Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2011 - 1 StR 524/11

bei uns veröffentlicht am09.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 524/11
vom
9. November 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Bei einer Wahllichtbildvorlage sollten einem Zeugen Lichtbilder von wenigstens
acht Personen vorgelegt werden. Dabei ist es vorzugswürdig, ihm diese nicht
gleichzeitig sondern nacheinander (sequentiell) vorzulegen oder (bei Einsatz
von Videotechnik) vorzuspielen. Wird die Wahllichtbildvorlage vor der Vorlage
bzw. dem Vorspielen von acht Lichtbildern abgebrochen, weil der Zeuge erklärt
hat, eine Person wiedererkannt zu haben, macht dies das Ergebnis der Wahllichtbildvorlage
zwar nicht wertlos, kann aber ihren Beweiswert mindern.
BGH, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 StR 524/11 - LG Heilbronn
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Heilbronn vom 30. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags und weiterer Gewaltdelikte sowie wegen mehrerer Unterschlagungen unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung (ebenfalls wegen vorsätzlicher Körperverletzung) zu einer Jugendstrafe verurteilt.
2
Seine Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Die (gefährliche) Körperverletzung zum Nachteil des ihm bis dahin nicht bekannten Mi. R. hat der Angeklagte bestritten. Dieser und weitere Zeugen der Tat hatten den Angeklagten bei einer im Ermittlungsverfahren durchgeführten Wahllichtbildvorlage nicht oder nicht sicher wiedererkannt. Ähnlich war das Ergebnis der Hauptverhandlung, auch soweit dort weitere Tatzeu- gen vernommen wurden, mit denen im Ermittlungsverfahren keine Wahllichtbildvorlage durchgeführt worden war. Soweit Mi. R. den Angeklagten in der Hauptverhandlung erkannte, hat die Jugendkammer zutreffend erwogen , dass er möglicherweise das ihm früher gezeigte Lichtbild wiedererkannt haben könnte. Die Jugendkammer stützt ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten entscheidend auf die Aussage des ebenfalls bei der Tat anwesenden M. R. . Dieser hatte den Angeklagten vor allem deshalb wiedererkannt, weil er einige Monate zuvor selbst einen Streit und eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Angeklagten gehabt hatte. Außerdem hat er, wie die Vernehmung des damit befassten Polizeibeamten bestätigte, den Angeklagten bei einer Wahllichtbildvorlage wiedererkannt. Der Angeklagte war auf dem fünften dem Zeugen vorgelegten Lichtbild abgebildet gewesen. Nachdem der Zeuge erklärt hatte, er erkenne den Angeklagten auf diesem Bild als denjenigen wieder, der Mi. R. mit dem Messer verletzt hatte, wurde die Wahllichtbildvorlage beendet, obwohl die Vorlage von neun Lichtbildern vorbereitet gewesen war. Die Jugendkammer führt näher aus, dass trotz des Abbruchs der Wahllichtbildvorlage deren Ergebnis, etwa wegen der Angabe M. R. s, den Angeklagten von der früheren Auseinandersetzung her zu kennen, und aus sonstigen, von der Jugendkammer dargelegten Gründen, „nicht wertlos“ gewe- sen sei.
4
Die Revision knüpft an den Abbruch der Wahllichtbildvorlage an und meint, dass unter den gegebenen Umständen „der Beweiswert [der Wahllicht- bildvorlage] … gegen Null (strebt)“.
