25.2). Dafür sprechen sowohl Wortlaut, Historie und Systematik der Vorschrift als auch Sinn und Zweck der Regelung.

19

§ 44 Abs 1 SGB XII macht insgesamt deutlich, dass die Vorschrift nur einen mehr als einmonatigen Bewilligungszeitraum (in der Regel nach Satz 1 zwölf Monate) regelt. Insoweit wird in Satz 2 ausdrücklich auf einen solchen Bewilligungszeitraum Bezug genommen, dessen Beginn aus Praktikabilitätsgründen (Geltung des Monatsprinzips) zugunsten des Leistungsempfängers auf den Monatsanfang vorverlegt wird; Ziel dieser Regelung ist es, eine taggenaue Berechnung möglichst zu vermeiden (Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 44 SGB XII RdNr 25). Deshalb beginnt der neue Bewilligungszeitraum bei einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Berechtigten nach Satz 3 auch erst mit dem Beginn des Folgemonats. § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII kann sich dann aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf einmalige Bedarfserhöhungen in einem einzelnen Monat beziehen. Weil der zusätzliche (einmalige) Bedarf an einem bestimmten Tag des Monats eintritt und weder auf den Monatsgesamtbedarf aufzuteilen ist noch sich auf den Bedarf der Folgemonate bezieht, geht es weder um die Vermeidung einer taggenauen Berechnung der Monatsleistung, noch kann, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Bewilligungszeitraum in Gang gesetzt werden.

20

Die Richtigkeit dieser Auslegung belegen die Gesetzesmaterialien. Zwar existieren keine Gesetzesbegründungen zu § 44 SGB XII selbst; jedoch kann auf die Gesetzesmaterialien zum Grundsicherungsgesetz (GSiG) zurückgegriffen werden (so auch Blüggel in jurisPK-SGB XII, § 44 SGB XII RdNr 3). Darin ist zur inhaltlich gleichen Regelung des § 6 GSiG ausgeführt(BT-Drucks 14/5150, S 51 zu § 6), die Leistungen würden in Monatsbeträgen festgesetzt und zeitabschnittsweise bewilligt. Träten Veränderungen in den Verhältnissen ein, die für die Gewährung bzw Höhe der Leistung erheblich seien, müsse dies unverzüglich mitgeteilt werden. Eine hieraus resultierende Veränderung des Anspruches zugunsten der Berechtigten solle dann dazu führen, dass mit dem Ersten des Monats ein neuer Bewilligungszeitraum beginne, in dem die Veränderung eingetreten und mitgeteilt worden sei. Anderenfalls beginne der neue Bewilligungszeitraum mit dem Ersten des Folgemonats nach Eintritt der Veränderung. Wenngleich diese Aussage der Gesetzesbegründung, falls sie sich nicht lediglich auf eine Änderung zu Lasten des Berechtigten bezieht, keine Grundlage in einer gesetzlichen Regelung gefunden hat - sie beruht sonst möglicherweise auf dem vom Senat nicht geteilten Verständnis, die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts fänden überhaupt keine Anwendung (vgl zu dieser Problematik: BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 14 ff; BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R - RdNr 32) -, so zeigt sie doch, dass der Gesetzgeber Änderungen vor Augen hatte, die über die Dauer eines Monats hinaus fortwirken, bezogen auf zusätzliche Bedarfe also in der Folgezeit immer wieder neu entstehen, nicht lediglich als einmaliger Bedarf ungedeckt bleiben.

21

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht einer nachträglichen Leistung an die Klägerin § 18 Abs 1 SGB XII nicht entgegen. Danach setzt die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistungen vorliegen. Abgesehen davon, dass bei den Grundsicherungsleistungen nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung ohnedies der sogenannte Kenntnisgrundsatz durch das Antragsprinzip ersetzt ist und weder die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes (vgl dazu BSGE 104, 207 ff = SozR 4-3530 § 6 Nr 1) noch eine Änderung des Bedarfs während des Bewilligungszeitraums einen neuen Antrag voraussetzt (vgl zur vergleichbaren Situation im Rahmen des SGB II BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38), soll § 18 SGB XII nur einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilferecht sicherstellen(BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 20; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 18 SGB XII RdNr 13 ff mwN; vgl auch BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 24). Es ist nicht vorrangige Aufgabe des § 18 SGB XII, Leistungen für die Vergangenheit auszuschließen, sondern ein rechtzeitiges Eingreifen des Sozialhilfeträgers auch ohne Antrag zu gewährleisten(BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 24). Die Kenntnis braucht sich deshalb nicht auf die Höhe der zu erbringenden Leistung, sondern allein auf den Bedarf und die Hilfebedürftigkeit beziehen; der Sozialhilfeträger muss also lediglich Kenntnis vom Bedarfsfall als solchem haben (Coseriu, aaO, RdNr 15). Dies war vorliegend der Fall, weil die Klägerin durchgehend im Leistungsbezug stand; ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung war ebenfalls gestellt.

