Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Apr. 2016 - 3 A 10151/16

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2016:0419.3A10151.16.0A
19.04.2016

Die Nichtigkeitsklage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Nichtigkeitsklageverfahrens.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen ein Urteil des 3. Senats – Senat für Landesdisziplinarsachen –, mit dem seine Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Zurückstufung in das Amt eines Oberregierungsrates zurückgewiesen worden ist.

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Dieses Urteil erging aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Dezember 2015 unter Mitwirkung von Richter am Oberverwaltungsgericht (ROVG) A. als Vorsitzender, ROVG Dr. B. und Richterin am Oberverwaltungsgericht (R’inOVG) Dr. C. als beisitzende Berufsrichter sowie Regierungsdirektor D. und Justizvollzugsinspektor E. als ehrenamtliche Richter. Der im Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts als Vorsitzender des 3. Senats ausgewiesene Präsident des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (PräsOVG) Dr. F., der zugleich Präsident des Verfassungsgerichtshofs ist, leitete die mündliche Verhandlung nicht, weil er an diesem Tag aufgrund einer Dienstreise nach München am Gerichtsort nicht anwesend war.

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Der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2015 geltende Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wies nach seiner Anschlusserklärung vom 13. April 2015 PräsOVG Dr. F. sowie – durch Präsidiumsbeschluss vom gleichen Tag – ROVG A. und ROVG Dr. B. als berufsrichterliche Mitglieder des 3. Senats aus. Für den Fall der Verhinderung eines der drei Senatsmitglieder sah der Geschäftsverteilungsplan zwei verschiedene Regelungen vor: Bei einer Verhinderung des Vorsitzenden war vom Präsidium des Oberverwaltungsgerichts ROVG A. als Vertreter des Vorsitzenden bestimmt. Da der 3. Senat am 3. Dezember 2015 nur mit drei Berufsrichtern besetzt war, hatte nach den weiteren Vertretungsregeln des Geschäftsverteilungsplanes des Oberverwaltungsgerichts in diesem Fall als weiteres berufsrichterliches Mitglied das dienstjüngste zum Richter am Oberverwaltungsgericht ernannte Mitglied des 10. Senats mitzuwirken. Dies war seit ihrer am 30. Oktober 2015 erfolgten Ernennung R’inOVG Dr. C.

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Gegen das ihm am 4. Januar 2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Februar 2016 Nichtigkeitsklage erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Senat über seine Berufung in einer falschen Besetzung entschieden und so seinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Entscheidung über die Disziplinarsache durch den gesetzlichen Richter verletzt habe. Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum die zum Beginn des Geschäftsjahres 2015 dem 3. Senat zugewiesenen Richter VizePräsOVG G., ROVG H. und ROVG I. ausgeschieden seien. Hier sei in unzulässiger Weise ein kompletter Senat ausgewechselt worden. Jedenfalls hätte der seit dem 1. Mai 2015 dem Senat vorsitzende PräsOVG Dr. F. die Berufungsverhandlung selbst leiten sowie über die Berufung mitberaten und entscheiden müssen. Dafür hätte dieser entweder einen anderen Termin bestimmen, seine Dienstreise verschieben oder das auswärtige Dienstgeschäft ausfallen lassen müssen. Es sei darüber hinaus auch nicht nachgewiesen, dass überhaupt eine Dienstreise vorgelegen habe. Offensichtlich sei der Termin auch in Kenntnis der Abwesenheit des Senatsvorsitzenden festgelegt worden. Schließlich hätte der Verhinderungsfall, wenn er überhaupt vorgelegen habe, schriftlich festgestellt werden müssen.

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Der Beklagte beantragt,

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1. das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Dezember 2015 ergangene Urteil (3 A 10363/15.OVG) aufzuheben und das Verfahren wieder aufzunehmen

sowie

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2. das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. Februar 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

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Er hält die Nichtigkeitsklage schon für unzulässig, da seiner Auffassung nach kein gesetzlicher Wiederaufnahmegrund vorliege.

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Im Verlauf des Nichtigkeitsklageverfahrens haben PräsOVG Dr. F. und ROVG A. dienstliche Erklärungen zu den näheren Umständen der Terminierung der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2015 abgegeben. In seiner Erklärung vom 19. Februar 2016 führt PräsOVG Dr. F. unter anderem aus, dass er sich am Sitzungstag auf einer Dienstreise befunden und die von seinem Vertreter ROVG A. verfügte Ladung am 19. Oktober 2015 – auch als Feststellung seiner Verhinderung – abgezeichnet habe. In seiner dienstlichen Erklärung vom 19. Februar 2016 weist ROVG A. darauf hin, dass es vor der am 14. Oktober 2015 verfügten Ladung insgesamt drei vergebliche Versuche einer Terminvereinbarung mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegeben habe, bevor der Termin am 3. Dezember 2015 vereinbart werden konnte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2016 gemacht wurden.

Entscheidungsgründe

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Die Nichtigkeitsklage hat keinen Erfolg.

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Das mit dem Urteil des Senats vom 3. Dezember 2015 rechtskräftig abgeschlossene Berufungsverfahren ist nicht wieder aufzunehmen. Die hierauf gerichtete Nichtigkeitsklage ist zwar zulässig (I.), jedoch nicht begründet (II.). Der Klageantrag zu 2. ist bereits unzulässig (III.).

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I. Die vom Beklagten ausdrücklich als Nichtigkeitsklage gemäß § 21 Landesdisziplinargesetz - LDG - i.V.m. § 173 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und § 579 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - erhobene Klage gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Dezember 2015 ergangene Urteil des Senats ist zulässig.

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1. Gegen verwaltungsgerichtliche Urteile ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Nichtigkeitsklage statthaft, wenn der durch eine für ihn ungünstige Entscheidung beschwerte Beteiligte schlüssig geltend macht, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei und kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung gegeben ist (§ 579 Abs. 2 ZPO). Dazu genügt es, wenn die vorgetragenen Tatsachen geeignet erscheinen, die Verletzung einer Vorschrift über die Besetzung des Gerichts darzutun (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1994 - X ZR 51/92 -, NJW 1995, 332). Das ist hier der Fall, weil der Beklagte jedenfalls die Möglichkeit einer fehlerhaften Besetzung des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts am 3. Dezember 2015 hinreichend schlüssig dargetan hat.

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Dem steht die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 18. Februar 2016 angeführte landesrechtliche Regelung des § 92 LDG nicht entgegen. Die dort aufgeführten Wiederaufnahmegründe, die eine Wiederaufnahme wegen fehlerhafter Besetzung eines verwaltungsgerichtlichen Disziplinarspruchkörpers nur unter engen Voraussetzungen zulassen, sind nicht abschließend. Wegen des verfassungsrechtlichen Vorrangs bundesrechtlicher Normen vor dem Landesrecht (vgl. Art. 31 Grundgesetz - GG -) sind die nach § 21 LDG, § 173 VwGO ergänzend anwendbaren zivilprozessualen Vorgaben von § 579 ZPO als zusätzliche Wiederaufnahmegründe heranziehbar (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 2 A 2.08 -, Buchholz 235.1 § 71 BDG Nr. 1).

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2. Die Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO wurde eingehalten. Zwar wussten der Beklagte und sein Bevollmächtigter am 3. Dezember 2015 bereits zu Beginn der Sitzung, dass der Vorsitzende des 3. Senats die Sitzung wegen dienstlicher Verhinderung nicht leiten konnte. Der Beklagte und seine Bevollmächtigten wurden nämlich schon zu Beginn der mündlichen Verhandlung über das Vorliegen des Vertretungsfalls informiert und ihnen die Besetzung des Gerichts mit den Namen der am Sitzungstag beteiligten Richter durch den Aushang neben der Eingangstür des Sitzungssaales bekannt gegeben. Weder der Beklagte noch seine Bevollmächtigten haben die Verhandlung und Entscheidungsfindung unter Vorsitz von ROVG A. als Vertreter von PräsOVG Dr. F. während der Verhandlung gerügt. Erst nachdem seine Berufung durch das mit der Nichtigkeitsklage angefochtene Urteil zurückgewiesen worden war, hat der Beklagte die vorliegende Besetzungsrüge erhoben. Die Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO ist dennoch eingehalten, weil nach Satz 1 der genannten Vorschrift die Frist nicht vor Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt. Im vorliegenden Fall trat die Rechtskraft, da ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts in Disziplinarverfahren von Landesbeamten nicht gegeben ist (vgl. § 53 Satz 3 LDG), am Tag der Zustellung des Urteils, mithin am 4. Januar 2016, ein. Die am 1. Februar 2016 beim Gericht eingegangene Nichtigkeitsklage ist somit fristgerecht erhoben.

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3. Der Senat entscheidet im Wege der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 584 Abs. 1 ZPO über den Rechtsbehelf selbst.

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II. Die danach zulässige Nichtigkeitsklage ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte ist in seinem prozessualen Grundrecht auf Verhandlung und Entscheidung seiner Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 5. Februar 2015 durch die hierfür gesetzlich bestimmten Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt worden.

21

Die nach einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes seit dem 1. Mai 2015 gegebene Besetzung des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz verstößt nicht gegen einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Vorgaben (1.). Wegen der am Verhandlungstag gegebenen Verhinderung des Vorsitzenden PräsOVG Dr. F. durfte über die Berufung auch ohne seine Mitwirkung verhandelt und entschieden werden (2.). Der Verhinderungsfall musste des Weiteren nicht zuvor schriftlich festgestellt werden. Unabhängig davon wurde die Verhinderung des Vorsitzenden von diesem sowohl mündlich als auch – durch einen Sichtvermerk auf dem Ladungsformular – schriftlich dokumentiert (3.). Selbst wenn die Änderung der Geschäftsverteilung, der Eintritt des Vertretungsfalls oder seine Dokumentation als nicht zutreffend bzw. als nicht ausreichend anzusehen wären, so wären die Besetzung des Spruchkörpers sowie das konkrete Terminierungsverfahren jedenfalls nicht als willkürlich zu qualifizieren (4.).

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1. Entgegen der Auffassung des Beklagten verstößt die seit dem 1. Mai 2015 geltende Besetzung des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz mit PräsOVG Dr. F. als Vorsitzender sowie ROVG A. und ROVG Dr. B. als beisitzende Berufsrichter nicht gegen gerichtsverfassungsrechtliche Vorgaben. Ein Entzug des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat nicht stattgefunden.

