Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2014 - V ZR 115/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I.
- 1
- Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung, die an Herrn W. vermietet war. Dieser wurde rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe der Wohnung an die Kläger verurteilt. Die Beklagte - nach ihren Angaben Lebensgefährtin von Herrn W. - nutzte die Wohnung in der Folgezeit weiter.
- 2
- Die Kläger haben daraufhin gegen die Beklagte Klage auf Herausgabe der Wohnung erhoben. Gegen die Beklagte ist ein Versäumnisurteil ergangen, auf dessen Grundlage die Kläger die Wohnung im Wege der Zwangsvollstre- ckung geräumt haben. Nach dem Einspruch gegen das Versäumnisurteil haben die Kläger wegen der erfolgten Räumung die Erledigung der Hauptsache erklärt. Dem hat die Beklagte widersprochen.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Die Kläger haben im Revisionsverfahren von ihrer Erledigungserklärung Abstand genommen und wollen die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts erreichen. Mit dieser Maßgabe beantragen sie die Zurückweisung der Revision.
II.
- 4
- Das Berufungsgericht meint, den Klägern habe gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zugestanden. Ein Recht zum Besitz habe die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Aus dem rechtskräftigen Räumungsurteil gegen den Mieter folge, dass dieser kein Recht zum Besitz mehr für sich in Anspruch habe nehmen können. Der Hinweis der Beklagten, dass sie schon länger mit dem Mieter in der Wohnung zusammengelebt und auch die Miete gezahlt habe, sei daher ohne Belang. Mit der Räumung der Wohnung sei eine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten. Zwar sei eine Leistungsbewirkung im Rahmen der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht als erledigendes Ereignis anzusehen. Für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gelte aber etwas anderes, da auch eine unfreiwillige Aufgabe des Besitzes zum Verlust desselben führe. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung habe daher ein Besitz der Beklagten nicht mehr bestanden , so dass der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB entfallen sei.
III.
- 5
- Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht nimmt allerdings rechtsfehlerhaft an, dass die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgte Räumung der Wohnung ein erledigendes Ereignis darstellt, infolge dessen die Klage unbegründet geworden ist.
- 7
- a) Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 395 mwN).
- 8
- aa) Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung vollstreckt, tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269) und damit auch keine Erledigung ein. Dasselbe gilt für Leistungen, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbracht werden (BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 38/83, BGHZ 94, 268, 274; Beschluss vom 21. September 2005 - XII ZR 256/03, NJW-RR 2006, 16). Die Leistung erfolgt in beiden Fällen unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts (BGH, Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269), sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (MünchKommBGB /Fetzer, 6. Aufl., § 362 Rn. 28; MünchKomm-ZPO/Götz, 4. Aufl., § 708 Rn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 708 Rn. 4; Saenger/Kindl, ZPO, 5. Aufl., § 708 Rn. 2; Krüger, NJW 1990, 1208, 1210 f.). Daher stellt auch die Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung keine Erfüllung des Rückgewähranspruchs nach § 546 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 24. März 2004 - VIII ZR 188/03, NJW 2004, 1736, 1737) und damit kein die Hauptsache erle- digendes Ereignis dar (BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135 Rn. 11).
- 10
- (1) Allerdings wird vertreten, dass jeder Besitzverlust zum Wegfall der Vindikationslage führe und deshalb auch der auf einer (drohenden) Zwangsvollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren, auf die Herausgabe einer Sache gerichteten Titels beruhende Besitzverlust die Erledigung der Hauptsache zur Folge habe (BeckOK-BGB/Fritzsche, Edition 29, § 985 Rn. 10; Staudinger /Gursky, BGB [2013], § 985 Rn. 48, 55).
- 11
- (2) Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Ein sachgerechter Grund, die Rechtsfolgen einer Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel bei einem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB abweichend von anderen Ansprüchen zu behandeln, ist nicht erkennbar. Der Streitgegenstand des Verfahrens wird mit der zwangsweisen Herausgabe der Sache nicht beseitigt. Sie erfolgt, wie andere Erfüllungshandlungen, unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts und soll nur für diesen Fall materiellrechtliche Wirkungen entfalten. Das rechtfertigt es, bis zum Eintritt der Rechtskraft für den Herausgabeanspruch von einer fortbestehenden Vindikationslage zwischen den Parteien auszugehen (so im Ergebnis auch RG, HRR 1929 Nr. 104; OLG Düsseldorf, ZMR 2010, 677, 679; OLGR 2009, 341, 342; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 985 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Baldus, 6. Aufl., § 985 Rn. 153).
- 12
- Nur so lassen sich zudem Wertungswidersprüche insbesondere zu dem Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB vermeiden. Bei diesem hat die zwangsweise Räumung einer Wohnung keine Erledigung der Hauptsache zur Folge (BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135 Rn. 11). Konkurriert der Anspruch aus § 546 BGB, wie häufig, mit einem Anspruch aus § 985 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. November 1995 - VIII ZR 41/80, BGHZ 79, 232, 235), wäre es unverständlich, wenn die Vollstreckung aus einem stattgebenden Urteil den einen Anspruch unberührt, den anderen dagegen entfallen ließe.
- 13
- 2. Der Antrag der Kläger, die Erledigung der Hauptsachefestzustellen, war demnach unbegründet. Nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von ihrer Erledigungserklärung Abstand genommen und erklärt haben , ihren ursprünglichen Antrag weiterzuverfolgen, bleibt der Revision der Erfolg jedoch versagt.
- 14
- a) Die Kläger waren nicht gehindert, zu ihren ursprünglichen Anträgen zurückzukehren. Eine Erledigungserklärung ist frei widerruflich, solange sich die beklagte Partei ihr nicht angeschlossen und das Gericht keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die klagende Partei regelmäßig - auch in der Revisionsinstanz - von der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung Abstand nehmen und ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen zu ihrem ursprünglichen Klageantrag zurückkehren. Die darin liegende Klageänderung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO noch in der Revisionsinstanz zulässig, wenn - wie hier - der Sachverhalt, auf den sich die früheren Anträge stützen, vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - I ZR 157/98, NJW 2002, 442 f.).
- 16
- aa) Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich dies bereits aus dem rechtskräftigen Räumungsurteil gegenüber dem Mieter W. ergibt. Dieses Urteil wirkt nur zwischen den Klägern und dem Mieter, nicht aber auch im Verhältnis zu der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - XII ZR 178/03, NZM 2006, 699 Rn. 32; Urteil vom 21. April 2010 - VIII ZR 6/09, NZM 2010, 699 Rn. 9 zu § 546 BGB). Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte erst nach Rechtshängigkeit der gegen den Mieter erhobenen Räumungsklage in den Besitz der streitbefangenen Sache gekommen wäre (vgl. § 325 Abs. 1 ZPO). Dies ist jedoch nicht festgestellt; die Revision zeigt auch keinen Vortrag hierzu auf.
- 17
- bb) Rechtsfehlerfrei stützt das Berufungsgericht seine Entscheidung aber zusätzlich darauf, dass die Beklagte ein Recht zum Besitz der Wohnung nicht dargelegt hat. Im Gegensatz zu einem Herausgabeanspruch nach § 546 BGB, bei dem der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die Beendigung des Mietverhältnisses trägt (BeckOK-BGB/Ehlert, Edition 30, § 546 Rn. 33; MünchKomm-BGB/Bieber, 6. Aufl., § 546 Rn. 26), hat im Rahmen des § 985 BGB der Besitzer darzulegen und zu beweisen, dass ihm ein Recht zum Besitz zusteht (BGH, Urteil vom 25. September 1985 - VIII ZR 270/84, NJW-RR 1986, 282). Die Beklagte hätte daher darlegen müssen, dass das Mietverhältnis zwischen den Klägern und dem Mieter W. fortbestand und sie die Berechtigung zum Mitbesitz der Wohnung von dem Mieter ableitete. Schon an Ersterem - der Darstellung, dass der Mieter (weiterhin) zum Besitz berechtigt ist - fehlt es.
IV.
- 18
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Czub Brückner
Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 26.06.2012 - 208 C 338/11 -
LG Köln, Entscheidung vom 28.03.2013 - 10 S 118/12 -
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Annotations
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
(2) Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen.
(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.
(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.
(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.
(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)