Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2013 - 4 StR 556/12

bei uns veröffentlicht am26.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 556/12
vom
26. März 2013
in der Strafsache
gegen
alias
alias
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. August 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass in Ziff. 5 des landgerichtlichen Tenors auf erweiterten Verfall erkannt ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.450,00 € und den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.385,00 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstandet er die Besetzung des erkennenden Senats.
2
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Es führt lediglich zu einer Klarstellung hinsichtlich der Verfallsentscheidung.

I.


3
Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem 1. Juli 2012 keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.
4
1. Der frühere Vorsitzende des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, ist mit Ablauf des 30. Juni 2012 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seitdem ist diese Stelle vakant, und der 4. Strafsenat wird von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt. Daran hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs auch bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2013 (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) nichts geändert.
5
2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG entsprechend anzuwenden ist, sofern und solange die Wiederbesetzung lediglich „vorübergehend“ unterbleibt, also einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet (vgl. BVerfGE 18, 423, 426 f.; BVerfG, NJW 1983, 1541; BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 – IV ZR153/54, BGHZ 16, 254; Urteil vom 21. Juni 1955 – 5 StR 177/55, BGHSt 8, 17, 19 ff.; Beschluss vom 11. Juli 1985 – VII ZB 6/85, NJW 1985, 2337; BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 52 f.; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 27). Es sei nicht in allen Fällen und ungeachtet der Dauer der mutmaßlichen Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich übertrage (BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 53 f.). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen, lässt sich nicht „allgemeingültig“ und losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantworten (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154, 155; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 25, 27; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 59 Rn. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 21e GVG Rn. 39d).
6
Für den Fall der länger dauernden Erkrankung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ankommt , die umfassend zu würdigen sind. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig gewesen sei, habe das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Könne hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, müsse das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154). In einem Fall, in dem der Vorsitzende planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden war und die Ausschreibung der Stelle erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, ist das Bundes- sozialgericht davon ausgegangen, dass „zumindest im Regelfall“ der Vorsitzin einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geführt werden darf (BSG, NJW 2007, 2717, 2718). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden solange anwendbar, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer „länger dauernden Erkrankung“ (BFHE 190, 47, 55). Nach der Rechtspre- chung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine ruhestandsbedingte Vakanz im Vorsitz „praktisch unvermeidbar“; allgemeingültige Fristen ließen sich weder für den Fall einer Verhinderung durch längere Krankheit noch für den Fall der dauernden Verhinderung des Vorsitzenden infolge einer Vakanz festlegen (BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch BVerwG, NJW 2001, 3493 für den besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts

).


7
3. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auf ihrer Grundlage bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des 4. Strafsenats.
8
a) Das frühzeitig eingeleitete Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist noch nicht abgeschlossen, weil das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Rahmen eines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 17. Januar 2013 der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 1 K 2614/12).
9
b) Nach dem „Vermerk über die wesentlichen Erwägungen des Präsidiums des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung über die Besetzung der Vor- sitzendenstellen in den Strafsenaten“ (Anlage 6zum Protokoll über die Präsidiumssitzung vom 13. Dezember 2012) hat das Präsidium für das Geschäftsjahr 2013 selbst bei Ausschöpfung aller Ressourcen und nach Abwägung aller denkbaren Geschäftsverteilungsmodelle keine Möglichkeit gesehen, jedem Strafsenat einen Vorsitzenden Richter zuzuweisen. Der Doppelvorsitz durch gleichzeitige Leitung des 2. und 3. Strafsenats könne infolge Überlastung des mit dieser Aufgabe betrauten Vorsitzenden nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass im Geschäftsjahr 2013 der Präsident den Vorsitz im 3. Strafsenat wahrnehme (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG). Die Übertragung eines Doppelvorsitzes an einen anderen Vorsitzenden eines Strafsenats komme nicht in Betracht, da der Vorsitzende des 1. Strafsenats mit Ablauf des 30. April 2013 altersbedingt in den Ruhestand treten werde und der Vorsitzende des 5. – Leipziger – Strafsenats schon auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht parallel den Vorsitz in einem Karlsruher Strafsenat übernehmen könne. Die Heranziehung der Vorsitzenden der Zivilsenate für Interimslösungen scheide ebenfalls aus. Sie seien mit den Rechtsmaterien der Strafsenate nicht in einem Maße vertraut, dass sie ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion eines Vorsitzenden in einem zusätzlich zu übernehmenden Strafsenat erfüllen könnten.
10
c) Da das Beförderungsverfahren zügig betrieben wurde und das Präsidium des Bundesgerichtshofs alle sinnvollen Ressourcen zur Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten ausgeschöpft hat, liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, dass der 4. Strafsenat jedenfalls derzeit durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird.

II.


11
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Zu der Verfallsentscheidung bemerkt der Senat:
13
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung davon verschafft , dass das beim Angeklagten sichergestellte Geld (39.385,00 €) aus nicht verfahrensgegenständlichen Verkäufen von Betäubungsmitteln oder sonstigen Teilnahmehandlungen zu solchen Geschäften stammte (UA S. 58). Entsprechend war hinsichtlich dieses Geldes – vom Landgericht ersichtlich gemeint – nicht auf erweiterten Verfall von Wertersatz, sondern auf erweiterten Verfall zu erkennen (§ 73d Abs. 1 StGB).