5
Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
6
Allerdings sollen, dies ist ein Ergebnis kriminalistischer Erfahrung, einem Zeugen bei einer Gegenüberstellung „eine Reihe“ von Vergleichspersonen ge- genübergestellt werden (vgl. Nr. 18 RiStBV), wobei eine Zahl von mindestens acht Vergleichspersonen empfehlenswert ist. Die gleiche Anzahl von Lichtbildern ist bei Wahllichtbildvorlagen sachgerecht (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Aufl., Rn. 1257, 1251 mwN). Dabei ist es vorzugswürdig , wenn dem Zeugen die Lichtbilder nicht gleichzeitig sondern nacheinander (sequentiell) vorgelegt werden (BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99, StV 2000, 603; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 501/10; generell zur sequentiellen Vorlage Odenthal NStZ 2001, 580 ff. mwN). Der nicht näher ausgeführte Hinweis des Generalbundesanwalts, der Abbruch einer Wahllichtbildvorlage, sobald eine Person erkannt sei, beruhe (nicht nur) auf „polizeilichen Richtlinien“ (vgl. insoweit auch Odenthal aaO S. 582), sondern sei auch „in entsprechender Software implementiert“, spricht dafür, dass hier - die Urteilsgründe äußern sich hierzu nicht ausdrücklich - die Wahllichtbildvorlage nicht in Papierform sondern (rechtlich unbedenklich) mit Videotechnik durchgeführt wurde. Unabhängig davon ist der Senat der Auffassung, dass einem Zeugen auf jeden Fall im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage (mindestens) acht Personen gezeigt bzw. vorgespielt werden sollten, auch wenn er schon zuvor angibt, eine Person erkannt zu haben. Denn er kann bei einer größeren Vergleichszahl etwaige Unsicherheiten in seiner Beurteilung besser erkennen und dementsprechend offen legen, sodass im Ergebnis eine Wiedererkennung unter (mindestens) acht Vergleichspersonen einen höheren - in Grenzfällen möglicherweise entscheidenden - Beweiswert gewinnen kann (vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 7. Aufl., Rn. 1405, Odenthal aaO, jew. mwN).
7
Daraus folgt jedoch nicht, dass es, wie die Revision im Ergebnis meint, aus Rechtsgründen schlechterdings ausgeschlossen wäre, das Ergebnis einer Wiedererkennung im Rahmen einer (deshalb) nach Vorlage von fünf Bildern abgebrochenen Wahllichtbildvorlage in die Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einzubeziehen. Möglicher Schwächen dieser Art der Beweisgewinnung war sich die Jugendkammer bewusst, wie ihre sehr weitgehen- de Einschränkung, dass das Ergebnis der Wahllichtbildvorlage „nicht wertlos“ war, zeigt. In diesem Umfang konnte sie es in die eingehend und sehr sorgfältig von ihr vorgenommene Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einstellen. Die Grenzen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung hat sie weder dabei noch sonst überschritten.
8
Auch im Übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler ergeben, wie dies auch der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2011 zutreffend im Einzelnen dargelegt hat. Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 513/99
vom
9. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. März 2000 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 12. Februar 1999, soweit er und der Mitangeklagte A. verurteilt worden sind, 1. bezüglich des Angeklagten D.
a) zur Klarstellung hinsichtlich der Verurteilung im Fall II 2 d der Urteilsgründe dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 -) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt ist;
b) im Schuldspruch in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, schuldig ist;
c) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Freiheitsstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten mit den Feststellungen aufgehoben. 2. bezüglich des Mitangeklagten A.
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in dem weiteren Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie der Körperverletzung in zwei Fällen schuldig ist;
b) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 b und d verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten D. "der Vergewaltigung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in den anderen Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, davon wiederum in einem Fall tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung begangen" schuldig gesprochen und ihn "unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 - ) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten" verurteilt. Den Mitangeklagten A. , der keine Revision eingelegt hat, hat es "der Vergewaltigung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, in den anderen zwei Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, außerdem der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen", schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verhängt. Von dem Vorwurf des Menschenhandels sind die Angeklagten freigesprochen worden.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte D. die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Revision hat mit der Sachbeschwerde teilweise Erfolg und ist insoweit gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten A. zu erstrecken; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:


a) Auch die Ablehnungsrüge (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) greift im Ergebnis nicht durch. Allerdings beanstandet der Angeklagte entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zu Recht, daß sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden und einen der beisitzenden Richter als unzulässig (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) verworfen wurde, denn er hat die Ablehnung, nachdem ihm die Umstände, auf die er sie gestützt hat, bekanntgeworden waren, unverzüglich geltend gemacht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Beschwerdeführer hat nämlich das Ablehnungsgesuch nicht allein damit begründet, daß die abgelehnten Richter mit den ihm in der Anklage zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Prostituierten Aurelia Av. und Oksana P. bereits in dem Verfahren befaßt waren, in dem sein Bruder Arben unter anderem wegen Vergewaltigung dieser Frauen verurteilt wurde. Vielmehr hat er darüberhinaus geltend gemacht , daß die Kammer in jenem Verfahren Feststellungen auch zu den gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten A. erhobenen Vorwürfen getroffen und hierzu in den Urteilsgründen unter anderem ausgeführt hatte, sie sei ”fest davon überzeugt,” daß die als Zeuginnen vernommenen Tatopfer ”generell glaubwürdig” und ihre Angaben glaubhaft seien. Von dem Inhalt der Urteilsgründe hatte der Angeklagte, wie in dem Gesuch glaubhaft gemacht worden ist, aber erst unmittelbar vor der Verhandlung am 3. Dezember 1998 Kenntnis erlangt, zu deren Beginn das Ablehnungsgesuch angebracht wurde.
