Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 501/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Pascal H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Andrzej J. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin für den Nebenkläger Markus W. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat sich auf Grund der glaubhaften Angaben des Nebenklägers davon überzeugt, dass dieser am 19. Juli 2008 gegen 4.00 Uhr am Baldeneysee in Essen, wo er in seinem auf einem Parkplatz abgestellten Wohnmobil schlief, von insgesamt vier Tätern überfallen wurde. Diese forderten die Herausgabe von Wertsachen, Mobiltelefonen oder Geld und verliehen ihren Forderungen zunächst durch Schläge gegen das Wohnmobil und durch Beschimpfungen Nachdruck. Der Nebenkläger, der angesichts der zunehmend aggressiv vorgehenden Täter Angst bekam und sich in seinen Verteidigungs- möglichkeiten eingeschränkt sah, weil er unbekleidet war, reichte ihnen durch ein spaltbreit aufgeschobenes Fenster etwa fünf Euro Münzgeld heraus. Einer der vier Angreifer, die seiner Versicherung, über kein weiteres Geld mehr zu verfügen, keinen Glauben schenkten, schlug daraufhin das Schiebefenster des Wohnmobils mit einem Radmutterschlüssel ein. Nachdem der Nebenkläger unter dem Eindruck dieses Vorgehens nunmehr auch eines seiner Mobiltelefone herausgegeben hatte, versuchte einer der Täter, ihn von außen durch das vollständig zersplitterte Fenster mit dem Radmutterschlüssel zu schlagen. Das gelang jedoch nicht, weil der Nebenkläger in das Innere des Fahrzeugs auswich. Ein weiterer der vier Täter schlug sodann das Fenster der Fahrertür ein, öffnete die Tür, lehnte sich über den Fahrersitz nach hinten und schlug den Nebenkläger mehrfach mit einem Fahrradspanngurt, der an den Enden mit Metallhaken versehen war. Der Nebenkläger, der dadurch mehrere Striemen am Oberkörper davontrug, verteidigte sich seinerseits mit einer Metall-Taschenlampe. Es gelang ihm, dem Täter am Schiebefenster vorübergehend den Radmutterschlüssel zu entwinden, nachdem dieser das zweite Mobiltelefon des Nebenklägers durch das zerbrochene Fenster an sich genommen hatte, er gab das Werkzeug aber nach Androhung des Einsatzes einer Schusswaffe wieder zurück. Der in den Fahrerbereich des Wohnmobils eingedrungene Angreifer hatte in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger abgelassen und nahm aus der Frontablage ein Navigationsgerät, ein Ladekabel, mehrere CDs sowie den Zündschlüssel für das Firmenfahrzeug des Nebenklägers an sich. Daraufhin entfernten sich die Angreifer mit den entwendeten Gegenständen unter Benutzung eines unbeleuchteten Pkws.
3
2. Die Strafkammer hat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass die Angeklagten, die den Tatvorwurf bestritten und sich dahin eingelassen haben, sie seien zum Tatzeitpunkt jeweils zu Hause gewesen, zusammen mit zwei weiteren, unbekannt gebliebenen Personen die Täter waren. Insbesondere bestehen aus Sicht des Landgerichts begründete Zweifel daran, dass der Nebenkläger die Angeklagten zuverlässig wiedererkannt hat.
4
a) Dem liegt Folgendes zu Grunde:
5
Bei Anzeigeerstattung noch in der Tatnacht (19. Juli 2008) bekundete der Nebenkläger, die Täter nicht einzeln beschreiben zu können, da sie alle „irgendwie gleich ausgesehen“ hätten. Es habe sich um etwa 1,80 Meter große, ca. 25 Jahre alte männliche Personen mit schwarzen, kurzen Haaren, südländischem Aussehen und kräftigen Staturen gehandelt, bei denen er eine türkische Herkunft vermute. Sie hätten die deutsche Sprache mit einem leichten Akzent gesprochen und eine schwarze, viertürige Limousine benutzt. Er nehme an, es sei ein Pkw Audi 80 älterer Bauart mit abgerundeter Karosserie gewesen. Am 29. Dezember 2008 führte die Polizei zwei computergestützte Wahllichtbildvorlagen durch, wobei jede Vorlage aus acht Lichtbildern bestand, von denen jeweils eines einen der beiden Tatverdächtigen, die sieben anderen computergenerierte Bilder nicht existierender Personen zeigten. Die Bilder wurden dem Nebenkläger am Computerbildschirm einzeln nacheinander gezeigt (sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage). Der Nebenkläger, dem zu Beginn der Vorlage mitgeteilt worden war, dass sich in jeder der Lichtbildvorlagen jeweils einer der Tatverdächtigen befinden würde, erkannte den Angeklagten H. beim ersten Durchgang auf Bild Nr. 8 zu 100 %; die anderen Personen erkannte er nicht wieder. Im zweiten Durchgang erkannte er bereits auf Bild Nr. 2 den Angeklagten J. , ebenfalls mit 100%-iger Sicherheit. Die auf dem ersten Bild dieser zweiten Vorlage abgebildete Person erkannte der Nebenkläger nicht. Entsprechend den einprogrammierten Systemvorgaben wurde der gesamte Vorgang unmittelbar nach Wiedererkennung des zweiten Angeklagten beendet. Am 30. Januar 2009 legte die Polizei dem Nebenkläger eine weitere Lichtbildvorlage mit acht Personen arabischen bzw. afrikanischen Aussehens vor; er erkannte jedoch niemanden. In der Hauptverhandlung am 12. April 2010 hat der Geschädigte die Angeklagten ebenfalls wiedererkannt.
6
b) Nach Auffassung der Strafkammer spricht die Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers zwar für sich betrachtet für deren Richtigkeit. Sie sei aber nicht ohne Beeinflussung des Zeugen zustande gekommen, da dieser jeweils vor Beginn der Vorlage beider Lichtbildserien darüber informiert worden sei, dass sich in jeder Serie einer der Verdächtigen befinde. Es könne zwar offen bleiben, ob diese Beeinflussung des Zeugen allein geeignet sei, die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung in Frage zu stellen. Zahlreiche weitere Unstimmigkeiten begründeten jedoch jeweils für sich gesehen und in der Gesamtschau erhebliche Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten. So sei die sequentielle Wahllichtbildvorlage erst fünf Monate nach der Tat durchgeführt worden , die vom Nebenkläger abgegebene, sehr allgemeine Beschreibung der Täter noch in der Tatnacht stimme mit deren tatsächlichen Merkmalen nicht überein , ferner habe der Angeklagte H. zum Tatzeitpunkt keinen schwarzen Pkw der Marke Audi in ständiger Benutzung gehabt, sondern einen roten Pkw Opel Vectra, der im Übrigen zum Tatzeitpunkt an anderer Stelle in EssenBredeney gesehen worden sei. Außerdem sei ein Fingerspurenabgleich negativ verlaufen.

