Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2015 - 2 StR 423/14

bei uns veröffentlicht am11.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 2 3 / 1 4
vom
11. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. März
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2014 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit Verabreichen von Betäubungsmitteln mit Todesfolge schuldig ist. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Freiheitsstrafe und die Maßregel aufgehoben. Ferner wird das vorgenannte Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben, soweit ein Ausspruch gemäß § 111i StPO unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte nach Aufhebung eines ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache durch Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013 - 2 StR 5/13 - (NStZ 2013, 709 f.) mit dem angefochtenen Urteil wegen Totschlags zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und ihr ein lebenslanges Berufsverbot als Ärztin erteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachbeschwerde und Verfahrensrügen gestützte Revision der Angeklagten und die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Die Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte schon als Jugendliche drogenabhängig gewesen und der Prostitution nachgegangen. Dabei hatte sie im Jahre 1993 den damals 68 Jahre alten H. H. kennengelernt. Dieser beschaffte ihr Drogen als Gegenleistung für sexuelle Dienste und zeigte sich dabei "besitzergreifend und dominant". Von 1999 bis 2011 holte die Angeklagte den Hauptschulabschluss nach, erwarb die Fachoberschulreife und die allgemeine Hochschulreife, studierte Medizin, legte das Staatsexamen ab und erlangte eine Approbation als Ärztin. Anfang 2011 wurde sie promoviert. Inzwischen war sie allerdings medikamentenabhängig.
3
Am 15. Januar 2010 heiratete die Angeklagte den später getöteten H. H. . Dieser verlor im Alter alle bisherigen Interessen und verbrachte die meiste Zeit vor dem Fernseher. Die eheliche Beziehung kam zum Erliegen. Vor diesem Hintergrund entstanden Streitigkeiten zwischen den Ehe- leuten, wofür namentlich das Promotionsverfahren der Angeklagten häufig einen Anlass bot.
4
Im Lauf des Jahres 2010 nahm die Angeklagte eine Liebesbeziehung mit dem Zeugen G. auf. Spätestens ab dem 10. Februar 2011 wusste H. H. davon, dass sich die Angeklagte von ihm trennen wollte, und versuchte durch Sperrung von Kontokarten und Geldabhebungen zu verhindern , dass sie an Geldmittel gelangen konnte.
5
Am 16. Februar 2011 erhielt die Angeklagte die Zusage einer Anstellung als Ärztin in einem Krankenhaus in U. . Nach ihrer Rückkehr aus U. in die Ehewohnung am 17. Februar 2011 fand sie in einer Bewerbungsmappe handschriftlich von ihrem Ehemann beschriebene Zettel, mit denen er das Klinikum in E. auf falsche Angaben in ihrem Lebenslauf und ihre Drogenabhängigkeit hinwies.
6
Am Abend des 18. Februar 2011 kam es zu einem erneuten Streit zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann. Sie teilte ihm mit, dass sie in U. eine Anstellung als Ärztin erlangt habe und auf sein Geld nicht mehr angewiesen sei. Er beschimpfte sie daraufhin als "drogenabhängige Schlampe" und kündigte an, er werde dafür sorgen, dass sie ihre Approbation verliere. Er hielt ihr auch eine Tüte mit mindestens neun Ampullen Morphium und einer Ampulle Piritramid vor, die er in einem Schrank gefunden hatte. Die Angeklagte nahm die Tüte an sich und ging damit in die Küche, wo sie sich an den Tisch setzte. Angesichts der Drohungen ihres Ehemanns sah sie ihre Pläne der Arbeitsaufnahme als Ärztin in U. und des Zusammenlebens mit dem Zeugen G. in Gefahr und beschloss, ihren Ehemann zu töten.
7
Die Angeklagte zog in der Küche die Inhalte aller Ampullen aus der Plastiktüte auf eine Spritze, nahm diese in die rechte Hand, ging ins Wohnzimmer und trat dort auf ihren Ehemann zu. Dieser erkannte ihr Vorhaben und fragte, was in der Spritze sei. Dann stand er auf, hielt ihre rechte Hand mit einer Hand fest und schlug sie mit seiner anderen Hand ins Gesicht. Die Angeklagte konnte sich losreißen, stach ihrem Ehemann die Spritze in den Oberschenkel und drückte die Injektionslösung hinein. Hierbei war ihr bewusst, dass es sich um eine tödliche Dosis handelte. Die Injektion führte innerhalb von einer Stunde zum Tod des H. H. .
8
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB bei der Begehung der Tat durch die Angeklagte , auch im Hinblick auf einen Affekt, verneint. Sie hat andererseits das Vorliegen von Mordmerkmalen nach § 211 Abs. 2 StGB ausgeschlossen. Es sei nicht festzustellen, dass die Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit ihres Ehemanns bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt habe. Auch ein Handeln aus Habgier oder einem sonst niedrigen Beweggrund sei auszuschließen. Daher liege Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB vor.
9
Die Strafkammer hat ferner ausgeführt, der Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB sei nicht nach § 213 - 1. Alt. - StGB zu mindern. Es könne dahinstehen , ob eine Provokation der Angeklagten durch den Getöteten vorgelegen habe; jedenfalls sei sie nicht hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden , sondern habe in der Küche beim Aufziehen der Spritze eine "zielgerichtete und von einem Affekt ganz weitgehend unbeeinflusste Entscheidung" getroffen. Es sei ihr vor allem darum gegangen, ihren Ehemann als möglichen Störfaktor zu beseitigen. Auch ein Fall des § 213 - 2. Alt. - StGB komme nicht in Betracht.
10
Das Berufsverbot gemäß § 70 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer damit begründet, dass die Angeklagte das Morphium unter Vorlage eines von ihr selbst ausgestellten Rezepts erlangt habe. Bei der Tat habe sie nicht "ihre be- ruflichen Fähigkeiten zum Erhalt und zur Pflege des menschlichen Lebens" eingesetzt , sondern "planvoll und zielgerichtet menschliches Leben vernichtet". Angesichts des Ausmaßes der Pflichtverletzung und des Gewichts der Tat sei damit zu rechnen, dass sie auch in Zukunft als approbierte Ärztin unter Verletzung ihrer ärztlichen Pflichten rechtswidrige Taten begehen werde. Da diese Gefahr über den Zeitraum des höchsten zeitigen Berufsverbots hinaus bestehe, sei die Maßregel auf Lebenszeit gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 StGB anzuordnen.
11
Hinsichtlich des Nachlasses könne nicht der Verfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB angeordnet werden. Die Angeklagte habe sich als erbunwürdig erwiesen und schulde den Erben des Tatopfers die Überlassung des Nachlasses.

II.