Mutzbauer Roggenbuck Franke RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Reiter

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21e


(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, wel

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21f


(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter. (2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium best

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR173/13 Verkündet am: 12. März 2015 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

Tenor

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Beigeladene zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof zu ernennen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000,. EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die Beigeladene zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof zu ernennen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers vom 09.02.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist, ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass durch die Beförderung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nach dem Antrag des Antragstellers die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers in dem Beförderungsverfahren, das mit Blick auf den altersbedingten Eintritt in den Ruhestand des Vorsitzenden des 4. Strafsenates des Bundesgerichtshofs mit Ablauf des 30.06.2012 eingeleitet worden ist. Es handelt sich hierbei um ein neues selbständiges Auswahlverfahren mit eigenem Bewerberkreis und nicht um die Fortsetzung des Auswahlverfahrens für die Ernennung eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, das aus Anlass der Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenates eingeleitet worden ist und in dem der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Wiederholung der Auswahlentscheidung erstritten hat (vgl. dazu den Gerichtsbeschluss vom 24.10.2011 - 4 K 2146/11 -). In diesem von der Antragsgegnerin nicht vorrangig betriebenen, aber gleichwohl fortdauernden und mit den Maßgaben des Beschlusses vom 24.10.2011 behafteten Auswahlverfahren ist eine neue Auswahlentscheidung trotz der erneuten dienstlichen Beurteilung des Antragstellers unter dem 10.01.2012, die Gegenstand des Gerichtsverfahrens 1 K 1101/12 ist, nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht ergangen (vgl. zu den Voraussetzungen für den ordnungsgemäßen Abbruch eines Auswahlverfahrens: BVerwG, Urteil vom 26.01.2012 - 2 A 7/09 -, BVerwGE 141, 361). Auch wenn der Antragsteller für sich selbst letztlich nur eine einzige Beförderung erstrebt und erstreben kann, hat er einen Anspruch darauf, dass über jede einzelne Beförderung rechtsfehlerfrei entschieden wird. Dieser Anspruch verändert sich nicht dadurch, dass über mehrere Beförderungen nicht nacheinander, sondern zusammen entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - 2 VR 5/12 -, juris Rn 19, 20, zum einstweiligen Rechtsschutz bei mehreren zeitgleich beabsichtigten Beförderungen). Dies gilt auch dann, wenn über eine weitere Beförderung entschieden werden soll, ohne dass ein früheres Auswahlverfahren, in dem der Antragsteller ebenfalls Bewerber ist, endgültig abgeschlossen worden ist.
Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat dem Antragsteller und den anderen im vorliegenden Auswahlverfahren unterlegenen Mitbewerbern am 30.07.2012 mitgeteilt, dass die Bundesministerin der Justiz beabsichtigt, dem für die Ernennung zuständigen Bundespräsidenten (Art. 60 Abs. 1 GG) die Ernennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof vorzuschlagen. Diese Mitteilung kündigt die Ernennung der Beigeladenen, d.h. den Erlass eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, BVerwGE 138, 102), für den Fall an, dass der Bundespräsident nach Verstreichen einer Wartefrist die ihm von der obersten Bundesbehörde vorgeschlagene Auswahl des nach ihrer Ansicht am besten geeigneten Bewerbers in seinen Willen aufnimmt und damit die der Auswahl zugrunde liegenden Erwägungen der obersten Bundesbehörde zum Inhalt der von ihm zu treffenden statusrechtlichen Entscheidung macht (vgl. ausführlich zum Ernennungsverfahren in diesen Fällen und zu dem Prüfungsrecht des Bundespräsidenten: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.08.1996 - 4 S 1929/96 -. ESVGH 47, 6). Sie soll unterlegenen Bewerbern Gelegenheit geben, vorbeugend gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, um die Ernennung zu verhindern. Ein Bewerber, der davon Gebrauch macht, verfolgt einen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf vorbeugende Unterlassung der Ernennung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2011 - 2 B 106/11 -, juris Rn 13). Er muss ferner diesen Anspruch durch vorläufigen Rechtsschutz wirksam sichern können. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert eine effektive gerichtliche Kontrolle. Einstweiliger Rechtsschutz ist deswegen unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs zu gewähren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - 2 VR 5/12 -, juris Rn 22).
2. Hierbei sind nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung im wesentlichen folgende Grundsätze zu beachten (vgl. unter Zusammenfassung ihrer bisherigen Rechtsprechung etwa: BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - 2 VR 5/12 -, juris Rn 22 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.06.2012 - 4 S 472/12 -, VBlBW 2012, 423):
2.1 Ein abgelehnter Bewerber, der geltend macht, sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint. Dieser Prüfungsmaßstab ist - wie im Hauptsacheverfahren - auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzulegen, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung ebenfalls nicht strenger sein dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002 - 2 BvR 857/02 -, DVBl. 2002, 1633; BVerwG, Beschluss vom 20.01.2004 - 2 VR 3.03 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 23 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 12.04.2005 - 4 S 439/05 -, NVwZ-RR 2005, 585, vom 21.12.2006 - 4 S 2206/06 -, vom 04.07.2008 - 4 S 2834/07 -, und vom 20.01.2011 - 4 S 2660/10 -, VBlBW 2011, 306).
2.2 Der Dienstherr ist an den Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wenn er ein Amt im statusrechtlichen Sinne nicht durch Umsetzung oder eine den Status nicht berührende Versetzung, sondern durch Beförderung des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will. Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Richter oder Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos; er enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Leistungsgrundsatzes relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Richtern oder Beamten um das höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (BVerwG, Urteile vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 -, BVerwGE 122, 147, vom 25.11.2004 - 2 C 17.03 -, BVerwGE 122, 237, vom 17.08.2005 - 2 C 37.04 -, BVerwGE 124, 99, vom 11.02.2009 - 2 A 7.06 -, Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44, und vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, BVerwGE 138, 102).
2.3 Art. 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Fachliches Niveau und rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zudem vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber um das Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch), wobei der Dienstherr an das gegebenenfalls von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden ist, mit welchem er die Kriterien für die Auswahl der Bewerber im Voraus festlegt (BVerwG, Urteile vom 16.08.2001 - 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58, vom 04.11.2010, a.a.O., und vom 26.01.2012 - 2 A 7.09 -, a.a.O. Rn 17; Beschluss vom 25.10.2011 - 2 VR 4.11 -, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50).
2.4 Als Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl wird der Bewerbungsverfahrensanspruch auch erfüllt, wenn der Dienstherr die Bewerbung ablehnt, weil er in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG einen anderen Bewerber für am besten geeignet hält. Nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen der dem Dienstherrn durch Art. 33 Abs. 2 GG eröffnete Beurteilungsspielraum für die Gewichtung der Leistungskriterien auf Null reduziert ist, d.h. ein Bewerber eindeutig am besten geeignet ist, gibt Art. 33 Abs. 2 GG diesem Bewerber einen Anspruch auf Erfolg im Auswahlverfahren. Dessen Bewerbungsverfahrensanspruch erstarkt zum Anspruch auf Vergabe des höheren Amtes (BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a.a.O.).