II.


7
Der Freispruch hat keinen Bestand.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (BGH, Urteil vom 6. November 1998 aaO; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Insbesondere dann, wenn er nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen zieht, muss der Tatrichter tragfähige Gründe anführen, die sein Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 aaO; Urteil vom 17.
März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jeweils m.w.N.).
9
2. Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
a) Zum einen lassen die Ausführungen im angefochtenen Urteil besorgen , dass die Strafkammer an die für eine Verurteilung der Angeklagten erforderliche Gewissheit zu hohe Anforderungen gestellt hat. Dies gilt namentlich für die Bewertung der Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers.
11
aa) Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer in den Urteilsgründen zwar noch hinreichend dargelegt, auf welche Weise die sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage mit dem Nebenkläger durchgeführt wurde (vgl. dazu nur Senatsbeschluss vom 27. Februar 1996 – 4 StR 6/96, NStZ 1996, 350 m.w.N.). Die Wertung der Strafkammer, die von dem Nebenkläger bei dieser Lichtbildvorlage gezeigte Wiedererkennungsleistung sei in ihrem Beweiswert schon deshalb gemindert, weil dem Zeugen vor Durchführung der Vorlage mitgeteilt worden sei, in jeder der beiden Lichtbildserien befinde sich das Bild eines Tatverdächtigen, vermag der Senat nicht zu teilen.
12
bb) Es trifft zwar zu, dass die Ermittlungsbehörden bei Wahllichtbildvorlagen wie auch bei Wahlgegenüberstellungen a lles zu unterlassen haben, was den jeweiligen Zeugen in seiner Unvoreingenommenheit beeinflussen kann. Danach versteht es sich von selbst, dass Kommentare seitens der Vernehmungsbeamten aus Anlass der Vorlage einzelner Lichtbilder das Ergebnis einer Wiedererkennungsleistung ebenso entscheidend entwerten können wie die fehlerhafte Ausgestaltung von Lichtbildbögen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 1993 – 4 StR 588/92, StV 1993, 234 [Beamter weist auf das Lichtbild des Verdächtigen besonders hin]; BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, NStZ 1998, 266 [Bild des Verdächtigen größer als die anderen]). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht stützt seine Annahme, der Nebenkläger sei suggestiv beeinflusst worden, allein auf die ihm von dem Vernehmungsbeamten gegebene Information, in jeder Bildserie befinde sich das Bild eines der Verdächtigen (ebenso wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 1983 – 3 HEs 77/83, NStZ 1983, 377). Eine solche Mitteilung stellt jedoch noch keine unzulässige Suggestion des betroffenen Tatzeugen dar, es sei denn, dass die Unbefangenheit des Zeugen beim Wiedererkennungsvorgang durch Hinzutreten besonderer Umstände unsachgemäß in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Auch im vergleichbaren Fall der Wahlgegenüberstellung wird deren Beweiswert nicht schon dadurch gemindert oder in Frage gestellt, dass der Zeuge, sei es mit oder ohne eine entsprechende Information, weiß oder jedenfalls davon ausgeht, dass sich unter den Auswahlpersonen auch die Person des Tatverdächtigen befindet.
13
cc) Die Strafkammer hätte in diesem Zusammenhang auch nicht unerörtert lassen dürfen, dass dem Ergebnis einer sequentiellen Wahllichtbildvorlage in der Regel ein höherer Beweiswert zukommt als dem einer gleichzeitigen Vorlage aller Bilder (so schon Senatsbeschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419 zur sequentiellen Wahlgegenüberstellung). Dies beruht bei sequentiell vorgenommener Vorlage von Lichtbildern ebenso wie bei einer solchen Form der Wahlgegenüberstellung vor allem auf dem Umstand, dass dem Zeugen in Ermangelung zeitgleich vorgelegter (weiterer) Lichtbilder oder vorgeführter Personen die Identifizierung im Wege eines – in der Praxis häufig vorkommenden – Ausschlussverfahrens am Maßstab eines (relativen) Ähnlichkeitsurteils regelmäßig verschlossen ist. Der Zeuge kann und muss vielmehr bei je- dem einzelnen Bild bzw. bei jeder einzelnen Person ausschließlich auf sein aktuelles Erinnerungsbild zurückgreifen. Es kommt hinzu, dass die Wiedererkennungssicherheit im vorliegenden Fall trotz der verstrichenen Zeit in beiden Durchgängen einhundert Prozent betrug. Da das Landgericht alle Beweisanzeichen einer Gesamtbetrachtung unterzogen hat, ist nicht auszuschließen, dass bei einer anderen Gewichtung der Wiedererkennungsleistung die Entscheidung anders ausgefallen wäre.
14
dd) Die Erwägung, gegen eine sichere und fehlerfreie Wiedererkennung der Täter durch den Angeklagten sprächen die schlechten Beleuchtungsverhältnisse auf dem Parkplatz in Tatortnähe, erweist sich vor dem Hintergrund der zum unmittelbaren Tathergang getroffenen Feststellungen auch als lückenhaft. Danach war der in das Wohnmobil eingedrungene Täter nicht nur in der Lage, den Geschädigten durch Schläge mit einem Fahrradspanngurt zu treffen. Er durchsuchte im Anschluss daran den Fahrer- bzw. Beifahrerbereich des Fahrzeugs gezielt nach Beute und nahm aus der dortigen Ablage verschiedene Gegenstände an sich, u. a. den Schlüssel für das Firmenfahrzeug des Geschädigten. Warum dem Täter dies trotz der mangelhaften Beleuchtungsverhältnisse möglich war, war daher unter den gegebenen Umständen erörterungsbedürftig.
15
b) Die Beweiserwägungen des Landgerichts erweisen sich auch in anderer Hinsicht als teilweise lückenhaft und widersprüchlich.
16
aa) Nach den Feststellungen der Strafkammer befand sich der vom Angeklagten H. ständig genutzte rote Pkw Opel Vectra in der Tatnacht gegen 4.00 Uhr, besetzt mit drei bis vier nicht identifizierten Personen, in EssenBredeney , etwa fünfzehn Autominuten vom Tatort entfernt. Dort bemerkte der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der Zeuge T. , der in dieser Gegend mit Objektschutzaufgaben betraut war, das Fahrzeug und notierte sich dessen amtliches Kennzeichen. Als die Insassen des Fahrzeugs den Zeugen bemerkten, schalteten sie die Fahrzeugbeleuchtung aus und entfernten sich mit hoher Geschwindigkeit.
