Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:271015UXZR11.13.0
bei uns veröffentlicht am27.10.2015
vorgehend
Bundespatentgericht, 10 Ni 36/10, 04.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 11/13 Verkündet am:
27. Oktober 2015
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fugenband
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 3; EPÜ Art. 84 Satz 2; ZPO § 62

a) Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren
ist eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs
jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit
bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.

b) Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind
mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum
Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden
, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO.
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - X ZR 11/13 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2015:271015UXZR11.13.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck , die Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das am 4. Oktober 2012 verkündete Urteil des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert. Das europäische Patent 792 973 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche 1, 2 und 7 folgende Fassung erhalten: 1. Verwendung eines kalt verlegbaren Bandes bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist, als Fugenband im Straßenbau. 2. Verwendung eines Bandes nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet , dass die Kleberschicht eine Dicke zwischen 0,2 und 4 mm aufweist. 7. Verwendung eines Bandes nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Kleberbeschichtung so eingestellt ist, dass die Klebeigenschaften durch Anlösung erst dann entwickelt werden, wenn der Kleber mit einem Primer in Berührung kommt, der höher siedende Lösungsmittel enthält.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz werden den Klägerinnen zu 4/5, der Beklagten zu 1/5 auferlegt. Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 1 4/5 und die Beklagte 1/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 25. Januar 1997 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 3. Februar 1996 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 792 973 (Streitpatents), das in der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt erhaltenen Fassung ein kalt verarbeitbares Fugenband betrifft und sieben Patentansprüche umfasst, von denen die Ansprüche 1, 2 und 7 angegriffen sind. Die angegriffenen Ansprüche lauten: "1. Kalt verlegbares Fugenband zur Verwendung im Straßenbau, bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist. 2. Fugenband nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Kleberschicht eine Dicke zwischen 0,2 und 4 mm aufweist. 7. Fugenband nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet , dass die Kleberbeschichtung so eingestellt ist, dass die Klebeigenschaften durch Anlösung erst dann entwickelt werden, wenn der Kleber mit einem Primer in Berührung kommt, der höher siedende Lösungsmittel enthält."
2
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ur- sprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei, ebenso wie derjenige des Anspruchs 2, nicht patentfähig. Mit Patentanspruch 7 werde zudem ein Gegenstand beansprucht, der nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
3
Die Beklagte hat das Streitpatent in der im Einspruchsverfahren erhaltenen Fassung und mit neun Hilfsanträgen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat die Klagen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin zu 1 (nachfolgend: Klägerin), mit der sie die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und mangelnden Ausführbarkeit weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil in erster Linie mit der Maßgabe, dass die angegriffenen Patentansprüche 1, 2 und 7 die aus dem Tenor ersichtliche Fassung als Verwendungsansprüche erhalten sollen.

Entscheidungsgründe:

5
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft in der verteidigten Fassung die Verwendung eines Bandes als kalt verarbeitbares Fugenband im Straßenbau.
7
1. Nach der Patentbeschreibung werden Fugenbänder insbesondere im Straßenbau zur Herstellung von Nähten, d.h. Verbindungen von nebeneinanderliegenden Einbaubahnen aus Mischgut mit vergleichbaren Eigenschaften , und von Anschlüssen, d.h. Verbindungen von Einbaubahnen aus Mischgut mit unterschiedlichen Eigenschaften, verwendet. Die durch Nähte und Anschlüsse entstehenden Verbindungen, die dem Straßenverkehr und klimatischen Einflüssen ausgesetzt seien, müssten hohen Qualitätsanforderungen genügen. Sie sollten wasserdicht sein und sich unter äußeren Einflüssen nicht öffnen, damit die Deckschicht keinen Schaden nehme (Beschr. Abs. 2). Es gehe darum, mehr Bitumen als bisher an die Anbindungsflanke zu bringen und ein weiches Gelenk einzubauen, also eine Höchstmenge an Bitumen zum Dichten, Bewegen und Haften zu platzieren (Abs. 2). Bisher habe man zur Lösung dieses Problems mit vorgefertigten Bitumenfugenbändern gearbeitet, die nach dem Streichen der Flanke der bestehenden alten Asphaltdeckschicht mit einer bitumenhaltigen Grundierung an die Flanke angelegt worden seien. Um eine Haftung des Bitumenfugenbandes an der Nahtflanke zu bewirken, sei dieses mit einer Propanflamme angewärmt und dann an die Flanke angedrückt worden. Die Temperatur des Mischgutes der neu einzubringenden Deckschicht, das unmittelbar an das verlegte Fugenband herangebracht werde, reiche für sich genommen nicht aus, um Mängel bei der Verlegung des Fugenbandes auszugleichen; auch das anschließende Anwalzen führe nicht zu einem dichten Verschluss der Naht (Abs. 3).
8
2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem , ein Fugenband zur Verfügung zu stellen, das einfach zu verarbeiten ist und gleichwohl einen dichten Nahtverschluss ermöglicht.
9
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der zuletzt verteidigten Fassung vor: Patentanspruch 1: 1. Verwendung eines Bandes als Fugenband im Straßenbau. 2. Das Fugenband besteht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen. 3. Es ist kalt verlegbar. 4. Es ist wenigstens auf einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden.
Patentanspruch 2 beinhaltet: die Verwendung eines Bandes nach Anspruch 1, wobei die Kleberschicht eine Dicke zwischen 0,2 und 4 mm aufweist.
Patentanspruch 7 verlangt: die Verwendung eines Bandes nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei die Kleberbeschichtung so eingestellt ist, dass die Klebeigenschaften durch Anlösung erst dann entwickelt werden, wenn der Kleber mit einem Primer in Berührung kommt, der höher siedende Lösungsmittel enthält.
10
4. Die Parteien streiten darüber, über welche Qualifikation der maßgebliche Fachmann für die Auslegung des Patents und die Beurteilung der Patentfähigkeit verfügen muss.
11
a) Die Klägerin nimmt an, der Fachmann werde durch ein Team gebildet , das aus einem Diplom-Bauingenieur der Fachrichtung Straßenbau mit Spezialkenntnissen in der Verwendung von bitumenhaltigen Fugenbändern und einem Chemiker besteht, der über Spezialkenntnisse in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung bitumenhaltiger Fugenbänder verfügt. Die Beklagte sieht mit dem Patentgericht den Fachmann als Diplom-Bauingenieur an, der auch über die notwendigen chemischen Fachkenntnisse für die Entwicklung der Fugenbänder verfügt.
12
b) Maßgeblicher Fachmann ist derjenige, der in der Praxis mit der Entwicklung und Herstellung von Materialien für Nähte und Anschlüsse im Straßenbau und das Verschließen von Fugen befasst ist. Dafür sind neben Kenntnissen über die (möglichen) Materialeigenschaften des Bandes Erfahrungen mit der Verlegung des Fugenbandes erforderlich. Letztlich kann dahinstehen, ob infolgedessen als Fachmann ein Straßenbauingenieur oder ein Bauchemiker, der in erster Linie mit der Zusammensetzung und dem Einsatz von Baustoffen befasst ist, anzusehen ist. Das Streitpatent betrifft jedenfalls nicht die Herstellung eines Klebers oder einer Kleberschicht, sondern schlägt in der zuletzt ver- teidigten Fassung die Verwendung eines Bandes als Fugenband im Straßenbau vor, das kalt verlegbar und mit einer gesonderten Kleberschicht versehen ist. Der Vortrag der Klägerin gibt keine zureichenden tatsächlichen Hinweise dahingehend, dass angesichts dessen die Einordnung des Fachmanns als Straßenbauingenieur durch das Patentgericht nicht zutrifft. Selbst wenn man den Schwerpunkt bei der Lösung des technischen Problems des Streitpatents in der Materialanwendung sieht, ist als Fachmann jedenfalls kein Klebstoffspezialist , sondern ein Bauchemiker angesprochen, der über Erfahrung in der Zusammensetzung und Anwendung von Baustoffen verfügt und, beispielsweise, wie die von der Beklagten beauftragten Privatgutachter, im Bereich der polymeren Baustoffe und der Materialprüfung tätig ist. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass auf dem Gebiet des Straßenbaus spezielle Klebstofffachleute beschäftigt würden; die Klägerin hat dies auch nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund sind spezielle Kenntnisse über die Zusammensetzung und Wirkungsweise von Klebstoffen von dem in Rede stehenden Fachmann nicht zu erwarten (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2015 - X ZR 53/13).
13
5. Der Begriff "Fugenband", dessen Bedeutung zwischen den Parteien streitig ist, bedarf näherer Betrachtung. Die Klägerin meint, die Lehre des Streitpatents könne nicht auf senkrecht, also in der Fuge, zu verbauende Fugenbänder beschränkt werden. Der Begriff umfasse beispielsweise auch Bänder , die zur Abdeckung einer Fuge verwendet würden.
14
a) Die Bedeutung der in einem Patentanspruch verwendeten Begriffe ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets geboten ist und auch dann nicht unterbleiben darf, wenn der Wortlaut des Patentanspruchs eindeutig zu sein scheint (s. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2015 - X ZR 43/13, GRUR 2015, 875 - Rotorelemente, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Be- griffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (BGH - Rotorelemente, Rn. 16; Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Im Zweifel ist ein Verständnis des Anspruchs geboten , das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht (BGH - Rotorelemente, Rn. 16).
15
Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben nehmen dabei als Bestandteile eines Patentanspruchs an dessen Aufgabe teil, den geschützten Gegenstand vom Stand der Technik abzugrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage ).
16
b) So liegen die Dinge hier. Der in den Patentansprüchen enthaltene Begriff Fugenband gibt für sich genommen weder Eigenschaften der Fuge noch des (Fugen)Bandes an. Aus den Ausführungen in der Beschreibung folgt aber, dass das patentgemäße Fugenband ein solches sein soll, mit dem eine gegen witterungsbedingte und mechanische Einflüsse resistente und dichte Herstellung von Nähten und Anschlüssen im Straßenbau erzielt werden kann. Um den Witterungs- und Verkehrseinflüssen Stand halten zu können, soll mehr Bitumen als bisher an die Anbindungsflanke gebracht werden (Abs. 1, 3). Die Verwendung des Begriffs "Anbindungsflanke" spricht dafür, dass das Fugenband an der Seite der bereits vorhandenen Einbaubahn, also senkrecht in der Fuge, angebracht werden soll. Diese Sichtweise wird durch die weiteren Ausführungen in der Beschreibung bestätigt. So ist bei der Erläuterung der Erfindung ausgeführt , dass beim Verlegen an der Nahtflanke auf die Verwendung einer Propanflamme verzichtet werden könne. Bei entsprechender Einstellung des Klebers sei es zudem möglich, bei Temperaturen etwas oberhalb des Gefrierpunktes eine Haftung zwischen Fugenband und Nahtflanke zu erreichen (Abs. 7). Auch bei der Erläuterung der Ausführungsbeispiele und insbesondere auch des Gegenstands nach Patentanspruch 7 ist in der Beschreibung von der Haftung des Fugenbandes an der Nahtflanke (Abs. 12), dem Andrücken des Bandes an die Nahtflanke (Abs. 15) und von einem zuverlässigen Anhaften des Fugenbandes an der Nahtflanke (Abs. 16) die Rede.
17
c) Dieses Verständnis des Begriffs "Fugenband" wird unterstützt durch das von der Beklagten in 2. Instanz vorgelegte Merkblatt für das Herstellen von Nähten und Anschlüssen in Verkehrsflächen aus Asphalt, herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Asphaltstraßen, aus dem Jahr 1989 (Anlage GPR 3).
18
(1) Dabei handelt es sich zwar um ein neues Verteidigungsmittel, das aber entgegen der Auffassung der Klägerin gemäß § 117 PatG i.V.m. § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 3 ZPO zuzulassen ist. Das Patentgericht hat sich, wie sich aus dem gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG und aus dem angefochtenen Urteil ergibt, mit dem Begriff "Fugenband" nicht in dem von der Klägerin verstandenen Sinn befasst. Die Klägerin selbst hat auf die Auslegung erst in der Berufung besonderes Gewicht gelegt. Die Vorlage des Merkblatts, mit der die Beklagte auf den Vortrag der Berufungsklägerin reagiert hat, beruht deshalb nicht auf Nachlässigkeit der Beklagten.
19
(2) Das Merkblatt enthält unter 4.2.2 Ausführungen zu Fugen mit aufschmelzbarem Fugenband. Auch hier wird die Fugenflanke erwähnt, die - wie bei dem damaligen Stand der Technik üblich - mit einem geeigneten Voranstrich zu versehen sei. Das Fugenband sei einseitig anzuschmelzen und an die vorbereitete Fugenflanke festhaftend anzudrücken. Hieraus ergibt sich, dass ein im Straßenbau verwendetes Fugenband an die Fugenflanke, also an die Seite der Fuge und damit senkrecht stehend anzubringen ist.
20
II. Das Patentgericht hat, in diesem Punkt von der Berufung unbeanstandet , angenommen, der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung liege nicht vor. Die in Patentanspruch 7 enthaltene Erfindung sei zudem ausführbar offenbart. Der Fachmann könne die Lehre des Anspruchs 7 mit den Erläuterungen aus der Beschreibung unter Zuhilfenahme von geeigneten, entweder bekannten oder aus Versuchen ermittelten Ergebnissen nacharbeiten. Nach Absatz 15 der Beschreibung könne der Kleber beispielsweise so eingestellt werden, dass er bei Temperaturen bis maximal 30°C noch keine oder nur geringe Klebeigenschaften aufweise. Erst wenn das mit der Kleberschicht versehene Fugenband durch Andrücken an die Nahtflanke mit dem Primer in Berührung komme, träten die Klebfähigkeit und damit die Haftung ein.
21
Die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche seien auch patentfähig. Die zur Prüfung der Neuheit herangezogene deutsche Offenlegungsschrift 2 225 358 (K6) beziehe sich auf ein vorgefertigtes bogen- oder bahnförmiges Material, das mit mindestens einer Schicht aus einer polymervergüteten bituminösen Masse versehen sei, wobei die Schicht 1 (Figur 1 der K6) auf der einen Seite eine im Wesentlichen nicht klebende Eigenschaft aufweise, während die andere Seite aus einer selbstklebenden Bitumenmasse bestehe. Das bahnförmige Material werde zum Abdichten auf Betonflächen unter anderem auf Brücken verlegt, wo anschließend eine heiße Asphaltschicht aufgebracht werde. Das Material nach der K6 betreffe somit ausschließlich Abdichtbahnen und kein Fugenband.
22
Das Fugenband nach der deutschen Patentschrift 41 26 090 (K12) sei reißfest und bestehe aus elastischem Polymerkunststoff und nicht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, so dass Merkmal 3 nicht erfüllt sei.
23
Die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und der angegriffenen Unteransprüche beruhten auch auf erfinderischer Tätigkeit. Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 13 030 (K2) sei ein bitumenhaltiges Dichtungsmaterial be- kannt, das als Fugenband im Straßenbau verwendet werde. Das Dichtungsmaterial werde durch leichte Erwärmung zu einem Fugenband verpresst; es sei selbstklebend und zu seinem Einbau sei keine Erwärmung mehr nötig. Die Zusammensetzung des Fugenbandmaterials bewirke die selbstklebende Eigenschaft , wobei die gesamte Schicht selbstklebend sei. Das Fugenband nach der K2 sei jedoch auf keiner Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden. Der Fachmann erhalte aus K2 auch keinen Hinweis, die bekannte klebrige Schicht zwecks besserer Haftung einseitig mit einer weiteren klebrigen Schicht zu versehen, weil ein Verkleben bzw. Anhaften des Bandes bereits mit einem einschichtigen Fugenband erreicht werde.
24
In dem Aufsatz von Zeller "Ein neues Fugenband, ein Abdeckband und neue Stopfen zum Verschließen von Bohrlöchern" in: Neue Deliwa-Zeitschrift Heft 12/94 (K22a) werde als Lösung bei nicht ausreichender Anhaftung ein Vorwärmen der Schnitt- und Fräskanten vorgeschlagen, was den Fachmann nicht zur patentgemäßen Lösung führe.
25
Auch das Band nach der deutschen Offenlegungsschrift 1 965 092 (K7) zeige nichts, was über das aus K2 und K22a Bekannte hinausgehe. Auch eine Zusammenschau der erörterten Druckschriften führe nicht zum Patentgegenstand. Aus der K6 erkenne der Fachmann vorrangig Abdichtungsbahnen in unterschiedlichen Breiten. Dort sei ein Verkleben der Bahnen mit dem Betonuntergrund mittels einer Kleberschicht, die auf die Bahnen aufgebracht sei, beschrieben. Bei dem zweischichtigen Aufbau gehe es nicht um eine Verbesserung der Haftung der flach aufliegenden Abdichtungsbahnen auf dem Betonuntergrund , sondern um die Schaffung einer nicht klebenden Seite, die nach außen freiliegen könne. Die Zweischichtigkeit der Abdichtungsbahnen in der K6 diene damit ganz anderen Zielen als im Streitpatent. Beim Streitpatent stehe eine Steigerung der Klebeigenschaft bei stehend angebrachten Fugenbändern im Vordergrund.
26
Die deutschen Patentschriften K12 und DD 258 259 (K10) zeigten zwar einen zweischichtigen Aufbau, beträfen aber Bänder, die für Straßenfertigung aus bitumengebundenen Asphaltschichten nicht geeignet seien. Die in K12 und auch die in K10 offenbarten Fugenbänder füllten - anders als beim Streitpatent - nicht die Fuge aus, sondern überbrückten sie. K12 und K10 könnten daher für die im Streitpatent geschilderten Probleme keinen Lösungsansatz bieten.
27
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung im Wesentlichen stand. Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 Rn. 15 - Carvedilol II). In dem Umfang, in dem es verteidigt wird, erweist es sich als rechtsbeständig.
28
1. Die beschränkte Verteidigung durch Änderung der Sachansprüche in Verwendungsansprüche ist zulässig.
29
a) Der Übergang von einem Erzeugnis- zu einem Verwendungsanspruch im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats statthaft. Der Erfinder soll für die neue und nicht naheliegende Verwendung eines an sich bekannten Erzeugnisses Schutz erhalten (BGH, Urteil vom 2. November 2011 - X ZR 23/09, Mitt. 2012, 119 - Notablaufvorrichtung).
30
b) Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist der beschränkte Patentanspruch nicht im Hinblick auf Klarheit des in Merkmal 4 enthaltenen Begriffs "gesondert" zu prüfen.
31
(1) Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist zu untersuchen, ob die beabsichtigte Selbstbeschränkung unzulässig ist, etwa weil der so definierte Gegenstand über die ursprüngliche Offenbarung hinausginge oder den Schutzbereich des Patents erweiterte. Ein Prüfungskriterium für die Zulässigkeit in den Patentanspruch aufgenommener Merkmale und Begriffe kann zudem sein, ob der Anspruch durch deren Aufnahme hinreichend deutlich und klar gefasst wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 29 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Dies folgt aus Art. 84 Satz 2 EPÜ; für das nationale Recht ergibt sich dieses Erfordernis aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV. Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist jedoch weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der Patentinhaber hat mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Das Europäische Patentübereinkommen regelt ebenso wie das nationale Recht die Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe, zu denen die fehlende Klarheit nicht gehört, abschließend (Art. 100, 138 EPÜ; §§ 21, 22 PatG). Daraus folgt, dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 - G 3/14).
32
(2) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine Prüfung der in Verwendungsansprüche geänderten Patentansprüche nicht statthaft. Das hier in Streit stehende Wort "gesondert" ist nicht durch eine Änderung in den als Verwendungsanspruch umgestalteten Patentanspruch aufgenommen worden. Es war bereits Bestandteil des Sachanspruchs in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung, der mit Ausnahme der Ausgestaltung als Verwendungsanspruch unverändert geblieben ist.
33
2. Der Gegenstand des zuletzt verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu (Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ).
34
a) Die patentgemäße Verwendung eines Bandes als Fugenband wird nicht durch die Entgegenhaltung K6 vorweggenommen. K6 betrifft ein vorgefer- tigtes bogen- oder bahnförmiges Material, das als Abdichtungsmaterial für verschiedene Flächen, beispielsweise für Dächer oder Fußböden und insbesondere zur Aufbringung auf Betonflächen und auch als Brückenabdeckung geeignet ist (S. 1, 7). Eine Lage des Materials besteht vorzugsweise aus zwei Schichten, von denen die eine eine selbstklebende bituminöse Klebemittelmasse und die andere eine nichtklebende Bitumenmasse sein kann (S. 3, 4). Die klebende Seite der Lage wird auf die abzudichtende Fläche aufgebracht, wobei gegebenenfalls eine Mehrzahl einander überlappender Bahnen erforderlich ist, um eine kontinuierliche Membran auf der gesamten Fläche zu erhalten (S. 6). Die Breite des Materials kann schwanken und beispielsweise zwischen 2,5 und 120 cm oder darüber liegen (S. 4). Damit mag die K6 zwar einen Gegenstand vorstellen , der objektiv als Fugenband geeignet ist. Die Verwendung eines Bandes als Fugenband offenbart K6 aber, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, nicht.
35
b) Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass auch die Entgegenhaltung K12 den Gegenstand des Streitpatents nicht vorwegnimmt. Dies trifft auch für die zuletzt verteidigten Verwendungsansprüche zu. Die Berufung führt hiergegen auch keinen Angriff.
36
3. Der Gegenstand der verteidigten Ansprüche war aus Sicht des Fachmanns nicht durch den Stand der Technik nahegelegt (Art. 56 EPÜ). Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, dass die Entgegenhaltungen K2, K22a, K7, auch in Verbindung mit K6, sowie die K10 und K12 nicht zu der Erfindung führen. Diese Beurteilung trifft auch für die verteidigten Verwendungsansprüche zu. Die Ausführungen des Patentgerichts zu den Entgegenhaltungen K10 und K12 hat die Klägerin mit der Berufung nicht angegriffen.
37
a) K2 betrifft ein bitumenhaltiges Dichtungsmaterial, das unter anderem als Fugenband zum Abdichten von Fugen im Straßenbau eingesetzt werden kann.
38
(1) Das Dichtungsmaterial soll sich in engem stofflichen Kontakt vollständig an die Fugenwandungen anpassen (K2, S. 1). Nachteilig sei, so heißt es in der Beschreibung, dass die Bauteile, deren Fugen abzudichten seien, von vornherein mit einer speziellen Schutzschicht auf Bitumenbasis versehen sein müssten oder dass diese unmittelbar vor Einbringung des Fugenbandes in Form eines lösungsmittelhaltigen Anstrichs (Primer) aufgebracht werde. Aufgabe der Erfindung sei es, ein selbstklebendes bitumenhaltiges Dichtungsmaterial vorzugsweise in Form von Fugenbändern, Platten oder Bandagen herzustellen, das es gestatte, den Aufwand für den Anstrich bzw. die Erwärmung einzusparen (S. 2). Das Fugenband wird unter leichter Erwärmung verpresst (S. 3 aE); es ist selbstklebend und muss beim Einbau nicht mehr erwärmt werden. Von dem Band nach Patentanspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich dieses Fugenband dadurch, dass es einschichtig und nicht wenigstens auf einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist.
39
(2) Hieraus und auch in Verbindung mit der Offenbarung der K6 erhält der Fachmann keine Anregung, ein Band als Fugenband zu verwenden, das mit einer gesonderten Kleberschicht versehen ist. Das bahnförmige Abdichtungsmaterial der K6 dient zur Abdichtung von Oberflächen (S. 2, 1. Abs.). K6 enthält keinen Hinweis auf die Verwendung des offenbarten Materials als ein Fugenband , wie das Streitpatent es versteht. Der Inhalt der K6 führt eher von einer solchen Verwendung weg. In der Entgegenhaltung ist von einer "Lage", einem bahnförmigen Material, die Rede (S. 3, 4), das liegend auf Oberflächen aufgebracht wird, um, wie ausgeführt, diese wasserdicht zu machen (S. 6) und eine dauernde Verbindung zum Untergrund zur Verfügung stellen, während die nichtklebende Seite nach außen freiliegen kann. Der zweischichtige Materialaufbau der K6 dient zudem anderen Zwecken als die gesonderte Klebeschicht beim Streitpatent, bei der die Steigerung der Klebfähigkeit im Vordergrund steht. Er bietet, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, die Möglichkeit, die nichtklebende Seite weiter zu behandeln, um sie vor Beschädigung zu schützen und die Verankerung anschließend aufzubringender Stoffe wie Beton oder Asphalt zu verbessern (K6, S. 6, 2. Abs.). Schließlich ermöglicht der Materialaufbau auch, Verstärkungsmaterial innerhalb der Schichten der Lage anzuordnen (K6, S. 4, 1. Abs.).
40
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Hinweis in Absatz 4 des Streitpatents, das in K2 offenbarte Material sei aus einer offensichtlich nicht klebefähigen Bitumenmasse hergestellt, nicht gefolgert werden, diese Kritik deute darauf hin, dass der Fachmann Anlass gehabt habe, eine Weiterentwicklung des Stands der Technik außerhalb der vom Vorschlag der K2 vorgezeichneten Bahnen zu suchen. Denn diese Kritik stellt sich als rückschauend nach Auffindung der streitpatentgemäßen Lösung gewonnene Analyse dar (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2010 - X ZR 73/08, Mitt. 2011, 26 - Gleitlagerüberwachung ). Aus der Kritik, das Material sei aus einer offensichtlich nicht klebefähigen Bitumenmasse hergestellt, wird lediglich deutlich, dass die Klebefähigkeit des Materials verbessert werden soll. Es war aber weder vorgegeben, auf welchem weg eine verbesserte Klebefähigkeit erreicht werden sollte, noch dass dies mit der Ausbildung einer gesonderten Kleberschicht gelingen könnte.
41
(4) Ebenso wenig führt der Umstand, dass das Material nach der K6 und Fugenbänder nach der K2 möglicherweise im gleichen Katalog angeboten werden , zur Verneinung der erfinderischen Tätigkeit. Die technische Nähe des Materials der K6 und des Fugenbandes nach K2 hat jedenfalls bis zum Prioritätstag des Streitpatents nicht dazu geführt, Eigenschaften des einen Materials auf das andere zu übertragen.
42
b) In dem Artikel K22a wird darauf hingewiesen, dass das dort vorgestellte verformbare Band einfach angedrückt werde und hafte. An kühlen Tagen könne es zweckmäßig sein, die Schnitt- oder Fräskante vorzuwärmen (S. 626 re. Sp., 7. Spiegelstrich). Ob der Fachmann, wie die Klägerin meint, durch diese Empfehlung eine Anregung erhielt, die Klebfähigkeit des Fugenbandes weiter zu verbessern, kann letztlich dahinstehen. K22a benennt die für zu verschließende Fugen im Straßenbau bestehenden Anforderungen - es solle wenig Handarbeit anfallen, die Umweltverträglichkeit sei sicherzustellen, um Kosten zu senken solle der Arbeitsgang "Vorstreichen" entfallen, das Band solle selbstklebend sein und an gefrästen, rauheren Kanten die Fuge füllen und den wasserdichten Abschluss sicherstellen. Zur Erfüllung dieser Anforderungen hält der Autor das vorgestellte Produkt für eine sehr gelungene Lösung; er führt aus: "Erstaunlicherweise gelang es dem Hersteller aus den neuen Bundesländern innerhalb kürzester Zeit mit einem neuen Fugenband alle Forderungen zu erfüllen" (K22a, S. 626 re. Sp.). Vor diesem Hintergrund zielt die zitierte Bemerkung über das Anwärmen aus fachmännischer Sicht nicht darauf ab, einen Mangel oder eine verbesserungswürdige Schwachstelle des vorgestellten Fugenbandes zu bezeichnen. Der Hinweis auf das Anwärmen erscheint vielmehr als mögliche unterstützende Maßnahme beim Anbringen des Bandes unter bestimmten Witterungsbedingungen. Selbst wenn jedoch der Fachmann in der zitierten Passage eine Anregung gesehen hätte, die Haftfähigkeit des Fugenbandes zu verbessern , weist die Entgegenhaltung nicht auf die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung hin, das Fugenband mit einer gesonderten Kleberschicht zu versehen.
43
c) K7 offenbart, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ein plastisch-elastisches, stark klebendes Verlegeband mit hoher Dehnbarkeit, das einschichtig ausgebildet ist. Vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich dieses Fugenband ebenso wie das in K2 gezeigte dadurch, dass es nicht wenigstens auf einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden sein soll. Folglich erhält der Fachmann auch aus K7 keine Anregung, ein Fugenband mit einer gesonderten Kleberschicht zu versehen.
44
4. Die Erfindung ist in Patentanspruch 7 so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann sie ausführen kann (Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ i.V.m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG). Die Klägerin macht geltend, für den Fachmann sei nicht ersichtlich, was ein geeignetes höher siedendes Lösungsmittel sein könne. Deshalb liege keine sinnvoll nachvollziehbare technische Lehre vor. Dies trifft nicht zu.
45
a) Eine Lehre ist ausführbar, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird. Dabei reicht es aus, wenn dem Fachmann ein allgemeines Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Der Patentanspruch muss nicht alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901, Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung; Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916, Rn. 17 - Klammernahtgerät).
46
b) Diesen Anforderungen genügen die Angaben in Patentanspruch 7 und die Erläuterungen in Absatz 15 der Beschreibung. Dort erhält der Fachmann die Anweisung, den Kleber so einzustellen, dass er bis hin in Bereiche von maximal 30°C noch keine oder nur geringe Klebeigenschaften aufweist. Die Klebfähigkeit und damit die Haftung sollen erst eintreten, wenn das Fugenband an die Nahtflanke angedrückt wird und mit dem Primer in Berührung kommt, so dass die im Primer enthaltenen höher siedenden Lösungsmittel auf die Kleberschicht einwirken. Entsprechende Lösungsmittel waren, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, dem Fachmann bekannt. Ihm war es somit möglich, Untersuchungen zur Klebfähigkeit mit verschiedenen bekannten Lösungsmitteln anzustellen und so zu dem im Streitpatent vorgegebenen Ergebnis zu gelangen. Dem steht nicht entgegen, dass in Patentanspruch 7 dem Begriff "höher siedend" kein Vergleichsbegriff gegenübersteht. Der Fachmann wird hierdurch vielmehr angewiesen, ein Lösungsmittel zu wählen, das keinen zu tiefen Siedepunkt hat, und kann durch entsprechende Versuche das geeignete Lösungsmittel auffinden.
47
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
48
Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO. Die Entscheidung über die Nichtigerklärung eines Patents ergeht durch Gestaltungsurteil; sie muss einheitlich ergehen, da das klagestattgebende Nichtigkeitsurteil Wirkungen gegenüber jedem der Kläger entfaltet (vgl. zur aktienrechtlichen Anfechtungsklage BGH, Urteil vom 5. April 1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 213, 240). Darüber hinaus hat eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents gemäß Art. 68 EPÜ oder §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 3 PatG Gestaltungswirkung gegenüber jedermann dahingehend, dass die Wirkungen des Patents in dem Umfang der Nichtigerklärung als von Anfang an nicht eingetreten gelten.
49
Die notwendige Streitgenossenschaft hat zur Folge, dass die Klägerin zu 2 weiter am Verfahren beteiligt ist, auch wenn sie das Urteil des Patentgerichts nicht mit der Berufung angefochten hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 94/10, BGHZ 192, 245 Rn. 22 - Tintenpatrone II). Die geänderte Entscheidung über die Kosten 1. Instanz betrifft demzufolge auch die Klägerin zu 2.
Meier-Beck Gröning Bacher Schuster Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.10.2012 - 10 Ni 36/10 (EU) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13 zitiert 15 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 62 Notwendige Streitgenossenschaft