22

Dass die fällige Betriebs- und Heizkostenabrechnung von der Klägerin selbst - ohne die finanzielle Hilfe Dritter - bereits vor der Geltendmachung bei der Beklagten beglichen worden ist, lässt ihren Bedarf und den Anspruch auf höhere Leistungen nicht entfallen. Es gilt insoweit nichts anderes als bei Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 SGB X(vgl dazu BSGE 104, 213 ff RdNr 13 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20). Keiner Entscheidung bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ob mit Rücksicht auf die in § 48 Abs 4 SGB X angeordnete entsprechende Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X die vom Senat für die rückwirkende Leistungsgewährung im Rahmen des § 44 Abs 4 SGB X aufgestellten Kriterien(vgl BSG aaO) im vollen Umfang gelten. Die von der Betreuerin der Klägerin unterschriebene Erklärung über Nebenkostenabrechnungen rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Für das Revisionsgericht bindend hat das LSG hierzu ausgeführt, dass die Klägerin keine vertragliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich bestätigt habe, die (unzutreffende) Rechtsansicht der Beklagten zur Kenntnis genommen zu haben. Es kann damit dahinstehen, ob ein solcher Vertrag - etwa gemäß § 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 Bürgerliches Gesetzbuch wegen eines Verstoßes gegen § 53 Abs 2 SGB X - überhaupt rechtswirksam wäre.

23

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 2009 aufgehoben, soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind die Zahlung zusätzlicher 56,58 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 wegen einer Betriebskostennachforderung in gleicher Höhe für das Jahr 2006 (Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 31.10.2007), 19 Euro monatlich höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 sowie die Beschaffung einer anderen Unterkunft durch die Beklagte bzw die Zusicherung, die Kosten für einen solchen Wohnraum zu übernehmen.

2

Die Beklagte bewilligte dem 1959 geborenen, seit 21.8.2012 unter Betreuung stehenden Kläger nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums (ergänzend) Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 2.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2007). Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde, ist erfolglos geblieben (rechtskräftiger Gerichtsbescheid vom 22.1.2008). Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit von Juni 2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 15.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2007). Die hiergegen erhobene Klage - S 5 SO 2647/07 - ruht (Ruhensbeschluss des SG vom 16.8.2007).

3

Den Antrag des Klägers auf Übernahme einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von 56,58 Euro sowie auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft ab 1.2.2007 (19 Euro monatlich) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 3.12.2007; Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007). Die dagegen erhobene Klage, mit der der Kläger zudem das Ziel verfolgte, die Beklagte zur Beschaffung eines für ihn geeigneten Übergangswohnraums bzw zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für einen solchen Wohnraum zu verurteilen, blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 17.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.6.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitere an der Unangemessenheit der Heizkostenhöhe; die für die Abrechnungsperiode 2006 festgestellten Werte seien mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche Flächenheizbedarf der gesamten Wohnanlage. Mangels Anspruchsgrundlage bestehe auch kein Anspruch auf Bereitstellung eines Übergangswohnraums. Da die Wohnung des Klägers keine derart gravierenden Mängel aufweise, dass ein dortiges Verbleiben unzumutbar wäre, scheitere schließlich ein Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für einen anderen Wohnraum.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 29 Abs 3 SGB XII, wonach Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe zu erbringen seien. Eine Pauschalierung oder die Festlegung eines abstrakten Wertes angemessener Heizkosten pro qm sei nicht zulässig. Zudem beruhe das Urteil des LSG auf Verfahrensfehlern.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1.2.2007 höhere Kosten der Unterkunft zu zahlen und einen geeigneten Übergangswohnraum zu beschaffen, bzw hilfsweise zuzusichern, dass die Kosten für einen solchen Wohnraum übernommen werden.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte eine Beratung oder Unterstützung des Klägers bei seiner Suche nach einer anderen Unterkunft ausdrücklich abgelehnt.

Entscheidungsgründe

9

Soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, ist die Revision des Klägers im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz); im Übrigen ist sie nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007, mit dem die Beklagte eine um 56,58 Euro höhere Leistung - beschränkt auf Kosten für Unterkunft und Heizung - für den Monat November 2007 sowie höhere Kosten der Unterkunft (19 Euro monatlich) ab 1.2.2007 bis 30.6.2008 unter Abänderung der Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.3.2007 und vom 6.7.2007 abgelehnt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), weil sich das Klagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), ggf auch an § 44 SGB X misst(vgl: BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 12; SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 10). Gegenstand des Verfahrens ist daneben eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG, soweit die Verurteilung zur Beschaffung eines geeigneten Übergangswohnraums betroffen ist bzw (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage(§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf eine Zusicherung (Zusage), einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt zu erlassen, die Kosten für einen (anderen) angemessenen Wohnraum zu übernehmen.

11

Das LSG hat, soweit es höhere Leistungen betrifft, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings war die Klage insoweit bereits (insgesamt) unzulässig. Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der streitigen Ansprüche entschieden wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder - wie hier - schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22 mwN).