2.5 Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist regelmäßig anhand aktueller und aussagekräftiger, d.h. hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen, die mit ihren auf das jeweils innegehabte Amt bezogenen Bewertungen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vor allem dem Vergleich zwischen den für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens oder für die Verleihung eines Beförderungsamts in Betracht kommenden Richtern oder Beamten dienen (BVerwG, Urteile vom 21.08.2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370, und vom 26.01.2012, a.a.O.; Beschluss vom 22.11.2012, a.a.O., auch zu Bedeutung und Reichweite von Anlassbeurteilungen; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2010 - 4 S 2455/09 -, jeweils m.w.N.). Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Ergibt sich danach kein Ansatzpunkt für einen Qualifikationsunterschied von Bewerbern, ist der Dienstherr verpflichtet, die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der im Gesamturteil gleich bewerteten Bewerber inhaltlich auszuschöpfen, d.h. der Frage nachzugehen, ob sich aus den jeweiligen Einzelfeststellungen Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung bzw. für eine ggf. unterschiedliche Prognose in Richtung auf den Grad der Eignung für das Beförderungsamt, also für die künftige Bewährung in diesem Amt gewinnen lassen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.06.2011 - 4 S 1075/11 -, NVwZ-RR 2012, 73; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.05.2012 - 1 B 214/12 -, Juris). Soweit auch danach nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im Wesentlichen ein Qualifikationsgleichstand vorliegen sollte, sind als weitere unmittelbar leistungsbezogene Erkenntnisquellen zunächst frühere dienstliche Beurteilungen in den Blick zu nehmen. Auch hierbei handelt es sich um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig sind (BVerwG, Urteil vom 21.08.2003, a.a.O.). Frühere dienstliche Beurteilungen sind zwar nicht im Hinblick auf die (überholte) Feststellung eines in der Vergangenheit gegebenen Leistungsstands von Bedeutung; sie ermöglichen es aber, mit Blick auf den aktuellen Leistungsvergleich etwa die Leistungsentwicklung zu betrachten und die Kontinuität des Leistungsbilds der Bewerber einzuschätzen oder Rückschlüsse auf den aktuellen Leistungsstand und dessen künftige Entwicklung zu ziehen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten (BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, NVwZ 2003, 1398, vom 27.02.2003 - 2 C 16.02 -, NVwZ 2003, 1397 und Beschlüsse vom 25.03.2010 - 1 WB 27.09 -, Buchholz 449 § 3 SG Nr. 55, und vom 18.10.2007 - 1 WB 6.07 -, Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 9 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.04.2011 - 4 S 353/11 -, Juris, und Beschluss vom 21.06.2011, a.a.O.). Erst wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und die Bewerber im Wesentlichen gleich einzustufen sind, können Hilfskriterien wie die bisher ausgeübte Dienstaufgabe sowie das Dienst- und Lebensalter herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 -, BVerwGE 122, 147; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2003 - 4 S 2224/01 -, IÖD 2003, 172, und Beschluss vom 21.06.2011, a.a.O.).
10 
2.6 Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, welche Bedeutung er den einzelnen (leistungsbezogenen) Gesichtspunkten für das abschließende Gesamturteil und für die Auswahl zwischen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimisst, kann als Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs gerichtlich nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt hat, ob er einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 05.09.2007 - 2 BvR 1855/07 -, NVwZ-RR 2008, 433, und vom 11.05.2011 - 2 BvR 764/11 -, NVwZ 2011, 1191; BVerwG, Urteile vom 16.08.2001 und vom 04.11.2010, jeweils a.a.O.; Urteil vom 30.06.2011 - 2 C 19.10 -, BVerwGE 140, 83).
11 
3. Diesen Anforderungen wird das Auswahlverfahren der Antragsgegnerin nicht gerecht. Fehler im Verfahrensablauf zum Nachteil des Antragstellers sind zwar weder vorgetragen noch ersichtlich (3.1). Inhaltlich hält die Auswahlentscheidung aber nach der auch im vorliegenden Eilverfahren gebotenen vertiefenden Überprüfung einer Nachprüfung nicht stand, da sie auf Grundlage einer rechtsfehlerhaften dienstlichen Beurteilung erfolgt ist (3.2) und sich die Entscheidung auch nicht aus den anderen, von der Antragsgegnerin hilfsweise angeführten Gründen als rechtmäßig erweist (3.3).
12 
3.1 Zuständig für die Ernennung eines Richters zum Vorsitzenden Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes ist nach Art. 60 Abs. 1 GG, § 46 DRiG, § 10 Abs. 1 BBG (entsprechend) der Bundespräsident, der diese Befugnis nach seiner Anordnung über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Richter im Bundesdienst vom 23.06.2004 (BGBl. I S. 1286) auch nicht anderen Stellen insgesamt übertragen hat. Gemäß Art. 1 Abs. 2 dieser Anordnung sind dem Bundespräsidenten in solchen Fällen Vorschläge von den zuständigen obersten Bundesbehörden einzureichen. Einzelheiten hierüber sind in den Durchführungsbestimmungen des Bundesministers des Innern zur Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Richter im Bundesdienst vom 25.09.1969 (GMBl. S. 434, m.sp.Änd.) enthalten. Nach § 4 Abs. 1 dieser Durchführungsbestimmungen legen die obersten Bundesbehörden ihre Vorschläge dem Bundespräsidenten nach den Mustern der Anlage 2 ohne weiteres Anschreiben vor; die Personalakten sind auf Anfordern nachzureichen. Die erforderlichen Urkunden werden von den obersten Bundesbehörden bis auf das Datum vorbereitet. Sie sind durch den zuständigen Bundesminister, im Falle seiner Verhinderung durch den ihn vertretenden Bundesminister, mit dem Namen ohne weitere Zusätze gegenzuzeichnen. Dies ist erfolgt. Der Präsidialrat des Bundesgerichtshofs hat eine Stellungnahme i.S.d. § 57 DRiG abgegeben. Eine Beteiligung des Richterwahlausschusses nach Art. 95 Abs. 2 GG, § 125 Abs. 1 GVG in Verb. mit den Bestimmungen des Richterwahlgesetzes vom 25.08.1950 (BGBl. I. S. 368) war ebenso wie wohl die erfolgte, aber unschädliche Herbeiführung eines dem Vorschlag der Bundesjustizministerin zustimmenden Kabinettsbeschlusses nicht erforderlich (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.08.1996 - 4 S 1929/96 -, a.a.O.). Ob die (lediglich interne) Ausschreibung des Amtes mit dem Schreiben des Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2012 - etwa auch mit ihrer Wendung nur an Richter und Richterinnen, die das 62. Lebensjahr noch nicht überschritten haben - den hieran zu stellenden Anforderungen entspricht, kann dahinstehen, da der Antragsteller am Auswahlverfahren beteiligt worden ist.