(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Strei

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 34


(1) Eine Erfindung ist zur Erteilung eines Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt anzumelden. (2) Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum eingereicht werden, wenn diese Stelle durch Bekanntmachung des Bundesministeriums d

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 22


(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist. (2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de

Patentverordnung - PatV | § 9 Patentansprüche


(1) In den Patentansprüchen kann das, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 des Patentgesetzes), einteilig oder nach Oberbegriff und kennzeichnendem Teil geteilt (zweiteilig) gefasst sein.♦ In beiden Fällen kann die

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2011 - X ZR 23/09

bei uns veröffentlicht am 02.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 23/09 Verkündet am: 2. November 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Patentnichtigkeitsverfahren Der X. Zivilsenat des Bundesger

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2012 - X ZR 88/09

bei uns veröffentlicht am 24.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 88/09 Verkündet am: 24. Januar 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Patentnichtigkeitsverfahren Berichtigter Leitsatz Nachschlage

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2012 - X ZR 94/10

bei uns veröffentlicht am 24.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 94/10 Verkündet am: 24. Januar 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2006 - X ZR 105/04

bei uns veröffentlicht am 07.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 105/04 Verkündet am: 7. Juni 2006 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: nein L

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2006 - X ZR 236/01

bei uns veröffentlicht am 19.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 236/01 Verkündet am: 19. Dezember 2006 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja B

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Mai 2010 - X ZR 51/06

bei uns veröffentlicht am 11.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 51/06 Verkündet am: 11. Mai 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Aug. 2010 - X ZR 73/08

bei uns veröffentlicht am 31.08.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 73/08 Verkündet am: 31. August 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2015 - X ZR 43/13

bei uns veröffentlicht am 12.05.2015

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Januar 2013 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - X ZR 11/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2016 - X ZR 130/13

bei uns veröffentlicht am 28.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/13 Verkündet am: 28. Januar 2016 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2016:280116UXZR130.1

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Feb. 2016 - X ZR 146/13

bei uns veröffentlicht am 02.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEILURTEIL X ZR 146/13 Verkündet am: 2. Februar 2016 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2016:020216UXZR146.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2019 - X ZB 16/17

bei uns veröffentlicht am 22.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 16/17 vom 22. Oktober 2019 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Karusselltüranlage PatG § 99; ZPO § 62 § 62 ZPO findet im Einspruchsbeschwerdeverfahren entspre

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Mai 2017 - X ZR 102/15

bei uns veröffentlicht am 09.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 102/15 Verkündet am: 9. Mai 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2017:090517UXZR102.15.0 D

Referenzen

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

(2) Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Januar 2013 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. März 2001 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 15. April 2000 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 275 192.

2

Patentanspruch 1 lautet:

"A machine for the manufacture of elements (8) from strip stock, the elements (8) in use being stacked to provide an assembly of stacked elements (8) for an electrical motor, each element (8) including body (10) and pole (12) portions which are integrally formed, the machine including a die assembly including a first die member (22) for providing by punching at least parts of the body portions (10) of each element and a second die member (32) for providing by punching, the pole portions (12) of each element (8), and characterised in that the body and pole die members (22, 32) are relatively moveable between successive punching operations when the body and pole portions (10, 12) of the elements (8) are provided, whereby incremental adjustment of the position of the second die member (32) relative to the first die member (22) is effected so that whilst each of the body portions (10) of the elements (8) is provided along a common centre line, the pole portion (12) of each of the successive elements (8) is incrementally offset relative to the pole portion (12) of each of the respective previous elements (8) with respect to the said common centre line of the body portion (10)."

3

Die Klägerinnen machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert und nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise mit mehreren geänderten Anspruchssätzen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

5

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht zur Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents. Die Annahme des Patentgerichts, mit dem Streitpatent sei ein "Aliud" gegenüber der Anmeldung unter Schutz gestellt worden, hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

7

I. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Herstellen von Elementen aus bandförmigem Material, wobei die Elemente im Gebrauch aufeinander gestapelt werden, um eine Anordnung von gestapelten Elementen für eine elektrische Maschine zu bilden. Eine elektrische Maschine mit ausgeprägten Polen ist, wie das Patentgericht ausgeführt hat, unter dem Fachbegriff Schenkelpolmaschine bekannt. Für Käfig- und Drehstromwicklungen ist es üblich, zur Geräusch- und Oberwellendämpfung die Nuten zu schrägen. Die Einzelbleche werden gegeneinander versetzt, so dass Nuten und Leiter wendelförmig verlaufen, gegebenenfalls auch abschnittsweise mit unterschiedlicher Schrägungsrichtung, so dass sich eine als Winkel- oder Pfeilform bezeichnete Form ergibt. Auch nach dem Streitpatent sollen die Polabschnitte winkelförmig geschrägt werden, die Grundkörper hingegen unverändert bleiben, wie in (der nachfolgend mit Figur 1 wiedergegebenen) Figur 2 des Streitpatents gezeigt.

Abbildung

8

Dazu müssen im Stand der Technik entweder beide Teile einzeln gefertigt und beispielsweise durch Schweißen verbunden werden oder es ist für jedes Blech eine gesonderte Form zu stanzen, was eine große Zahl verschiedener Stanzwerkzeuge erfordert. Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, einen Rotor mit dem gewünschten Winkelprofil einfacher herzustellen. Erfindungsgemäß wird dies durch zwei Stanzwerkzeuge erreicht, die schrittweise (inkrementell) gegeneinander bewegt werden und so eine sukzessive Verschiebung des Polabschnitts zum Grundkörper bewirken.

9

Das Patentgericht hat Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert:

1.1 Vorrichtung zum Herstellen von Elementen

1.2 aus bandförmigem Material,

1.3 wobei die Elemente im Gebrauch aufeinandergestapelt werden, um eine Anordnung von gestapelten Elementen für eine elektrische Maschine zu bilden,

1.4 wobei jedes Element Grundkörper und Polabschnitte aufweist, die integral ausgebildet sind,

2. wobei die Maschine eine Stanzanordnung aufweist,

2.1 die mit einem ersten Stanzelement versehen ist, zum Bereitstellen durch Ausstanzen zumindest von Teilen der Grundkörperabschnitte eines jeden Elements,

2.2 und ein zweites Stanzelement zum Bereitstellen durch Ausstanzen der Polabschnitte eines jeden Elements, und dadurch gekennzeichnet,

3.1 dass die Stanzelemente für Grundkörper und Pole relativ zueinander bewegbar sind, zwischen aufeinanderfolgenden Stanzvorgängen,

3.2 wenn die Grundkörper- und Polabschnitte der Elemente gebildet werden,

4. wobei eine schrittweise Einstellung der Position des zweiten Stanzelements relativ zu dem ersten Stanzelement so ausgeführt wird,

4.1 dass während jeder der Grundkörperabschnitte der Elemente entlang einer gemeinsamen Mittellinie gebildet wird,

4.2 der Polabschnitt eines jeden der aufeinanderfolgenden Elemente schrittweise relativ zu dem Polabschnitt eines jeden entsprechenden vorangehenden Elements in Bezug auf die genannte gemeinsame Mittellinie des Grundkörperabschnitts versetzt ist.

10

II. Das Patentgericht hat in diesem Gegenstand eine unzulässige Erweiterung der Ursprungsoffenbarung gesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

11

Der Anspruch stütze sich auf Anspruch 11 der Anmeldung, wobei

- die Merkmale 1.2 bis 1.4 neu hinzugekommen seien,

- in Merkmal 3.1 der zweite Halbsatz neu hinzugekommen sei,

- in den Merkmalen 4 und 4.2 "schrittweise" ergänzt worden sei,

- der auf Rotorelemente beschränkte Anspruch 11 auf Elemente verallgemeinert worden sei,

- die Zuordnung der Grundkörperabschnitte und der Polabschnitte zu den Stanzelementen nach Merkmalen 2.1 und 2.2 vertauscht worden sei,

- nach diesen Merkmalen zumindest Teile der Grundkörperabschnitte und die Polabschnitte (insgesamt) ausgestanzt würden, während es nach Anspruch 11 der Anmeldung umgekehrt sei,

- aus der Mittellinie des zugehörigen Grundkörperabschnitts eine gemeinsame Mittellinie des Grundkörperabschnitts geworden sei.

12

Während sich die ersten drei Abweichungen von Anspruch 11 der Anmeldung aus den Ursprungsunterlagen ableiten ließen und die vierte als zulässige Verallgemeinerung angesehen werden könne, seien die weiteren Änderungen nicht mehr zulässig. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin handele es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler in der Formulierung des Patentanspruchs, der berichtigt werden könne. Anspruch 1 sei in sich schlüssig und lasse keine Widersprüche erkennen. Die von der Beklagten gesehenen Widersprüche zur Beschreibung und zu den Zeichnungen könnten nur im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden.

13

Hierzu hat das Patentgericht ausgeführt, Patentanspruch 1 lasse offen, welches Stanzelement stationär und welches beweglich sei; beansprucht sei nur die Relativbewegung. In den Merkmalen 4.1 und 4.2 spreche der Anspruch von einer gemeinsamen Mittellinie als Bezugslinie für die Bewegung. In den ursprünglichen Unterlagen werde die Mittellinie auf den Grundkörperabschnitt bezogen. Werde die Mittellinie aber auf das Blechband oder die Stanzanlage bezogen, wären das erste Stanzelement und die Grundkörperabschnitte stationär und folglich die zweiten Stanzelemente und die Polabschnitte beweglich angeordnet, was ein Aliud zu der ursprünglich offenbarten und in den Figuren dargestellten Anlage darstelle. Der Argumentation der Klägerinnen folgend, die in der beanspruchten gemeinsamen Mittellinie des Grundkörperabschnitts etwas anderes sähen als in der ursprünglich offenbarten Mittellinie des zugehörigen Grundkörperabschnitts, sei als mit dem Streitpatent beansprucht eine Anlage anzusehen, bei der die Grundkörperabschnitte beim Ausstanzen auf einer nunmehr gemeinsamen Mittellinie lägen und das zugehörige Stanzwerkzeug folglich stationär sei. Dass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele ausschließlich auf eine Anlage mit einem stationären Stanzwerkzeug für die Polabschnitte und einem beweglichen Stanzwerkzeug für die Grundkörperabschnitte bezögen, könne den Sinngehalt der Patentansprüche nicht in ihr Gegenteil verkehren. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut (im Sinne einer Auslegung entgegen dem Sinngehalt) der Patentansprüche sei nicht zulässig.

14

III. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Bei zutreffender Auslegung des Patentanspruchs 1 enthält dieser nicht die vom Patentgericht angenommenen Abweichungen vom Offenbarungsgehalt der Anmeldung, und entsprechendes gilt für den Verfahrensanspruch 7.

15

1. Zu Recht rügt die Berufung, dass es das Patentgericht unterlassen hat, Patentanspruch 1 zunächst unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen, bevor es sich der Frage zuwandte, ob der Gegenstand des Streitpatents, der als das Ergebnis der Auslegung zutage tritt, in den ursprünglichen Unterlagen als die angemeldete Erfindung oder als dieser zugehörig offenbart ist.

16

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Auslegung des Patentanspruchs stets geboten und darf auch dann nicht unterbleiben, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (s. nur BGH, Urteil vom 29. April 1986 - X ZR 28/85, BGHZ 98, 12, 18 - Formstein; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Beschluss vom 17. April 2007 - X ZB 9/06, BGHZ 172, 108 - Informationsübermittlungsverfahren I; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107, Rn. 27 - Polymerschaum I). Denn die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330, Rn. 23 - Okklusionsvorrichtung), schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass Teile der Beschreibung zur Auslegung nicht herangezogen werden dürfen. Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würde, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten, die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 - X ZR 35/11, GRUR 2015, 159, Rn. 26 - Zugriffsrechte).

17

Der Inhalt der Ursprungsunterlagen oder der Veröffentlichung der Anmeldung bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Weder darf der Patentanspruch - zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung - nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden (BGHZ 194, 107, Rn. 28 - Polymerschaum I), noch darf umgekehrt sein Sinngehalt dadurch ermittelt werden, dass dem Wortlaut des Patentanspruchs abweichende Formulierungen der Anmeldung gegenübergestellt werden. Allenfalls dann, wenn zweifelhaft bleibt, ob sich Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung setzen lassen, darf die "Anspruchsgeschichte" zur weiteren Klärung der Frage herangezogen werden, ob mit dem Anspruch ein Gegenstand unter Schutz gestellt worden ist, der von dem in der Beschreibung offenbarten abweicht oder hinter diesem zurückbleibt (BGHZ 189, 330, Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; BGHZ 194, 107, Rn. 28 - Polymerschaum I).

