Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2015 - X ZR 132/13

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:081215UXZR132.13.0
08.12.2015
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 26/11, 07.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 132/13 Verkündet am:
8. Dezember 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
ECLI:DE:BGH:2015:081215UXZR132.13.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 7. Oktober 2013 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 554 976 (Streitpatents), das am 15. Januar 1993 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 5. Februar 1992 angemeldet wurde und bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent betrifft einen Drahtlegekopf mit Anfangs- und Endringausführung und umfasst 12 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache wie folgt: "A Iaying head (18) for forming an axially moving elongated product into a series of rings (24), said Iaying head having an elongated tubular support (36), means for rotating said support about its Iongitudinal axis, a pipe (46) carried by said support for rotation therewith, said pipe having an inlet end (46a) aligned with said ax- is and arranged to receive said product, with an intermediate portion (46b) defining a curved guide path Ieading from said inlet end to an outlet end arranged to rotate about said axis and from which said product is discharged in the form of a continuous series of rings and guide means communicating with said outlet end for defining a helical extension of said guide path, characterized by said guide means comprising a radially outwardly facing trough (50) detachably connected to said support (36) for rotation therewith, and a cylindrical shroud (52) surrounding and co-operating with said trough to define a radially and axially confined helical extension of said guide path." Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat geltend
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gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in sechs geänderten Fassungen verteidigt.
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Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt hilfsweise, die Klage abzuweisen , soweit sie das Streitpatent in der Fassung ihrer erstinstanzlichen Hilfsanträge sowie eines neuen Hilfsantrags verteidigt.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Streitpatent betrifft einen Drahtlegekopf, der als Bestandteil eines Drahtwalzwerks eingesetzt wird, um Draht in Spiralen, auch als Ringe bezeichnet , zu formen.
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1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift stellt sich der Ablauf an der Auslaufseite eines Drahtwalzwerks wie folgt dar: Der Draht wird, nachdem er aus dem Fertigblock ausgetreten ist, abgekühlt und durchläuft dann die Nachwalzeinheit. Anschließend tritt er in den Legekopf ein, wo er in Ringe gelegt wird. Die Ringe werden während des Transports zum Nachformbehälter auf einem Förderband verschiedenen Wärmebehandlungen unterzogen und fallen am Ende des Bandes in einen Nachformbehälter, wo sie um einen senkrecht nach oben stehenden Dorn gestapelt werden.
6
Damit die Vorrichtung nicht blockiert werde und kostenträchtige Unterbrechungen des Produktionsprozesses vermieden werden könnten, sei es wichtig - so erläutert die Streitpatentschrift -, sicherzustellen, dass die Ringe auf dem Förderband eine einheitliche Form aufwiesen und ihr Durchmesser so bemessen sei, dass sie problemlos in den Nachformbehälter fielen, ohne an dessen Außenwänden oder Dorn hängen zu bleiben. Solange ein Segment des Drahtes im Walzwerk gerollt und ein anderes Segment durch den Legekopf geführt werde, blieben die Betriebsbedingungen im Wesentlichen konstant. In dieser Phase könnten gleichförmige Ringe durch Synchronisieren der Arbeitsgeschwindigkeit des Legekopfs mit der Geschwindigkeit, mit der der Draht aus dem Walzwerk trete, erzielt werden. Verlasse das Endstück eines Drahtsegments das Walzwerk, diene die Nachwalzeinheit dazu, die Betriebsbedingungen stabil zu halten. Bei mit hohen Geschwindigkeiten gewalzten Produkten von geringerem Durchmesser, die die Tendenz hätten, beim Austreten aus dem Fertigblock schneller zu werden, wirke die Nachwalzeinheit als Bremse, während sie bei mit niedrigeren Geschwindigkeiten gewalzten Produkten von größerem Durchmesser dafür sorge, dass das Produkt nach dem Herausfallen aus dem Fertigblock weiter durch den Legekopf getrieben werde. Probleme träten jedoch auf, wenn das Endstück des Produkts die Nachwalzeinheit verlasse. In dieser Phase seien die Betriebsbedingungen nicht beständig, da die Bremswirkung der Nachwalzeinheit entfalle. Der Abstand zwischen der Nachwalzeinheit und dem Abgabeende des Legekopfs entspreche üblicherweise dem Umfang eines Ringes oder sei geringfügig größer. Aufgrund der relativ geringen Pro- duktlänge neige das Endstück des Drahtes bei hohen Betriebsgeschwindigkeiten beim Verlassen der Nachwalzeinheit dazu, schneller zu laufen. Dadurch könne der letzte Ring Stauchungen erleiden und/oder sein Durchmesser könne größer ausfallen, was dazu führen könne, dass der Transport in den Nachformbehälter behindert werde. Wenn das vordere Drahtende aus dem Legekopf in Richtung Förderband austrete, seien die Betriebsbedingungen ebenfalls instabil mit der Folge, dass sich der erste Ring verformen und mit dem Dorn des Nachformbehälters verhaken könne.
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2. Nach der Streitpatentschrift besteht eine Aufgabe des Streitpatents darin, den Legekopf mit einer Hilfsführung auszustatten, die bei Produkten von geringerem Durchmesser, die mit hohen Geschwindigkeiten gewalzt werden, dazu dienen soll, die Formgebung der Endstücke zu stabilisieren und zu verbessern. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als weitere Aufgabe, die Hilfsführung des Legekopfs so auszugestalten, dass sie leicht abgenommen werden kann, wenn Produkte von größerem Durchmesser mit geringeren Geschwindigkeiten gewalzt werden sollen. Eine mit diesen beiden Aufgaben korrespondierende , weitere Aufgabe besteht nach der Streitpatentschrift schließlich darin, Mittel zum zuverlässigen Zentrieren und Stabilisieren der vorgeschlagenen Hilfsführung am Legekopf vorzusehen, die für eine gleichmäßige Drehbewegung sorgen.
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a) Die Ausstattung des Legekopfs mit einer Hilfsführung ist bereits Teil der Lösung des technischen Problems, das der Erfindung zugrunde liegt und darf daher - wovon das Patentgericht zu Recht ausgegangen ist - bei dessen Definition nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).
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b) Ebenso wenig kommt eine Formulierung der Aufgabe in der von der Klägerin befürworteten Form in Betracht. Die Klägerin ist der Auffassung, das technische Problem sei im Hinblick darauf, dass die erste Aufgabenstellung des Streitpatents nach dem Stand der Technik bereits gelöst sei, auf die zweite in der Streitpatentschrift genannte Aufgabe der leichten Abnehmbarkeit der Hilfsführung zu beschränken. Dem steht, abgesehen davon, dass auch diese Definition mit der Bezugnahme auf eine vorzusehende Hilfsführung ein Lösungselement enthielte, entgegen, dass es verfehlt ist, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 190 Rn. 17 - Quetiapin).
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c) Das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem ist daher mit dem Patentgericht allgemeiner darin zu sehen, sicherzustellen, dass auch dann, wenn die Betriebsbedingungen, wie etwa beim Austritt des hinteren Drahtendes aus der Nachwalzeinheit oder beim Austritt des vorderen Drahtendes aus dem Legekopf, nicht stabil sind, die Ringe gleichmäßig geformt werden, um so Beeinträchtigungen im Arbeitsablauf oder Stillstandszeiten zu vermeiden.
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3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Legekopf vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. Legekopf (18) zum Formen eines sich axial bewegenden, langgestreckten Produktes in eine Serie von Ringen (24) [1]. 2. Der Legekopf (18) weist auf 2.1 einen langgestreckten hülsenförmigen Träger (36) [2], 2.2 Mittel zum Rotieren des Trägers um seine Längsachse [3], 2.3 ein Rohr (46) [4], das drehfest vom Träger getragen ist [4.1], und 2.4 Führungsmittel [5; teilweise]. 3. Das Rohr (46) weist auf 3.1 ein Einlassende (46a) [4.2], das 3.1.1 mit der Achse fluchtet [4.2] und 3.1.2 dazu dient, das Produkt aufzunehmen [4.2], 3.2 ein Auslassende, 3.2.1 das derart angeordnet ist, dass es um die Achse umläuft [4.3.2], und 3.2.2 von welchem aus das Produkt in Gestalt einer kontinuierlichen Serie von Ringen abgegeben wird [4.4], sowie 3.3 ein Zwischenteil (46b) [4.3], 3.3.1 das eine gekrümmte Führungsbahn bildet [4.3.1], die vom Einlassende zum Auslassende führt [4.3.1.1]. 4. Die Führungsmittel 4.1 kommunizieren mit dem Auslassende des Rohrs, um eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren [5], und 4.2 umfassen 4.2.1 einen radial nach außen weisenden Trog (50) [5.1], der 4.2.1.1 abnehmbar an den Träger (36) drehfest angeschlossen ist [5.1.1 und 5.1.2], 4.2.2 einen zylindrischen Schirm (52) [5.2], der 4.2.2.1 den Trog umgibt [5.2.1] und 4.2.2.2 mit dem Trog zusammenarbeitet, um eine radial und axial begrenzte, schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren [5.3].
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4. Zum Verständnis der für die technische Lehre ausschlaggebenden Merkmalsgruppe 4 sind folgende Bemerkungen veranlasst:
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a) Nach Merkmal 4.1 kommunizieren die Führungsmittel mit dem Auslassende des Rohrs, um eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren, die nach Merkmal 3.3.1 gekrümmt ist und vom Zwischenteil des Rohrs gebildet wird. Sie umfassen nach der Merkmalsgruppe 4.2 des Patentanspruchs 1 einen - dort mit dem Bezugszeichen 50 bezeichneten - radial nach außen weisenden Trog (Merkmal 4.2.1) und einen - mit dem Bezugszeichen 52 bezeichneten - zylindrischen Schirm (Merkmal 4.2.2). Entsprechende Erläuterungen finden sich in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 3 Z. 5-10), allerdings ohne Nennung von Bezugszeichen. In der Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform heißt es demgegenüber, die Verlängerung der gekrümmten Führungsbahn werde durch innere und äußere Komponenten definiert, die in der Regel mit den Bezugszeichen 50 und 52 gekennzeichnet seien (Sp. 4 Z. 25-27). Die "äußere Komponente" (outer component) der Führungsbahnverlängerung - so erläutert die Streitpatentschrift - umfasse (compri- ses) einen zylindrischen Schirm, an dem ein Außenzahnkranz befestigt sei, der von einem Lager mit einem größeren Durchmesser drehbar gehalten werde (Sp. 4 Z. 31-38). Die Beschreibung verwendet an dieser Stelle für den zylindrischen Schirm das Bezugszeichen 54 (Sp. 4 Z. 32). Die "innere Komponente" (inner component) der Führungsbahnverlängerung - so führt die Streitpatent- schrift weiter aus - umfasse (comprises) einen schraubenförmigen Trog (helical trough), dessen offene Seite radial nach außen in Richtung des ihn umgebenden zylindrischen Schirms weise. Der Trog sei auf der Kante einer spiralförmigen Rippe angebracht, in deren zentraler Öffnung eine Nabeneinheit befestigt sei (Sp. 4 Z. 40-45). Für den Begriff "Trog" verwendet die Beschreibung in diesem Zusammenhang das Bezugszeichen 68 (Sp. 4 Z. 41).
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b) Vor diesem Hintergrund sind die Parteien unterschiedlicher Meinung darüber, was unter einem Trog nach Merkmal 4.2.1 zu verstehen ist.
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aa) Die Beklagte ist der Auffassung, mit der Bezeichnung "Trog" sei nur das in den Figuren 3 bis 7 mit dem Bezugszeichen 68 gekennzeichnete rinnenförmige Element mit dem schraubenlinienförmigen Verlauf gemeint.