17
bb) Für das Landgericht ergeben sich aus dieser Begebenheit weitere Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten, da diese sich, so die Strafkammer, nicht zur selben Zeit an zwei Orten gleichzeitig hätten aufhalten können. Abgesehen davon, dass in den Urteilsgründen an anderer Stelle ausdrücklich offen gelassen wird, ob sich die Angeklagten und ihre Mittäter überhaupt in dem Pkw befanden, könnte sich diese Erwägung, worauf die Revision zutreffend hinweist, zu Gunsten der Angeklagten nur dann als tragfähig erweisen, wenn eine genaue Tatzeit feststünde. Aus den Urteilsgründen ergibt sich für die Tatausführung aber ein Zeitfenster von mindestens einer Stunde. Angesichts der geringen Entfernung des von dem Zeugen T. bemerkten roten Opel Vectra zum Tatort hätte dies genauerer Erörterung bedurft. Die nahe liegende Möglichkeit, dass die Angeklagten zur Erschwerung ihrer Identifizierung mit einem anderen Fahrzeug als mit dem vom Angeklagten H. ständig genutzten Pkw zum Tatort gefahren sind, wird vom Landgericht nicht in Betracht gezogen. Indem die Strafkammer in diesem Zusammenhang darlegt, es erscheine nicht lebensfern, dass der Angeklagte H. sein Fahrzeug in der Tatnacht anderen Personen zur Begehung von Straftaten geliehen haben könnte, unterstellt sie vielmehr zu Gunsten der Angeklagten eine Geschehensvariante, die in den übrigen Feststellungen keine Stütze findet.
18
Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
19
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass auch das (wiederholte) Wiedererkennen in der Hauptverhandlung einen , wenn auch eingeschränkten, Beweiswert haben kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, Tz. 15) und insoweit die Wiedergabe der von einem Zeugen gegebenenfalls besonders hervorgehobenen Wiedererkennungs- und Identifizierungsmerkmale eines Täters in den Urteilsgründen wünschenswert ist. Im Hinblick auf die Bewertung der Beschreibung der Täter durch den Nebenkläger noch in der Tatnacht wird der neue Tatrichter andererseits bedenken müssen, dass es kaum je zu erwarten ist, dass ein Tatopfer sich alle persönlichen Merkmale eines Täters einprägt und mit der gleichen Zuverlässigkeit alle Merkmale wiedergeben kann. Es bedarf insoweit jeweils einer umfassenden Abwägung, bei der die besonderen Umstände des Falles – hier: nächtlicher Angriff von vier Tätern auf ein schlafendes Opfer – zu bedenken sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153; Urteil vom 28. Oktober 1992 – 3 StR 410/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 14). Für den Fall, dass es für die Überzeugungsbildung auch auf eine sog. Weg-Zeit-Berechnung ankommen sollte, weist der Senat vorsorglich auf den möglicherweise eingeschränkten Beweiswert einer solchen Berechnung hin (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 1992 aaO).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

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Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


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Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - und
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, welche vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit der Sachrüge.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte bewohnte gemeinsam mit dem Geschädigten S. das Doppelzimmer Nr. 24 des Männerwohnheims der C. in Stutt- gart. Zwischen ihnen bestand ein freundschaftliches Verhältnis. Der Angeklagte unterstützte S. in privaten sowie behördlichen Angelegenheiten und hat ihm auch den Platz im Wohnheim beschafft. Beide sind dem Trinkermilieu zuzurechnen.
5
Am Vormittag des 2. Juni 2007 erhielten sie Besuch von dem Mitbewohner K. , der ebenfalls "russlanddeutscher Aussiedler" war und sich mit S. angefreundet hatte. Das Verhältnis des Angeklagten zu K. war dagegen aufgrund nicht aufgeklärter Vorfälle belastet. Die drei Personen tranken im Zimmer eine 0,7 Liter fassende Flasche Wodka aus.
6
Um die Mittagszeit - nach 11.30 Uhr - verließen S. und K. das Wohnheim, während der Angeklagte allein im Zimmer 24 zurückblieb. Die beiden suchten eine Tankstelle auf, wo sie eine weitere Flasche Wodka und einige Flaschen Bier konsumierten, die S. , der am Tag zuvor sein Arbeitslosengeld II erhalten hatte, bezahlte. Im Laufe des Nachmittags - der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht feststellen - kehrten sie ins Wohnheim zurück. S. war so betrunken, dass er nur von K. gestützt sein Zimmer erreichen konnte. Die dem später Geschädigten um 19.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 4,2 ‰. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte bei der Rückkehr S. s sich in ihrem Zimmer aufhielt. K. ging in sein eigenes Zimmer Nr. 20.
7
Der Angeklagte kaufte sich um 15.37 Uhr in einem Kiosk am Stuttgarter Hauptbahnhof zwei Schachteln der von ihm gerauchten Zigarillos der Marke "Basic Blue". Die Uhrzeit ergibt sich aus den Aufzeichnungen der Registrierkasse. Der Weg vom Wohnheim dorthin beträgt ca. zehn Gehminuten.
8
Am Nachmittag des 2. Juni 2007 vor 17.45 Uhr wurde der Zeuge S. von einer unbekannten Person in seinem Zimmer angegriffen und schwer verletzt. Es bestand akute Lebensgefahr. Er erlitt eine stark blutende, doppelte offene Unterkiefer- sowie Nasenbeinfraktur und verschiedene Schürfwunden. Außerdem wurde er am Hals mit einem kabelartigen Gegenstand, dessen Adern teilweise freilagen, gedrosselt, wodurch im Halsbereich deutlich sichtbare Strangmarken entstanden. Ein Stahldraht - ein Teil des Tatwerkzeugs - wurde am 5. Juni 2007 in der Nähe des Bettes des Angeklagten unter dort abgestellten Badezimmerpantoffeln aufgefunden.
9
Der verletzte S. wurde am Tattag gegen 17.45 Uhr vom Pförtner L. in nicht ansprechbarem, blutverschmiertem Zustand, auf einem Treppenabsatz liegend, vorgefunden. Mit Hilfe eines weiteren Bewohners brachte dieser ihn zurück in sein Zimmer. Herbeigerufene Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Notarzt hielten sich dort von ca. 18.00 Uhr bis 19.05 Uhr auf. In diesem Zeitraum war der Angeklagte nicht im gemeinsam bewohnten Zimmer. Der Geschädigte wurde ins Krankenhaus verbracht und auf der Intensivstation behandelt.
10
Um 20.20 Uhr versuchten Kriminalbeamte, die inzwischen den Fall übernommen hatten, die Tür zum Zimmer 24 mit einem überlassenen Schlüssel zu öffnen. Sie trafen in dem von innen verschlossenen Raum den Angeklagten an und nahmen ihn mit zur Kriminalwache. Die Beamten hatten mehrere blutverdächtige Antragungen an Hemd und Hose des Angeklagten festgestellt. Die sachverständig beratene Kammer gelangt auf der Grundlage eines molekulargenetischen Gutachtens zu der Überzeugung, dass diese Blutspuren vom Geschädigten S. herrühren.