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Welche der dem Oberverwaltungsgericht angehörenden Berufsrichter im 3. Senat für die Verhandlung und Entscheidung über disziplinarrechtliche Berufungsverfahren betreffend Landesbeamte zuständig und damit gesetzliche Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind, ergibt sich aus dem am Tag der Verhandlung geltenden Geschäftsverteilungsplan. Dieser wies nach seiner Anschlusserklärung vom 13. April 2015 PräsOVG Dr. F. sowie – durch Präsidiumsbeschluss vom gleichen Tag – ROVG A. und ROVG Dr. B. als berufsrichterliche Mitglieder des 3. Senats aus. Die Senatsbesetzung stimmt also mit dem seit dem 1. Mai 2015 (und damit auch am 3. Dezember 2015) gültigen Geschäftsverteilungsplan des Gerichts überein.

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Entgegen der Ansicht des Beklagten lag hierbei keine verfassungsrechtlich unzulässige „faktische Senatsverschiebung nach Rechtshängigkeit“ vor, die ihm – wie er unzutreffend annimmt – die für seine Berufung gesetzmäßig zuständigen Richter (gemeint sind VizePräsOVG G., ROVG H. und ROVG I.) entzogen hätte. Zwar gehörten zu Beginn des Geschäftsjahres 2015 diese drei Richter noch dem 3. Senat an. Sie schieden jedoch aus, nachdem sich PräsOVG Dr. F. diesem Senat angeschlossen hatte und das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts sodann an ihrer statt ROVG A. und ROVG Dr. B. dem 3. Senat zugewiesen hatte.

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Ein Entzug des gesetzlichen Richters ist hierin nicht zu sehen. Für die Änderung der Geschäftsverteilung gab es einen gerichtsverfassungsrechtlich zureichenden Anlass. Durch die Ernennung des damaligen Vorsitzenden des 6. Senats Dr. J. zum Präsidenten des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (ohne gleichzeitige Ernennung eines neuen Vorsitzenden Richters am Oberverwaltungsgericht) war Anfang April 2015 ein Senat ohne den nach § 21 f Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - zwingend erforderlichen Vorsitzenden besetzt. Für das Präsidium des Gerichts bestand deshalb die Notwendigkeit, für den bislang von VROVG Dr. J. geleiteten 6. Senat unmittelbar einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Möglich wurde dies, indem PräsOVG Dr. F. sich den bisher von VizePräsOVG G. geleiteten 3., 4. 5. und 11. Senaten anschloss (in denen, wie dem Beklagten nach seinen eigenen Ausführungen bekannt ist, nur sehr wenige Verfahren anhängig waren) und dieser dafür den Vorsitz des – wesentlich arbeitsintensiveren – 6. Senats übernahm.

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Dass diese, vom Präsidium des Oberverwaltungsgerichts kraft seiner originären Zuständigkeit in gerichtsverfassungsrechtlicher Unabhängigkeit getroffene Regelung unzulässig gewesen sein soll, wird vom Beklagten zwar behauptet, außer mit seinem (rechtlich nicht existierenden) Begriff der „faktischen Senatsverschiebung nach Rechtshängigkeit“ jedoch mit keinem einzigen Sachargument belegt. Der Beklagte übersieht bei seiner Rüge vielmehr, dass sich die gesetzliche Zulässigkeit der vorstehend beschriebenen Verfahrensweise in eindeutiger Weise schon aus dem geltenden Gerichtsverfassungsrecht ergibt.

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Nach der insofern allein maßgeblichen Norm des § 21 e Abs. 3 GVG ist eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans eines Gerichts während eines Geschäftsjahres nicht nur zulässig, sondern – sogar zwingend – erforderlich, wenn dies „infolge Wechsels einzelner Richter“ nötig wird. Die vom Beklagten mit seiner Nichtigkeitsklage aufgestellte Behauptung, trotz des Ausscheidens des früheren VROVG Dr. J. aus dem Gericht hätten der Präsident bzw. das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz den Geschäftsverteilungsplan gar nicht ändern dürfen und über seine Berufung nur VizePräsOVG G., ROVG H. und ROVG I. entscheiden dürfen, ist allein schon aus diesem Grund unrichtig.

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Das gilt auch, soweit der Beklagte meint, eine Änderung des Geschäftsverteilungsplanes habe nur erfolgen dürfen, wenn die Notwendigkeit der Änderung nicht schon im Dezember 2014 vorhersehbar gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 11. April 2016, S. 5). Dieser Argumentation folgend hätte das Präsidium – so der Beklagte – schon zum 1. Januar 2015 die seit dem 1. Mai 2015 geltenden Regelungen und Senatsbesetzungen vornehmen müssen. Abgesehen davon, dass im Dezember 2014 eine Ernennung von VROVG Dr. J. zum Präsidenten des Finanzgerichts keinesfalls „feststand“, wäre dieser Vorsitzende Richter in seinem bisherigen Gericht dann vom 1. Januar bis 30. April 2015 ohne einen eigenen Senat vorhanden gewesen.

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In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass dem Beklagten die Senatsbesetzung am Verhandlungstag mit ROVG A., ROVG Dr. B. und R’inOVG Dr. C. infolge des am Eingang des Sitzungsaales befindlichen Aushangs, in dem die vollständige Senatsbesetzung der Öffentlichkeit und so auch dem Beklagten offengelegt worden war, bekannt war. Er hat gleichwohl während der gesamten Verhandlung die Besetzung des Gerichts nicht gerügt. Erst nachdem ihm das für ihn ungünstige Berufungsurteil zugestellt worden war, erhob er die vorliegende Nichtigkeitsklage. Wie sein letzter Schriftsatz vom 11. April 2016 deutlich macht, geht es ihm auch insoweit allein um eine inhaltliche Korrektur der von ihm als unzutreffend empfundenen Disziplinarentscheidung.

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2. Der Senat war auch in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2015 ordnungsgemäß besetzt.

31

Nach § 60, § 54 Abs. 1 Satz 1 und 2 LDG i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO entscheidet der Senat für Landesdisziplinarsachen, wenn eine mündliche Verhandlung stattfindet, in der Besetzung mit drei Richtern und zwei Beamtenbeisitzern als ehrenamtliche Richter. Von den drei gemäß § 21 LDG, § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO in einem Senat eines Oberverwaltungsgerichts tätigen Berufsrichtern muss bei einer Verhandlung und Entscheidung ein Mitglied Vorsitzender Richter sein. Denn nach § 4 Satz 1 VwGO i. V. m. § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern der Oberverwaltungsgerichte der Präsident und die Vorsitzenden Richter. Ist der jeweilige Vorsitzende (bzw., wie hier, der Präsident) verhindert, so führt gemäß § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG an seiner Stelle das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Senats den Vorsitz. Da der 3. Senat des erkennenden Gerichts nicht überbesetzt war und ist, rückte in diesem Fall nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts als weiteres berufsrichterliches Mitglied das jeweils dienstjüngste zum Richter am OVG ernannte Mitglied des 10. Senats nach. Da der Vorsitzende des 3. Senats am Sitzungstag wegen einer ganztägigen Dienstreise an der Verhandlungsleitung verhindert war und das Präsidium ROVG A. als dessen Vertreter bestimmt hatte, führte dieser Richter den Vorsitz; zugleich rückte nach ihrer Ernennung R’inOVG Dr. C. als drittes berufsrichterliches Mitglied nach. Damit war der Senat bei der Verhandlung der Rechtssache und ihrer Entscheidung ordnungsgemäß besetzt.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten war PräsOVG Dr. F. am 3. Dezember 2015 an der Leitung der mündlichen Verhandlung als Vorsitzender des 3. Senats gehindert.

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Unter der Verhinderung eines Richters ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit zu verstehen, an der Hauptverhandlung oder einer sonstigen richterlichen Aufgabe mitzuwirken (BGH, Urteil vom 18. Februar 1966 - 4 StR 637/65 -, BGHSt 21, 40 [42]; Beschluss vom 5. April 1989 - 2 StR 39/89 -, juris). Zu unterscheiden ist dabei zwischen der ständigen und der nur vorübergehenden Vertretung. Nur bei einer vorübergehenden Verhinderung rückt der weitere dem Senat angehörende Richter nach, bei einer dauerhaften Verhinderung (d. h. voraussichtlich längere bzw. nicht absehbare Abwesenheit) muss das Präsidium einen Beschluss nach § 21 e Abs. 3 GVG fassen. Da ein solcher Präsidiumsbeschluss für eine dauerhafte Verhinderung des Senatsvorsitzenden nicht vorliegt und dieser auch nicht dauerhaft verhindert war oder ist, sind für den hier allein zu beurteilenden Fall der vorübergehenden Verhinderung eines Senatsvorsitzenden die nachfolgenden Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes entwickelt worden sind, heranzuziehen.

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Nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG führt bei vorübergehender Verhinderung des Vorsitzenden eines Senats sein Vertreter den Vorsitz. Eine solche Regelung und die Auffassung, dass unter einer Verhinderung jede vorübergehende tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, den Vorsitz zu führen, zu verstehen ist, verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 30. März 1965 - 2 BvR 341/60 -, BVerfGE 18, 423 [427]).

35

Ein Verhinderungsgrund in diesem Sinne ist auch die gleichzeitige Befassung des Richters mit mehreren Aufgaben. Für das Vorliegen einer Verhinderung macht es keinen Unterschied, ob die im Einzelfall auftretende „Überbeanspruchung“ des Vorsitzenden durch die Häufung verschiedener Aufgaben allein der Rechtsprechung, sei es in demselben, sei es in mehreren (vgl. § 21 e Abs. 1 Satz 4 GVG) Spruchkörpern, oder durch das Zusammentreffen von Rechtsprechungsaufgaben mit anderen dem Richter übertragenen Obliegenheiten verursacht wird. In der Regel hat auch keines der zusammentreffenden Geschäfte einen in sich selbst begründeten, unbedingten Vorrang (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1962
- 1 StR 425/62 -, BGHSt 18, 162 [164]). Die durch eine zeitgleich auftretende Mehrfachbelastung verursachte Verhinderung eines Richters, eine bestimmte dienstliche Aufgabe zu bestimmter Zeit zu erfüllen, ergibt sich so aus der Feststellung, welches Dienstgeschäft vorrangig ist und welches der Richter nicht gleichzeitig erledigen kann (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1966 - 1 StR 282/66 -, BGHSt 21, 174 [175]).

36

Ein Fall der Verhinderung ist nach ständiger Rechtsprechung insbesondere gegeben, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende durch Krankheit oder Urlaub, aber auch durch eine anderweitige dienstliche Tätigkeit oder aus ähnlichen Gründen zeitweilig an der Wahrnehmung der Geschäfte als Vorsitzender gehindert ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 -, BGHZ 164, 87 [90]; BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20.01 -, Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 20; und vom 26. März 2003 - 4 B 19.03 -, Buchholz 300 § 21 f GVG Nr. 7).

