Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2017 - 4 StR 468/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:221117B4STR468.17.0
bei uns veröffentlicht am22.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 468/17
vom
22. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2017:221117B4STR468.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 11. Juli 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 verurteilt ist;
b) hinsichtlich der im Fall II. 2 verhängten Einzelstrafe und im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall „unter Mitführung eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“ (zur Tenorierung in diesen Fällen vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 135/96, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Urteilsformel 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 1 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben , weil die Beweiswürdigung einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.
3
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2016 und dem 31. August 2016 unter anderem in der B. straße in P. in Kleinmengen Marihuana an die Zeugen P. und S. . Das Rauschgift entstammte einem Vorrat, den der Angeklagte und seine Mittäter in einer Wohnung in dem Anwesen B. straße unterhielten. Dort konnten am 31. August 2016 noch insgesamt 1016,98 Gramm Marihuana (127,83 Gramm Tetrahydrocannabinol) aufgefunden werden. Im Badezimmer der Wohnung war neben Verpackungsmaterial griffbereit ein Springmesser abgelegt.
4
b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter mehreren Gesichtspunkten lückenhaft, soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf ein Wiedererkennen durch den Zeugen P. bei einer „in der mündlichen Verhandlungerneut vorgelegten Lichtbildvorlage“ (UA 10) gestützt hat. Zum einen ergeben die Urteilsgründe nicht, ob diese Lichtbildvorlage vorschriftsmäßig erfolgt ist (vgl. RiStBV Nr. 18). Eine entsprechende Darstellung wäre hier aber erforderlich gewesen, da der Zeuge den Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung nicht sicher zu iden- tifizieren vermochte und die Lichtbildvorlage für den Beweiswert der Aussage dieses Zeugen deshalb von entscheidender Bedeutung war (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 4 StR 6/96, NStZ 1996, 350, 351; Miebach, NStZ-RR 2014, 233, 236 mwN). Zum anderen setzt sich die Strafkammer nicht mit dem eingeschränkten Beweiswert eines wiederholten Wiedererkennens in der Hauptverhandlung auseinander (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 StR 480/16, StraFo 2017, 111; vom 30. März 2016 – 4 StR 102/16, NStZ-RR 2016, 223 [Ls]; Urteile vom 14. April 2011 – 4 StR 501/10, NStZ 2011, 648, 650; vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, NStZ 1998, 266, 267; vom 28. Juni 1961 – 2 StR 194/61, BGHSt 16, 204, 205 f.). Da sich das Landgericht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus einer Gesamtschau des Beweisergebnisses gebildet hat, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesen Rechtsfehlern nicht auszuschließen.
5
2. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe zieht auch die Aufhebung der im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe nach sich. Denn die Strafkammer hat dem Angeklagten bei deren Bestimmung maßgeblich angelastet, nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel im Fall II. 1 der Urteilsgründe und der Festnahme seiner Mittäter mit einer noch größeren Betäubungsmittelmenge Handel getrieben zu haben. Dies und die umfassende Aufhebung im Fall II. 1 der Urteilsgründe haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.
6
3. Der neue Tatrichter wird bei der Darstellung der Ergebnisse der Auswertung von DNA-Spuren die insoweit geltenden Anforderungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2016 – 2 StR 572/16, Rn. 12; vom 30. März 2016 – 4 StR 102/16, Rn. 12 mwN). Soll- te wiederum § 30a Abs. 3 BtMG zur Anwendung kommen, wird die Sperrwir- kung von § 29a Abs. 1 BtMG zu beachten sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 StR 536/14, Rn. 5; Beschluss vom 14. August 2013 – 2 StR 144/13, NStZ-RR 2014, 180).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

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Tenor Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 21. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 480/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
ECLI:DE:BGH:2016:081216B2STR480.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten B. A. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 24. März 2016, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. A. wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten ist erfolgreich.
