Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2005 - VI ZR 137/04

bei uns veröffentlicht am13.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 440 Beweis der Echtheit von Privaturkunden


(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen. (2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Ha

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(1) Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden. (2) In diesem Fall hat der Beweisführer zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen oder ihre Mitteilung nach der Vorschrift des § 4

Zivilprozessordnung - ZPO | § 439 Erklärung über Echtheit von Privaturkunden


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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2013 - 4 StR 556/12

bei uns veröffentlicht am 26.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 556/12 vom 26. März 2013 in der Strafsache gegen alias alias wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Gener

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2012 - 4 StR 523/11

bei uns veröffentlicht am 11.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 523/11 vom 11. Januar 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Bes

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2008 - IX ZB 231/07

bei uns veröffentlicht am 13.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 231/07 vom 13. November 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 2 Ist gegen die Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts,

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Apr. 2016 - 3 A 10151/16

bei uns veröffentlicht am 19.04.2016

Die Nichtigkeitsklage wird abgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Nichtigkeitsklageverfahrens. Tatbestand 1 Der Beklagte wendet sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen ein Urteil des 3. Senats – Senat für Landesdisziplinarsachen –

Referenzen

Die §§ 18 bis 20 stehen der Erledigung eines Ersuchens um Überstellung und Rechtshilfe eines internationalen Strafgerichtshofes, der durch einen für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Rechtsakt errichtet wurde, nicht entgegen.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Über die Echtheit einer Privaturkunde hat sich der Gegner des Beweisführers nach der Vorschrift des § 138 zu erklären.

(2) Befindet sich unter der Urkunde eine Namensunterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten.

(3) Wird die Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

(1) Über die Echtheit einer Privaturkunde hat sich der Gegner des Beweisführers nach der Vorschrift des § 138 zu erklären.

(2) Befindet sich unter der Urkunde eine Namensunterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten.

(3) Wird die Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(1) Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden.

(2) In diesem Fall hat der Beweisführer zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen oder ihre Mitteilung nach der Vorschrift des § 432 zu beantragen und erforderlichenfalls den Beweis ihrer Echtheit anzutreten.

(3) Befinden sich zur Vergleichung geeignete Schriften in den Händen des Gegners, so ist dieser auf Antrag des Beweisführers zur Vorlegung verpflichtet. Die Vorschriften der §§ 421 bis 426 gelten entsprechend. Kommt der Gegner der Anordnung, die zur Vergleichung geeigneten Schriften vorzulegen, nicht nach oder gelangt das Gericht im Falle des § 426 zu der Überzeugung, dass der Gegner nach dem Verbleib der Schriften nicht sorgfältig geforscht habe, so kann die Urkunde als echt angesehen werden.

(4) Macht der Beweisführer glaubhaft, dass in den Händen eines Dritten geeignete Vergleichungsschriften sich befinden, deren Vorlegung er im Wege der Klage zu erwirken imstande sei, so gelten die Vorschriften des § 431 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 136/02 Verkündet am:
15. März 2004
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 286 B, 287, 288, 290
Ein Geständnis in einem Strafverfahren entfaltet in einem Zivilprozeß nicht die
Wirkungen der §§ 288, 290 ZPO, stellt aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung
nach § 286 ZPO ein wichtiges Indiz für die Wahrheit der zugestandenen
Tatsachen dar. Das Gericht darf diesen Beweis nur als geführt ansehen, wenn
es zuvor alle für die Unrichtigkeit des Geständnisses angetretenen Beweise
erhoben hat.
BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 -OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 15. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. März 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist ein Verein, dessen Zweck darin besteht, die Volksfestveranstaltungen auf dem Heiligengeistfeld in H. sowie die Veranstaltungen anläßlich der Feier des Hafengeburtstags durch Werbemaßnahmen zu fördern. Der Beklagte war Oberregierungsrat und leitete in der H. Senatsverwaltung das Referat "Volksfeste, Sonderveranstaltungen und Märkte", das sog. Domreferat. Er war zeitweise auch Vorstandsmitglied des Klägers. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind Schausteller. Wegen deren häufiger Ortsabwesenheit
wurden die Geschäfte des Vereins weitgehend von dem Beklagten geführt, auch nachdem er nicht mehr dem Vorstand angehörte.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 286.191,69 DM. Dazu behauptet er, der Beklagte habe in 28 Fällen ohne Zustimmung des Vorstands Vereinsgelder für eigene Zwecke oder zugunsten ihm nahe stehender Personen verwandt. Unter anderem wegen dieser Vorwürfe hat gegen den Beklagten ein Strafverfahren stattgefunden, in dem er ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und daraufhin wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 Abs. 1 StGB zum Schadensersatz in dem eingeklagten Umfang verpflichtet. Daß er den Tatbestand der Untreue erfüllt habe, stehe fest aufgrund seines Geständnisses in dem Strafverfahren. Zwar sei dieses Geständnis für den Zivilprozeß nicht bindend. Gleichwohl führe die Beweiswürdigung dazu, daß der Beklagte an dem Geständnis festzuhalten sei. Damit stehe auch der Umfang des Schadens fest.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungs- gericht hat den Prozeßstoff nicht erschöpfend ausgewertet.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß ein in einem anderen Prozeß abgelegtes Geständnis nicht die Wirkungen der §§ 288, 290 ZPO entfaltet, sondern lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO als Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsachen zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 30. Oktober 1984 - IX ZR 6/84, VersR 1985, 83, 85; Urt. v. 15. Juni 1994 - XII ZR 128/93, NJW 1994, 3165, 3167; BAG, Urt. v. 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94, NJW 1996, 1299, 1300; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 288 Rdn. 24, § 290 Rdn. 9; MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl. § 288 Rdn. 37, § 290 Rdn. 3). In diesem Rahmen kann das Geständnis eine so große Beweiskraft entfalten, daß es zur richterlichen Überzeugungsbildung auch dann ausreicht, wenn es widerrufen worden ist und die beweisbelastete Gegenpartei keine weiteren Beweismittel vorgebracht hat.
2. Das Berufungsgericht hat aber den im Zivilprozeßrecht geltenden Grundsatz der Pflicht zur Erschöpfung der angebotenen Beweismittel nicht beachtet. Danach darf das Gericht seiner Entscheidung keine für eine Partei ungünstige Tatsache zugrunde legen, ohne zuvor alle von dieser Partei dazu angebotenen Gegenbeweise erhoben zu haben, sofern nicht ein verfahrens- oder beweisrechtlicher Grund zur Ablehnung des Beweisantrags vorliegt (BVerfG, Beschl. v. 8. November 1978 - 1 BvR 158/78, NJW 1979, 413; BGHZ 53, 245, 259 f.; BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996 - XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, 238; Urt. v. 18. November 2003 - XI ZR 332/02, ZIP 2004, 159, 162).
Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht verstoßen. Es hat versäumt, die von dem Beklagten angebotenen Beweise zu erheben. Der Beklagte hat die Vorwürfe des Klägers bestritten und dazu in den mit der Revisionsbegründung aufgezeigten Fällen Beweis angetreten. Er hat dieses Bestreiten auch nach seinem Geständnis in dem Strafverfahren aufrechterhalten. So hat er zur Begründung seiner Berufung nach der strafgerichtlichen Verurteilung vorgetragen, daß er an seinen Einwendungen festhalte. In dem Schriftsatz vom 4. Dezember 2001 hat er erklärt, daß er sein Geständnis aus dem Strafverfahren in allen Punkten widerrufe.
Damit hätte das Berufungsgericht die von dem Beklagten angetretenen Beweise erheben müssen. Das Vorbringen des Beklagten war erheblich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob den angeblichen Auftragsvergaben Vorstandsbeschlüsse zugrunde gelegen haben. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Untreue des Beklagten würde bereits dann ausscheiden, wenn den von ihm veranlaßten Zahlungen gleichwertige und dem Kläger nützliche Gegenleistungen entsprochen hätten.
Dieser Beweisaufnahme standen verfahrens- oder beweisrechtliche Gründe nicht entgegen. Auch war sie nicht nach § 287 ZPO entbehrlich. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf die Höhe der Forderung, nicht auf den Haftungsgrund (BGH, Urt. v. 28. April 1982 - IVa ZR 8/81, NJW 1983, 998). Hier aber geht es um die Frage, ob der Beklagte in den streitigen Fällen jeweils eine unerlaubte Handlung begangen hat.
3. Soweit der Beklagte hinsichtlich einzelner Fälle keinen Beweis angetreten oder nur eine nach §§ 445 ff. ZPO unzulässige Parteivernehmung beantragt hat, war das Verfahren des Berufungsgerichts ebenfalls fehlerhaft. Der
Beklagte hat sich auch insoweit zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen im einzelnen erklärt. Dieses Vorbringen hätte das Berufungsgericht würdigen müssen. Der pauschale Hinweis auf das Geständnis in dem Strafverfahren reichte dazu nicht aus.
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Würdigung des Vortrags des Beklagten und die Beweisaufnahme nachgeholt werden können.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.