37

So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts z. B. ein Vorsitzender, der zeitlich nicht in der Lage ist, sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten, an der Führung des Vorsitzes verhindert im Sinne von § 21 f Abs. 2 GVG. Solches gilt beispielsweise, wenn die mündliche Verhandlung am Tage der Wiederaufnahme des Dienstes nach mehrwöchiger Abwesenheit stattfindet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 1974 - VII CB 10.73 -, juris). Eine Verhinderung liegt aber auch dann vor, wenn der Vorsitzende an dem betreffenden Tag seinen Dienst gerade erst wieder aufgenommen hat und noch Urteile aus den vorhergehenden Sitzungen ausgestanden haben (BVerwG, Urteil vom 16. September 1980 - 1 C 55.77 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 28).

38

Dies muss erst recht für den hier vorliegenden Fall einer Dienstreise gelten. Hinzu kommt, dass der konkrete Termin wegen der vorherigen Verhinderung des Beklagten für die Zeit vom 6. bis 20. Oktober 2015 (vgl. Bl. 356 der Gerichtsakte - GA -) und der anderweitigen Inanspruchnahme seines Bevollmächtigten aufgrund einer von ihm am 15. September 2015 durchgeführten Referendar-Arbeitsgemeinschaft (vgl. Bl. 356 Rs. GA), seines eigenen Urlaubs (vom 17. September bis 2. Oktober 2015) und einer Terminkollision am 25. November 2015 letztlich auf den 3. Dezember 2015 festgelegt werden musste (vgl. Bl. 655 f. GA). Gerade in einem solchen Fall kann es nicht angehen, von einem Gerichtspräsidenten zu verlangen, eine bereits seit längerem feststehende Dienstreise abzusagen, um den – zuvor aus ausschließlich in der Sphäre des Beklagten liegenden Gründen bereits mehrfach aufgeschobenen – Termin einer mündlichen Verhandlung unter seinem Vorsitz durchzuführen.

39

Entgegen den diesbezüglichen Mutmaßungen des Beklagten ist es auch keinesfalls so, dass die Verhandlungen und sonstigen richterlichen Geschäfte in den von PräsOVG Dr. F. geleiteten Senaten regelmäßig ohne seine Mitwirkung durchgeführt werden. Nach den Ergebnissen der hierzu ausgewerteten und dem Beklagten mitgeteilten Erledigungsstatistiken des Gerichts hat PräsOVG Dr. F. in den Senaten, denen er sich als Vorsitzender angeschlossen hat, bei dem weit überwiegenden Teil der im Geschäftsjahr 2015 abgeschlossenen Hauptsacheverfahren den Vorsitz geführt (vgl. im Einzelnen die Auflistung auf Bl. 657 ff. GA). Die verbleibenden richterlichen Entscheidungen wurden stets von dem vom Präsidium bestimmten Vertreter geleitet. Dies geschah ausschließlich wegen Urlaub, dienstlich veranlasster Ortsabwesenheit (Dienstreisen) oder der – grundsätzlich als vorrangig anzusehenden – Aufgabenerfüllung als Präsident des Oberverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofes.

40

Der Vertretungsfall ist – wiederum entgegen dem Bestreiten des Beklagten – durch die dienstliche Erklärung von PräsOVG Dr. F. vom 19. April 2016 (Bl. 654 GA) nachgewiesen. In dieser hat er nämlich unzweideutig erklärt, dass er sich am Sitzungstag wegen einer ganztägigen Dienstreise nicht am Gerichtsort aufgehalten habe.

41

3. Dem Beklagten ist des Weiteren auch nicht in seiner Argumentation zu folgen, wonach der Vertretungsfall am 3. Dezember 2015 nicht anzuerkennen sei, weil er nicht zuvor schriftlich festgestellt worden sei. Abgesehen davon, dass die Ortsabwesenheit von PräsOVG Dr. F. wegen einer Dienstreise offenkundig ist (a) erfolgte jedenfalls eine mündliche Absprache, die insofern als Feststellung des Eintritts des Verhinderungsfalls ausreicht (b). Unabhängig hiervon wurde die Vertretung sogar nochmals schriftlich auf der Ladung dokumentiert (c).

42

a) Der Verhinderungsfall tritt eo ipso ein (und muss deshalb auch nicht eigens festgestellt werden), wenn der Vorsitzende offenkundig an der Wahrnehmung der ihm obliegenden Sitzungsleitung gehindert ist. Die Verhinderung und damit der Vertretungsfall sind offensichtlich, wenn nach außen in Erscheinung tretende klar objektivierbare Sachverhalte vorliegen, die eine vorübergehende Verhinderung ohne weiteres erkennen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist das insbesondere bei Krankheit, Urlaub, Dienstbefreiung, kurzfristiger Abordnung oder Unerreichbarkeit anzunehmen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 1987 - X ZB 22/86 -, juris). Auch wenn die gesonderte Feststellung einer auftretenden Verhinderung aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit in aller Regel vorzugswürdig sein mag, kann auf eine solche Feststellung verzichtet werden, wenn die Verhinderung aus tatsächlichen Gründen offensichtlich eingetreten ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. November 1979 - II ZR 31/79 -, DRiZ 1980, 147; und vom 9. September 1987 - 3 StR 233/87 -, BGHSt 35, 55 [56]; BVerwG, Urteile vom 21. November 1978 - 1 C 33.78 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 22 und vom 16. September 1980 - 1 C 55.77 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 28; Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013 § 21e GVG, Rn. 43; Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StPO, § 21 f GVG Rn. 7).

43

Zwar ist eine vorangehende Feststellung der Verhinderung durch das dafür zuständige Organ geboten, wenn diese Feststellung nach Ermessen getroffen werden muss. Einer solchen Entscheidung bedarf es auf der anderen Seite nicht, wenn der Vorsitzende offenkundig an der Wahrnehmung der ihm obliegenden Tätigkeit gehindert ist. Die Verhinderung und damit der Vertretungsfall sind offensichtlich, wenn nach außen in Erscheinung tretende klar objektivierbare Sachverhalte vorliegen, die eine vorübergehende Verhinderung ohne weiteres erkennen lassen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1983 - II ZR 43/82 -, juris, m. w. N.). Dies gilt insbesondere für Abwesenheiten wegen einer Dienstreise (so ausdrücklich zu diesem Verhinderungsgrund: BGH, Beschluss vom 5. April 1989 - 2 StR 39/89 -, juris).

44

Nach dieser Rechtsprechung ist sogar die dienstrechtlich in zulässiger Weise eingegangene Verpflichtung eines Richters, zu einer bestimmten Zeit eine wissenschaftliche Lehrveranstaltung durchzuführen, einer offenkundigen Unerreichbarkeit gleichzustellen. Dies gelte selbst dann, wenn hierfür Dienstbefreiung nicht ausdrücklich erteilt gewesen sein sollte. Demgemäß sei dann auch die dadurch eingetretene Verhinderung, die zur gleichen Zeit stattfindende mündliche Verhandlung zu leiten, als ein Fall anzusehen, in dem die Verhinderung im Sinne der ständigen Rechtsprechung „klar zu Tage“ liegt (BGH, Urteil vom 26. November 1979 - II ZR 31/79 -, DRiZ 1980, 147).

45

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf bei offenkundiger Verhinderung des Vorsitzenden der nach der Geschäftsverteilung zur Vertretung berufene Richter ohne Feststellung des Verhinderungsgrundes herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1978 - 1 C 33.78 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 22). Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte vorliegend der Eintritt des Vertretungsfalls keiner gesonderten Feststellung bedurft.

46

b) Ob hiervon ausgehend die Vertretung von PräsOVG Dr. F. durch ROVG A. am 3. Dezember 2015 wegen vorübergehender Verhinderung des Vorsitzenden offenkundig war oder nicht (mit der Folge der Notwendigkeit einer Feststellung derselben), kann im Übrigen aber auch dahinstehen. Sollte nämlich dennoch von einer Verpflichtung zur Dokumentation des Verhinderungsfalls auszugehen sein, so ist der Vertretungsfall jedenfalls durch die mündliche Absprache zwischen dem Vorsitzenden PräsOVG Dr. F. und seinem geschäftsplanmäßigen Vertreter festgestellt worden.

47

Nach der ständigen Rechtsprechung der Bundesgerichte und der herrschenden Auffassung in der prozessrechtlichen Kommentarliteratur ist das Vorliegen einer Vertretung selbst in den Fällen, in denen der Vertretungsfall nicht offenkundig ist, nicht notwendig schriftlich zu dokumentieren. Entgegen der Auffassung des Beklagten musste der Vertretungsfall deshalb hier nicht urkundlich in den Akten festgehalten werden. Die Feststellung bedarf vielmehr nach den Prozessordnungen nicht der Schriftform und kann deshalb rechtlich ausreichend auch in anderer Weise, sogar nur schlüssig getroffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1966 - 1 StR 282/66 -, BGHSt 21, 174 [179 f.]; Urteil vom 31. Januar 1983 - II ZR 43/82 -, DRiZ 1983, 234; Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88 -, BGHSt 35, 366 [372]; Beschluss vom 5. April 1989 - 2 StR 39/89 -, juris; Urteil vom 22. November 1994 - X ZR 51/92 -, NJW 1995, 332; sowie Beschluss vom 20. Januar 2000 - I ZB 50/97 -, NJW-RR 2001, 38; Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StPO, § 21 f GVG Rn. 7; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 21e Rn. 41).

48

So hat es beispielsweise der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem ein Landgerichtspräsident durch Verwaltungsgeschäfte verhindert war, an einer mehrtägigen Hauptverhandlung teilzunehmen, ausreichen lassen, dass dieser vor Beginn der Verhandlung die Terminkollision mündlich derart festgestellt hat, dass er aus diesem Grund ihre Leitung seinem regelmäßigen Vertreter in der Strafkammer übertrug. Der Bundesgerichtshof hat diese Maßnahme als rechtlich genügend nachprüfbare und ausreichende Feststellung der Verhinderung des Vorsitzenden angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1966 - 1 StR 282/66 -, BGHSt 21, 174 [176 f.]).

49

Der Beklagte beruft sich für seine, dem Vorstehenden entgegenstehende, Auffassung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 26. November 1979), nach der eine Bestimmung durch den jeweiligen Gerichtspräsidenten zu treffen sei, wenn die Verhinderung eines Richters darauf beruhe, dass dieser gleichzeitig mehrere Aufgaben erfüllen müsse. Dieses Urteil ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Da dieser Grundsatz, wie sich aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung selbst ergibt, nur dann gilt, wenn in einem solchen „Kollisionsfall“ widerstreitender Pflichten den Vorsitzenden kein Richter desselben Spruchkörpers vertreten kann (BGH, Urteil vom 26. November 1979 - II ZR 31/79 -, DRiZ 1980, 147; vgl. auch Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015 § 21 e Rn. 19), ändert sich am vorstehenden Ergebnis nichts. Denn am 3. Dezember 2015 musste bei der Verhandlung und Entscheidung über das Berufungsverfahren des Beklagten kein Richter eines anderen Spruchkörpers des Oberverwaltungsgerichts den Vorsitz führen.