11
2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruht auf folgenden Erkenntnissen:
12
a) Die wechselnden Einlassungen des einschlägig vorbestraften Angeklagten :
13
Gegenüber KOK T. gab er am Tattag um 20.20 Uhr an, er habe gegen 18.00 Uhr das Wohnheim verlassen. Zu dem Zeitpunkt sei es S. noch gut gegangen. Vor dem Haftrichter führte er aus, als er gegen 16.30 Uhr das Wohnheim verlassen habe, seien S. und K. bereits zurück gewesen. In der Hauptverhandlung ließ er sich dahin ein, er habe S. am Tattag nicht mehr gesehen, nachdem dieser mit K. fortgegangen sei. Er selbst habe das Wohnheim gegen 15.00 Uhr verlassen, habe nach dem Zigarillokauf noch zwei Bekannte getroffen und sei um 18.30 Uhr in das Zimmer zurückgekehrt. Zu dem Zeitpunkt sei niemand darin gewesen. Beim Haftrichter sei er falsch verstanden worden.
14
b) Die Blutspuren des Geschädigten auf Hemd und Hose des Angeklagten :
15
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich ferner dahin eingelassen , das Blut des Geschädigten auf seiner Kleidung sei dadurch zu erklären, dass S. am Vormittag des Tattages in einem Krampfanfall mit dem Kopf auf den Tisch geschlagen sei und Nasenbluten bekommen habe. Hierbei müsse er selbst mit dem Blut des Geschädigten in Kontakt gekommen sein. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B. sind die Blutspuren nicht mit einem Nasenbluten zu vereinbaren, weil es sich um Spritzspuren handele.
16
3. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
17
a) Die wechselnden Einlassungen des Angeklagten sieht es zwar hinsichtlich der zeitlichen Einordnung seines Verlassens und seiner Rückkehr zum Wohnheim als widerlegt an, zumal auch die benannten Bekannten sich an ein Treffen mit dem Angeklagten nicht erinnern konnten. Gleichwohl ist das Landgericht der Auffassung, dass nicht ausgeschlossen werden könne, die Tat sei in der Abwesenheit des Angeklagten von mindestens einer halben Stunde, die er zum Zigarillokauf um 15.37 Uhr gebraucht habe, begangen worden.
18
b) Die Blutspuren, bei denen auch das Landgericht von Spritzspuren ausgeht, die nicht von einem Nasenbluten herrühren, seien "nicht geeignet die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen , da das Alter dieser Blutantragungen nicht geklärt werden konnte". In diesem Zusammenhang führt die Kammer u.a. aus, im Trinkermilieu, dem der Angeklagte und S. zuzuordnen seien, stünden Sauberkeit und Hygiene nicht an erster Stelle, sodass nicht damit gerechnet werden könne, dass Kleidungsstücke regelmäßig gewaschen werden. Deshalb sei "es nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar zu einem gewissen Grad wahrscheinlich", dass die auf der Kleidung des Angeklagten gefundenen Blutspuren des Geschädigten schon älter seien.
19
c) Den aufgefundenen Stahldraht hat der Sachverständige B. als Teil des Tatwerkzeugs qualifiziert, weil sich mit diesem zwar nicht alle am Hals des Geschädigten festgestellten Strangmarken erklären ließen, jedoch ein großer Teil. Die molekulargenetische Untersuchung dieses Stahldrahtstückes hat eine Mischspur von zumindest zwei Personen ergeben, die im Hauptspurenanteil dem Geschädigten zuzuordnen ist. Der Angeklagte war aber als Mischspurenverursacher sicher auszuschließen. Nach Meinung der Kammer liege es nicht fern, dass der zweite Verursacher, eine unbekannte Person, der Täter der Körperverletzung sei. Sie könne mit Sicherheit ausschließen, dass nach der Tat jemand mit dem Stahldrahtstück in Berührung gekommen sei, da das Zimmer nach dem Antreffen des Angeklagten um 20.20 Uhr des Tattages von den Kri- minalbeamten verschlossen und danach von niemandem mehr betreten worden sei.
20
d) Ein beim Angeklagten bestehendes Motiv "sei nicht zu erkennen". Es spreche nichts dafür, dass es vor der Tat zu einem Bruch im guten Verhältnis zwischen dem Angeklagten und S. gekommen sei. Bei dieser Sachlage sei "das fehlende Motiv des Angeklagten als ein ihn nicht unerheblich entlastender Gesichtspunkt zu bewerten".

II.

21
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
22
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
23
2. Das Landgericht hat umfänglich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht. Insbesondere hat das Landgericht den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft angewendet.
24
Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichende Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274). Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).
25
a) Das Landgericht hatte u.a. als besonders gewichtiges Belastungsindiz zu prüfen, ob die dem Geschädigten zuzuordnenden Blutspuren auf Hemd und Hose des Angeklagten dessen Täterschaft belegen können. Soweit es eine vor der Tat liegende Entstehung der Blutspuren in Form von Spritzspuren unter Hinweis auf das Trinkermilieu und die in Augenschein genommenen Fotos des Tatortes, die ein vermülltes und unaufgeräumtes Zimmer zeigen, für wahrscheinlich hält, fehlt es an jeglichen Anknüpfungstatsachen, zumal nicht festgestellt werden konnte, wann die betreffenden Kleidungsstücke zuletzt gewaschen oder gereinigt wurden. Das Landgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass sich frühere Übergriffe des Angeklagten auf den Geschädigten nicht feststellen ließen. Der Sachverständige hat Kontakt- oder Tropfspuren ausgeschlossen, das Blut müsse vielmehr auf die Kleidungsstücke gespritzt sein. Das spricht für eine massive Gewalteinwirkung und nicht etwa für eine bloße Verletzung im Alltag. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass im Trinkermilieu Blutanhaftungen in Form von Spritzspuren üblicherweise entstehen. Bei der früheren Entstehung handelt es sich daher um eine rein denktheoretische Möglichkeit ohne verlässliche Tatsachengrundlage. Der Angeklagte selbst hat sich auf eine Entstehung vor dem Tattag nicht berufen. Seine Einlassung, die Ursache sei in einem Nasenbluten des Geschädigten zu sehen, wurde widerlegt. Allein das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten eine frühere Entstehung angenommen, was besorgen lässt, dass der Zweifelssatz auf eine einzelne Indiztatsache angewendet wurde. Dafür spricht auch die Formulierung, die Blutspuren seien nicht geeignet, die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
26
b) Im Rahmen der Motivprüfung stellt die Kammer fest, ein Motiv für einen Angriff auf S. sei beim Angeklagten "nicht zu erkennen". Daraus zieht sie zu Gunsten des Angeklagten den Schluss, ein Motiv "fehle", was sie als einen ihn nicht unerheblich entlastenden Gesichtspunkt bewertet. Bei diesem Schluss wurde der Zweifelssatz - was hier durchgreifend rechtsfehlerhaft ist - auf ein einzelnes Indiz, das Tatmotiv, angewendet. Das Landgericht konnte nämlich ein Tatmotiv lediglich "nicht erkennen", hat daraus aber gleichwohl den Schluss gezogen, dass ein Tatmotiv "fehle". Ein bloß unaufklärbares Motiv ist aber nicht gleichbedeutend mit einem tatsächlich fehlenden Tatmotiv, welches in der Tat ein nicht unerhebliches Entlastungsindiz wäre.