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bb) Demgegenüber ist die Klägerin der Ansicht, die Bezeichnung"Trog" stelle sowohl nach Patentanspruch 1 als auch nach der Beschreibung und den Figuren des Streitpatents eine Umschreibung des gesamten Bauteils der mit dem Bezugszeichen 50 gekennzeichneten inneren Komponente dar, so dass die Begriffe "Trog" und "innere Komponente" als Synonyme anzusehen seien. Die innere Komponente weise ein umlaufendes Gebilde mit einem schraubenförmigen Verlauf auf. Aus der Unterscheidung, die Patentanspruch 1 insoweit vornehme, als im Oberbegriff von Führungsmitteln und im kennzeichnenden Teil von einem Trog die Rede sei, ergebe sich, dass mit dem Ausdruck "Trog" der ganze in den Figuren 3, 6 und 7 dargestellte Komplex gemeint sei. Der Begriff "Trog" bezeichne daher nicht ein konkretes Führungsmittel, sondern umfasse vielmehr die Führungsmittel des Legekopfs, die folglich von irgendeiner beliebigen Form sein könnten.
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cc) Der von der Klägerin befürworteten Auslegung steht bereits der Wortlaut von Patentanspruch 1 entgegen. Dieser sowie die entsprechenden Erläuterungen in der Beschreibung sprechen für ein Verständnis dahin, dass mit dem Begriff "Trog" lediglich das in den Figuren 3, 5, 6 und 7 mit dem Bezugszeichen 68 bezeichnete Element gemeint ist, wobei eine Übersetzung der englischen Bezeichnung "trough" mit "Rinne" gegenüber der in der Streitpatentschrift gewählten Übersetzung mit "Trog" treffender erscheint. Nach dem Wortlaut von Patentanspruch 1 und den Ausführungen in Sp. 3 Z. 5-6 umfassen die Führungsmittel (guide means) neben einem zylindrischen Schirm auch einen Trog (trough). Das Begriffspaar "innere Komponente" und "äußere Komponente" ist in Patentanspruch 1 nicht enthalten, sondern wird erst in Patentanspruch 5 erwähnt. Bei der danach beanspruchten Gestaltung, die sich von Patentanspruch 1 dadurch unterscheidet, dass nach Anspruch 5 Trog und Schirm nur in eine Richtung drehbar sind, während Anspruch 1 die Drehbarkeit des Schirms auch in entgegengesetzter Richtung einschließt, ist das Führungsmittel in innere und äußere Komponenten unterteilt, wobei die innere Komponente nach der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform des Streitpatents wiederum einen Trog umfasst (Sp. 3 Z. 22 ff.; Sp. 4 Z. 26-27 und 40). Der Begriff "umfassen" indiziert, dass die Führungsmittel außer den ausdrücklich genannten noch weitere Bestandteile aufweisen können, so dass der Trog Teil der Führungsmittel ist. Entsprechendes gilt für die innere Komponente. Die Hierarchie der verwendeten Begriffe stellt sich demnach wie folgt dar: Der Ausdruck "Führungsmittel" wird in der Streitpatentschrift sowohl in den Patentansprüchen als auch in der Beschreibung als Oberbegriff verwendet. Das in Patenanspruch 5 genannte Begriffspaar "innere Komponente" und "äußere Komponente" stellt im Verhältnis zu dem Oberbegriff "Führungsmittel" eine Unterkategorie dar, die allerdings nicht zwingend vorhanden sein muss, weil sie im Hauptanspruch 1 nicht als solche genannt ist und lediglich eine bevorzugte Ausführungsform betrifft. Der Ausdruck "Trog" bezeichnet jeweils nur einen Bestandteil der Führungsmittel im Allgemeinen oder - im Fall der bevorzugten Ausführungsform - der inneren Komponente. Konkret bedeutet dies, dass mit dem Begriff "Trog" in den Figuren 3, 5, 6 und 7 lediglich das mit dem Bezugszeichen 68 be- zeichnete schraubenlinien- und rinnenförmige Element gemeint sein kann. Dass in Patentanspruch 1 für den Trog das Bezugszeichen 50 verwendet wird, das in der Beschreibung mit der inneren Komponente einem umfassenderen Teil der Führungsmittel zugeordnet ist, ändert hieran nichts. Nach Merkmal 4.2.1 weist der Trog radial nach außen. Diese Formulierung ergibt nur in Bezug auf ein Bauteil einen Sinn, das eine Öffnung nach einer Richtung aufweist, wie dies bei einem Trog typischerweise und insbesondere auch bei dem in den Figuren 3 bis 7 mit dem Bezugszeichen 68 gekennzeichneten, besser als Rinne bezeichneten Element der Fall ist.
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c) Die Parteien streiten ferner über die Auslegung des Merkmals 4.2.2.2, das in einem sachlichen Zusammenhang zu den Merkmalen 4.1 und 3.3.1 steht, die ebenfalls auf die vom Zwischenteil des Rohrs gebildete Führungsbahn Bezug nehmen.
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aa) Das Patentgericht hat angenommen, im Hinblick darauf, dass die Führungsbahn des Legerohrs durch dessen Querschnitt und dessen gekrümmten bzw. schraubenlinienförmigen Verlauf gebildet werde, könne die Führungsbahnverlängerung gemäß Merkmal 4.2.2.2 nicht nur auf den schraubenlinienförmigen Verlauf der Führungsbahn bezogen sein, sondern umfasse auch die Führungsmittel Trog und Schirm, die nicht nur im schraubenförmigen Verlauf, sondern auch im Querschnitt dem Legerohr entsprechen müssten. In der Beschreibung des Streitpatents sei ausgeführt, dass der Trog mit dem Schirm derart zusammenarbeite, dass eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn geschaffen werde, die durch das Legerohr gebildet werde. Auch aus den Figuren 3 und 7 des Streitpatents, die das Rohr, den Draht und den Trog zeigten, ergebe sich, dass Trog und Schirm gemeinsam den auslaufenden Draht so einschließen sollten, dass damit durch den Trog eine Verlängerung derjenigen Führungsbahn geschaffen werde, die vor dem Trog durch das Legerohr gebildet worden sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedürfe es da- bei keiner exakten, sondern lediglich einer qualitativen Nachbildung der Form der kreisrunden Führungsbahn des Legerohrs, da auch hierdurch erreicht werde , dass die Führungsenden des Drahtes sowohl in radialer als auch in axialer Richtung eingeschlossen seien, um jegliche Verformungen der Ringe am Ende eines Drahtabschnitts zu vermeiden.
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bb) Dies hält den Angriffen der Berufung stand.
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(1) Die Klägerin macht geltend, dass weder in Patentanspruch 1 noch in der Beschreibung des Streitpatents auf den Querschnitt des Rohrs Bezug genommen werde. Auf diesen könne es schon deshalb nicht ankommen, weil nach der Beschreibung des Streitpatents bei Drähten größerer Durchmesser, die mit geringeren Geschwindigkeiten gewalzt würden, eine zusätzliche Führung über jene hinaus, die das Legerohr bringe, nicht erforderlich sei oder sogar nachteilig sein könne und somit bei größeren Querschnitten des Walzdrahts überhaupt auf den Trog verzichtet werden könne. Ebenso wenig sei die Auslegung des Patentgerichts, wonach der Trog eine den Draht vollständig umschließende Führungsbahn im Sinne eines Rohrs nachbilde und den Draht somit eng umschlungen führe, durch Patentanspruch 1 oder die Beschreibung gedeckt. Ein "Einschließen" des Drahtes sei schon mit dem Begriff "Trog" nicht in Einklang zu bringen, da ein Trog stets nach einer Seite hin offen sei. Wenn eine den Draht völlig umschließende Führungsbahn gewollt gewesen wäre, wäre es einfacher gewesen, das Legerohr in der Form des im Stand der Technik bewährten Schneckengangs fortzuführen, statt einen Trog vorzusehen.
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(2) Dass dann, wenn Drähte von größerem Durchmesser mit geringerer Geschwindigkeit gewalzt werden können, auf den Trog verzichtet werden kann, weil das Streitpatent in diesen Fällen eine Führung durch das Legerohr für ausreichend erachtet, lässt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den Schluss zu, dass es insgesamt nicht darauf ankomme, ob der Trog und der zy- lindrische Schirm die durch das Zwischenteil des Rohrs gebildete Führungsbahn nicht nur hinsichtlich ihres Verlaufs, sondern auch in Bezug auf den Querschnitt des Rohrs nachbildeten. Merkmal 4.2.2.2 betrifft gerade den Fall, dass neben dem zylindrischen Schirm auch der Trog zum Einsatz kommt. Das Patentgericht hat für diesen Fall zutreffend angenommen, dass die Führungsmittel Trog und zylindrischer Schirm die vom Legerohr vorgezeichnete Führungsbahn nicht nur hinsichtlich ihres Verlaufs, sondern auch hinsichtlich ihres durch das Rohr vorgegebenen Durchmessers verlängern. In der Beschreibung heißt es in diesem Zusammenhang, das Aufnahmeende des Trogs sei so angeordnet, dass es unmittelbar an das Auslassende des Rohrs angrenze und mit diesem kommuniziere; so wirke der Trog mit dem Schirm zusammen, um eine schraubenförmige Verlängerung der vom Legerohr bestimmten Führungsbahn zu schaffen (Sp. 5 Z. 23-27). Die Endstücke sollen dadurch sowohl radial als auch axial in einer weiteren, um die Längsachse des Trägers laufenden Bahn eingegrenzt (confined) werden. Damit solle der Tendenz des Produkts zu knicken entgegengewirkt und gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass auch der letzte Ring eines jeden Drahtsegments die gleiche kreisrunde Form erhält wie die vorangegangenen Ringe (Sp. 5 Z. 31-36). Die Streitpatentschrift enthält keine ausdrücklichen Angaben dazu, durch welche Größe die axiale und radiale Begrenzung der Verlängerung der Führungsbahn bestimmt werden sollen. Aus Merkmal 4.2.2.2 lässt sich zwar entnehmen, dass die radiale und axiale Begrenzung durch den Trog und den zylindrischen Schirm vorgenommen werden. Aus der Anordnung dieser beiden Bauteile im Verhältnis zueinander ergibt sich ferner, dass die radiale Begrenzung der Verlängerung der Führungsbahn nach innen durch den Boden des Trogs und nach außen durch den Schirm erfolgt, während die axiale Begrenzung durch die Seitenwände des Trogs sichergestellt wird. Explizite Angaben dazu, welche Breite und Tiefe der Trog haben soll, sind in Merkmal 4.2.2.2 jedoch nicht enthalten. Allerdings nimmt Merkmal 4.2.2.2 auf die Führungsbahn Bezug. Diese wird nach Merkmal 3.3.1 durch das Zwischen- teil des Rohrs, das das Einlassende mit dem Auslass-ende verbindet, gebildet. Die Führungsbahn wird damit auch durch den Durchmesser des Rohrs bestimmt. Damit ergibt sich aus Merkmal 4.2.2.2, dass die Rinne des Trogs so gestaltet sein muss, dass sie bei Abdeckung durch den zylindrischen Schirm in etwa dem Umfang des Rohrs entspricht. Eine exakte Übereinstimmung mit der Form des Rohrs ist nicht zu erreichen, wenn der Schirm, wie in den Darstellungen der Figuren 3 und 7 auf der dem Trog zugewandten Seite keine Krümmung aufweist. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht angenommen hat, dass es keiner exakten Nachbildung der kreisrunden Führungsbahn des Legerohrs bedürfe, sondern eine qualitative Nachbildung ausreiche.
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Soweit das Patentgericht bei der Prüfung der Patentfähigkeit ausführt, dass ein im Stand der Technik offenbartes Bauteil, anders als das Streitpatent keine den Draht vollständig umschließende Führungsbahn im Sinne eines Rohrs nachbilden könne, oder den Draht nicht wie beim Streitpatent eng umschlungen führe, hat es entgegen der Auffassung der Klägerin Patentanspruch 1 nicht entgegen seinem Wortlaut ausgelegt. Es hat insbesondere nicht angenommen, wie die Klägerin behauptet, dass der Draht allein durch den Trog vollständig eingeschlossen werde, sondern hat lediglich festgestellt, dass die entsprechenden Bauteile im Stand der Technik keine Verlängerung der Führungsbahn im Sinne des Streitpatents offenbaren.
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d) Schließlich ist zwischen den Parteien streitig, ob Merkmal 4.2.2.2 dahin zu verstehen sei, dass die durch das Legerohr vorgegebene Führungsbahn einen vollständigen Umlauf der schraubenlinienförmigen Verlängerung um die Längsachse des Trägers voraussetze. Dies ist zu verneinen. Erst Patentanspruch 2 verlangt, dass die schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn wenigstens einen vollständigen Umlauf um die Längsachse des Trägers definiert. Daraus ergibt sich, dass Patentanspruch 1 auch Gestaltungen umfasst, bei denen die Führungsbahn nicht um einen vollständigen Umlauf verlängert wird. Gestützt wird diese Auslegung auch durch die Beschreibung, wo es heißt, dass die Verlängerung vorzugsweise wenigstens einen vollständigen Umlauf durch die Drehachse des Legerohrs definiert (Sp. 3 Z. 17-19).
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II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig erachtet und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu. Er werde weder durch die deutsche Offenlegungsschrift 1 291 716 (PB3), die französische Patentschrift 1 526 997 (PB9) oder die italienische Patentschrift 1 235 074 (PB4) noch durch die von der Klägerin geltend gemachten Vorbenutzungen vorweggenommen.
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Die PB3 zeige zwei unterschiedliche Ausführungsformen eines Legekopfs zum Formen eines sich axial bewegenden, lang gestreckten Produkts in eine Serie von Ringen. Damit offenbare die PB3 zwar Merkmal 1 sowie die Merkmalsgruppen 2 und 3. Jedoch entsprächen die in der PB3 gezeigten Führungsmittel nicht allen Kriterien der Merkmalsgruppe 4. So weise der in der PB3 offenbarte Drahtlegekopf mit dem nach dem Legerohr angeordneten Schneckengang und dem zylindrischen Schirm in Form eines den Schneckengang umgebenden Gehäuses zwar Führungsmittel auf, die mit dem Auslassende des Rohrs kommunizierten, wie Merkmal 4.1 dies vorsehe. Allerdings definiere die nach dem Auslassende des Rohrs angeordnete schraubenlinienförmig verlaufende Wandung des Schneckengangs keine Verlängerung der durch das Rohr vorgegebenen Führungsbahn im Sinne von Merkmal 4.2.2.2. Zwar sei nach der PB3 die axiale Austrittsgeschwindigkeit des auslaufenden Drahtstrangs durch den schraubenförmigen Schneckengang beeinflussbar. Jedoch werde die Führungsbahn nicht hinsichtlich des Querschnitts des Rohrs nachgebildet, weil nach dem Legerohr zwischen der vorlaufenden Wandung und der nachlaufen- den Wandung des Schneckengangs ein derart großer Raum vorhanden sei, dass das dort endende Legerohr in seiner Neigung zum Schneckengang verstellt werden könne. Ebenso wenig weise der in der PB3 offenbarte Legekopf einen nach außen weisenden Trog im Sinne von Merkmal 4.2.1 auf. Die Wandung des Schneckengangs könne auch dann nicht als Trog angesehen werden, wenn er mehr als 360° umlaufe und dadurch Teilabschnitte der Wandung parallel verliefen. Schließlich fehle es auch an der Abnehmbarkeit im Sinne von Merkmal 4.2.1.1.
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Die PB9 gehöre zur Familie der PB3 und gehe nicht über den aus der PB3 bekannten Gegenstand hinaus.
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Schließlich werde der Erfindungsgegenstand auch nicht durch die PB4 neuheitsschädlich getroffen. Insoweit fehle es ebenfalls an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 4. Die Führungsmittel des in der PB4 gezeigten Legekopfs umfassten eine Frontplatte, einen zylindrischen Ring und einen Ringabschnitt, der um ca. 180° umlaufe. Der Ringabschnitt (20 - porzione di anello), der in Patentanspruch 1 auch als "ablenkendes Positioniermittel" (mezzo deflettore condizionatore ) bezeichnet werde, diene als Ablenkungsvorrichtung für den Drahtstrang und sei - wie sich aus der Figur 3 ergebe - an einem zylindrischen Ring befestigt. Dieser nach dem Auslassende des Rohrs angeordnete Ringabschnitt könne keine durch das Rohr vorgegebene Führungsbahn definieren, wie dies von den Merkmalen 4.1 und 4.2.2.2 in Verbindung mit Merkmal 3.3.1 verlangt werde. Ein einzelner Ringabschnitt, der nur 180° umlaufe, könne einen Drahtstrang allenfalls ablenken, nicht jedoch eine den Draht vollständig umschließende Führungsbahn nachbilden. Selbst wenn man den zylindrischen Ring als Schirm im Sinne des Streitpatents ansähe, seien jedenfalls weder die Merkmalsgruppe 4.2.1 noch die Merkmale 4.2.2.1 und 4.2.2.2 offenbart, da der Legekopf der PB4 keinen Trog aufweise. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehe, dass der Ringabschnitt nach der Beschreibung der PB4 durch eine U-förmige Führung ersetzt werden könnte, könne dies nicht als radial nach außen weisender Trog im Sinne von Merkmal 4.2.1 angesehen werden, da die Beschreibung insoweit keine Angaben zur Ausrichtung der U-förmigen Führung enthalte. Wenn danach hinsichtlich der Ausrichtung der U-förmigen Führung mehrere unterschiedliche Ausführungen technisch möglich seien, bedürfe es für die Auswahl weiterer durch Fachwissen getragener Überlegungen, so dass insoweit nicht von einer Selbstverständlichkeit ausgegangen werden könne, die mitgelesen werde.
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 habe sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Als Fachmann sei ein hochqualifizierter Diplom-Ingenieur mit zumindest Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der spanlosen Umformtechnik, insbesondere auch in der Konstruktion von Drahtwalzeinrichtungen verfüge.
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Als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit könne mit der Klägerin die PB3 herangezogen werden, da diese zur selben Familie gehöre wie die in der Streitpatentschrift genannte PB9 und somit dieselbe Erfindung zum Gegenstand habe. Die PB3 spreche das Problem, dass bei hohen Geschwindigkeiten die Ringe Verformungen erleiden und infolgedessen Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs auftreten können, nicht an. Der Fachmann erhalte daher aus der PB3 keine Anregung für eine Ausgestaltung der Führungsmittel in der Form eines Trogs entsprechend der Merkmalsgruppe 4.
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Entsprechendes gelte für die PB4, die dem Fachmann auch bei der danach möglichen Ausführungsform, dass der Ringabschnitt als U-förmige Führung ausgestaltet sei, weder für sich noch in der Zusammenschau mit der PB3 eine Anregung gebe, nach technischen Lösungen zu suchen, die das Verformen der Ringe und damit Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs vermeiden.
Der Fachmann werde auch in diesem Fall das Rohr oder das U-Profil mangels entsprechender Ausführungen in der PB4 lediglich als gleichwirkenden Ersatz für den am zylindrischen Ring befestigten Ringabschnitt ansehen, der den Drahtstrang lediglich ablenken und nicht - wie beim Streitpatent - eng umschlungen führen solle. Hierfür käme allenfalls ein nach innen gerichtetes ausgerichtetes U-Profil oder ein (Vierkant-)Rohr in Frage, das den Drahtstrang an der Außenwandung in gleicher Weise ablenke wie der Ringabschnitt, jedoch demgegenüber einfacher oder stabiler am zylindrischen Ring befestigt werden könnte. Die beanspruchte Lehre sei auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen in naheliegender Weise auffindbar gewesen. Vielmehr habe es eingehender Überlegung bedurft, die auf erfinderische Tätigkeit schließen ließen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen. Die von der Klägerin behauptete offenkundige Vorbenutzung gehe nicht über das hinaus, was dem Fachmann aus der PB4 bekannt sei.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
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1. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 neu ist. Er wird entgegen der Auffassung der Klägerin weder durch die Entgegenhaltung PB3 noch durch die Entgegenhaltungen PB4 und PB9 oder die im zweiten Rechtszug geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen.
35
a) Die PB3 betrifft einen Legekopf (Edenbornhaspel), bei dem ein Drehrohr mit einem Legekonus verbunden ist, aus dem die Drahtwindungen einzeln austreten und von dort aus über Fördereinrichtungen zu einer nachfolgenden Sammelstelle gefördert werden. Die Umfangsfläche des Legekonus ist mit einem Schneckengang versehen. Um den Windungsleger in Verbindung mit unterschiedlichen Fördermitteln verwenden und gleichzeitig auch bei verschiede- nen Drahtdicken einwandfrei geformte Drahtwindungsstränge erzeugen zu können , schlägt die PB3 vor, das Drehrohr so auszubilden, dass es in seiner Neigung zum Schneckengang verstellbar und/oder auswechselbar ist. Dadurch werden für die Erzeugung der einzelnen Drahtwindungen mehrere Betriebsarten für das Zusammenwirken von Legerohr und Schneckengang ermöglicht (Sp. 1 Z. 35-42). So kann die Auslauföffnung des Legerohrs einmal gegen die vorlaufende Wandung des Schneckengangs geneigt angeordnet werden. In diesem Fall werden die sich bildenden Drahtwindungen an der vorlaufenden Wandung des Schneckengangs abgebremst. Dadurch kann die axiale Austrittsgeschwindigkeit des Drahtwindungsstrangs so verringert werden, dass dieser geordnet und mit einfachen Mitteln auf die nachfolgende Transporteinrichtung gebracht werden kann. Das Legerohr ist bei dieser Variante relativ kurz ausgebildet , so dass der Draht einem relativ geringen Reibungswiderstand ausgesetzt ist und eine zu starke Biegung verhindert und damit ein Rückstau zur Walzstraße klein gehalten wird (Sp. 1 Z. 43-53). Zum anderen kann die Auslauföffnung parallel zu der nachlaufenden Wandung des Schneckengangs geneigt angeordnet werden. Bei dieser Betriebsart werden die sich bildenden Drahtwindungen frei beweglich zwischen den Schneckengangswandungen vorgefördert, und nur die letzten Drehwindungen, die von dem aus der Walzstraße ausgelaufenen freien Ende gebildet werden, werden von der nachlaufenden Wandung des Schneckengangs aus dem Windungsleger herausgedrückt. Die axiale Austrittsgeschwindigkeit des Drahtwindungsstrangs kann durch Verstellen der Neigung des Legerohrs gegenüber der Wandung des Schneckengangs verändert und so den Anforderungen der nachgeordneten Fördermittel angepasst werden (Sp. 1 Z. 61 bis S. 2 Z. 6). Schließlich kann die Neigung des Legerohrs gegen die Wandung des nachlaufenden Schneckengangs gerichtet werden. Dadurch können in begrenztem Umfang Drahtwindungen unterschiedlichen Durchmessers erzeugt werden (Sp. 2 Z. 14-18).