2
Die Verfahrensrügen können unerörtert bleiben, denn die Sachrüge führt bereits zum Erfolg. Die Beweiswürdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts drang der Angeklagte zusammen mit dem nicht revidierenden Angeklagten S. F. am 3. Februar 2015 gegen 20.00 Uhr gewaltsam in die DHL-Postfiliale in der H. Straße in W. ein und entwendete dort entsprechend dem gemeinsamen Tatplan Briefmarken und Postwertzeichen im Gesamtwert von 11.000 Euro, während der weitere nicht revidierende Angeklagte A. A. vor dem Gebäude „Schmiere stand“. Kurze Zeit vor der Tat, um 18.10 Uhr wurde auf der Bundesstraße in Richtung Innenstadt W. ein grauer Audi A8 bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung „geblitzt“, der von dem Angeklagten A. A. geführt wurde. Der Angeklagte S. F. befand sich auf dem Beifahrersitz. Derselbe PKW wurde am Tattag ein weiteres Mal um 20.32 Uhr auf der Bundesautobahn in Richtung D. am J. tunnel im Rahmen einer Geschwindigkeitskontrolle festgestellt. Er wurde zu diesem Zeitpunkt von A. A. geführt, während die Angeklagten S. F. und B. A. auf dem Beifahrersitz bzw. im Fahrzeugfond saßen.
4
Das Landgericht hat den Angeklagten B. A. im Wesentlichen aufgrund der Aussagen der Zeuginnen K. und We. für überführt gehalten. Beide Zeuginnen hatten zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe zum Tatort drei männliche Personen beobachtet und auf dem um 20.32 Uhr anlässlich der Geschwindigkeitsüberwachung gefertigten, ihnen von der Polizei vorgelegten Lichtbild den Angeklagten wiedererkannt. Die Zeuginnen hatten dies auf Vorhalt in der Hauptverhandlung bestätigt; die Zeugin K. hatte den Angeklagten auch in der Hauptverhandlung wiedererkannt. Das Landgericht hat nicht übersehen , dass das Bild des Angeklagten B. A. den Zeuginnen von den Ermittlungsbeamten nicht zusammen mit Bildern anderer Personen, sondern als Einzelbild vorgelegt wurde, so dass dem Ergebnis ein wesentlich geringerer Beweiswert zukommt als dem einer vorschriftsmäßigen Wahllichtbildvorlage. Es hat die Verurteilung gleichwohl auch auf die Aussage der Zeuginnen gestützt, da weitere gewichtige Indizien für die Täterschaft des Angeklagten B. A. sprächen. Insbesondere stehe aufgrund des vorgenannten um 20.32 Uhr gefertigten Fotos fest, dass alle drei Angeklagten von W. in Richtung D. gefahren seien, denn die Angeklagten seien auf dem Foto von der Polizeibeam- tin Br. , die sie aus mehreren Ermittlungsverfahren im Großraum B. kenne , ebenso wie durch den Zeugen A. M. , der die Vermietung des auf dem Lichtbild abgebildeten Audi A8 abgewickelt habe, bei polizeilichen Lichtbildvorlagen wiedererkannt worden.
5
Diese Beweiswürdigung trägt die Verurteilung nicht. Denn das Wiedererkennen des Angeklagten B. A. auf dem um 20.32 Uhr gefertigten Bild begegnet nicht nur im Hinblick auf die fehlende Wahllichtbildvorlage Bedenken. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten , darf sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283 Rn. 7). Dies hat das Landgericht vorliegend nicht getan. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, anhand welcher Merkmale die Zeuginnen K. und We. den Angeklagten auf dem um 20.32 Uhr gefertigten Bild, anhand dessen der anthropologische Sachverständige die Identität mit dem Angeklagten B. A. gerade nicht feststellen konnte (UA S. 24), wiedererkannt haben.
6
Die Beweiswürdigung ist überdies auch deshalb lückenhaft, weil das Urteil nicht erkennen lässt, ob sich das Landgericht mit dem eingeschränkten Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens – nach fehlerhafter Lichtbildvorlage – durch die Zeugin K. in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, BGHR StPO Identifizierung 13).