Das Ablehnungsgesuch war jedoch nicht begründet. Die Vorbefassung mit demselben Sachverhalt liefert grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 24 Rdn. 13 m. w. N.), und zwar auch dann nicht, wenn die Schilderung des Tatgeschehens in dem früheren Urteil – wie hier – auch noch nicht
angeklagte Beteiligte einschließt. Die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter aufgrund ihrer Ä ußerungen in dem früheren Urteil wäre nur dann begründet, wenn diese Ä ußerungen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten hätten (vgl. BGH aaO m. N.). Das ist jedoch hier nicht der Fall.
Die Einbeziehung auch der hier abgeurteilten Taten in die Schilderung der in dem früheren Verfahren abgeurteilten Tat zum Nachteil derselben Tatopfer war aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im einzelnen dargelegten Gründen sachlich geboten. Allerdings können die zahlreichen Hinweise in dem früheren Urteil auf die Überzeugung des Gerichts (”fest davon überzeugt”, ”der festen Überzeugung” und ”keinerlei Zweifel”), die zur Darlegung einer den Anforderungen des § 261 StPO genügenden Überzeugungsbildung (vgl. BGH NStZ 1988, 236 und Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 2 m.N.) nicht erforderlich waren (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Juli 1998 – 4 StR 293/98), für sich genommen Anlaß zu Mißdeutungen geben. Sie waren hier aber vor allem auch im Hinblick auf den Umfang der an den vorangegangenen Sitzungstagen bereits durchgeführten Beweisaufnahme nicht geeignet, zu dem Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuches am zehnten Sitzungstage aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Annahme zu begründen , daß die abgelehnten Richter in dem früheren Verfahren bereits eine endgültige Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers gewonnen hatten (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 11), zumal bereits in der Terminsverfügung vom 2. Oktober 1998 (Bd. III Bl. 551 d.A.) die Ladung von 18 Zeugen angeordnet worden war und die Hauptverhandlung, die am 27. Oktober 1998 begonnen hatte und für die zunächst 24 Sitzungstage vorgesehen waren, erst am 12. Februar 1999 abgeschlossen wurde.


b) Die Verwertung der Ergebnisse der Wahlgegenüberstellungen, die das Landgericht in der Hauptverhandlung durchgeführt hat und außerhalb der Hauptverhandlung hat durchführen lassen, ist weder verfahrens- noch sachlichrechtlich zu beanstanden. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß Wahlgegenüberstellungen in der Hauptverhandlung entbehrlich sind, wenn bereits im Ermittlungsverfahren Wahllichtbildvorlagen oder Wahlgegenüberstellungen durchgeführt worden sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 58 Rdn. 13). Zudem dürfte eine sukzessive (sequentielle) Gegenüberstellung, bei welcher der Zeuge jeweils nur eine Person sieht, ihm aber nacheinander mehrere Personen gezeigt werden (vgl. Mertn/Schwarz/Walser Kriminalistik 1998, 421), einer Wahlgegenüberstellung (vgl. RiStBV 18 Satz 1) vorzuziehen sein.
2. Die Sachbeschwerde führt zur Ä nderung des den Angeklagten D. betreffenden Schuldspruchs in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe und zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der aus diesen Strafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, weil das Landgericht insoweit das Konkurrenzverhältnis rechtsfehlerhaft beurteilt und Tatmehrheit angenommen hat.