36
Der Windungsleger nach der PB3 offenbart damit das Merkmal 1 sowie die Merkmalsgruppen 2 und 3. Mit dem Schneckengang und dem zylindrischen Gehäuse bei der in Figur 1 gezeigten Variante bzw. dem konischen Rahmenteil der in Figur 3 gezeigten Variante weist der Legekopf der PB3 zwar dem Streitpatent vergleichbare Führungsmittel auf. Jedoch verwirklichen diese Führungsmittel nicht sämtliche Kriterien der Merkmalsgruppe 4. So kommunizieren sie zwar auch mit dem Auslassende des Legerohrs, so dass Merkmal 4.1 zumindest teilweise offenbart ist. Nicht offenbart werden jedoch die Merkmale 4.2.1, 4.2.1.1 und 4.2.2.2. So kann die Wandung des Schneckengangs nicht mit einem nach außen weisenden Trog im Sinne des Merkmals 4.2.1 gleichgesetzt werden. Beim Schneckengang der PB3 kann zwar die Steigung verstellt werden , wenn der Windungsabstand in Abhängigkeit von der Dicke des Drahts verändert werden soll (Sp. 1 Z. 57-60). Jedoch ist der Schneckengang nicht abnehmbar, wie dies beim Trog des Streitpatents nach Merkmal 4.2.1.1 der Fall ist. Schließlich arbeiten weder der zylindrische Schirm in der in Figur 1 der PB3 dargestellten Ausführungsform noch der konische Rahmenteil in der in Figur 3 gezeigten Ausführungsform mit dem Schneckengang in der von Merkmal 4.2.2.2 vorgesehenen Weise zusammen. Bei dem Legekopf nach der PB3 kann das Legerohr im Verhältnis zur Wandung des Schneckengangs verstellt werden (Sp. 1 Z. 36-38), um die Austrittsgeschwindigkeit des Drahtwindungsstrangs zu verändern und an die Geschwindigkeit der vorangehenden Walzstraße oder der nachfolgenden Transporteinrichtungen anzupassen, je nachdem, ob die Drahtwindungsstränge in senkrechter Ebene, in ausgefächerten Windungen liegend oder überlappt weiter transportiert werden sollen. Außerdem kann unabhängig hiervon auch die Steigung des Schneckengangs verstellt werden (Sp. 1 Z. 59-60). Damit ermöglicht es die PB3 - anders als das Streitpatent - gerade nicht, mit den Führungsmitteln die durch das Legerohr vorgezeichnete Führungsbahn weiterzuführen. Diese soll vielmehr in Abhängigkeit vom Durchmesser des Drahtes und/oder der Art des vorgesehenen Weitertransports nach dem Austritt aus dem Windungsleger durch Verstellen des Legerohrs gegenüber der Neigung des Schneckengangs verändert werden können.
37
b) Die PB9 gehört zur Familie der PB3 und geht - wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Frage gestellt hat - nicht über das dort Offenbarte hinaus, so dass die Neuheit des Streitpatents gegenüber der PB9 aus den gleichen Gründen wie bei der PB3 zu bejahen ist.
38
c) Die PB4 beschreibt einen Windungsleger, der eine Statoreinheit (gruppo statore), eine Antriebseinheit (gruppo motore) und eine Dreheinheit (gruppo rotante) umfasst, wobei die Dreheinheit ein Führungsrohr aufweist. Nach dem Auslassende des Rohrs sind Führungsmittel angeordnet, die eine Frontplatte, einen zylindrischen Ring und in der in den Figuren der PB4 dargestellten Ausführungsform einen Ringabschnitt (porzione di anello) umfassen. Der Ringabschnitt, der in Patentanspruch 1 der PB4 auch als ablenkendes Positioniermittel (mezzo deflettore condizionatore) bezeichnet wird, ist an dem zylindrischen Ring befestigt und dient als Vorrichtung zum Ablenken des Drahtstrangs. Aus den Figuren der PB4 ergibt sich, dass der Ringabschnitt nur zu etwa 180° umläuft. Damit offenbart die PB4 zwar Merkmal 1 sowie die Merkmalsgruppen 2 und 3. Jedoch werden nicht alle Elemente der Merkmalsgruppe 4 offenbart. So kann, auch wenn man den zylindrischen Ring noch als Schirm gemäß Merkmal 4.2.2 ansehen mag, der Ringabschnitt jedenfalls nicht einem Trog im Sinne von Merkmal 4.2.1 gleichgesetzt werden, da er nicht nach einer Seite offen ist, sondern auf einen Teil des zylindrischen Rings aufgesetzt ist, ohne eine Einbuchtung aufzuweisen. Zwar ist in der PB4 erwähnt, dass statt des Ringabschnitts ein Rohr, eine U-förmige Führung oder ein anderes geeignetes Mittel vorgesehen sein könne (S. 5, letzter Absatz der dt. Übers.), wobei eine U-förmige Führung mit ihrer Öffnung nach einer Seite - anders als ein Rohr - im Prinzip auch mit einem Trog als vergleichbar angesehen werden könnte. Jedoch enthält die PB4 keine Angaben dazu, wie die alternativen Mittel zu dem Ringabschnitt angeordnet sein sollen. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass beim Einsatz einer U-förmigen Führung diese mit ihrer Öffnung nach außen angeordnet sein sollte, wie dies beim streitpatentgemäßen Trog nach Merkmal 4.2.1 der Fall ist. Unabhängig hiervon ist jedenfalls Merkmal 4.2.1.1 nicht offenbart, da in der PB4 eine Abnehmbarkeit des Ringabschnitts oder der alternativ einsetzbaren Mittel nicht vorgesehen ist. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob Merkmal 4.2.2.2 verwirklicht ist.
39
d) Die Neuheit der erfindungsgemäßen Lehre ist auch nicht im Hinblick auf die im zweiten Rechtszug geltend gemachte Vorbenutzung zu verneinen.
40
aa) Es erscheint fraglich, ob das betreffende Vorbringen zu berücksichtigen ist.
41
Die Klägerin hat sich erstmals in einem eineinhalb Monate nach Ablauf der Frist für die Berufungsbegründung eingegangenen Schriftsatz auf eine offenkundige Vorbenutzung durch die T. S.A. berufen, an die die S. AG (später: S. AG), eine Lizenznehmerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten (M. ), zur Durchführung von Drahtlegeversuchen einen Drahtwindungsleger geliefert haben soll, von dem die Klägerin geltend macht, dass dieser den Gegenstand von Patentanspruch 1 vorwegnehme. Hierbei handelt es sich um ein neues Angriffsmittel im Sinne von § 117 PatG und § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, das unter den Voraussetzungen von § 117 PatG in Verbindung mit § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO im Berufungsverfahren zuzulassen ist.
42
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Nichtigkeitskläger grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei. Hat das Patentgericht das Vorbringen des Klägers, der Gegenstand des Streitpatents sei durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt, für begründet erachtet, hat der Kläger regelmäßig keine Veranlassung, weitere Angriffsmittel vorzutragen, um die fehlende Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents zu begründen. In einem solchen Fall beruht es grundsätzlich nicht auf Nachlässigkeit, wenn der Kläger die entsprechenden Angriffsmittel nicht bereits im ersten Rechtszug vorgebracht hat (BGH, Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 Rn. 37-39 - Fahrzeugwechselstromgenerator ). So verhält es sich an sich hier. Denn das Patentgericht hat das Vorbringen der Klägerin, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch die Entgegenhaltung PB3 nahegelegt, jedenfalls in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG für begründet erachtet.
43
Allerdings bestehen gegen die Zulassung insofern Bedenken, als die Vorbenutzung, auf die sich die Klägerin nunmehr beruft, bereits im Einspruchsverfahren gegen das Streitpatent von der Einsprechenden S. AG vorgebracht worden ist und die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts dort zu dem Ergebnis gekommen ist, dass nicht schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt worden sei, aus welchen Tätigkeiten und Umständen sich eine offenkundige Vorbenutzung ergeben solle. Insbesondere lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der Auslieferung des Schneckenvorsatzes an die T. S.A. um eine reguläre Lieferung gehandelt habe. In Bezug auf die Versuche sei weder zu deren Umfang und Dauer noch zu dem dabei anwesenden Personenkreis hinreichend vorgetragen. Dass Dritte zu den Versuchen zugelassen gewesen seien, sei angesichts der Umstände des Falles höchst unwahrscheinlich. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass gelegentliche Besucher in der Lage gewesen wären , bei dem nach dem Vorbringen der Einsprechenden nach den Versuchen ausrangierten Schneckenvorsatz ausreichend technische Merkmale auszu- machen und Schlüsse auf deren Funktion zu ziehen (Entscheidung vom 18. September 2001 - T 0864/99 - 3.2.1). Die Klägerin hat nicht dargetan, was sie veranlasst hat, den betreffenden Sachverhalt dem Patentgericht nicht vorzutragen. Ihr Prozessbevollmächtigter hat auf Befragen des Senats erklärt, er sei ihm persönlich nicht bekannt gewesen. Dies spricht für eine nachlässige Prozessführung , denn die prozessuale Sorgfalt gebietet es, vor Erhebung einer Patentnichtigkeitsklage eine das Streitpatent betreffende Einspruchsentscheidung auszuwerten.
44
bb) Letztlich kann die Frage, ob die Klägerin gehalten war, das auf offenkundige Vorbenutzung gestützte neue Angriffsmittel bereits im ersten Rechtszug geltend zu machen, jedoch offenbleiben, da die Klägerin auch im Streitfall nicht hinreichend dargetan hat, dass der Gegenstand der Vorbenutzung offenkundig war.
45
Durch die Lieferung einer Vorrichtung werden der Aufbau und die maßgeblichen technischen Merkmale der Vorrichtung grundsätzlich preisgegeben und damit offenkundig. Voraussetzung für die Annahme, dass Dritte von der technischen Information Kenntnis erlangen konnten, ist jedoch, dass die Weiterverbreitung an beliebige Dritte durch den Empfänger nach der Lebenserfahrung nahegelegen hat. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die zum Zeitpunkt der Lieferung der technischen Information bestehenden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten oder die sonstigen Umstände der Lieferung. Bei der Lieferung einer Vorrichtung an einen einzelnen Abnehmer kommt es sonach darauf an, ob bei der Lieferung eine Geheimhaltungspflicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde oder sich aus Treu und Glauben ergibt oder ob zu erwarten war, dass der Empfänger die maßgeblichen technischen Merkmale der Vorrichtung wegen eines eigenen geschäftlichen Interesses geheim halten werde (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - X ZR 81/11, GRUR 2013, 367 Rn. 20 f. mwN - Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser).
46
Nach diesen Maßstäben kann nicht davon ausgegangen werden, dass die technische Lehre des Streitpatents durch die Lieferung des Drahtwindungslegers und des Schneckenvorsatzes an die T. S.A. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Nach dem Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen wurde der Drahtwindungsleger diesem Unternehmen zur Durchführung von Versuchen überlassen. Dem vorgelegten Schriftverkehr zwischen der S. AG und der T. S.A. lässt sich entnehmen, dass diese es für unerlässlich hielt, dass bei den Versuchen verantwortliche Mitarbeiter der S. AG anwesend waren, um aufgrund der bei den Versuchen gewonnenen Erkenntnisse die für einen Produktionsbetrieb unter normalen Bedingungen erforderlichen Anpassungen und Änderungen der Einstellungen vornehmen zu können (Anlage LS27). Dies spricht dafür, dass bei den Versuchen unbeteiligte Dritte gerade nicht anwesend sein sollten, so dass von einer öffentlichen Zugänglichkeit der einschlägigen technischen Informationen im Prioritätszeitpunkt nicht ausgegangen werden kann. Die geltend gemachte Vorbenutzung kann danach bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents nicht berücksichtigt werden (Art. 54 Abs. 2 EPÜ).
47
2. Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt war.
48
a) Als maßgeblicher Fachmann ist mit dem Patentgericht ein DiplomIngenieur mit zumindest Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der spanlosen Umformtechnik, insbesondere auch in der Konstruktion von Drahtwalzeinrichtungen , verfügt. Soweit die Klägerin fordert, dass der Fachmann im Hinblick darauf, dass Windungsleger komplexe und technisch hoch entwickelte Maschinen und Werkzeuge seien, die hohen Anforderungen entsprechen müssten, über mindestens drei bis fünf Jahre Erfahrung in der Planung von Windungslegern sowie einen hohen Bildungsgrad und eine Organisations- und Kombinationsgabe verfügen müsse, unterscheidet sich dies im Ergebnis nicht von der Definition des Patentgerichts.