7
Ebenso wenig tragfähig ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Feststellung, der Angeklagte B. A. sei um 20.32 Uhr auf der Bundes- autobahn in einem grauen Audi A8 zusammen mit den beiden Mitangeklagten von W. kommend unterwegs gewesen. Nach den Urteilsgründen konnte der anthropologische Sachverständige die Identität des Angeklagten auf dem Foto nicht positiv feststellen (UA S. 24). Die Erwägungen des Landgerichts zum Wiedererkennen durch die Zeugen Br. und A. M. bilden keine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Revisionsgericht. Insoweit fehlt es bereits an einer konkreten Darlegung dazu, wann, wie oft, wie lange und in welchem zeitlichen Abstand zur Identifizierung die Zeugen den Angeklagten gesehen hatten. Eine Beurteilung der Fähigkeit der Zeugen, den Angeklagten zu identifizieren, ist dem Revisionsgericht vor diesem Hintergrund nicht möglich. Überdies werden auch hier äußere Merkmale des Angeklagten, anhand derer die Zeugen ihn auf dem Foto wiedererkennen konnten, nicht mitgeteilt.
8
Weiteren vom Landgericht als indiziell angenommenen Umständen – etwader Vorstrafe des Angeklagten und dem opus moderandi – kommt angesichts dessen kein objektiver Beweiswert zu.
Fischer Eschelbach Bartel
Wimmer Grube
12
Der Tatrichter hat in den Fällen, in denen er dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachtens so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung, bei der es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelt, ist es danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben , mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 und vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88). Daran fehlt es hier. Die bloße Mitteilung der Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung reicht nicht aus.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 501/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Pascal H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Andrzej J. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin für den Nebenkläger Markus W. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat sich auf Grund der glaubhaften Angaben des Nebenklägers davon überzeugt, dass dieser am 19. Juli 2008 gegen 4.00 Uhr am Baldeneysee in Essen, wo er in seinem auf einem Parkplatz abgestellten Wohnmobil schlief, von insgesamt vier Tätern überfallen wurde. Diese forderten die Herausgabe von Wertsachen, Mobiltelefonen oder Geld und verliehen ihren Forderungen zunächst durch Schläge gegen das Wohnmobil und durch Beschimpfungen Nachdruck. Der Nebenkläger, der angesichts der zunehmend aggressiv vorgehenden Täter Angst bekam und sich in seinen Verteidigungs- möglichkeiten eingeschränkt sah, weil er unbekleidet war, reichte ihnen durch ein spaltbreit aufgeschobenes Fenster etwa fünf Euro Münzgeld heraus. Einer der vier Angreifer, die seiner Versicherung, über kein weiteres Geld mehr zu verfügen, keinen Glauben schenkten, schlug daraufhin das Schiebefenster des Wohnmobils mit einem Radmutterschlüssel ein. Nachdem der Nebenkläger unter dem Eindruck dieses Vorgehens nunmehr auch eines seiner Mobiltelefone herausgegeben hatte, versuchte einer der Täter, ihn von außen durch das vollständig zersplitterte Fenster mit dem Radmutterschlüssel zu schlagen. Das gelang jedoch nicht, weil der Nebenkläger in das Innere des Fahrzeugs auswich. Ein weiterer der vier Täter schlug sodann das Fenster der Fahrertür ein, öffnete die Tür, lehnte sich über den Fahrersitz nach hinten und schlug den Nebenkläger mehrfach mit einem Fahrradspanngurt, der an den Enden mit Metallhaken versehen war. Der Nebenkläger, der dadurch mehrere Striemen am Oberkörper davontrug, verteidigte sich seinerseits mit einer Metall-Taschenlampe. Es gelang ihm, dem Täter am Schiebefenster vorübergehend den Radmutterschlüssel zu entwinden, nachdem dieser das zweite Mobiltelefon des Nebenklägers durch das zerbrochene Fenster an sich genommen hatte, er gab das Werkzeug aber nach Androhung des Einsatzes einer Schusswaffe wieder zurück. Der in den Fahrerbereich des Wohnmobils eingedrungene Angreifer hatte in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger abgelassen und nahm aus der Frontablage ein Navigationsgerät, ein Ladekabel, mehrere CDs sowie den Zündschlüssel für das Firmenfahrzeug des Nebenklägers an sich. Daraufhin entfernten sich die Angreifer mit den entwendeten Gegenständen unter Benutzung eines unbeleuchteten Pkws.