13 
3.2. Ausweislich des sich in den Besetzungsakten befindlichen Auswahlvermerks des Bundesministeriums der Justiz vom 19.07.2012 (zur Dokumentationspflicht für die wesentlichen Auswahlerwägungen vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178) werden nach der vorbereitenden Besetzungspraxis des Bundesministeriums der Justiz im Rahmen des Anforderungsprofils für den Dienstposten eines Vorsitzenden Richters/einer Vorsitzenden Richterin berücksichtigt:
14 
- Juristische Fachqualifikation,
- Breite der juristischen Kenntnisse in fachlich damit zusammenhängenden Gebieten einschließlich der Fähigkeit auch zur wissenschaftlichen Durchdringung von Rechtsproblemen,
- Zusammenarbeit im Senat und innerhalb des Gerichts unter besonderer Berücksichtigung von Führungsqualifikationen und Akzeptanz,
- Qualität der richterlichen Arbeit,
- Belastbarkeit, einschließlich Arbeitsmenge.
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Bei den obersten Bundesgerichten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und dem Bundespatentgericht bestehe jedoch aufgrund der teilweise sehr hohen Spezialisierung der einzelnen Senate die langjährige Praxis, eine Person für einen bestimmten Spruchkörper vorzuschlagen und dementsprechend ein „spezielles Anforderungsprofil“ für diese Vorsitzendenstelle zugrunde zu legen. Dies sei rechtlich dann möglich, wenn konkret absehbar sei, dass das Präsidium keine Umsetzung vornehmen, sondern die zu benennende Person tatsächlich diesem Spruchkörper zuweisen werde. Die Gerichtspräsident(inn)en teilten demgemäß in ihrem Besetzungsbericht immer mit, welche Entscheidung das – von ihnen vorher konsultierte - Präsidium treffen werde. In diesem Zusammenhang habe der Präsident des Bundesgerichtshofs mitgeteilt, dass der/dem neu zu ernennenden Vorsitzenden voraussichtlich wiederum der Vorsitz im 4. Strafsenat übertragen werde. Eine Besetzung aus dem Kreis der Vorsitzenden anderer Senate sei nicht in Aussicht genommen. Bei der Besetzungsentscheidung sei zunächst auf die allgemeine Qualifikation für das Amt eines Vorsitzenden Richters/einer Vorsitzenden Richterin abzustellen. Ob die Bewerber/innen daneben auch das spezielle Anforderungsprofil für einen bestimmten zu besetzenden Senat erfüllten, spiele nach der Entscheidungspraxis des Bundesministeriums der Justiz dann eine Rolle, wenn Bewerber/innen aufgrund der dienstlichen Beurteilungen gleich bewertet seien oder gegebenenfalls auch, wenn einem Bewerber/einer Bewerberin spezifisch erforderliche Fachkenntnisse fehlten.
16 
Ausgehend hiervon beruht die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen auf zwei tragenden Erwägungssäulen. Zum einen wird darauf abgestellt, dass ausweislich der aktuell eingeholten dienstlichen Beurteilungen die Beigeladene mit der für ihre persönliche und fachliche Eignung für das Amt einer Vorsitzenden Richterin erhaltenen Bewertungsstufe „besonders geeignet“ im Vergleich zu dem Antragsteller und den anderen Bewerbern die allgemein an eine Vorsitzende Richterin/einen Vorsitzenden Richter zu stellenden Anforderungen am besten erfülle. Zum anderen würde selbst ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren des Antragstellers gegen seine dienstliche Beurteilung mit der Folge der Anhebung der Bewertungsstufe auf „besonders geeignet“ an dieser Einschätzung nichts ändern. Auch in diesem Fall wäre der Beigeladenen aus fachlichen Gründen der Vorzug vor dem Antragsteller zu geben. Sie sei fast sieben Jahre lang Mitglied im 4. Strafsenat gewesen, sodass ihr die Spezialmaterien des Senats, namentlich Revisionen in Verkehrsstrafsachen sowie Entscheidungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen noch geläufig seien. Dieser Umstand lasse eine nahtlose Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats erwarten. Außerdem wäre die Beigeladene wegen der Unterrepräsentanz von Frauen unter den Vorsitzenden beim BGH nach § 8 BGleiG bevorzugt zu berücksichtigen. Diese Erwägungen tragen eine fehlerfreie Auswahlentscheidung nicht.
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3.2.1 Die dem vorliegenden Auswahlverfahren zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 31.05.2012, die an die dienstliche Beurteilung vom 10.01.2012 maßgeblich anknüpft und die deshalb nicht losgelöst von dieser betrachtet werden kann, bildet keine taugliche Auswahlgrundlage, da sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand an rechtserheblichen Fehlern leidet.