18

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich im Streitfall, dass die Merkmale 2.1 und 2.2 abweichend vom Wortlaut des Anspruchs dahin zu lesen sind, dass mit dem ersten Stanzelement zumindest Teile der Polabschnitte eines jeden Elements und mit dem zweiten Stanzelement die Grundkörperabschnitte eines jeden Elements durch Ausstanzen bereitgestellt werden.

19

a) Mit der Erfindung soll, so heißt es im allgemeinen Teil der Beschreibung, eine Möglichkeit bereitgestellt werden, auf einfache Weise Rotorelemente mit Polabschnitten (Polköpfen) herzustellen, die um unterschiedliche Abstände zu einer Mittellinie des Grundkörperabschnitts (Polschafts) versetzt sind (Abs. 12 der Beschreibung). Bevorzugt ist dabei der vom ersten Stanzelement hergestellte Teil des Polabschnitts derjenige, der allen Rotorelementen (scil. unabhängig vom Ausmaß der Versetzung von der Mittellinie) gemeinsam ist (Abs. 13), d.h. der Polabschnitt wird vom ersten Stanzelement nur teilweise ausgestanzt, während der Rest des Materials beim nachfolgenden Ausstanzen des Grundkörperabschnitts weggenommen wird.

20

Dies wird im Folgenden unter Bezugnahme auf die Zeichnungen, von denen die nachfolgend wiedergegebene Figur 4a wie die Figuren 5a und 6a Ansichten einer erfindungsgemäßen Vorrichtung darstellen (Abs. 17), näher erläutert.

Abbildung

21

Danach ist auf einer Basisplatte 20 ein erstes ortsfestes Stanzelement (die member) 22 und benachbart zu diesem ein zweites bewegliches Stanzelement 32 angeordnet (Abs. 22). Das Stanzelement 22 weist zwei Stanzöffnungen 24a und 24b auf, von denen jede einer Fläche entspricht, die an einen Teil der Umfangslinie des Polabschnitts angrenzt (Abs. 23). Das bewegliche Stanzelement 32 weist Stanzöffnungen 34a und 34b auf, von denen jede einer Fläche entspricht, die an die (Längs-)Seite des Grundkörperabschnitts angrenzt, sowie eine sich dazwischen erstreckende dritte Stanzöffnung 35 (Abs. 24). Unter Ausnutzung dieser Stanzöffnungen werden mittels nicht dargestellter Stanzen die Rotorelemente ausgestanzt (Abs. 27 ff.), indem in Position B zunächst die Polabschnitte teilweise ausgestanzt werden (Abs. 28) und in Position C die Grundkörperabschnitte gestanzt werden (Abs. 29), so dass auf diese Weise mit dem Ausstanzen des Grundkörperabschnitts mittels der Stanzen (punch members) 64a und 64b und einer einteilig mit diesen ausgebildeten dritten Stanze 65 gleichzeitig das Ausstanzen der Polabschnitte vollendet wird und in Position D ein vollständiges Rotorelement bereitsteht (Abs. 30). Die Beschreibung erläutert weiter, es verstehe sich, dass die Stanzen beider Stanzelemente 22, 32 gleichzeitig betätigt würden. Im Anschluss an jeden Stanzvorgang werde ein Antriebsmittel 36 betätigt, um das Stanzelement 32 inkrementell in einer Richtung zu versetzen und damit einen Versatz des Polabschnittabschnitts von der Mittellinie des Grundkörperabschnitts zu erzeugen (Abs. 32).

22

b) Mit dieser Darstellung des erfindungsgemäßen Verfahrens und einer hierfür geeigneten Vorrichtung steht Patentanspruch 1 (und ebenso der Verfahrensanspruch 7) auf den ersten Blick nicht in Einklang. Denn nach Merkmal 2.1 scheint das (feststehende) erste Stanzelement zum Ausstanzen (zumindest) von Teilen des Grundkörperabschnitts und das (bewegliche) zweite Stanzelement zum Ausstanzen der Polabschnitte bestimmt zu sein. Aus dem Gesamtinhalt der Beschreibung und den weiteren Patentansprüchen 2 bis 6 ergibt sich jedoch, dass hierbei Grundkörper- und Polabschnitte vertauscht worden sind und die Merkmalsgruppe 2 daher so zu lesen ist, dass die Maschine eine Stanzanordnung aufweist, die (2.1) mit einem ersten Stanzelement zum Ausstanzen zumindest von Teilen der Grundkörperabschnitte und (2.2) mit einem zweiten Stanzelement zum Ausstanzen der Polabschnitte eines jeden Elements versehen ist.

23

(1) Darauf deutet zunächst der Umstand hin, dass ein wörtlich genommener Patentanspruch 1 nicht nur mit Teilen der Beschreibung wie einzelnen oder auch sämtlichen Ausführungsbeispielen, sondern mit der Beschreibung insgesamt in Widerspruch tritt, ohne dass hierfür ein plausibler Grund erkennbar wäre. Dies wird insbesondere an der vermeintlichen Anweisung des Merkmals 2.1 deutlich, mit dem ersten Stanzelement zumindest Teile des Grundkörperabschnitts auszustanzen. Denn in der Beschreibung ist es, wie erwähnt, gleich eingangs als bevorzugte Vorgehensweise erläutert, mit dem ersten Stanzelement Teile der Polabschnitte, nämlich den allen Polabschnitten gemeinsamen (äußeren) Umriss der Polköpfe, herzustellen. Mit dem Ausstanzen des Grundkörperabschnitts wird sodann die Oberkante des (vorauslaufenden) Polabschnitts gestanzt und gleichzeitig die Unterkante des nächsten Polabschnitts in Abhängigkeit vom Betrag des Versatzes des zweiten Stanzelements so ausgebildet, dass sich ein entsprechender Versatz des Polabschnitts gegenüber der gemeinsamen Mittellinie des Grundkörperabschnitts (Merkmal 4.2) ergibt. Auf diese Weise lassen sich mit einem Werkzeug unterschiedliche Polkopfformen herstellen. Hingegen findet die Möglichkeit, den (gleichförmigen) Grundkörper mit dem ersten Stanzwerkzeug nur teilweise auszustanzen, den Polabschnitt und den Rest des Grundkörperabschnitts aber mit weiteren Stanzwerkzeugen, keinerlei Anklang in der Beschreibung.

24

(2) Es kommt hinzu, dass der Wortlaut der Merkmalsgruppe 4 zwar mit dem vom Patentgericht entwickelten Verständnis nicht unvereinbar ist, jedoch im Kontext der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche betrachtet gleichfalls die Annahme stützt, dass das erste Stanzelement anspruchsgemäß nicht zum Ausstanzen zumindest von Teilen der Grundkörperabschnitte, sondern der Polabschnitte bestimmt ist.

25

Das Patentgericht hat, im Ausgangspunkt zutreffend, erwogen, dass der Patentanspruch in den Merkmalen 3.1, 3.2 und 4 offen lässt, welches Stanzelement fest und welches beweglich angeordnet ist, da Merkmal 3.1 nur vorgibt, dass beide Stanzelemente relativ zueinander bewegt werden können. Es hat jedoch aus Merkmal 4.2 geschlossen, dass das den Grundkörperabschnitt (teilweise) ausstanzende erste Stanzelement stationär angeordnet sei, weil in diesem Merkmal Bezug auf eine gemeinsame Mittellinie aufeinanderfolgender Elemente genommen, der Fachmann hierunter nichts anderes als eine allen Elementen gemeinsame Mittellinie verstehen könne und folglich eine Vorrichtung unter Schutz gestellt werde, bei der die Grundkörperabschnitte beim Ausstanzen auf einer gemeinsamen Mittellinie lägen.

26

Bei Patentanspruch 1 handelt es sich um einen Sachanspruch, dessen Merkmale dazu bestimmt sind, die geschützte Sache zu beschreiben, d.h. im Streitfall die Maschine und damit gegebenenfalls mittelbar die Ausgestaltung der Erzeugnisse, die mit ihr hergestellt werden können. Wird Merkmal 4.2 - wie stets geboten (statt aller BGHZ 194, 107, Rn. 27 - Polymerschaum I) - im Kontext der Merkmalsgruppe 4 und diese im Zusammenhang des gesamten Anspruch und vor dem erläuternden Hintergrund der Beschreibung gelesen, besagt die Merkmalsgruppe 4, dass die Relativposition des zweiten Stanzelements schrittweise (inkrementell) so geändert wird, dass der Polabschnitt jedes Elements im Verhältnis zum Polabschnitt des vorangehenden um eine entsprechende Schrittweite gegenüber der gemeinsamen Mittellinie der Grundkörperabschnitte versetzt ist. Die Relativbewegung der Stanzelemente (Vorrichtungsmerkmal 4) soll mit anderen Worten so erfolgen, dass die mit der Vorrichtung hergestellten (Rotor-)Elemente den Merkmalen 4.1 und 4.2 entsprechen. Die Grundkörperabschnitte haben mithin eine gemeinsame Mittellinie, die (nicht symmetrischen) Polabschnitte weisen hingegen einen Versatz aus der Mittellinie in die eine oder andere Richtung auf.

27

Demgegenüber liefe ein Verständnis des Merkmals 4.2 als mittelbare Umschreibung der stationären Anordnung des ersten Stanzelements darauf hinaus, dass die - wie auch das Patentgericht angenommen hat - in Patentanspruch 1 an sich offen gelassene Frage, welches Stanzelement fest und welches beweglich angeordnet ist, doch im Sinne einer festen Anordnung des ersten Stanzelements beantwortet würde. Gleichzeitig verlöre damit Patentanspruch 2, der gerade erst bestimmt, dass das erste Stanzelement fest sein und das zweite inkrementell relativ zu diesem bewegt werden soll, seine Funktion, die mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Vorrichtung zu konkretisieren und wiederholte mit anderen Worten lediglich den sachlichen Gehalt des Patentanspruchs 1.

28

(3) Schließlich stützt auch Patentanspruch 6 - und entsprechendes gilt für das Verfahren nach Patentanspruch 9 - in Verbindung mit der Beschreibung die Annahme, dass die Merkmale 2.1 und 2.2 im dargestellten Sinne einer Vertauschung von Grundkörper- und Polabschnitten zu lesen sind.

29

Technisch sinnvoll ließe sich die zunächst nur teilweise Ausstanzung des Grundkörperabschnitts, die Merkmal 2.1 vorzusehen scheint, nur dahin verstehen, dass dem Ausstanzen seiner Längskanten die Ausstanzung seiner Fußlinie, gegebenenfalls zusammen mit der Oberkante des vorauslaufenden Polabschnitts, nachfolgt. Hierfür wird, wie ausgeführt, im Ausführungsbeispiel die Stanze 65 verwendet, die zusammen mit der gekrümmten inneren Oberfläche des Grundkörperabschnitts die gekrümmte äußere Oberfläche des Polabschnitts erzeugt. Dadurch bleibt, wie in Absatz 35 der Beschreibung erläutert wird, die Mittellinie des Krümmungsradius der Polabschnitte im Wesentlichen auf der Mittellinie C/L des Grundkörperabschnitts, obwohl sich der Versatz des Polabschnitts um einen Schritt von der theoretischen Position unterscheidet. Damit bleiben gleichzeitig die Mittellinie der äußeren Oberfläche der Polabschnitte der gestapelten Rotorelemente und der Luftspalt zwischen dieser äußeren Oberfläche und der inneren Oberfläche des Stators trotz der winkelartigen Anordnung konstant. Die Vorteile dieser Anordnung können ohne den Nachteil einer Veränderung der Dicke des Luftspalts in Axialrichtung der Rotoranordnung genutzt werden (Abs. 36).

30

Die Stanze 65 gehört zu einem dritten Stanzelement 35, das nach Patentanspruch 4 zum Ausstanzen eines Umfangsrands zwischen dem Grundkörperabschnitt eines Elements und dem Polabschnitt eines durch den vorangegangenen Ausstanzvorgang gebildeten Elements dient. Nach Patentanspruch 6 sind die zweiten und dritten Stanzelemente integral ausgebildet. Es sind somit in Patentanspruch 6 einteilig ausgebildete Stanzen 64a, 64b, 65 unter Schutz gestellt, wie sie in der Beschreibung erläutert und in Figur 7 gezeigt sind. Sie können, wie von Patentanspruch 9 gefordert, gemeinsam schrittweise zwischen aufeinander folgenden Ausstanzvorgängen bewegt werden.

31

Mit diesem einteiligen beweglichen Werkzeug lassen sich jedoch im Wesentlichen auf der Mittellinie C/L des Grundkörperabschnitts liegende Krümmungsradien der Polabschnitte nicht erzeugen. Es lassen sich nicht einmal die (gleichmäßig) gekrümmten inneren Oberflächen des Grundkörperabschnitts erzeugen, mit denen die Rotorelemente im Ausführungsbeispiel auf der Welle angeordnet sind, weil die einteilige Stanze relativ zum Grundkörperabschnitt verschoben wird.

32

(4) Unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Beschreibung, des Sinngehalts der Merkmalsgruppe 4, und des Wortlauts der Patentansprüche 2, 6 und 9 muss der Fachmann, der es unternimmt, ein sinnvolles und wenn möglich widerspruchsfreies Gesamtverständnis der Patentansprüche und der zu ihrer Erläuterung bestimmten Beschreibung zu entwickeln, mithin zu dem Schluss gelangen, dass mit der Formulierung des Patentanspruchs in den Merkmalen 2.1 und 2.2 - entgegen dem insoweit verunglückten Wortlaut - nichts unter Schutz gestellt worden ist, was von der in der Beschreibung offenbarten Vorrichtung abweicht, bei der mit dem ersten (feststehenden) Stanzelement (zumindest) Teile der Polabschnitte eines jeden Elements und mit dem zweiten (beweglichen) Stanzelement die Grundkörperabschnitte eines jeden Elements durch Ausstanzen bereitgestellt werden.

33

c) Entgegen der von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung steht die dargestellte Auslegung des Patentanspruchs 1 - die entsprechend für Patentanspruch 7 gilt - auch nicht im Widerspruch zu einer mit der Erteilung des Streitpatents vorgenommenen Beschränkung des Schutzgegenstands gegenüber dem mit der Anmeldung beanspruchten Gegenstand. Denn es bleibt dabei, dass der Patentanspruch durch die vom Patentgericht aufgezeigten zusätzlichen Merkmale als ein gegenüber der Anmeldung engerer Gegenstand definiert worden ist.

34

3. Damit enthält der Gegenstand des Streitpatents insoweit keine unzulässige Erweiterung. Dass sie auch im Übrigen nicht vorliegt, hat das Patentgericht rechtsfehlerfrei angenommen; die Berufungserwiderungen wenden sich hiergegen auch nicht.

35

IV. Da das Patentgericht - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2 und 3 PatG).

36

Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den Bundesgerichtshof überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den Bundesgerichtshof (§ 119 Abs. 5 PatG) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterblieben ist. Dafür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts erkennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.