3
2. Die Strafkammer hat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass die Angeklagten, die den Tatvorwurf bestritten und sich dahin eingelassen haben, sie seien zum Tatzeitpunkt jeweils zu Hause gewesen, zusammen mit zwei weiteren, unbekannt gebliebenen Personen die Täter waren. Insbesondere bestehen aus Sicht des Landgerichts begründete Zweifel daran, dass der Nebenkläger die Angeklagten zuverlässig wiedererkannt hat.
4
a) Dem liegt Folgendes zu Grunde:
5
Bei Anzeigeerstattung noch in der Tatnacht (19. Juli 2008) bekundete der Nebenkläger, die Täter nicht einzeln beschreiben zu können, da sie alle „irgendwie gleich ausgesehen“ hätten. Es habe sich um etwa 1,80 Meter große, ca. 25 Jahre alte männliche Personen mit schwarzen, kurzen Haaren, südländischem Aussehen und kräftigen Staturen gehandelt, bei denen er eine türkische Herkunft vermute. Sie hätten die deutsche Sprache mit einem leichten Akzent gesprochen und eine schwarze, viertürige Limousine benutzt. Er nehme an, es sei ein Pkw Audi 80 älterer Bauart mit abgerundeter Karosserie gewesen. Am 29. Dezember 2008 führte die Polizei zwei computergestützte Wahllichtbildvorlagen durch, wobei jede Vorlage aus acht Lichtbildern bestand, von denen jeweils eines einen der beiden Tatverdächtigen, die sieben anderen computergenerierte Bilder nicht existierender Personen zeigten. Die Bilder wurden dem Nebenkläger am Computerbildschirm einzeln nacheinander gezeigt (sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage). Der Nebenkläger, dem zu Beginn der Vorlage mitgeteilt worden war, dass sich in jeder der Lichtbildvorlagen jeweils einer der Tatverdächtigen befinden würde, erkannte den Angeklagten H. beim ersten Durchgang auf Bild Nr. 8 zu 100 %; die anderen Personen erkannte er nicht wieder. Im zweiten Durchgang erkannte er bereits auf Bild Nr. 2 den Angeklagten J. , ebenfalls mit 100%-iger Sicherheit. Die auf dem ersten Bild dieser zweiten Vorlage abgebildete Person erkannte der Nebenkläger nicht. Entsprechend den einprogrammierten Systemvorgaben wurde der gesamte Vorgang unmittelbar nach Wiedererkennung des zweiten Angeklagten beendet. Am 30. Januar 2009 legte die Polizei dem Nebenkläger eine weitere Lichtbildvorlage mit acht Personen arabischen bzw. afrikanischen Aussehens vor; er erkannte jedoch niemanden. In der Hauptverhandlung am 12. April 2010 hat der Geschädigte die Angeklagten ebenfalls wiedererkannt.
6
b) Nach Auffassung der Strafkammer spricht die Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers zwar für sich betrachtet für deren Richtigkeit. Sie sei aber nicht ohne Beeinflussung des Zeugen zustande gekommen, da dieser jeweils vor Beginn der Vorlage beider Lichtbildserien darüber informiert worden sei, dass sich in jeder Serie einer der Verdächtigen befinde. Es könne zwar offen bleiben, ob diese Beeinflussung des Zeugen allein geeignet sei, die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung in Frage zu stellen. Zahlreiche weitere Unstimmigkeiten begründeten jedoch jeweils für sich gesehen und in der Gesamtschau erhebliche Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten. So sei die sequentielle Wahllichtbildvorlage erst fünf Monate nach der Tat durchgeführt worden , die vom Nebenkläger abgegebene, sehr allgemeine Beschreibung der Täter noch in der Tatnacht stimme mit deren tatsächlichen Merkmalen nicht überein , ferner habe der Angeklagte H. zum Tatzeitpunkt keinen schwarzen Pkw der Marke Audi in ständiger Benutzung gehabt, sondern einen roten Pkw Opel Vectra, der im Übrigen zum Tatzeitpunkt an anderer Stelle in EssenBredeney gesehen worden sei. Außerdem sei ein Fingerspurenabgleich negativ verlaufen.

