Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2001 - IV ZR 309/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der klagende Versicherungsverein macht Amtshaftungsansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG in Zusammenhang mit einem Brandschadensfall geltend.Infolge der Hitzeentwicklung bei dem Brand einer Leichtbaubürobaracke auf der Baustelle eines Fachhochschulgebäudes mußten mehre-
re von der Generalunternehmerin, der ARGE "Laborgebäude FH T.", beauftragte Subunternehmer ihre noch nicht abgenommenen Leistungen an der Fassade erneut erbringen.
Der Kläger wirft der beklagten Stadt vor, ihre Amtspflichten bei der Brandvorsorge und bei dem Löscheinsatz verletzt zu haben. Er verfolgt aus übergegangenem Recht Ansprüche der Subunternehmer, an die er Versicherungsleistungen in Höhe von 500.000 DM erbracht haben will. Dazu behauptet er, als führender Versicherer neben anderen Versicherungsgesellschaften mit der ARGE eine Versicherung über die Deckung von Bauleistungsrisiken abgeschlossen zu haben, in der auch Subunternehmerleistungen mitversichert seien.
Das Landgericht hat die Klage wegen unzureichender Substantiierung des Schadensbetrages als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet gehalten; der Kläger habe den Abschluû eines Bauleistungsversicherungsvertrages nicht schlüssig dargetan.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe sich zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses und damit des Forderungsüberganges auf einen mit der G. Versicherungsmakler GmbH als Vertreterin der ARGE abgeschlossenen Rahmenvertrag berufen. Dieser Rahmenvertrag könne nicht als Versicherungsvertrag angesehen werden , da es an den wesentlichen Bestandteilen (Bezeichnung der Vertragsparteien , des konkreten Bauvorhabens und der Versicherungssumme ) fehle.
Das konkretisierende Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Rahmenvertrag stelle lediglich ein Angebot an potentielle Versicherungsnehmer zum Abschluû eines Versicherungsvertrages dar, das die ARGE ihm gegenüber sodann mündlich angenommen habe, sei nach §§ 528 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Eines gerichtlichen Hinweises habe es im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung beider Parteien und die Hinweise der Beklagten auf den unzureichenden Sachvortrag in der Klage- und Berufungserwiderung nicht bedurft.
II. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die geltend gemachten Ansprüche scheitern nicht an der Feststellung des Berufungsgerichts, es fehle an schlüssigem Sachvortrag zu
dem für einen Forderungsübergang gemäû § 67 VVG erforderlichen Versicherungsverhältnis.
1. Mit Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe insoweit schriftsätzliches Vorbringen des Klägers unter Verstoû gegen § 286 ZPO unbeachtet gelassen.
a) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, der Kläger habe den Abschluû eines Bauleistungsversicherungsvertrages mit der ARGE nicht rechtzeitig dargetan, lediglich auf den zunächst vorgelegten Rahmenvertrag abgestellt. Dieser Rahmenvertrag hat auch die Beklagte veranlaût, in der Klageerwiderung die Aktivlegitimation des Klägers mit Nichtwissen zu bestreiten. Dabei hat das Berufungsgericht übersehen, daû der Kläger daraufhin substantiiert vorgetragen hat, die ARGE sei in bezug auf das Bauvorhaben seine Versicherungsnehmerin gewesen. Er hat dazu unter anderem auf die seinem Schriftsatz beigefügte Prämienrechnung vom 21. Juli 1992 verwiesen. Diese Prämienrechnung gibt den wesentlichen Inhalt des behaupteten Versicherungsvertrages wieder. Sie enthält insbesondere die Angaben des Versicherers, des Versicherungsnehmers , der Versicherungssumme, des versicherten Risikos, der Versicherungsdauer und der Erstprämie, die Bestätigung des Deckungsschutzes ab dem 19. Juni 1992, die Regelung des Selbstbehalts sowie die Einbeziehung der beigefügten Versicherungsbedingungen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Sie hat lediglich im Hinblick auf den Rahmenvertrag die Aktivlegitimation des Klägers weiterhin bestritten.
b) Von dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers ist auszugehen (§ 138 Abs. 3 ZPO), wonach ein Versicherungsverhältnis zwischen ihm und der ARGE mit dem in der Prämienrechnung wiedergegebenen Vertragsinhalt zustande gekommen ist. Denn der zu berücksichtigende unstreitige Sachvortrag ergibt sich aus dem mündlichen Parteivortrag in der Schluûverhandlung vor dem Berufungsgericht, den das Revisionsgericht gemäû §§ 314, 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen hat. Soweit darin auf Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen wird (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO), ist davon auszugehen , daû auch deren Inhalt zum Bestandteil der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 27. April 1988 - IVa ZR 302/86 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Tatbestand 2 m.w.N.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148 unter II 4 b = MDR 1992, 960). Das Berufungsgericht hat in seinem Tatbestand auf die in erster wie in zweiter Instanz gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Jedenfalls über diese Bezugnahme ist das Klägervorbringen zu dem gemäû § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Inhalt der Verhandlung geworden.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben, da es von einem anderen Sach- und Streitstand ausgegangen ist als von dem, der sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt, und eine am richtigen Sach- und Streitstand orientierte Beurteilung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1988, aaO). Ob die Zurückweisung verspäteten Vorbringens durch das Berufungsgericht und die von ihm verneinte gerichtliche Hinweispflicht einer rechtlichen Nach-
prüfung standgehalten hätten, kann dahinstehen. Die Klage durfte bereits nach dem bisher unstreitigen Sachvortrag zu dem Versicherungsverhältnis nicht wegen unschlüssiger Darlegung eines Forderungsüberganges gemäû § 67 VVG abgewiesen werden.
Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen zu Grund und Höhe des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs nachholen kann. Dabei wird es sich auch mit der im Hinblick auf die weiteren beteiligten Versicherer bestrittenen Aktivlegitimation der Klägerin zu befassen haben (zur gewillkürten Prozeûstandschaft aufgrund einer Führungsklausel vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - I ZR 49/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch
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Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.
(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.
(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.
Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Das Urteil enthält:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist; - 4.
die Urteilsformel; - 5.
den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.