12
Die Revision der Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Totschlags richtet. Das Rechtsmittel führt aber zur Aufhebung des Straf- und Maßregelausspruchs.
13
1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. November 2014 genannten Gründen ohne Erfolg. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten im Schuldspruch auf. Jedoch ist die Prüfung des § 213 StGB durch das Landgericht bei der Strafzumessung rechtlich zu beanstanden.
14
a) Das Landgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zwar im Ergebnis rechtsfehlerfrei einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 - 1. Alt. - StGB verneint; die Erwägungen, mit denen es einen sonstigen minder schweren Fall abgelehnt hat, halten jedoch - auch in Anbetracht des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs - der Überprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Landgericht die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche Prüfung , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1992 - 5 StR 645/92; Beschluss vom 14. März 1985 - 1 StR 105/85, NStZ 1985, 310 mwN; Beschluss vom 15. Januar 2002 - 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140), verfehlt hat. Die Strafkammer hat zwar - wie sie ausführt - eine Gesamtabwägung beziehungsweise Gesamtbetrachtung (der mildernden Umstände) vorgenommen , das dabei gefundene Ergebnis lässt es allerdings als zweifelhaft erscheinen , ob dies tatsächlich in der geforderten Weise geschehen ist. Das Landgericht führt ausnahmslos für die Angeklagte sprechende Umstände an, wenn sie auf das von Reue und Einsicht getragene Geständnis, ihre fehlende strafrechtliche Vorbelastung, die durchgreifende Veränderung ihrer Lebenssituation durch Lösung aus dem Prostitutionsmilieu und Aufbau einer beruflichen Existenz als Ärztin, die von dem Tatopfer ausgehende Gefahr einer Zerstörung dieser Lebensperspektive, die Spontanität des Tatentschlusses, ihre bei der Tat vorhandene Erregungslage sowie die von ihr in der Untersuchungshaft unternommenen Anstrengungen, um künftig straffrei zu leben (suchtmittelfreies Leben , berufliche Umorientierung), hinweist. Bei der Vielzahl der für die Angeklagte sprechenden gewichtigen Strafmilderungsgründe, denen nicht ein einziger Strafschärfungsgrund gegenübergestellt ist, ist für das Revisionsgericht nicht mehr nachvollziehbar, warum der Angeklagten eine Strafmilderung nach § 213 - 2. Alt. - StGB, für die schon ein Zusammentreffen mehrerer Milderungsgründe genügen kann, versagt worden ist. Dabei ist im Übrigen noch nicht einmal berücksichtigt , dass die Ausführungen der Strafkammer nicht erkennen lassen, ob sie die zur Tat führenden Beleidigungen und Provokationen des Tatopfers - mögen sie auch nicht die Voraussetzungen des § 213 - 1. Alt. - StGB belegen - in genügendem Umfang berücksichtigt hat.
15
b) Weil ein Wertungsfehler des Landgerichts vorliegt, können die Feststellungen aufrechterhalten werden; ergänzende Feststellungen, die nicht im Widerspruch zu den bisher getroffenen Feststellungen stehen, bleiben möglich.
16
2. Der Senat hebt auch den Maßregelausspruch auf.
17
Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Sicherungsmaßregel gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Dabei ist zu prüfen, ob die Anlasstat in symptomatischer Weise die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf erkennen lässt. Ein Missbrauch des Berufs liegt nur vor, wenn die Tat in einem inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung steht. Es genügt nicht, dass der Beruf rein äußerlich die Möglichkeit gibt, bestimmte strafbare Handlungen zu begehen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 1983 - 2 StR 175/83, NJW 1983, 2099). Ob dies alleine aufgrund der Tatsache der Fall ist, dass die Angeklagte sich unter Ausnutzung ihrer Approbation als Ärztin das Morphium verschafft hat, das sie selbst konsumieren wollte, in der zugespitzten Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann aber als Tatmittel eingesetzt hat, ist vom Landgericht nicht erschöpfend erörtert worden. Die weitere Erwägung, sie habe ihre beruflichen Fähigkeiten nicht zur Heilung und Pflege von Menschen, sondern zur Tötung eines anderen eingesetzt, erscheint als Maßregelanlass bedenklich.
18
Jedenfalls begegnet die Prognose, dass die Angeklagte künftig unter Verletzung ihrer ärztlichen Pflichten im Beruf rechtswidrige Taten begehen werde , rechtlichen Bedenken. Dabei ist die Tatsache nicht berücksichtigt worden, dass es sich bei der Anlasstat der Maßregelanordnung, die bei der Prognose Indizbedeutung für künftiges strafwürdiges Verhalten haben könnte, um ein Kapitaldelikt gehandelt hat, das gerade aus der konfliktbeladenen Beziehung zu dem Opfer entstanden ist und zu dem sie durch dessen Verhalten provoziert wurde. Mit einer vergleichbaren Tat ist für die Zukunft kaum noch zu rechnen. Welche anderen rechtswidrigen Taten zu erwarten sind, hat die Kammer nicht erläutert. Das wäre aber zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Freiheit der Berufsausübung erforderlich gewesen.

III.

19
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Änderung des Schuldspruchs dahin, dass die Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Verabreichen von Betäubungsmitteln mit Todesfolge schuldig ist.
20
Bei dem injizierten Morphium handelt es sich um ein Betäubungsmittel (§ 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anl. III), das die Angeklagte dem Getöteten vorsätzlich verabreicht hat. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist das Betäubungsmitteldelikt qualifiziert, wenn durch die Verabreichung des Betäubungsmittels wenigstens leichtfertig der Tod des Menschen verursacht wird. Erst recht wird auch die vorsätzliche Verursachung des Todes von der Strafnorm erfasst (§ 18 StGB).
21
Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG wird dabei ebenso wenig vom Totschlagstatbestand verdrängt, wie auch andere erfolgsqualifizierte Delikte nicht durch Tötungsverbrechen ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108 f.). Vielmehr liegt Tateinheit vor (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Vollkmer, BtMG, 7. Aufl., § 30 Rn. 119; Rahlf in MünchKommStGB, 2. Aufl., § 30 BtMG Rn. 200; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30 Rn. 196).
22
Für eine teleologische Reduktion des Straftatbestands gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, wie sie nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit bei Überlassung von Betäubungsmitteln an Suizidenten angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 - 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279, 288), ist hier kein Raum.
23
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagte, die eine Injektion des Morphiums und die Verursachung des Todes des Ehemanns eingeräumt hat, sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
24
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat dagegen keinen Erfolg, soweit sie die Verurteilung der Angeklagten wegen heimtückisch begangenen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB erstrebt.
25
Aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist schon zweifelhaft , ob der Getötete bei Beginn des Angriffs auf sein Leben arglos war; denn er erkannte das Vorhaben der Angeklagten, sobald diese mit der Spritze in der Hand auf ihn zukam.
26
Jedenfalls war der Getötete nicht infolge von Arglosigkeit wehrlos. Er hielt die Hand der Angeklagten, in der sie die Spritze mit der tödlichen Dosis Morphium hielt, zunächst fest und schlug sie ins Gesicht. Die Tatsache, dass diese Abwehr im Ergebnis nicht erfolgreich war, lässt nicht den Schluss auf Wehrlosigkeit infolge von Arglosigkeit zu. Dies kann vielmehr auch der schwachen körperlichen Konstitution des betagten Opfers geschuldet gewesen sein.
27
Schließlich ist die Annahme des Landgerichts, es habe der Angeklagten am Bewusstsein der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit gefehlt, rechtlich nicht zu beanstanden.
28
3. Die Änderung des Schuldspruchs führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Gemäß § 301 StPO hat der Maßregelausspruch auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Bestand.
29
4. Soweit sich das Landgericht an der Anordnung des Verfalls gehindert gesehen hat, weil den Erben des Getöteten gegen die Angeklagte Ansprüche auf Herausgabe des Nachlasses zustehen, hätte es eine Anordnung nach § 111i StPO in der Urteilsformel treffen müssen. Die Hinweise auf diese Rechtslage in den Urteilsgründen reicht nicht aus.
Fischer Appl Krehl Eschelbach Zeng

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(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 5/13
vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 30. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, ihr ein lebenslanges Berufsverbot erteilt und festgestellt , dass auf die Anordnung des Verfalls von 106.058 Euro nur verzichtet wird, weil Ansprüche Dritter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachbeschwerde und Verfahrensrügen gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel ist mit der Sachrüge begründet, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.