II.


7
Der Freispruch hat keinen Bestand.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (BGH, Urteil vom 6. November 1998 aaO; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Insbesondere dann, wenn er nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen zieht, muss der Tatrichter tragfähige Gründe anführen, die sein Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 aaO; Urteil vom 17.
März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jeweils m.w.N.).
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2. Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Zum einen lassen die Ausführungen im angefochtenen Urteil besorgen , dass die Strafkammer an die für eine Verurteilung der Angeklagten erforderliche Gewissheit zu hohe Anforderungen gestellt hat. Dies gilt namentlich für die Bewertung der Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers.
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aa) Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer in den Urteilsgründen zwar noch hinreichend dargelegt, auf welche Weise die sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage mit dem Nebenkläger durchgeführt wurde (vgl. dazu nur Senatsbeschluss vom 27. Februar 1996 – 4 StR 6/96, NStZ 1996, 350 m.w.N.). Die Wertung der Strafkammer, die von dem Nebenkläger bei dieser Lichtbildvorlage gezeigte Wiedererkennungsleistung sei in ihrem Beweiswert schon deshalb gemindert, weil dem Zeugen vor Durchführung der Vorlage mitgeteilt worden sei, in jeder der beiden Lichtbildserien befinde sich das Bild eines Tatverdächtigen, vermag der Senat nicht zu teilen.
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bb) Es trifft zwar zu, dass die Ermittlungsbehörden bei Wahllichtbildvorlagen wie auch bei Wahlgegenüberstellungen a lles zu unterlassen haben, was den jeweiligen Zeugen in seiner Unvoreingenommenheit beeinflussen kann. Danach versteht es sich von selbst, dass Kommentare seitens der Vernehmungsbeamten aus Anlass der Vorlage einzelner Lichtbilder das Ergebnis einer Wiedererkennungsleistung ebenso entscheidend entwerten können wie die fehlerhafte Ausgestaltung von Lichtbildbögen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 1993 – 4 StR 588/92, StV 1993, 234 [Beamter weist auf das Lichtbild des Verdächtigen besonders hin]; BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, NStZ 1998, 266 [Bild des Verdächtigen größer als die anderen]). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht stützt seine Annahme, der Nebenkläger sei suggestiv beeinflusst worden, allein auf die ihm von dem Vernehmungsbeamten gegebene Information, in jeder Bildserie befinde sich das Bild eines der Verdächtigen (ebenso wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 1983 – 3 HEs 77/83, NStZ 1983, 377). Eine solche Mitteilung stellt jedoch noch keine unzulässige Suggestion des betroffenen Tatzeugen dar, es sei denn, dass die Unbefangenheit des Zeugen beim Wiedererkennungsvorgang durch Hinzutreten besonderer Umstände unsachgemäß in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Auch im vergleichbaren Fall der Wahlgegenüberstellung wird deren Beweiswert nicht schon dadurch gemindert oder in Frage gestellt, dass der Zeuge, sei es mit oder ohne eine entsprechende Information, weiß oder jedenfalls davon ausgeht, dass sich unter den Auswahlpersonen auch die Person des Tatverdächtigen befindet.
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cc) Die Strafkammer hätte in diesem Zusammenhang auch nicht unerörtert lassen dürfen, dass dem Ergebnis einer sequentiellen Wahllichtbildvorlage in der Regel ein höherer Beweiswert zukommt als dem einer gleichzeitigen Vorlage aller Bilder (so schon Senatsbeschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419 zur sequentiellen Wahlgegenüberstellung). Dies beruht bei sequentiell vorgenommener Vorlage von Lichtbildern ebenso wie bei einer solchen Form der Wahlgegenüberstellung vor allem auf dem Umstand, dass dem Zeugen in Ermangelung zeitgleich vorgelegter (weiterer) Lichtbilder oder vorgeführter Personen die Identifizierung im Wege eines – in der Praxis häufig vorkommenden – Ausschlussverfahrens am Maßstab eines (relativen) Ähnlichkeitsurteils regelmäßig verschlossen ist. Der Zeuge kann und muss vielmehr bei je- dem einzelnen Bild bzw. bei jeder einzelnen Person ausschließlich auf sein aktuelles Erinnerungsbild zurückgreifen. Es kommt hinzu, dass die Wiedererkennungssicherheit im vorliegenden Fall trotz der verstrichenen Zeit in beiden Durchgängen einhundert Prozent betrug. Da das Landgericht alle Beweisanzeichen einer Gesamtbetrachtung unterzogen hat, ist nicht auszuschließen, dass bei einer anderen Gewichtung der Wiedererkennungsleistung die Entscheidung anders ausgefallen wäre.