18 
Im vorliegenden Besetzungsverfahren bezieht die Anlassbeurteilung vom 31.05.2012 die Zeit nach dem 25.02.2011 in ihren Beurteilungszeitraum ein und knüpft im Übrigen an die Erwägungen der dienstlichen (Anlass-)Beurteilung vom 10.01.2012 an, die sie in ihre Begründung aufnimmt. Zwar geht die dienstliche Beurteilung vom 10.01.2012, wie im Widerspruchsbescheid vom 04.05.2012 ausdrücklich hervorgehoben wird, von einem Beurteilungszeitraum nur bis zum 25.02.2011 aus, was schon für sich genommen für die Zwecke des dortigen Besetzungsverfahrens fehlerhaft, weil zu verkürzt gewesen sein dürfte (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16/09 -, a.a.O.). Gleichwohl schafft die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 31.05.2012 im vorliegenden Besetzungsverfahren zusammen mit den übernommenen Erwägungen der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 einen nahtlosen Übergang zu der davor liegenden Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 16.03.2010.
19 
Sie bleibt aber in der Aussage zum getroffenen Gesamturteil,
20 
„Insgesamt halte ich …. für das Amt eines Vorsitzenden am Bundesgerichtshof aber nach wie vor für (noch) sehr gut geeignet.“,
21 
zu unbestimmt und letztlich widersprüchlich. Entsprechend ihrer Zweckbestimmung, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen zu sein, müssen dienstliche Beurteilungen Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten oder Richters hinreichend bestimmt bewerten. Der beurteilte Beamte oder Richter muss nachvollziehen können, welchen Stellenwert der Dienstherr seiner beruflichen Leistung im Vergleich zu den Leistungen anderer vergleichbarer und beurteilter Beamter zumisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 2 A 7/07 -, Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 2). Dies erfordert im Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung eine exakte Beschreibung des gewonnenen Ergebnisses. Hierzu hat sich als Praxis für die Beurteilung der Richter des Bundesgerichtshofs aus Anlass der Bewerbung um ein Beförderungsamt die mögliche Vergabe von vier Bewertungsstufen, u.a. der zweithöchsten Bewertungsstufe „sehr gut geeignet“ und der höchsten Bewertungsstufe „besonders geeignet“ herausgebildet. Dies schließt nicht aus, und es ist für eine bessere Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen sogar sinnvoll, dass in der dienstlichen Beurteilung wertend, aber auch insoweit hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, in welchem Bereich der Bewertungsstufe sich das Gesamturteil bewegt, also etwa in dem Sinne, ob die Bewertungsstufe nur knapp erreicht wurde oder ob ihr Überschreiten demnächst zu erwarten ist. Diese sich daraus ergebenden Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit sind nicht erfüllt. Im Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012, wie es in Form des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2012 beschrieben ist, wurde dem Antragsteller unter Abweichung nach unten von dem Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung vom 16.03.2010 („besonders geeignet“) ein uneingeschränktes „sehr gut geeignet“ bescheinigt. An dieses Gesamturteil will die dienstliche Beurteilung vom 31.05.2012 einerseits zwar anknüpfen („nach wie vor“), andererseits bleibt der nunmehr gewählte Zusatz „(noch)“ in mehrfacher Hinsicht unklar. Soll er zum Ausdruck bringen, dass bereits das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 sich im untersten Bereich von „sehr gut geeignet“ bewegte, so wäre dies nach Vorstehendem nicht nachvollziehbar. Soll er hingegen zum Ausdruck bringen, dass das neue Gesamturteil nunmehr dort angesiedelt werde, also inhaltlich eine weitere Herabstufung erfolgen solle, so stünde dies im unauflösbaren Widerspruch zur voran stehenden Formulierung „nach wie vor“. Bereits dieser Mangel dürfte zu einem Erfolg der Klage des Antragstellers im Verfahren 1 K 2228/12 führen.
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Abgesehen davon dürften beide (Anlass-)Beurteilungen trotz der gerichtlichen Hinweise im Beschluss vom 24.10.2011 (Az.: 4 K 2146/11) an erheblichen Defiziten in der Sachverhaltsermittlung und -darlegung sowie daraus folgend auch ihrer Nachvollziehbarkeit leiden.
23 
Anlassbeurteilungen, die einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilungen abbilden, dürfen die grundsätzlich für eine Bewerberauswahl maßgebenden Regelbeurteilungen (§ 46 DRiG in Verb. mit § 21 Satz 1 BBG, §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 48 BLV entsprechend) lediglich fortentwickeln. Der Befugnis des Dienstherrn, Beförderungen auf der Grundlage von Anlassbeurteilungen vorzunehmen, wenn Regelbeurteilungen nicht mehr hinreichend aktuell sind, korrespondiert seine Verpflichtung, Anlassbeurteilungen lediglich in einem die Regelbeurteilung fortentwickelnden Sinne zu erstellen. Das bedeutet, dass Ausgangspunkt der Anlassbeurteilung die in der vorherigen Regelbeurteilung enthaltenen Feststellungen und Bewertungen zu Eignung, Leistung und Befähigung sind und die Anlassbeurteilung ihren Schwerpunkt darin hat aufzuzeigen, inwieweit bei einzelnen Feststellungen und Bewertungen Veränderungen zu verzeichnen sind. Dieser Maßstab muss in der Anlassbeurteilung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Je kürzer der Beurteilungszeitraum zwischen Regel- und Anlassbeurteilung ist und je größer der Unterschied zur Regelbeurteilung in den Bewertungen - sei es bei Leistungssteigerungen oder beim Leistungsabfall - ausfällt, desto bedeutsamer ist das Begründungserfordernis bei Abweichungen der Anlassbeurteilung von der Regelbeurteilung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - 2 VR 5/12 -, juris Rn 30). Diese Grundsätze dürften entsprechend auch für das Verhältnis von Anlassbeurteilungen untereinander Anwendung finden, wenn - wie hier - eine regelmäßige Beurteilung nicht stattfindet.
24 
Kann - wie hier - der Beurteiler die Leistungsbewertung nicht für den vollständigen Beurteilungszeitraum auf seine eigene Anschauung stützen, so hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für seine Bewertung zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen. Der Beurteiler darf von der Heranziehung dieser Erkenntnisquellen nicht deshalb absehen, weil er sich trotz fehlender eigener Anschauung zutraut, den Beamten zutreffend einzuschätzen. Zwar ist der Beurteiler an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht gebunden, sondern kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht. Abweichungen müssen nachvollziehbar begründet werden. Auch Werturteile müssen auf nachvollziehbaren Feststellungen gegründet sein, die relevante Sachverhaltskomplexe oder Zeiträume nicht einfach ausblenden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.2012 - 2 A 2/10 -, IÖD 2013, 2, mit weiteren Nachweisen aus seiner Rechtsprechung).