I.

2
Nach den Feststellungen war die Angeklagte als Jugendliche drogenabhängig gewesen und der Prostitution nachgegangen. Dabei hatte sie den 50 Jahre älteren H. H. als Freier kennen gelernt. Dieser beschaffte ihr Drogen als Gegenleistung für sexuelle Dienste. Von 1999 bis 2011 holte die Angeklagte den Hauptschulabschluss nach, erwarb die Fachoberschulreife und dann die allgemeine Hochschulreife, studierte Medizin, legte das Staatsexamen ab und erlangte ihre Approbation als Ärztin. Anfang 2011 wurde sie promoviert. Inzwischen war sie medikamentenabhängig. Am 15. Januar 2010 heiratete sie H. H. . Ihr Ehemann vereitelte in der Folge ihre Bewerbungen um eine Anstellung in einem Krankenhaus, indem er Bewerbungsschreiben heimlich Begleitschreiben beifügte, in denen er auf ihre frühere Drogenabhängigkeit hinwies. Im Jahre 2010 nahm die Angeklagte eine außereheliche Beziehung mit dem Zeugen G. auf. Am 16. Februar 2011 erreichte sie die Zusage einer Anstellung als Ärztin in einem Krankenhaus in U. .
3
In der Zwischenzeit veranlasste H. H. die Sperrung seines Girokontos, über das auch die Angeklagte verfügen konnte. Ihre Bankkarte wurde eingezogen, als sie in U. an einem Geldautomaten Geld abheben wollte. Diese Tatsache und die Entdeckung eines der Begleitbriefe ihres Ehemanns zu den Bewerbungsschreiben führten nach ihrer Rückkehr aus U. am 17. Februar 2010 zum Streit zwischen den Eheleuten. Am Abend des 18. Februar 2010 erklärte die Angeklagte ihrem Ehemann, dass sie sich von ihm trennen wolle. Er ohrfeigte sie und schob sie beiseite. Sie nahm in der Küche und auf der Toilette vier Tabletten des Beruhigungsmittels Flunitrazepam mit einigen Schlucken Wein ein und begab sich zu ihrem Ehemann in das Wohnzimmer. Dieser erklärte, dass sie tun müsse, was er sage. Er hielt ihr eine Tüte mit mindestens zehn Ampullen Morphin und einer Ampulle Piritramidan vor, die er in einem Schrank gefunden hatte, und bemerkte, sie sei wieder dort gelandet, wo sie hingehöre; sie sei eine "drogenabhängige Straßennutte". Er habe alles Geld vom Girokonto abgehoben und trage es bei sich, so dass sie ihn künftig um Geld bitten müsse. Die Angeklagte erwiderte, sie verdiene ihr eigenes Geld. Dann nahm sie die Tüte mit den Ampullen und lief in die Küche. H. H. rief ihr aus dem Wohnzimmer zu, er werde dafür sorgen , dass sie ihre Approbation verlieren werde; er habe sich schon im Klinikum A. danach erkundigt, wie man ihr die Approbation entziehen könne. Als sie erwiderte, das könne er nicht tun, rief er, er habe alles, um sie wieder in die Gosse zu schicken.
4
Die Angeklagte stellte anhand der Verbindungsliste des Telefons fest, dass ihr Ehemann tatsächlich mit dem Klinikum A. telefoniert hatte. Ihr wurde bewusst, dass sie bis zum ersten eigenen Verdienst noch Monate lang auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen sei, außerdem, dass er dazu entschlossen war, mit allen Mitteln eine Trennung zu verhindern. Sie sah sich in Gefahr, die zugesagte Anstellung in dem Krankenhaus in U. zu verlieren und die Beziehung zu dem Zeugen G. aufgeben zu müssen. Zur Beseitigung dieser Gefahr und der Quelle ständiger Beleidigungen und Erniedrigungen beschloss sie, ihren Ehemann zu töten.
5
Die Angeklagte zog, "vor Wut und Aufregung am ganzen Körper zitternd" , in der Küche die Inhalte aller Ampullen aus der Plastiktüte auf eine Spritze, nahm diese in die rechte Hand, rannte ins Wohnzimmer und näherte sich schreiend ihrem Ehemann. Dieser hielt ihre Arme fest und schlug ihr dann mit der flachen Hand auf die rechte Wange. Er fragte sie, was sie mit der Spritze wolle. Die Angeklagte entriss ihre rechte Hand aus seinem Griff, stieß ihn auf die Couch, stach ihm die Spritze in den Oberschenkel und drückte die Injektionslösung hinein. Hierbei handelte sie in der Erwartung, dass die Injektion tödlich sein werde. Die Morphininjektion führte zu Benommenheit, Bewusstlosigkeit und Atemstillstand mit der Folge des Todes von H. H. .
6
Das Landgericht hat die Handlung der Angeklagten als heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mord beurteilt. H. H. habe nicht mit einem Angriff auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit gerechnet, weil es zuvor noch nie zu einer Anwendung von Gewalt durch die Angeklagte gegen ihn gekommen sei und weil er nicht gewusst habe, welches Mittel in der Spritze war. Diese Arglosigkeit und die daraus resultierende Wehrlosigkeit des Ehemanns habe die Angeklagte bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt. Sie habe sein Lebensrecht missachtet, um Nachteile in ihrem Fortkommen auszuschließen und ihren Ehemann als Kenner ihres früheren Drogenkonsums und ihrer Abhängigkeit von Benzodiazepinen auszuschalten.

II.

7
Die Bewertung der Tat als Mord ist rechtsfehlerhaft.
8
1. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Annahme , H. H. sei zu Beginn des Angriffs der Angeklagten auf sein Leben arglos und infolgedessen wehrlos gewesen. Jedenfalls hat das Landgericht die Behauptung, die Angeklagte habe dies bewusst zur Tötung ihres Ehemanns ausgenutzt, nicht belegt. Ausnutzungsbewusstsein kann zwar im Einzelfall ohne Weiteres aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden , wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt. Auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände und auf die nähere Erläuterung der Feststellung eines Ausnutzungsbewusstseins kann aber dann nicht verzichtet werden, wenn gewichtige Umstände dagegen sprechen. Dazu zählen hier die hochgradige Erregung der Angeklagten, die Einnahme von Flunitrazepam vor der Tat und die Tatsache, dass sie ihrem Ehemann schreiend mit der Spritze in der Hand entgegentrat, so dass Arglosigkeit objektiv zweifelhaft erscheint und auch aus der Sicht der Angeklagten fern gelegen haben könnte. Damit hat sich das Landgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt.
9
2. Die Bewertung des Handlungsantriebs der Angeklagten als sonst niedriger Beweggrund ist vom Landgericht ebenfalls nicht tragfähig begründet worden und erscheint angesichts der Feststellungen als fern liegend. Bei Motiven wie Wut und Erregung kommt es darauf an, ob diese Gefühlsregung jedes nachvollziehbaren Grundes entbehrt und das Handlungsmotiv in deutlich weiter reichendem Maß als bei einem Totschlag verachtenswert erscheint (vgl. Fischer, StGB 60. Aufl. § 211 Rn. 14a). Dies ist hier offenkundig nicht der Fall, weil der Getötete der Angeklagten, nur um ihr ein selbstbestimmtes Leben unmöglich zu machen und sie weiter seinem Machtanspruch zu unterwerfen, eine Anschwärzung angedroht hatte, die zum Verlust ihrer gesamten beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz führen sollte. Angesichts dessen würde die Motivationslage eher die Annahme eines minder schweren Falls des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB nahelegen als die Bewertung als Mord aus niedrigen Beweggründen.
Fischer Schmitt Eschelbach Ott Zeng

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.