a) Nach den Feststellungen veranlaßten die Angeklagten den Betreiber eines Bordells, ihnen die Prostituierten Oksana P. und Aurelia Av. zu übergeben. Der Angeklagte A. brachte die Frauen in die Wohnung der Angeklagten und sperrte sie dort gemeinsam mit dem Angeklagten D. in der Zeit vom 24. August 1997, 8.00 Uhr, bis zum 28. August 1997 ein. Der Angeklagte D. zwang Oksana P. in vier Fällen mit ihm (II 3 a, e, f und j der Urteilsgründe) und in einem weiteren, nach § 154 Abs. 2 StPO von der Verfol-
gung ausgenommenen Fall mit einem Italiener den Geschlechtsverkehr auszuführen. Beide Frauen wurden in Gegenwart der Angeklagten von dem Bruder des Angeklagten D. v ergewaltigt. Nachdem der Angeklagte A. Aurelia Av. zum Geschlechtsverkehr mit ihm (Fälle II 3 b und d der Urteilsgründe) und in einem weiteren, ebenfalls von der Verfolgung ausgenommenen Fall mit einem Albaner gezwungen hatte, zwang sie am 25. August 1997 der Angeklagte D. zum Oral- und Vaginalverkehr (II 3 h der Urteilsgründe). Der Angeklagte D. war sich bewußt, ”daß die beiden Frauen in der Wohnung eingesperrt waren und sich damit in einer hilflosen Lage befanden, in der sie beiden Angeklagten schutzlos ausgeliefert waren”. Dies nutzte er in allen Fällen aus, um den Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Im ersten der Fälle versetzte der Angeklagte Oksana P. zudem mehrere mit großer Wucht ausgeführte Faustschläge gegen den Kopf, um ihren Widerstandswillen zu brechen. Danach ging er davon aus, daß er ”nicht erneut zuschlagen mußte, weil der Widerstandswille der Frau infolge seiner früheren Gewalttätigkeiten gebrochen war.” In dem letzten der Fälle ging er ”zutreffender Weise davon aus, daß P. der Av. von den Schlägen erzählt bzw. daß Av. die Schläge und Schreie selbst gehört hatte.”
Dieser der Verurteilung des Angeklagten D. wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in einem Fall mit Körperverletzung zugrundeliegende Geschehensablauf vermag die Annahme rechtlich selbständiger Taten nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist der Geschehensablauf als eine Tat im Sinne des sachlichen Rechts aufzufassen, weil die von dem Angeklagten erzwungenen Sexualakte eine einheitliche Handlung bilden:
Es kann dahingestellt bleiben, ob allein das mehrfache Ausnutzen derselben schutzlosen Lage z ur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs zur Annahme nur einer Tat führen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 6. Juli 1999 – 1 StR 216/99). Hier liegt den Vergewaltigungen, auf die das Landgericht zutreffend § 177 Abs. 1, 2 Satz 2 Nr.1 StGB i.d.F. des 33. StrÄ ndG angewendet hat, jedenfalls soweit es die als Tatmittel angewendete Gewalt betrifft, ein einheitliches Tun des Angeklagten D. zugrunde. Neben der Freiheitsberaubung, in der hier eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB liegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10), die der Angeklagte in allen Fällen als Nötigungsmittel einsetzte, wirkte auch die im ersten Fall vom Angeklagten ausgeübte massive körperliche Gewalt während des gesamten Tatgeschehens fort, was der Angeklagte in den nachfolgenden Fällen ebenfalls ausnutzte. Der Annahme einer fortwirkenden Gewaltanwendung steht hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entgegen, daß sich das Tatgeschehen über mehrere Tage erstreckte und daß es durch Straftaten anderer zum Nachteil der Tatopfer ”unterbrochen” wurde. Diese Taten bilden schon deshalb keine Zäsur, die zur Annahme rechtlich selbständiger Taten führt, weil sie durch die schutzlose Lage der Frauen ermöglicht wurden und der Angeklagte D. Oksana P. zudem in einem der nicht abgeurteilten Fälle zu dem Geschlechtsverkehr mit einem Italiener unter Ausnutzung dieser Lage gezwungen hat. Im übrigen ist, da zur zeitlichen Einordnung der Vorfälle keine sicheren Feststellungen getroffen werden konnten, zugunsten des Angeklagten D. davon auszugehen, daß das Tatgeschehen, soweit es die erzwungenen sexuellen Handlungen betrifft, in der Nacht vom 25. zum 26. August 1997 beendet war, so daß ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist.
Der Angeklagte D. hat danach in allen Fällen, soweit es die angewendete Gewalt betrifft, dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Handlung im Rechtssinne vorliegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10, jew. m. N.). Soweit es gegenüber Oksana P. zu mehreren sexuellen Handlungen kam, liegt daher nur eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (vgl. BGH NStZ 1999, 83) und mit Körperverletzung vor. Hierzu stehen die durch dieselbe Handlung zum Nachteil von Aurelia Av. begangenen Delikte (Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) in Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1997 – 4 StR 377/97 und vom 16. November 1999 – 4 StR 504/99). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten zur Folge.

