Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

bei uns veröffentlicht am13.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13 zitiert 3 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2011 - X ZR 72/08

bei uns veröffentlicht am 01.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 72/08 Verkündet am: 1. März 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2003 - X ZR 200/99

bei uns veröffentlicht am 12.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 200/99 Verkündet am: 12. Februar 2003 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Hoc
14 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2018 - X ZR 86/16

bei uns veröffentlicht am 05.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil X ZR 86/16 Verkündet am: 5. Juni 2018 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2018:050618UXZR86.16.0 De

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2019 - X ZR 19/17

bei uns veröffentlicht am 19.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 19/17 Verkündet am: 19. Februar 2019 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2019:190219UXZR19.17.0

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - X ZR 125/15

bei uns veröffentlicht am 19.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 125/15 Verkündet am: 19. Dezember 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2017:191217UXZR125.15

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2016 - X ZR 41/14

bei uns veröffentlicht am 21.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 41/14 Verkündet am: 21. Juni 2016 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

19
Als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausschließlich auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen. Sie gibt - wie zu I ausgeführt - das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem nicht zutreffend wieder. Im Übrigen bildet auch eine zutreffend formulierte Aufgabe nicht notwendigerweise den einzigen Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit; es ist vielmehr auch zu erwägen, ob die Bewältigung eines (anderen) zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden technischen Problems dessen Lösung nahegelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger). Dies ist hier zu bejahen. Darauf, ob sich diese Anregungen auch auf die Fotostabilität bezogen, ist dabei nicht entscheidend abzustellen (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317 - kosmetisches Sonnenschutzmittel I; st. Rspr.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 200/99 Verkündet am:
12. Februar 2003
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Hochdruckreiniger
PatG 1981 § 4
Hat die zu seinem typischen Aufgabenkreis gehörende Bewältigung eines konstruktiven
Problems wie die kostengünstigere Herstellung durch Vereinfachung
der Werkzeuge dem Fachmann eine der beanspruchten Lehre entsprechende
Ausgestaltung nahegelegt, beruht diese Lehre auch dann nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit, wenn der Stand der Technik für die damit zugleich erreichte
Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende
Anregung vermittelt hat.
BGH, Urt. v. 12. Februar 2003 - X ZR 200/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 12. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Juli 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das deutsche Patent 41 38 451 wird für nichtig erklärt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 41 38 451 (Streitpatents), das am 22. November 1991 angemeldet worden ist.
Es betrifft einen Hochdruckreiniger und umfaßt sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Hochdruck-Reiniger (1) mit einer Hochdruck-Pumpe (7, 8), die von einem Gehäuse (2) zumindest teilweise umgeben ist,
- mit einer Waschpistole (10), die mit der Hochdruck-Pumpe (7, 8) über einen Schlauch (9) verbunden ist,
- mit an der Unterseite des Gehäuses (2) vorgesehenen Stützrädern (5) und mindestens einem Stützfuß (20), wobei der Hochdruck -Reiniger (1) zum Transport aus einer aufrechten Stellung kippbar ist, und
- mit wenigstens einer am Gehäuse (2) ausgebildeten Steckaufnahme (16, 17) für die Waschpistole (10) bzw. für eine Sprühlanze (18), wobei die Unterseite der Steckaufnahme (16, 17) den Stützfuß (20) bildet."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Außerdem ist der Beklagte eingetragener Inhaber des unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 687 509, das auf einer Anmeldung vom 23. November 1992 beruht, mit der die Priorität des Streitpatents in Anspruch genommen worden ist. Dieses betrifft ebenfalls einen Hochdruckreiniger.

Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage in erster Linie beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären, und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, er beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hilfsweise hat sie beantragt, das Streitpatent mit Wirkung vom 16. April 1999 insoweit für nichtig zu erklären, als es mit seinem Schutzumfang über das europäische Patent 0 687 509 hinausgehe.
Das Bundespatentgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen; den Hilfsantrag hat das Bundespatentgericht für unzulässig gehalten.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Nichtigerklärung des Streitpatents.
Der Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Prof. Dr.-Ing. H. B. hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Das Streitpatent war deshalb gemäß §§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 PatG für nichtig zu erklären.
1. Das Streitpatent betrifft einen Hochdruckreiniger. Dabei geht es, wie die weitere Beschreibung und die Ausführungsbeispiele erkennen lassen, von einem Gerät aus, das bei Benutzung senkrecht auf eine Unterseite gestellt wird. Derartige Hochdruckreiniger werden zunehmend nicht nur für den industriellen Einsatz, sondern auch für den Gebrauch in Privathaushalten hergestellt. Sie sind, wie beispielsweise der Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 91 04 335, vielfach zum Zwecke des leichteren Transports zu ihrem Einsatzort im Bereich der Unterseite des Gerätegehäuses mit Rollen versehen; ein bügelförmiger Transportgriff ermöglicht den Transport in gekippter Stellung. Bei Gebrauch ruht das Gerät einerseits auf diesen Rollen oder einer Kante des Gehäuses in ihrer Nähe; die für einen hinreichend sicheren Stand erforderliche weitere Unterstützung wird durch Standfüße in der Nähe der gegenüberliegenden Kante oder an dieser bewirkt. Für den Einsatz solcher Geräte wird Zubehör benötigt, nämlich eine Waschpistole, mit der der Sprühstrahl ausgelöst werden kann, eine oder mehrere Sprühlanzen, d.h. aufsetzbare Verlängerungen der Waschpistole, die mit unterschiedlichen Sprühköpfen für verschiedene Sprühstrahle ausgestaltet sein können, sowie ein Druckschlauch und ein Elektrokabel. Die Streitpatentschrift setzt bekannte Hoch-
druckreiniger voraus und befaßt sich im wesentlichen mit der Unterbringung des Zubehörs. Die Streitpatentschrift bezeichnet es (Sp. 1 Z. 35-39) als Aufgabe der Erfindung, für die zum Betrieb des Hochdruckreinigers benötigten Zubehörteile eine platzsparende und sichere Transport- und Lagerungsmöglichkeit zu schaffen, wobei zudem eine einfache Herstellung möglich ist.
Vorgeschlagen wird ein Hochdruckreiniger, der folgende Merkmale aufweist :
1 eine Hochdruckpumpe,
1.1 die von einem Gehäuse zumindest teilweise umgeben ist;
2 eine Waschpistole,
2.1 die mit einer Hochdruckpumpe über einen Schlauch verbunden ist,
3 Stützräder,
3.1 die an der Unterseite des Gehäuses vorgesehen sind;
4 mindestens einen Stützfuß;
5 der Hochdruckreiniger ist zum Transport aus seiner aufrechten Stellung kippbar;
6 wenigstens eine Steckaufnahme
6.1 für die Waschpistole
6.2 bzw. für eine Sprühlanze;
6.3 die Unterseite der Steckaufnahme bildet den Stützfuß.
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als bei dem aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 568 bekannten Hochdruckreiniger nachteilig, daß die Steckaufnahme zum Einstecken der Waschpistole aufwendig in der Herstellung sei, weil sie im Gehäuseinneren in Form eines schräg nach unten ragenden Rohres ausgebildet sei. Der mit Rollen versehene transportable Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 91 04 335 verfüge nicht über eine geeignete Aufnahme für das Zubehör. Außerdem müßten zum Aufstellen des Gerätes gesonderte Stützfüße aufgesteckt oder aufgeschraubt werden. Der Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 79 29 280 schließlich sei zwar an Transportrollen verfahrbar; zum Aufstellen seien aber Stützen vorgesehen, die gesondert am Rahmen über Ausleger auf relativ aufwendige Weise befestigt seien.
Demgegenüber hebt die Streitpatentschrift als Vorzug des Hochdruckreinigers nach Patentanspruch 1 hervor, daß die Steckaufnahme zum Einstekken der Waschpistole in das Gehäuse integriert und damit gewährleistet ist, daß die Waschpistole sowohl beim Transport gesichert als auch für den Einsatz griffbereit ist, wobei der Druckschlauch angeschlossen bleiben kann; als weiteren Vorteil bezeichnet es die Streitpatentschrift, daß gleichzeitig die Un-
terseite der Steckaufnahme als Stützfuß ausgebildet ist, so daß ohne gesondert zu befestigende oder zu montierende Stützfüße eine sichere Aufstellposition und eine einfache Herstellung erreicht werden können (Sp. 1 Z. 43-54).
2. Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, ist der Hochdruckreiniger nach Patentanspruch 1 neu, weil in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Gerät gezeigt wird, bei dem die Unterseite der Steckaufnahme für die Waschpistole den Stützfuß bildet.
3. Der Senat ist aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten und der Erläuterung und Ergänzung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, daß der Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeiten in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik auffinden konnte.
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ist der Durchschnittsfachmann, der sich in der Praxis mit der Entwicklung von Neuerungen auf dem Gebiet von Hochdruckreinigern beschäftigt, ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluß oder er hat eine handwerkliche Ausbildung mit einer Weiterqualifizierung zum Maschinenbautechniker. Er verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung in Konstruktion und Entwicklung. In der mündlichen Verhandlung hat der gerichtliche Sachverständige auf Befragen des Senats ausgeführt, daß allerdings bei der Entwicklung von Konsumgütern zunehmend Industriedesigner zugezogen werden , die typischerweise das Design, aber auch die Funktion eines Geräts mitbeeinflussen , wobei es scharfe Abgrenzungen ebensowenig gibt wie feste Re-
geln dafür, in welchem Entwicklungsstadium ein Industriedesigner zugezogen wird. Der Sachverständige hat aber weiter überzeugend dargelegt, daß es auch bei Zuziehung eines Industriedesigners Aufgabe des Technikers bleibt, einen Gehäuseentwurf zu erstellen, bei dem das Zubehör für den Transport sicher untergebracht und eine sichere stabile Halterung gewährleistet ist. Der maßgebliche Durchschnittsfachmann ist danach nicht der Designer, sondern der Techniker.
Bei der Weiterentwicklung der aus dem Stand der Technik bekannten Reiniger mußte es einem solchen Fachmann einerseits um eine bessere Benutzbarkeit , andererseits aber auch um eine vereinfachte und kostengünstigere Herstellung des Geräts gehen, wobei, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats bestätigt hat, die bessere Integration des Zubehörs eine der maßgeblichen Zielvorstellungen bildete. Bei der Verwirklichung dieser Zielvorstellung konnte der Fachmann auf das auf dem Markt befindliche Gerät K... zurückgreifen, bei dem die Integration der Einrichtungen zum Transport des Zubehörs in das Gerät vergleichsweise weit vorangeschritten ist. Auch wenn in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die vorgesehenen Aufnahmeöffnungen an der Rückwand des Geräts ein Einführen der Zubehörteile bis zu dem unteren Ende der Verkleidung zulassen, oder ob dem in halber Höhe ein Hindernis in Form der technischen Einrichtungen im Weg stand, war hier aber die Aufnahmevorrichtung als solche in das Gerät integriert und bot damit eine - wenn auch nicht in jeder Hinsicht gelungene - Möglichkeit der vereinfachten Mitführung dieser Teile.
Ausgehend von der Zielvorstellung einer Verbesserung dieser Lösung mußte es sich dem Fachmann nach den überzeugenden Ausführungen des
gerichtlichen Sachverständigen, denen der Senat folgt, zunächst aufdrängen, die bei dem bekannten Gerät aus dem Stand der Technik vorgesehenen Füße zu vermeiden. Diese machten, wie der gerichtliche Sachverständige anschaulich und überzeugend geschildert hat, ein aufwendiges, aus mehreren Teilen bestehendes Werkzeug erforderlich, das sich bei Wegfall der Standfüße deutlich vereinfachen läßt. Auch die Streitpatentschrift beschreibt diese Füße als störend und bezeichnet es als Vorzug der von ihr vorgeschlagenen Lösung, daß eine einfache Herstellung erreicht wird, da keine gesonderten Stützfüße befestigt oder montiert werden müssen. Dort wird ausgeführt, daß bei dem Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 79 29 280 zum Aufstellen des Geräts Stützen vorgesehen sind, die gesondert am Rahmen über Ausleger auf relativ aufwendige Weise befestigt sind.
Bei Verzicht auf die Standfüße war der erforderliche sichere Stand im Betrieb des Hochdruckreinigers aber nur dann gewährleistet, wenn die Aufgabe des neben den beiden Rädern oder der Gehäusekante in ihrer Nähe erforderlichen weiteren Ruhepunktes von anderen Teilen des Gerätes übernommen wurde. Dazu bot es sich an, die obere Verkleidung des Geräts, die bei der Ausführungsform nach dem Stand der Technik im Betriebszustand auf den Standfüßen auflag, bis zum Boden zu verlängern. Die dafür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend als im Können des Durchschnittsfachmanns liegend bezeichnet; der Senat schließt sich dem an. Mit dem Sachverständigen ist er weiter der Überzeugung, daß der mit einem solchen Umbau verbundene Aufwand durch die Vorteile im Herstellungsprozeß aus der Sicht des Fachmanns aufgewogen wird.
Mit dieser konstruktiven Änderung war allerdings das Anliegen des Streitpatents, eine vereinfachte Mitnahmemöglichkeit für das Zubehör zu schaffen, nicht, jedenfalls aber nicht in optimaler Weise verwirklicht. Ausgehend von dem Gerät K... , das - worüber auch die Parteien einig sind - dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents am nächsten kommt, kann nicht festgestellt werden, daß der Durchschnittsfachmann dort eine Steckaufnahme für längere Zubehörteile vorfand. Wie das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung im Einspruchsverfahren gegen das Streitpatent vom 24. November 1997 (11 W (pat) 33/96) dargelegt hat, sind bei dem K...-Gerät als Zubehörteile nur eine relativ kurze Handspritzpistole und mit dieser verbindbare Stahlrohre und Waschbürsten angegeben und dargestellt. Für die Aufnahme einer an den Druckschlauch angeschlossenen, die Höhe des gesamten Geräts übersteigenden Sprühlanze sind die bei dem K...-Gerät vorgesehenen Steckaufnahmen danach grundsätzlich nicht geeignet. Geht man von dieser Vorstellung aus, mußte sich dem Fachmann bereits aufgrund einfacher Überlegungen aufdrängen, daß einer wesentlich sicheren Aufnahme des Zubehörs durch ein weiteres Einführen in die vorhandenen Öffnungen allein der ausladende Motorbereich in der Mitte des Geräts im Wege stand. Dem um platzsparende und sichere Transport- und Lagerungsmöglichkeiten für alle Zubehörteile bemühten Durchschnittsfachmann boten sich zur Vermeidung dieser als nachteilig empfundenen Gestaltung mehrere handwerkliche Lösungsmöglichkeiten , die, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, alle darin bestanden, den Aufnahmeraum durch eine Verlegung der hierfür bestimmten Öffnung in der Weise vorzusehen, daß die Zubehörteile über die volle Länge der Verkleidung eingesteckt werden können. Da er zugleich die Fußkonstruktion als nachteilig erkannt hatte, lag es dann für ihn nahe, die außenseitig am Gehäuse angebrachte Steckaufnahme so weit zu verlängern, daß
er nicht nur auf zusätzliche Spritzgußteile verzichten, sondern den Boden der Steckaufnahme als Aufstandsfläche des Geräts in gekipptem Zustand nutzen konnte. Da der Fachmann im Interesse eines sicheren Standes des Geräts bestrebt sein mußte, einen möglichst großen Abstand zwischen der Drehachse der Stützräder und dem Aufstandspunkt des Stützpunktes zu erzielen, bot sich der vordere Gehäusebereich, in dem die Steckaufnahme bereits im Stand der Technik angeordnet war, nämlich zugleich für die Anordnung des Stützfußes an. Wie das Ausführungsbeispiel des Streitpatents zeigt, verlangt die erfindungsgemäße Ausgestaltung nicht mehr, als das Gehäuse so auszubilden, daß die Steckaufnahme bis in den Gehäusebereich hinunterreicht, deren Unterseite zugleich den vorderen Stützpunkt (Stützfuß) bildet. Zu dieser Form der Kombination von Stützfuß und Steckaufnahme gelangte der Fachmann bereits durch die jeweils für sich nahegelegte Verlagerung der vorderen Abstützung in den unteren Bereich der zum zweiten Gehäuseteil umgestalteten Verkleidung und die Verlängerung der Steckaufnahme zur sicheren Aufnahme des Zubehörs.
Der damit verbundenen Verneinung einer erfinderischen Tätigkeit steht nicht entgegen, daß der Fachmann bei dieser Lösung nicht unmittelbar von der im Streitpatent angegebenen Aufgabenstellung, sondern von allgemeinen Überlegungen ausgehen mußte, die allerdings nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen von ihm zu erwarten waren und in der allgemeinen Problemstellung lagen. Auf die im Streitpatent bezeichnete subjektive Aufgabe kommt es für die Beurteilung einer erfinderischen Tätigkeit nicht an. Bei der Beurteilung, ob der beanspruchten Lösung eine erfinderische Bedeutung beizumessen ist, muß von dem ausgegangen werden, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet.
Maßgeblich ist nicht, was in der Streitpatentschrift als "Aufgabe" bezeichnet ist, sondern das durch die Erfindung für den Fachmann tatsächlich, d.h. objektiv gelöste technische Problem (Sen. BGHZ 98, 12, 20 - Formstein; Urt. v. 23.01.1990 - X ZR 75/87, GRUR 1991, 522, 523 - Feuerschutzabschluß). Hat die zu seinem typischen Aufgabenkreis gehörende Bewältigung eines konstruktiven Problems wie die kostengünstigere Herstellung durch Vereinfachung der Werkzeuge dem Fachmann eine der beanspruchten Lehre entsprechende Ausgestaltung nahegelegt, beruht diese Lehre auch dann nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Stand der Technik für die damit zugleich erreichte Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende Anregung vermittelt hat.
Die Unteransprüche haben, wie dies auch der Beklagte sieht, keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt und sind deshalb ebenfalls für nichtig zu erklären.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck
19
Als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausschließlich auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen. Sie gibt - wie zu I ausgeführt - das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem nicht zutreffend wieder. Im Übrigen bildet auch eine zutreffend formulierte Aufgabe nicht notwendigerweise den einzigen Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit; es ist vielmehr auch zu erwägen, ob die Bewältigung eines (anderen) zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden technischen Problems dessen Lösung nahegelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger). Dies ist hier zu bejahen. Darauf, ob sich diese Anregungen auch auf die Fotostabilität bezogen, ist dabei nicht entscheidend abzustellen (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317 - kosmetisches Sonnenschutzmittel I; st. Rspr.).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)