27
3. Im Übrigen wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug genommen.

III.

28
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 513/99
vom
9. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. März 2000 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 12. Februar 1999, soweit er und der Mitangeklagte A. verurteilt worden sind, 1. bezüglich des Angeklagten D.
a) zur Klarstellung hinsichtlich der Verurteilung im Fall II 2 d der Urteilsgründe dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 -) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt ist;
b) im Schuldspruch in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, schuldig ist;
c) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Freiheitsstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten mit den Feststellungen aufgehoben. 2. bezüglich des Mitangeklagten A.
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in dem weiteren Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie der Körperverletzung in zwei Fällen schuldig ist;
b) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 b und d verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten D. "der Vergewaltigung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in den anderen Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, davon wiederum in einem Fall tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung begangen" schuldig gesprochen und ihn "unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 - ) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten" verurteilt. Den Mitangeklagten A. , der keine Revision eingelegt hat, hat es "der Vergewaltigung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, in den anderen zwei Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, außerdem der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen", schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verhängt. Von dem Vorwurf des Menschenhandels sind die Angeklagten freigesprochen worden.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte D. die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Revision hat mit der Sachbeschwerde teilweise Erfolg und ist insoweit gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten A. zu erstrecken; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:


a) Auch die Ablehnungsrüge (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) greift im Ergebnis nicht durch. Allerdings beanstandet der Angeklagte entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zu Recht, daß sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden und einen der beisitzenden Richter als unzulässig (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) verworfen wurde, denn er hat die Ablehnung, nachdem ihm die Umstände, auf die er sie gestützt hat, bekanntgeworden waren, unverzüglich geltend gemacht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Beschwerdeführer hat nämlich das Ablehnungsgesuch nicht allein damit begründet, daß die abgelehnten Richter mit den ihm in der Anklage zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Prostituierten Aurelia Av. und Oksana P. bereits in dem Verfahren befaßt waren, in dem sein Bruder Arben unter anderem wegen Vergewaltigung dieser Frauen verurteilt wurde. Vielmehr hat er darüberhinaus geltend gemacht , daß die Kammer in jenem Verfahren Feststellungen auch zu den gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten A. erhobenen Vorwürfen getroffen und hierzu in den Urteilsgründen unter anderem ausgeführt hatte, sie sei ”fest davon überzeugt,” daß die als Zeuginnen vernommenen Tatopfer ”generell glaubwürdig” und ihre Angaben glaubhaft seien. Von dem Inhalt der Urteilsgründe hatte der Angeklagte, wie in dem Gesuch glaubhaft gemacht worden ist, aber erst unmittelbar vor der Verhandlung am 3. Dezember 1998 Kenntnis erlangt, zu deren Beginn das Ablehnungsgesuch angebracht wurde.
Das Ablehnungsgesuch war jedoch nicht begründet. Die Vorbefassung mit demselben Sachverhalt liefert grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 24 Rdn. 13 m. w. N.), und zwar auch dann nicht, wenn die Schilderung des Tatgeschehens in dem früheren Urteil – wie hier – auch noch nicht
angeklagte Beteiligte einschließt. Die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter aufgrund ihrer Ä ußerungen in dem früheren Urteil wäre nur dann begründet, wenn diese Ä ußerungen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten hätten (vgl. BGH aaO m. N.). Das ist jedoch hier nicht der Fall.
Die Einbeziehung auch der hier abgeurteilten Taten in die Schilderung der in dem früheren Verfahren abgeurteilten Tat zum Nachteil derselben Tatopfer war aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im einzelnen dargelegten Gründen sachlich geboten. Allerdings können die zahlreichen Hinweise in dem früheren Urteil auf die Überzeugung des Gerichts (”fest davon überzeugt”, ”der festen Überzeugung” und ”keinerlei Zweifel”), die zur Darlegung einer den Anforderungen des § 261 StPO genügenden Überzeugungsbildung (vgl. BGH NStZ 1988, 236 und Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 2 m.N.) nicht erforderlich waren (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Juli 1998 – 4 StR 293/98), für sich genommen Anlaß zu Mißdeutungen geben. Sie waren hier aber vor allem auch im Hinblick auf den Umfang der an den vorangegangenen Sitzungstagen bereits durchgeführten Beweisaufnahme nicht geeignet, zu dem Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuches am zehnten Sitzungstage aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Annahme zu begründen , daß die abgelehnten Richter in dem früheren Verfahren bereits eine endgültige Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers gewonnen hatten (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 11), zumal bereits in der Terminsverfügung vom 2. Oktober 1998 (Bd. III Bl. 551 d.A.) die Ladung von 18 Zeugen angeordnet worden war und die Hauptverhandlung, die am 27. Oktober 1998 begonnen hatte und für die zunächst 24 Sitzungstage vorgesehen waren, erst am 12. Februar 1999 abgeschlossen wurde.


b) Die Verwertung der Ergebnisse der Wahlgegenüberstellungen, die das Landgericht in der Hauptverhandlung durchgeführt hat und außerhalb der Hauptverhandlung hat durchführen lassen, ist weder verfahrens- noch sachlichrechtlich zu beanstanden. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß Wahlgegenüberstellungen in der Hauptverhandlung entbehrlich sind, wenn bereits im Ermittlungsverfahren Wahllichtbildvorlagen oder Wahlgegenüberstellungen durchgeführt worden sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 58 Rdn. 13). Zudem dürfte eine sukzessive (sequentielle) Gegenüberstellung, bei welcher der Zeuge jeweils nur eine Person sieht, ihm aber nacheinander mehrere Personen gezeigt werden (vgl. Mertn/Schwarz/Walser Kriminalistik 1998, 421), einer Wahlgegenüberstellung (vgl. RiStBV 18 Satz 1) vorzuziehen sein.
2. Die Sachbeschwerde führt zur Ä nderung des den Angeklagten D. betreffenden Schuldspruchs in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe und zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der aus diesen Strafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, weil das Landgericht insoweit das Konkurrenzverhältnis rechtsfehlerhaft beurteilt und Tatmehrheit angenommen hat.