25 
Ausschlaggebender Grund, das Gesamturteil der Anlassbeurteilung vom 10.01.2012 und dem folgend der hier maßgebenden Anlassbeurteilung vom 31.05.2012 von „besonders geeignet“ wie noch in den vorangegangenen Anlassbeurteilungen vom 16.03.2010 und vom 15.02.2008 auf „sehr gut geeignet“ herabzustufen bzw. das herabgestufte Gesamturteil beizubehalten, war ausweislich der hierfür in der Beurteilung vom 10.01.2012 gegebenen Begründung des beurteilenden Präsidenten des Bundesgerichtshofs allein seine geänderte Einschätzung der für eine erfolgreiche Wahrnehmung des Vorsitzendenamtes erforderlichen persönlichen Eigenschaften des Antragstellers, insbesondere mit Blick auf dessen soziale Kompetenz für einen Senatsvorsitz. So ist neben anderem etwa zusammenfassend ausgeführt: „Der Antragsteller, mit dem über Rechtsfragen zu diskutieren - auch streitig zu diskutieren - wegen seiner profunden Kenntnisse des Rechts und seiner intellektuellen Brillanz bereichernd sein kann, versteht es bedauerlicher Weise nicht in dem für die erfolgreiche Wahrnehmung des Vorsitzendenamtes erforderlichen Maße, dem Gegenüber klar zu machen, dass er ihn mit seiner abweichenden Sicht wirklich ernst nimmt. Er neigt dazu, andere seine intellektuelle Überlegenheit spüren zu lassen - etwa durch überheblich herablassende Äußerungen, durch eine unangebrachte Schärfe im Ton, durch unnötige spitze Anmerkungen, in Einzelfällen aber auch dadurch, dass er dem Gegenüber schlicht die Kompetenz abspricht. Kann er sich mit seiner Auffassung nicht durchsetzen, gelingt es ihm weniger als anderen, dies zu akzeptieren.“ Dies ergebe sich zu seiner Überzeugung aus der inzwischen mitgeteilten Sichtweise von Senatskollegen des Antragstellers und werde nach außen auch schon dadurch sichtbar und belegt, dass sich drei der früheren Mitglieder des Senats, wie sich ihm die Dinge seit dem Senatswechsel der dritten Kollegin darstellten, eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller - zumal als Vorsitzendem - nicht vorstellen hätten können und vom Präsidium auf ihren – maßgeblich oder jedenfalls auch hierauf beruhenden – Wunsch anderen Senaten zugewiesen worden seien. Diese Umstände seien ihm bei der Abfassung der dienstlichen Beurteilungen vom 15.02.2008 und 16.03.2010 nicht bekannt gewesen. Außer vagen Gerüchten hätten ihm - anders als heute - damals keine belastbaren eigenen Erkenntnisse vorgelegen, die ihm durchgreifende Zweifel an den Beurteilungsbeiträgen der Senatsvorsitzenden hätten begründen können. Der positiven Einschätzung der Senatsvorsitzenden in ihren Beurteilungsbeiträgen aus den Jahren 2008-2010, die das Verhalten des Antragstellers und sein Ansehen im Senat nicht zutreffend wiedergeben würden, könne er sich deshalb aus heutiger Sicht nicht mehr anschließen. Diese in der Anlassbeurteilung vom 31.05.2012 unverändert übernommene und gegenüber früheren Bewertungen erheblich geänderte Einschätzung persönlicher Charaktereigenschaften des Antragstellers ist auch durch die nunmehr hierfür gegebenen Begründungen nicht ausreichend nachvollziehbar gemacht.
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Bis zum 16.03.2010 wurde dem Antragsteller, der unstreitig alle übrigen Merkmale des nach der Besetzungspraxis insoweit lediglich beschreibenden Anforderungsprofils (vgl. zur Abgrenzung des konstitutiven vom beschreibenden Anforderungsprofil: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom Beschluss vom 07.12.2010 - 4 S 2057/10 -, VBlBW 2011, 193) in hervorragendem Maße erfüllt, in seinem Berufsleben durchgängig eine ausgeprägte und außergewöhnlich hohe soziale Kompetenz im kollegialen Umgang bescheinigt. So ist etwa schon in der dienstlichen Beurteilung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 20.10.1998 beispielhaft ausgeführt: „Professor Dr. F. ist eine selbstbewusste Persönlichkeit mit natürlicher Autorität. Neben seiner fachlichen Überlegenheit besticht er durch Bescheidenheit und Menschlichkeit. Dadurch gestaltet sich auch das Verhältnis zu weniger herausragenden Kollegen problemlos und freundlich. Aus seiner inneren Festigkeit heraus ist es für ihn eine Selbstverständlichkeit, sich ergebnisoffen jeder sachlichen Diskussion zu stellen, Gegenargumente aufzunehmen und mit großer geistiger Beweglichkeit zutreffend zu gewichten. Erforderlichenfalls ist er ohne Empfindlichkeit bereit, den eigenen Standpunkt zu korrigieren.“ Übereinstimmendes findet sich während der Tätigkeit des Antragstellers als Richter am Bundesgerichtshof durchgängig in den von den jeweiligen Beurteilern ohne jeden Vorbehalt in dienstliche Beurteilungen aus Anlass von Bewerbungen des Antragstellers um das Amt eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, zuletzt in die Anlassbeurteilung vom 16.03.2010, übernommenen Beurteilungsbeiträgen der damaligen Vorsitzenden des 2. Strafsenats. Diese hatte etwa in ihrem Beurteilungsbeitrag vom 04.01.2008, auf den sie in ihren Beurteilungsbeiträgen vom 12.02.2010 und vom 11.11.2010 vollinhaltlich verwiesen hat, ausgeführt: „Er genießt im Senat hohe Wertschätzung, und zwar nicht nur wegen seiner überragenden fachlichen Kompetenz, sondern auch wegen seiner Hilfsbereitschaft und seiner menschlichen Art im kollegialen Miteinander. In den Beratungen überzeugt er nicht nur durch wortgewandte und im höchsten Maße sachkundige Diskussionsbeiträge, sondern auch durch seine ausgeprägte Fähigkeit, zuhören zu können und auf die Argumente seines Gegenübers einzugehen.“ Diese Einschätzung hat sie in ihrem Schreiben an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom 14.12.2010 nochmals ausdrücklich bestätigt. Zu all diesen in den wesentlichen Aussagen übereinstimmenden wertenden Beschreibungen steht die jetzige Bewertung dieser Eigenschaften des Antragstellers in der dienstlichen Beurteilung vom 31.05.2012 in geradezu diametralem Gegensatz. Die für eine solche - zudem unter Abweichung von dem Beurteilungsbeitrag der Senatsvorsitzenden vom 11.10.2010 angenommene - Verschlechterung gegenüber den dienstlichen Beurteilungen vom 16.03.2010 und auch vom 15.02.2008 erforderliche eingehende und nachvollziehbare Begründung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - 2 VR 5/12 -, a.a.O. und Urteil vom 26.09.2012 - 2 A 2/10 -, a.a.O.) bleiben die dienstliche Beurteilung vom 10.01.2012 und ihr folgend vom 31.05.2012 nach jetziger Erkenntnislage jedoch schuldig.
