Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2014 - II ZR 273/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Er beteiligte sich im Jahr 1997 mit 250.000 DM nebst 5 % Agio über einen Treuhandkommanditisten an dem geschlossenen Immobilienfonds D. GmbH & Co. M. und Be. , R. straße KG (im Folgenden: Fonds). Unter Berufung auf verschiedene Prospektmängel begehrt er von der Beklagten zu 1) als Gründungskomplementärin und der Beklagten zu 2) als Gründungskommanditistin des Fonds im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.
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- Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung von 143.313,32 € nebst Zinsen verlangt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungsrechte an dem Fonds. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagten im Annahmeverzug seien und dass sie verpflichtet seien, ihm allen künftigen Schaden aus der Beteiligung zu ersetzen.
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- Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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- Ob der verwendete Prospekt fehlerhaft gewesen sei, könne ebenso offen bleiben wie die Höhe eines möglichen Schadens und die Frage der Verjährung. Denn der Kläger habe jedenfalls nicht nachgewiesen, dass etwaige Prospektfehler und eine möglicherweise unzutreffende Beratung durch den Mitarbeiter der die Anlage vermittelnden B. , S. , ursächlich für den Beitritt geworden seien. Der Kläger habe bei seiner Anhörung zwar ausgesagt, dass er sich mit der Beteiligung eine Altersversorgung habe schaffen wollen und den Prospekt mit S. durchgegangen sei und ihn ausführlich studiert habe. Ergänzend habe der Kläger vorgetragen, dass mindestens drei Beratungsgespräche mit S. stattgefunden hätten, wovon zwei in Gegenwart seines Steuerberaters geführt worden seien, und dass S. dabei die Anlage als hervorragende Zusatzversorgung im Alter herausgestellt habe. Dem stehe aber die ebenso glaubhafte Aussage des Zeugen S. gegenüber, wonach dem Kläger im Rahmen von regelmäßigen gemeinsamen Mittagessen der Prospekt übergeben worden sei, ohne dass Beratungsgespräche geführt worden seien. Angesichts dessen könne nicht festgestellt werden, welche Kenntnisse sich der Kläger über den Fonds verschafft habe und welche Motive ihn zu dem Erwerb der Beteiligung geleitet hätten. Es könne durchaus sein, dass die gerügten Prospektfehler auf die Anlageentscheidung keinen Einfluss gehabt hätten.
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- II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- 1. Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Beklagten mittels der Verwendung eines inhaltlich falschen, irreführenden oder unvollständigen Prospekts ihre Aufklärungspflicht aus dem Vertragsanbahnungsverhältnis mit dem Kläger verletzt haben. Für das Revisionsverfahren ist ein Aufklärungsfehler somit zu unterstellen. Dass die Haftung der Gründungsgesellschafter aus Verschulden bei Vertragsschluss im Streitfall auch den Kläger erfasst unabhängig davon, dass er sich nicht als Kommanditist, sondern als Treugeber über einen Treuhandkommanditisten beteiligen wollte, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.
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- 2. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen in seiner Ansicht, die Klage sei unbegründet, weil sich anhand der durchgeführten Beweisaufnahme einschließlich der Anhörung des Klägers nicht feststellen lasse, welche Motive für den Kläger bei seiner Anlageentscheidung ausschlaggebend gewesen seien, ob also die behaupteten Prospektfehler ursächlich für die Anlageentscheidung gewesen seien. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revi- sion zu Recht rügt, die für eine Anlageentscheidung geltenden Beweisgrundsätze verkannt.
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- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; Urteil vom 15. Dezember 2003 - II ZR 244/01, ZIP 2004, 312, 313; Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Rn. 6; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 17 f.; Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, ZIP 2012, 1335 Rn. 28 ff.; Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, ZIP 2013, 935 Rn. 15). Durch unzutreffende oder unvollständige Informationen des Prospekts wird in das Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht. Das Bestehen von Handlungsvarianten ist nicht geeignet, diese auf der Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung der Ursächlichkeit fehlerhafter Prospektdarstellungen für die Anlageentscheidung bei Immobilien zu entkräften, bei denen es in der Regel vordringlich um Sicherheit, Rentabilität und Inflationsschutz geht (BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 17 f.). Nach der Auffassung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs handelt es sich dabei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff.; Urteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 318/10, BKR 2013, 212 Rn. 18 f.).
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- b) Danach geht das non liquet im vorliegenden Fall zu Lasten der Beklagten. Dabei kann offen bleiben, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden oder eine Beweislastumkehr anzunehmen ist. Die Beklagten haben die auf der Lebenserfahrung beruhende Vermutung nicht widerlegen können , dass die behaupteten Prospektfehler für die Anlageentscheidung des Klägers ursächlich waren. Aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen des Klägers und des Zeugen S. steht lediglich fest, dass der Prospekt rechtzeitig vor der Anlageentscheidung dem Kläger übergeben worden ist. Auf die Frage , ob und unter welchen Voraussetzungen ein fehlerhafter Prospekt auch ohne Übergabe zu einem Aufklärungsmangel führt (s. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17; Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 70/12, juris Rn. 11; Urteil vom 23. April 2013, - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rn. 27), kommt es mithin nicht an.
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- III. Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Die Sache ist zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die noch fehlenden Feststellungen treffen kann.
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.09.2011 - 27 O 20034/09 -
OLG München, Entscheidung vom 31.07.2012 - 13 U 3995/11 -
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.