Meier-Beck                        Gröning                                Bacher

                     Deichfuß                        Kober-Dehm

15
In der aufrechterhaltenen Fassung lehrt das Klagepatent in Merkmal 2.2 zwei Ventile, die in einem gegenläufigen Wirkungszusammenhang stehen, also gegenläufig funktional miteinander verbunden sind. Vom Patentanspruch nicht erfasst werden deshalb Vorrichtungen mit zwei Ventilen, denen eine solche funktionale Verbindung zur gegenläufigen Wirkung fehlt und erst durch Hinzufügen einer tatsächlich nicht vorhandenen Steuerung verliehen werden kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ein solches Verständnis nicht im Gegensatz zu früheren Entscheidungen des Senats. Zwar haben die Merkmale eines Sachanspruchs, wie ihn Patentanspruch 1 darstellt, die Funktion, die geschützte Sache als solche zu beschreiben, so dass der auf diese Weise - regelmäßig räumlich-körperlich - definierte Gegenstand unabhängig davon geschützt ist, wie er hergestellt worden ist und zu welchem Zweck er verwendet wird (Sen.Urt. v. 07.11.1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 79/04, Umdr. S. 17 - extracoronales Geschiebe). Deswegen sind im Patentanspruch enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben jedoch nicht schlechthin bedeutungslos. Sie können vielmehr als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen , als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II; Sen.Urt. v. 07.11.1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen). Versteht man mit dem Berufungsgericht die gegenläufige Ventilwirkung als Angabe einer notwendigen Funktion oder Wirkung, so erfordert die patentgemäße Lehre daher eine Ventilanordnung, die entweder räumlich-körperlich oder durch eine entsprechende Steuerung so eingerichtet ist, dass die erfindungsgemäße gegenläufige Wirkung der beiden Ventile erzielt werden kann. Hingegen reicht es nicht aus, dass der Ventilanordnung diese Eignung erst durch weitere Maßnahmen wie eine Änderung der Steuerung verliehen werden kann.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

15
II. Das Streitpatent ist, nachdem es jedenfalls auch in einer zulässigerweise eingeschränkten Fassung verteidigt wird, in dem Umfang, in dem es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 04.06.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe; insoweit nicht in BGHZ 133, 57 abgedruckt). Aber auch mit den Patentansprüchen 1 und 2 in den hauptsächlich und hilfsweise verteidigten Fassungen hat das Streitpatent keinen Bestand.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 23/09 Verkündet am:
2. November 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Dr. Bacher und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das an Verkündungs Statt am 26. Januar 2009 zugestellte Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 1 036 894 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten: 1. Verwendung einer Notablaufvorrichtung mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu einer zu entwässernden Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), bei der in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur Fläche hin mit einem Boden (11) abgeschlossen ist und der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) durch das angestaute Wasser einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet , zur Entwässerung der Fläche (1), insbesondere eines Flachdachs, die bis zur Höhe des Wasseranstaugrenzwertes (H) durch normale Wasserabläufe entwässert wird. 2. Verwendung nach Anspruch 1, bei der sich die Einlauföffnung (15) der Notablaufvorrichtung bis in den Bereich der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt. 3. Verwendung nach Anspruch 2, bei der sich die Einlauföffnung (15) bis in die oder unterhalb der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt. 4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, bei der sich die Einlauföffnung (15) der Notablaufvorrichtung andererseits bis zum unteren Rand der Seitenwandung (9) erstreckt. 5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, bei der die Einlauföffnung (15) der Notablaufvorrichtung durch eine Vielzahl von Schlitzen (16) gebildet ist.
6. Verwendung nach Anspruch 5, bei der die Schlitze (16) vertikal gerichtet sind. 7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, bei der die Anstaueinrichtung (7) durch den Rand eines Rohrstücks (4) gebildet ist. 8. Verwendung nach Anspruch 7,bei der das Rohrstück (4) unmittelbar in das vertikale Ablaufrohr (2) mündet. 9. Verwendung nach Anspruch 7 oder 8, bei der der Rand (7) der Ablauföffnung (6) trichterförmig aufgeweitet ist. 10. Verwendung nach Anspruch 9, bei der die Ablauföffnung (6) einen nach radial bis zur Horizontalen umgebogenen Rand (7) aufweist. 11. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, bei der sich die Anstaueinrichtung (7', 7") außerhalb des Behälters (8) befindet. 12. Verwendung nach Anspruch 11, bei der die Anstaueinrichtung als sich über die Fläche (1) erhebende Stufe (7") vor oder in einem horizontalen Ablaufrohr (21) ausgebildet ist, das in das vertikale Ablaufrohr (2) übergeht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist Inhaber des am 14. März 2000 unter Inanspruchnahme
1
der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 17. März 1999 angemeldeten , auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 036 894 (Streitpatents), das eine Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche betrifft und 13 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch: "Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstauvorrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), dadurch gekennzeichnet, dass in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) durch das angestaute Wasser einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet."
2
Die Klägerin hat sich mit ihrer Nichtigkeitsklage auf die Nichtigkeitsgründe des Fehlens einer ausführbaren Offenbarung und der mangelnden Patentfähigkeit gestützt und dazu auf insgesamt 26 Entgegenhaltungen berufen. Sie hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat das Streitpatent in seiner erteilten Fassung sowie mit insgesamt fünf Hilfsanträgen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Klageabweisung im Übrigen dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es in den Patentanspruch 1 als einzigen verbleibenden Patentanspruch weitere einschränkende Formulierungen aufgenommen hat.
4
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser das Streitpatent zuletzt noch in der Fassung des Urteilstenors verteidigt.
5
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Im Auftrag des Senats hat Prof. Dipl.-Ing. B. R. , ehemals
6
Fachhochschule M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich noch die in zweiter In7 stanz verteidigte Fassung des Streitpatents. Insoweit hat die Berufung Erfolg. I. Das Streitpatent betrifft in seiner verteidigten Fassung die Verwen8 dung einer Notablaufvorrichtung zur Entwässerung einer mittels Wasserabläu-
fen entwässerten Fläche, insbesondere eines Flachdachs. Die Beschreibung des Streitpatents verweist auf eine aus der US-Patentschrift 5 615 526 (D2) bekannte Vorrichtung, die im Normalbetrieb der Entwässerung unbenutzt bleibt und deren Funktion nur dann einsetzt, wenn ein Wasseranstaugrenzwert überschritten wird (Abs. 3).
9
Durch das Streitpatent soll eine effektive Notablaufvorrichtung zur Verfügung gestellt werden (vgl. Beschreibung Abs. 4). Hierzu beansprucht Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner vertei10 digten Fassung Schutz für die (A) Verwendung einer Notablaufvorrichtung (B) zur Entwässerung einer Fläche, die bis zur Höhe eines Wasseranstaugrenzwerts durch normale Wasserabläufe entwässert wird, (C) mit folgenden Merkmalen der Vorrichtung: 1. Die Vorrichtung weist eine Ablauföffnung, 2. eine Anstauvorrichtung, 2.1 die die Höhe eines Wasseranstaugrenzwerts im Verhältnis zur entwässerten Fläche bestimmt, 3. und ein vertikales Ablaufrohr auf, 3.1 das mit der Ablauföffnung in Verbindung steht; 4. weiter ist ein Behälter vorgesehen, 4.1 der der Ablauföffnung in Strömungsrichtung vorgeschaltet ist, 4.2 zur Fläche hin mit einem Boden abgeschlossen ist, 4.3 eine Seitenwandung aufweist, 4.3.1 mit wenigstens einer Einlauföffnung bis zu einer Höhe, die kleiner ist als die Höhe der Seitenwandung , und der 4.4 oberhalb der Einlauföffnung mit einer Deckelwandung durch das angestaute Wasser einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet.
11
Das Streitpatent stellt damit, wie sich insbesondere aus Merkmalsgruppe 4 ergibt, eine nach dem Prinzip der Saugheberglocke arbeitende Vorrichtung bereit, die es ermöglicht, innerhalb der Vorrichtung einen höheren Wasserstand als auf der diese umgebenden, zu entwässernden Fläche und damit einen besonders effektiven Notwasserablauf zur Verfügung zu stellen. Es verweist darauf , dass der Effekt des verstärkten Ansaugens eintritt, wenn sich die Einlauföffnung bis maximal nur wenig über die Höhe des Wasseranstaugrenzwerts erstreckt, so dass die Unterdruckwirkung bei Erreichen des Wasserstandgrenzwerts schnell "anspringt" und für eine schlagartig hohe Wasserabführleistung sorgt (Abs. 6).
12
II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung als durch das deutsche Gebrauchsmuster 91 06 459 (D20) neuheitsschädlich getroffen angesehen. Jedenfalls sei er dem Fachmann , einem mit der Planung von Dachentwässerungen vertrauten Bauingenieur , durch eine Zusammenschau der deutschen Offenlegungsschrift 27 25 468 (D7) mit der veröffentlichten britischen Patentanmeldung 2 285 460 (D3) nahegelegt. Der Verwendungsanspruch nach dem in erster Instanz gestellten Hilfsantrag IV sei zwar zulässig, beruhe aber aus den zum Hauptantrag angeführten Gründen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. III. Dies hält der Überprüfung im Hinblick auf den im Berufungsverfahren
13
noch verteidigten Verwendungsanspruch nicht Stand. 1. Dabei hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest,
14
nach der ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einer Verwendung des Erzeugnisses statthaft ist (Senat, Urteil vom 17. September 1987 - X ZR 56/86, GRUR 1988, 287 - Abschlussblende; vom 19. Januar 1988 - X ZR 46/84, bei Liedl 1987/88, 408 - Postgutbegleitkarte; Beschluss vom 16. Januar 1990 - X ZB 24/87, BGHZ 110, 82 = GRUR 1990, 508 - Spreizdübel; Urteil vom 5. November 1996 - X ZR 53/94, bei Bausch, BGH 1994-1998, 135, 144 f. - Mischbehälterentleerung; Urteil vom 24. März 1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1006 - Leuchtstoff; Urteil vom 12. Oktober 2010 - X ZR 91/08 [Konservierungslösung]; vgl. Senat, Urteil vom 21. November 1989 - X ZR 29/88, GRUR 1990, 505 - geschlitzte Abdeckfolie). Dies entspricht auch dem praktischen Bedürfnis, dem Patentinhaber, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben, den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen. Sofern und soweit dabei, etwa bei der Einbeziehung des sinnfälligen Herrichtens, einer Erstreckung auf Verfahrenserzeugnisse oder bei der mittelbaren Patentverletzung, die Gefahr einer Ausweitung des Schutzumfangs in Betracht kommen sollte, kann und muss dem bei der Bestimmung des Schutzumfangs insbesondere im Verletzungsstreit Rechnung getragen werden.
15
2. Die D20 betrifft einen "Kontrollschacht für Be- oder Entwässerung von Dachbegrünungsanlagen". Hierzu schlägt das Gebrauchsmuster einen baukastenartigen Aufbau aus einem topfartigen Bodenteil mit Drainagelöchern, die in den seitlichen Wandungen bodennah ausgebildet und für den Anschluss von Drainagerohren auch zum Wasseraustritt vorgesehen sind, einem die seitlichen Wandungen überragenden Bodenrand und einer außenseitig umlaufend am oberen Rand ausgebildeten stufenförmigen Ausnehmung vor (Beschreibung S. 3 Z. 29 bis 36). Weiter wird vorgeschlagen, Aufsetzringe mit einer außenseitig am unteren Rand innenseitig umlaufenden stufenförmig ausgebildeten Ausnehmung zum Aufsetzen auf den Oberrand des Bodenteils und mit am Oberrand außenseitig ausgebildeter stufenförmiger Ausnehmung zum Aufsetzen eines weiteren Aufsetzrings oder eines Deckels mit an seiner Unterseite umlau- fender Ringnut vorzusehen (Beschreibung S. 3 Z. 36 bis S. 4 Z. 5). Aus den drei Grundteilen, nämlich Bodenteil, Aufsetzringen und Deckel, könnten Kontrollschächte jedem Schichtaufbau einer Dachbegrünungsanlage angepasst werden, bei zusätzlichem Einbau eines verschiebbaren Staurohrs in einer Durchbrechung des Bodenteils auch als Kontrollschacht für die Entwässerung (Beschreibung S. 4 Z. 7 bis 15). Die Ausbildung für die Verwendung als Entwässerungsschacht wird auf S. 7 näher erläutert. Danach ist eine Bodenplatte 44 mit zentralem Durchgangsloch 45 vorgesehen, wobei auf der Bodenplatte das Rohrteil 46 befestigt ist, und das Bodenteil 4 vorzugsweise mit einem Randstreifen 43 über das Rohrteil übersteht. Das Rohrteil ist im bodennahen Bereich mit Drainagelöchern 47 versehen. Am oberen Ende des Rohrteils weist das Bodenteil einen umlaufenden Absatz 49 zum Aufsetzen eines Aufsetzrings auf. In die Öffnung 45 der Bodenplatte ragt ein Staurohr 8 hinein, das in einem Flanschrohr geführt wird, das sich aus dem Rohr 52 mit einem in dieses eingeführten Staurohr zusammensetzt. Figur 9 zeigt weiter eine Gesamtansicht der Erfindung nach der D20:
16
Die D20 lehrt nicht die Verwendung einer Notablaufvorrichtung innerhalb einer komplexeren Entwässerungsanlage. Das Ablaufrohr (8) bildet vielmehr den einzigen Ablauf. Sie enthält auch keine Anregung in Richtung auf eine solche Verwendung. Damit steht sie dem Schutz der Verwendung der Notablaufvorrichtung in einer solchen Entwässerungsanlage nicht entgegen.
17
3. Auch die Zusammenschau der D7 mit der D3 legt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner verteidigten Fassung nicht nahe.
a) Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt: Durch die D7 werde der
18
Fachmann ausdrücklich darauf hingewiesen, ein Flachdach neben einem normalen Entwässerungssystem mit wenigstens einer zusätzlichen Hilfsabflussmöglichkeit auszustatten. Figur 2 zeige auf einer zu entwässernden Dachfläche neben einem "normalen" Wasserablauf einen Notablauf, der infolge seines deutlich über die Dachfläche aufragenden oberen Rands das Wasser erst ab einer entsprechenden Anstauhöhe ableite und die Merkmale C. 1 bis C. 3.1 aufweise. Suche der Fachmann nach einer Möglichkeit, diese Notablaufvorrichtung hinsichtlich der Abflussrate zu verbessern, werde er in der D3 den entscheidenden Hinweis finden, den Notablauf baulich so zu gestalten, dass der abgeführte Wasserstrom gegenüber einer Freispiegelentwässerung mittels der Saugwirkung erheblich gesteigert werde. Der Regenwasserablauf nach Figur 2 der D3 weise hierzu eine Anstaueinrichtung (section 20) und einen der Ablauföffnung vorgeschalteten Behälter (cap 26) auf, bei dem auf Grund der Form einer umgestülpten Tasse Seiten- und Deckelwandung ineinander übergingen, wobei zwischen unterem Tassenrand und dem den Behälter zur Fläche hin abschließenden Bodenfläche des Sumpfes (sump 16 [richtig: 12]) eine ringförmige Einlauföffnung gebildet werde, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung sei, und der Behälter mit dem angestauten Wasser zwangsläufig einen luftdicht abgeschlossenen Raum bilde. Damit erfahre der Fachmann über die grundsätzliche Anregung zur Verwendung eines auf dem Saugprinzip beruhenden Wasserablaufs hinaus auch, wie er einen solchen damit nahegelegten Gegenstand baulich zu gestalten habe.
19
b) Hieran ist mit dem gerichtlichen Sachverständigen zu beanstanden, dass die Unterseite des Sumpfs 12 bei der D3 keinen den Behälter zu der zu entwässernden Fläche hin abschließenden Boden im Sinn des Merkmals C. 4.2 aufweist und demgemäß in dem Sumpf auch kein höherer Wasserstand als auf der umliegenden (Dach-)Fläche bereitgestellt werden kann. Die Nichtigkeitsklägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Ablauf nach der D3 nur vorzugsweise einen Sumpf aufweisen soll, der so angeordnet ist, dass sich in ihm eine Wassersäule bilden kann ("a sump arranged to accumulate a head of water in use, the water entering the inlet passage from the sump", S. 2 Z. 10 bis 12). Daraus ist jedoch eine Veranlassung für den Fachmann, der, wie das Patentgericht angenommen hat, die Notablaufvorrichtung nach der D7, die ebenfalls einen Sumpf aufweist, zu verbessern sucht, beim Rückgriff auf die D3 den auch dort vorhandenen Sumpf wegzulassen, nicht erkennbar. Auch die Nichtigkeitsklägerin hat deshalb dahin argumentiert, dass die Vorrichtung nach der D3 "vom Sumpf befreit" werden müsse; hierzu fehlt es indessen an einer Veranlassung für den Fachmann. Zudem beschreibt D3 eine Vorrichtung, die in einer mehr einer Toilettenschüssel entsprechenden Weise arbeitet und das Wasser dann über einen Siphon abführt (S. 4 Z. 6 bis 9). Damit wird eine Entwässerung im Sinn des Streitpatents nicht beschrieben. Nicht entscheidend kommt es dabei letztlich auf den Hinweis des gerichtlichen Sachverständigen an, dass im Ablauf Wasser stehenbleiben werde, was diesen bei Frost unbrauchbar mache.
c) Auch die übrigen Entgegenhaltungen, auf die sich die Klägerin in der
20
mündlichen Verhandlung noch gestützt hat, vermögen den Gegenstand des verteidigten Verwendungsanspruchs nicht nahezulegen.
21
Das US-Patent 5 615 526 (D2) zeigt ersichtlich, wie Figur 1 deutlich erkennen lässt, einen nach oben offenen Schmutz- oder Kiesfang und damit keine Entwässerung mittels Unterdrucks. Auch Figur 5, in der die Durchbrechung der Oberseite zeichnerisch nicht dargestellt ist, betrifft nach der Beschreibung insoweit keinen abweichend gestalteten Gegenstand.
22
Die deutsche Patentschrift 198 52 561 (D5) entspricht, wie auch die Nichtigkeitsklägerin vorträgt, der D20. Sie zeigt und beschreibt insbesondere als Notablauf keine Verwendung einer Druckwasserablaufentwässerung zusammen mit einem normalen Wasserablauf. Die von der Nichtigkeitsklägerin insoweit herangezogenen Beschreibungsteile besagen nur, dass das Wasserabflusssystem gezielt an die jeweils vorgefundenen Bedingungen angepasst werden soll (S. 4 Z. 14 bis 16) und dass bei sehr hohem Wasserstand durch Anzahl und/oder Größe der Durchgangsöffnungen für einen zunächst schnelleren Wasserablauf zu sorgen ist (S. 4 Z. 50/51). Die Verwendung der Druckwasserablaufentwässerung als Notablauf zusammen mit einem normalen Wasserablauf wird dadurch dem Fachmann nicht nahegelegt. Die deutsche Patentschrift 198 60 160 (D23) wirkt zunächst als Freispie23 gelablauf und erst bei größerer Anstauhöhe als Druckwasserablauf; sie zeigt mithin anders als die Vorrichtung, deren Verwendung der verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents unter Schutz stellt, keine getrennte Anordnung des Notablaufs und der normalen Abläufe.
24
Die europäische Patentschrift 601 148 (D24) lehrt nicht die Verwendung einer Saugheberglocke zur Erzeugung eines Unterdrucks. Ein luftdicht abgeschlossener Raum, der so beschaffen ist, dass ein Unterdruck erreicht wird, ist bei ihr nicht vorhanden. Soweit ein solcher in der in Figur 14 dargestellten Tauchglocke entstehen sollte, hat der Fachmann jedenfalls keine Veranlassung , die Einlauföffnung von der Unterseite der Glocke in die Seitenwandung zu verlegen (Merkmal 4.3), denn dies widerspräche dem Zweck, mit der Glocke einen Schutz gegen auf der Wasseroberfläche schwimmende Verunreinigungen bereitzustellen (S. 4 Z. 12 bis 27). Auch die deutsche Patentschrift 195 55 158 (D25), die ein Bodenfilter für
25
Regen- und Abwasser betrifft, lehrt keine Entleerung mittels Unterdrucks. Die Tauchwand 27 ist wiederum nur dahin beschrieben, dass sie der Abweisung von Schmutz dient (Abs. 8).
26
IV. Der Angriff gegen die ausführbare Offenbarung, den die Nichtigkeitsklägerin darauf gestützt hat, dass die Lage der oberen Grenze der Einlauföffnung nicht spezifiziert werde, ist unbegründet. Die Figuren 1 bis 3 des Streitpatents zeigen mit hinreichender Deutlichkeit mögliche Ausgestaltungen dieser Lage, die dem nacharbeitenden fachkundigen Leser ausreichend Hinweise geben , wie er die Einlauföffnungen anordnen kann.
27
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 92, § 516 Abs. 3 ZPO. Der Senat hat dabei die in zweiter Instanz unbedingt erfolgte beschränkte Verteidigung des Streitpatents berücksichtigt. Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Bacher Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.01.2009 - 3 Ni 15/06 (EU) -
29
1. Patentanspruch 1 geht nicht über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG). Auch ist er in der nunmehr von der Beklagten beschränkt verteidigten Fassung hinreichend deutlich gefasst (Art. 84 Satz 2 EPÜ).