(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.

(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 548/01
vom
15. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2002 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 13. September 2001 im Strafausspruch mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von S. (Einzelstrafe sieben Jahre) sowie zwei (weiteren) Fällen der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau (Einzelstrafe jeweils zwei Jahre), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt zum Schuldspruch erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), hat aber zum Strafausspruch Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Folgendes ist festgestellt: Im Rahmen des von der Ehefrau des Angeklagten eingeleiteten Scheidungsverfahrens kam es unter den Eheleuten zu Streitigkeiten vor allem über das Sorgerecht für die 1990 und 1992 geborenen Söhne und die Tilgung von Schulden in Höhe von mehreren hunderttausend DM. Diese rührten wesentlich von einem Hausbau her sowie von einem Darlehen über 80.000 DM, das für ein "Ayurveda-Studio" der Ehefrau aufgenommen worden war. Ein nennenswertes Einkommen erzielte diese nicht. Nach der Trennung der Eheleute verblieben dem Angeklagten, der in einem Zimmer zur Miete wohnte, von seinem Nettoverdienst von etwa 4.400 DM noch etwa 460 DM. Als die Zwangsversteigerung des Hauses anstand, verweigerte die Ehefrau ihre für einen freihändigen Verkauf erforderliche Zustimmung , ohne daß ein Grund hierfür festgestellt wäre, obwohl bei einer Zwangsversteigerung ein wesentlich geringerer Erlös zu erwarten war als bei einem freihändigen Verkauf. In dem nunmehr von der Ehefrau und den Söhnen bewohnten Haus hielt sich zumindest zeitweite S. , der Freund der Ehefrau, auf, dem diese auch den vom Angeklagten für sie und die Kinder geleasten Pkw - für den der Angeklagte monatliche Leasingraten bezahlte - zur Nutzung überlassen hatte. Als der Angeklagte erfuhr, daß die Söhne gegenüber dem Familiengericht erklärt hatten, im Fall einer Scheidung bei der Mutter bleiben zu wollen, war er enttäuscht und verzweifelt, nachdem diese bis zuletzt immer wieder versichert hatten, bei einer Scheidung bei ihm leben zu wollen. Wie es zu diesem Sinneswandel gekommen war, ist nicht mitgeteilt. Der Angeklagte vermutete "gleichfalls eine Intrige seiner Frau und ihres Freundes".
Der Angeklagte geriet über die ganze Situation so in Wut, daû er noch in derselben Nacht zu seinem früheren Wohnhaus und zu seiner Ehefrau fuhr, "um sie notfalls auch mit Schlägen zu zwingen, dem Verkauf des Hauses zuzustimmen" ; er nahm ein Küchenmesser mit, "um seiner Forderung Nachdruck verleihen zu können". Vor dem Haus steigerte sich seine Wut weiter, als er dort den von ihm geleasten und von S. benutzten Pkw stehen sah. Es ging ihm jetzt nicht mehr nur um den Hausverkauf, sondern er wollte "die Situation auf der Stelle unter Einsatz von Gewalt bereinigen" und dabei seine Ehefrau und S. "angreifen". Er betrat über die Garage die Waschküche, nachdem er zuvor einen aufgefundenen Radmutterschlüssel als Schlagwerkzeug an sich genommen hatte. In der Waschküche trat ihm seine Ehefrau entgegen, der er mit den Worten: "Jetzt hast Du erreicht, was Du wolltest, Du Drecksau!" den Radmutterschlüssel zweimal auf den Kopf schlug. Einen Tötungsvorsatz konnte die Strafkammer nicht feststellen. Als die Ehefrau S. um Hilfe rief, wandte sich der Angeklagte von ihr ab und lief in das Wohnzimmer, wo er mit den Worten: "Ich bring Dich um, Du Drecksau!" mit dem mitgebrachten Messer mehrfach auf S. einstach. Es kam zu einem Kampf, bei dem sich S. zwar letztlich erfolgreich wehren, tiefe Schnitt- und weniger tiefe Stichverletzungen aber nicht verhindern konnte. Am Ende konnte S. trotz Verfolgung durch den Angeklagten fliehen. Der Angeklagte kehrte zum Haus zurück und wandte sich wieder, diesmal auch mit dem Messer, gegen die Ehefrau, der er, noch immer ohne Tötungsvorsatz , trotz ihrer Gegenwehr Verletzungen am Ellenbogen und am Unterarm zufügte. Das Eingreifen der durch den Lärm aufgewachten Kinder ermöglichte dann auch der Ehefrau die Flucht.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes: Die Annahme, es liege nicht Tateinheit (natürliche Handlungseinheit), sondern Tatmehrheit hinsichtlich der drei Tatkomplexe vor, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden. Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter daher einzelne Menschen nacheinander an, so besteht selbst bei einheitlichem Tatentschluû und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäûig kein Anlaû, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (BGH StV 1999, 351, 352, StV 1994, 537, 538 jew. m.w.N.). Besonderheiten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. BGH StV 1994 aaO), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dies auch nicht daraus, daû der Angeklagte zweimal seine Ehefrau angriff, da der zwischenzeitliche Angriff gegen S. insoweit eine Zäsur bildet. 3. Der Strafausspruch kann dagegen keinen Bestand haben.
a) Hinsichtlich des Totschlagsversuchs ist ausgeführt, ein minder schwerer Fall (§ 213 StGB) liege nicht vor. Ein Anlaû, der den in § 213 StGB genannten Umständen auch nur annähernd vergleichbar sei, sei nicht ersichtlich. S. habe dem Angeklagten "keinerlei Anlaû" zur Tat gegeben, der Strafrahmen sei jedoch wegen Versuchs gemäû §§ 23, 49 StGB zu mildern. Dabei geht die Strafkammer von einem unzutreffenden Ansatz aus, da bei der Frage, ob ein sonstiger minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB, zweite Alternative, vorliegt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nicht auf die Vergleichbarkeit mit den Fällen einer Provokation abzustellen ist. Entscheidend hierfür ist vielmehr, ob das gesamte Tatbild einschlieûlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäû gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maûe abweicht, daû die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (BGH, Beschluû vom 21. Dezember 1992 - 5 StR 645/92 -; NStZ 1985, 310 m.w.N.). In diesem Zusammenhang können auch die Vorgeschichte der Tat und die gesamten Beziehungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sein (Eser in Schönke/ Schröder StGB, 26. Aufl. § 213 Rdn. 13 m.w.N.). Bereits bei Vorliegen eines "vertypten Milderungsgrundes" (hier: Versuch) kann die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Tröndle/ Fischer StGB, 50. Aufl. § 50 Rdn. 2).
b) Nach diesen Grundsätzen hätte die Strafkammer bei der Prüfung des minder schweren Falles die dazu aufgezeigten Besonderheiten der Vorgeschichte der Tat in die Erörterung einbeziehen müssen. Die Strafkammer sieht zwar die finanzielle und familiäre Lage des Angeklagten als wesentlich zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkt an, erörtert diesen Umstand aber nicht - wie geboten - bereits bei der Prüfung des Strafrahmens sondern erst bei der Strafzumessung innerhalb des bereits gefundenen Strafrahmens. Schlieûlich hat S. selbst, für das Opfer eines Tötungsversuchs ungewöhnlich, "ein gewisses Verständnis" für die Gesamtsituation des Angeklagten gezeigt.
c) Allerdings gebietet der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts die Schwelle des § 213 StGB - auch nach der Strafrahmenverschärfung durch das 6. StrRG - nicht zu niedrig anzusetzen (Tröndle/Fischer aaO § 213 Rdn. 13 m.w.N.). Gleichwohl kann der Senat unter den hier gege-
benen Umständen nicht ausschlieûen, daû es sich im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hätte, wenn die Strafkammer die genannten Gesichtspunkte schon bei der Strafrahmenbestimmung erwogen hätte.
d) Die überwiegend auf dieselben Erwägungen wie die Strafe wegen versuchten Totschlags gestützten Einzelstrafen wegen der gefährlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Ehefrau können schon im Hinblick auf den engen inneren Zusammenhang des gesamten Tatgeschehens keinen Bestand haben. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.

(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.

(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,
2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder
3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
erforderlich ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Die Einfuhr und die Überlassung eines Betäubungsmittels sind nicht dadurch
gerechtfertigt oder entschuldigt, daß der Täter einem unheilbar
schwerstkranken Betäubungsmittelempfänger, dem er nicht persönlich
nahesteht, zu einem freien Suizid verhelfen will.
2. Das Überlassen eines Betäubungsmittels zum freien Suizid an einen
unheilbar Schwerstkranken, der kein Betäubungsmittelkonsument ist,
erfüllt nicht den Tatbestand der Betäubungsmittelüberlassung mit leichtfertiger
Todesverursachung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG.
3. Im besonderen Einzelfall kann sich das Ermessen des Tatrichters derart
verengen, daß allein eine Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht
kommt, so daß das Revisionsgericht auf diese Sanktion erkennen kann.
Eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe kann gemäß § 55 StGB in eine
Verwarnung mit Strafvorbehalt einbezogen werden.
BGH, Urt. v. 7. Februar 2001 - 5 StR 474/00
LG Berlin -
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 474/00
URTEIL
vom 7. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 6. und 7. Februar 2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 7. Februar 2001 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 1999 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 15. Oktober 1998, dessen Gesamtstrafenausspruch entfällt, und unter Einbeziehung der Verwarnung mit Strafvorbehalt aus dem Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt vom 27. Oktober 1998 verwarnt wird und die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM vorbehalten bleibt.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die Staatskasse trägt die dem Angeklagten durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen und die hierdurch entstandenen gerichtlichen Auslagen je zur Hälfte.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch unter Einbeziehung der Sanktionen aus zwei früheren Verurteilungen, nämlich zweier Einzelgeldstrafen und einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM verurteilt. Die früheren Verurteilungen betrafen Taten, die der vorliegenden Tat ähnlich waren. Jeweils allein auf die Sachrüge gestützt, begehrt der Angeklagte mit seiner Revision einen Freispruch, während die Staatsanwaltschaft mit ihrem vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel einen Schuldspruch auch wegen Überlassens von Betäubungsmitteln mit leichtfertiger Todesverursachung nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG erstrebt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Sie führt zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) wie dessen eigene Revision zu einer Ä nderung des Rechtsfolgenausspruchs, nämlich zum Ausspruch einer Verwarnung mit Strafvorbehalt. Im übrigen bleibt auch die Revision des Angeklagten ohne Erfolg.
Der jetzt 83jährige Angeklagte, Schweizer Staatsbürger, ist Theologe und Psychologe. Er war bis zum Jahre 1986 als evangelischer Gemeindepfarrer sowie zwischenzeitlich zwölf Jahre lang als Leiter einer „Entgiftungsstelle“ in Basel tätig. Seit langem beschäftigt sich der Angeklagte aktiv mit dem Problembereich „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“. Auslösend hierfür war der Krebstod seines besten Freundes, dessen unmittelbar miterlebter, über mehrere Monate andauernder qualvoller Sterbeprozeß den Angeklagten zu der Überzeugung führte, daß man – nach seinen eigenen Worten – „solchen Menschen einfach helfen muß, wenn sie sterben wollen“. Von diesem Wunsch geleitet, gründete der Angeklagte im Jahr 1982 die Vereinigung „E “ als deren Generalsekretär er seitdem ehrenamtlich fungiert. In den Statuten dieser Vereinigung heißt es u. a.: „1. Die Vereinigung setzt sich in Wort und Schrift für das Selbstbestim- mungsrecht aller Menschen über ihre Gesundheit und ihr Leben, also für die ‚Therapie-Hoheit des Patienten h. für die staatliche Anerkennung der Freiheit selbstbestimmten menschenwürdigen Sterbens. 2. Darüber hinaus besteht der Vereinszweck darin, seinen Mitgliedern, die unter hoffnungsloser Krankheit oder unzumutbarer Behinderung leiden, im selbstbestimmten Sterben beizustehen. 3. Unter der Voraussetzung, daß sich alle Möglichkeiten erschöpft haben, welche aus Sicht des Betroffenen ein lebenswertes Leben erlauben würden, leisten Beauftragte der Vereinigung Freitodbegleitung, wobei ein ärztliches Zeugnis die hoffnungslose Krankheit oder die unzumutbare Behinderung bezeugen muß und Angehörige resp. Bezugspersonen dem Vorhaben des Betroffenen zustimmen. 4. Um jede Form des Mißbrauchs zu verhindern, gibt die Vereinigung keinerlei Freitod-Anleitungen oder -Medikamente ohne Assistenz ab.“ Über die Funktion des Generalsekretärs der Vereinigung hinaus übernahm der Angeklagte auch die Aufgaben eines „Freitodbegleiters“. Nach eigenen Angaben ist er inzwischen in über 300 Fällen entsprechend tätig geworden. Für s ein Tätigwerden verlangt er kein Entgelt, sondern lediglich die Vorauserstattung seiner Reisekosten. Bei seiner Tätigkeit als „Freitodbegleiter“ verwendete der Angeklagte regelmäßig (Natrium-)Pentobarbital. Dieses Mittel ist seit dem Jahr 1981 – mit im Detail unterschiedlichen Einzelregelungen – v erkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG. Es handelt sich um ein hochwirksames und sehr schnell anflutendes Barbiturat, das normalerweise bei einer Dosierung von bis zu 100 mg als Schlafmittel, im übrigen zur Behandlung von Angst- oder Erregungszuständen zum Einsatz kommt. In hoher Dosierung führt dieses Mittel jedoch zu einem sicheren, vom Einnehmenden allerdings schon nicht mehr wahrgenommen Tod. Namentlich tritt im Falle einer Überdosierung zunächst – vergleichbar einer Narkose – eine Ausschaltung des Bewußtseins und erst danach eine tödliche Atemlähmung ein, wobei im Regelfall 3 g des Mittels die für einen Erwachsenen tödliche Dosis darstellen. Die minimale letale Dosis beträgt etwa 1 g. Danach stuft der Angeklagte das Mittel als „geradezu ideal geeignet“ zur Herbeiführung eines „sanften“ Todes ein, insbesondere im Vergleich zum Zyankali, welches beim Einnehmenden zwar ebenfalls schnell zum Tode führt, aber zuvor noch bei Bewußtsein des Sterbenden schwere krampfartige Schmerzen auslöst.
Die verstorbene Frau Dr. T , die lange Zeit als Ä rztin tätig gewesen war, litt an Multipler Sklerose. Nach progredientem Verlauf der Krankheit von 1982 bis 1998 war Frau Dr. T sc hließlich weitestgehend bewegungsunfähig. Sie verbrachte die Tage in ihrem Haus in Berlin größtenteils in Rückenlage. Sie war wegen einer Sehschwäche auf eine Leselupe angewiesen, die sie infolge ihrer nachlassenden Kräfte nur über einen sehr kurzen Zeitraum halten konnte, so daß ihr die Lektüre längerer Texte nicht mehr möglich war. Ein im Jahr 1997 unternommener Selbsttötungsversuch scheiterte am Einschreiten ihres Ehemannes. In monatelangen Diskussionen überzeugte Frau Dr. T ihren Ehemann, daß er sie „gehen lassen“ müsse. Sie wandte sich an die Vereinigung „E “ mit dem Wunsch nach einer „Sterbebegleitung“ und übersandte dem Angeklagten ein ärztliches Gutachten, in dem der Verlauf ihrer Krankheit beschrieben und deren Unheilbarkeit bestätigt war. Bei einem Besuch verschaffte sich der Angeklagte im persönlichen Gespräch mit der Verstorbenen und ihrem Ehemann die Überzeugung, daß diese im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch ernsthaft und nicht Folge eines auch nur entfernt erkennbaren äußeren Drängens war. Nach alledem faßte der Angeklagte den Entschluß, die gewünschte „Sterbebegleitung“ zu gewähren, nämlich in der Schweiz 10 g Natrium-Pentobarbital zu beschaffen, diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und hier der Verstorbenen zur entsprechenden Verfügung zu stellen. Dabei ging er davon aus, daß aufgrund der hohen Dosis und der schnellen Anflutung des Mittels schon ab dem Eintritt einer Bewußtlosigkeit für die Verstorbene keine Rettungsmöglichkeit mehr bestehen werde. Er nahm an, daß sein Verhalten nach deutschem Recht nicht strafbar sei. Dabei ging er von der Straflosigkeit der Teilnahme an einer Selbsttötung aus. Er wußte nicht, daß Pentobarbital dem deutschen Betäubungsmittelrecht unterliegt. Entsprechende Erkundigungen unternahm er nicht. In die Schweiz zurückgekehrt, übergab der Angeklagte einem „Vertrauensarzt“ der „E “ das von der Verstorbenen überlassene Gutachten zur Prüfung, ob eine im Sinn der Statuten der Vereinigung hoffnungslose Krankheit vorliege. Darauf stellte dieser das erforderliche Rezept aus, mit dem der Angeklagte in einer Schweizer Apotheke 10 g NatriumPentobarbital in Pulverform erwarb. Am 20. April 1998 reiste der Angeklagte mit dem genannten Betäubungsmittel aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Haus der Familie T v ersicherte der Angeklagte sich im Beisein ihres Ehemannes davon, daß Frau Dr. T in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch nach wie vor bestand. Sie füllte eine formularmäßig vorbereitete „Freitoderklärung“ aus. In Abwesenheit des Ehemannes löste der Angeklagte die 10 g Natrium-Pentobarbital in einem Glas Wasser auf und reichte dies der Frau Dr. T zur sofort erfolgten Einnahme. Infolge der schnell eintretenden Wirkung des Mittels wurde Frau Dr. T nach drei Minuten bewußtlos. Bereits zu diesem Zeitpunkt wären alsdann eingeleitete Rettungsversuche, namentlich ein Auspumpen des Magens, erfolglos verlaufen, da wegen der schnellen Anflutung bereits ein tödliche Konzentration des Mittels im Blut der Verstorbenen erreicht war, wovon auch der Angeklagte ausging. Der Tod trat binnen der nächsten halben Stunde ein.