50

Darüber hinaus besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass der Vorsitzende des 3. Senats zugleich der Präsident des Oberverwaltungsgerichts ist. Selbst nach der vom Beklagten für seine Rechtsauffassung herangezogenen Rechtsprechung wäre mithin der Vertretungsfall durch die Absprache des Vorsitzenden des 3. Senats mit seinem Stellvertreter in prozessrechtlich hinreichender Weise festgestellt worden.

51

c) Davon abgesehen wurde die Verhinderung des Vorsitzenden durch seinen Sichtvermerk auf dem Ladungsformular auch schriftlich dokumentiert. In dem Berufungsverfahren des Beklagten wurde die Verhinderung, wie vorstehend dargelegt, zunächst mündlich festgestellt (vgl. hierzu im Einzelnen die dienstlichen Erklärungen von PräsOVG Dr. F. und ROVG A. vom 19. Februar 2016, Bl. 654 ff. GA). Diese mündliche Feststellung des Vertretungsfalls wurde anschließend durch die handschriftliche Abzeichnung der am 14. Oktober 2015 verfügten Besetzung des Senats durch PräsOVG Dr. F. am 19. Oktober 2016 nachgewiesen (Bl. 371 GA). Dieser Sichtvermerk reicht jedenfalls als schriftliche Dokumentation des vorliegenden Vertretungsfalles aus. Er musste auch nicht nochmals gesondert schriftlich festgehalten werden.

52

4. Selbst wenn den vorstehenden Rechtsausführungen und damit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofes nicht zu folgen wäre, so ist ein – insoweit unterstellter – Fehler für die getroffene Entscheidung in dem disziplinarrechtlichen Berufungsverfahren jedenfalls unbeachtlich.

53

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte führt nicht jeder Fehler bei der Bestimmung der mitwirkenden Gerichtspersonen zu einer vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Beruht die Festlegung der „Richterbank“ auf einer zwar irrigen, aber vertretbaren Auslegung einer Gesetzesbestimmung, so ist ein Verfahrensverstoß demgegenüber zu verneinen.

54

Daran anknüpfend fordert die Rechtsprechung sowie die überwiegende Ansicht in der Rechtslehre für die Beachtlichkeit einer Besetzungsrüge allgemein, dass die Gesetzesverletzung klar zutage liegt oder schwer (so Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 21f GVG, Rn. 9) bzw. „qualifiziert“ ist, also auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit letztlich nach objektiven Kriterien auf Willkür beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 2 B 77.07 -, NVwZ 2008, 1025, m.w.N.). Frühere Gerichtsentscheidungen, in denen Fehler bei der Aufstellung eines Geschäftsverteilungsplanes oder von Mitwirkungsgrundsätzen im Sinne des § 21 g Abs. 2 GVG ohne weiteres als relevante Besetzungsfehler im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder inhaltsgleicher anderer Vorschriften angesehen wurden (BGH, Urteil vom 6. Januar 1953 - 2 StR 162/52 -, BGHSt 3, 353 [355]; Beschluss vom 24. Oktober 1973 - 2 StR 613/72 -, BGHSt 25, 239 [241]), sind vereinzelt geblieben und ersichtlich überholt, wie sich aus späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (z. B. Urteil vom 5. Oktober 1988 - 2 StR 250/88 -, BGHSt 35, 366 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (insbesondere Beschluss vom 2. Juli 1987 - 9 CB 7/87 -, NJW 1988, 1339; sowie Urteil vom 18. Oktober 1990 - 3 C 19/88 -, NJW 1991, 1370) ergibt. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen eines Besetzungsfehlers im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann eine mangelhafte Anwendung der gerichtsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsgrundsätze deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden. Vielmehr ist eine fehlerhafte Besetzung eines Spruchkörpers nur dann anzunehmen, wenn die Festlegung der jeweiligen Besetzung am Verhandlungstag auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht beruht (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1994 - X ZR 51/92 -, NJW 1995, 332; Beschluss vom 11. Januar 2012 - 2 StR 346/11 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 4 B 53.13 -, juris; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl. 1994, Rn. 314; Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 547 Rn. 2) oder wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind (BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2007 - 8 PKH 2.07 -, Buchholz 303 § 169 ZPO Nr. 1). Die lediglich fehlerhafte Entscheidung über die Zusammensetzung des verwaltungsgerichtlichen Spruchkörpers führt deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 -, Buchholz 237.1 Art 86 BayLBG Nr. 10).

55

Von einer vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts in diesem Sinne ist somit nur dann auszugehen, wenn in dem vom Beteiligten behaupteten Verstoß gegen gerichtsverfassungsrechtliche Vorschriften zugleich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 1998 - 11 B 20.98 -, juris Rn. 2; und vom 6. Juli 2007, a. a. O.). Mängel bei der Auslegung und Anwendung eines Geschäftsverteilungsplans im Einzelfall begründen einen solchen Verfassungsverstoß nur, wenn sie auf unvertretbaren, mithin sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 9 CB 270.86 -, juris; Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, DVBl 2002, 60, insoweit in BVerwGE 115, 32 ff. nicht abgedruckt; Beschluss vom 22. Januar 2014 - 4 B 53.13 -, juris; Diemer, in: KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 21 f Rn. 2). So steht es auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Verantwortungsbereich des Vorsitzenden, wie er seine Arbeitskraft bei der Erfüllung seiner richterlichen Aufgaben im Einzelnen einsetzt (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12, 2 BvR 625/12 -, juris). Die Gefahr einer gezielten Auswahl besteht bei Anordnungen, die in nachvollziehbarer Weise die Vertretung des Richters bei Verhinderung wegen Urlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen regeln, deshalb grundsätzlich nicht (so BVerfG, Beschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 -, BVerfGE 95, 322 [333]).

56

Wie oben dargelegt behauptet der Beklagte zum einen, dass der 3. Senat in der ursprünglichen Besetzung (VizePräsOVG G., ROVG H. und ROVG I.) zu verhandeln und entscheiden gehabt habe. Darüber hinaus hätte, so der Beklagte, der Vorsitzende des 3. Senats selbst mündlich verhandeln und mitentscheiden müssen. Schließlich habe der Verhinderungsfall, so er denn vorgelegen habe, schriftlich fixiert werden müssen. Diese Rechtsansichten sind, wie vorstehend aufgezeigt, schon nicht zutreffend. Selbst wenn am 3. Dezember 2015 eine Verhinderung aus Rechtsgründen nicht vorlegen hätte, so ist jedenfalls die gegenteilige Handhabung durch den Senat nicht auf objektiver Willkür beruhend. Letztlich folgt die Zulässigkeit der Vertretung am 3. Dezember 2015 jedenfalls aus den im Vorfeld aufgetretenen besonderen Umständen im Zusammenhang mit der Terminierung, die dem Beklagten zuzurechnen sind: Der Termin am 3. Dezember 2015 wurde an diesem Tag aufgrund der zuvor mehrfach geltend gemachten Verhinderung des Beklagten bzw. seines Bevollmächtigten erforderlich. Eine weitere Verschiebung wäre wegen der bereits seit über einem halben Jahr anhängigen Berufung mit dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz (vgl. § 25 Abs. 1 LDG) nicht vereinbar gewesen. Andere Termintage standen im Dezember 2015 aus gerichtsorganisatorischen Gründen bzw. wegen vorrangiger Rechtsangelegenheiten, auch im Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, nicht zur Verfügung. Angesichts dieser Umstände liegt jedenfalls keine auf objektiver Willkür beruhende oder manipulative und insgesamt nicht mehr hinnehmbare Rechtsanwendung vor.

57

Gleiches gilt zur Frage, ob und in welcher Weise der Verhinderungsfall schriftlich zu fixieren gewesen sei. Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon nicht erforderlich. Das Unterlassen einer vorherigen Niederlegung des Verhinderungsgrundes (so sie nicht schon konkludent durch das Abzeichnen der Ladung erfolgte) wäre jedenfalls nicht aus manipulativen bzw. willkürlichen Gründen unterlassen worden.

58

III. Die vom Beklagten mit seinem zweiten Klageantrag begehrte Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Disziplinarklage ist bereits unzulässig. Diesem Begehren steht die Rechtskraft des Urteils vom 3. Dezember 2015 entgegen. Dass dieses Urteil trotz der vom Beklagten eingelegten Nichtigkeitsklage rechtsbeständig ist, wurde vorstehend im Einzelnen dargelegt.

59

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 1 LDG.

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

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(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht diese

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(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. (2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf

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Für die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelten die Vorschriften des Zweiten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Die Mitglieder und drei Vertreter des für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 zuständigen Spruchkörpers bestimmt das

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(1) Das Oberverwaltungsgericht besteht aus dem Präsidenten und aus den Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl. (2) Bei dem Oberverwaltungsgericht werden Senate gebildet. (3) Die Senate des Oberverwaltungsgerichts

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(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

(1) Die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Disziplinarverfahrens ist zulässig, wenn

1.
in dem Urteil eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen worden ist, die nach Art oder Höhe im Gesetz nicht vorgesehen ist,
2.
Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die erheblich und neu sind,
3.
das Urteil auf dem Inhalt einer unechten oder verfälschten Urkunde oder auf einem vorsätzlich oder fahrlässig falsch abgegebenen Zeugnis oder Gutachten beruht,
4.
ein Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen das Urteil im Disziplinarverfahren beruht, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist,
5.
an dem Urteil ein Richter oder Beamtenbeisitzer mitgewirkt hat, der sich in dieser Sache der strafbaren Verletzung einer Amtspflicht schuldig gemacht hat,
6.
an dem Urteil ein Richter oder Beamtenbeisitzer mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, es sei denn, dass die Gründe für den gesetzlichen Ausschluss bereits erfolglos geltend gemacht worden waren,
7.
der Beamte nachträglich glaubhaft ein Dienstvergehen eingesteht, das in dem Disziplinarverfahren nicht hat festgestellt werden können, oder
8.
im Verfahren der Disziplinarklage nach dessen rechtskräftigem Abschluss in einem wegen desselben Sachverhalts eingeleiteten Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Entscheidung ergeht, nach der gemäß § 14 die Disziplinarmaßnahme nicht zulässig wäre.