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dd) Die Erwägung, gegen eine sichere und fehlerfreie Wiedererkennung der Täter durch den Angeklagten sprächen die schlechten Beleuchtungsverhältnisse auf dem Parkplatz in Tatortnähe, erweist sich vor dem Hintergrund der zum unmittelbaren Tathergang getroffenen Feststellungen auch als lückenhaft. Danach war der in das Wohnmobil eingedrungene Täter nicht nur in der Lage, den Geschädigten durch Schläge mit einem Fahrradspanngurt zu treffen. Er durchsuchte im Anschluss daran den Fahrer- bzw. Beifahrerbereich des Fahrzeugs gezielt nach Beute und nahm aus der dortigen Ablage verschiedene Gegenstände an sich, u. a. den Schlüssel für das Firmenfahrzeug des Geschädigten. Warum dem Täter dies trotz der mangelhaften Beleuchtungsverhältnisse möglich war, war daher unter den gegebenen Umständen erörterungsbedürftig.
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b) Die Beweiserwägungen des Landgerichts erweisen sich auch in anderer Hinsicht als teilweise lückenhaft und widersprüchlich.
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aa) Nach den Feststellungen der Strafkammer befand sich der vom Angeklagten H. ständig genutzte rote Pkw Opel Vectra in der Tatnacht gegen 4.00 Uhr, besetzt mit drei bis vier nicht identifizierten Personen, in EssenBredeney , etwa fünfzehn Autominuten vom Tatort entfernt. Dort bemerkte der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der Zeuge T. , der in dieser Gegend mit Objektschutzaufgaben betraut war, das Fahrzeug und notierte sich dessen amtliches Kennzeichen. Als die Insassen des Fahrzeugs den Zeugen bemerkten, schalteten sie die Fahrzeugbeleuchtung aus und entfernten sich mit hoher Geschwindigkeit.
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bb) Für das Landgericht ergeben sich aus dieser Begebenheit weitere Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten, da diese sich, so die Strafkammer, nicht zur selben Zeit an zwei Orten gleichzeitig hätten aufhalten können. Abgesehen davon, dass in den Urteilsgründen an anderer Stelle ausdrücklich offen gelassen wird, ob sich die Angeklagten und ihre Mittäter überhaupt in dem Pkw befanden, könnte sich diese Erwägung, worauf die Revision zutreffend hinweist, zu Gunsten der Angeklagten nur dann als tragfähig erweisen, wenn eine genaue Tatzeit feststünde. Aus den Urteilsgründen ergibt sich für die Tatausführung aber ein Zeitfenster von mindestens einer Stunde. Angesichts der geringen Entfernung des von dem Zeugen T. bemerkten roten Opel Vectra zum Tatort hätte dies genauerer Erörterung bedurft. Die nahe liegende Möglichkeit, dass die Angeklagten zur Erschwerung ihrer Identifizierung mit einem anderen Fahrzeug als mit dem vom Angeklagten H. ständig genutzten Pkw zum Tatort gefahren sind, wird vom Landgericht nicht in Betracht gezogen. Indem die Strafkammer in diesem Zusammenhang darlegt, es erscheine nicht lebensfern, dass der Angeklagte H. sein Fahrzeug in der Tatnacht anderen Personen zur Begehung von Straftaten geliehen haben könnte, unterstellt sie vielmehr zu Gunsten der Angeklagten eine Geschehensvariante, die in den übrigen Feststellungen keine Stütze findet.