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Nicht ausgeschlossen ist, dass derartige herausragende Befähigungen auch wieder in den Hintergrund treten oder ganz verloren gehen können, etwa dann, wenn durch dauernden persönlichen Erfolg und hohe fachliche Wertschätzung der eigenen Leistung die Neigung, sei es bewusst oder unbewusst, zunimmt, das Gewicht der eigenen Person zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Dies mag insbesondere auch der Fall sein können, wenn im kollegialen Umgang besondere persönliche Spannungen mit Kolleginnen und Kollegen bestehen, die diese naturgemäß anders wahrnehmen als hier der Antragsteller selbst oder auch seine Senatsvorsitzende, die mit der Zusammenarbeit des Antragstellers höchst zufrieden war. Um eine solche negative Entwicklung - und im vorliegenden Fall quasi aus heiterem Himmel - in einer dienstlichen Beurteilung entgegen früheren Einschätzungen annehmen zu können, bedarf es aber einer eingehenden Begründung unter Darlegung belastbarer Tatsachen. Der beurteilende Präsident des Bundesgerichtshofs gründet seine geänderte und in Abweichung von dem Beurteilungsbeitrag der damaligen Senatsvorsitzenden vorgenommene Einschätzung der Sozialkompetenz des Antragstellers in der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 im wesentlichen auf die unbestreitbare Tatsache, dass eine Senatskollegin und zwei Senatskollegen des Antragstellers den Senat verlassen haben, und im Übrigen - neben den Stellungnahmen des Antragstellers im Beurteilungsverfahren - auf neue Erkenntnisse, die er anlässlich eines Gesprächs mit der Senatskollegin im April/Mai 2010 zu ihrem Wechselwunsch sowie aus weiteren Sachverhaltsermittlungen, die er auf den Gerichtsbeschluss vom 24.10.2011 hin veranlasst habe, gewonnen habe. Die abweichende Einschätzung der damaligen Senatsvorsitzenden in ihren Beurteilungsbeiträgen und die gegenläufigen aktuellen Erklärungen anderer Kollegen habe er bei der Gesamtabwägung berücksichtigt. Die Ermittlungen seien durch weitere (vertrauliche) Gespräche und die Einholung von zum Teil schriftlichen Auskünften bei den aus dem Senat ausgeschiedenen und den beiden älteren im Senat verbliebenen Mitgliedern sowie weiteren namentlich nicht benannten Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers erfolgt. Der genaue Inhalt der erhaltenen mündlichen oder schriftlichen Auskünfte und ihr jeweiliger Urheber, also der weiteren Beurteilungsbeiträge, ist trotz der Aufbewahrung der Unterlagen aber weder in der dienstlichen Beurteilung noch als sonstiger Bestandteil der Personalakte offen gelegt. Zur Unterstützung werden lediglich wenige, zum Teil viele Jahre zurückliegende konkrete Vorfälle genannt. Dies dürfte aber nach Vorstehendem ohne Offenlegung der erhaltenen Informationen, jedenfalls was ihre Tatsachengrundlagen und ihre Urheber betrifft, nicht ausreichend sein, um entgegen dem Beurteilungsbeitrag der Senatsvorsitzenden vom 11.11.2010 einen gegenüber der dienstlichen Beurteilung vom 16.03.2010 derart erheblichen Befähigungsabfall in nachvollziehbarer Weise zu begründen, zumal der eine ausgeschiedene Senatskollege im Wettbewerb um den stellvertretenden Senatsvorsitz dem Antragsteller im Jahr 2008 unterlegen war und der andere als potentieller Konkurrent des Antragstellers um das Amt eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, wie gerade das jetzige Besetzungsverfahren zeigt, anzusehen war. Dies schließt zwar ihre Beteiligung am Beurteilungsverfahren des Antragstellers nicht von vorneherein aus, erfordert aber eine besonders kritische Würdigung der von ihnen erhaltenen Informationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2007 - 2 C 7/06 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27). Solche Erwägungen sind in der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 04.05.2012 nicht angestellt. Ohne Kenntnis der konkret erhaltenen Informationen lässt sich seitens des Gerichts ebenso wenig feststellen, ob dies ausnahmsweise entbehrlich war, wie Umstände dazu, ob die insgesamt erhaltenen Informationen eine Abweichung von dem nach ständiger Beurteilungspraxis vorrangig einzuholenden und in erster Linie maßgebenden Beurteilungsbeitrag der Senatsvorsitzenden im Rahmen der Beurteilungsermächtigung des Beurteilers rechtfertigen können.
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Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Verfahren maßgeblich darauf ankommt, wie sich die soziale Kompetenz des Antragstellers im beschriebenen Sinne aufgrund neuerer Erkenntnisse während des aktuellen Beurteilungszeitraums darstellt. Hierzu verhält sich die dienstliche Beurteilung vom 31.05.2012, die die Einschätzungen der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 insoweit unbesehen übernimmt, nicht in ausreichendem Maße. So geht sie insbesondere nicht näher darauf ein, dass auch der inzwischen ebenfalls in den Ruhestand getretene neue Senatsvorsitzende dem Antragsteller in seinem Beurteilungsbeitrag vom 10.05.2012 - den sich der Beurteiler „zu eigen“ machte - u.a. attestiert hatte, er verfüge über ein profundes Wissen und ein ausgezeichnetes Argumentationsgeschick, verschließe sich aber in den Beratungen auch Gegenargumenten nicht, ohne dass von einem „überheblichen“ oder gar „aggressiven“ Verhalten des Antragstellers auch nur ansatzweise die Rede ist. Dies hätte vor Erstellung der dienstlichen Beurteilung vom 31.05.2012 unter Heranziehung oder ggf. Verschaffung weiterer Erkenntnisse zumindest eine kritische Hinterfragung der in der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 insoweit gewonnenen Einschätzung nahelegen müssen, insbesondere zumindest auch dazu, ob mit Blick auf unterschiedlich wahrgenommene Verhaltensweisen des Antragstellers eine Herabstufung um eine Bewertungsstufe gerechtfertigt gewesen ist und nicht vielmehr eine gewisse Differenzierung innerhalb der Bewertungsstufe „besonders geeignet“ ausreichend wäre. Dies ist nicht geschehen. So sind etwa die nach dem 25.02.2011, dem ausdrücklich erklärten Beginn des Beurteilungszeitraums der dienstlichen Beurteilung vom 31.05.2012, im Verfahren 4 K 2146/11 vorgelegten und in eine ähnliche Richtung gehenden Versicherungen an Eides Statt mehrerer Senatskolleginnen und -kollegen des Antragstellers von August/September 2011 zu der Zusammenarbeit mit ihm auch und gerade in Zeiten, in der er den Senatsvorsitz vertretungsweise wahrnahm (01.02.2011 bis 31.12.2011), in der dienstlichen Beurteilung vom 31.05.2012 ebenso wie in dem Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 nicht einmal mehr erwähnt, geschweige denn zusammen mit dem Beurteilungsbeitrag des Senatsvorsitzenden vom 10.05.2012 wertend berücksichtigt.
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3.2.2 Die dienstliche Beurteilung vom 31.05.2012 erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als offensichtlich rechtmäßig. Zwar werden dem Antragsteller darin weitere Umstände vorgehalten, durch die der beurteilende Präsident des Bundesgerichtshofs „seine Zweifel an der besonderen persönlichen Eignung des Antragstellers“ für das Amt eines Vorsitzenden „bestätigt“ sieht. Es ist jedoch ungeachtet der Richtigkeit und Berechtigung dieser Vorhaltungen offen, ob alleine sie zur Herabstufung einer im Übrigen nach wie vor als bestehend erachteten besonderen Eignung des Antragstellers für das angestrebte Amt führen würden. Daher bedarf es im vorliegenden Verfahren auch keiner Entscheidung, ob mit Blick auf die erheblichen Defizite schon in der Sachverhaltsermittlung vor Erstellung der durch die dienstliche Beurteilung vom 10.01.2012 ersetzten dienstlichen Beurteilung vom 08.12.2010 (vgl. dazu den Beschluss vom 24.10.2011 - 4 K 2146/11 -) und die Aufnahme umfangreicher, aber überflüssiger, weil ausdrücklich nicht berücksichtigter Erwägungen zu Lasten des Antragstellers in der dienstlichen Beurteilung vom 10.01.2012 Anhaltspunkte für eine tatsächliche Voreingenommenheit des beurteilenden Präsidenten des Bundesgerichtshofs bestehen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 23.04.1998 - 2 C 16/97 -, BVerwGE 106, 318 = IÖD 1999, 2; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.06.2012 - 4 S 472/12 -, a.a.O.).
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3.3 Spricht danach nach derzeitigem Erkenntnisstand vieles dafür, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 31.05.2012 im Verfahren 1 K 2228/12 keinen Bestand haben und eine Neubeurteilung erforderlich werden wird, ist auch der Ausgang des vorliegenden Besetzungsverfahrens als offen anzusehen. Zwar hat die Antragsgegnerin bei ihren Auswahlerwägungen in Rechnung gestellt, dass der (erstmals) im Gesamturteil ihrer dienstlichen Beurteilung vom 31.05.2012 ebenfalls mit „besonders geeignet“ beurteilten Beigeladenen auch dann der Vorzug zu geben sei, wenn der Antragsteller im Rechtsbehelfsverfahren letztlich ein Gesamturteil „besonders geeignet“, mithin einen Beurteilungsgleichstand erstreiten könnte. Sie hat hierbei auf – nicht vom allgemeinen Anforderungsprofil umfasste – umfangreichere Erfahrungen der Beigeladenen im Verkehrsstrafrecht sowie bei Entscheidungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen wegen ihrer langjährigen Tätigkeit im 4. Strafsenat und die Kriterien des § 8 BGleiG verwiesen. Sie hat dabei jedoch übersehen, dass vor einem Rückgriff auf solche Hilfskriterien erst frühere Beurteilungen zusätzlich zu der aktuellen dienstlichen Beurteilung heranzuziehen sind, die dann eine länger andauernde positive Leistungsentwicklung des Antragstellers nahe legen könnten. Darauf, ob die Beigeladene das so genannte „spezielle Anforderungsprofil“, das allenfalls im Sinne eines Hilfskriteriums bei Beurteilungsgleichstand in jeder Beziehung verstanden werden kann, besser erfüllt als der Antragsteller, kommt es danach nicht mehr an, abgesehen davon, dass das für eine Senatszuweisung allein zuständige und zum Zeitpunkt der Entscheidung aktuelle Präsidium des Bundesgerichtshofs dem im vorliegenden Besetzungsverfahren erfolgreichen Bewerber auch den Vorsitz des 2. Strafsenats übertragen könnte.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.