49
b) Die PB3 und die zu derselben Familie gehörende, in der Streitpatentschrift als Stand der Technik in Bezug genommene PB9 gaben dem Fachmann keine Anregung, die Führungsmittel entsprechend der Merkmalsgruppe 4 auszugestalten, insbesondere diese so anzuordnen, dass sie im Sinne des Merkmals 4.2.2.2 zusammenarbeiten, um eine radial und axial begrenzte, schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren, und dass eines der Führungsmittel - wie der Trog des Streitpatents - abgenommen werden kann, wenn eine zusätzliche Führung über diejenige des Legerohrs hinaus nicht erforderlich oder unzweckmäßig ist. Der Kern der in diesen Entgegenhaltungen offenbarten technischen Lösung besteht darin, dass die Neigung des Drehrohrs im Verhältnis zur Wandung des Schneckengangs verändert werden und je nach Bedarf unterschiedlich eingestellt und die Auslauföffnung des Rohrs entweder gegen die vorlaufende oder parallel zur bzw. gegen die nachlaufende Wandung des Schneckengangs gerichtet werden kann. Damit soll die Austrittsgeschwindigkeit des Drahtwindungsstrangs verändert und an die Geschwindigkeit der vorangehenden Walzstraße oder der nachfolgenden Transporteinrichtungen angepasst werden können, so dass auch bei unterschiedlichen Drahtstärken und Arbeitsgeschwindigkeiten einwandfrei geformte und gelegte Drahtwindungsstränge erzeugt werden. Unabhängig davon, dass danach bereits zweifelhaft ist, ob der Fachmann überhaupt Anlass hat, nach einer anderen Lösung für die Herstellung einwandfrei geformter Ringe zu suchen, geben die PB3 und die PB4 dem Fachmann vor diesem Hintergrund jedenfalls keine Anregung für die erfindungsgemäße Lösung, bei höheren Betriebsgeschwindigkeiten Stauchungen der Ringe und Störungen im Betriebsablauf dadurch zu vermeiden, dass die vom Legerohr vorgegebene Führungsbahn durch entsprechende Führungsmittel - radial und axial begrenzt - verlängert und der Draht möglichst eng durch eine Rinne ("Trog") geführt wird, und bei geringeren Betriebsgeschwindigkeiten die Herstellung einwandfrei geformter Ringe dadurch sicherzustellen, dass auf eine enge Führung durch eine die Führungsbahn des Legerohrs nachzeichnende Rinne verzichtet wird.
50
c) Ebenso wenig wurde dem Fachmann der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch die PB4 nahegelegt. Die PB4 gibt dem Fachmann auch mit der Möglichkeit, statt des Ringabschnitts ein U-förmig gestaltetes Führungsmittel vorzusehen, keine Anregung zu der erfindungsgemäßen Lösung, bei der ein charakteristisches Merkmal darin besteht, dass das die Führungsbahn des Legerohrs verlängernde Führungsmittel bei Bedarf bei der Verarbeitung von Drähten mit größeren Durchmessern und entsprechend angepassten geringeren Betriebsgeschwindigkeiten abmontiert werden kann.
51
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Gröning Bacher Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 07.10.2013 - 4 Ni 26/11 (EP) -

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Tenor Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

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Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 99/11 Verkündet am:
28. August 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Fahrzeugwechselstromgenerator
a) Die Vorlage eines Privatgutachtens in zweiter Instanz stellt nicht notwendigerweise
neues Vorbringen dar. Der auf das Gutachten gestützte Parteivortrag ist nicht neu,
wenn durch die Ausführungen des Gutachters Vorbringen aus der ersten Instanz
zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird.
b) Berufungsvorbringen im Patentnichtigkeitsverfahren, das auf eine bereits in erster
Instanz vorgelegte Druckschrift gestützt wird, ist neu, wenn zu der konkreten technischen
Information und den Anregungen zu der erfindungsgemäßen Lehre, die der
Fachmann nach dem Berufungsvortrag der Schrift entnehmen soll, vor dem Patentgericht
nicht vorgetragen worden ist.
c) Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit
des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere
mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum
der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder
nahegelegt sei.
BGH, Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 28. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski, Hoffmann und die
Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. April 2011 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit das europäische Patent 1 223 660 im Umfang des Patentanspruchs 2 und der Patentansprüche 3 bis 6, soweit auf Patentanspruch 2 rückbezogen, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt worden ist. Die Kosten des ersten Rechtzuges werden gegeneinander aufgehoben , die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 223 660 (Streitpatents ), das - unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Patentanmeldung vom 26. Dezember 2000 - am 18. September 2001 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst 10 Patentansprüche, von denen Patentansprüche 1 bis 6 Fahrzeugwechselstromgeneratoren und Patentansprüche 7 bis 10 Ver- fahren zur Herstellung eines Stators für einen Fahrzeugwechselstromgenerator betreffen. Patentanspruch 2 hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "An automotive alternator comprising: a rotor (7) fixed to a shaft (6) rotatably supported by a case (3); a cooling fan (5) disposed on at least one axial end portion of said rotor (7); a stator (8A) provided with: a cylindrical stator core (15) in which slots (14) extending axially are formed at a ratio of two per phase per pole so as to line up circumferentially , said stator core (15) being supported by said case (3) so as to envelop said rotor (7); and a stator winding (16A) composed of first and second three-phase alternating -current windings (160A, 160B) installed in said stator core (15); and a rectifier (12) for rectifying an alternating-current output from said stator winding (16A), wherein said slots (14) are arranged in order of an a-phase slot (14a), a d-phase slot (14d), a b-phase slot (14b), an e-phase slot (14e), a cphase slot (14c), and an f-phase slot (14f) repeatedly in a circumferential direction; said stator winding (16A) is provided with a-phase, b-phase, c-phase, d-phase, e-phase and f-phase winding phase portions (40a, 40b, 40c, 40d, 40e, 40f) in each of which a conductor wire (32) coated with electrical insulation is installed in a wave shape in a slot group constituted by slots (14) of like phase so as to extend outwards in an axial direction relative to said stator core (15) from any given slot (14), extend circumferentially, and enter a subsequent slot (14) of like phase; said first three-phase alternating-current winding (160A) is constructed by forming said a-phase winding phase portion (40a), said bphase winding phase portion (40b), and said c-phase winding phase portion (40c) into an alternating current connection; said second three-phase alternating-current winding (160B) is constructed by forming said d-phase winding phase portion (40d), said ephase winding phase portion (40e), and said f-phase winding phase portion (40f) into an alternating-current connection; said a-phase, b-phase, c-phase, d-phase, e-phase, and f-phase winding phase portions (40a, 40b, 40c, 40d, 40e, 40f) are installed said stator core (15) so as to line up in six layers radially; and a first of said winding phase portions (40a, 40b, 40c) constituting said first-three-phase alternating-current winding (160A) constitutes one of three radially-inner layers and a second of said winding phase portions (40a, 40b, 40c) constituting said first three-phase alternatingcurrent winding (160A) constitutes one of three radially-outer layers."
2
Die Patentansprüche 3 bis 6 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 2 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3, 5 und 6, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 4 rückbezogen sind, sowie der Patentansprüche 7 und 8 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt.
5
Dagegen wendet sich die Beklagte, soweit das Patentgericht das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 2 und der auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 6 für nichtig erklärt hat. Sie erstrebt insoweit weiterhin die Klageabweisung und verteidigt den Gegenstand dieser Ansprüche außerdem mit 7 Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
7
I. Das Streitpatent betrifft, soweit es im Berufungsverfahren noch in Streit steht, einen Wechselstromgenerator für Fahrzeuge.
8
1. In der Streitpatentschrift wird erläutert, dass ein Fahrzeugwechselstromgenerator im Allgemeinen einen Stator umfasse, welcher aus einer Wicklung um einen zylindrischen Kern bestehe. In dem Statorkern erstreckten sich axiale Nuten in in Umfangsrichtung gleichmäßigen Winkelabständen. Der Generator umfasse außerdem einen Rotor mit einer Feldwicklung an der inneren Umfangsseite des Stators. Die Nuten seien im Statorkern in einem Verhältnis von eins pro Phase pro Pol proportional zur Anzahl der Phasen der Statorwicklung und der Anzahl der Magnetpole im Rotor angeordnet (Rn. 3).
9
Wenn die Nuten in einem Verhältnis von eins pro Phase pro Pol in der genannten Art und Weise angeordnet seien, überlappe - so wird in der Beschreibung kritisch angemerkt - ein zwischen den Nuten angeordneter Zahn des Statorkerns ein angrenzendes Paar von Magnetpolen in radialer Richtung für einen relativ langen Zeitraum, was zu einer erhöhten magnetischen Flussleckrate führe. Dies habe wiederum Schwankungen der erzeugten Spannung und Störungen der Wellenform der Leistungsabgabe zur Folge, wodurch bei der Umwandlung von Wechsel- in Gleichstrom Störgeräusche entstünden (vgl. Rn.

4).

10
In der japanischen Offenlegungsschrift Hei 4-26345 (entspricht sachlich der US-Patentschrift 5 122 705, Anlage K 6) werde vorgeschlagen, die magnetische Flussleckrate durch die Anordnung der Nuten in einem Verhältnis von zwei pro Phase pro Pol zu reduzieren, um auf diese Weise die Überlappungsdauer zu verkürzen (Rn. 5). Ein in dieser Schrift beschriebener Rotor mit zwölf Magnetpolen sei von 72 Nuten in einem Statorkern mit jeweils einem elektri- schen Winkelabstand von 30° umgeben, die zwei Dreiphasenwechselstromwicklungen aufnähmen. Entsprechend der radialen Position der Wicklungsköpfe variiere auch die Wärmeverteilung, wenn der von einem Kühlgebläse erzeugte Luftstrom von einer inneren zu einer äußeren Umfangsseite des Statorkerns ströme. Die Wärme könne daher von den Wicklungsköpfen nicht effektiv abgeleitet werden, was stark ansteigende Statortemperaturen und einen Leistungsabfall zur Folge habe (Rn. 13).
11
Diesem Problem sei im Stand der Technik durch die Verwendung kurzer U-förmiger Drahtsegmente für die Statorwicklung begegnet worden. Diese könnten so angeordnet werden, dass sie in Umfangsrichtung und radial voneinander getrennt seien, so dass ein Kurzschluss zwischen den Wicklungsköpfen mit geringerer Wahrscheinlichkeit auftrete und die Wärmeabgabe erhöht werde. Nachteilig sei jedoch der hohe Aufwand durch das Einsetzen einer Vielzahl solcher Drahtsegmente (Rn. 14).
12
Hieraus und aus den Angaben der Beschreibung zur Aufgabe (Rn. 15) ergibt sich, dass der Erfindung das Problem zugrunde liegt, mit möglichst geringem Aufwand einen leistungsfähigen Fahrzeugwechselstromgenerator bereitzustellen.