c) Soweit der Angeklagte im Fall II 2 d wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem erpresserischem Menschenraub wegen der Zäsurwirkung der einbezogenen Vorverurteilung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt worden ist, faßt der Senat den diese Tat betreffenden Schuld- und Strafausspruch zur Klarstellung der Zuordnung dieser Strafe neu. 3. Die Revision ist, soweit der Mitangeklagte A. in den Fällen II 3 b und d wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist, wegen der insoweit gegebenen Identität der
Tat (vgl. Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 357 StPO Rdn. 8) gemäß § 357 StPO auf diesen zu erstrecken.
Der Angeklagte A. hat den Geschlechtsverkehr mit Aurelia Av. , und zwar - wovon zu seinen Gunsten auszugehen ist – an demselben Tage, jeweils unter Ausnutzung der in der Freiheitsberaubung liegenden Gewaltanwendung erzwungen und insoweit dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Tat im Rechtssinne vorliegt. Zu der Vergewaltigung steht die Freiheitsberaubung zum Nachteil beider geschädigter Frauen in Tateinheit. Der Senat hat den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der beiden diese Fälle betreffenden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 501/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Pascal H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Andrzej J. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin für den Nebenkläger Markus W. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat sich auf Grund der glaubhaften Angaben des Nebenklägers davon überzeugt, dass dieser am 19. Juli 2008 gegen 4.00 Uhr am Baldeneysee in Essen, wo er in seinem auf einem Parkplatz abgestellten Wohnmobil schlief, von insgesamt vier Tätern überfallen wurde. Diese forderten die Herausgabe von Wertsachen, Mobiltelefonen oder Geld und verliehen ihren Forderungen zunächst durch Schläge gegen das Wohnmobil und durch Beschimpfungen Nachdruck. Der Nebenkläger, der angesichts der zunehmend aggressiv vorgehenden Täter Angst bekam und sich in seinen Verteidigungs- möglichkeiten eingeschränkt sah, weil er unbekleidet war, reichte ihnen durch ein spaltbreit aufgeschobenes Fenster etwa fünf Euro Münzgeld heraus. Einer der vier Angreifer, die seiner Versicherung, über kein weiteres Geld mehr zu verfügen, keinen Glauben schenkten, schlug daraufhin das Schiebefenster des Wohnmobils mit einem Radmutterschlüssel ein. Nachdem der Nebenkläger unter dem Eindruck dieses Vorgehens nunmehr auch eines seiner Mobiltelefone herausgegeben hatte, versuchte einer der Täter, ihn von außen durch das vollständig zersplitterte Fenster mit dem Radmutterschlüssel zu schlagen. Das gelang jedoch nicht, weil der Nebenkläger in das Innere des Fahrzeugs auswich. Ein weiterer der vier Täter schlug sodann das Fenster der Fahrertür ein, öffnete die Tür, lehnte sich über den Fahrersitz nach hinten und schlug den Nebenkläger mehrfach mit einem Fahrradspanngurt, der an den Enden mit Metallhaken versehen war. Der Nebenkläger, der dadurch mehrere Striemen am Oberkörper davontrug, verteidigte sich seinerseits mit einer Metall-Taschenlampe. Es gelang ihm, dem Täter am Schiebefenster vorübergehend den Radmutterschlüssel zu entwinden, nachdem dieser das zweite Mobiltelefon des Nebenklägers durch das zerbrochene Fenster an sich genommen hatte, er gab das Werkzeug aber nach Androhung des Einsatzes einer Schusswaffe wieder zurück. Der in den Fahrerbereich des Wohnmobils eingedrungene Angreifer hatte in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger abgelassen und nahm aus der Frontablage ein Navigationsgerät, ein Ladekabel, mehrere CDs sowie den Zündschlüssel für das Firmenfahrzeug des Nebenklägers an sich. Daraufhin entfernten sich die Angreifer mit den entwendeten Gegenständen unter Benutzung eines unbeleuchteten Pkws.
3
2. Die Strafkammer hat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass die Angeklagten, die den Tatvorwurf bestritten und sich dahin eingelassen haben, sie seien zum Tatzeitpunkt jeweils zu Hause gewesen, zusammen mit zwei weiteren, unbekannt gebliebenen Personen die Täter waren. Insbesondere bestehen aus Sicht des Landgerichts begründete Zweifel daran, dass der Nebenkläger die Angeklagten zuverlässig wiedererkannt hat.
4
a) Dem liegt Folgendes zu Grunde:
5
Bei Anzeigeerstattung noch in der Tatnacht (19. Juli 2008) bekundete der Nebenkläger, die Täter nicht einzeln beschreiben zu können, da sie alle „irgendwie gleich ausgesehen“ hätten. Es habe sich um etwa 1,80 Meter große, ca. 25 Jahre alte männliche Personen mit schwarzen, kurzen Haaren, südländischem Aussehen und kräftigen Staturen gehandelt, bei denen er eine türkische Herkunft vermute. Sie hätten die deutsche Sprache mit einem leichten Akzent gesprochen und eine schwarze, viertürige Limousine benutzt. Er nehme an, es sei ein Pkw Audi 80 älterer Bauart mit abgerundeter Karosserie gewesen. Am 29. Dezember 2008 führte die Polizei zwei computergestützte Wahllichtbildvorlagen durch, wobei jede Vorlage aus acht Lichtbildern bestand, von denen jeweils eines einen der beiden Tatverdächtigen, die sieben anderen computergenerierte Bilder nicht existierender Personen zeigten. Die Bilder wurden dem Nebenkläger am Computerbildschirm einzeln nacheinander gezeigt (sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage). Der Nebenkläger, dem zu Beginn der Vorlage mitgeteilt worden war, dass sich in jeder der Lichtbildvorlagen jeweils einer der Tatverdächtigen befinden würde, erkannte den Angeklagten H. beim ersten Durchgang auf Bild Nr. 8 zu 100 %; die anderen Personen erkannte er nicht wieder. Im zweiten Durchgang erkannte er bereits auf Bild Nr. 2 den Angeklagten J. , ebenfalls mit 100%-iger Sicherheit. Die auf dem ersten Bild dieser zweiten Vorlage abgebildete Person erkannte der Nebenkläger nicht. Entsprechend den einprogrammierten Systemvorgaben wurde der gesamte Vorgang unmittelbar nach Wiedererkennung des zweiten Angeklagten beendet. Am 30. Januar 2009 legte die Polizei dem Nebenkläger eine weitere Lichtbildvorlage mit acht Personen arabischen bzw. afrikanischen Aussehens vor; er erkannte jedoch niemanden. In der Hauptverhandlung am 12. April 2010 hat der Geschädigte die Angeklagten ebenfalls wiedererkannt.
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b) Nach Auffassung der Strafkammer spricht die Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers zwar für sich betrachtet für deren Richtigkeit. Sie sei aber nicht ohne Beeinflussung des Zeugen zustande gekommen, da dieser jeweils vor Beginn der Vorlage beider Lichtbildserien darüber informiert worden sei, dass sich in jeder Serie einer der Verdächtigen befinde. Es könne zwar offen bleiben, ob diese Beeinflussung des Zeugen allein geeignet sei, die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung in Frage zu stellen. Zahlreiche weitere Unstimmigkeiten begründeten jedoch jeweils für sich gesehen und in der Gesamtschau erhebliche Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten. So sei die sequentielle Wahllichtbildvorlage erst fünf Monate nach der Tat durchgeführt worden , die vom Nebenkläger abgegebene, sehr allgemeine Beschreibung der Täter noch in der Tatnacht stimme mit deren tatsächlichen Merkmalen nicht überein , ferner habe der Angeklagte H. zum Tatzeitpunkt keinen schwarzen Pkw der Marke Audi in ständiger Benutzung gehabt, sondern einen roten Pkw Opel Vectra, der im Übrigen zum Tatzeitpunkt an anderer Stelle in EssenBredeney gesehen worden sei. Außerdem sei ein Fingerspurenabgleich negativ verlaufen.

II.


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Der Freispruch hat keinen Bestand.
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1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (BGH, Urteil vom 6. November 1998 aaO; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Insbesondere dann, wenn er nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen zieht, muss der Tatrichter tragfähige Gründe anführen, die sein Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 aaO; Urteil vom 17.
März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jeweils m.w.N.).
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2. Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Zum einen lassen die Ausführungen im angefochtenen Urteil besorgen , dass die Strafkammer an die für eine Verurteilung der Angeklagten erforderliche Gewissheit zu hohe Anforderungen gestellt hat. Dies gilt namentlich für die Bewertung der Wiedererkennungsleistung des Nebenklägers.
11
aa) Entgegen der Ansicht der Revision hat die Strafkammer in den Urteilsgründen zwar noch hinreichend dargelegt, auf welche Weise die sog. sequentielle Wahllichtbildvorlage mit dem Nebenkläger durchgeführt wurde (vgl. dazu nur Senatsbeschluss vom 27. Februar 1996 – 4 StR 6/96, NStZ 1996, 350 m.w.N.). Die Wertung der Strafkammer, die von dem Nebenkläger bei dieser Lichtbildvorlage gezeigte Wiedererkennungsleistung sei in ihrem Beweiswert schon deshalb gemindert, weil dem Zeugen vor Durchführung der Vorlage mitgeteilt worden sei, in jeder der beiden Lichtbildserien befinde sich das Bild eines Tatverdächtigen, vermag der Senat nicht zu teilen.
12
bb) Es trifft zwar zu, dass die Ermittlungsbehörden bei Wahllichtbildvorlagen wie auch bei Wahlgegenüberstellungen a lles zu unterlassen haben, was den jeweiligen Zeugen in seiner Unvoreingenommenheit beeinflussen kann. Danach versteht es sich von selbst, dass Kommentare seitens der Vernehmungsbeamten aus Anlass der Vorlage einzelner Lichtbilder das Ergebnis einer Wiedererkennungsleistung ebenso entscheidend entwerten können wie die fehlerhafte Ausgestaltung von Lichtbildbögen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 1993 – 4 StR 588/92, StV 1993, 234 [Beamter weist auf das Lichtbild des Verdächtigen besonders hin]; BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, NStZ 1998, 266 [Bild des Verdächtigen größer als die anderen]). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht stützt seine Annahme, der Nebenkläger sei suggestiv beeinflusst worden, allein auf die ihm von dem Vernehmungsbeamten gegebene Information, in jeder Bildserie befinde sich das Bild eines der Verdächtigen (ebenso wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 1983 – 3 HEs 77/83, NStZ 1983, 377). Eine solche Mitteilung stellt jedoch noch keine unzulässige Suggestion des betroffenen Tatzeugen dar, es sei denn, dass die Unbefangenheit des Zeugen beim Wiedererkennungsvorgang durch Hinzutreten besonderer Umstände unsachgemäß in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Auch im vergleichbaren Fall der Wahlgegenüberstellung wird deren Beweiswert nicht schon dadurch gemindert oder in Frage gestellt, dass der Zeuge, sei es mit oder ohne eine entsprechende Information, weiß oder jedenfalls davon ausgeht, dass sich unter den Auswahlpersonen auch die Person des Tatverdächtigen befindet.
13
cc) Die Strafkammer hätte in diesem Zusammenhang auch nicht unerörtert lassen dürfen, dass dem Ergebnis einer sequentiellen Wahllichtbildvorlage in der Regel ein höherer Beweiswert zukommt als dem einer gleichzeitigen Vorlage aller Bilder (so schon Senatsbeschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99, NStZ 2000, 419 zur sequentiellen Wahlgegenüberstellung). Dies beruht bei sequentiell vorgenommener Vorlage von Lichtbildern ebenso wie bei einer solchen Form der Wahlgegenüberstellung vor allem auf dem Umstand, dass dem Zeugen in Ermangelung zeitgleich vorgelegter (weiterer) Lichtbilder oder vorgeführter Personen die Identifizierung im Wege eines – in der Praxis häufig vorkommenden – Ausschlussverfahrens am Maßstab eines (relativen) Ähnlichkeitsurteils regelmäßig verschlossen ist. Der Zeuge kann und muss vielmehr bei je- dem einzelnen Bild bzw. bei jeder einzelnen Person ausschließlich auf sein aktuelles Erinnerungsbild zurückgreifen. Es kommt hinzu, dass die Wiedererkennungssicherheit im vorliegenden Fall trotz der verstrichenen Zeit in beiden Durchgängen einhundert Prozent betrug. Da das Landgericht alle Beweisanzeichen einer Gesamtbetrachtung unterzogen hat, ist nicht auszuschließen, dass bei einer anderen Gewichtung der Wiedererkennungsleistung die Entscheidung anders ausgefallen wäre.