12

Die Klage gegen den Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 war zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG)unzulässig. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Februar 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde und rechtskräftig mit einem die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 endete. Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 betrifft die als eigenen Streitgegenstand abtrennbaren (vgl BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 12 mwN) Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 sowie um 19 Euro monatlich höhere Leistungen in Abänderung der durch die Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 bewilligten Leistungen ab 1.2.2007 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30.6.2008 (BSGE 99, 131 ff RdNr 10 mwN = SozR 4-3500 § 28 Nr 1). Dieser (ablehnende) Bescheid erging während des laufenden Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07. Als ein die Voraussetzungen von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, ggf auch von § 44 SGB X, ablehnender, vor dem 31.3.2008 ergangener Verwaltungsakt wurde er in erweiternder Anwendung des § 96 SGG aF - bis 31.3.2008 - Gegenstand dieses bereits anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens (vgl zum alten, fortgeltenden Rechtszustand nur BSG, Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage. Hieran ändert auch nichts der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens S 5 SO 1205/07 durch Gerichtsbescheid.

13

Die Sperrwirkung endet zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens (Eintreten der formellen Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 22.1.2008; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4), sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann (Leitherer, aaO, RdNr 7b); sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand (höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.5.2007) zwischen denselben Beteiligten betrifft. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 141 RdNr 6a); dies resultiert aus der Rechtskraft der Entscheidung (§ 105 Abs 1 Satz 3 iVm § 141 SGG).

14

Ob dies auch für die Zeit ab 1.6.2007 zutrifft, kann dahinstehen. Denn insoweit war die Klage in jedem Fall aus anderen Gründen unzulässig. Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 15.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Auch gegen diesen Bescheid, der seinerseits gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 1205/07 geworden war und ebenfalls keine Berücksichtigung durch das SG gefunden hat, ist der Kläger gesondert im Klagewege(S 5 SO 2647/07) vorgegangen. Selbst wenn man eine Ausnahme von der Rechtskraftwirkung zulässt, wenn und weil das SG im Verfahren S 5 SO 1205/07 nicht über die Folgebescheide vom 15.6.2007 und 3.12.2007 entschieden hat (vgl dazu BSG SozR 4100 § 136 Nr 4 S 15),wäre der Bescheid vom 3.12.2007 in Anwendung des § 96 SGG für die Zeit ab 1.6.2007 zuvor schon Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 2647/07 geworden. Das SG hat dieses Verfahren zum Ruhen gebracht, ohne dass es materiellrechtlich und prozessual beendet worden wäre. Dies hat zur Folge, dass sich jedenfalls für die Zeit ab 1.6.2007 weiterhin eine Sperrwirkung für das vorliegende Verfahren ergibt.

15

Eine etwa (während des gesamten Verfahrens) bestehende Prozessunfähigkeit des Klägers, die der Senat im Hinblick auf die vom Amtsgericht während des Revisionsverfahrens angeordnete Betreuung nicht ausschließen kann, rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache, insbesondere keine Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung wegen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung; dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Unzulässigkeit der dritten Klage für die Zeit vom 1.2. bis 31.5.2007 wegen offensichtlicher Haltlosigkeit der Rechtsverfolgung von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG ausnahmsweise abgesehen werden durfte(vgl dazu: BSGE 5, 176, 178 f; Senatsurteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R). Denn selbst wenn die Klage insoweit nicht "offensichtlich" unzulässig war und die Bestellung eines besonderen Vertreters verfahrensfehlerhaft unterblieben wäre, bedurfte es keiner Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht.

16

Zwar führt eine nicht ordnungsgemäße Vertretung zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung, der grundsätzlich keine Bestätigung des angefochtenen Urteils zulässt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN). Von diesem Grundsatz ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn trotz des Verfahrensverstoßes ein Erfolg in der Sache ausgeschlossen ist, weil auch unter Einbeziehung des Revisionsvorbringens die Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann (BSGE 75, 74, 77 mwN = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 45; BSGE 76, 59, 67 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 10; BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 13/08 R; Leitherer, aaO). So liegt der Fall hier, weil die Klage nach oben Gesagtem in jedem Fall unzulässig ist. Ohnedies hat der Kläger bei Fortführung des ruhenden Verfahrens - S 5 SO 2647/07 - auch die prozessuale Möglichkeit, sein materiellrechtliches Begehren für die Zeit ab 1.6.2007 in gleicher Weise wie im vorliegenden Verfahren zu verfolgen, wenn im vorliegenden Verfahren die Klage zulässig wäre. Für die Zeit, die von den Folgebescheiden erfasst wird, bleibt ihm also die Rechtsschutzmöglichkeit erhalten. Für die Zeit vor dem 1.6.2007 hat er sie durch das rechtskräftige Urteil darüber verloren. Da eine Zurückverweisung an das LSG ausnahmsweise ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von dem Kläger gerügten weiteren Verfahrensmängel vorliegen.

17

Soweit es die Beschaffung einer Übergangs- oder anderen Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)nicht abschließend entscheiden, sodass es auch insoweit nicht auf die erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Denkbare Anspruchsgrundlage nach dem SGB XII ist § 67 Satz 1 SGB XII. Danach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Zu den in § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII aufgeführten Maßnahmen gehört auch die Beschaffung einer Wohnung(vgl Trenk-Hinterberger in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 38 RdNr 32 mwN).

18

Die Klage ist insoweit nicht schon unzulässig. Zwar ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG unzulässig, wenn zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und mit einem Verwaltungsakt abzuschließen ist, gegen den im Ablehnungsfalle zunächst Widerspruch eingelegt werden kann(BSG, Urteil vom 24.4.1980 - 1 RJ 2/79; BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1; zur kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 9). Die mit der Wohnungs- bzw Unterkunftssuche in Zusammenhang stehenden Leistungen nach dem SGB XII erfordern allerdings nicht unabhängig von den zu ergreifenden Maßnahmen, also in jedem Fall, die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens, sondern können nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten(DVO-SGB XII § 68) vom 24.1.2001 (BGBl I 179) auch in der bloßen Beratung oder tatsächlichen Unterstützung durch persönliche Betreuung bestehen, die sich nicht in Form eines Verwaltungsakts niederschlagen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 11 SGB XII RdNr 7). Insoweit konkretisiert und erweitert § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 DVO-SGB XII § 68 die Regelung des § 11 Abs 1 und 3 SGB XII. Tatsächliche Feststellungen des LSG zu den Leistungsvoraussetzungen für etwaige Hilfen fehlen jedoch. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger ggf einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterstützung außerhalb eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens hat. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

19

Die Erteilung einer Zusicherung auf Übernahme künftiger (angemessener) Unterkunftskosten ist ein der späteren Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung vorgeschalteter Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X. Dieses Begehren setzt zwar - anders als die Beratung und tatsächliche Unterstützung - zunächst eine Entscheidung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt voraus. Da der Kläger den Antrag auf Zustimmung aber nur hilfsweise gestellt hat, ist eine Entscheidung hierüber auch nur zu treffen, wenn der Hauptantrag erfolglos bleibt. Ggf wird das LSG dann zu prüfen haben, ob die Behörde nicht im Rahmen des Klageverfahrens eine ablehnende Entscheidung getroffen hat, gegen die sich der Kläger rechtzeitig mit einem (konkludenten) Widerspruch gewehrt hat; in diesem Fall wäre der Erlass eines Widerspruchsbescheids abzuwarten (vgl nur Leitherer, aaO, § 78 RdNr 3).

20

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 2009 aufgehoben, soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind die Zahlung zusätzlicher 56,58 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 wegen einer Betriebskostennachforderung in gleicher Höhe für das Jahr 2006 (Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 31.10.2007), 19 Euro monatlich höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 sowie die Beschaffung einer anderen Unterkunft durch die Beklagte bzw die Zusicherung, die Kosten für einen solchen Wohnraum zu übernehmen.

2

Die Beklagte bewilligte dem 1959 geborenen, seit 21.8.2012 unter Betreuung stehenden Kläger nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums (ergänzend) Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 2.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2007). Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde, ist erfolglos geblieben (rechtskräftiger Gerichtsbescheid vom 22.1.2008). Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit von Juni 2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 15.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2007). Die hiergegen erhobene Klage - S 5 SO 2647/07 - ruht (Ruhensbeschluss des SG vom 16.8.2007).

3

Den Antrag des Klägers auf Übernahme einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von 56,58 Euro sowie auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft ab 1.2.2007 (19 Euro monatlich) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 3.12.2007; Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007). Die dagegen erhobene Klage, mit der der Kläger zudem das Ziel verfolgte, die Beklagte zur Beschaffung eines für ihn geeigneten Übergangswohnraums bzw zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für einen solchen Wohnraum zu verurteilen, blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 17.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.6.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitere an der Unangemessenheit der Heizkostenhöhe; die für die Abrechnungsperiode 2006 festgestellten Werte seien mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche Flächenheizbedarf der gesamten Wohnanlage. Mangels Anspruchsgrundlage bestehe auch kein Anspruch auf Bereitstellung eines Übergangswohnraums. Da die Wohnung des Klägers keine derart gravierenden Mängel aufweise, dass ein dortiges Verbleiben unzumutbar wäre, scheitere schließlich ein Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für einen anderen Wohnraum.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 29 Abs 3 SGB XII, wonach Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe zu erbringen seien. Eine Pauschalierung oder die Festlegung eines abstrakten Wertes angemessener Heizkosten pro qm sei nicht zulässig. Zudem beruhe das Urteil des LSG auf Verfahrensfehlern.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1.2.2007 höhere Kosten der Unterkunft zu zahlen und einen geeigneten Übergangswohnraum zu beschaffen, bzw hilfsweise zuzusichern, dass die Kosten für einen solchen Wohnraum übernommen werden.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte eine Beratung oder Unterstützung des Klägers bei seiner Suche nach einer anderen Unterkunft ausdrücklich abgelehnt.