a) Nach den Feststellungen veranlaßten die Angeklagten den Betreiber eines Bordells, ihnen die Prostituierten Oksana P. und Aurelia Av. zu übergeben. Der Angeklagte A. brachte die Frauen in die Wohnung der Angeklagten und sperrte sie dort gemeinsam mit dem Angeklagten D. in der Zeit vom 24. August 1997, 8.00 Uhr, bis zum 28. August 1997 ein. Der Angeklagte D. zwang Oksana P. in vier Fällen mit ihm (II 3 a, e, f und j der Urteilsgründe) und in einem weiteren, nach § 154 Abs. 2 StPO von der Verfol-
gung ausgenommenen Fall mit einem Italiener den Geschlechtsverkehr auszuführen. Beide Frauen wurden in Gegenwart der Angeklagten von dem Bruder des Angeklagten D. v ergewaltigt. Nachdem der Angeklagte A. Aurelia Av. zum Geschlechtsverkehr mit ihm (Fälle II 3 b und d der Urteilsgründe) und in einem weiteren, ebenfalls von der Verfolgung ausgenommenen Fall mit einem Albaner gezwungen hatte, zwang sie am 25. August 1997 der Angeklagte D. zum Oral- und Vaginalverkehr (II 3 h der Urteilsgründe). Der Angeklagte D. war sich bewußt, ”daß die beiden Frauen in der Wohnung eingesperrt waren und sich damit in einer hilflosen Lage befanden, in der sie beiden Angeklagten schutzlos ausgeliefert waren”. Dies nutzte er in allen Fällen aus, um den Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Im ersten der Fälle versetzte der Angeklagte Oksana P. zudem mehrere mit großer Wucht ausgeführte Faustschläge gegen den Kopf, um ihren Widerstandswillen zu brechen. Danach ging er davon aus, daß er ”nicht erneut zuschlagen mußte, weil der Widerstandswille der Frau infolge seiner früheren Gewalttätigkeiten gebrochen war.” In dem letzten der Fälle ging er ”zutreffender Weise davon aus, daß P. der Av. von den Schlägen erzählt bzw. daß Av. die Schläge und Schreie selbst gehört hatte.”
Dieser der Verurteilung des Angeklagten D. wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in einem Fall mit Körperverletzung zugrundeliegende Geschehensablauf vermag die Annahme rechtlich selbständiger Taten nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist der Geschehensablauf als eine Tat im Sinne des sachlichen Rechts aufzufassen, weil die von dem Angeklagten erzwungenen Sexualakte eine einheitliche Handlung bilden:
Es kann dahingestellt bleiben, ob allein das mehrfache Ausnutzen derselben schutzlosen Lage z ur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs zur Annahme nur einer Tat führen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 6. Juli 1999 – 1 StR 216/99). Hier liegt den Vergewaltigungen, auf die das Landgericht zutreffend § 177 Abs. 1, 2 Satz 2 Nr.1 StGB i.d.F. des 33. StrÄ ndG angewendet hat, jedenfalls soweit es die als Tatmittel angewendete Gewalt betrifft, ein einheitliches Tun des Angeklagten D. zugrunde. Neben der Freiheitsberaubung, in der hier eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB liegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10), die der Angeklagte in allen Fällen als Nötigungsmittel einsetzte, wirkte auch die im ersten Fall vom Angeklagten ausgeübte massive körperliche Gewalt während des gesamten Tatgeschehens fort, was der Angeklagte in den nachfolgenden Fällen ebenfalls ausnutzte. Der Annahme einer fortwirkenden Gewaltanwendung steht hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entgegen, daß sich das Tatgeschehen über mehrere Tage erstreckte und daß es durch Straftaten anderer zum Nachteil der Tatopfer ”unterbrochen” wurde. Diese Taten bilden schon deshalb keine Zäsur, die zur Annahme rechtlich selbständiger Taten führt, weil sie durch die schutzlose Lage der Frauen ermöglicht wurden und der Angeklagte D. Oksana P. zudem in einem der nicht abgeurteilten Fälle zu dem Geschlechtsverkehr mit einem Italiener unter Ausnutzung dieser Lage gezwungen hat. Im übrigen ist, da zur zeitlichen Einordnung der Vorfälle keine sicheren Feststellungen getroffen werden konnten, zugunsten des Angeklagten D. davon auszugehen, daß das Tatgeschehen, soweit es die erzwungenen sexuellen Handlungen betrifft, in der Nacht vom 25. zum 26. August 1997 beendet war, so daß ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist.
Der Angeklagte D. hat danach in allen Fällen, soweit es die angewendete Gewalt betrifft, dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Handlung im Rechtssinne vorliegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10, jew. m. N.). Soweit es gegenüber Oksana P. zu mehreren sexuellen Handlungen kam, liegt daher nur eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (vgl. BGH NStZ 1999, 83) und mit Körperverletzung vor. Hierzu stehen die durch dieselbe Handlung zum Nachteil von Aurelia Av. begangenen Delikte (Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) in Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1997 – 4 StR 377/97 und vom 16. November 1999 – 4 StR 504/99). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten zur Folge.

c) Soweit der Angeklagte im Fall II 2 d wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem erpresserischem Menschenraub wegen der Zäsurwirkung der einbezogenen Vorverurteilung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt worden ist, faßt der Senat den diese Tat betreffenden Schuld- und Strafausspruch zur Klarstellung der Zuordnung dieser Strafe neu. 3. Die Revision ist, soweit der Mitangeklagte A. in den Fällen II 3 b und d wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist, wegen der insoweit gegebenen Identität der
Tat (vgl. Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 357 StPO Rdn. 8) gemäß § 357 StPO auf diesen zu erstrecken.
Der Angeklagte A. hat den Geschlechtsverkehr mit Aurelia Av. , und zwar - wovon zu seinen Gunsten auszugehen ist – an demselben Tage, jeweils unter Ausnutzung der in der Freiheitsberaubung liegenden Gewaltanwendung erzwungen und insoweit dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Tat im Rechtssinne vorliegt. Zu der Vergewaltigung steht die Freiheitsberaubung zum Nachteil beider geschädigter Frauen in Tateinheit. Der Senat hat den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der beiden diese Fälle betreffenden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann
5 StR 235/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2009

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Vor der hier abgeurteilten Tat waren der Zeuge P. und seine Freundin H. am 6. Juni 2008 gegen 1.30 Uhr in ihrer Wohnung unter Einsatz eines gefährlichen Werkzeuges beraubt worden. Wegen dieser Tat hat das Landgericht den U. , einen Bekannten des Angeklagten, rechtskräftig verurteilt (UA S. 8). P. fürchtete sich vor dem ihm aus „Szenekreisen“ bekannten U. und erstattete zunächst keine Anzeige.