(2) Erheblich im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 sind Tatsachen und Beweismittel, wenn sie allein oder in Verbindung mit den früher getroffenen Feststellungen geeignet sind, eine andere Entscheidung zu begründen, die Ziel der Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens sein kann. Neu im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 sind Tatsachen und Beweismittel, die dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht bekannt gewesen sind. Ergeht nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Disziplinarverfahren in einem wegen desselben Sachverhalts eingeleiteten Straf- oder Bußgeldverfahren ein rechtskräftiges Urteil auf Grund von tatsächlichen Feststellungen, die von denjenigen tatsächlichen Feststellungen des Urteils im Disziplinarverfahren abweichen, auf denen es beruht, gelten die abweichenden Feststellungen des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren als neue Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 5 ist die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens nur zulässig, wenn wegen der behaupteten Handlung eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung erfolgt ist oder wenn ein strafgerichtliches Verfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht eingeleitet oder nicht durchgeführt werden kann.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

(1) Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht.

(2) Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbescheid gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Oberverwaltungsgericht besteht aus dem Präsidenten und aus den Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl.

(2) Bei dem Oberverwaltungsgericht werden Senate gebildet.

(3) Die Senate des Oberverwaltungsgerichts entscheiden in der Besetzung von drei Richtern; die Landesgesetzgebung kann vorsehen, daß die Senate in der Besetzung von fünf Richtern entscheiden, von denen zwei auch ehrenamtliche Richter sein können. Für die Fälle des § 48 Abs. 1 kann auch vorgesehen werden, daß die Senate in der Besetzung von fünf Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 gelten nicht für die Fälle des § 99 Abs. 2.

(4) In Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 kann der Senat den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
§ 6 Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend.

Für die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelten die Vorschriften des Zweiten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Die Mitglieder und drei Vertreter des für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 zuständigen Spruchkörpers bestimmt das Präsidium jeweils für die Dauer von vier Jahren. Die Mitglieder und ihre Vertreter müssen Richter auf Lebenszeit sein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 50/97 Verkündet am:
20. Januar 2000
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 2 904 283
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Micro-PUR

a) Die Feststellung der Verhinderung eines Mitglieds des Gerichts ist formfrei
möglich.

b) Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht findet im Beschwerdeverfahren
nur unter den Voraussetzungen des § 69 MarkenG
statt. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör läßt sich kein darüber hinausgehender
Anspruch auf mündliche Verhandlung herleiten.
BGH, Beschl. v. 20. Januar 2000 - I ZB 50/97 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und
Dr. Büscher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 29. Oktober 1997 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.

Gründe:


I. Gegen die am 22. März 1995 unter der Nr. 2 904 283 für die Waren
"Handbetätigte Reinigungsgeräte für den Haushalt"
eingetragene Wortmarke
"Micro-PUR"
hat die Inhaberin der Wortmarke Nr. 976 502

"micro-dur",
die seit 1978 für
"Tragbare Behälter aus Kunststoff für Haushalt und Küche"
eingetragen ist, Widerspruch erhoben.
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht den Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patentamts aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Gefahr von Verwechslungen angeordnet.
Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts und die Versagung rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren rügt.
II. Die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich jedoch daraus, daß ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird (BGH, Beschl. v.
19.6.1997 - I ZB 21/95, GRUR 1998, 396 = WRP 1998, 184 - Individual; Beschl. v. 3.12.1998 - I ZB 14/98, GRUR 1999, 500 = WRP 1999, 435 - DILZEM; Beschl. v. 14.10.1999 - I ZB 15/97, WRP 2000, 542, 543 = MarkenR 2000, 95 - COMPUTER ASSOCIATES). Die Markeninhaberin hat ihre Auffassung zu einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des beschließenden Gerichts (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG) und einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) mit näheren Ausführungen begründet. Dies reicht für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aus. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht an (BGH WRP 2000, 542, 543 - COMPUTER ASSOCIATES, m.w.N.).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Die gerügten Mängel liegen nicht vor.

a) Ohne Erfolg erhebt die Rechtsbeschwerde die Besetzungsrüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG.
Sie macht hierzu geltend, in der Ä nderung der Besetzung des Gerichts gegenüber der in der ursprünglichen Verfügung des Vorsitzenden vorgesehenen Gerichtsbesetzung liege ein willkürlicher Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts. Die Ä nderung der Gerichtsbesetzung sei nicht rechtswirksam erfolgt. Es fehle die Angabe des Verhinderungsgrundes und die Unterschrift des Vorsitzenden unter der Verfügung über die geänderte Mitwirkung bei der Entscheidung des Senats.
Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme einer vorschriftswidrigen Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts. Nach
der dienstlichen Ä ußerung des Vorsitzenden des Senats vom 25. August 1998 waren dieser und sein Vertreter durch Urlaub verhindert, an der Entscheidung mitzuwirken. Damit führte gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 21f Abs. 2 GVG das dienstälteste Mitglied des Senats den Vorsitz und der weitere nicht verhinderte Richter des Spruchkörpers wirkte an der Entscheidung mit.
Zwar ist die Verhinderung des Vorsitzenden und seines Vertreters nicht im einzelnen schriftlich niedergelegt. Dies war aber auch nicht erforderlich, weil die Feststellung der Verhinderung formfrei möglich ist (BGHSt 21, 174, 179 f; BGH, Urt. v. 31.1.1983 - II ZR 43/82, DRiZ 1983, 234, 235; Kissel, GVG, 2. Aufl., § 21e Rdn. 129).

b) Auch der Rüge, mit der die Markeninhaberin eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) beanstandet , bleibt der Erfolg versagt.
aa) Die Rechtsbeschwerde leitet eine Verpflichtung zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nach § 69 Nr. 3 MarkenG aus dem Verbot einer Überraschungsentscheidung ab. Damit kann sie jedoch nicht durchdringen.
Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung. Eine mündliche Verhandlung ist nur vorgeschrieben, wenn ein Beteiligter sie beantragt, Beweis erhoben wird oder wenn das Bundespatentgericht sie für sachdienlich erachtet, § 69 MarkenG. Auch das Recht auf Gehör gibt keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfGE 5, 9, 11; 6, 19, 20; 36, 85, 87; BGHZ 13, 265, 270; BGH WRP 2000, 542, 544 - COMPUTER ASSOCIATES). Rechtliches Gehör können die Beteiligten auch im schriftlichen Verfahren über die Beschwerde erhalten.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe eine mündliche Verhandlung für sachdienlich halten müssen, weil es, ohne daß die Markeninhaberin und die Widersprechende im Beschwerdeverfahren Stellung genommen hätten, eine andere Auffassung als das Deutsche Patentamt vertreten habe. Dies erforderte nicht zwingend eine mündliche Verhandlung.
bb) Die Rechtsbeschwerde sieht eine Versagung des rechtlichen Gehörs ferner in einem unterlassenen Hinweis des Bundespatentgerichts auf die vom Deutschen Patentamt abweichende Auffassung, der unterschiedliche Sinngehalt der Zeichenteile "dur" und "PUR" werde den angesprochenen Verkehrskreisen wegen der klanglichen Gemeinsamkeit nicht bewußt. Nach dem für das Bundespatentgericht geltenden Untersuchungsgrundsatz habe es die angesprochenen Verkehrskreise und deren Auffassung feststellen und der Markeninhaberin Gelegenheit zu Nachforschungen und zur Stellungnahme geben müssen. Entsprechendes gelte für die Beurteilung des Bundespatentgerichts zur Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht. Auf diese sei weder das Deutsche Patentamt noch die Widersprechende eingegangen, während die Markeninhaberin hierzu ausführlich vorgetragen habe.
Daraus folgt jedoch keine Verletzung des Anspruchs der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, daß sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG, Beschl. v. 1.9.1995 - 1 BvR 632/94, NJW-RR 1996, 253 f. = ZIP 1995, 1850, 1852). Dazu gehört, daß die Beteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können,
auf welchen Tatsachenvortrag und welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommen kann (BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254). Dagegen verlangt das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, daß das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; vertretbare rechtliche Gesichtspunkte muß ein Verfahrensbeteiligter prinzipiell von sich aus in Betracht ziehen (BVerfGE 74, 1, 5; 86, 133, 145; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
Im vorliegenden Fall mußte die Markeninhaberin mit einer Verneinung der Verwechslungsgefahr i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG durch das Bundespatentgericht rechnen. Daß eine klangliche Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründen kann, entsprach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1976 - I ZR 69/74, GRUR 1976, 356, 357 - Boxin; Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 114/84, GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal). Das Deutsche Patentamt hatte die klangliche Ä hnlichkeit der Marken ebenfalls behandelt. Bei Anwendung eines objektiven Maßstabes konnte für die Markeninhaberin nicht überraschend sein, daß das Bundespatentgericht anders als das Deutsche Patentamt davon ausgegangen ist, den angesprochenen Verkehrskreisen werde der unterschiedliche Sinngehalt der Zeichen nicht bewußt.
Die Markeninhaberin mußte zudem damit rechnen, daß das Bundespatentgericht von einer Warenähnlichkeit ausgehen und neben der klanglichen Verwechslungsgefahr auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr annehmen würde. In ihrer Stellungnahme zum Widerspruch vom 13. Mai 1996 hat sich die Markeninhaberin mit diesen Punkten eingehend auseinandergesetzt und dadurch gezeigt, daß sie die Entscheidungserheblichkeit erkannt hat. Darauf , daß das Bundespatentgericht zu einer anderen Beurteilung als die Markeninhaberin und das Deutsche Patentamt gekommen ist, brauchte es zur
Wahrung des Gebots rechtlichen Gehörs die Markeninhaberin nicht hinzuweisen (vgl. BVerfGE 74, 1, 5; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
Darauf, ob die Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch das Bundespatentgericht zutreffend und die von ihm eingeschlagene Verfahrensweise, ohne richterlichen Hinweis zu entscheiden, zweckmäßig war, kommt es nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG soll allein die Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung dienen (BGH GRUR 1999, 500, 501 - DILZEM).
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 90 Abs. 2 MarkenG.
Erdmann RiBGH Prof. Dr. Mees ist nach Starck Erreichen der Altersgrenze aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann Bornkamm Büscher

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 346/11
vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2012

beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist. 2. Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.

Gründe:


1
Der Senat ist nicht ordnungsgemäß besetzt. Der Geschäftsverteilungsplan , mit dem Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ab 1. Januar 2012 dem 2. Strafsenat als Vorsitzender zugewiesen ist, steht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Einklang. Das hat der Senat, auch ohne dass eine ausdrückliche Besetzungsrüge vorliegt, von Amts wegen zu prüfen. Dies führt zur Aussetzung der Hauptverhandlung.

I.

2
Die Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist seit dem ruhestandsbedingten Ausscheiden der vormaligen Vorsitzenden zum 31. Januar 2011 unbesetzt; der Geschäftsverteilungsplan weist seit diesem Zeitpunkt den Vorsitz mit "N.N." aus. Die Funktion des Vorsitzenden im Senat, dem im Hinblick auf eine voraussichtlich längere Vakanz zum 1. Februar 2011 als Ersatz für die ausgeschiedene Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger zugeteilt worden ist, hat vom 1. Februar bis 31. Dezember 2011 der stellvertretende Vorsitzende, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, wahrgenommen.
3
Die Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats ist weiterhin vakant. Der stellvertretende Vorsitzende dieses Senats, der sich neben anderen um diese Stelle beworben hat, hat die ihm erteilte Anlassbeurteilung angefochten und gegen die beabsichtigte Ernennung eines anderen Bewerbers Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 hat daraufhin das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle zu besetzen, bevor Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu beurteilt worden ist. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
4
Am 11. Januar 2012 ist dem Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer eine neue Beurteilung ausgehändigt worden. Das Besetzungsverfahren , dessen weitere Dauer derzeit nicht absehbar ist, kann daher seinen Fortgang nehmen.
5
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 mehrere Mitglieder des 2. Strafsenats zu einer geplanten Änderung des Geschäftsverteilungsplans für das Geschäftsjahr 2012 angehört und sodann diese Änderung beschlossen. Danach ist mit Wirkung vom 1. Januar 2012 dem Vorsitzenden des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, der zum 30. Juni 2012 in den Ruhestand treten wird, auch der Vorsitz des 2. Strafsenats übertragen worden; zugleich bestimmt der Geschäftsverteilungsplan , dass die Tätigkeit im 2. Senat Vorrang gegenüber derjenigen im 4. Strafsenat hat. Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schmitt, der bisher allein Mitglied des 2. Strafsenats war, wurde mit jeweils 50% seiner Arbeitskraft dem 2. und 4. Strafsenat zugewiesen.
6
Grund für diese Änderung des Geschäftsverteilungsplans war, dass das Präsidium des Bundesgerichtshofs eine weitere Wahrnehmung der Aufgaben des Senatsvorsitzenden durch den Stellvertreter im 2. Strafsenat nicht mehr für zulässig hielt, weil es sich nach Ablauf von elf Monaten der Vakanz nicht mehr um eine vorübergehende Verhinderung im Sinne des § 21f Abs. 2 GVG handele.

II.