Entscheidungsgründe

9

Soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, ist die Revision des Klägers im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz); im Übrigen ist sie nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007, mit dem die Beklagte eine um 56,58 Euro höhere Leistung - beschränkt auf Kosten für Unterkunft und Heizung - für den Monat November 2007 sowie höhere Kosten der Unterkunft (19 Euro monatlich) ab 1.2.2007 bis 30.6.2008 unter Abänderung der Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.3.2007 und vom 6.7.2007 abgelehnt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), weil sich das Klagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), ggf auch an § 44 SGB X misst(vgl: BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 12; SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 10). Gegenstand des Verfahrens ist daneben eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG, soweit die Verurteilung zur Beschaffung eines geeigneten Übergangswohnraums betroffen ist bzw (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage(§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf eine Zusicherung (Zusage), einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt zu erlassen, die Kosten für einen (anderen) angemessenen Wohnraum zu übernehmen.

11

Das LSG hat, soweit es höhere Leistungen betrifft, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings war die Klage insoweit bereits (insgesamt) unzulässig. Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der streitigen Ansprüche entschieden wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder - wie hier - schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22 mwN).

12

Die Klage gegen den Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 war zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG)unzulässig. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Februar 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde und rechtskräftig mit einem die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 endete. Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 betrifft die als eigenen Streitgegenstand abtrennbaren (vgl BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 12 mwN) Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 sowie um 19 Euro monatlich höhere Leistungen in Abänderung der durch die Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 bewilligten Leistungen ab 1.2.2007 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30.6.2008 (BSGE 99, 131 ff RdNr 10 mwN = SozR 4-3500 § 28 Nr 1). Dieser (ablehnende) Bescheid erging während des laufenden Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07. Als ein die Voraussetzungen von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, ggf auch von § 44 SGB X, ablehnender, vor dem 31.3.2008 ergangener Verwaltungsakt wurde er in erweiternder Anwendung des § 96 SGG aF - bis 31.3.2008 - Gegenstand dieses bereits anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens (vgl zum alten, fortgeltenden Rechtszustand nur BSG, Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage. Hieran ändert auch nichts der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens S 5 SO 1205/07 durch Gerichtsbescheid.

13

Die Sperrwirkung endet zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens (Eintreten der formellen Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 22.1.2008; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4), sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann (Leitherer, aaO, RdNr 7b); sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand (höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.5.2007) zwischen denselben Beteiligten betrifft. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 141 RdNr 6a); dies resultiert aus der Rechtskraft der Entscheidung (§ 105 Abs 1 Satz 3 iVm § 141 SGG).

14

Ob dies auch für die Zeit ab 1.6.2007 zutrifft, kann dahinstehen. Denn insoweit war die Klage in jedem Fall aus anderen Gründen unzulässig. Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 15.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Auch gegen diesen Bescheid, der seinerseits gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 1205/07 geworden war und ebenfalls keine Berücksichtigung durch das SG gefunden hat, ist der Kläger gesondert im Klagewege(S 5 SO 2647/07) vorgegangen. Selbst wenn man eine Ausnahme von der Rechtskraftwirkung zulässt, wenn und weil das SG im Verfahren S 5 SO 1205/07 nicht über die Folgebescheide vom 15.6.2007 und 3.12.2007 entschieden hat (vgl dazu BSG SozR 4100 § 136 Nr 4 S 15),wäre der Bescheid vom 3.12.2007 in Anwendung des § 96 SGG für die Zeit ab 1.6.2007 zuvor schon Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 2647/07 geworden. Das SG hat dieses Verfahren zum Ruhen gebracht, ohne dass es materiellrechtlich und prozessual beendet worden wäre. Dies hat zur Folge, dass sich jedenfalls für die Zeit ab 1.6.2007 weiterhin eine Sperrwirkung für das vorliegende Verfahren ergibt.

15

Eine etwa (während des gesamten Verfahrens) bestehende Prozessunfähigkeit des Klägers, die der Senat im Hinblick auf die vom Amtsgericht während des Revisionsverfahrens angeordnete Betreuung nicht ausschließen kann, rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache, insbesondere keine Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung wegen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung; dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Unzulässigkeit der dritten Klage für die Zeit vom 1.2. bis 31.5.2007 wegen offensichtlicher Haltlosigkeit der Rechtsverfolgung von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG ausnahmsweise abgesehen werden durfte(vgl dazu: BSGE 5, 176, 178 f; Senatsurteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R). Denn selbst wenn die Klage insoweit nicht "offensichtlich" unzulässig war und die Bestellung eines besonderen Vertreters verfahrensfehlerhaft unterblieben wäre, bedurfte es keiner Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht.