4
Am 14. Juni 2008 zwischen 2.00 und 3.00 Uhr drang der – vom Landgericht als Täter identifizierte – unmaskierte Angeklagte mit einer weiteren unbekannt gebliebenen maskierten Person in die Wohnung des P. ein. Als einer der Täter das Licht anschaltete, wachten P. und H. auf. Der Angeklagte hielt einen Baseballschläger drohend in seiner Hand und forderte den Geschädigten P. , der sich mittlerweile im Bett aufgesetzt hatte, mit den Worten: „Du hast meine Oma beklaut! Du hast ihr das Portemonnaie mit 165 Euro geklaut! Ich will das wiederhaben!“ (UA S. 9) zur Herausgabe von Bargeld auf. P. übergab dem Angeklagten – durch die Drohung mit dem Baseballschläger beeindruckt – elektronisches Gerät, Spiele und DVD-Filme im Wert von 230 Euro zuzüglich 30 Euro Bargeld.
5
b) Während der noch am Tattag durchgeführten polizeilichen Vernehmung schloss P. nach seinem „Gesamteindruck“ aus, dass U. als maskierter Täter in Betracht komme. Den unmaskierten Täter beschrieb er – ohne Angaben zur Kleidung machen zu können – als 24 bis 25 Jahre alt im Übrigen wie folgt: „170 bis 175 cm groß, schlanke Statur, deutscher Typ, solariumgebräunt , kurze dunkle Haare, nach hinten gekämmt, braune Haut und kreisrunder Bart von Oberlippe bis zum Kinn und an den Wangenknochen. Die Person habe sehr gepflegt gewirkt und deutsch ohne Auffälligkeiten gesprochen“ (UA S. 13). Die Zeugin H. hat über den Täter am gleichen Tag folgende Angaben gemacht: „Vermutlich Deutscher, südländischer Teint, ca. 168 bis 170 cm groß, sportliche Figur, ca. 22 bis 23 Jahre alt, trug leicht gewellte dunkelbraune kurze Haare, dunkle Augen, trug helle Jeans, ein helles T-Shirt, trug einen Oberlippen- und Kinnbart, insgesamt gepflegt und gut aussehend“ (UA S. 23).
6
Das Landgericht hat zum Aussehen des Angeklagten festgestellt: Es handele „sich um einen zur Tatzeit 30-jährigen Berliner, der sowohl aufgrund seines jungenhaften, glatten Gesichts als auch aufgrund seines gesamten Erscheinungsbildes, er ist ca. 168 cm groß, wiegt ca. 50 kg und ist von schlanker Statur, hat dunkle Augen, eine eher eckige Gesichtsform, kräftige Lippen und kurze dunkle Haare, einen leichten Bartansatz von der Oberlippe bis zum Kinn und trägt sportliche Kleidung, deutlich jünger wirkt“ (UA S. 12).
7
Beide Zeugen nahmen in die Lichtbildvorzeigedatei Einsicht. P. betrachtete 217, die Zeugin H. 200 Lichtbilder junger Männer, die entsprechend dem von den Zeugen geschätzten Alter des Tatverdächtigen zusammengestellt worden waren und den (älteren) Angeklagten deshalb nicht enthielten.
8
Die Zeugin H. erkannte indes auf einem von sechs vorgelegten weiteren Lichtbildern (Farbfotos in Passbildgröße; Profil, Seitenprofil und frontal) den Täter zu 100 %. Dabei handelte es sich um den 1985 geborenen und altersentsprechend aussehenden R. , der dem besonders jugendlich wirkenden Angeklagten von der Gesichts-, Nasen- und Mundform, dem Haaransatz, der Haarfarbe sowie dem Bartansatz her sehr ähnlich sieht (UA S. 19). R. s Gesicht sei zudem, wie das des Angeklagten, eher kantig (UA S. 14). Auch der Zeuge P. beurteilte das Erscheinungsbild des auf dem Bild zu sehenden R. nach dem Stil der Haare und vom Typ her dem Täter als sehr ähnlich (UA S. 14).
9
Die Zeugen wurden drei Tage später erneut zur Vernehmung einbestellt. Ihnen wurden fotokopierte schwarz-weiße Lichtbilder in Passbildformat von jeweils sieben Männern, darunter auch eines des Angeklagten vorgelegt. P. erkannte den als ungepflegt auffälligen U. (Bild 3) sowie dessen Freund K. (Bild 7) und bezeichnete das den Angeklagten zeigende Bild zu 80 % als das des Täters (UA S. 17). Der Zeuge habe sich nur deshalb nicht zu 100 % festlegen wollen, weil ihm nur ein Schwarzweißfoto des Kopfes und des Schulterbereiches vorgelegt worden sei. Zum Abgleich seiner Erinnerung habe ihm der Gesamteindruck gefehlt (UA S. 17).
10
Bei einer – am 18. November 2008 während laufender Hauptverhandlung ohne Benachrichtigung der Verteidigerin erfolgten – polizeilichen Gegenüberstellung sei der Zeuge dann sofort sicher gewesen. Der Angeklagte sei der erste gewesen, den der Zeuge im Rahmen der polizeilichen Gegenüberstellung gesehen habe. Aufgrund seines gesamten Erscheinungsbildes (Größe, Statur und Gesicht) sei er zu 100 % sicher gewesen. Die übrigen fünf Personen, die ihm anschließend noch gegenübergestellt worden seien, habe er als Täter ausgeschlossen. Auch in der Hauptverhandlung habe er den Angeklagten zweifelsfrei wiedererkannt.
11
c) Der Angeklagte hat bestritten, die Tat begangen zu haben. Er habe in dieser Zeit keine Verbindung zu U. gehabt und die Geschädigten noch nie gesehen. Seit zwölf Jahren habe er keinen Kontakt zu seiner Großmutter, so dass es ihm an dem erklärten Tatmotiv fehle.
12
d) Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten aufgrund der Wiedererkennungsleistung des Zeugen P. überzeugt. Dabei stützt sich das Landgericht „auf die Angaben des Geschädigten P. , die er im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung gemacht hat“ (UA S. 12). Nach den beweiswürdigenden Darlegungen (UA S. 22) misst die Strafkammer dem Ergebnis der Wahlgegenüberstellung und der Bewertung des Zeugen in der Hauptverhandlung nur insoweit Bedeutung bei, als die Zuverlässigkeit seiner früheren Identifizierung im Rahmen der Lichtbildvorlage nicht in Frage gestellt würde. „Denn die Kammer ist sich sehr wohl bewusst, dass hier die Gefahr besteht, dass der Zeuge sich an dem zuvor gesehenen Lichtbild orientiert“ (UA S. 22).