(1) Eine Erfindung ist zur Erteilung eines Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt anzumelden.

(2) Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum eingereicht werden, wenn diese Stelle durch Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt dazu bestimmt ist, Patentanmeldungen entgegenzunehmen. Eine Anmeldung, die ein Staatsgeheimnis (§ 93 Strafgesetzbuch) enthalten kann, darf bei einem Patentinformationszentrum nicht eingereicht werden.

(3) Die Anmeldung muß enthalten:

1.
den Namen des Anmelders;
2.
einen Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist;
3.
einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll;
4.
eine Beschreibung der Erfindung;
5.
die Zeichnungen, auf die sich die Patentansprüche oder die Beschreibung beziehen.

(4) Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

(5) Die Anmeldung darf nur eine einzige Erfindung enthalten oder eine Gruppe von Erfindungen, die untereinander in der Weise verbunden sind, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.

(6) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung zu erlassen. Es kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf das Deutsche Patent- und Markenamt übertragen.

(7) Auf Verlangen des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Anmelder den Stand der Technik nach seinem besten Wissen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben und in die Beschreibung (Absatz 3) aufzunehmen.

(8) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Hinterlegung von biologischem Material, den Zugang hierzu einschließlich des zum Zugang berechtigten Personenkreises und die erneute Hinterlegung von biologischem Material zu erlassen, sofern die Erfindung die Verwendung biologischen Materials beinhaltet oder sie solches Material betrifft, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und das in der Anmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen kann (Absatz 4). Es kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf das Deutsche Patent- und Markenamt übertragen.

(1) In den Patentansprüchen kann das, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 des Patentgesetzes), einteilig oder nach Oberbegriff und kennzeichnendem Teil geteilt (zweiteilig) gefasst sein.♦ In beiden Fällen kann die Fassung nach Merkmalen gegliedert sein.♦

(2) Wird die zweiteilige Anspruchsfassung gewählt, sind in den Oberbegriff die durch den Stand der Technik bekannten Merkmale der Erfindung aufzunehmen; in den kennzeichnenden Teil sind die Merkmale der Erfindung aufzunehmen, für die in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs Schutz begehrt wird.♦ Der kennzeichnende Teil ist mit den Worten "dadurch gekennzeichnet, dass" oder "gekennzeichnet durch" oder einer sinngemäßen Wendung einzuleiten.♦

(3) Werden Patentansprüche nach Merkmalen oder Merkmalsgruppen gegliedert, so ist die Gliederung dadurch äußerlich hervorzuheben, dass jedes Merkmal oder jede Merkmalsgruppe mit einer neuen Zeile beginnt.♦ Den Merkmalen oder Merkmalsgruppen sind deutlich vom Text abzusetzende Gliederungszeichen voranzustellen.♦

(4) Im ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) sind die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben.♦

(5) Eine Anmeldung kann mehrere unabhängige Patentansprüche (Nebenansprüche) enthalten, soweit der Grundsatz der Einheitlichkeit gewahrt ist (§ 34 Abs. 5 des Patentgesetzes).♦ Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.♦ Nebenansprüche können eine Bezugnahme auf mindestens einen der vorangehenden Patentansprüche enthalten.♦

(6) Zu jedem Haupt- bzw. Nebenanspruch können ein oder mehrere Patentansprüche (Unteransprüche) aufgestellt werden, die sich auf besondere Ausführungsarten der Erfindung beziehen.♦ Unteransprüche müssen eine Bezugnahme auf mindestens einen der vorangehenden Patentansprüche enthalten.♦ Sie sind so weit wie möglich und auf die zweckmäßigste Weise zusammenzufassen.♦

(7) Werden mehrere Patentansprüche aufgestellt, so sind sie fortlaufend mit arabischen Ziffern zu nummerieren.♦

(8) Die Patentansprüche dürfen, wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist, im Hinblick auf die technischen Merkmale der Erfindung keine Bezugnahmen auf die Beschreibung oder die Zeichnungen enthalten, z. B. "wie beschrieben in Teil ... der Beschreibung" oder "wie in Abbildung ... der Zeichnung dargestellt".♦

(9) Enthält die Anmeldung Zeichnungen, so sollen die in den Patentansprüchen angegebenen Merkmale mit ihren Bezugszeichen versehen sein.♦

(10) (weggefallen)

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 73/08 Verkündet am:
31. August 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Gleitlagerüberwachung
PatG § 4; EPÜ Art. 56
Kritik in der Beschreibung des Streitpatents an dem in einer Vorveröffentlichung
offenbarten Lösungsweg kann auf einen für den Fachmann gegebenen Anlass
hindeuten, eine Weiterentwicklung des Stands der Technik außerhalb der von
diesem Vorschlag vorgezeichneten Bahnen zu suchen, sofern sich diese Kritik
nicht als rückschauend nach Auffindung der streitpatentgemäßen Lösung gewonnene
Analyse darstellt.
Steht der Fachmann vor dem Problem, eine angewandte technische Methode
durch weitere Schritte zu verfeinern, wird er sich von der genauen Analyse einer
grundsätzlich einschlägigen Vorveröffentlichung nicht deshalb von vornherein
abhalten lassen, weil diese im Ausgangspunkt eine andere als die von ihm
favorisierte Methode vorsieht (hier: Detektion von Lagerschäden in Verbrennungsmotoren
durch Messung von Öldruckschwankungen anstelle von Thermostromfluss
). Aufgrund seines allgemeinen Erfahrungswissens rechnet er
stets mit der Möglichkeit, dass dort gegebenenfalls vorgeschlagene weitere
Schritte sich als verallgemeinerungsfähig und in dem ihm selbst vorschwebenden
Lösungsweg verwendbar erweisen könnten.
BGH, Urteil vom 31. August 2010 - X ZR 73/08 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 3. April 2008 verkündete Urteil des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 24. März 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Schweizer Patentanmeldung vom 22. April 1999 angemeldeten europäischen Patents 1 171 695, das 14 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 und 7 lauten in der Verfahrenssprache: "1. Verfahren zur Überwachung von Gleitlagern einer Hubkolbemaschine , insbesondere eines Verbrennungsmotors, bei der mindestens in einem Zylinder (Z1, Z2, Z3) ein verschieblicher Kolben (13) über eine Pleuelstange (9) mit einer Kur- belwelle (1) verbunden ist, wobei ein Thermostrom (I), der jeweils beim Abreißen eines Schmierfilmes (5) zwischen sich relativ zueinander bewegenden Lagerteilen aus unterschiedlichen , elektrisch leitenden Werkstoffen und auf Grund eines Temperaturgradienten an einem solchen Gleitlager (2a, 10, 11) entsteht, in einem Steuergerät (14) als Steuersignal benutzt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Thermostrom (I) vergrößert und gespreizt wird und in Abhängigkeit vom Drehwinkel der Kurbelwelle (1) über mindestens ein Arbeitsspiel auf signifikante Symptome der Gleitlager (2a, 10, 11) abgefragt wird, wobei beim Auftreten eines signifikanten Symptoms ein Steuersignal für einen Schaden eines bestimmten Gleitlagers ausgegeben wird.
7. Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 6 mit einem mittels Leitungen (16, 17) einerseits mit dem Gehäuse (7) und andererseits mit der Kurbelwelle (1) der Hubkolbenmaschine verbindbaren Steuergerät (14), welches bei Auftreten eines Thermostroms (I) ein Steuersignal abgibt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Steuergerät (14) Mittel enthält, die den Thermostrom vergrößern und spreizen und in Abhängigkeit vom Drehwinkel der Kurbelwelle (1) über mindestens ein Arbeitsspiel auf signifikante Symptome der Gleitlager (2a, 10, 11) abfragen, wobei die Mittel beim Auftreten eines signifikanten Symptoms ein Steuersignal für einen Schaden eines bestimmten Gleitlagers ausgeben."
2
Die Schuldnerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie hat sich dafür auf die im Tatbestand des angefochtenen Urteils bezeichneten Schriften berufen und außerdem eine offenkundige Vorbenutzung behauptet. Sie hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent durch das angefochtene Urteil im Umfang der Patentansprüche 1 bis 12 für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
3
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Der Kläger hat, nachdem zwischenzeitlich über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, den Rechtsstreit aufgenommen; er beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
4
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. Ing. S. , Technische Universität C. , ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Überwachung von Gleitlagern von Hubkolbemaschinen, insbesondere Verbrennungsmotoren zur Vermeidung hitzebedingter Lagerschäden sowie eine Einrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens. Hitzebedingte Lagerschäden können sich einstellen, wenn die Maschine weiterbetrieben wird, obwohl der Schmierölfilm, der die sich relativ zueinander bewegenden Teile des Lagers isolieren soll, abgerissen ist.
7
1. Die Beschreibung des Streitpatents verweist zum Stand der Technik auf die europäische Patentschrift 141 348, aus der ein entsprechendes Verfahren und eine entsprechende Einrichtung bekannt seien. Daran wird bemängelt, dass es bei gleichzeitiger Überwachung mehrerer in einer gemeinsamen Baueinheit oder getrennt angeordneter Schmierstellen bzw. Gleitlager nicht möglich sei festzustellen, von welchem Gleitlager der Thermostrom ausgehe. Zur genauen Identifikation sei es notwendig, die einzelnen Schmierstellen mit einer zusätzlichen Thermoüberwachung zu versehen und die an den einzelnen Gleitlagern auftretenden Temperaturen zu messen und zu vergleichen, um feststellen zu können, welche Lagertemperatur einen ein Steuersignal auslösenden Wert erreicht habe. Eine solche Maßnahme sei relativ aufwendig und insbesondere auch nicht geeignet für Gleitlager, an denen keine geeignete zusätzliche Thermoüberwachung angeordnet werden könne, wie beispielsweise bei Pleuellagern und Bolzen von Kolben.
8
2. Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, Verfahren und Einrichtungen zur Überwachung von Gleitlagern einer Hubkolben-Maschine, insbesondere eines Verbrennungsmotors weiter zu verbessern. Dazu schlägt Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Überwachung von Gleitlagern solcher Maschinen , bei denen in mindestens einem Zylinder (Z1, Z2, Z3) ein verschieblicher Kolben (13) über eine Pleuelstange (9) mit einer Kurbelwelle (1) verbunden ist, vor, 1. wobei ein Thermostrom (I), 1.1 der jeweils beim Abreißen eines Schmierfilms (5) zwischen sich relativ zueinander bewegenden Lagerteilen aus unterschiedlichen, elektrisch leitenden Werkstoffen 1.2 und aufgrund eines Temperaturgradienten an einem solchen Gleitlager (2a, 10, 11) entsteht, in einem Steuergerät (14) als Steuersignal benutzt wird, 2. und der Thermostrom 2.1 vergrößert und gespreizt und 2.2 in Abhängigkeit vom Drehwinkel der Kurbelwelle (1) 2.3 über mindestens ein Arbeitsspiel 2.4 auf signifikante Symptome der Gleitlager (2a, 10, 11) abgefragt und wobei 3. beim Auftreten eines signifikanten Symptoms ein Steuersignal für einen Schaden eines bestimmten Gleitlagers ausgegeben wird.
9
3. Figuren 1 und 2 des Streitpatents zeigen schematisch einen dreizylindrigen Viertakt-Hubkolben-Verbrennungsmotor , bei dem das Arbeitsspiel der vier Takte (Ansaug-, Verdichtungs-, Arbeits - und Ausstoßtakt) sich über zwei Umdrehungen der Kurbelwelle (720° Drehwinkel) erstreckt. Der Kurbeltrieb ist auf als Gleitlager ausgestalteten Grundlagern (2) gelagert, bei denen Lagerzapfen (2a) in Lagerschalen (3), die an ihren den Lagerzapfen zugewandten Seiten beispielsweise mit einer Weißmetallschicht (4) ausgekleidet sind, ruhen und wobei ein dazwischen vorhandener Schmierfilm (5) ein Heißlaufen der Gleitlager verhindert. Die Lagerschalen werden von Lagerböcken (6) getragen, die Bestandteil des Gehäuses (7) sind. Die Kurbelwelle sieht für jeden Zylinder einen Kurbelzapfen (8) vor, an dem eine Pleuelstange (9) über ein Pleuellager (10) angeschlossen ist und mit der über ein weiteres Gleitlager (11) der Bolzen (12) eines Kolbens (13) verbunden ist. Um einen in der Folge eines Schmierfilmabrisses entstehenden Thermostrom erfassen zu können, ist der Verbrennungsmotor mit einem Steuergerät (14) ausgestattet, das über eine Verbindungsleitung (16) mit dem Gehäuse (7) und über eine Verbindungsleitung (17) und einen Kollektor (18) mit der Kurbelwelle elektrisch leitend verbunden ist. Parallel zum Steuergerät sind die Verbindungsleitungen (16, 17) über einen niederohmigen Widerstand (19) kurzgeschlossen. Durch die in einem Gleitlager galvanisch erzeugte Thermospannung fließt in dem niederohmigen Stromkreis (16, 17, 18, 19) ein Thermostrom (I), der an dem Widerstand (19) einen Spannungsabfall (U) auslöst. Dieses Signal wird in dem Steuergerät (14) verarbeitet und einer Anzeigevorrichtung (15) zugeführt.
10
Das Steuergerät (14) ist mit Mitteln (20) ausgerüstet, um den Drehwinkel der Kurbelwelle zu erfassen. Dazu weisen diese Mittel beispielsweise eine mit der Kurbelwelle verbundene Impulsscheibe (20) auf, deren winkelabhängige Signale zum Beispiel am Umfang der verteilten Strichcodes von einem Sensor (22) erfasst und über eine Leitung (23) dem Steuergerät zugeführt werden.
Weiter ist dieses Steuergerät mit Mitteln (24) ausgerüstet, die die Zündfolge an den einzelnen Zylindern ermitteln.
11
4. a) Die Anweisung, dass der Thermostrom vergrößert und gespreizt werden soll, versteht der Fachmann, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, jedenfalls in Anbetracht der Figur 3 des Streitpatents als eine messtechnische Maßnahme, die nicht etwa darauf zielt, den Strom zu verstärken , sondern die Interpretierbarkeit des vom Strom erzeugten Signals für messtechnische Zwecke durch bildliche Aufschlüsselung zu erhöhen. Entsprechende Verstärkungsmaßnahmen sind auch im Stand der Technik, beispielsweise nach den Lehren der europäischen Patentschriften 141 348 und 203 910, vorgesehen und, wie der Sachverständige dargelegt hat und was die Parteien nicht infrage gestellt haben, dem Fachmann (zu ihm nachstehend II 1) im Übrigen geläufige Maßnahmen.
12
b) Soweit der Thermostrom auf signifikante Symptome der Gleitlager abgefragt werden soll (Merkmalsgruppe 2), versteht der Fachmann dies infolge seines allgemeinen Fachwissens dahin, dass vor Einsatz des patentgemäßen Verfahrens zu ermitteln ist, welches Signalbild bei jedem individuellen, streitpatentgemäß auszurüstenden Motor bzw. bei seiner Baureihe als symptomatisch für ein Heißlaufen infolge Schmiermittelfilm-Abrisses anzusehen ist und auf eine Gefährdung hindeutet. Die Ermittlung eines solchen Schwellenprofils für die Signifikanz von Symptomen entspricht von der Zielrichtung her der in der europäischen Patentschrift 141 348 erörterten und von der Beklagten angeführten Vermeidung von Alarmsignalen bei kurzzeitigen Spannungsspitzen. Wie der Sachverständige erläutert hat, geschieht dies üblicherweise durch Testläufe auf Prüfständen o. Ä.
13
Dass das dabei erlange Signal in Abhängigkeit vom Drehwinkel der Kurbelwelle (Merkmal 2.2) ermittelt wird, stellt aus fachmännischer Sicht die Anweisung dar, das vom Thermostrom gelieferte Signal mit dem Drehwinkel im Ablauf der Arbeitsspiele des Motors zu korrelieren.
14
II. Das Bundespatentgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gegenstand des Streitpatents in dem von ihm ausgeurteilten Umfang nicht patentfähig ist (Art. II § 6 Nr. 1 IntPatÜbKG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Neuheit die geltend gemachte Vorbenutzung entgegensteht , denn jedenfalls ist der Gegenstand des Streitpatents im Umfang der Patentansprüche 1 bis 12 nicht patentfähig, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. 56 EPÜ).
15
1. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass die Merkmalsgruppe 1 des Patentanspruchs 1 aus der europäischen Patentschrift 141 348 bekannt sei und dass die weiteren Merkmale dieses Anspruchs eine erfinderische Tätigkeit nicht erforderten. Den Thermostrom elektronisch zu vergrößern und zu spreizen sei eine in der Mess- und Steuerungstechnik übliche Maßnahme, die vorzusehen den Fachmann jedenfalls vor keine außerhalb seines fachnotorischen Handels liegende Anforderung gestellt habe. Zur Überwindung der von der Lehre der europäischen Patentschrift 141 348 nicht zu beseitigenden Defizite bei der genauen Lokalisierung von Lagerschäden werde der Fachmann aufgrund seiner Kenntnis von der kurbelwinkelabhängigen Lage der Schadensbilder bei Gleitlagern von Hubkolbenmaschinen dazu angeregt, das Thermostromsignal mit dem Kurbelwellenwinkel zu korrelieren, um Hinweise auf den Ort des konkret beschädigten Gleitlagers zu erhalten. Seien bei MehrzylinderHubkolbenmaschinen mehrere Zylinder in Bezug auf die Kurbelwelle geometrisch gleichartig angeordnet, werde der Fachmann zwangsläufig weitere Be- triebsparameter der Maschine, wie die Zündfolge und die Totpunktlagen von Kolben heranziehen müssen, um den Schadensort zweifelsfrei einem bestimmten Gleitlager zuordnen zu können. Diese Zusammenhänge zu erkennen erfordere lediglich fachmännisches Grundlagenwissen, wobei die Ausgabe eines Steuersignals abhängig vom Auftreten eines signifikanten Symptoms der Thermostromkurve in Kenntnis der Lehre der europäischen Patentschrift 141 348 nur noch ein einfacher Verfahrensschritt sei. Im Übrigen sei die Korrelation eines die Lagerzustände abbildenden elektrischen Signals mit dem Kurbelwellenwinkel als Maßnahme zur Lokalisierung eines Lagerschadens auch aus der europäischen Patentschrift 203 910 vorbekannt.
16
Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 6 begründeten keine erfinderische Tätigkeit. Dass die Position der geringsten Schmierfilmdicke bei einem Gleitlager im Normalbetrieb (Anspruch 2) wegen der dort mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Schadensentstehung als Parameter höchst relevant sei, liege auf der Hand. Die Erfassung der Verlagerungsbahn eines Lagerzapfens (Anspruch
3) stelle eine im Griffbereich des Fachmanns liegende Möglichkeit dar, sich Aufschluss über die Umfangslage des geringsten Spalts in einem Gleitlager zu verschaffen. Von besonderer Relevanz für die Schadensentstehung in Lagern seien naturgemäß die höchsten auftretenden Kräfte auf die Kolben-/ Pleuelgruppe. Sie seien drehmoment- und drehzahlabhängig und am größten, wenn der Kolben sich im Bereich des oberen Totpunktes in der Verdichtungsphase befinde. Somit werde der Fachmann auch diese Größen als Parameter für die Auswertung der Thermostromkurve in Betracht ziehen (Ansprüche 4 und 5). Die zusätzliche Berücksichtigung der Zündfolge zur Identifizierung eines Zylinders bzw. seiner Lager gemäß Anspruch 6 liege für einen Fachmann ebenfalls auf der Hand und sei im Übrigen auch aus der europäischen Patentschrift 203 910 bekannt.
17
Die Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Patentanspruch 7 sei im Umfang der Merkmale des Oberbegriffs ebenfalls aus der europäischen Patentschrift 141 348 bekannt. Dem kennzeichnenden Teil sei als erfindungswesentlich zu entnehmen, dass das Steuergerät nicht näher bestimmte Mittel enthalte, um die im Kennzeichen des Anspruchs 1 beanspruchten Verfahrensschritte auszuführen. Dass am Prioritätstag geeignete Mittel zur Durchführung der Verfahrensschritte zur Verfügung gestanden hätten, habe die Beklagte zu Recht nicht in Frage gestellt. Sei das Verfahren nach Anspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt , könne auch die Einrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens gemäß Anspruch 7 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Eine solche ergebe sich auch nicht aus den zusätzlichen Merkmalen der Patentansprüche 8 bis 12. Mittel zur Erfassung der Totpunkt-Stellungen des Kolbens (Anspruch 8) seien zum Prioritätstag in nahezu allen Brennkraftmaschinen-Steuerungen üblich gewesen. Ein mit der Kurbelwelle verbindbares Übermittlungsgerät für den Thermostrom (Anspruch 9) sei in der europäischen Patentschrift 141 348 als Schleifkontakt beschrieben. Die Anwendung mehrerer am Umfang verteilter, federnd an der Kurbelwelle anliegender Schleifkontakte (Anspruch 11) biete sich dem Fachmann bedarfsweise zur Verringerung von Kontaktfehlern an. Die bauliche Gestaltung und Anordnung dieser Kontakte gemäß Anspruch 11 überschreite nicht den Bereich fachüblichen konstruktiven Gestaltens. Den Drehwinkelgeber zur Erfassung der Winkellage und der Drehzahl der Kurbelwelle (Anspruch 10) sowie den Beschleunigungsgeber an der Kurbelwelle (Anspruch 12) mit dem Übermittlungsgerät für den Thermostrom baulich zu kombinieren , liege wegen der allen Komponenten gemeinsamen funktionalen Kopplung an die Kurbelwelle nahe, wenn, was der Fachmann allgemein anstrebe, eine kompakte Anordnung erhalten bzw. Bauraum eingespart werden solle. Mit den Beschleunigungsgebern nach Anspruch 12 ließen sich, wie auch in der Streitpatentschrift ausgeführt sei, die Auswertungsmöglichkeiten der Thermo- stromkurve erweitern. In welcher Weise, sei jedoch nicht ausgeführt. Der Fachmann werde bei seiner Analyse der Wirkzusammenhänge Einflussparameter hinzuziehen, die später eine hinreichend präzise Auswertung der Thermostromkurve erlaubten. Hierbei gegebenenfalls die Beschleunigungen der Kurbelwelle mit heranzuziehen, liege in seinem fachlichen Ermessen, erfordere mithin kein erfinderisches Zutun.
18
2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte im Ergebnis ohne Erfolg.
19
a) Patentanspruch 1 kann nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten, weil sein Gegenstand in der Gesamtschau aller Merkmale durch die Merkmalsgruppe 2 und das Merkmal 3 nicht in einer die Erteilung von Patentschutz rechtfertigenden Weise zur Weiterbildung des Stands der Technik beigetragen hat.
20
aa) Dass die Anweisung, den Thermostrom zu spreizen und zu vergrößern , eine Maßnahme ist, die eine erfinderische Tätigkeit erforderte, ist mit Blick auf die messtechnische Geläufigkeit solcher Maßnahmen, die der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung unterstrichen hat, nicht anzunehmen und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
21
bb) Die weiteren Anweisungen der Merkmalsgruppe 2, den Thermostrom in Abhängigkeit vom Drehwinkel der Kurbelwelle über mindestens ein Arbeitsspiel auf signifikante Symptome der Gleitlager abzufragen, stellen ebenfalls nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) dar. Die Herstellung einer Korrelation zwischen Thermostromsignal und Drehwinkelverlauf der Kurbelwelle unter Zuhilfenahme von Mitteln wie beispielsweise einer mit der Kurbelwelle verbundenen Impulsscheibe (21), deren winkelabhängige Signale von einem Sensor (22) erfasst und über eine Leitung (23) dem Steuergerät (14) zugeführt werden (Beschreibung Tz. 20, 31), war keine Leistung, welche die Fertigkeiten eines durchschnittlich ausgebildeten und bewanderten Fachmanns überstieg.
22
(1) Entwicklungsleistungen auf dem Gebiet des Streitpatents wurden zur Prioritätszeit, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, hauptsächlich von kleinen und mittleren Unternehmen erbracht. Mit entsprechenden Aufgabenstellungen wurden dort in erster Linie Diplomingenieure mit Fachhochschulabschluss auf dem Gebiet des Maschinenbaus oder der Elektronik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Gleitlagerung von Hubkolbenmaschinen und -motoren und mit Grundlagenkenntnissen aus dem Bereich der Messtechnik und Messsignalverarbeitung betraut, die diese in Zusammenarbeit mit Technikern angingen. Gegebenenfalls ließen sich solche Teams für die messtechnische Umsetzung von Mess- und Steuerungstechnikern unterstützen , wobei Letztere über Kenntnisse bezüglich der Messgrößenaufnahme (Erfassung von Signalen mittels Sensors), der Messsignalverarbeitung (Anpassung , Verstärkung oder Umwandlung der Signale) und der Messwertausgabe (Anzeige, Registrierung bzw. Speicherung in analoger oder digitaler Form) verfügten.
23
(2) Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten anschaulich ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung überzeugend bestätigt hat, ist die Zuordnung eines Signals zu einer charakteristischen Größe wie dem Drehwinkel einer Kurbelwelle eine gängige und sogar notwendige Maßnahme in der Mess- und Steuerungstechnik. Drehwinkelgeber wurden demzufolge bereits in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf vielen technischen Gebieten eingesetzt und auch der hier angesprochene Fachmann hatte sie als ein seinen Zwecken dienliches Instrument prinzipiell im Blick. Das zeigt sich auch darin, dass sich die europäische Patentschrift 203 910 ebenfalls dieses Hilfsmittels - unter der synonymen Bezeichnung "Winkelmarkengebers" - bedient; dort ist Gegenstand der Messungen im Unterschied zum Streitpatent lediglich nicht ein Thermostrom, sondern es werden die in ein elektrisches Signal umgewandelten Öldruckschwingungen auf der Basis von Kurbelwinkelmarken am Motor digitalisiert (Beschreibung Spalte 4, Zeile 24 f.; vgl. auch Anspruch 1 Merkmal c).
24
(3) Der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand der Beklagten , der Fachmann habe gar keinen Anlass gehabt, nach einer gegenüber dem Stand der Technik alternativen Modalität für die Gewinnung eines Messsignals zu suchen, das ein signifikantes Symptom an einem konkreten Lager detektiert, sondern wäre allein auf eine Weiterentwicklung des in der europäischen Patentschrift 141 348 vorgezeigten Weges bedacht gewesen (Kupferverdrahtung einzelner Lager, vgl. dort Figur 3 und Beschreibung Sp.7 Z. 6 ff.), ist nicht stichhaltig. Die Einschätzung der Streitpatentschrift selbst ist eine andere, die sich auch nicht als rückschauend nach Auffindung der streitpatentgemäßen Lösung gewonnene Analyse des Stands der Technik darstellt. Die in der europäischen Patentschrift 141 348 vorgeschlagene zusätzliche Thermoüberwachung einzelner Schmierstellen mit vergleichender Temperaturmessung wird dort als relativ aufwendig bezeichnet. Außerdem könne eine zusätzliche Thermoüberwachung an bestimmten Lagern, wie dem Pleuellager und den Kolbenbolzen, nicht angeordnet werden (Beschreibung Tz. 3). Dementsprechend zeigen auch die Figuren dieser Entgegenhaltung eine solche zusätzliche Thermoüberwachung nur für die Grundlager. Diese Bewertung in der Beschreibung des Streitpatents hat der Sachverständige auf Nachfragen als zutreffend bestätigt, nachdem er anfänglich befürwortet hatte, auch bei exzentrisch rotierenden Lagern wie den Pleuellagern den Versuch zu unternehmen, eine den Drehungen folgende Kupferverdrahtung vorzusehen. Auf die besagte Passage in der Beschreibung der Streitpatentschrift hingewiesen hat er jedoch bestätigt, dass der zur Prioritätszeit tätige Fachmann die Dinge so eingeschätzt hätte, wie dies in der Streitpatentschrift zum Ausdruck kommt.
25
(4) Hinzu kommt im Übrigen, dass, wie der Sachverständige ebenfalls überzeugend ausgeführt hat, die Lokalisierung von Schadensstellen auf der Grundlage der Lehre der europäischen Patentschrift 141 348 infolge von aussageneutralen Spannungsschwankungen im Thermostrom mit Unsicherheiten behaftet war und nicht sicher zu erkennen war, wann ein neues Arbeitsspiel begann. Aus fachmännischer Sicht bestand deshalb Anlass, diesen Nachteil zu beheben, was durch Einsatz von Drehwinkelgebern erfolgen konnte, weil diese es, eingestellt auf einen bestimmten Bezugspunkt wie den oberen oder unteren Totpunkt des Kurbelwellenhubs, ermöglichen, genau zu erkennen, an welcher Stelle im Ablauf eines Arbeitsspiels ein signifikantes Signal auftritt.
26
(5) Mit Blick darauf, dass Drehwinkelgeber in weiten, auch das Gebiet des Streitpatents einschließenden Bereichen seit langem bekannt und verbreitet waren und auch die europäische Patentschrift 203 910 diese Messtechnik vorschlägt (vgl. oben II 2 a bb), kann der Beklagten auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, der vom Streitpatent eingeschlagene Weg stelle eine Abkehr vom technisch Üblichen dar.
27
(6) Ihr kann insbesondere auch nicht darin beigepflichtet werden, der Fachmann hätte die europäische Patentschrift 203 910 gar nicht zurate gezogen. Der Einwand beruht auf einer rückschauenden Betrachtung. Der zur Prioritätszeit mit der im Streitpatent formulierten Aufgabe befasste Fachmann hätte, selbst wenn er eine Weiterentwicklung auf der Basis der Messung von Thermostrom bevorzugte, die genannte Schrift nicht von vornherein von der Lektüre ausgeschlossen, nur weil sie im Ausgangspunkt eine andere Messmethode postulierte (Messung von Druckschwingungen im Ölkreislauf anstelle der Messung des Thermostroms). Das vom Streitpatent zu lösende Problem bestand in der Auffindung eines zusätzlichen Parameters, mit dem das allgemeine Signal (fließender Thermostrom, Öldruckschwankungen) einem bestimmten Lager zugeordnet werden konnte. Steht der Fachmann vor dem Problem, eine angewandte technische Methode durch weitere Schritte zu verfeinern, wird er sich von der genauen Analyse einer grundsätzlich einschlägigen Vorveröffentlichung nicht deshalb von vornherein abhalten lassen, weil diese im Ausgangspunkt eine andere als die von ihm favorisierte (Mess-)Methode vorsieht. Aufgrund seines allgemeinen Erfahrungswissens rechnet er stets mit der Möglichkeit, dass dort gegebenenfalls vorgeschlagene weitere Schritte sich als verallgemeinerungsfähig und in dem ihm selbst vorschwebenden Lösungsweg verwendbar erweisen könnten.
28
So verhält es sich hier. Die europäische Patentschrift 203 910 gab dem Fachmann, sofern vor dem Hintergrund seines Fachwissens überhaupt noch erforderlich, den Hinweis, dass Kurbelwinkelmarken zur Signalkorrelation infrage kommen und aufgrund seines allgemeinen Fachwissens erkannte er, dass diese Methode nicht nur bei auf Öldruckschwankungen basierenden Überwachungssystemen einsetzbar ist, sondern ebenso gut bei einer thermostrombasierten Detektion in Betracht gezogen werden kann.
29
cc) Die gemäß Merkmal 3 vorgesehene Maßnahme, dass beim Auftreten eines signifikanten Symptoms ein Steuersignal für einen Schaden an einem bestimmten Gleitlager ausgegeben wird, erforderte ebenfalls keine überdurchschnittliche fachmännische Leistung. Dementsprechend ist dies auch nicht im Detail zum Gegenstand der beanspruchten Lehre gemacht worden, sondern die konkrete Ausgestaltung wird als vom Fachmann umsetzbar vorausgesetzt.
30
b) Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche weisen aus den vom Patentgericht ausgeführten Gründen keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt auf. Das gilt entgegen der Auffassung der Beklagten auch für Anspruch 3. Dass die präzise rechnerische Erfassung der Kurbelwellenverlagerungsbahn den Ausführungen des Sachverständigen zufolge äußerst komplex ist und verschiedene physikalische Effekte berücksichtigen muss, sowie dass nur wenige Personen die mathematischen und physikalischen Modellierungstechniken auf diesem Gebiet vollends beherrschen, ergibt nichts für die Frage, ob die Auffindung des Gegenstands von Patentanspruch 3 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann. Der Gegenstand des Streitpatents dient nicht der präzisen rechnerischen Erfassung einzelner Kurbelwellenverlagerungsbahnen , sondern der Fachmann versteht die Anweisung in Patentanspruch 3, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, dahin, insoweit auf vorhandene Werte und Daten zurückzugreifen. Das Streitpatent betrifft auch nicht selbst die Einsicht, sondern macht sich die Erkenntnis zunutze , dass die Schmiermitteldicke sich im Verlauf eines Arbeitsspiels infolge der Kurbelwellenverlagerung verändert und dass dies periodisch wiederkehrend geschieht, so dass auf der Grundlage eines zur Verfügung stehenden Drehwinkelgebers die Kurbelwellenverlagerungsbahn als Parameter gewählt werden kann, um das Steuersignal einem bestimmten Gleitlager zuzuordnen. Auf diesen Vorschlag beschränkt sich die Lehre in Anspruch 3. Das rechtfertigte nur dann die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit, wenn bereits die gedankliche Verknüpfung von Kurbelwinkel und Messsignal auf der einen und einer vorab berechneten Kurbelwellenverlagerungsbahn auf der anderen Seite eine von einem durchschnittlich bewanderten und befähigten Fachmann nicht zu erwartende Leistung darstellte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Auch wenn Kurbelwellenverlagerungsbahnen, wie ausgeführt, äußerst schwierig rechnerisch zu erfassen sind, bedeutet das nicht, dass ein durchschnittlich ausgebildeter und erfahrener Fachmann keinen Begriff von solchen Bahnen und ihrer grundsätzlichen Eignung hat, als Parameter für die Überwachung von Gleitlagern in Hubkolbenmaschinen herangezogen zu werden. Es ist vielmehr zu bedenken, dass der hier tätige Fachmann nicht nur über einen Fachhochschulabschluss verfügt, sondern auch über einige praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Gleitlagerüberwachung. Deshalb liegt es nicht außerhalb durchschnittlicher fachmännischer Möglichkeiten, den Parameter der Kurbelwellenverlagerungsbahn in Beziehung zu Kurbelwinkel und Steuersignal zu setzen.
31
c) Die mit Patentanspruch 7 unter Schutz gestellte Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 6 kann ebenso wenig als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten, wie diese Verfahrensansprüche selbst. Es handelt sich bei dem Anspruch um einen Sachanspruch, mit dem ein Steuergerät unter Schutz gestellt wird, mit welchem das Verfahren nach Anspruch 1 bis 6 umgesetzt werden kann. Es sieht über die Merkmale dieser Ansprüche hinaus lediglich ein mittels Leitungen mit dem Gehäuse und der Kurbelwelle verbindbares Steuergerät vor, welches Mittel enthält, um die Verfahrensschritte nach Merkmalsgruppe 2 und Merkmal 3 von Patentanspruch 1 umzusetzen. Ein Steuerungsgerät mit solchen Mitteln vorzusehen, übersteigt die durchschnittlichen Möglichkeiten des von einem Mess- und Steuerungstechniker zur messtechnischen Umsetzung unterstützten Fachmanns nicht. Einrichtungsbausteine, die den Unteransprüchen 8 bis 12 genügen, sind, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, im Bereich der Motorenüberwachung seit langem Stand der Technik und waren bereits vor dem Prioritätstag realisiert worden. Die streitpatentgemäße Einrichtung besteht im Wesentlichen aus einem Steuer- und Übermittlungsgerät einschließlich Schleifringüberträgern, sowie einem Drehwinkelgeber und koppelbarem Beschleunigungsgeber. Solche Bauteile und Komponenten gehören nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Sachverständigen im Allgemeinen zur Grundstruktur eines jeden Messsystems und damit auch zum mess- technischen Grundwerkzeug jedes Ingenieurs oder Messtechnikers, der statische und dynamische Messungen auf sich drehenden Wellen durchführt.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
VRiBGH Scharen ist Gröning Berger infolge Eintritts in den Ruhestand an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert Gröning Grabinski Hoffmann

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.04.2008 - 10 Ni 19/07 (EU) -
31
Der Argumentation der Klägerin kann nicht beigetreten werden. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (Sen.Urt. v. 14.10.1979 - X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 - Doppelachsaggregat ). Es ist also nicht erforderlich, dass bereits der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (Sen.Beschl. v. 16.6.1998 - X ZB 3/92, GRUR 1998, 899, 900 - Alpinski; Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223, 225 - Kupplungsvorrichtung II). Nach mittels Einspruchs nicht mehr anfechtbarer Erteilung des Patents ist von einer in diesem Sinne ausreichenden Offenbarung so lange auszugehen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Im Nichtigkeitsprozess führt das zur Beweislast des Klägers dafür, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens und ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen (Busse/Keukenschrijver, aaO, § 83 PatG Rdn. 32, § 34 PatG Rdn. 301; Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., 2008, § 34 PatG Rdn. 374).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

(2) Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen.

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

22
b) Die notwendige Streitgenossenschaft hat gemäß § 62 Abs. 2 ZPO zur Folge, dass ein Streitgenosse auch dann weiter am Verfahren zu beteiligen ist, wenn er gegen eine Instanzentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat (BGH, Urteil vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89, NJW 1991, 101; BeckOKZPO/Dressler, Edition 2, § 62 Rn. 41; Musielak/Weth, ZPO, 8. Auflage, § 62 Rn. 20; MünchKomm.ZPO/Schultes, 3. Auflage, § 62 Rn. 52; Prütting/ Gehrlein, ZPO, § 62 Rn. 24; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 62 Rn. 31).