13
2. Der Fahrzeugwechselstromgenerator nach Patentanspruch 2 lässt sich wie folgt in Merkmale gliedern (in eckigen Klammern und Fettdruck die Gliederungspunkte des Patentgerichts): 1 einen auf einer Welle (6) in einem Gehäuse (3) drehbar gelagerten Rotor (7) [2.1]; 2 ein Kühlgebläse (5), das zumindest an einem axialen Endabschnitt des Rotors (7) angeordnet ist [2.2]; 3 einen Stator (8A) [2.3] mit 3.1 einem in dem Gehäuse (3) gelagerten und den Rotor (7) umgebenden zylindrischen Statorkern (15) [aus 2.3.1], 3.2 einer im Statorkern (15) untergebrachten Statorwicklung (16A) [aus 2.3.2]; 4 einen Gleichrichter (12) zum Gleichrichten des von der Statorwicklung (16A) erzeugten Wechselstroms [2.4]; 5 im Statorkern sind sich axial erstreckende in Umfangsrichtung aufeinanderfolgende Nuten (14) ausgebildet [aus 2.3.1], 5.1 in einem Verhältnis von zwei pro Phase pro Pol [aus 2.3.1], 5.2 die in Umfangsrichtung sich wiederholend als den Phasen A, D, B, E, C und F zugeordnete Nuten (14a, 14d, 14b, 14e, 14c, 14f) angeordnet sind [2.5]; 6 die Statorwicklung (16A) 6.1 weist A-, B-, C-, D-, E- und F-Phasen-Wicklungsabschnitte (Stränge 40a, 40b, 40c, 40d, 40e, 40f) auf [2.6], 6.1.1 in denen jeweils ein mit einer elektrischer Isolierung beschichteter Wicklungsdraht (32) in Wellenform eine der gleichen Phase zugeordnete Gruppe von Nuten (14) durchläuft, sich von jeder Nut (14) in zum Statorkern (15) axialer Richtung nach außen erstreckt, in Umfangsrichtung verläuft und in eine darauf folgende, der gleichen Phase zugeordnete Nut (14) eintritt [2.7] und 6.1.2 die so im Statorkern (15) angeordnet sind, dass sie in radialer Richtung in sechs Lagen aufeinanderfolgen ("so as to line up in six layers radially") [2.10]; 6.2 besteht aus einer ersten und einer zweiten Dreiphasenwechselstromwicklung (160A, 160B) [aus 2.3.2], von denen 6.2.1 die erste Dreiphasenwechselstromwicklung (160A) aus den Strängen (40a, 40b, 40c) der Phasen A, B und C besteht [2.8], von denen 6.2.1.1 einer eine von drei radial inneren Lagen und 6.2.1.2 ein anderer eine der drei radial äußeren Lagen bildet [2.11], und 6.2.2 die zweite Dreiphasenwechselstromwicklung (160B) aus den Strängen (40d, 40e, 40f) der Phasen D, E und F besteht [2.9].
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3. Wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, entnimmt der Fachmann, bei dem es sich um einen Ingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Fahrzeuggeneratoren handelt, Patentanspruch 1 eine "entmischte", den Merkmalen 6.1.2, 6.2.1.1 und 6.2.1.2 des Patentanspruchs 2 hingegen eine vermischte Einbaureihenfolge, bei der zumindest ein Strang der ersten Dreiphasenwechselstromwicklung erst zusammen mit der zweiten Dreiphasenwechselstromwicklung eingelegt wird. Aufgrund dieser Einbaureihenfolge bildet zumindest ein Strang der ersten Dreiphasenwechselstromwicklung eine von drei radial inneren Lagen und zumindest ein anderer Strang der ersten Dreiphasenwechselstromwicklung eine der drei radial äußeren Lagen.
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Dabei schließt Patentanspruch 2 nicht aus, dass die A-, B-, C-, D-, Eund F-Phasen-Wicklungsabschnitte jeweils durch einen unterteilten Wicklungsabschnitt (Halbstrang) gebildet werden, so wie dies auch in der Beschreibung erwähnt (Rn. 21) und in Figur 11 der Streitpatentschrift beispielhaft gezeigt wird. Allerdings sehen die Merkmale 6.2.1 und 6.2.2 vor, dass die erste Dreiphasenwechselstromwicklung aus den Strängen der Phasen A, B und C und die zweite Dreiphasenwechselstromwicklung aus den Strängen der Phasen D, E und F besteht, die dann nach den Merkmalen 6.2.1.1 und 6.2.1.2 in einer bestimmten (vermischten) Anordnung die radial inneren und die radial äußeren Lagen bilden sollen. Dem entnimmt der Fachmann für den Fall, dass die PhasenWicklungsabschnitte jeweils durch einen unterteilten Wicklungsabschnitt gebildet werden, dass die Halbstränge hintereinander eingelegt bzw. angeordnet werden und zusammen den Strang der jeweiligen Phase bilden, so wie dies auch bei dem in Zeichnung 11 des Streitpatents gezeigten Ausführungsbeispiel der Fall ist. Denn nur dann kann bei vorausgesetzten drei radial inneren bzw. äußeren Lagen jeweils mindestens eine (vollständig) aus einem (gegebenenfalls aus zwei geteilten Wicklungsabschnitten bestehenden) Strang ein- und derselben Phase gebildet werden.
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II. Das Patentgericht hat angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die US-Patentschrift 5 122 705 (K 6) beschreibe einen Fahrzeugwechselstromgenerator mit den Merkmalen 1 bis 6.1.1 sowie 6.2 und 6.2.1. Die Statorwicklung (Merkmalsgruppe 6) bestehe aus einer ersten Dreiphasenwechselstrom-Wellenwicklung aus den Strängen X, Y und Z (Merkmal 6.2.1) und einer zweiten Wellenwicklung aus den Strängen U, V und W (Merkmal 6.2.2), wobei die die Stränge aufnehmenden Nuten 21 des Statorkerns in einer Reihe von einer A-Phasennut 1 (für Wicklung X), einer DPhasennut 2 (U), einer B-Phasennut 3 (Z), einer E-Phasennut 4 (W), einer CPhasennut 5 (Y) und einer F-Phasennut 6 (V) in Umfangsrichtung wiederholt angeordnet seien. Die Einlegereihenfolge der einzelnen Stränge sei nicht erwähnt. Die Figur 20b zeige in Zusammenhang mit dem vierten Ausführungsbeispiel eine Konfiguration, in der eine entmischte Einlegereihenfolge bzw. Schichtabfolge W, V, U, Z, Y, X erkennbar sei.
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Die US-Patentschrift 5 994 802 (K 8) zeige einen Fahrzeugwechselstromgenerator mit zwei oder drei Mehrphasenwechselstromwicklungen. Die Zuordnung der Figuren zu den Ausführungsbeispielen sei lückenhaft und nicht konsequent. Aus Sicht des Fachmanns lasse sich aber entnehmen, dass sich die zweite Ausführungsform mit Figuren 15 und 20 auf unverkürzte ("full pitch") Wicklungen mit einer Länge von π = 180° beziehe. Die Figuren 15 und 20, die nachfolgend wiedergegeben werden, zeigten schematisiert, aber mit einer realistischen Darstellung der Nutformen die Anordnungen der Stränge in den Nuten, aus der der Fachmann eindeutig die Einlegereihenfolge entnehme. Die Stränge nach Figur 15 seien entmischt eingelegt worden, erst die Stränge x1, y1 und z1, dann die Stränge x2, y2 und z2. In der Ausführungsform nach Figur 20 seien die Stränge hingegen vermischt in der Reihenfolge x1, x2a, x2b, y, y2a, y2b, usw. eingelegt, also in einer abwechselnden Lagenabfolge entsprechend Merkmalen 6.1.2, 6.2.1.1 und 6.2.1.2. Es - das Patentgericht - folge weder der Auffassung der Klägerin, es handele sich dabei um zwei Wicklungssysteme, noch der Auffassung der Beklagten , es sei nur ein einziges Wicklungssystem dargestellt. Der Fachmann sehe in Figur 20 vielmehr drei Wicklungssysteme, wenn es um die Unterbringung der Stränge in den Nuten gehe.
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Ausgehend von der Anordnung nach Figur 11 der K 6 sei die dem Patent zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, eine Einlegereihenfolge festzulegen , weil eine solche für dieses Ausführungsbeispiel nicht offenbart sei, aber zwangsläufig eine Reihenfolge bestimmt werden müsse. Dabei gebe es rein denkgesetzlich nur die Möglichkeit einer entmischten Abfolge entsprechend Patentanspruch 1 des Streitpatents und einer vermischten Abfolge entsprechend Patentanspruch 2, wie sie auch in den Figuren 15 und 20 der K 8 als Alternativen für das zweite Ausführungsbeispiel mit unverkürzter Wicklung dargestellt seien. Die von der Patentinhaberin genannten Gegenbeispiele bezögen sich auf die konkrete räumliche Anordnung von Strängen und nicht auf die Einlegereihenfolge von zwei Wicklungssystemen und eine daraus folgende rein gedankliche Lagenfolge. In der zu treffenden Auswahlentscheidung liege nichts, was über fachmännisches Handeln hinausginge. Der Einwand der Beklagten, die Entgegenhaltungen befassten sich nur mit der Gestaltung der Wicklungen in Umfangsrichtung, sei aufgrund der Zwangsläufigkeit dieser Entscheidung nicht relevant.
20
Die von der Beklagten geltend gemachten Vorteile bei der Kühlung und der Gefahr von Windungsschlüssen seien von sehr vielen Faktoren, wie der konkreten Gestaltung des Wickelkopfs, insbesondere der axialen Versetzung von Wickelkopfteilen, dem Wärmekontakt der einzelnen Wicklungsteile untereinander , der Kühlluftführung und einer eventuell unsymmetrischen Verlustverteilung abhängig. Selbst wenn für eine konkrete Gestaltung des Wickelkopfes solche Abhängigkeiten bestehen sollten, würden sie dem Fachmann im Rahmen der stets erforderlichen wärme- und isolationstechnischen Wicklungsauslegung und -prüfung offenbar und könnten bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden. Auch das spräche eher gegen als für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit.
21
Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 sei daher (nicht anders als derjenige von Patentanspruch 1) nahegelegt.
22
III. Die Ausführungen des Patentgerichts halten den Angriffen der Berufung nicht stand.
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1. Zwar kann mit dem Patentgericht davon ausgegangen werden, dass die K 6 dem Fachmann einen Fahrzeugwechselstromgenerator mit den Merkmalen 1 bis 6.1.1 sowie 6.2 und 6.2.1 offenbart. Zudem ist die Annahme nicht zu beanstanden, dass der Fachmann, der die in Figur 11 der K 6 gezeigte Wicklung realisieren möchte, die Stränge der beiden Wicklungssysteme in einer bestimmten Reihenfolge einlegen muss. Entgegen der Ansicht des Patentgerichts reicht aber allein die abstrakte Überlegung, dass es zur Realisierung der Wicklung schon rein denkgesetzlich nur die Möglichkeit einer "entmischten" Ab- folge entsprechend Patentanspruch 1 und einer vermischten Abfolge entsprechend Merkmalen 6.1.2, 6.2.1.1 und 6.2.1.2 gegeben habe, nicht aus, um ein Naheliegen der vermischten Abfolge zu begründen. Die Vorstellung von einer alternativen (entmischten oder vermischten) Einbaufolge mag zwar in Kenntnis der Lehren aus Patentanspruch 1 und 2 des Streitpatents offensichtlich erscheinen. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist eine solche Betrachtungsweise aber nicht erheblich. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob der Fachmann am Prioritätstag des Streitpatents Anlass gehabt hat, die Stränge der beiden Dreiphasenwicklungen in der in Patentanspruch 2 vorgegebenen Reihenfolge anzuordnen. Insoweit hat das Patentgericht jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Seinem Urteil sind insbesondere weder Anregungen noch Hinweise zu entnehmen, die den Fachmann seinerzeit hätten veranlassen können, die beiden Wicklungen nicht nacheinander in den Statorkern einzulegen, sondern eine ineinander geschachtelte ("vermischte") Anordnung der beiden Dreiphasenwicklungen in Erwägung zu ziehen. Gegen einen Anlass hierfür spricht im Übrigen auch, dass das einzige Ausführungsbeispiel, bei dem dem Fachmann jedenfalls nach Ansicht des Patentgerichts und der Klägerin die radiale Anordnung der Wicklungsstränge von zwei Dreiphasenwechselstromwicklungen und damit mittelbar die Einlegereihenfolge gezeigt wird (vgl. K 6, Figur 20 b), eine "entmischte" Reihenfolge erkennen lässt, bei der die beiden Dreiphasenwicklungen nacheinander eingebracht worden sind und sich demgemäß radial nicht überlappen.
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2. Der K 8 lässt sich ebenfalls keine Anregung entnehmen, eine Statorwicklung nach der K 6 mit einer erfindungsgemäß vermischten Schichtung der Wicklungsköpfe zu versehen. Denn sie wird auch in dieser Schrift nicht offenbart.
25
a) Das Patentgericht hat in seinen Ausführungen zum Offenbarungsgehalt der K 8 nicht begründet, warum es weder der Darlegung der Klägerin folgt, in dieser Schrift seien zwei Dreiphasenwechselstromwicklungen im Sinne des Merkmals 6.2 offenbart, noch der Auffassung der Beklagten, es handele sich um eine einzige Wicklung, sondern vielmehr meint, aus fachmännischer Sicht seien der Darstellung in Figur 20 drei, ineinander verschachtelt in die Nuten eingelegte Wicklungssysteme zu entnehmen. Insbesondere hat es hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die nach § 117 PatG i.V.m § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen wären. In der Berufungsinstanz ist daher der Vortrag zu berücksichtigen, den die Parteien hierzu in erster Instanz gehalten haben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 278; Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 16; Urteil vom 22. Mai 2012 - II ZR 35/10, juris Rn. 29) gelangt mit dem zulässigen Rechtsmittel der gesamte aus den Akten ersichtliche Streitstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz.
26
Soweit die Beklagte mit der Berufungsbegründung eine weitere Stellungnahme ihres Gutachters Prof. K. vorgelegt hat, dient diese der näheren Erläuterung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und ist daher gleichfalls zu berücksichtigen. Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wird ein sehr allgemein gehaltener Vortrag erstmals in zweiter Instanz substantiiert, ist er neu; nicht neu ist demgegenüber Vortrag, mit dem ein - wie hier - bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 251; Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04, BGHZ 164, 330, 333; Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, NJW 2007, 1531, 1532 zur Konkretisierung u.a. durch Vorlage eines Parteigutachtens). Es kann daher dahinstehen, ob der auf das Gutachten gestützte zweitinstanzliche Vortrag auch als neues Verteidigungsvorbringen nach § 117 PatG i.V.m § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen wäre, weil das Patentgericht in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG die Entgegenhaltung K 8 nur im Zusammenhang der Auslegung des Streitpatents herangezogen hat.
27
b) In der Beschreibung der K 8 wird hinsichtlich der in Figur 15 gezeigten Statorwicklung erläutert, dass diese aus zwei Dreiphasenwicklungen, nämlich einer ersten Dreiphasenwicklung 22c (umfassend die Wicklungsstränge x1, y1 und z1) und einer zweiten Dreiphasenwicklung 22d (umfassend die Wicklungsstränge x2, y2 und z2), besteht (vgl. K 8, Sp. 6 Z. 6 ff.). Eine Anregung zur vermischten Schichtung der Stränge nach den Merkmalen 6.2.1.1 und 6.2.1.2 des Streitpatents entnimmt der Fachmann diesem Ausführungsbeispiel nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man der Ansicht der Beklagten folgt, wonach Figur 15 aus fachlicher Sicht lediglich eine Aussage zur Anordnung der Stränge in der Aufeinanderfolge der Nuten in Umfangsrichtung, nicht aber über die Reihenfolge ihrer Einbringung und damit über die Radiallage der Wicklungsköpfe zu entnehmen ist, oder der Auffassung des Patentgerichts und der Klägerin, wonach der Fachmann in der Figur 15 einen Hinweis auf die radiale Anordnung der Wicklungsköpfe gesehen hat. Denn selbst wenn der letztgenannten Auffassung gefolgt wird, ergibt sich daraus - insoweit unstreitig - jedenfalls lediglich ein Hinweis auf eine "entmischte" Schichtung (x1, y1, z1, x2, y2, z2), die die Anforderungen des Patentanspruchs 2 nicht erfüllt.
28
Hinsichtlich der in Figur 20 gezeigten Wicklung wird in der Beschreibung der K 8 ausgeführt, dass eine einzige Gleichrichterbrückenschaltung mit der Statorwicklung verbunden sein könne, welche sechs Spulen aufweise. In diesem Fall könne eine der Dreiphasenwicklungen die im Stern geschalteten Spulen aufweisen, während die andere die im Dreieck geschalteten Spulen aufweise. Jede Phasenspule einer der Dreiphasenwicklungen könne in zwei Spulen aufgeteilt sein und bezüglich der Phasenspulen der anderen Dreiphasenwick- lung um einen elektrischen Winkel von π/6 rad versetzt und wie in Figur 20 dargestellt geschaltet sein. In Figur 21, die nachfolgend wiedergegeben wird,
29
sei jede Phasenspule der zweiten Dreiphasenwicklung 22d in zwei Spulen (x2a, x2b), (y2a, y2b) oder (z2a, z2b) aufgeteilt (K 8, Sp. 2 Z. 22 ff.).
30
Die in Figur 21 gezeigten drei Wicklungsstränge (x1, x2a, x2b), (y1, y2a, y2b) und (z1, z2a, z2b) werden indessen, wie sich aus der zeichnerischen Darstellung ergibt, zu jeweils einer Phase (x, y, z) zusammengeschaltet und die äußeren Anschlüsse des gezeigten Sterns mit einem einzigen Gleichrichter verbunden. Dabei muss die von Strang 1 abgegebene Spannung phasen- und amplitudengleich zu der Spannung sein, die mit Hilfe der seriell verbundenen Stränge 2a und 2b erzeugt wird, weil es andernfalls zu unerwünschten Kreisströmen innerhalb der drei Stränge käme. Wie sich wiederum aus Figur 20 ergibt, wird dies dadurch sichergestellt, dass die 2a-Stränge jeweils um einen elektrischen Winkel von +30° und die 2b-Stränge jeweils um einen elektrischen Winkel von -30° gegenüber dem 1-Strang versetzt angeordnet werden. Es handelt sich damit bei diesem Ausführungsbeispiel um ein einziges Dreiphasenwicklungssystem , bei dem, wenn eine Einlegereihenfolge offenbart sein sollte, die zu einer Phase gehörenden Stränge nacheinander angeordnet werden, wie die Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme ihres Gutachter Professor K. (Anlage E 7, S. 10 f.) zur Überzeugung des Senats zutreffend vorge- tragen und die Klägerin im Verhandlungstermin nicht mehr erheblich in Frage gestellt hat. Handelt es sich aber um ein einziges Dreiphasenwicklungssystem, bedarf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die in Figur 20 gezeigte Wicklung die Anordnung der Stränge in radialer Richtung wiedergibt, keiner abschließenden Beurteilung. Denn selbst wenn dies zugunsten der Klägerin angenommen wird, ergibt sich daraus dennoch für den Fachmann kein Hinweis auf eine erfindungsgemäße vermischte Schichtung der Wicklungsköpfe, weil diese jedenfalls zwei in gemischter Strangfolge eingelegte Dreiphasenwicklungen voraussetzt.
31
Der Klägerin kann aber auch nicht darin gefolgt werden, dass die Figur 20 in Zusammenhang mit dem weiteren Inhalt der K 8 den Fachmann veranlasst , bei zwei Dreiphasenwicklungen an eine vermischte Schichtung der Wicklungsköpfe zu denken. Soweit die Klägerin insoweit darauf hinweist, dass in der Entgegenhaltung angegeben werde, dass die einzelnen Dreiphasenwicklungen 22c und 22d entsprechend den Figuren 18A bis 18D verschaltet sein könnten, was drei Ausgänge ergäbe (K 8, Sp. 6, Z. 17 ff.), vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sich die Figuren 18A bis 18D nicht auf das in Figur 20 gezeigte Ausführungsbeispiel beziehen. Im Übrigen sind in der K 8 für zwei Dreiphasenwicklungen der zweiten Ausführungsform zwei Gleichrichtereinheiten 91 und 92 vorgesehen, was ebenfalls nicht mit der Lehre aus Patentanspruch 2 des Streitpatents übereinstimmt (Merkmal 4). Auch ansonsten wird von der Klägerin nicht aufgezeigt und ist nicht ersichtlich, dass es in der K 8 einen Hinweis gibt, dass aus fachlicher Sicht die in Figur 20 gezeigte Wicklung auch als Statorwicklung aus zwei Dreiphasenwicklungen verstanden werden kann. Erst recht ergibt sich kein konkreter Hinweis darauf, in welcher Reihenfolge die einzelnen Stränge von etwa bei dem zweiten Ausführungsbeispiel verwendeten zwei Dreiphasenwicklungen in den Statorkern einzubringen wären.
32
IV. Das Urteil des Patentgerichts erweist sich auch nicht im Hinblick auf die weiteren von der Klägerin angeführten Entgegenhaltungen als zutreffend.
33
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 wird dem Fachmann nicht durch die K 6 in Verbindung mit der britischen Patentanmeldung 2 053 580 (Anlage K 9, inhaltsgleich mit der deutschen Offenlegungsschrift 29 21 114 [im Folgenden : K 9a], auf deren Priorität sie beruht) nahegelegt.
34
a) Der Vortrag der Klägerin zum Inhalt der K 9/K 9a und den Anregungen , die sich daraus für den Fachmann ergeben sollen, ist der Sachprüfung durch den Senat zugrunde zu legen.
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(1) Allerdings handelt es sich hierbei um ein neues Angriffsmittel im Sinne der §§ 117 PatG, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
36
Die Entgegenhaltung ist zwar bereits in erster Instanz vorgelegt worden. Ob ein in der Berufungsinstanz geltend gemachtes Angriffsmittel neu ist oder nicht, bestimmt sich nach den oben zu III 2 a dargelegten Grundsätzen jedoch nicht danach, ob ein bestimmtes Dokument, im Patentnichtigkeitsverfahren insbesondere eine bestimmte, zum Stand der Technik zählende Druckschrift, bereits in erster Instanz erwähnt oder zu den Akten gereicht worden ist, sondern danach, ob der (technische) Sachvortrag, für den sich die Partei auf das Dokument stützen will, in hinreichend konkreter Form bereits in der ersten Instanz gehalten worden ist oder nicht. Hier hat die Klägerin aus der K 9 im Verfahren vor dem Patentgericht nur hergeleitet, dass dem Fachmann bekannt gewesen sei, dass Wellen- und Schleifenwicklungsverfahren alternativ eingesetzt werden könnten, so dass keine erfinderische Tätigkeit dafür erforderlich gewesen sei, die aus der K 8 bekannten radialen Abfolgen der einzelnen Wicklungslagen im Stator bei einem Fahrzeugwechselstromgenerator anzuwenden, dessen Spulenwicklungsabschnitte statt im Schleifen- im Wellenwicklungsverfahren herge- stellt seien. Hingegen hat sie nicht vorgebracht, der Entgegenhaltung K 9 sei nach dem gesamten Inhalt der Druckschrift, insbesondere den Ausführungen auf Seite 2, Zeilen 113 bis 125, die Anregung zu entnehmen, sich den Gedanken einer "Vermischung" bei der Anordnung von Phasensträngen im Statorkern nicht nur bei der Trennung der Halbstränge der einzelnen Phasen einer Dreiphasenwicklung , sondern auch bei Einsatz von zwei Dreiphasenwicklungen "wicklungsübergreifend" zu Nutze zu machen. Infolgedessen ist diese Frage erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Parteien diskutiert worden.
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(2) Im Streitfall sind die Voraussetzungen der §§ 117 PatG, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO für eine Zulassung dieses Vorbringens im Berufungsverfahren erfüllt. Da das Patentgericht das Vorbringen der Klägerin, der Gegenstand des Patentanspruchs 2 sei durch die Entgegenhaltungen K 6 und K 8 nahegelegt, für begründet erachtet hat, beruht es nicht auf Nachlässigkeit, dass die Klägerin sich nicht bereits im ersten Rechtszug auf die K 9 berufen hat.
38
Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen , insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei. Hierdurch würde eine sinnvolle Konzentration des erstinstanzlichen Verfahrens auf diejenigen Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Nichtigkeitsklägers besonders geeignet sind, dem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen, behindert. Vielmehr dient der Hinweis, den das Patentgericht nach § 83 Abs. 1 PatG gibt, auch dazu, die sich aus der Klagebegründung ergebende Fokussierung der Argumentation entweder als nach der vorläufigen Sicht des Patentgerichts sachgerecht zu bestätigen oder aber als nicht angemessen oder jedenfalls nicht zulänglich aufzuzeigen.
39
Im Streitfall hat sich das Patentgericht darauf beschränkt, zu Patentanspruch 2 auszuführen, es folge vorläufig den Ausführungen der Klägerin, wonach die Entgegenhaltung K 7 insoweit neuheitsschädlich sei. Die Klägerin hatte hiernach keine Veranlassung, weitere Angriffsmittel vorzutragen, um das Naheliegen des Gegenstands von Patentanspruch 2 zu begründen.
40
(3) Ob die Klägerin das Angriffsmittel auch im Sinne der §§ 117 PatG, 530, 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof rechtzeitig vorgebracht hat oder ob sie gehalten war, das auf die K 9 gestützte neue Angriffsmittel innerhalb der ihr gesetzten Berufungserwiderungsfrist geltend zu machen, kann offenbleiben. Denn aus diesem Grund könnte das Angriffsmittel nur dann als verspätet zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (§ 296 Abs. 1 ZPO), was aus den nachfolgenden Gründen nicht der Fall ist.
41
b) Aus der K 9 ergab sich für den Fachmann keine Anregung, die in der K 6 offenbarte Wicklung mit einer erfindungsgemäßen Schichtung der Wicklungsköpfe auszustatten.
42
(1) Die K 9 betrifft ein automatisches Wickelverfahren für einen elektrischen Generator, insbesondere Drehstromgenerator, als Lichtmaschine für Kraftfahrzeuge, bei dem je Phase mindestens zwei Teilwickelspulen vorgesehen sind, die jeweils in bestimmter Weise in die Nuten des Statorkerns eingewickelt werden. Entsprechend zeigt die nachfolgend wiedergegebene Figur 4 der K 9 eine Dreiphasenwicklung, bei der jede Phase in zwei Teilwickelspulen zerlegt wurde, wobei die Teilwickelspulen in folgender Reihenfolge eingelegt wurden und entsprechend im Wicklungskopf in radialer Richtung "übereinanderliegen" : I1, III2, II1, I2, II1 und II2 (vgl. K 9a, S. 14 ff., S. 16 Abs. 2).


43
(2) Die Klägerin meint, dass der Fachmann durch die in der K 9 offenbarte vermischte Anordnung der Teilwickelspulen einer Dreiphasenwicklung dazu angeregt worden sei, auch bei der aus der K 6 bekannten Statorwicklung mit zwei Dreiphasenwicklungen die Phasenstränge im erfindungsgemäßen Sinne vermischt anzuordnen. Darin kann ihr jedoch nicht gefolgt werden.
44
Mit dem in K 9 offenbarten Wicklungsverfahren soll der bisher mit automatischen Wickelmaschinen erreichbare Nutfüllfaktor verbessert werden, so dass sich Drehstromgeneratoren mit einer höheren Stromleistung, einem geringeren Geräuschpegel oder niedriger Erwärmung herstellen lassen (K 9a, S. 10, Abs. 2, unter "Vorteile der Erfindung"). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei herkömmlichen Dreiphasenwicklungen, bei denen die Phasenstränge nicht geteilt sind, in den Wicklungsköpfen Kreuzungsstellen, wie etwa in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 mit "x" gekennzeichnet, entstehen und daher die Nut im Statorkern nicht optimal gefüllt werden kann.


45
Demgegenüber wird in der K 9 ein Wickelverfahren vorgeschlagen, bei dem je Phase mindestens zwei Teilwickelspulen vorgesehen sind und jede Teilwickelspule bei gegenseitiger Überlappung der einzelnen Wicklungen jede Nut des Statorkerns "vom Nutgrund an optimal voll gewickelt" ist, so wie dies beispielhaft in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 gezeigt ist (vgl. K 9a, Patentanspruch 1, S. 12, Abs. 2, S. 17 Abs. 2).


46
Die Zerlegung jeder Phase in zwei Teilwickelspulen und die daraus resultierende Möglichkeit, die Halbstränge in vermischter Reihenfolge (wie etwa in dem in den Figuren 2 und 4 gezeigten Ausführungsbeispiel in der Reihenfolge I1, III2, II1, I2, II1 und II2) anzuordnen, erfolgt damit zu dem Zweck, die mit der Wicklung von Vollsträngen einhergehenden Kreuzungsstellen zu vermeiden und eine optimale Nutzung der Nutkapazität zu ermöglichen.
47
Wird dieser Gedanke auf die aus der K 6 bekannte Statorwicklung mit zwei Dreiphasenwicklungen übertragen, bedingt dies zunächst zwingend, dass jede Phase in zwei Halbstränge zerlegt wird. Denn nur bei Aufteilung der einzelnen Phase in zwei Teilstränge können die in der K 9 als nachteilhaft angese- henen Kreuzungsstellen von Vollsträngen in den Wicklungsköpfen vermieden und entsprechend ein optimaler Nutfüllfaktor sowie die daran anknüpfenden weiteren Vorteile einer höheren Stromleistung, eines geringeren Geräuschpegels und oder einer niedrigeren Erwärmung erreicht werden (vgl. K 9a, S. 10, Abs. 2). Die Überlegung der Klägerin, der Fachmann würde ausgehend von der gemischten Schichtung der Teilwickelspulen in Figur 4 der K 9 zu einer gemischten Schichtung der Spulen der in K 6 offenbarten beiden Dreiphasenwicklungen angeregt, kann daher von vornherein keinen Erfolg haben, weil damit stets die in der Entgegenhaltung als unvorteilhaft erkannten Kreuzungsstellen einhergehen.
48
Aber auch wenn angenommen wird, der Fachmann würde von der K 9 dazu veranlasst, die insgesamt sechs Phasen der in K 6 offenbarten beiden Dreiphasenwicklungen jeweils in zwei Teilstränge zu zerlegen, was durch die K 6 nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird, so müsste dies nach der der K 9 zugrunde liegenden Zielsetzung doch wiederum in einer Weise geschehen, welche das Entstehen von Kreuzungsstellen, wie sie in Figur 2 gezeigt werden, vermeidet. Die Teilstränge der einzelnen Phasen dürften also nicht (wie ein Vollstrang) hintereinander angeordnet und nur diese zwar zerlegten, aber weiterhin unmittelbar hintereinander angeordneten Teilstränge sich mit entsprechenden Teilstrangpaaren der zweiten Dreiphasenwicklung abwechseln. Vielmehr müssten darüber hinaus wie in der K 9 die Teilstränge verschiedener Phasen aufeinanderfolgen, und zwar in einer eine optimale volle Wicklung jeder Ständernut vom Nutgrund gewährleistenden Weise (vgl. K 9a, Patentanspruch 1), etwa entsprechend der in den Figuren 2 und 4 der K 9 für eine einzige Dreiphasenwicklung realisierten Wicklung.
49
Eine solche vermischte Anordnung der Teilstränge zweier Dreiphasenwicklungen würde jedoch nicht mehr den Anforderungen der Merkmale 6.2.1.1 und 6.2.1.2 entsprechen, welche - wie oben dargelegt - zwar die Zerlegung der einzelnen Phasen in Teilstränge nicht ausschließen, eine aus in Teilstränge zerlegten Phasen bestehende Wicklung aber nur dann erfassen, wenn die Teilstränge einer Phase hintereinander angeordnet werden und zusammen eine der drei inneren oder äußeren Lagen bilden. Hingegen führt eine über die Vermischung der sich gegebenenfalls aus Teilsträngen zusammensetzenden Phasen hinausgehende Vermischung der einzelnen Teilstränge verschiedener Phasen, wie sie durch die K 9 im Hinblick auf eine Optimierung des Nutfüllfaktors suggeriert wird, nicht zu einem Gegenstand nach Patentanspruch 2.
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2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 ist schließlich nicht durch die - nur bei der Neuheitsprüfung nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ zu berücksichtigende - europäische Patentanmeldung 1 211 781 (in das Verfahren eingeführt in Gestalt der daraus hervorgegangenen Patentschrift, K 7) neuheitsschädlich getroffen.
51
In der K 7 werden zwei Dreiphasenwicklungen beschrieben, bei denen es sich jeweils um geteilte Wicklungen handelt. Die Klägerin stützt sich maßgeblich darauf, dass nach den Ausführungen in der K 7 je eine Wicklungslage 30 in eine erste bis sechste Nutgruppe des Stators eingelegt, wobei von jeder Gruppe jeweils jede sechste Nut belegt werde (erste Gruppe in den Nuten 1, 7, 13 … 67, zweite Gruppe in den Nuten 2, 8, 14 … 68 usw., Abs. 38 a.E. und Abs. 41). Zudem würden die Wicklungslagen der ersten, dritten und fünften Nutgruppe einerseits und der zweiten, vierten und sechsten Nutgruppe andererseits jeweils zur Bildung einer Dreiphasenwicklung miteinander verbunden (Abs. 44). Nach Ansicht der Klägerin soll sich daraus ergeben, dass zur Bildung jeder der Dreiphasenwicklungen jeweils einphasige Wicklungslagen miteinander verbunden werden, zwischen denen sich immer eine einphasige Lage der jeweils anderen Dreiphasenwicklung befinde.
52
Dem steht jedoch entgegen, dass die Reihenfolge der Aufzählung in Absatz 41 der K 7 der Nummerierung der Nuten und Nutgruppen entspricht und damit nicht auf eine entsprechende Reihenfolge des Einbringens hinweist (vgl. Gutachten K. , B 12, S. 7), von der auch sonst in der K 7 keine Rede ist. Im Übrigen hat der Gutachter der Klägerin unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass demgegenüber den Figuren 2, 8 und 14 der K 7 eine "entmischte" Einlegereihenfolge zu entnehmen ist (aaO, S. 7f.). Nach den Anforderungen , die die Rechtsprechung des Senats an eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung stellt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin), sind hiernach die Merkmale 6.2.1.1 und 6.2.1.2 nicht offenbart.
53
V. Der Senat kann hiernach abschließend in der Sache entscheiden (§ 119 Abs. 5 PatG). Da sich der Gegenstand von Patentanspruch 2 als patentfähig erweist, ist die Klage im Umfang des Berufungsantrags abzuweisen.

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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.04.2011 - 4 Ni 16/10 (EU) -

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

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a) Den Stand der Technik bildet nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ alles, was vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung , durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Für die öffentliche Zugänglichkeit von technischen Erkenntnissen oder Kenntnissen ist nicht der Nachweis erforderlich, dass ein bestimmter technischer Sachverhalt bestimmten fachkundigen Personen bekannt geworden ist. Es reicht aus, dass ein nicht begrenzter Personenkreis nach den gegebenen Umständen in der Lage war, die Kenntnis zu erlangen (BGH, Urteil vom 12. Februar 1960 - I ZR 156/57, GRUR 1961, 24 - Holzimprägnierung; Urteil vom 15. Dezember 1970 - X ZR 32/69, GRUR 1971, 214 - Customer Prints; Beschluss vom 9. Februar 1993 - X ZB 7/92, GRUR 1993, 466 - fotovoltaisches Halbleiterelement ; Beschluss vom 5. März 1996 - X ZB 13/92, GRUR 1996, 747 - Lichtbogen -Plasma-Beschichtungssystem, zur Vorbenutzung durch eine Vorrichtung; Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 139/95, BGHZ 136, 40, 51 - Leiterplattennutzen; Urteil vom 21. Juli 2011 - X ZR 7/09, juris Rn. 29 - Spindelanordnung, zur Offenkundigkeit bei Vorliegen einer Prinzipskizze; vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 3 Rn. 21 ff.; Benkard/Melullis, Patentgesetz, 10. Aufl., § 3 Rn. 65 ff.). Durch die Lieferung einer Vorrichtung oder die Übersendung deren

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)