7
Der Geschäftsverteilungsplan, mit dem Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ab 1. Januar 2012 zugleich dem 2. und dem 4. Strafsenat als Vorsitzender zugewiesen ist, steht nicht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang.
8
1. Jeder Spruchkörper hat bei auftretenden Bedenken die Ordnungsmäßigkeit seiner Besetzung - von Amts wegen - zu prüfen und darüber in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 95, 322, 330). Dies gilt unabhängig vom Vorliegen eines Besetzungseinwands von Verfahrensbeteiligten. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach ein Geschäftsverteilungsplan solange als verbindlich anzusehen ist, bis seine Rechtswidrigkeit (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) festgestellt oder er anderweitig aufgehoben ist (vgl. BVerwGE 50, 11 ff.). Diese bezieht sich allein auf die Rechtslage bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung eines Geschäftsverteilungsplans durch Richter, die sich durch die Geschäftsverteilung in eigenen Rechten verletzt sehen. Es entbindet deshalb die Fachgerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Pflicht zur Justizgewährung nicht davon, die Rechtmäßigkeit ihrer Besetzung jeweils eigenständig zu prüfen und darüber zu entscheiden (vgl. BVerwG NJW 1980, 900). Denn ein gesetzwidrig besetztes Gericht ist nicht zur Sachentscheidung berufen (vgl. etwa auch § 338 Nr. 1 StPO).
9
Zu beachten ist freilich, dass die Überprüfung von Geschäftsverteilungsplänen im Hinblick auf deren Rechtsnatur Grenzen unterliegt. Geschäftsverteilungspläne werden vom Präsidium eines Gerichts in Wahrnehmung der ihm nach § 21e GVG übertragenen Aufgabe in richterlicher Unabhängigkeit beschlossen (vgl. BGHZ 46, 147, 148 f). Die Verteilung der richterlichen Aufgaben liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums, dem dabei ein weiter Einschätzungs - und Prognosespielraum eingeräumt ist. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte erst überschritten, wenn für die Entscheidungen kein sachlicher Grund ersichtlich ist und die Verteilung der Geschäfte maßgeblich durch sachfremde Erwägungen geprägt, also die Grenze zur objektiven Willkür überschritten ist (vgl. BVerwG NJW 1982, 2274; s. auch BVerfG NJW 2008, 909). Dies führt naturgemäß dazu, dass der Geschäftsverteilungsplan insoweit nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, die sich nicht darauf zu erstrecken hat, ob sich die getroffene Regelung als die zweckmäßigste darstellt oder sich bessere Alternativen angeboten hätten.
10
Davon unberührt bleibt aber die Prüfung, ob im Rahmen des Geschäftsverteilungsplans der Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mit seinen Gewährleistungen hinreichende Beachtung gefunden hat (vgl. BVerfGE 95, 322, 330).
11
2. Schon angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs stellt der Senat die Ausgangsüberlegung des Präsidiums, der Vorsitz im 2. Strafsenat könne nach elf Monaten der Vakanz nicht länger von dem geschäftsplanmäßigen Vertreter wahrgenommen werden, nicht in Frage. Die Ansicht, es liege angesichts der Dauer des Besetzungsverfahrens eine nicht nur vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden vor, die eine Vertretung durch den Stellvertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nicht mehr erlaube, ist nach Ansicht des Senats zwar nicht zwingend, aber jedenfalls vertretbar und ersichtlich frei von Willkür (vgl. hierzu BGH NJW 2006, 154; BFHE 190, 47; BVerwG NJW 2001, 3493; BSG NJW 2007, 2717).
12
Soweit der Senat anderer Auffassung ist und im Falle einer Vakanz bei Durchführung eines gesetzlich geregelten Konkurrentenstreitverfahrens, an dessen Ende - anders etwa als bei unabsehbarer Erkrankung, die auch mit dauernder Dienstunfähigkeit enden kann - in jedem Fall eine Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erfolgt, in der Regel eine nur vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden annehmen will, steht dies zu der Entscheidung des Präsidiums und zu den genannten Entscheidungen anderer Bundesgerichte nicht in Widerspruch. Die zitierte Rechtsprechung hat eine solche Fallkonstellation nicht zum Gegenstand, ist einzelfallbezogen ergangen und wollte ausdrücklich starre Fristen und allgemein geltende Regeln für die Auslegung des Begriffs der "vorübergehenden" Verhinderung im Sinne von § 21f Abs. 2 GVG nicht aufstellen. Zudem besteht in der zugrundeliegenden Konstellation, in der Gerichte zur Klärung von im Zusammenhang mit der eingeleiteten Stellenbesetzung entstandenen Rechtsfragen aufgerufen sind, nicht die Gefahr, die Exekutive könne durch unvertretbares oder sachlich nicht begründetes Zuwarten mit der Stellenbesetzung Einfluss auf die konkrete Besetzung des Gerichts nehmen (vgl. BVerfGE 18, 423, 426; BayVerfGH NJW 1986, 1326).
13
Gegenstand der Prüfung durch den Senat ist daher nicht etwa die Frage, ob das Präsidium überhaupt hätte tätig werden können oder müssen, sondern allein, ob die aufgrund der vom Präsidium vertretbar angenommenen Pflicht zum Tätigwerden konkret getroffene Entscheidung, den 2. und den 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit demselben Richter als Vorsitzenden zu besetzen , mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang steht.
14
3. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (BVerfGE 95, 322, 327). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden. Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zunächst den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, sind so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig erkennbar wird. Das Gebot der normativen Vorausbestimmung wendet sich aber auch an die Judikative, die neben den Organen von Legislative und Exekutive ebenfalls Adressat der Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist (BVerfGE 82, 286, 298). Daher sind sowohl das Präsidium eines Gerichts beim Beschluss der Geschäftsverteilungspläne als auch die gerichtlichen Spruchkörper in ihren Mitwirkungsregelungen von Verfassungs wegen gehalten, hinreichend bestimmte Regelungen zur Zuständigkeit des einzelnen Richters zu schaffen.
15
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfGE 82, 286, 298; 89, 28, 36). Der Normgeber einer Zuständigkeits- oder Besetzungsregelung hat deshalb Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall mit der erforderlichen professionellen Distanz gegenüberstehen und ihr Amt in inhaltlicher Unabhängigkeit sachgerecht ausüben können.
16
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist somit nicht nur als formale Bestimmung zu verstehen, die schon erfüllt ist, wenn die Richterzuständigkeit abstrakt-generell für alle anhängig werdenden Verfahren geregelt ist. "Ungesetzlich" ist auch derjenige Richter, der in seiner Person nicht den materiellen Anforderungen des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 82, 286, 298).
17
a) Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs mit Wirkung ab 1. Januar 2012 beschlossene Geschäftsverteilungsplan, durch den dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann der Vorsitz in zwei Strafsenaten zugleich übertragen worden ist, scheint auf den ersten Blick dem Gebot der normativen Vorausbestimmung zu genügen. Zwar fehlt - anders als bei Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schmitt, der beiden Senaten jeweils mit der Hälfte seiner Arbeitskraft zugewiesen ist - eine ausdrückliche Bestimmung darüber , wie die Arbeitskraft des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann auf die Senate zu verteilen ist. Bei Auslegung der getroffenen Regelungen für den 2. und 4. Strafsenat ergibt sich aber, dass ihm - ohne dass es insoweit auf die Frage der Verteilung seiner Arbeitskraft ankäme - jeweils allein und eigenverantwortlich, somit in vollem Umfang, die Wahrnehmung des Vorsitzes in beiden Senaten obliegt. Damit erfährt die Zuweisung des Vorsitzenden im Ausgangspunkt eine hinreichend bestimmte Regelung, die auch in der Vergangenheit - etwa bei zusätzlicher Übertragung eines Vorsitzes in einem Spezialsenat - verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben ist.
18
Zu berücksichtigen ist hier freilich die Besonderheit, dass dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann der Vorsitz in zwei voll ausgelasteten Strafsenaten des Bundesgerichtshofs übertragen worden ist, die für sich, wie bisher unbezweifelt geblieben ist, jeweils die volle Arbeitskraft eines Vorsitzenden Richters beanspruchen. Daher könnten Zweifel aufkommen, wie der im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene, allerdings nicht näher erläuterte Vorrang des Vorsitzes im 2. Strafsenat zu verstehen ist und ob er dem Gebot der normativen Vorausbestimmung hinsichtlich gleichzeitiger Anforderungen durch den 2. und 4. Strafsenat entspricht. Denn es liegt auf der Hand, dass es im Geschäftsablauf zweier Strafsenate - bezogen auf den Vorsitz - ständig zu Kollisionen hinsichtlich unterschiedlicher zu erfüllender Aufgaben kommen kann. Dies gilt unabhängig davon, dass beide Senate in ihren Mitwirkungsgrundsätzen jeweils alternierende Beratungswochen vorgesehen haben. Gleichwohl können Organisations- und Verwaltungsangelegenheiten, Beratungs - und Verhandlungstermine des einen Senats zeitgleich mit Aufgaben im anderen Senat zusammentreffen. Ob jede Form einer dienstlichen Beanspruchung im 2. Strafsenat, etwa auch die Auslastung mit Verwaltungsangelegenheiten , es rechtfertigt, die Wahrnehmung des Vorsitzes im 4. Strafsenat zurückzustellen , lässt sich der Vorrangregelung nicht eindeutig entnehmen; diese könnte auch auf Terminskollisionen hinsichtlich aller oder einzelner richterlicher Aufgaben beschränkt sein.
19
Insoweit spricht Einiges dafür, dass im Geschäftsverteilungsplan ein vermeidbarer Spielraum verbleibt, weil er offen lässt, in welchen Fällen mögli- cher dienstlicher Verhinderung im 2. Strafsenat die richterliche Tätigkeit im 4. Strafsenat zurücktreten darf. Der Senat braucht dies nicht zu entscheiden, da nach seiner Ansicht die Übertragung eines Doppelvorsitzes jedenfalls mit der materiell-rechtlichen Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Einklang zu bringen ist.
20
b) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt - wie oben dargelegt - materielle Anforderungen an den gesetzlichen Richter, die auch das Präsidium bei der Aufstellung seiner Geschäftsverteilungspläne zu beachten hat. Nur der neutrale, unparteiliche und unabhängige Richter ist "gesetzlicher Richter" im Sinne der Verfassungsnorm. Herausragende Bedeutung kommt dabei der durch Art. 97 GG geschützten Unabhängigkeit des Richters zu, die ihrerseits nicht nur zu den grundlegenden verfassungsgestaltenden Strukturprinzipien des Grundgesetzes zählt, sondern vor allem auch notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs ist (vgl. Papier NJW 1990, 8, 9). Grundrechtlich garantierter effektiver Rechtsschutz ist (unter anderem) nur durch sachlich und persönlich unabhängige Richter möglich. Aus diesem Grund sind sie prinzipiell unabsetzbar und unversetzbar (BVerfGE 14, 156, 193; 17, 252, 259).
21
Darin aber erschöpft sich die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit nicht; sie fordert auch Minimalbedingungen für die freie Ausübung der richterlichen Tätigkeit. So wenig ein Richter durch Maßnahmen der Geschäftsverteilung aus seinem Amt verdrängt werden darf (vgl. BVerfGE 17, 252, 259; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2007 - 2 BvR 1431/07 - NJW 2008, 909), indem ihm durch den Geschäftsverteilungsplan praktisch kaum noch Aufgaben zugewiesen werden, so wenig darf er mit unerfüllbaren Aufgaben beauftragt werden, indem ihm ein Pensum auferlegt wird, das sich in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (vgl. BGH, Urt. vom 3. Dezember 2009 - RiZ(R) 1/09 - juris). Eine sichere oder auch nur in Kauf genommene dauerhafte Überlastung eines Richters beeinträchtigt ohne Weiteres die gleichmäßige Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs der Rechtssuchenden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. November 2005 - 1 A 494/05 - juris) und stellt damit die Unabhängigkeit des Richters bei der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben in Frage (vgl. BVerwGE 78, 211 ff.).
22
Maßgeblich für die Beurteilung, ob das übertragene Pensum sich (noch) sachgerecht erledigen lässt, ist ein abstrakt-genereller Maßstab. Es ist nicht auf die individuelle Belastbarkeit des einzelnen Richters abzustellen (vgl. BGH, Urt. vom 3. Dezember 2009 - RiZ(R) 1/09 - juris), erst Recht nicht darauf, ob ein Richter bereit und subjektiv willens ist, ein beliebiges, gegebenenfalls weit überdurchschnittliches Pensum zu leisten. Vielmehr ist zu fragen, ob es sich um ein Arbeitspensum handelt, das sich allgemein - nach der Lebenserfahrung, den für Fälle der betreffenden Art üblichen Maßstäben und den Anforderungen, welche an Richter in der entsprechenden Funktion nach allgemeiner Erfahrung gestellt werden können - auf Dauer erledigen lässt, oder ob es diese Grenze überschreitet.
23
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass ein Richter - obgleich er keiner festen Arbeitszeitregelung unterliegt - nicht zur zeitlich unbegrenzten Erfüllung dienstlicher Angelegenheiten verpflichtet ist. Seine Arbeitsleistung orientiert sich unter Beachtung dienstlicher Notwendigkeiten, die vorübergehend einen höheren Arbeitseinsatz erfordern können, an der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit und an dem von Richtern in vergleichbarer Position in dieser Zeit geleisteten Arbeitspensum (BVerwGE 78, 211 ff.). Nur im Rahmen dieser Verpflichtung ist er zur Wahrnehmung dienstlicher Belange verpflichtet; nur in diesem Rahmen kann auch der Rechtssuchende davon ausgehen, dass der Rich- ter seinen Teil zur Erfüllung des grundrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruchs beiträgt.
24
c) Legt man diesen Maßstab zugrunde, stellt sich die Frage, ob die Übertragung eines Doppelvorsitzes in zwei Strafsenaten des Bundesgerichtshofs ein Arbeitspensum beinhaltet, das sich nach abstrakt-genereller Betrachtung sachgerecht von einem Vorsitzenden so bewerkstelligen lässt, dass der Justizgewährungsanspruch rechtsuchender Beschwerdeführer dadurch nicht beeinträchtigt wird. Der Senat verneint dies.
25