14
dd) Die Erwägung, gegen eine sichere und fehlerfreie Wiedererkennung der Täter durch den Angeklagten sprächen die schlechten Beleuchtungsverhältnisse auf dem Parkplatz in Tatortnähe, erweist sich vor dem Hintergrund der zum unmittelbaren Tathergang getroffenen Feststellungen auch als lückenhaft. Danach war der in das Wohnmobil eingedrungene Täter nicht nur in der Lage, den Geschädigten durch Schläge mit einem Fahrradspanngurt zu treffen. Er durchsuchte im Anschluss daran den Fahrer- bzw. Beifahrerbereich des Fahrzeugs gezielt nach Beute und nahm aus der dortigen Ablage verschiedene Gegenstände an sich, u. a. den Schlüssel für das Firmenfahrzeug des Geschädigten. Warum dem Täter dies trotz der mangelhaften Beleuchtungsverhältnisse möglich war, war daher unter den gegebenen Umständen erörterungsbedürftig.
15
b) Die Beweiserwägungen des Landgerichts erweisen sich auch in anderer Hinsicht als teilweise lückenhaft und widersprüchlich.
16
aa) Nach den Feststellungen der Strafkammer befand sich der vom Angeklagten H. ständig genutzte rote Pkw Opel Vectra in der Tatnacht gegen 4.00 Uhr, besetzt mit drei bis vier nicht identifizierten Personen, in EssenBredeney , etwa fünfzehn Autominuten vom Tatort entfernt. Dort bemerkte der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der Zeuge T. , der in dieser Gegend mit Objektschutzaufgaben betraut war, das Fahrzeug und notierte sich dessen amtliches Kennzeichen. Als die Insassen des Fahrzeugs den Zeugen bemerkten, schalteten sie die Fahrzeugbeleuchtung aus und entfernten sich mit hoher Geschwindigkeit.
17
bb) Für das Landgericht ergeben sich aus dieser Begebenheit weitere Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten, da diese sich, so die Strafkammer, nicht zur selben Zeit an zwei Orten gleichzeitig hätten aufhalten können. Abgesehen davon, dass in den Urteilsgründen an anderer Stelle ausdrücklich offen gelassen wird, ob sich die Angeklagten und ihre Mittäter überhaupt in dem Pkw befanden, könnte sich diese Erwägung, worauf die Revision zutreffend hinweist, zu Gunsten der Angeklagten nur dann als tragfähig erweisen, wenn eine genaue Tatzeit feststünde. Aus den Urteilsgründen ergibt sich für die Tatausführung aber ein Zeitfenster von mindestens einer Stunde. Angesichts der geringen Entfernung des von dem Zeugen T. bemerkten roten Opel Vectra zum Tatort hätte dies genauerer Erörterung bedurft. Die nahe liegende Möglichkeit, dass die Angeklagten zur Erschwerung ihrer Identifizierung mit einem anderen Fahrzeug als mit dem vom Angeklagten H. ständig genutzten Pkw zum Tatort gefahren sind, wird vom Landgericht nicht in Betracht gezogen. Indem die Strafkammer in diesem Zusammenhang darlegt, es erscheine nicht lebensfern, dass der Angeklagte H. sein Fahrzeug in der Tatnacht anderen Personen zur Begehung von Straftaten geliehen haben könnte, unterstellt sie vielmehr zu Gunsten der Angeklagten eine Geschehensvariante, die in den übrigen Feststellungen keine Stütze findet.
18
Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
19
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass auch das (wiederholte) Wiedererkennen in der Hauptverhandlung einen , wenn auch eingeschränkten, Beweiswert haben kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, Tz. 15) und insoweit die Wiedergabe der von einem Zeugen gegebenenfalls besonders hervorgehobenen Wiedererkennungs- und Identifizierungsmerkmale eines Täters in den Urteilsgründen wünschenswert ist. Im Hinblick auf die Bewertung der Beschreibung der Täter durch den Nebenkläger noch in der Tatnacht wird der neue Tatrichter andererseits bedenken müssen, dass es kaum je zu erwarten ist, dass ein Tatopfer sich alle persönlichen Merkmale eines Täters einprägt und mit der gleichen Zuverlässigkeit alle Merkmale wiedergeben kann. Es bedarf insoweit jeweils einer umfassenden Abwägung, bei der die besonderen Umstände des Falles – hier: nächtlicher Angriff von vier Tätern auf ein schlafendes Opfer – zu bedenken sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153; Urteil vom 28. Oktober 1992 – 3 StR 410/92, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 14). Für den Fall, dass es für die Überzeugungsbildung auch auf eine sog. Weg-Zeit-Berechnung ankommen sollte, weist der Senat vorsorglich auf den möglicherweise eingeschränkten Beweiswert einer solchen Berechnung hin (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 1992 aaO).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender