Bundesgerichtshof Urteil, 16. Aug. 2016 - X ZR 96/14

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:160816UXZR96.14.0
bei uns veröffentlicht am16.08.2016
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 11/12, 24.09.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 96/14 Verkündet am:
16. August 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Yttrium-Aluminium-Granat
Das Berufungsgericht ist nicht gehindert, die vom Erstgericht bejahte Glaubhaftigkeit
der Bekundungen eines Zeugen zu verneinen, wenn konkrete Anhaltspunkte
Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen
Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten
, der Zeuge jedoch verstorben ist oder seine erneute Vernehmung aus anderen
Gründen nicht möglich ist.
BGH, Urteil vom 16. August 2016 - X ZR 96/14 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2016:160816UXZR96.14.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Hoffmann, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 24. September 2014 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 29. Juli 1997 unter Inanspruchnahme
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fünf japanischer Prioritäten aus den Jahren 1996 und 1997 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 936 682 (Streitpatents), das eine lichtaussendende Vorrichtung mit einer lichtemittierenden Diode betrifft. Das Streitpatent ist im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt beschränkt aufrechterhalten worden. In der aufrechterhaltenen Fassung beinhaltet es 13 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache: "A light emitting device, comprising a light emitting component (102) and a phosphor (101) capable of absorbing a part of the light emitted by the light emitting component and emitting light of wavelength different from that of the absorbed light; wherein said light emitting component (102) comprises a GaN based compound semiconductor and said phosphor contains a garnet fluorescent material according to the formula: (Y Gd ) Al O :Ce 1-r r 3 5 12 wherein 0≤r≤1 wherein Al may be at least partially substituted by Ga and/or In, and wherein said light emitting component (102) is a blue light emitting diode (LED), and wherein said phosphor is located in direct or indirect contact with said blue light emitting diode, and wherein a main emission peak of the light emitting diode is set within the range from 400 nm to 530 nm and a main emission wavelength of the phosphor is set to be longer than the main emission peak of the light emitting component." Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
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nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der im Einspruchsverfah- ren aufrechterhaltenen Fassung und mit 15 Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Gegen das Ur3 teil des Patentgerichts richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Sie verteidigt das Streitpatent weiterhin auch mit den in erster Instanz gestellten Hilfsanträgen und in drei abermals geänderten Fassungen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
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I. Das Streitpatent betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung mit einer lichtemittierenden Diode (LED), die in vielerlei Weise zu Beleuchtungszwecken eingesetzt werden kann. Die Vorrichtung enthält ein lichtemittierendes Halbleiterbauteil und einen Leuchtstoff, der in der Lage ist, das von dem lichtemittierenden Bauteil ausgesandte Licht (teilweise) in Licht mit einer anderen Wellenlänge umzuwandeln.
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1. Lichtemittierende Dioden können als energiesparende Lichtquelle für Innen- und Außenbeleuchtungen, für Hintergrundbeleuchtungen oder die Beleuchtung in Anzeigenelementen (Displays) eingesetzt werden. Sie sind, wie in der Patentbeschreibung ausgeführt wird, kompakt und senden Licht einer klaren Farbe mit hohem Wirkungsgrad aus. Weil es sich um Halbleiterbauelemente handelt, brennen sie nicht durch, haben gute Anlaufeigenschaften und weisen eine hohe Rüttelfestigkeit und Beständigkeit gegen wiederholtes Einund Ausschalten auf (Abs. 1, 2). Vor dem Prioritätszeitpunkt seien, so die Patentbeschreibung , Versuche unternommen worden, Quellen weißen Lichts unter Verwendung von lichtemittierenden Dioden herzustellen. Für die Herstellung einer Lichtquelle für weißes Licht müssen drei lichtemittierende Rot-, Grün- und Blau-Komponenten dicht beieinander angeordnet und das von diesen ausgesendete Licht gestreut und gemischt werden. Nachteilig sei, dass für die Ansteuerung der unterschiedlichen Halbleiterchips, die mit unterschiedlichen elektrischen Leistungen betrieben würden und unterschiedliche Spannungen erforderten, die Einrichtung eines aufwendigen Steuerkreises erforderlich sei. Zudem führten Unterschiede im Temperaturverhalten, in der zeitlichen Entwicklung und in der Betriebsumgebung der lichtemittierenden Komponenten ebenso wie Fehler beim gleichförmigen Mischen des von den lichtemittierenden Komponenten ausgesendeten Lichts zu Änderungen im Farbton; weißes Licht des gewünschten Tons habe deshalb nicht erzeugt werden können (Abs. 2, 3). Um diese Probleme zu lösen, habe der Anmelder des Streitpatents be7 reits zu einem früheren Zeitpunkt in mehreren japanischen Offenlegungsschriften , u.a. in der Offenlegungsschrift Hei 5-152609 (Anlage 2 = D2), beschriebene lichtemittierende Dioden entwickelt, die mittels eines mit einem Harz verschmolzenen Fluoreszenzmaterials imstande seien, die Farbe des von den lichtemittierenden Komponenten ausgesendeten Lichts in weißes Licht umzuwandeln. Das Fluoreszenzmaterial absorbiere das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendete blaue Licht, woraufhin gelbes Licht mit einer von der Wellenlänge des absorbierten Lichts abweichenden Wellenlänge (Wellenlängenwandlung ) ausgesendet werde. Bei solchen lichtemittierenden Dioden könne sich indes der Zustand des
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Fluoreszenzmaterials verschlechtern, was zu einer Farbtonabweichung und zu einem Nachdunkeln des Materials führe und eine niedrigere Ausbeute an abgegebenem Licht zur Folge habe. Zu einem beschleunigten Abbau des Fluoreszenzmaterials könne beispielsweise die Benutzung der lichtemittierenden Komponente über einen ausgedehnten Zeitraum führen. Zudem könne das Material durch von der lichtemittierenden Komponente übertragene Wärme, durch Sonnenlicht oder durch Feuchtigkeit, die von außen in die Diode gelange oder wäh- rend des Herstellungsvorgangs hineingeraten sei, beeinträchtigt werden (Abs. 7).
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2. Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe der Erfindung darin, eine lichtaussendende Vorrichtung bereitzustellen, bei der die Intensität, der Wirkungsgrad und die Farbverschiebung des emittierten Lichts nicht oder nur in geringem Umfang abnehmen und die Vorrichtung über einen langen Benutzungszeitraum eine hohe Leuchtdichte aufweist (Abs. 13).
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3. Als Lösung schlägt das Streitpatent eine lichtemittierende Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (die vom Patentgericht angegebenen Merkmale sind in der nachfolgenden Gliederung in einem funktionalen Sinn zusammengefasst ): 1. Die lichtemittierende Vorrichtung enthält
a) ein lichtemittierendes Teil und
b) einen Leuchtstoff (phosphor). 2. Das lichtemittierende Teil (102)
a) ist eine blaues Licht emittierende Diode (LED),
b) die einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von Galliumnitrid (GaN) enthält. 3. Der Leuchtstoff
a) ist in der Lage, einen Teil des von der Diode ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von derjenigen des absorbierten Lichtes unterscheidet,
b) enthält ein Granat-Fluoreszenzmaterial der Formel (Y Gd ) Al O :Ce 1-r r 3 5 12 (Zer-aktiviertes Yttrium-Aluminium-Granat) mit 0≤r≤1, wobei Aluminium (Al) mindestens teilweise durch Gadolinium (Ga) oder Indium (In) ersetzt sein kann, und
c) befindet sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der Diode. 4. Ein Hauptemissionspeak der Diode liegt innerhalb des Bereichs von 400 bis 530 nm. 5. Eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs ist länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittierenden Teils.
4. Mit diesen Merkmalen stellt sich für den Fachmann - den das Pa11 tentgericht rechtsfehlerfrei als Diplomphysiker auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie oder als Chemiker auf dem Gebiet der physikalischen Chemie angesehen hat, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von Halbleiterleuchtdioden verfügt und speziell mit der Entwicklung weißer Leuchtdioden betraut ist - der Gegenstand des Anspruchs 1 wie folgt dar: Die lichtemittierende Vorrichtung enthält einen Verbindungshalbleiter auf
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der Grundlage von Galliumnitrid in Gestalt einer blaues Licht emittierenden Diode. In direktem oder indirektem Kontakt zu der Diode steht der Leuchtstoff, der in der Lage ist, einen Teil des von der Diode ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichts unterscheidet. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, bedeutet direkter Kontakt, dass der Leuchtstoff angrenzend zu der lichtemittierenden Diode angeordnet ist. Indirekter Kontakt ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass der Leuchtstoff in der Nähe der Diode, aber nicht an sie angrenzend angeordnet ist (arranged adjacent to or in the vicinity of the light emitting components, Beschr. Abs. 76, Übers. Abs. 73). Der Hauptemissionspeak (main emission peak), d.h. der Höchstwert der Lichtabstrahlung der Diode, liegt in einem Bereich relativ kurzer Wellenlänge von 400 bis 530 nm im Bereich des sichtbaren Lichts (Abs. 25, Übers. Abs. 23). Der Leuchtstoff enthält als Fluoreszenzmaterial ein mit dem Element Zer (Ce), einem Metall aus der Gruppe der Seltenen Erden, aktiviertes Yttrium-Aluminium-Granat nach der in Anspruch 1 genannten Formel, das das von der lichtemittierenden Diode ausgesandte Licht teilweise absorbiert und Licht mit größerer Wellenlänge (ins- besondere gelbes Licht) abgibt. Die additive Mischung der Lichtemissionen im blauen und gelben Lichtspektrum ergibt weißes Licht.
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II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand des Streitpatents sei aufgrund offenkundiger Vorbenutzung nicht patentfähig. Es könne offenbleiben, ob es sich bei den von der W.
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GmbH im Jahr 1995 an vier Unternehmen gelieferten LED, wie von der Klägerin behauptet, um weiße LED mit Blaulicht-Chip aus Galliumnitrid oder Siliziumkarbid als Halbleitermaterial und dem Leuchtstoff Yttrium-AluminiumGranat gehandelt habe. Jedenfalls offenbare das Datenblatt "White-News (COB-Technologie) 02/1995" (Anlage 1.6) der W. GmbH eine lichtemittierende Vorrichtung nach Patentanspruch 1 in neuheitsschädlicher Weise. Das Datenblatt (Anlage 1.12, stimmt mit Anlage 1.6 überein) sei durch Übersendung als Anlage eines Schreibens an die B. GmbH vom 28. September 1995 (Anlage 1.11) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Beide Schriftstücke habe der B. -Mitarbeiter S. zusammen mit verschiedenen Mustern erhalten und abgezeichnet. Die dementsprechenden Angaben des Zeugen S. bestätigten der Zeuge W. , dessen Aussage in dieser Hinsicht zu folgen sei, sowie die Zeugen Bä. und M. . Mit der Übergabe des Datenblatts sei die patentgemäße Lehre einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gemacht worden; Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geheimhaltungsverpflichtung bestünden nicht.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
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1. Nach § 117 Satz 1 PatG i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der ent- scheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten. Letzteres ist hier der Fall.
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a) Konkrete Anhaltspunkte für derartige Zweifel bestehen dann, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Sie können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, dem Vortrag der Parteien, Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind, oder sonst aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254 Rn. 16 mwN; vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/6036, S. 129; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 529 Rn. 3). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit einer durch Beweisaufnahme gewonnenen Tatsachengrundlage können vor allem aus einer fehlerhaften, insbesondere widersprüchlichen, oder gänzlich fehlenden Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder der Glaubhaftigkeit seiner Aussage durch das Erstgericht folgen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98, VersR 2000, 227, 228; Urteil vom 3. Juni 2014 - VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797 Rn. 16).
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b) Wie die Berufung zu Recht rügt, bestehen im Streitfall konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachengrundlage sowohl hinsichtlich des Inhalts des Datenblatts (Anlagen 1.6/1.12), auf das sich das Patentgericht bei seiner Beurteilung der Patentfähigkeit der Erfindung maßgeblich gestützt hat, als auch in Bezug auf die Einschätzung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. hierzu und die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit.
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aa) Das Patentgericht hat die Überzeugung gewonnen, dass jedenfalls dem B. -Mitarbeiter S. mit dem Schreiben vom 28. September 1995 das Werbeblatt "White-News (COB-Technologie) 02/1995" mit dem die Lehre des Streitpatents offenbarenden Text übergeben worden sei. Es stützt sich hierfür auf die Bekundung des Zeugen S. , er habe im Zusammenhang mit dem Schreiben verschiedene Muster eines mit LED bestückten Lichtschachtelements erhalten. Er könne aus technischer Sicht zu den LED keine Aussage machen, jedoch bestätigen, dass er Schreiben und Datenblatt erhalten und abgezeichnet habe. Von beiden Unterlagen sei eine Kopie gefertigt worden , die bei B. verblieben, jetzt jedoch nicht mehr auffindbar sei. Bestätigt werde die Aussage S. durch die Aussage des Zeugen W. . Auch wenn man davon ausgehe, dass die Bekundungen des Zeugen W. , er habe bereits Anfang 1995 über Galliumnidrid-Chips (von dem Hersteller C. oder aus anderer Quelle) verfügt und das Datenblatt des Herstellers O. zu dem Leuchtstoff L175 (Anlage 1.2) am 9. Februar 1995 erhalten, was er mit einem entsprechenden, mit seiner Unterschrift versehenen handschriftlichen Vermerk auf dem Datenblatt festgehalten habe, möglicherweise nicht den Tatsachen entsprächen, folge es - das Patentgericht - doch der Aussage des Zeugen W. insoweit, als er den Erhalt des Leuchtstoffs L175 von O. zur Umwandlung des blauen LED-Lichts in weißes Licht im Februar 1995 und nachfolgend hiermit durchgeführte Versuche bekundet habe. Dieser Ablauf werde auch durch die Aussage des damaligen W. -Produktionsleiters, des Zeugen Bä. , das von dem Zeugen R. unterschriebene Schreiben des W. -Kunden R. GmbH vom 2. Juni 1995 (Anlage 1.3) sowie die Aussage des wie R. an den von W. angebotenen LED interessierten Zeugen M. bestätigt.
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bb) Diese Würdigung leidet daran, dass das Patentgericht nicht erwogen hat, was die Zweifel an der Richtigkeit von zwei zentralen Bestandteilen der Aussage W. , die es gehegt hat, für die Glaubhaftigkeit dessen weiterer Bekundungen und zugleich für die Aussagekraft der Bekundungen der Zeugen Bä. , R. und M. bedeuteten.
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(1) Aus der vom Patentgericht für glaubhaft angesehenen Aussage des damals für O. tätigen Zeugen Dr. Ot. ergibt sich, dass der Zeuge W. das Datenblatt zum Leuchtstoff L175 nicht am 9. Februar 1995 erhalten haben kann, weil es von einem neu eingestellten O. -Mitarbeiter erstellt wurde und nicht vor Anfang 1996 zur Verfügung stand. Das Patentgericht hat ferner bezweifelt, dass der Zeuge W. im Februar 1995 über eine Bezugsquelle für blaue Galliumnitrid-Chips verfügte. Damit ist es aber nicht vereinbar, wenn das Patentgericht gleichwohl die Aussage des Zeugen W. für glaubhaft hält, er habe im Februar 1995 von O. den Leuchtstoff L175 erhalten und anschließend damit experimentiert. Denn der Zeuge W. hat ausdrücklich bekundet, er habe das Produkt L175 in einer Flasche zusammen mit dem Datenblatt erhalten und den Wareneingang auf dem Datenblatt quittiert, wie er oftmals Eingänge abgezeichnet habe. Außerdem können die Versuche nicht mit Galliumnitrid-Chips stattgefunden haben, wenn solche W. gar nicht zur Verfügung standen.
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(2) Die Aussage des Zeugen S. kann diesen Mangel nicht beheben. Denn sie basiert, was das Patentgericht nicht beachtet hat, im entscheidenden Punkt auf der bloßen Annahme, dass das Datenblatt "White-News (COB-Technologie) 02/1995", das dem Zeugen S. übergeben worden sein soll, tatsächlich, wie von dem Zeugen W. bekundet, vom Februar 1995 stammt. Das Datenblatt enthält den Hinweis auf die mögliche Herstellung von weißem LED-Licht aus einem blauen Chip aus Galliumnitrid und dem Leuchtstoff L175 (Yttrium-Aluminat) von O. . Die Formulierung des auf dem Datenblatt angebrachten Hinweises ("NEU: weißes LED Licht, Gemisch aus Epoxy oder Silicon und Yttriumaluminat: Ce=CY3Al5O12:Ce=L175 von O. über und um das blaue Chip aus GaN zum Weiß") vermittelt die Information, dass im Februar 1995 Galliumnitrid-Halbleiterchips und der Leuchtstoff L175 von O. für die W. GmbH verfügbar gewesen sind.
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Der Zeuge S. hat weder das Datenblatt noch das Anschreiben und auch keine Kopie dieser Unterlagen aufgefunden; der Zeuge W. hat bekundet, beide Unterlagen wieder mitgenommen zu haben. Bei dieser Sachlage kann die annähernd 20 Jahre später abgegebene Erklärung des mit Einzelheiten der LED-Technik nicht vertrauten Zeugen S. , er könne den Erhalt von Schreiben und Datenblatt bestätigen, nur auf dem bloßen Vertrauen des Zeugen beruhen, dass ihm im Juni 1995 tatsächlich die Dokumente so übergeben worden sind, wie sie sich nunmehr als Anlagen bei den Akten befinden.
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(3) Nichts anderes gilt für die Aussagen der übrigen, in der Würdigung des Patentgerichts herangezogenen Zeugen. Der Zeuge Bä. hat zwar Versuche im Jahr 1995 bestätigt. Er hat jedoch von Versuchen mit blauen, relativ hohen würfelförmigen Chips des Herstellers C. gesprochen, bei denen es sich nach seiner Einschätzung um Silizium-Karbid-Chips gehandelt hat. Das stimmt insofern mit der Aussage des Zeugen W. überein, als dieser auf den Vorhalt , C. habe erst ab Juni 1995 Galliumnitrid-Chips vertrieben, erklärt hat, von C. nur Silizium-Karbid-Chips bezogen zu haben. Die Galliumnitrid-HalbleiterChips , mit denen er nach Februar 1995 seine Arbeit fortgesetzt habe, habe er hingegen von der Beklagten oder von A. bezogen. Für Versuche mit Galliumnitrid ist die Aussage Bä. mithin unergiebig. Entsprechendes gilt für die Aussagen der Zeugen R. und M. . Der Zeuge R. war kein Fachmann und hatte an das Schreiben vom 2. Juni 1995 keine konkrete Erinnerung ; ähnlich verhält es sich mit der Aussage des Zeugen M. .
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cc) Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen ergeben sich schließlich daraus, dass das Patentgericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen W. nicht geprüft hat. Nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 395 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind einem Zeugen erforderlichenfalls Fragen über solche Umstände zu stellen, die seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache, insbesondere seine Beziehungen zu den Parteien, betreffen. Im Streitfall ist der ZeugeW.
zwar zu seinen Geschäftsbeziehungen zur Klägerin und anderen Unternehmen befragt worden (Sitzungsniederschrift vom 13. Februar 2014, S. 5 und 6); er hat angegeben, zwischen ihm und der Klägerin bestünden seit längerer Zeit Geschäftsbeziehungen, insbesondere ein Beratervertrag bis zum Jahr 2015. Das Patentgericht hat jedoch weder diese Angaben, die im Urteil nicht erwähnt werden, noch seine Zweifel an der Richtigkeit zentraler Aussagen des Zeugen W. zum Anlass genommen, sich mit seiner Glaubwürdigkeit zu befassen.
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2. Der Senat vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Gegenstand des Streitpatents durch Übergabe des Datenblatts "White-News (COB-Technologie) 02/1995" an den Zeugen S. und einen anderen Dritten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit offenkundig vorbenutzt worden ist.
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a) Eine erneute Vernehmung des Zeugen W. ist nicht möglich, da der Zeuge verstorben ist. Seine entscheidungserheblichen Bekundungen vor dem Patentgericht sind aus den dargelegten Gründen nicht glaubhaft. Die Erwägungen der Berufungsbeklagten, es sei nicht auszuschließen, dass W. blaue Galliumnitrid-Chips von C. erhalten habe, der Zeuge könne den Vermerk über den Erhalt des L175-Datenblatts erst später auf das Datenblatt geschrieben und dabei das im Februar 1995 tatsächlich erhaltene Datenblatt mit demjenigen einer späteren Lieferung verwechselt haben, und die Angabe 02/1995 auf dem Datenblatt "White-News (COB-Technologie) 02/1995" dürfe nicht überbewertet werden, da der Zeuge W. wohl "den Mund zu voll genommen habe", sind rein spekulativ und finden keine Grundlage in den Bekundungen des Zeugen. Im Übrigen hat der Zeuge Dr. Ot. das ihm gezeigte L175Datenblatt (Anlage 1.2) als "nicht vollständig" bezeichnet, da die Fußzeile mit dem - 1995 noch nicht vergebenen - "DQS-Zeichen" und die Datumsbezeichnung 9/96 fehlten.
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b) Die Aussagen der Zeugen S. , R. , M. und Bä. allein können zur Klärung der Frage, ob dem Zeugen S. oder einem anderen Dritten im September 1995 ein Datenblatt mit dem Inhalt des als Anlage 1.6/1.12 vorgelegten zugänglich gemacht worden ist, aus den dargelegten Gründen nichts Wesentliches beitragen.
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c) Entgegen der Auffassung der Berufungsbeklagten ist der Senat nicht gehindert, die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. anders als das Patentgericht zu beurteilen. Zwar dürfte dies, könnte der Zeuge erneut vernommen werden, nicht ohne eine solche erneute Vernehmung geschehen (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269 Rn. 13; Urteil vom 21. Dezember 2010 - X ZR 122/07, NJW 2011, 989 Rn. 45; Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 17; Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5, 6). Dies bedeutet aber nicht, dass der Senat, wie die Klägerin meint, an die Beurteilung des Patentgerichts gebunden wäre. Denn dessen Feststellungen sind aus den dargelegten Gründen fehlerhaft und daher für das Berufungsgericht nicht bindend. Da der Zeuge verstorben ist, kann der Senat seine Feststellungen zu der behaupteten Vorbenutzung insoweit nur auf die Niederschrift der erstinstanzlichen Vernehmung des Zeugen stützen und muss diese in eigener Verantwortung daraufhin überprüfen, ob sie ihm die Überzeugung von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung der Klägerin zu vermitteln vermag. Aus den dargelegten Gründen ist der Senat von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen der Klägerin nicht überzeugt. Die hieraus sich ergebende Unaufklärbarkeit wirkt sich zulasten der Klägerin aus, die die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrunds und damit auch für die Nichterweislichkeit von Tatsachenbehauptungen trägt, die im Rahmen einer offenkundigen Vorbenutzung unter Zeugenbeweis gestellt sind (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1983 - X ZR 45/82, GRUR 1984, 339 Rn. 13 - Überlappungsnaht; Urteil vom 10. November 1998 - X ZR 137/94, Mitt. 1999, 362 Rn. 40 - Herzklappenprothese ; Urteil vom 15. März 2001 - X ZR 155/98, Mitt. 2001, 1070 Rn. 40 - Schalungselement; Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 76/13, GRUR 2015, 472 Rn. 43 - Stabilisierung der Wasserqualität).
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IV. Die Entscheidung des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG).
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1. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da dies sachdienlich ist (§ 119 Abs. 5 Satz 1 PatG). Das Patentgericht hat die Nichtigerklärung des Streitpatents auf die of32 fenkundige Vorbenutzung gestützt. Darüber hinaus hat es die Patentfähigkeit gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik überprüft und hierzu eine fachkundige Stellungnahme abgegeben. Dem Senat steht dadurch eine ausreichende Grundlage zur Verfügung, um die Patentfähigkeit insgesamt zu beurteilen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung durch den Senat sachdienlich, da nach einer Zurückverweisung zusätzliche Feststellungen durch das Patentgericht aufgrund der bereits vorliegenden Erörterung des Standes der Technik nicht zu erwarten sind und sich auf diese Weise das Verfahren schneller und für die Parteien kostengünstiger erledigen lässt.
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2. Das Patentgericht hat ausgeführt, unabhängig von dem Inhalt des Datenblatts (Anlage 1.6) sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 und der Hilfsanträge Ia bis Ic durch die japanische Offenlegungsschrift Hei 5-152609 (D2) in Verbindung mit der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 209 942 (Anlage 17 = D17) nahegelegt, und dies wie folgt begründet: Die Entgegenhaltung D2 beschreibe eine lichtemittierende Vorrichtung,
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die mit Ausnahme der ausdrücklichen Angabe des Leuchtstoffs sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweise. Insbesondere lehre die D2, einen GaN-LED-Chip in ein Kunstharz einzuhüllen, das zur Wellenlängenkonversion des von dem GaN-LED-Chip ausgestrahlten Lichts mit einem fluoreszierenden Leuchtstoff versehen sei. Je nach Art des eingesetzten Leuchtstoffs sei es, so die D2, möglich, Licht verschiedener Wellenlängen bereitzustellen und die blau-violette Farbe des GaN-LED-Chips in Richtung Blau zu korrigieren. Angesichts des Umstands, dass sich mit fluoreszierendem Leuchtstoff in effizienter Weise Licht kürzerer Wellenlänge in Licht höherer Wellenlänge umwandeln lasse, genüge eine sehr kleine in das Kunstharz eingebrachte Menge des Leuchtstoffs, wodurch eine Leuchtstärkereduzierung vermieden werden könne. Der Fachmann erhalte somit aus der D2 den allgemeinen Hinweis, den Leuchtstoff entsprechend der gewünschten Farbe der bereitzustellenden Lichtdiode zu wählen sowie die Anregung, nach einem Leuchtstoff zu suchen, mit dem sich durch additive Farbmischung mit dem blau-violetten Licht des GaN-LED-Chips weißes Licht bereitstellen lasse. Auf der Suche nach geeigneten Leuchtstoffen informiere sich der Fach35 mann auch auf dem ihm bekannten Gebiet der quecksilberdampfhaltigen Leuchtstofflampen, da zum einen das Emissionsspektrum des Quecksilberdampfes ähnlich wie das des in D2 beschriebenen Blaulicht-LED-Chips im UVbzw. blau-violetten Bereich (365 nm, 405 nm, 436 nm) liege und zum anderen Leuchtstofflampen ebenfalls nach dem Prinzip der Wellenlängenkonversion arbeiteten , indem mittels auf den Glaskolben aufgebrachter Leuchtstoffe die vom innerhalb der Lampe befindlichen Quecksilbergas emittierte Strahlung in sichtbares , insbesondere weißes Licht umgewandelt werde. Aus der Druckschrift D17 sei dem Fachmann eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe in Gestalt einer kompakten Energiesparlampe bekannt. Die Schrift schlage zur Reduzierung der unerwünscht hohen Farbtemperatur aufgrund des durch die kompakte Bauweise bedingten hohen Blaulichtanteils der Quecksilberemission vor, auf die Innenseite des Glaskolbens zusätzlich ein fluoreszierendes GranatMaterial entsprechend der Formel (Y1-rGdr)3Al5O12:Ce mit 0≤r≤1 aufzubringen, wobei in dem Granat-Material Aluminium mindestens teilweise durch Gallium ersetzt sein könne (Sp. 1, Z. 16 bis Sp. 4, Z. 15). Dieses Material bezeichne die Schrift als bekannten Leuchtstoff, der neben UV-Strahlung auch Strahlung im Bereich von 400 bis 480 nm (violett, blau) absorbiere und in eine breitbandige Luminiszenzstrahlung mit einem Maximum bei 560 nm (gelb) konvertiere. Der Fachmann erhalte sonach die Lehre, dass sich mit einem Leuchtstoff auf der Basis eines mit Zer dotierten Yttrium-Aluminium-Granats Licht im UV-, violetten und blauen Bereich in effizienter Weise in gelbes Licht umwandeln lasse. Mit diesem Leuchtstoff sei eine gute Farbwiedergabe möglich. Er eigne sich auch für energetisch stärker belastete Kompaktleuchtstofflampen, die aus dem blauen Licht der Quecksilberdampfentladung sichtbares Licht erzeugten. Aufgrund dieser Vorteile werde der Fachmann ausgehend von D2 die Entgegenhaltung D17 in Betracht ziehen und das dort beschriebene fluoreszierende GranatMaterial zum gleichen Zweck, nämlich zur Farbwandlung und Farbmischung bei der aus D2 bekannten Leuchtdiode, einsetzen. Die in Leuchtstoffröhren verwendeten Leuchtstoffe seien hinsichtlich ihrer für die Lichtumwandlung und Beleuchtungstechnik maßgeblichen Eigenschaften im Detail erforscht und dem Fachmann bekannt, so dass dieser durch einfache Versuche und durch Vergleich der dokumentierten Eigenschaften die geeigneten Leuchtstoffe auffinde. Schließlich belege auch die US-amerikanische Patentschrift 3 699 478 (Anlage 3 = D3) die Kenntnis des Fachmanns, das blaue Licht einer monochromatischen Lichtquelle mittels eines Leuchtstoffs aus Yttrium-(Gadolinium)- Aluminium-(Gallium)-Granat mit Zer-Beigabe in weißes Licht umzuwandeln.
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3. Dieser Einschätzung der Patentfähigkeit kann der Senat nicht beitreten.
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a) Die Entgegenhaltung D2 betrifft eine Leuchtdiode, die von höherer Helligkeit und imstande sein soll, unter Verwendung einer einzigen Art von Lichtemissionselementen viele Arten von Licht zu emittieren. Die Leuchtdiode ist so gestaltet, dass ein Lichtemissionselement aus einem Verbindungshalbleiter auf der Basis von Galliumnitrid gebildet und in ein Kunstharz eingehüllt ist. Das Kunstharz ist zur Wellenlängenkonversion des von dem GaN-LED-Chip ausgestrahlten Lichts mit einem fluoreszierenden Leuchtstoff versehen (D2 Abs. 7). Zu der konkreten Zusammensetzung des Leuchtstoffs enthält D2 keine Angaben und auch keine Ausführungsbeispiele.
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b) Die Entgegenhaltung D17 beschreibt eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe , die, häufig auch als Ersatz für Glühlampen, für allgemeine Beleuchtungszwecke eingesetzt wird. Die beschriebene Lampe enthalte einen rotleuchtenden (Emission 590-630 nm), einen grünleuchtenden (Emission 520-565 nm) und einen blauleuchtenden (Emission 430-490 nm) Stoff. Bei einer bestimmten Farbtemperatur sende die Lampe weißes Licht aus, wobei sie häufig keinen blauleuchtenden Stoff mehr enthalten müsse, da die erforderliche Strahlung im blauen Spektralbereich von der blauen Quecksilberstrahlung herrühre. Dreibandleuchtstofflampen, die als Ersatz für Glühlampen dienten, seien im Allgemeinen äußerst kompakt aufgebaut. Durch die kompakte Form werde die in den Lampen enthaltene Leuchtstoffschicht hoch belastet. Wegen der starken blauen Quecksilberstrahlung könnten die Lampen nicht im häufig gewünschten Farbtemperaturbereich von etwa 2000 bis 2700 K verwendet werden (D17, Sp. 1, Z. 16 bis Sp. 2, Z. 53). Ziel der Erfindung sei deshalb, Mittel zum Verschieben des Farbpunktes hochbelasteter Dreibandleuchtstofflampen anzugeben und die Farbtemperatur zu verringern, wobei die gute allgemeine Farbwiedergabe und der hohe relative Lichtstrom nahezu beibehalten werden sollen (Sp. 3, Z. 1 bis 7). Zur Lösung des Problems schlägt D17 vor, die Lampe mit einer Absorptionsschicht zu versehen, die ein leuchtendes, mit dreiwertigem Zer aktiviertes Aluminat mit Granatkristallstruktur enthält. Dies führe zu einer Verschiebung des Farbpunkts der von der Lampe ausgesandten Strahlung und ermögliche eine Verringerung der Farbtemperatur der Lampe (Sp. 3, Z. 14 bis 26). Das leuchtende Aluminat mit Granatstruktur könne unter anderem die Elemente Yttrium (vorzugsweise) oder Gadolinium enthalten (Sp. 3, Z. 46 bis 51). Die Entgegenhaltung offenbart sonach den im Streitpatent angegebenen Leuchtstoff.
39
c) Die Entgegenhaltung D3 betrifft ein Projektionsanzeigesystem, bei dem mit Hilfe eines Lasers, der blaues Licht aussendet und einen Bildschirm zum Leuchten anregt, der mit einem Leuchtstoff aus mit Zer dotiertem YttriumAluminium -Granat beschichtet ist, um Schwarz-Weiß-Bilder darzustellen. Damit soll vermieden werden, dass unter Verwendung eines Argon-Ionen-Lasers erzeugte Bilder blau und schwarz werden und aufgrund von periodischer Verstärkung des gestreuten Strahls ein fleckiges Bild entsteht (Sp. 1, Z. 17 bis 24). Der charakteristische sichtbare Gelbton der Emissionen des Zer-dotierten YttriumAluminium -Granats wird dabei so abgestimmt, dass er durch absichtliche Reflexion eines Teils der Laseremissionen nahezu weiß erscheint (Sp. 1, Z. 39 bis

42).

40
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand für den Fachmann kein Anlass, ausgehend von der D2 den in D17 und in D3 genannten Leuchtstoff heranzuziehen.
41
aa) Eine konkrete Anregung hierzu gibt die D2 nicht. Die Entgegenhaltung vermittelt dem Fachmann die grundsätzliche Erkenntnis, dass eine GaNbasierte LED in Kombination mit einem in einer Harzschmelze eingehüllten Leuchtstoff (fluorescent dye) geeignet ist, unterschiedliche Lichtfarben mit nur einem LED-Chip als Lichtemitter zu erzeugen. Einen Hinweis auf einen bestimmten Leuchtstoff und seine Eignung für diesen Zweck begründenden Eigenschaften enthält die D2 nicht. Der Schrift ist weder zu entnehmen, dass es einen solchen Leuchtstoff überhaupt gibt, noch in welche Richtung sinnvollerweise gesucht werden sollte. Dass ein fluoreszierender Stoff Licht absorbieren und mit einer anderen Wellenlänge wieder abstrahlen kann, wusste der Fachmann ohnehin ebenso, wie ihm die Möglichkeiten der Erzeugung weißen Lichts durch Farbmischung bekannt waren.
42
bb) Das Patentgericht stellt fest, dass es große Unterschiede bei den Anforderungen an Leuchtstoffe für LED einerseits und Leuchtstoffröhren andererseits gebe. Der Parteigutachter der Beklagten, Prof. Dr. Me. , hat dies in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten (Anlage BR23) näher ausgeführt und dargelegt, dass neben dem Erfordernis der effizienten Umwandlung in Licht anderer Wellenlänge auf Langzeitstabilität bei sehr hoher Anregungsdichte aufgrund der geringen Größe und hohen Intensität des LED-Chips, hohe Temperaturbeständigkeit des Materials und der Leuchtstärke aufgrund der hohen Temperaturen des Leuchtstoffs unter Betriebsbedingungen (am Prioritätstag etwa 100° C, heute sogar bis zum Doppelten), geringe thermische Verschiebung des Emissionsmaximums zur Vermeidung von Farbveränderungen bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen, kurze Emissionsdauer zur Vermeidung von Sättigungseffekten bei Hochleistungsanregung sowie auf chemische Stabilität, etwa gegenüber Feuchtediffusion in das Verpackungsharz, zu achten gewesen sei.
43
cc) Das Patentgericht stellt ferner fest, dass für eine blaue Diode im blauen Emissionsspektrum (etwa 430 nm) anregbarer Leuchtstoff benötigt wurde , während die Quecksilberlichtemission nur zu ca. 5 % im sichtbaren, im Wesentlichen aber im UV-Bereich erfolgt. Dabei wird der Großteil der UV-Strahlung bei 254 nm und ein kleiner Teil bei 185 nm emittiert, weswegen die verwendeten Leuchtstoffe auf eine Anregungswellenlänge von 254 nm optimiert sind.
44
dd) Diese Überlegungen führen den Fachmann jedoch nicht ohne erfinderisches Zutun zu der Anwendung des in D17 oder D3 genannten Leuchtstoffs. Es mag zutreffen, dass sich aus den Feststellungen des Patentgerichts nicht der Schluss ziehen lässt, der Fachmann werde auf der Suche nach im Blauen anregbaren Leuchtstoffen für LED keine Leuchtstoffe für Leuchtstoffröhren berücksichtigen, da Leuchtstoffröhren und weiße LED auf das gleiche Wirkprinzip der Lichtkonversion und Farbmischung zurückgreifen und die in Leuchtstoffröhren verwendeten Leuchtstoffe hinsichtlich ihrer maßgeblichen Eigenschaften gut erforscht und dokumentiert waren. Dass der Fachmann Anlass hatte, Leuchtstoffe für Leuchtstoffröhren zu berücksichtigen und dass dies fachüblichem Vorgehen entsprochen haben mag, rechtfertigt jedoch noch nicht die Schlussfolgerung, ein bestimmter dieser Leuchtstoffe habe zur Bereitstellung einer weißes Licht abstrahlenden Vorrichtung auf LED-Basis nahegelegen. Denn allein die Bekanntheit eines Stoffs und seiner Eigenschaften reichen nicht aus, um seine Verwendung in einem dem ursprünglichen Einsatzgebiet verwandten Bereich nahezulegen. Maßgeblich ist, ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff, oder, wie hier, in einer bekannten Vorrichtung anzuwenden. Dabei kann von Bedeutung sein, ob sich aus diesen Maßnahmen eine angemessene Erfolgserwartung für die Lösung des sich stellenden technischen Problems ergab (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 Rn. 38 ff. - Escitalopram; Urteil vom 15. Mai 2012 - X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 Rn. 46 - Calcipotriol-Monohydrat mwN).
45
ee) Diese Vorgaben sind im Streitfall nicht erfüllt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass wegen der bekannten Eigenschaften der Leuchtstoffe für Leuchtstoffröhren die Eignung eines bestimmten dieser Stoffe "durch einfache Versuche" bzw. durch den "Vergleich der dokumentierten Eigenschaften der Leuchtstoffe" herauszufinden gewesen sei. Denn die dokumentierten Eigenschaften der Leuchtstoffe konnten über die Erfüllung der LEDspezifischen Anforderungen nicht oder allenfalls begrenzt Auskunft geben, und die Versuche mussten das Langzeitverhalten der LED-Leuchtstoffkombination erfassen und waren damit vielleicht einfach, aber jedenfalls nicht unaufwendig.
46
ff) Es kommt hinzu, dass die D2 - aus den zu aa dargelegten Gründen - nicht die Annahme rechtfertigt, der Fachmann sei auf den Ansatz festgelegt gewesen, weißes Licht mittels einer blauen Diode und einem das blaue Licht teilweise in gelbes konvertierenden Leuchtstoff zu erhalten. Dazu vermittelt die D2 zu wenig belastbare Erkenntnisse darüber, ob überhaupt ohne weiteres ein Leuchtstoff auffindbar sein würde, mit dem eine solche Lichtkonversion und Farbmischung zuverlässig und langzeitstabil realisiert werden konnte.
47
gg) Angesichts dessen liegen für eine Anregung, Zer-aktiviertes Yttrium -Aluminium-Granat als Leuchtstoff zu verwenden, um mittels einer Galliumnitrid -LED eine weißes Licht ausstrahlende Vorrichtung bereitzustellen, nicht genügend Anhaltspunkte vor.
48
(1) Der Fachmann mag, wie der Parteigutachter der Klägerin, Prof. Dr. N. , in seinem Gutachten (Anlage E7, S. 11, 3. bis 6. Absatz ) ausführt, der D2 entnehmen können, dass eine Galliumnitrid-LED mit einer Hauptemission bei 430 nm, wie sie in der Entgegenhaltung beschrieben ist, geeignet sein könnte, eine effiziente Farbkonversion mit einem Leuchtstoff zu erreichen, der im kurzwelligeren sichtbaren Bereich absorbiert und im längerwelligen sichtbaren Bereich emittiert. Dem Fachmann mag auch klar gewesen sein, dass zur Erzeugung einer hohen Lichtausbeute eine additive Farbmischung grundsätzlich günstiger als eine subtraktive Farbmischung erscheinen musste, und er konnte infolgedessen aufgrund seiner Kenntnis der Farbmetrik die Möglichkeiten der Weißlichterzeugung durch additive Kombination von Komplementärfarben erwägen. Daraus ergibt sich jedoch weder ein notwendiger Fokus auf die D2 als Ausgangspunkt noch ein Hinweis auf YttriumAluminium -Granat als Leuchtstoff für eine Galliumnitrid-LED.
49
(2) Dass Yttrium-Aluminium-Granat in den Entgegenhaltungen D17 und D3 verwendet wird, ist angesichts der unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Anwendungen von Leuchtstoffen nicht ausreichend, um zu einer dieser Entgegenhaltungen eine Verbindung herzustellen.
50
(a) Wie die Beklagte unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Parteigutachters Me. (B23 S. 3 f. [Ü B23a S. 3 bis 5]) dargelegt hat, erfolgt in Bildröhren die (intermittierende, nicht dauerhafte) Anregung des Leuchtstoffs durch hochenergetische Elektronenstrahlen, die Betriebstemperatur liegt in der Nähe der Raumtemperatur (< 50°C), die Vakuumröhre schützt vor Feuchtigkeit. Bei Quecksilberdampf-Niederdrucklampen (D17) bedarf es einer effizienten Anregung durch UV-Quecksilberlinien bei einer geringen UV-Anregungsdichte aufgrund des im Vergleich zur LED größeren Entladungsraums, liegen die Betriebstemperaturen wegen der großen Wärmeableitungsfläche typischerweise um 50°C, bedarf es einer chemischen Stabilität gegenüber Reaktionen mit Quecksilbergas und schützt die versiegelte Glasröhre vor Feuchtigkeit. Die Bedingungen für Röntgenleuchtstoffe hängen von der jeweiligen Bildgebungstechnik ab und verlangen eine hohe Dichte zur effizienten Röntgenstrahlabsorption, eine hocheffiziente Umwandlung von Röntgen- in sichtbare Photonen, kein Nachleuchten, eine Betriebstemperatur unter 50°C, eine kurze Leuchtdauer und Strahlungsbeständigkeit. Die Betriebsbedingungen für Schwarz-Weiß-Laserprojektionsdisplays (D3), die sich, so der Gutachter Me. , nicht zu einem erfolgreichen Marktprodukt entwickelt haben, bestehen unter anderem in einer Anregung durch eine blaue Laserlichtquelle bei 488 nm, einer nicht dauerhaften , sondern intermittierenden Anregung durch einen Laserstrahl und einer niedrigen Betriebstemperatur; strikte Anforderungen an die Langzeitstabilität bestehen nicht.
51
(b) Diese Ausführungen sind im Wesentlichen unwidersprochen. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gehaltene Vortrag, der Fachmann hätte sich wegen der hohen Anforderungen an die Durabilität des Leuchtstoffs einem belastbaren Leuchtstoffmaterial mit Granatstruktur zugewandt, ändert hieran nichts. Die Klägerin hat weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, dass der Fokus des Fachmanns bei der Bestimmung der Auswahlkriterien für den Leuchtstoff auf dessen Durabilität gelegen hat. Sie weist darauf hin, dass der Leuchtstoff aufgrund der hohen Leistung der in der D2 beschriebenen Diode starker Strahlenbelastung ausgesetzt sei und deshalb von einer Beschaffenheit sein müsse, die - wie Granatmaterial - dieser Belastung Stand halten könne. Dies trifft insofern zu, als - wie auch im Streitpatent genannt - eine Anforderung an den Leuchtstoff, der sich in der Nähe der lichtemittierenden Komponente befindet, in einer sehr guten Beständigkeit gegen Licht und Wärme besteht. Seine Eigenschaften sollen sich nicht ändern , auch wenn er über einen ausgedehnten Zeitraum benutzt und Licht hoher Intensität ausgesetzt wird, das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendet wird (Abs. 14). Damit ist jedoch nicht eine zwingende Einengung auf Leuchtstoffe mit Granatstruktur verbunden, da es sich bei der Durabilität oder Beständigkeit nur eines von mehreren Kriterien für die Auswahl des Leuchtstoffs handelt. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass die maßgeblichen Kriterien oder gar ein Hauptkriterium, die den Fachmann in naheliegender Weise zu einer bestimmten Auswahl eines Leuchtstoffs geführt hätten, zum Prioritätszeitpunkt im Einzelnen festgelegt werden konnten. Vielmehr weisen die Leuchtstoffe nach dem auf den Privatgutachten basierenden Parteivortrag unterschiedliche Eigenschaften auf und unterliegen in ihren Einsatzbereichen unterschiedlichen Anforderungen und Bedingungen, so dass die Auswahl des am besten geeigneten Leuchtstoffs, möglicherweise auch unter dem Gesichtspunkt einer Kompromisslösung dahingehend, einen Leuchtstoff mit einer Vielzahl tauglicher Eigenschaften zu gewinnen, eine umfassende Betrachtung der Leuchteigenschaften bekannter Leuchtmaterialien erfordert.
52
Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Gutachten N. (Anlage E7, S. 12, s. auch S. 8) behauptet, bei der Kompaktleuchtstofflampe nach D17 werde die Heißkathode zur Elektrodenemission auf ca. 1.000°C erhitzt und es sei daher die Glastemperatur des Kolbens, auf den das Yttrium-Aluminium-Granat aufgebracht sei, in diesem Bereich sicherlich höher als in einer LED, betrifft diese von der Beklagten bestrittene Behauptung (die auch in einem gewissen Widerspruch zu dem erstinstanzlich vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. J. steht, der zur D17 zurückhaltender von "höheren Temperaturen im Bereich von 100°C" spricht, Anlage 35 S. 5) ebenfalls nur einen Aspekt der verschiedenen Anforderungen an einen geeigneten Leuchtstoff und führt den Fachmann nicht ohne weiteres zu einem aus Granatmaterial bestehenden Leuchtstoff. Die weitere Aussage des Parteigutachters (E7, S. 13), Anspruch 4 der D17 nenne die äußere Beschichtung der Leuchtstoffröhre mit Yttrium-Aluminium-Granat, womit die Stabilität unter Luftfeuchtigkeit gezeigt sei, und dem Fachmann sei die Beständigkeit als Eigenschaft die- ses Leuchtstoffs bekannt gewesen (E7, S. 8 oben), ändert nichts daran, dass der Fachmann Yttrium-Aluminium-Granat vor Betrachtung seiner Eigenschaften zunächst als möglichen Leuchtstoff hätte in Betracht ziehen müssen.
53
(c) Eine Auswahl des Umwandlungsmaterials allein anhand der Leuchtspektren mit Absorption im blauen Spektralbereich und effizienter Emission im grünen, roten, orangefarbenen und/oder gelben Spektralbereich führte ebenfalls nicht ohne weiteres zu dem erfindungsgemäßen Leuchtstoff. Wie die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten Me. (B23, S. 5 [Ü B23a, S. 5 f.]) vorgetragen hat, gab es eine Vielzahl sowohl organischer als auch anorganischer potentiell geeigneter Lumineszenzmaterialien. Mit dem hiergegen in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand, der Fachmann habe organische Leuchtstoffe von vornherein ausgeschlossen, kann die Klägerin nicht durchdringen. Weder aus den Entgegenhaltungen noch aus dem gutachtengestützten Parteivortrag ergeben sich Anhaltspunkte für einen Ausschluss organischer Leuchtstoffe, der den Bereich geeigneter Leuchtstoffe von vorneherein eingeengt hätte. Die D17 und die D3 enthalten zu einem Ausschluss bestimmter Leuchtstoffe keine Angaben; in der D2 ist ausdrücklich davon die Rede, dass ein anorganisches oder ein organisches Pigment in die Harzform gemischt werden könne, um die Farbe des emittierten Lichts umzuwandeln (Abs. 3). Die Beklagte hat, gestützt auf den Gutachter Me. , dargelegt, dass sowohl organische als auch anorganische Leuchtstoffe als Kandidaten für die spektrale Umwandlung von blauem Licht zu längeren Wellenlängen zur Erzeugung weißen Lichts in Betracht gezogen wurden (B23, 23a, S. 5 f.). Schließlich erwähnt auch der von der Klägerin herangezogene Gutachter N. , dass dem Fachmann vielfältige Leuchtstoffe bekannt gewesen seien (E7, S. 8).
54
(d) Ferner hat das Patentgericht - im Zusammenhang mit der Prüfung des Hilfsantrags Id - angenommen, da die Galliumnitrid-LED der D2 zwei Emissionspeaks im UV- und im blau-violetten Bereich habe (370 und 430 nm) und Sichtbarkeit und Helligkeit beider Emissionsbereiche verbessert werden sollten, habe der Fachmann keine Veranlassung, die LED der D2 durch eine solche zu ersetzen, die keinen Emissionspeak im Ultravioletten habe. Dies spricht, wie die Berufung zu Recht geltend macht, jedenfalls tendenziell gegen die Heranziehung eines Leuchtstoffes, der die Emission im UV-Bereich nicht absorbieren kann. Nach dem Streitpatent (Figur 5A) hat das Zer-dotierte Yttrium-AluminiumGranat in seinem Anregungsspektrum bei 370 nm jedoch ein Minimum; dass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt etwas anderes angenommen hätte, wird von der Klägerin nicht aufgezeigt.
55
(e) Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann, wenn er einen bestimmten Leuchtstoff aus einem anderen Anwendungsgebiet für die LED in Betracht zog, eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen. Der Parteigutachter Me. weist zu Recht darauf hin, dass der Fachmann nicht erwarten konnte, ohne weiteres einen Leuchtstoff zu finden, der die verschiedenen Anforderungen , die die Verwendung mit einer (Galliumnitrid-)LED stellte, gleichermaßen optimal erfüllte. Um das am besten geeignete Material zu erhalten, musste er einen Stoff auffinden und auswählen, der in der Summe den Bedingungen für den Anwendungszweck in der LED möglichst gut entsprach. Es ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar, dass der Fachmann konkrete Anhaltspunkte dafür hatte, einen aus einer überschaubaren Anzahl von Kandidaten für diesen Stoff in Zer-dotiertem Yttrium-AluminiumGranat finden zu können.
56
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Meier-Beck Hoffmann Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.09.2014 - 2 Ni 11/12 (EP) -

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1.
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2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 230/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 1 Nr. 1

a) Befaßt sich ein vom erstinstanzlichen Gericht eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen
nicht mit allen entscheidungserheblichen Punkten, hat das Berufungsgericht
von Amts wegen auf eine Vervollständigung des Gutachtens hinzuwirken.

b) Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich aus einer
fehlerhaften Rechtsanwendung ergeben.

c) Einem erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen
gemäß §§ 402, 397 ZPO hat das Berufungsgericht stattzugeben, wenn
er entscheidungserhebliche Gesichtspunkte betrifft, die das Gericht des ersten
Rechtszugs aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage übersehen
hat.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - OLG Koblenz
LG Trier
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Juli 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 31. Oktober 1991 geltend, bei dem der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW auf den von der Klägerin gesteuerten PKW aufgefahren ist. Die volle Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin erlitt ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Die Beklagte zu 2 zahlte deshalb vorprozessual ein Schmerzensgeld von 2.800 DM.
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagten auch für die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden einzustehen haben, soweit diese über den 31. Dezember 1991 hinaus andauerten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Beschwerden seien insgesamt unfallbedingt. Sie hat ein angemessenes Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von 46.826,09 DM sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich aller weiteren Schäden aus dem Unfall gefordert. Das Landgericht hat der Klägerin über den vorprozessual bezahlten Betrag hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 613,55 € nebst Zinsen zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin unter Beibehaltung der Anträge im übrigen über die gezahlten und erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 16.000 DM begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin durch den Unfall verletzt wurde und ihre Beschwerden bis Dezember 1991 unfallbedingt waren. Sie habe jedoch nicht bewiesen, daß der Unfall auch Ursache ihrer Beschwerden nach Dezember 1991 sei. Das Landgericht habe zwar nicht berücksichtigt, daß diese Frage nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sei. Auch nach diesem Beweismaß lasse sich aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß
der Unfall ursächlich für die Beschwerden gewesen sei, nicht feststellen. Als Ursache der Beschwerden komme auch eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule in Betracht. Die unspezifischen Beschwerden der Klägerin könnten im Zusammenhang mit einer Halswirbelsäulenverletzung auftreten, ließen jedoch nicht hinreichend sicher auf eine solche Verletzung schließen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Unfall ursächlich für die Beschwerden gewesen sei, ergebe sich aus dem Gutachten nicht. Die erstmals mit der Berufungsbegründung beantragte Ladung des Sachverständigen sei nicht geboten gewesen. Das Gutachten sei widerspruchsfrei, nachvollziehbar und überzeugend. Das Landgericht habe daher zu einer Ladung des Sachverständigen von Amts wegen keinen Anlaß gehabt. Unterlasse eine Partei es, in erster Instanz die Anhörung des Sachverständigen zu beantragen, könne sie das wegen § 531 Abs. 2 ZPO nicht in der Berufung nachholen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Allerdings beanstandet die Revision ohne Erfolg, das Berufungsurteil genüge nicht den Anforderungen an die Sachverhaltsdarstellung im Berufungsurteil nach neuem Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
a) Hiernach bedarf es keines förmlichen Tatbestandes. An dessen Stelle muß das Berufungsurteil jedoch auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug nehmen und eine Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen enthalten. Ohne solche ausreichenden tatbestandlichen Darstellungen fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung
nach den §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. Gleiches gilt für tatbestandliche Darstellungen, die derart widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind, daß sie die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. BGHZ 156, 97, 99; BGH, Urteile vom 7. November 2003 - V ZR 141/03 - WM 2004, 894, 895 und vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - NJW-RR 2003, 1290, 1291). In diesen Fällen ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03 - NJW 2004, 1389, 1390 m.w.N., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; BGH, Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03 - BGHReport 2004, 474, 475; vgl. zum früheren Recht Senatsurteil BGHZ 73, 248). Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Diese Grundätze gelten auch für ein Berufungsurteil, das - wie im Streitfall - die Revision nicht zuläßt, aber der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - VersR 2004, 259, 260).
b) Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen. Es enthält zwar keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil. Eine solche war aber entbehrlich, weil die tatsächlichen Feststellungen erster Instanz neben den Änderungen und Ergänzu ngen im Berufungsurteil ausreichend wiedergegeben werden. Eine ausdrückliche Bezugnahme ist nicht zwingend erforderlich. § 540 ZPO soll die Berufungsgerichte von Schreibarbeit entlasten und erlaubt dazu eine Bezugnahme ohne eine eigene Darstellung zu verbieten (vgl. Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124; wie hier Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 540 Rdn. 1; a.A. Meyer-Seitz in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform, 2002, § 540 Rdn. 6). Die Möglichkeit revisionsrechtlicher Überprüfung wird im Streitfall nicht beeinträchtigt.
2. Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO verstoßen hat. Das Landgericht hatte seiner Entscheidung wie schon seinem Beweisbeschluß § 286 ZPO statt § 287 ZPO und damit das falsche Beweismaß zugrunde gelegt. Das vom Landgericht eingeholte Gutachten enthält zu der entscheidungserheblichen Frage, ob der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den andauernden Beschwerden der Klägerin überwiegend wahrscheinlich ist, keine Angaben. Es war daher unvollständig. Das Berufungsgericht hat das erkannt, hat aber das Gutachten dennoch seiner Entscheidung zugrunde gelegt (s.u. zu a)). Eine Ergänzung durch weitere Begutachtung oder durch eine Anhörung des Sachverständigen war bei fehlerfreier Rechtsanwendung bereits in erster Instanz erforderlich, ist aber unterblieben. Der Verstoß des Landgerichts gegen § 287 ZPO begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Feststellungen zur Kausalität gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine Vervollständigung des Gutachtens durch das Berufungsgericht von Amts wegen erforderten (§ 411 Abs. 3 ZPO; s.u. zu b)). Der entsprechende Antrag der Klägerin in der Berufungsbegründung war nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen (s.u. zu c)). Im einzelnen:
a) Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß die Frage, ob die nach Dezember 1991 noch vorhandenen Beschwerden der Klägerin auf dem Unfall oder dem unfallbedingten HWSSchleudertrauma beruhten, unter Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beantworten ist. Diese Frage nach dem Umfang des eingetretenen Schadens ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Tatrichter unterliegt insoweit nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, sondern ist nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st.Rspr., vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00 - VersR 2002, 200, 201; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474,
476; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118, 119). Zwar kann er auch die haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von dem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. An das zur Überzeugungsbildung erforderliche Beweismaß werden aber geringere Anforderungen gestellt. Es genügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsurteile BGHZ 149, 63, 66; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - aaO; vom 22. September 1992 - VI ZR 293/91 - VersR 1993, 55, 56; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO). Gleichwohl konnte das Berufungsgericht auf der Grundlage des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens die haftungsausfüllende Kausalität nicht ohne weitere Sachaufklärung verneinen. Das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen befaßt sich nicht mit der Frage, ob eine nach § 287 ZPO ausreichende (überwiegende) Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs besteht , sondern ausschließlich mit der naturwissenschaftlichen Nachweisbarkeit des Ursachenzusammenhangs. Die Sachverständigen waren, worauf die Revision zutreffend hinweist, im Beweisbeschluß des Landgerichts auch nur hierzu befragt worden. Die hierdurch bedingte Unvollständigkeit des Gutachtens kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, weil sie auf der fehlerhaften Anwendung des Beweismaßes durch das Landgericht beruht.
b) Unter diesen Umständen beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht gegen § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO verstoßen hat, weil es keine Vervollständigung des Gutachtens veranlaßt hat. aa) Das interdisziplinäre Gutachten der Sachverständigen befaßt sich - wie bereits erwähnt - nicht mit der für § 287 ZPO ausreichenden (überwiegenden ) Wahrscheinlichkeit, sondern mit der naturwissenschaftlichen Beweisbarkeit des Ursachenzusammenhangs.
bb) Das Berufungsgericht durfte die auf Grund dieses Gutachtens getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Zwar ist ein Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). (1) Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. Meyer-Seitz aaO, § 529 Rdn. 20; MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband -Rimmelspacher, 2. Auflage, § 529 Rdn. 11 f.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Auflage, § 529 Rdn. 9 f.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 529 Rdn. 3; Rimmelspacher , NJW-Sonderheft zum 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1900 f.). Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO, 62. Aufl., § 529 Rdn. 4; Meyer-Seitz, aaO, Rdn. 20 f., 26; Musielak /Ball, aaO, Rdn. 9 f.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, Rdn. 2; Begründung der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 123), aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 -; BGH, Urteile vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03 - je zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/4722, S. 100; MünchKommZPO/Aktualisierungsband -Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 12; Rimmelspacher, NJW-
Sonderheft aaO, 11, 15; derselbe, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Wurden Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann auch die Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 18; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). Hiernach begründeten im Streitfall konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen: Das angefochtene Urteil zeigt die Verkennung der Rechtslage durch das Landgericht und die darauf beruhende Verkürzung der Beweiserhebung auf. Das Berufungsgericht führt dazu ohne Rechtsfehler aus, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß § 287 ZPO geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung stelle. Die Unvollständigkeit der Begutachtung ergibt sich hieraus unmittelbar. (2) Das hätte beim Berufungsgericht Zweifel an der Vollständigkeit und an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts zur Kausalität wecken müssen. Solche Zweifel sind bereits dann begründet , wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO und vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Auflage, § 529 Rdn. 3; Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 29; vgl. Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124; geringere Anforderungen : MünchKommZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, aaO, § 529
Rdn. 21; derselbe, NJW 2002, 1897, 1902 f. und NJW-Sonderheft aaO, 11, 16; vgl. auch BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524; kritisch Greger NJW 2003, 2882, 2883). Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn das Berufungsgericht aufgrund konkreter Anhaltspunkte in einer rational nachvollziehbaren Weise zu "vernünftigen“ Zweifeln kommt, das heißt, zu Bedenken, die so gewichtig sind, daß sie nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden können (vgl. Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 29; Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124). Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Landgericht bei Anwendung des § 287 ZPO zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die zahlreich vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen wie auch das Gutachten halten nämlich zum Teil einen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall für möglich oder wahrscheinlich. (3) Eine ergänzende Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht war nach allem erforderlich. Eine erneute Prüfung und Entscheidung ist immer geboten , wenn - wie im Streitfall - die konkrete Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses besteht (so auch BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - aaO 847, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 28; Begründung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/6036 S. 124). Die Verpflichtung zu ergänzenden Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO) ergibt sich hier aus dem Umstand, daß ein unvollständiges Gutachten keine Entscheidungsgrundlage sein kann (st.Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99 - VersR 2001, 783 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859, 860 - jeweils m.w.N.). Ein Antrag der Klägerin war daher nicht erforderlich. Zudem lag hier ein solcher Antrag auf Anhörung des Sachverständigen vor.

c) Unter diesen Umständen rügt die Revision auch mit Erfolg, daß die beantragte Anhörung des Sachverständigen unterblieben ist. Die Zurückweisung dieses Antrags beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Verweigerung der Zulassung neuen Vortrags kann vom Revisionsgericht überprüft werden (vgl. BGHZ 12, 49, 52; BGH, Urteil vom 9. März 1981 - VIII ZR 38/80 - NJW 1981, 2255; Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKommZPO /Aktualisierungsband-Rimmelspacher, aaO, § 530 Rdn. 34; Musielak /Ball, aaO, § 531 Rdn. 23, 25; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37). Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel u.a. dann zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. aa) Wie ausgeführt hat das Eingangsgericht den hier anzuwendenden Beweismaßstab verkannt. Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, daß die haftungsausfüllende Kausalität nach § 287 ZPO zu beurteilen war. Es mußte aber auch neue Angriffsmittel, die auf eine Abklärung nach dem bisher nicht berücksichtigten Beweismaßstab für die Kausalität abzielten, zulassen. bb) Angriffs- und Verteidigungsmittel sind alle zur Begründung des Sachantrages oder zur Verteidigung dagegen vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen und Einreden, sämtliches Bestreiten und alle Beweisanträge (vgl. Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 14, § 530 Rdn. 11; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 22; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428). Hierzu zählt auch der Antrag einer Partei auf Anhörung eines Sachverständigen (§§ 402, 397 ZPO).
Der Antrag der Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen wurde erstmals in zweiter Instanz gestellt, war mithin neu. In der Berufungsbegründung hatte die Klägerin zu der von ihr behaupteten überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Kausalität des Unfalls für die geltend gemachten Beschwerden die Anhörung des Sachverständigen beantragt. Dies genügte den Anforderungen an einen Antrag gemäß den §§ 402, 397 ZPO. Eine Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, muß nicht die Fragen, die sie an den Sachverständigen richten will, im voraus konkret formulieren. Ausreichend ist, wenn sie angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 353/01 - VersR 2003, 926, 927 m.w.N.). cc) Die objektiv fehlerhafte Rechtsansicht des Landgerichts hat den erstinstanzlichen Sachvortrag der Klägerin beeinflußt und ist (mit-)ursächlich dafür geworden, daß sich hier Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 2004 - III ZR 147/03 -, z.V.b.; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03 - Umdr. S. 9, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Landgerichts zum Beweismaß (§ 286 ZPO statt § 287 ZPO) hat dazu beigetragen, daß der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen erst in der Berufungsinstanz gestellt wurde. Zudem macht die Revision mit Recht geltend, die Klägerin sei dem gleichen Rechtsirrtum unterlegen wie das Landgericht; dieser habe sich in der eingeschränkten Begutachtung ausgewirkt und sei objektiv geeignet gewesen, die Klägerin im ersten Rechtszug von einem Antrag auf Anhörung zur Frage der überwiegenden Wahrscheinlichkeit abzuhalten. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den Antrag aus anderen, von der rechtlichen Fehleinschätzung unabhängigen Gründen zurückgehalten hätte, liegen nicht vor.
3. Das Berufungsurteil stellt sich schließlich nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht in eigener Würdigung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gekommen ist, auch nach den gemäß § 287 ZPO geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung habe die Klägerin im Ergebnis den ihr obliegenden Nachweis nicht geführt. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht. Diese Feststellung ist auf der Grundlage des Gutachtens rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Das Gutachten enthält, wie ausgeführt, zur Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs keine Aussage. Zu Feststellungen hierzu hätte es daher eigener Sachkunde des Gerichts bedurft, die es im Urteil hätte darlegen müssen. Auch im Rahmen der freien Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO darf der Tatrichter nämlich, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er eine entsprechende Sachkunde ausweist (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1987 - VI ZR 6/87 - VersR 1988, 466, 467; vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - VersR 1995, 681, 682; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - VersR 2001, 1547, 1548). Unter demselben Mangel leiden die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts, in denen es dem zeitlichen Ablauf des Auftretens der Beschwerden maßgebliche Bedeutung für die Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität beimißt. Die
Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe ohne sachverständige Beratung keine medizinischen Rückschlüsse aus dem Krankheitsverlauf ziehen dürfen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. August 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft nach türkischem Recht, deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Anteilen an der Beklagten geltend.

2

Die Beklagte hat ihren Sitz in Konya/Türkei. Der Kläger erwarb am 21. November 1999 im Inland Aktien der Beklagten für einen Betrag von 28.350 DM. In Anwesenheit des Zeugen S. übergab der Kläger den Kaufpreis an D. und erhielt dafür die Aktien und eine Einzahlungsquittung. Gegen Rückgabe dieser Quittung übergab D. an den Kläger am 3. April 2000 eine Beteiligungsübersicht, nach der er 360 Anteilsscheine der Beklagten besitzt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2010 kündigte der Kläger die Beteiligung. Sein Begehren auf Rückzahlung des Anlagebetrages blieb erfolglos.

3

Der Kläger behauptet, D. sei unter Vorlage einer Visitenkarte im Namen der Beklagten als deren Mitarbeiter aufgetreten. Im Beisein des Zeugen S. habe D. ihn darüber getäuscht, dass es sich um eine sichere Geldanlage mit einer Rückzahlungsgarantie der Beklagten auf Anforderung innerhalb von drei Monaten handle. Der Kläger verlangt, so gestellt zu werden, als hätte er die Kapitalanlage nicht getätigt.

4

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für deliktische Ansprüche bejaht und unter Anwendung deutschen Rechts den vom Landgericht angenommenen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 831 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB Zug um Zug gegen Rückübertragung der Aktien bestätigt. Es hat dies wie folgt begründet:

6

Der Vermittler D. habe den Kläger vor dem Erwerb der Anteile an der Beklagten über die in Wahrheit nicht bestehende Rechtspflicht der Beklagten zur Rückgewähr des angelegten Geldes getäuscht und ihn dadurch zum Erwerb der Aktien veranlasst. D. sei ausdrücklich für die Beklagte aufgetreten und habe sich als deren Mitarbeiter ausgewiesen. Dies habe das Landgericht aufgrund der Durchführung einer Zeugenvernehmung für bewiesen gehalten. An diese Feststellungen sei der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen seien nicht gegeben. Insbesondere zeige die Beklagte nicht auf, woraus sich eine unrichtige Beweiswürdigung konkret ergeben solle. Der bloße Hinweis, der gehörte Zeuge sei unglaubwürdig, sei nicht ausreichend, um die Beweisaufnahme zu wiederholen. Der Zeuge D. habe den Kläger vor dem Erwerb der Aktien über eine in Wahrheit nicht bestehende Rechtspflicht der Beklagten zur Rückgewähr des angelegten Geldes getäuscht. Die Beklagte, der insoweit eine sekundäre Darlegungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zukomme, habe nichts vorgetragen, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wäre, da nur sie Angaben über das Abhängigkeitsverhältnis machen könne, was Zweifel an der Eigenschaft des D. als Verrichtungsgehilfen begründen könnte. D. sei mit einer Visitenkarte der Beklagten ausgestattet gewesen und habe Formulare verwendet, die die Beklagte zur Verfügung gestellt habe. Die Beklagte habe anerkannt, dass D. für sie tätig geworden sei. Sie habe in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, D. habe als "selbständiger Vermittler" Handlungsvollmacht gehabt, Aktien zu veräußern, Gelder entgegenzunehmen sowie Interessenten grob zu informieren. Der hiervon abweichende Vortrag in der Berufungsinstanz, wonach D. eventuell ein ehemaliger Aktionär gewesen sei, der eigene Aktien verkauft habe, sei nicht nur rein spekulativ, sondern lasse auch seine Einbindung in die Organisationsstruktur der Beklagten unerklärt. Der Anspruch sei nicht verjährt. Er könne gemäß § 852 BGB immer noch mit Erfolg geltend gemacht werden.

II.

7

Die Revision ist begründet.

8

1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Verjährungseinrede der Beklagten zurückgewiesen hat. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

9

2. Mit Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen zu den Voraussetzungen für die Verrichtungsgehilfenschaft des M. getroffen hat, weil es irrigerweise gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine Bindung an die Feststellungen des Landgerichts zum Auftreten des D. angenommen hat (§ 286 ZPO).

10

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258 f. und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 272; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne der Regelung in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02, NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/6036, S. 124). Ist dies der Fall, obliegt dem Berufungsgericht nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines zulässigen Rechtsmittels, wie es im Streitfall zweifellos gegeben ist, ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 278 f.)

11

b) Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die auf den Inhalt der Aussage des Zeugen S. gestützten Feststellungen des Landgerichts, D. sei als Mitarbeiter der Beklagten aufgetreten, von den im Protokoll über die Beweisaufnahme niedergelegten Wortlaut der Aussagen nicht gedeckt sind. Der Zeuge S. hat wie folgt zur Sache ausgesagt:

12

"Wir, d.h. ich und Herr K., sind zusammen in das Moscheelokal gegangen. Der, dem wir das Geld gegeben haben, war auch in der Moschee. Wir haben das Geld abgegeben. Wir haben gefragt, ob man das Geld jederzeit zurückbekommen kann. Sie haben nur gesagt, dass das geht."

13

Auf Nachfrage des Gerichts:

14

"Sonst wurde eigentlich nichts besprochen. Herr K. hat Belege bekommen. Ich habe an dem Tag selbst nichts eingezahlt, ich hatte ein paar Monate vorher etwas eingezahlt. Als gefragt wurde, ob wir das Geld jederzeit zurückbekommen können, war ich dabei."

15

Danach ist der Zeuge S. vor dem Landgericht nicht dazu befragt worden, ob sich der Verkäufer der Aktien als Mitarbeiter der Beklagten durch Vorlage einer Visitenkarte ausgewiesen hatte. Die Feststellung des Landgerichts, dass der Zeuge D. ausdrücklich für die Beklagte aufgetreten sei und sich als deren Mitarbeiter, unter anderem unter Vorlage einer Visitenkarte, ausgewiesen habe, lässt sich weder mit den Angaben des Klägers selbst noch mit den Angaben des Zeugen S. im Termin vom 4. Dezember 2012 in Einklang bringen. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am 4. Dezember 2012 angegeben, dass er zusammen mit Freunden in einen Laden oder ein Lokal der Moschee gegangen sei. Er habe Formalitäten durchgeführt und unterschrieben. Man habe ihm gesagt, es gebe kein Problem. Sie hätten gesagt: "Herzlichen Glückwunsch". Dann seien sie auseinandergegangen. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S. Angaben gemacht hat, die nicht im Protokoll festgehalten sind, sind nicht gegeben und werden auch von Seiten des Klägers nicht geltend gemacht. Soweit die Revisionserwiderung meint, dass sich die Beweiskraft des Protokolls gemäß § 165 ZPO nicht auf den Inhalt von Partei- und Zeugenaussagen erstreckt, trifft dies zu (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 - XII ZR 133/92, FamRZ 1994, 300, 302; Urteil vom 14. Oktober 1981 - IVa ZR 152/80, NJW 1982, 1052, 1053 mwN). Allerdings genießt das Protokoll die allgemeine Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 415 ZPO). Der Widerspruch zwischen dem im Protokoll niedergelegten Inhalt der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung des Landgerichts musste danach Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen begründen, die das Berufungsgericht hätte ausräumen müssen.

16

Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Eingangsgerichts waren außerdem aufgrund der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgebrachten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. gegeben. Die Beklagte hat mit der Berufung geltend gemacht, der Zeuge S. sei unglaubwürdig, da er seine Aussage auf die für eine Verurteilung wichtige Aussage beschränkt habe, dass eine jederzeitige Rückzahlung möglich sei. Das Landgericht bildete sich seine Überzeugung aufgrund der "glaubhaften Bekundungen des Zeugen S.". Herkömmlich werden bei der Beurteilung von Zeugenaussagen die Begriffe "Glaubhaftigkeit der Aussage" und "Glaubwürdigkeit des Zeugen" unterschieden. Es besteht Einigkeit darüber, den Begriff "Glaubhaftigkeit" auf die Sachdarstellung und den Begriff "Glaubwürdigkeit" auf die Persönlichkeit des Zeugen zu beziehen (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. Rn. 905; Reinecke, MDR 1986, 630, 632, 635; BGH, Urteil vom 13. März 1991 - IV ZR 74/90, NJW 1991, 3284). Auf Darlegungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. hat das Landgericht verzichtet. Schon danach hätte das Berufungsgericht Veranlassung gehabt, den Zeugen S. erneut zu vernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98, VersR 2000, 227, 228; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rn. 16). Hat die erste Instanz von der Würdigung der von ihr vernommenen Zeugenaussagen und der Erörterung der Glaubwürdigkeit der Zeugen ganz abgesehen, muss eine Wiederholung der Beweisaufnahme erfolgen, wenn es für die Glaubwürdigkeit der Zeugen auf deren persönlichen Eindruck ankommt und diese sich nicht aus dem Vernehmungsprotokoll ergibt und auch nicht sonst in die Verhandlung eingeführt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98 aaO).

17

c) Feststellungen zum Auftreten des D. gegenüber dem Kläger sind - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht schon deshalb entbehrlich, weil die Beklagte erstinstanzlich unstreitig gestellt hätte, dass D. ihr weisungsgebundener Mitarbeiter gewesen ist. Die Beklagte hat in der Erwiderung auf die Klage bestritten, dass der Vermittler ihr Mitarbeiter gewesen ist. Im Schriftsatz vom 21. März 2011 hat die Beklagte betont, dass der Vermittler selbständig tätig und kein Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei. Er habe Handlungsvollmacht besessen, Aktien zu veräußern, Gelder entgegenzunehmen und die Interessenten grob zu informieren. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte erneut geltend gemacht, dass der Verkäufer der Aktien nicht für sie gehandelt habe. Stets hat die Beklagte bestritten, dass der Verkäufer von ihr abhängig war.

18

Entscheidend für die Verrichtungsgehilfeneigenschaft ist aber, dass die Tätigkeit in einer abhängigen Stellung vorgenommen wird und der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, VersR 2014, 466 Rn. 12; vom 6. November 2012 - VI ZR 174/11, VersR 2013, 203 Rn. 15; vom 10. März 2009 - VI ZR 39/08, VersR 2009, 784 Rn. 11; BGH, Urteile vom 30. Juni 1966 - VII ZR 23/65, BGHZ 45, 311, 313 und vom 12. Juni 1997 - I ZR 36/95, VersR 1998, 862, 863). Die Qualifikation als Verrichtungsgehilfe setzt Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 303; MünchKommBGB-Wagner, 6. Aufl., § 831 Rn. 14). Der Geschäftsherr haftet für einen Verrichtungsgehilfen deshalb, weil er aufgrund eines objektiven Abhängigkeitsverhältnisses befugt ist, auf das Verhalten des Dritten tatsächlich Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls auch das Verhältnis zu diesem zu beenden. Bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Anspruchstellers, dem grundsätzlich der Beweis dafür obliegt, dass ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Geschäftsherrn zugefügt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, aaO und vom 21. Juni 1994 - VI ZR 215/93, VersR 1994, 1202, 1203).

19

d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts oblag der Beklagten nicht eine sekundäre Darlegungslast für Umstände, aus denen sich ergibt, dass D. nicht ihr Verrichtungsgehilfe war.

20

Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, aaO Rn. 17 und vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 f.; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158; Senatsbeschluss vom 25. März 2014 - VI ZR 271/13, juris Rn. 7). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. April 1993 - VII ZR 22/92, DtZ 1993, 278, 280 und vom 30. September 1993 - VII ZR 178/91, NJW 1993, 3196; jeweils mwN; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89, WM 1990, 1844, 1846; vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 293/95, WM 1996, 2253, 2254).

21

Dies ist für die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anzunehmen. War derjenige, von dem der Kläger Aktien erworben hat, nicht Mitarbeiter der Beklagten, ist eine dem Kläger verschlossene Kenntnis der Beklagten von den näheren Umständen des Auftretens bei Vertragsschluss am 21. November 1999 nicht gegeben, zumal der Kläger die Aktien im Inland gekauft und die Beklagte ihren Sitz in der Türkei hat.

III.

22

Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die gebotenen Feststellungen nachgeholt werden können. Die rechtliche Prüfung, ob und inwieweit eine Haftung der Beklagten überhaupt in Betracht kommt, ist nur auf der Grundlage von Feststellungen der näheren Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts eines gegebenenfalls bei dem Erwerb der Aktien mit dem Kläger geführten Gespräches, möglich.

Galke                    Diederichsen                      Stöhr

           v. Pentz                          Offenloch

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Vor der Vernehmung wird der Zeuge zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen, dass er in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen unter Umständen seine Aussage zu beeidigen habe.

(2) Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm Fragen über solche Umstände, die seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den Parteien vorzulegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel
17
b) Das Landgericht hat die Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen dahin gewürdigt, dass die Beklagte die Lage des Dükers lediglich durch eine geradlinige Verbindung zwischen Start- und Zielgrube ermitteln und dokumentieren sollte. Den ihr obliegenden Beweis, keine dahingehende Abrede getroffen zu haben, habe die Klägerin nicht geführt. Die Aussagen der von ihr benannten Zeugen S., V., P. und W. seien unergiebig. Demgegenüber habe der Zeuge Sch. glaubhaft bekundet, dass die Beklagte ihrem Vorbringen entsprechend nur mit der Einmessung der Start- und Zielgrube beauftragt gewesen sei. Der Zeuge sei aufgrund des persönlichen Eindrucks glaubwürdig. Für die Glaubhaftigkeit spreche auch, dass der Zeuge seine Aussage beeidigt habe. Demgegenüber hat das Berufungsgericht die Beklagte als beweisbelastet für die Richtigkeit ihrer Behauptung angesehen, eine hinter der funktionsgerechten Einmessung des Dükers zurückbleibende Leistungsvereinbarung getroffen zu haben. Die Vereinbarung einer solchen "Qualitätsabweichung nach unten" sei ebenso wenig bewiesen wie die von der Klägerin behauptete Vereinbarung einer funktionstauglichen Vermessung des Dükers. Anders als das Landgericht hat es den Bekundungen des Zeugen V. Indizien für die Richtigkeit des Sachvortrages der Klägerin in diesem Punkt entnommen. Seine Aussage stehe der des Zeugen Sch. gegenüber, ohne dass der Aussage des einen Zeugen einer stärkere Überzeugungskraft beizumessen sei als der des anderen. Damit hat es die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sch. und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen anders beurteilt als das Landgericht, das keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Zeugen und der Richtigkeit seiner Aussage gehabt hat. Zu dieser Einschätzung durfte das Berufungsgericht nicht gelangen, ohne sich durch eine erneute Vernehmung der Zeugen einen eigenen Eindruck verschafft zu haben. Dass es seine Würdigung des Beweisergebnisses mit der Heranziehung von solchen Umständen begründet hat, denen das Landgericht keine Beweiserheblichkeit beigemessen hat, ändert daran nichts.
5
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz (BGH, Urteil vom 28. November 1995 - XI ZR 37/97, NJW 1996, 663, unter III 3; Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 - VIII ZR 340/98, NJW 2000, 1199, unter II 2 a, st. Rspr.). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (Senatsurteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90, NJW 1991, 3285, unter II 2 b aa; BGH, Urteil vom 10. März 1998 - VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, unter II 1 b). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung nicht vor.
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1. Soweit es auf die Ausführbarkeit der Erfindung insgesamt oder der technischen Lehre einzelner Ansprüche des Patents ankommen und sich weder die Ausführbarkeit noch fehlende Ausführbarkeit feststellen lassen sollten, ginge dies zu Lasten des Beklagten. Die Beweislast für die mangelnde Ausführbarkeit trifft im Patentnichtigkeitsverfahren den Kläger (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901, 903 - polymerisierbare Zementmischung ), und auch im Einspruchsverfahren liegt die materielle Beweislast beim Einsprechenden, da das Patent nur dann widerrufen werden darf, wenn feststeht, dass es zu Unrecht erteilt worden ist. Es obliegt daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Haftungsprozess dem Beklagten, die mangelnde Ausführbarkeit der patentierten Lehre darzutun und zu beweisen, da er sich auf diesen ihm günstigen Umstand beruft (BGH, Urteil vom 22. Juni 1959 - III ZR 52/58, BGHZ 30, 226, 232; Urteil vom 14. November 1978 - VI ZR 112/77, BGHZ 72, 328, 330; Urteil vom 6. Mai 2004 - IX ZR 211/00, NJW-RR 2004, 1649).

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

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(3) Es mag zutreffen, dass man - wie der Privatgutachter der Beklagten Prof. B. ausführt (Gutachten B12 Rn. 9, 11) - weder im Jahr 1993 noch heute die Bildung kristalliner Formen und damit auch die Bildung von Hydraten vorhersehen konnte und kann. Auf die Vorhersehbarkeit bestimmter Er- gebnisse kommt es jedoch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht notwendigerweise an. Maßgeblich ist, ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff anzuwenden. Dabei kann die Überlegung Bedeutung gewinnen, ob sich aus diesen Maßnahmen eine angemessenen Erfolgserwartung für die Lösung des sich stellenden technischen Problems ergab (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2012 - X ZR 50/09, juris, Rn. 27; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. September 2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 - Escitalopram Rn. 38 ff.; schweiz. Bundesgericht SMI 1995, 358, 369 f. = GRUR Int. 1996, 1059, 1063 - Manzana II; EPA T60/89, ABl. EPA 1992, 268 = GRUR Int. 1992, 771, 775 - Fusionsproteine).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.