I.


Die sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt betreffend den Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1. Der Angeklagte hat Betäubungsmittel (gemäß Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG eingeführt und nach Nr. 6 lit. b aaO zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Ein Fall der ärztlichen Verabreichung oder Überlassung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG liegt nicht vor.

2. Demgegenüber ergibt sich – entgegen der Ansicht der Revision des Angeklagten – weder aus dem Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch aus dem Gesichtspunkt der Straflosigkeit der Hilfe zur Selbsttötung oder aus der jüngsten Rechtsentwicklung des Problemkreises „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Betäubungsmittelgesetzes; auch eine Rechtfertigung oder Entschuldigung allgemeiner Art kann so hier nicht begründet werden.

a) Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der einhelligen Lehre die – theoretisch gegebene – Teilnahme an der Selbsttötung eines vollverantwortlich Handelnden mangels einer Haupttat straflos (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 211 Rdn. 10 m.N. der Rspr. und des Schrifttums). Ein solcher Fall liegt hier vor. Frau Dr. T nahm sich, wie die vom Landgericht umfassend festgestellten Einzelheiten ergeben, in voller Selbstverantwortlichkeit das Leben. Der Angeklagte half ihr hierbei. Die Straflosigkeit seines Verhaltens unter dem vorstehend genannten Aspekt beschränkt sich jedoch auf eben diesen und erstreckt sich nicht etwa auf das vom Angeklagten begangene Betäubungsmitteldelikt, mit dem andere Rechtsgüter gefährdet wurden. Der Verordnungsgeber hat mit der Entscheidung, Pentobarbital in die Liste der Betäubungsmittel gemäß § 1 Abs. 1 BtMG aufzunehmen, dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß ein Umgang mit diesem Betäubungsmittel für die Volksgesundheit grundsätzlich gefährlich ist.

b) Zudem ist in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Diskussion des Problemkreises „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ in jüngster Zeit eine Entwicklung in zweierlei Richtungen zu verzeichnen. Zum einen wird dem Gesichtspunkt der Patientenautonomie ständig zunehmende Bedeutung beigemessen (vgl. Taupitz, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag 2000; Otto, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag 1986; jeweils m.N., und die Sitzungsberichte der jeweiligen Tagungen des Deutschen
Juristentages). Zum anderen ist die sog. „indirekte Sterbehilfe“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 42, 301, 305; vgl. auch BGHSt 37, 376; 40, 257) und einem nahezu einhelligen Grundkonsens im Schrifttum zulässig (Kutzer NStZ 1994, 110, 114 f. m.N.). Dabei wird unter indirekter Sterbehilfe verstanden, daß die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation beim tödlich Kranken nicht dadurch unzulässig wird, daß sie als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann. Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines Tötungsdeliktes durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todes verwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, sofern es nicht – ausnahmsweise – dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten widerspricht (Kutzer aaO; vgl. auch die demnächst veröffentlichte Podiumsdiskussion „Sterbehilfe – Sterbebegleitung“ anläßlich der 50. Wiederkehr der Errichtung des Bundesgerichtshofs am 4. Mai 2000).