aa) Für diese Einschätzung ist es nicht entscheidend, wie an anderen Bundesgerichten verfahren wird. Sowohl die Arbeitsweise wie auch die tatsächliche Belastungssituation an den verschiedenen Bundesgerichten mit jeweils unterschiedlichen Verfahrensordnungen weichen so stark voneinander ab, dass aus der Handhabung dort (zwingende) Rückschlüsse auf die Belastungssituation in den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs nicht gezogen werden können. So können sich sowohl aus der von einem Senat zu bearbeitenden Anzahl von Verfahren als auch aus der konkreten Bearbeitungsweise erhebliche Unterschiede ergeben. Die Arbeit der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ist dadurch geprägt, dass der weitaus größte Teil der Verfahren - mehr als 90% - im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 1 bis 4 StPO erledigt werden. In diesen Verfahren werden die Sachen nicht vorvotiert, sondern vom Berichterstatter in der Beratung vorgetragen. Dies stellt an die Leitungs- und Überwachungsfunktion des Vorsitzenden hohe Anforderungen, die nicht dadurch umgangen oder gemindert werden können, dass durch Bestellung eines "Zweitberichterstatters" das so genannte "Vier-Augen-Prinzip" ohne Beteiligung des Vorsitzenden gewahrt wird.
26
Eine sachgerechte Ausübung der Leitungsfunktion durch den Vorsitzenden - als regelmäßig besonders erfahrenen, qualifizierten und leistungsstarken Richter - setzt voraus, dass dieser die im Senat zu entscheidenden Fälle kennt, die inmitten stehenden Rechtsprobleme wahrnimmt und überdenkt, mögliche Lösungen ins Auge fasst und die Beratung ggf. entsprechend lenkt (zum normativ begründeten richtungsweisenden Einfluss des Vorsitzenden auf die Rechtsprechung, die sich auch auf seine Vorbereitung auszuwirken hat; vgl. BGH NJW 2009, 931; s. auch BVerfG NJW 2004, 3482). Dies ist ohne vertiefte Fallkenntnis nicht möglich; entsprechende Kenntnisse können dem Vorsitzenden auch nicht zuverlässig durch bloßen mündlichen Vortrag eines anderen Richters in einem Maß vermittelt werden, das eine inhaltliche "Leitung" der Beratung ermöglicht.
27
Kern der Tätigkeit der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ist die rechtliche Überprüfung schriftlicher, oft umfangreicher Urteilsgründe anhand ebenfalls schriftlicher - teilweise sehr umfangreicher, komplexer und differenzierter, oft auch wenig strukturierter und problematisch abgefasster - Revisionsschriftsätze. Diese Aufgabe kann sachgerecht nur erfüllt werden, wenn die in den sog. "Senatsheften" - die mitunter viele hundert Seiten umfassen können - enthaltenen Revisionsunterlagen sorgfältig durchgearbeitet werden. So verlangt beispielsweise oft schon die Auslegung von - umfangreichen - Revisionsrügen und das Erkennen von darin enthaltenen Rechtsproblemen eine vertiefte Kenntnis der Problematik oder lang zurück reichender Rechtsprechungs-Entwicklung. All dies kann dem Vorsitzenden nicht durch den Vortrag eines - unter Umständen weniger erfahrenen - Berichterstatters vermittelt werden.
28
bb) Unerheblich für die hier zu entscheidende Konstellation ist auch, dass an Landgerichten, auch an Oberlandesgerichten, ein Doppel- oder sogar Mehrfachvorsitz durchaus vorkommt (vgl. etwa BGHSt 8, 17; OLG Koblenz MDR 1966, 1023; Hans. OLG Hamburg StV 2003, 11; VGH Kassel, ESVGH 48, 241; s. auch die einen Sonderfall betreffende Entscheidung BGH NJW 1967, 1566, 1567 = BGHZ 47, 289 in Widerspruch zu BGHZ 37, 210 und ohne Hinweis auf eine tatsächliche Belastung des Vorsitzenden).
29
Grundlage dafür ist, dass an diesen Gerichten häufig Spruchkörper gebildet sind oder von Gesetzes wegen zu bilden sind, denen in der gerichtlichen Praxis nur eine geringe Geschäftsaufgabe zufällt. Das kann im Bereich der Strafrechtspflege etwa Auffangkammern oder Strafkammern für besondere Geschäftsaufgaben nach §§ 74 Abs. 2, 74a, 74b, 74c GVG betreffen. In solchen Spruchkörpern kann ein Vorsitzender Richter den Vorsitz je nach konkretem Zuschnitt mit einem so geringen Teil seiner gesamten Arbeitskraft ausfüllen, dass er daneben noch einen anderen Vorsitz wahrnehmen kann.
30
Dies ist in den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs nicht der Fall. Diese sind sämtlich voll ausgelastet. Der 4. Strafsenat hatte im Jahr 2011 682 Neueingänge , der 2. Strafsenat 623, zusätzlich 325 Beschwerden und Gerichtsstandsbestimmungen. Der 4. Strafsenat ist für das Geschäftsjahr 2012 für die OLG-Bezirke Rostock und Saarbrücken entlastet worden; dies wird zu einer Reduzierung der Geschäftslast um ca. 120 Revisionen führen.
31
cc) Für die Beurteilung des Senats ist auch die individuelle Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nicht entscheidungserheblich. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung des Leistungsverhaltens von Richtern, ergibt sich aber auch aus Folgendem:
32
Abgesehen davon, dass sich eine formelle Dokumentation seiner Leistungsbereitschaft weder im Geschäftsverteilungsplan noch in den Mitwirkungsgrundsätzen der betroffenen Senate noch an anderer Stelle findet, sind schon im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2012, aber auch danach Gestaltungsmöglichkeiten erörtert worden, die zu einer Reduzierung der Arbeitslast des Vorsitzenden führen können. Umfang und Ausmaß dessen, was der Vorsitzende über seine rechtliche Verpflichtung hinaus zu leisten bereit und imstande ist, können aber auf diese Weise insbesondere aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers im Voraus weder bestimmt noch auch nur erkannt werden. Der Umfang überobligatorischer Arbeitsleistung bis an die Grenze des Möglichen kann jederzeit - aus beliebigen Gründen - eingeschränkt oder verändert werden, ohne dass ihre Erfüllung von dem Vorsitzenden rechtlich verlangt werden oder er auch nur zu einer verbindlichen Auskunft angehalten werden könnte.
33
dd) Die Übertragung eines Doppelvorsitzes bei zwei Strafsenaten des Bundesgerichtshofs stellt ein Arbeitspensum dar, das dem Vorsitzenden - unabhängig von seiner konkreten Person - nicht mehr die verantwortungsvolle Ausübung der richterlichen Tätigkeit in beiden Senaten ermöglicht (vgl. zum gleichzeitigen Vorsitz in mehreren Strafkammern beim Landgericht BGHSt 2, 71, 73, wo der BGH aber - wie bei BGHSt 8, 17, 18 - nicht auf die damit verbundene Belastung des Vorsitzenden und den Einfluss auf dessen Unabhängigkeit , sondern auf dessen fehlenden richtungsgebenden Einfluss zur Leitung der Spruchkörper abstellt). Das gilt auch unter Berücksichtigung von denkbaren , rechtlich zulässigen Entlastungen. Dies führt zu einer die Unabhängigkeit beeinträchtigenden Überbelastung und dazu, dass der überbelastete Vorsitzende Richter nicht mehr der "gesetzliche Richter" im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Mit der Übertragung eines weiteren Vorsitzendenamts wird dem Richter - ungeachtet der konkreten Belastung im einzelnen Senat - ein über dem bisherigen Maß voller Belastung liegendes Arbeitspensum auferlegt, das sich nicht nur gegenüber früherer Belastung, sondern auch im Verhältnis zu anderen Vorsitzenden von Strafsenaten beim Bundesgerichtshof im Januar 2012 einer doppelten Belastung annähern dürfte. Es ist bislang nicht in Frage gestellt worden, dass bereits die Leitung eines Strafsenats beim Bundesgerichtshof die Arbeitskraft eines Vorsitzenden im Wesentlichen ausschöpft.
34
Es liegt demnach auf der Hand, dass der gleichzeitige Vorsitz in zwei voll belasteten Strafsenaten nicht ohne gravierende, den Justizgewährungsanspruch substanziell einschränkende Qualitätseinbußen ausgeübt werden kann. Dies gilt auch, soweit man davon ausginge, dass Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann durch die Vorrangregelung zu Gunsten des 2. Strafsenats im Ergebnis eine bis zu 25% reichende Entlastung der Aufgaben im 4. Strafsenat (vgl. BGHZ 37, 210, 216; zur möglichen Vertretung auch BGHSt 28, 290, 293) erfahren könnte (insoweit allerdings fraglich; vgl. dazu Hans. OLG Hamburg StV 2003, 11, wonach dann, wenn dem Vorsitzenden eines Spruchkörpers zusätzliche Aufgaben - insbesondere der Vorsitz in einem weiteren Spruchkörper - übertragen werden, die er in Folge ohnehin bestehender Arbeitsbelastung voraussehbar nicht erbringen kann, in Bezug auf die zusätzlichen Aufgaben ein Fall der Verhinderung nach § 21f Abs. 2 GVG nicht vorliegen soll). Auch ein Arbeitspensum, das "nur" 175% desjenigen eines durchschnittlichen Vorsitzenden Richters ausmacht, ist ohne eine exorbitante Steigerung der Arbeitsleistung nicht zu bewältigen. Ein solches Maß an Arbeitsaufwand schuldet der Richter, wenn überhaupt, allenfalls bei ganz besonderer , nicht vorhersehbarer dienstlicher Notwendigkeit, und dies auch nur "vorübergehend". Keinesfalls ist er aber verpflichtet, planmäßig und für einen längeren Zeitraum, der hier angesichts der Unabsehbarkeit des Besetzungsverfahrens bis zu sechs Monaten (bis zur Pensionierung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann) dauern kann, gleichzeitig nahezu zwei volle Stellen als Vorsitzender auszufüllen.
35
ee) Ein anderes Ergebnis könnte sich ergeben, wenn es - rechtlich zulässig im Hinblick auf Aufgaben und Funktion eines Vorsitzenden Richters - Möglichkeiten gäbe, ihn ohne Beeinträchtigung des Justizgewährungsanspruchs von gewissen Aufgaben freizustellen, um ihm so Freiräume für den gleichzeitigen Vorsitz in zwei Senaten des Bundesgerichtshofs zu schaffen. Bereits im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2012, insbesondere auch im Rahmen der Anhörung durch das Präsidium am 15. Dezember 2011, sind mögliche organisatorische Maßnahmen erörtert worden, die zu einer Reduzierung der Arbeitslast des Vorsitzenden führen und es ihm so überhaupt erst ermöglichen könnten, den Vorsitz in zwei Strafsenaten zugleich zu führen (weil Einigkeit bestand, dass eine Verdopplung der Arbeitsleistung durch Leitung von zwei Senaten mit insgesamt mehr als 1.300 Revisionssachen im Jahr nicht möglich ist, wenn nach "normalen" Regeln gearbeitet werde). Der Senat sieht solche Möglichkeiten nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus einem teilweisen Verzicht auf das Studium des Revisionsheftes (vgl. schon oben).
36
Nach § 21f Abs. 1 GVG führt der Vorsitzende Richter in den Senatsspruchkörpern den Vorsitz, er nimmt prinzipiell an allen Verfahren teil. Der Vorsitzende leitet die Beratung, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen (§ 194 Abs. 1 GVG). Er übernimmt in der Regel keine eigenen Berichterstattungen und beschränkt sich regelmäßig - ohne besondere Gestaltung in einzelnen Verfahren - darauf, durch die Leitung von Beratung und Hauptverhandlung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Senats sicherzustellen.
37
Die Begleitung und Kontrolle des Berichterstatters durch den Vorsitzenden erweist sich als notwendig, um einen grundrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutz durch den erforderlichen substanziellen Zugriff auf die inmitten stehenden Rechtsfragen sicherzustellen. Würde man hierauf verzichten, so wäre das Amt eines Senatsvorsitzenden insgesamt überflüssig, da es auf eine "Lenkung der Rechtsprechung" durch einen besonders qualifizierten Richter nicht mehr ankäme.
38
Daher hat sich in langjähriger Praxis des Bundesgerichtshofs ein bisher auch nicht in Frage gestelltes Verständnis herausgebildet, wonach es selbstverständliche Pflicht eines Strafsenatsvorsitzenden ist, selbst jedes Senatsheft zu lesen und sich aufgrund dessen eine (der Auffassung des Berichterstatters gegenüberzustellende und in die Rechtsprechung des Senats einzuordnende) Ansicht von den in dem jeweiligen Verfahren anfallenden Rechtsfragen zu bilden. Eine Delegation dieser Aufgabe, etwa an den stellvertretenden Vorsitzenden oder an einen Zweitberichterstatter, verträgt sich mit einem solchen Verständnis nicht; die Lektüre etwa der Zuschriften des Generalbundesanwalts kann zwar einen allgemeinen Überblick über die inmitten stehenden Rechtsfragen verschaffen, keinesfalls aber die eigene Kenntnis des Senatshefts ersetzen.
39
Zudem wäre eine Selbststeuerung der Arbeitslast durch den Vorsitzenden Richter auch kein legitimer Grund für ein daran orientiertes Verständnis von Zuständigkeits- oder Mitwirkungsregeln (vgl. BVerfGE 54, 277, 295). Die Effektivität der Kontrolle und damit des gerichtlichen Rechtsschutzes in Strafsachen mit ihrer hohen Eingriffsintensität hängt mangels Kenntnis der Revisionsunterlagen der übrigen Mitglieder des Senats in Beschlussberatungen stark von der Maßstabslenkung und Erörterungsleitung durch den Vorsitzenden ab. Die Kenntnis des in den Akten zugrunde liegenden Streitstoffs ist und bleibt ange- sichts der derzeitigen Handhabung grundsätzlich vom Justizgewährungsanspruch geforderte und damit rechtstaatlich unabdingbare Voraussetzung für die Leitung und Führung eines Strafsenats beim Bundesgerichtshofs (vgl. auch VGH Kassel ESVGH 48, 241 zur Wahrnehmung eines Vorsitzes bei einem Verwaltungsgerichtshof, bei dem - nicht zuletzt im Interesse einer sachgerechten und verantwortungsvollen Ausübung der Leitungsfunktion - von einem Vorsitzenden die Übernahme von Berichterstattertätigkeiten erwartet wird).
40
d) Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vom Präsidium des Bundesgerichtshofs beschlossene Einrichtung eines Doppelvorsitzes in der vorliegenden Form als einzig denkbare Lösung des oben unter Ziff. II. 2 dargestellten Problems in Betracht käme. Dies ist nämlich nicht der Fall. Vielmehr sind Alternativen denkbar, die bei entsprechender Ausgestaltung nicht Gefahr laufen, mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG voraussichtlich in Konflikt zu geraten. Dies könnte etwa eine vorübergehende Verkleinerung der Geschäftsaufgabe des 2. und/oder 4. Strafsenats auf ein Maß sein, welches einen Doppelvorsitz ermöglicht. Denkbar wäre auch eine Zuweisung des Vorsitzenden des 4. Strafsenats allein an den 2. Strafsenat - unter Inkaufnahme einer vorübergehenden Vakanz im 4. Strafsenat -; schließlich, auf der Grundlage der Senatsmeinung zu § 21f Abs. 2 GVG, auch eine weitere Fortführung der Vertretung.

III.

41
Die Feststellung der Unvereinbarkeit der Geschäftsverteilungsregelung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, die nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zwingt, hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie führt zur Aussetzung der Revisionshauptverhandlung, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung herbeizuführen.

Ernemann Fischer Krehl Eschelbach Ott

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