13
Das Landgericht hat Angaben der Zeugin H. , soweit die Identifizierung des Angeklagten als Täter in Frage steht, bei der Urteilsfindung nur insoweit berücksichtigt, als dass hierdurch keine Widersprüche zu den Angaben des Zeugen P. zutage getreten seien (UA S. 22). Die Zeugin habe die Verdächtigung des R. zurückgenommen und den Angeklagten bei der sequenziellen Gegenüberstellung zu 80 % und in der Hauptverhandlung eindeutig als Täter wiedererkannt.
14
2. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben. Die Überzeugungsbildung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten beruht ange- sichts der Komplexität und Fehlerträchtigkeit bei der hier in Frage stehenden Überführung eines Angeklagten allein aufgrund der Aussage und des Wiedererkennens einer einzelnen Beweisperson (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2003, 2444, 2445 m.w.N.; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6 und 16; BGHR StPO § 247a audiovisuelle Vernehmung 9) auf keiner ausreichenden Grundlage (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizierung 17).
15
Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die ausschließlich auf die Wiedererkennungsleistungen des Zeugen P. gestützte Überzeugungsbildung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten unklar geblieben ist. Soweit das Landgericht auf eine Gesamtschau der konstanten und in sich stimmigen Aussage des Zeugen P. bei der Polizei und in der Hauptverhandlung abgestellt hat (UA S. 12/18), hat es die Problematik der suggestiven Wirkung früherer Wahrnehmungen auf das jeweils spätere Wiedererkennen (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 509 m.w.N.) nicht ausreichend bedacht. Soweit es – im Ansatz zutreffend – maßgeblich auf das erste Wiedererkennen auf dem Lichtbild am 17. Juni 2008 abstellt (UA S. 15/20/22), hat es indes übersehen, dass der Zeuge P. wegen des ihm fehlenden körperlichen Gesamteindrucks lediglich eine Sicherheit von 80 % angeben konnte (UA S. 17). Auf die – ohne Beeinflussung durch Lichtbilder – weitgehend mit dem Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung übereinstimmenden ersten Beschreibungen der Zeugen P. und H. (UA S. 12/18) hat das Landgericht seine Überzeugung nicht gestützt. Der Senat ist bei dem hier vorliegenden Fehlen offensichtlicher Identifizierungsmerkmale nicht in der Lage, aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe eine sichere Tatsachengrundlage für die Überzeugung des Landgerichts zu entnehmen.
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b) Darüber hinaus ist fraglich und vom Landgericht nicht problematisiert worden, ob die ausschlaggebende Wahllichtbildvorlage den Erfordernissen des subjektiven Auswahlverfahrens entsprach (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizierung 13 m.w.N.). Zwar hat sich das Landgericht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die abgebildeten Personen nicht ausnahmslos – wie vom Zeugen P. beschrieben – kurze, nach hinten gekämmte Haare aufwiesen sowie über einen kreisrunden Bart von der Oberlippe bis zum Kinn und an den Wangenknochen verfügten (UA S. 21). Es hat es aber unterlassen , die vorgelegten Bilder hinsichtlich weiterer wesentlicher Unterschiede zu würdigen. Der Angeklagte verfügt über eine eher eckige Gesichtsform und kräftige Lippen (UA S. 12). Diese Merkmale finden sich auf lediglich einem weiteren dem Zeugen vorgelegten Bild (UA S. 16; Bild 2: eckige Gesichtsform, im Verhältnis zur Oberlippe relativ kräftige Unterlippe; Bild 4: schmale Lippen, ovales Gesicht; Bild 6: schmale Lippen). Das den rechtskräftig verurteilten U. zeigende Bild 3 fiel ohnehin erheblich aus dem Rahmen (UA S. 15, 16).
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c) Auch die Bestätigung des früheren Wiedererkennens, die das Landgericht im Ergebnis der fünf Monate nach der letzten Lichtbildvorlage angeordneten Gegenüberstellung gesehen hat, begegnet für sich betrachtet Bedenken. Das Landgericht hat überwiegend auf eher vage Identifizierungsmerkmale wie Größe und Statur abgestellt, die im Ansatz bei den anderen, indes in keiner Weise beschriebenen ausgeschlossenen fünf Vergleichspersonen ebenfalls hätten vorliegen müssen.
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Der Senat merkt in diesem Zusammenhang im Blick auf verfahrensrechtliche Beanstandungen, zu denen es freilich an einem vollständigen Vortrag fehlt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), an: Es widerstreitet der Struktur des Strafverfahrens grundlegend, wenn das Gericht während laufender Hauptverhandlung wesentliche, ihrer Natur nach nicht geheimhaltungsbedürftige, ergänzende polizeiliche Ermittlungen – wie hier die Durchführung einer Wahlgegenüberstellung –, deren Ergebnis dann in der Hauptverhandlung möglicherweise maßgeblich verwertet werden soll, in Auftrag gibt, ohne die Verteidigung hierüber zuvor ausreichend zu informieren und ohne den Versuch zu unternehmen, eine effektive Teilhabe der Verteidigung an den vorgesehenen Ermittlungen zu gewährleisten.
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d) Schließlich ist die Beweiswürdigung des Landgerichts in zweifacher Hinsicht lückenhaft (vgl. BGHR StPO § 261 Identifizierung 16 und 17 m.w.N.).
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Das Landgericht hat es unterlassen, die von der Zeugin H. hinsichtlich des R. erbrachte, zunächst als absolut plausibel bewertete Wiedererkennungsleistung daraufhin zu untersuchen, ob dem mitgeteilten Abgehen dieser Zeugin von ihrer früheren Bewertung sachliche Erwägungen zugrunde lagen. Läge noch ein Wiedererkennen von zwei unterschiedlichen Tatverdächtigen durch zwei Zeugen vor, würde solches eine Überzeugung von der Täterschaft der beiden wiedererkannten Personen verhindern. Der Beweiswert des Wiedererkennens durch einen Zeugen wird reduziert , falls ein zweiter, intellektuell gleich begabter Zeuge aus ähnlicher Wahrnehmungssituation eine andere Person als Tatverdächtigen wiedererkannt hat.
21
Ferner hat es das Landgericht unterlassen, die – auch einer Wahrunterstellung entsprechende – Einlassung des Angeklagten hinsichtlich des vom Täter geäußerten Tatmotivs, bestärkt durch an die Zeugin H. gerichtete beruhigende Worte, in seine Beweiswürdigung einzubeziehen. Das vom Täter angegebene Motiv – Wiedererlangung des seiner Großmutter gestohlenen Geldes – ist von solcher Originalität, dass es sich als Tarnung kaum von selbst versteht.
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3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der neue Tatrichter wird naheliegend das Verhältnis des Angeklagten zu dem rechtskräftig verurteilten U. – auch bezogen auf den diesem gemeinsam mit dem Angeklagten angelasteten weiteren Raub – nachzugehen haben (vgl. auch BGH wistra 2002, 260, 262; 430).
Basdorf Brause Schaal Dölp König

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.