c) Weder aus diesen Rechtsgesichtspunkten noch aus sonstigen allgemeinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen kann die Straflosigkeit des Umgangs des Angeklagten mit dem Betäubungsmittel hergeleitet werden. Der Angeklagte handelte weder als Arzt noch als Angehöriger der Verstorbenen oder als sonst persönlich Betroffener, auf dessen Gewissensentscheidung es ankommen könnte. Er agierte vielmehr als persönlich Unbeteiligter im Rahmen einer moralpolitisch getragenen Bewegung, deren Ziele anerkennenswert sein mögen. Sein Handeln war nicht primär vom Zweck der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todeseintritts ) getragen. Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.
Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den Gesichtspunkten des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des § 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen der Rechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werteordnung des Grundgesetzes – ohne eine zulässige Relativierung – an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine
Selbsttötung deshalb – von äußersten Ausnahmefällen abgesehen – als rechtswidrig (BGHSt 6, 147, 153), stellt die Selbsttötung und die Teilnahme hieran lediglich straflos.
Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten, wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 Abs. 1 GG angelegtes Recht des Einzelnen auf ein Sterben unter „menschenwürdigen“ Bedingungen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigt werden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötung auf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber dem Totschlag auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob Besonderheiten namentlich etwa für das Handeln naher Angehöriger eines Sterbewilligen gelten können. Für Außenstehende wie hier den Angeklagten, der im Rahmen einer Organisation ohne persönliches Näheverhältnis handelte, kann eine Abwägung der genannten Art grundsätzlich nicht zur Straflosigkeit des Umgangs mit Betäubungsmitteln führen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem moralpolitischen Engagement des Angeklagten.
3. Das Landgericht hat angenommen, daß dem Angeklagten die Verbotenheit seines Tuns unter dem Gesichtspunkt des deutschen Betäubungsmittelrechts nicht bekannt war, daß der Angeklagte diesen Verbotsirrtum jedoch hätte vermeiden können; es hat demzufolge die Vorschrift des § 17 Satz 1 StGB für nicht anwendbar erachtet. Auch dies birgt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

a) Das Pentobarbital ist seit dem Jahr 1981 in der Bundesrepublik Deutschland als Betäubungsmittel in Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG erfaßt. Die Einzelheiten unterlagen mehreren Ä nderungen: Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl I 681, 700)
wurde das Pentobarbital in die Anlage III B aufgenommen. Ausgenommen blieben Zubereitungen, die ohne ein anderes Betäubungsmittel (außer Codein) „je abgeteilte Form bis 110 mg Pentobarbital enthalten“; damit waren namentlich Tabletten mit geringer Dosierung gemeint; von dieser Ausnahme waren jedoch die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr (und andere Handlungsformen) wiederum ausgenommen. Durch die Vierte Betäubungsmittelrechts-Ä nderungsverordnung vom 23. Dezember 1992 (BGBl I 2483, 2485) erhielt die Position Pentobarbital in der Anlage III B folgende Fassung: „ausgenommen in Zubereitungen, die ohne“ ein weiteres Betäubungsmittel „je abgeteilte Form bis zu 100 mg Pentobarbital, berechnet als Säure, enthalten“; die Ausnahme von der Ausnahme betreffend die Einfuhr entfiel also. Aufgrund der Zehnten BetäubungsmittelrechtsÄ nderungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl I 74, 79), in Kraft seit dem 1. Februar 1998, ist das Pentobarbital ohne jede Einschränkung in der nunmehr nicht mehr untergliederten Anlage III enthalten. Damit ist insbesondere die Ausnahme für Zubereitungen mit bis zu 100 mg Pentobarbital je abgeteilter Form entfallen.

b) Auch in der Schweiz unterfällt das Pentobarbital dem Betäubungsmittelrecht. Das Mittel ist im „Verzeichnis aller Betäubungsmittel“ (Anhang a zu Art. 1 Abs. 1 bis 3 Betäubungsmittelgesetz), allerdings auch im „Verzeichnis der von der Kontrolle teilweise ausgenommenen Betäubungsmittel“ (Anhang b aaO) enthalten (Verordnung des Bundesamtes für Gesundheit über die Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe vom 12. Dezember 1996).

c) Die Einfuhr und die Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch von Pentobarbital in der hier vorliegenden Dosis von 10 g sind mithin seit dem Jahr 1981 in der Bundesrepublik Deutschland strafbar. Die oben genannten differenzierten Regelungen betreffend abgeteilte Formen mit geringer Dosierung des Mittels kannte der Angeklagte nicht. Jedes Argument seiner Revision aus dieser Rechtsentwicklung muß daher im Rahmen der Prüfung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums versagen. Das verwendete Mittel unter-
fällt auch dem Betäubungsmittelrecht der Schweiz. Es kommt folgendes hinzu : Wie der Angeklagte wußte, kam es aufgrund der etwas „liberaleren“ Regelung des Umgangs mit Pentobarbital in der Schweiz, scil. wegen „strengerer“ Rechtslage außerhalb der Schweiz, zu einem „Sterbetourismus“ von Ausländern in die Schweiz. In Deutschland wurde der Angeklagte in etwa 50 Fällen in gleicher Weise „geradezu routiniert“ tätig (UA S. 9 f., 22). Er ging dabei mit einem in der jeweiligen Dosierung tödlichen Stoff um. Nach alledem hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine Rechtserkundigungspflicht des Angeklagten angenommen und den Verbotsirrtum des Angeklagten als vermeidbar erachtet.

II.


Das angefochtene Urteil ist nicht mit einem sachlichrechtlichen Fehler zugunsten des Angeklagten behaftet.
1. Insbesondere bleibt die einzige ausdrückliche Beanstandung der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte sei zu Unrecht nicht auch wegen Überlassung von Betäubungsmitteln mit leichtfertiger Todesverursachung nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG verurteilt worden, ohne Erfolg. Das Landgericht hat aus dem „Prinzip der Eigenverantwortlichkeit“ eine „teleologische Reduktion des Tatbestandes“ hergeleitet und deshalb die genannte Vorschrift für nicht anwendbar erachtet. Diese Beurteilung ist zutreffend.

a) Allerdings hat der Angeklagte der Frau Dr. T das Betäubungsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen und dadurch eine Ursache für deren Tod gesetzt. Der Kausalzusammenhang wurde nicht dadurch unterbrochen, daß die Empfängerin des Betäubungsmittels sich dieses Mittel selbst verabreichte (BGH NStZ 1983, 72; BGH, Urteil vom 3. Juni 1980 – 1 StR 20/80 –, bei Holtz MDR 1980, 985). Ihr Tod war auch vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt. Jedenfalls in anderen Regelungszusammenhängen findet der Gedanke Verwendung, daß Vorsatz die Fahrlässigkeit und die
Leichtfertigkeit als mindere Verschuldensformen einschließt (vgl. BGHSt 39, 100; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 5).

b) Indes gelten für den hier vorliegenden Fall des Freitodes des Betäubungsmittelempfängers besondere Regeln.
aa) Es greift der Grundsatz der Selbstverantwortung des sich selbst eigenverantwortlich gefährdenden Tatopfers ein. Danach ist von folgendem auszugehen:
(1) Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung unterfällt grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs - oder Tötungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung vom Opfer bewußt eingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Gefährdung veranlaßt, ermöglicht oder fördert, macht sich danach nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs seit BGHSt 32, 262; siehe auch BGHSt 37, 179; 39, 322, 324; BGH NStZ 1985, 319 – insowiet in BGHSt 33, 66 nicht abgedruckt – m. Anm. Roxin; BGH NStZ; 1987, 406; 1992, 489; BGH NJW 2000, 2286). Dabei hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, daß derjenige, der sich an einem Akt der eigenverantwortlich gewollten und bewirkten Selbstgefährdung beteiligt , an einem Geschehen teilnimmt, welches – soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und damit kein strafbarer Vorgang ist (BGHSt 32, 262, 265). Das Gesetz bedroht nur die Tötung oder Verletzung eines anderen mit Strafe. Die Strafbarkeit des sich Beteiligenden wegen Körperverletzung oder Tötung beginnt erst dort, wo dieser kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfaßt als der sich selbst Gefährdende.
(2) Allerdings kann dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auf das Betäubungsmittelrecht übertragen werden (BGHSt 37, 179). Das durch die betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften geschützte Rechtsgut ist nicht nur
die Gesundheit des Einzelnen, sondern auch die Volksgesundheit. Dieses universale Rechtsgut steht dem Einzelnen nicht zur Disposition (Franke /Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 Rdn. 35; Weber, BtMG § 30 Rdn. 125 f.).
bb) Das Merkmal der Leichtfertigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG wird durch den Bundesgerichtshof dahin interpretiert, daß leichtfertig handelt, wer die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs des Geschehens „aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit“ außer acht läßt (BGHSt 33, 66, 67). Solches ist bei der hiesigen besonderen Fallgestaltung , in der die Empfängerin des Betäubungsmittels in jeder Hinsicht selbstverantwortlich handelte, nicht gegeben (vgl. BGH NJW 2000, 2286). Insoweit erfaßt der Vorwurf der Leichtfertigkeit – ausnahmsweise – nicht „erst recht“ auch vorsätzliches Handeln.
cc) Auch die Entstehungsgeschichte der vorgenannten Vorschrift spricht für eine restriktive Interpretation der Art, daß das Überlassen eines Betäubungsmittels zum Zweck des in jeder Hinsicht freien Suizids des Empfängers den Qualifikationstatbestand nicht erfüllt. Hintergrund und auslösender Umstand für die Schaffung der Verbrechensvorschrift war „die rasch ansteigende Zahl von Todesfällen als Folge von Rauschgiftmißbrauch“ (BT-Drucks. 8/3551 S. 37). Damit waren die Todesfälle von Betäubungsmittelabhängigen und gelegentlichen Betäubungsmittelkonsumenten gemeint. Als besonders strafwürdig wurde die Tatsache gewertet, daß die Todesverursachung auf ein Handeln zurückgeht, das in Kenntnis der großen Gefährlichkeit des Tuns „unter Hintanstellung aller Bedenken“ erfolgt (Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl. Rdn. 464; Hügel/Junge, Deutsches Betäubungsmittelrecht 7. Aufl. § 30 Rdn. 4.1). An einen demgegenüber ganz und gar untypischen Fall wie den vorliegenden hat der Gesetzgeber ebenso wenig gedacht, wie dies danach die Kommentatoren getan haben.
dd) Zudem spiegelt der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe – selbst eingedenk des Ausnahmestrafrahmens
von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe für minder schwere Fälle (§ 30 Abs. 2 BtMG) – eine vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte Unrechtsdimension , hinter der Fälle der vorliegenden Art von vornherein weit zurückbleiben. Auch dies indiziert eine restriktive Auslegung der Vorschrift im vorstehenden Sinn.
2. Schließlich birgt das Urteil auch sonst keinen sachlichrechtlichen Fehler zugunsten des Angeklagten.
Insbesondere folgt im Ergebnis keine strafrechtliche Haftung des Angeklagten aus Tötungsdelikten – begangen durch Unterlassen – daraus, daß er als Lieferant des tödlichen Betäubungsmittels unter dem Gesichtspunkt seines vorausgegangenen rechtswidrigen gefährdenden Tuns grundsätzlich Lebensgarant sein konnte (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 11 sub Betäubungsmittel und Rdn. 21 sub Selbstgefährdung m.N.; Hügel/Junge, aaO § 30 Rdn. 4.4). Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten unter diesem Gesichtspunkt würde jedenfalls voraussetzen, daß in dem Zeitpunkt, als Frau Dr. T durch den Eintritt ihrer Bewußtlosigkeit die Kontrolle über das Geschehen verlor, noch eine Möglichkeit zur Rettung ihres Lebens bestand (vgl. BGH NStZ 1984, 452 m. Anm. Fünfsinn StV 1985, 57; BGH NStZ 1985, 319, 320; BGH NStZ 1987, 406). Hierzu hat das Landgericht festgestellt, daß in dem Zeitpunkt, als Frau Dr. T bewußtlos wurde, etwaige Rettungsversuche – wegen der bereits eingetretenen gravierenden Wirkung des Mittels – gescheitert wären. Davon ging nach den Feststellungen auch der Angeklagte aus, so daß selbst ein versuchtes (Unterlassungs-) Tötungsdelikt ausscheidet. Schließlich kommt danach auch eine unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ 1983, 117, 118).

III.


Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Es ist allein eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB auszusprechen.
Allerdings hat die genannte Vorschrift Ausnahmecharakter (Gribbohm in LK 11. Aufl. § 59 Rdn. 1; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 59 Rdn. 1; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 59 Rdn. 1). Zudem ist durch die Verwendung des Wortes „kann“ auf der Rechtsfolgenseite der Ermessenscharakter der Regelung in besonderer Weise hervorgehoben (vgl. Gribbohm aaO Rdn. 17 f.). Indes kann sich aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles das Ermessen des Tatgerichts derart verengen, daß allein eine Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommen kann. In einem solchen Fall kann auch das Revisionsgericht auf die besondere Sanktion nach § 59 StGB erkennen (OLG Celle StV 1988, 109; Horn in SK – StGB 27. Lfg. § 59 Rdn. 14; ähnlich Lackner/Kühl aaO Rdn. 10; Stree aaO Rdn. 16; a.A. Gribbohm aaO Rdn. 18; zweifelnd Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 59 Rdn. 2). So liegt es hier. Der Angeklagte ging mit dem Betäubungsmittel in altruistischer Weise unter relativ geringer Gefährdung Unbeteiligter in der Absicht um, der in schwerster Weise unheilbar kranken Empfängerin zu einem in jeder Hinsicht freien Suizid zu verhelfen, was seinem humanen Engagement entsprang.
Der Senat verwarnt deshalb wegen der hier abzuurteilenden Tat den Angeklagten und behält die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 120,- DM (nämlich der vom Landgericht verhängten Einzelgeldstrafe ) vor. Ferner erkennt der Senat unter Einbeziehung der im hiesigen Urteilstenor genannten Sanktionen auf eine Verwarnung als Gesamtsanktion, wobei die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120,- DM (also in gleicher Höhe wie vom Tatrichter unbedingt verhängt) vorbehalten bleibt.

Im Gesetz (namentlich in § 59c StGB) ist die Frage nicht eindeutig geregelt , ob eine bei einer Verwarnung vorbehaltene Geldstrafe mit einer zuvor unbedingt verhängten Geldstrafe im Wege der Verwarnung als Gesamtsanktion zusammengeführt werden kann (so Horn aaO § 59c Rdn. 4) oder ob solches etwa ausgeschlossen ist (so Gribbohm aaO § 59c Rdn. 5; Tröndle /Fischer aaO § 59c Rdn. 1). Der Senat behandelt die Frage wegen der Parallelität zur entsprechenden Regelung bei der Freiheitsstrafe in § 58 Abs. 1 StGB trotz des besonderen Charakters der Verwarnung mit Strafvorbehalt im erstgenannten Sinn.
Die nach § 268a StPO zu treffende Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit bleibt dem Landgericht vorbehalten.
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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.