16

Zwar führt eine nicht ordnungsgemäße Vertretung zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung, der grundsätzlich keine Bestätigung des angefochtenen Urteils zulässt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN). Von diesem Grundsatz ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn trotz des Verfahrensverstoßes ein Erfolg in der Sache ausgeschlossen ist, weil auch unter Einbeziehung des Revisionsvorbringens die Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann (BSGE 75, 74, 77 mwN = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 45; BSGE 76, 59, 67 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 10; BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 13/08 R; Leitherer, aaO). So liegt der Fall hier, weil die Klage nach oben Gesagtem in jedem Fall unzulässig ist. Ohnedies hat der Kläger bei Fortführung des ruhenden Verfahrens - S 5 SO 2647/07 - auch die prozessuale Möglichkeit, sein materiellrechtliches Begehren für die Zeit ab 1.6.2007 in gleicher Weise wie im vorliegenden Verfahren zu verfolgen, wenn im vorliegenden Verfahren die Klage zulässig wäre. Für die Zeit, die von den Folgebescheiden erfasst wird, bleibt ihm also die Rechtsschutzmöglichkeit erhalten. Für die Zeit vor dem 1.6.2007 hat er sie durch das rechtskräftige Urteil darüber verloren. Da eine Zurückverweisung an das LSG ausnahmsweise ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von dem Kläger gerügten weiteren Verfahrensmängel vorliegen.

17

Soweit es die Beschaffung einer Übergangs- oder anderen Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)nicht abschließend entscheiden, sodass es auch insoweit nicht auf die erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Denkbare Anspruchsgrundlage nach dem SGB XII ist § 67 Satz 1 SGB XII. Danach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Zu den in § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII aufgeführten Maßnahmen gehört auch die Beschaffung einer Wohnung(vgl Trenk-Hinterberger in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 38 RdNr 32 mwN).

18

Die Klage ist insoweit nicht schon unzulässig. Zwar ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG unzulässig, wenn zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und mit einem Verwaltungsakt abzuschließen ist, gegen den im Ablehnungsfalle zunächst Widerspruch eingelegt werden kann(BSG, Urteil vom 24.4.1980 - 1 RJ 2/79; BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1; zur kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 9). Die mit der Wohnungs- bzw Unterkunftssuche in Zusammenhang stehenden Leistungen nach dem SGB XII erfordern allerdings nicht unabhängig von den zu ergreifenden Maßnahmen, also in jedem Fall, die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens, sondern können nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten(DVO-SGB XII § 68) vom 24.1.2001 (BGBl I 179) auch in der bloßen Beratung oder tatsächlichen Unterstützung durch persönliche Betreuung bestehen, die sich nicht in Form eines Verwaltungsakts niederschlagen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 11 SGB XII RdNr 7). Insoweit konkretisiert und erweitert § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 DVO-SGB XII § 68 die Regelung des § 11 Abs 1 und 3 SGB XII. Tatsächliche Feststellungen des LSG zu den Leistungsvoraussetzungen für etwaige Hilfen fehlen jedoch. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger ggf einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterstützung außerhalb eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens hat. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

19

Die Erteilung einer Zusicherung auf Übernahme künftiger (angemessener) Unterkunftskosten ist ein der späteren Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung vorgeschalteter Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X. Dieses Begehren setzt zwar - anders als die Beratung und tatsächliche Unterstützung - zunächst eine Entscheidung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt voraus. Da der Kläger den Antrag auf Zustimmung aber nur hilfsweise gestellt hat, ist eine Entscheidung hierüber auch nur zu treffen, wenn der Hauptantrag erfolglos bleibt. Ggf wird das LSG dann zu prüfen haben, ob die Behörde nicht im Rahmen des Klageverfahrens eine ablehnende Entscheidung getroffen hat, gegen die sich der Kläger rechtzeitig mit einem (konkludenten) Widerspruch gewehrt hat; in diesem Fall wäre der Erlass eines Widerspruchsbescheids abzuwarten (vgl nur Leitherer, aaO, § 78 RdNr 3).

20

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 2009 aufgehoben, soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind die Zahlung zusätzlicher 56,58 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 wegen einer Betriebskostennachforderung in gleicher Höhe für das Jahr 2006 (Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 31.10.2007), 19 Euro monatlich höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 sowie die Beschaffung einer anderen Unterkunft durch die Beklagte bzw die Zusicherung, die Kosten für einen solchen Wohnraum zu übernehmen.

2

Die Beklagte bewilligte dem 1959 geborenen, seit 21.8.2012 unter Betreuung stehenden Kläger nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums (ergänzend) Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 2.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2007). Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde, ist erfolglos geblieben (rechtskräftiger Gerichtsbescheid vom 22.1.2008). Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit von Juni 2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 15.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2007). Die hiergegen erhobene Klage - S 5 SO 2647/07 - ruht (Ruhensbeschluss des SG vom 16.8.2007).

3

Den Antrag des Klägers auf Übernahme einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von 56,58 Euro sowie auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft ab 1.2.2007 (19 Euro monatlich) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 3.12.2007; Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007). Die dagegen erhobene Klage, mit der der Kläger zudem das Ziel verfolgte, die Beklagte zur Beschaffung eines für ihn geeigneten Übergangswohnraums bzw zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für einen solchen Wohnraum zu verurteilen, blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 17.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.6.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitere an der Unangemessenheit der Heizkostenhöhe; die für die Abrechnungsperiode 2006 festgestellten Werte seien mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche Flächenheizbedarf der gesamten Wohnanlage. Mangels Anspruchsgrundlage bestehe auch kein Anspruch auf Bereitstellung eines Übergangswohnraums. Da die Wohnung des Klägers keine derart gravierenden Mängel aufweise, dass ein dortiges Verbleiben unzumutbar wäre, scheitere schließlich ein Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für einen anderen Wohnraum.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 29 Abs 3 SGB XII, wonach Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe zu erbringen seien. Eine Pauschalierung oder die Festlegung eines abstrakten Wertes angemessener Heizkosten pro qm sei nicht zulässig. Zudem beruhe das Urteil des LSG auf Verfahrensfehlern.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1.2.2007 höhere Kosten der Unterkunft zu zahlen und einen geeigneten Übergangswohnraum zu beschaffen, bzw hilfsweise zuzusichern, dass die Kosten für einen solchen Wohnraum übernommen werden.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte eine Beratung oder Unterstützung des Klägers bei seiner Suche nach einer anderen Unterkunft ausdrücklich abgelehnt.

Entscheidungsgründe

9

Soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, ist die Revision des Klägers im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz); im Übrigen ist sie nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007, mit dem die Beklagte eine um 56,58 Euro höhere Leistung - beschränkt auf Kosten für Unterkunft und Heizung - für den Monat November 2007 sowie höhere Kosten der Unterkunft (19 Euro monatlich) ab 1.2.2007 bis 30.6.2008 unter Abänderung der Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.3.2007 und vom 6.7.2007 abgelehnt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), weil sich das Klagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), ggf auch an § 44 SGB X misst(vgl: BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 12; SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 10). Gegenstand des Verfahrens ist daneben eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG, soweit die Verurteilung zur Beschaffung eines geeigneten Übergangswohnraums betroffen ist bzw (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage(§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf eine Zusicherung (Zusage), einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt zu erlassen, die Kosten für einen (anderen) angemessenen Wohnraum zu übernehmen.

11

Das LSG hat, soweit es höhere Leistungen betrifft, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings war die Klage insoweit bereits (insgesamt) unzulässig. Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der streitigen Ansprüche entschieden wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder - wie hier - schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22 mwN).

12

Die Klage gegen den Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 war zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG)unzulässig. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Februar 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde und rechtskräftig mit einem die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 endete. Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 betrifft die als eigenen Streitgegenstand abtrennbaren (vgl BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 12 mwN) Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 sowie um 19 Euro monatlich höhere Leistungen in Abänderung der durch die Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 bewilligten Leistungen ab 1.2.2007 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30.6.2008 (BSGE 99, 131 ff RdNr 10 mwN = SozR 4-3500 § 28 Nr 1). Dieser (ablehnende) Bescheid erging während des laufenden Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07. Als ein die Voraussetzungen von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, ggf auch von § 44 SGB X, ablehnender, vor dem 31.3.2008 ergangener Verwaltungsakt wurde er in erweiternder Anwendung des § 96 SGG aF - bis 31.3.2008 - Gegenstand dieses bereits anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens (vgl zum alten, fortgeltenden Rechtszustand nur BSG, Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage. Hieran ändert auch nichts der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens S 5 SO 1205/07 durch Gerichtsbescheid.

13

Die Sperrwirkung endet zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens (Eintreten der formellen Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 22.1.2008; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4), sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann (Leitherer, aaO, RdNr 7b); sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand (höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.5.2007) zwischen denselben Beteiligten betrifft. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 141 RdNr 6a); dies resultiert aus der Rechtskraft der Entscheidung (§ 105 Abs 1 Satz 3 iVm § 141 SGG).

14

Ob dies auch für die Zeit ab 1.6.2007 zutrifft, kann dahinstehen. Denn insoweit war die Klage in jedem Fall aus anderen Gründen unzulässig. Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 15.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Auch gegen diesen Bescheid, der seinerseits gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 1205/07 geworden war und ebenfalls keine Berücksichtigung durch das SG gefunden hat, ist der Kläger gesondert im Klagewege(S 5 SO 2647/07) vorgegangen. Selbst wenn man eine Ausnahme von der Rechtskraftwirkung zulässt, wenn und weil das SG im Verfahren S 5 SO 1205/07 nicht über die Folgebescheide vom 15.6.2007 und 3.12.2007 entschieden hat (vgl dazu BSG SozR 4100 § 136 Nr 4 S 15),wäre der Bescheid vom 3.12.2007 in Anwendung des § 96 SGG für die Zeit ab 1.6.2007 zuvor schon Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 2647/07 geworden. Das SG hat dieses Verfahren zum Ruhen gebracht, ohne dass es materiellrechtlich und prozessual beendet worden wäre. Dies hat zur Folge, dass sich jedenfalls für die Zeit ab 1.6.2007 weiterhin eine Sperrwirkung für das vorliegende Verfahren ergibt.

15

Eine etwa (während des gesamten Verfahrens) bestehende Prozessunfähigkeit des Klägers, die der Senat im Hinblick auf die vom Amtsgericht während des Revisionsverfahrens angeordnete Betreuung nicht ausschließen kann, rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache, insbesondere keine Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung wegen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung; dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Unzulässigkeit der dritten Klage für die Zeit vom 1.2. bis 31.5.2007 wegen offensichtlicher Haltlosigkeit der Rechtsverfolgung von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG ausnahmsweise abgesehen werden durfte(vgl dazu: BSGE 5, 176, 178 f; Senatsurteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R). Denn selbst wenn die Klage insoweit nicht "offensichtlich" unzulässig war und die Bestellung eines besonderen Vertreters verfahrensfehlerhaft unterblieben wäre, bedurfte es keiner Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht.

16

Zwar führt eine nicht ordnungsgemäße Vertretung zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung, der grundsätzlich keine Bestätigung des angefochtenen Urteils zulässt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN). Von diesem Grundsatz ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn trotz des Verfahrensverstoßes ein Erfolg in der Sache ausgeschlossen ist, weil auch unter Einbeziehung des Revisionsvorbringens die Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann (BSGE 75, 74, 77 mwN = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 45; BSGE 76, 59, 67 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 10; BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 13/08 R; Leitherer, aaO). So liegt der Fall hier, weil die Klage nach oben Gesagtem in jedem Fall unzulässig ist. Ohnedies hat der Kläger bei Fortführung des ruhenden Verfahrens - S 5 SO 2647/07 - auch die prozessuale Möglichkeit, sein materiellrechtliches Begehren für die Zeit ab 1.6.2007 in gleicher Weise wie im vorliegenden Verfahren zu verfolgen, wenn im vorliegenden Verfahren die Klage zulässig wäre. Für die Zeit, die von den Folgebescheiden erfasst wird, bleibt ihm also die Rechtsschutzmöglichkeit erhalten. Für die Zeit vor dem 1.6.2007 hat er sie durch das rechtskräftige Urteil darüber verloren. Da eine Zurückverweisung an das LSG ausnahmsweise ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von dem Kläger gerügten weiteren Verfahrensmängel vorliegen.

17

Soweit es die Beschaffung einer Übergangs- oder anderen Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)nicht abschließend entscheiden, sodass es auch insoweit nicht auf die erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Denkbare Anspruchsgrundlage nach dem SGB XII ist § 67 Satz 1 SGB XII. Danach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Zu den in § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII aufgeführten Maßnahmen gehört auch die Beschaffung einer Wohnung(vgl Trenk-Hinterberger in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 38 RdNr 32 mwN).

18

Die Klage ist insoweit nicht schon unzulässig. Zwar ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG unzulässig, wenn zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und mit einem Verwaltungsakt abzuschließen ist, gegen den im Ablehnungsfalle zunächst Widerspruch eingelegt werden kann(BSG, Urteil vom 24.4.1980 - 1 RJ 2/79; BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1; zur kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 9). Die mit der Wohnungs- bzw Unterkunftssuche in Zusammenhang stehenden Leistungen nach dem SGB XII erfordern allerdings nicht unabhängig von den zu ergreifenden Maßnahmen, also in jedem Fall, die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens, sondern können nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten(DVO-SGB XII § 68) vom 24.1.2001 (BGBl I 179) auch in der bloßen Beratung oder tatsächlichen Unterstützung durch persönliche Betreuung bestehen, die sich nicht in Form eines Verwaltungsakts niederschlagen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 11 SGB XII RdNr 7). Insoweit konkretisiert und erweitert § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 DVO-SGB XII § 68 die Regelung des § 11 Abs 1 und 3 SGB XII. Tatsächliche Feststellungen des LSG zu den Leistungsvoraussetzungen für etwaige Hilfen fehlen jedoch. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger ggf einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterstützung außerhalb eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens hat. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

19

Die Erteilung einer Zusicherung auf Übernahme künftiger (angemessener) Unterkunftskosten ist ein der späteren Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung vorgeschalteter Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X. Dieses Begehren setzt zwar - anders als die Beratung und tatsächliche Unterstützung - zunächst eine Entscheidung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt voraus. Da der Kläger den Antrag auf Zustimmung aber nur hilfsweise gestellt hat, ist eine Entscheidung hierüber auch nur zu treffen, wenn der Hauptantrag erfolglos bleibt. Ggf wird das LSG dann zu prüfen haben, ob die Behörde nicht im Rahmen des Klageverfahrens eine ablehnende Entscheidung getroffen hat, gegen die sich der Kläger rechtzeitig mit einem (konkludenten) Widerspruch gewehrt hat; in diesem Fall wäre der Erlass eines Widerspruchsbescheids abzuwarten (vgl nur Leitherer, aaO, § 78 RdNr 3).

20

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Berufung kann bis zur Rechtskraft des Urteils oder des nach § 153 Abs. 4 oder § 158 Satz 2 ergangenen Beschlusses zurückgenommen werden. Die Zurücknahme nach Schluss der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Berufungsbeklagten voraus.

(2) Die Berufung gilt als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Der Berufungskläger ist in der Aufforderung auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergeben. Das Gericht stellt durch Beschluss fest, dass die Berufung als zurückgenommen gilt.

(3) Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels. Über die Kosten entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluß.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass

1.
durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder
2.
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz.

(2) (weggefallen)

(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.