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Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
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3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass auch das (wiederholte) Wiedererkennen in der Hauptverhandlung einen , wenn auch eingeschränkten, Beweiswert haben kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, Tz. 15) und insoweit die Wiedergabe der von einem Zeugen gegebenenfalls besonders hervorgehobenen Wiedererkennungs- und Identifizierungsmerkmale eines Täters in den Urteilsgründen wünschenswert ist. Im Hinblick auf die Bewertung der Beschreibung der Täter durch den Nebenkläger noch in der Tatnacht wird der neue Tatrichter andererseits bedenken müssen, dass es kaum je zu erwarten ist, dass ein Tatopfer sich alle persönlichen Merkmale eines Täters einprägt und mit der gleichen Zuverlässigkeit alle Merkmale wiedergeben kann. Es bedarf insoweit jeweils einer umfassenden Abwägung, bei der die besonderen Umstände des Falles – hier: nächtlicher Angriff von vier Tätern auf ein schlafendes Opfer – zu bedenken sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153; Urteil vom 28. Oktober 1992 – 3 StR 410/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 14). Für den Fall, dass es für die Überzeugungsbildung auch auf eine sog. Weg-Zeit-Berechnung ankommen sollte, weist der Senat vorsorglich auf den möglicherweise eingeschränkten Beweiswert einer solchen Berechnung hin (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 1992 aaO).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender
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Der Tatrichter hat in den Fällen, in denen er dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachtens so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung, bei der es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelt, ist es danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben , mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 und vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88). Daran fehlt es hier. Die bloße Mitteilung der Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung reicht nicht aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

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2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass § 29a Abs. 1 BtMG lediglich hinsichtlich der Mindeststrafe eine Sperrwirkung entfaltet; für die Höchststrafe gilt demgegenüber die für den Schuldspruch maßgebliche Bestimmung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2013 – 2 StR 144/13 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 144/13
vom
14. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 1. August 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat; jedoch wird der Tenor des angefochtenen Urteils dahingehend klargestellt, dass bezüglich der sichergestellten Geldscheine im Wert von 3.920 Euro der Verfall und in Höhe eines Betrages von 26.080 Euro der Verfall von Wertersatz angeordnet wird. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Kontrolle stand. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verhängt. Dabei hat es in den Fällen II. 3 bis 4, 7 bis 14, 16 bis 19, 21 und 24, in denen es den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG angenommen, seiner Strafzumessung jedoch den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Strafrahmen des verdrängten § 29a Abs. 1 BtMG entfalte bei Annahme minder schwerer Fälle im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG gegenüber dessen Strafrahmen eine Sperrwirkung, sofern nicht auch ein minder schwerer Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG vorliege. Dabei hat die Strafkammer übersehen, dass § 29a Abs. 1 BtMG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit lediglich hinsichtlich der Mindeststrafe eine Sperrwirkung entfaltet; für die Höchststrafe gilt demgegenüber die für den Schuldspruch maßgebliche Bestimmung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003, 3 StR 349/02, NStZ 2003, 440, 441; Beschluss vom 25. Mai 2010, 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Das Landgericht hätte demnach einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und nicht einen solchen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zugrunde legen müssen. Ob dieser Rechtsprechung , mit der Wertungswidersprüche in der Anwendung der Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes nur an der Strafrahmenuntergrenze beseitigt werden, stets zu folgen ist, kann hier dahinstehen. Der Senat schließt jedenfalls aus, dass sich der Rechtsfehler in den vorgenannten Fällen auf die Höhe der verhängten Einzelstrafen, die sich sämtlich im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens bewegen, ausgewirkt hat. Damit ist zugleich ein Beruhen des Gesamtstrafenausspruchs auf dem aufgezeigten Rechtsfehler ausgeschlossen.
Soweit das Landgericht den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 30.000 Euro angeordnet und den bei dem Angeklagten sichergestellten Geldbetrag von 3.920 Euro angerechnet hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass es sich hierbei um ein Fassungsversehen handelt. Die bei dem Angeklagten sichergestellten Geldscheine im Wert von 3.920 Euro unterliegen dem Verfall (§ 73 StGB); in Höhe eines Betrages von 26.080 Euro war demgegenüber der Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) anzuordnen. Der Senat hat daher den Tenor entsprechend klargestellt. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng