Bundesgerichtshof Urteil, 21. Aug. 2014 - 1 StR 13/14

bei uns veröffentlicht am21.08.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 13/14
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat bereits mit einer Verfahrensrüge in vollem Umfang Erfolg. Auch das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

A.


I.


2
Sämtlichen Taten liegt nach den Feststellungen im Kern zugrunde, dass der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Steuerberater zwölf Mandanten bei deren im Zusammenhang mit einem sogenannten „Honorarsplitting“ begangenen Einkommensteuerhinterziehungen unterstützte, indem er ihre Einkommensteuererklärungen fertigte.
3
1. Hierzu ist Folgendes festgestellt:
4
Die Mandanten des Angeklagten waren ausländische IT-Ingenieure, die für Firmen in Deutschland auf selbständiger Basis IT-Ingenieurleistungen - mit Ausnahme der Fälle B.IX der Urteilsgründe für die Firma O. OHG (im Folgenden: O. ) - erbracht hatten und zu dieser Zeit in Deutschland wohnhaft waren. Die IT-Ingenieure hatten ihre Leistungen nicht direkt gegenüber den Kunden abgerechnet, für die sie tätig geworden waren. Vielmehr hatten sie sich hierzu einer „Abrechnungsagentur, einer sogenannten Management Company“ mit Sitz im Ausland bedient. Bei den für O. tätigen IT-Ingenieuren handelte es sich um die Firma P. SA mit Sitz in G. (im Folgenden: P. ), im Übrigen um die in D. bzw. L. ansässige Firma I. C. (im Folgenden: I. ).
5
Bei im Detail unterschiedlichen Abläufen ging das Honorar des IT-Ingenieurs zunächst auf einem Konto der von ihm eingeschalteten Abrechnungsagentur ein. Die Abrechnungsagentur splittete sodann, wie mit dem IT-Inge- nieur vereinbart, das Honorar, indem sie nur einen Teil auf ein inländisches Konto des IT-Ingenieurs überwies, den (größeren) Restbetrag jedoch abzüglich einer Verwaltungsgebühr auf ein ausländisches Bankkonto des IT-Ingenieurs leitete oder - so in den Fällen der Einschaltung der P. - auf ein ausländisches Bankkonto („Cash Management Account“) der P. selbst transferierte und dort für den IT-Ingenieur anlegte. Auch in diesen Fällen konnte der IT-Ingenieur das auf dem „Cash Management Account“ befindliche Guthaben abrufen. Die IT-Ingenieure erklärten in den vom Angeklagten erstellten Steuererklärungen lediglich denjenigen Honoraranteil, der auf ihren inländischen Konten eingegangen war. Der auf den ausländischen Konten verbliebene Anteil wurde in den Steuererklärungen hingegen nicht erfasst. Dadurch bewirkten die IT-Ingenieure , dass Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 1.252.898,58 Euro verkürzt wurden.
6
Der Angeklagte war von den „verfahrensgegenständlichen“ IT-Inge- nieuren weder über die tatsächliche Höhe ihrer Honorare noch über das „Hono- rarsplitting“ informiert worden. Dennoch wusste er „zumindest ab Ende Februar 2001, dass die verfahrensgegenständlichen IT-Ingenieure die Management Companies, P. bzw. I. C. (....) allein deshalb einschalteten , um ihre Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen tatsächlich in Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden anzugeben und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins Ausland zu transferieren. Er rechnete deshalb bei Abgabe der Steuererklärungen jeweils mit der Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass nicht unerheb- liche Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden nicht angegeben wurden“ (UA S. 8, 66).
7
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung vorsätzlich handelte, neben weiteren Indizien auf seinen E-Mail-Verkehr mit anderen ausländischen Selbständigen, die für deutsche Unternehmen Leistungen erbrachten, insbesondere dem Zeugen H. ,gestützt. Diese E-Mails belegten, dass der Angeklagte „wusste, dass es keinen anderen Grund für die Einschaltung einer Management Company gab, als Steuern zu sparen bzw. eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden“ (UAS. 80). Als gewichtiges Indiz hat das Landgericht dabei unter anderem gewertet, dass der Angeklagte den Zeugen H. darauf hingewiesen hatte, dass das an die „Management Company“- wobei es sich weder um P. noch um I. handelte - weitergeleitete Honorar in „Deutschland nicht erkennbar sein sollte“.

II.


8
Die Revision des Angeklagten greift bereits mit einer Verfahrensrüge durch. Eines Eingehens auf die weiteren im Rahmen der Sachrüge erhobenen Beanstandungen bedarf es daher nicht.
9
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
10
Die Verteidigung hatte in der Hauptverhandlung vom 12. Juli 2013 die zeugenschaftliche Einvernahme des „Herrn S. , Geschäftsführer der Firma T. (früher: O. ) … oder eine(s) instruierten Vertreter(s) (....)“ beantragt. In das Wissen dieses Zeugen wurden mehrere Tatsachen im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Leistungen bei O. gestellt, unter anderem, dass O.
- „IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetzte, dagegen nicht selbst … beauftragte“ (Nr. 2 des Beweisantrags),
- „die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländische Agenturen (Personalagenturen) einkaufte, welche für die jeweiligen Aufgaben geeignete IT-Ingenieure rekrutierten und zur Verfügung stellten“ (Nr. 4 des Beweisantrags),
- „dabei nur mit Personalagenturen zusammenarbeitete, deren Seriosität eingehend überprüft worden waren und dazu namentlich die Fa. P. gehörte“ (Nr. 5 des Beweisantrags),
- „P. (...) in mehr als 200 Fällen beauftragte, weil diese besonders häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutierte und zur Auftragsausführung stellte“ (Nr. 6 des Beweisantrags).
11
Zur Begründung des Antrages wurde ausgeführt, das Landgericht könne möglicherweise erwägen, dass der Angeklagte deswegen die Begehung von Steuerstraftaten in Kauf genommen habe, weil er in E-Mails an den Zeugen H. zum Ausdruck gebracht habe, über „eine - wirtschaftlich sinnlose - Zwischenschaltung einer Management Company sei wahrscheinlich Steuerfreiheit zu erreichen“. In diesem E-Mail-Verkehr liege aber keinErkenntnisgewinn für die verfahrensgegenständlichen Fälle. Demgegenüber werde sich durch die unter Beweis gestellten Umstände erweisen, dass P. aus Sicht von O. eine bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine bloße Management Gesellschaft gewesen sei, was der Angeklagte nicht anders habe sehen können. Schließlich belegten die unter Beweis gestellten Umstän- de, dass in der vertraglichen Kette vom „Endkunden O. über die Personalagen- tur bis hin zum betreffenden IT-Ingenieur gerade keine Abrechnungsgesell- schaft zwischengeschaltet war“.
12
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt:
13
Der benannte Zeuge könne zum E-Mail-Verkehr des Angeklagten mit dem Zeugen H. nicht erkennbar Angaben machen. Der Zeuge sei daher zur „Erreichung des (...) Beweisziels“, dass nämlich aus diesem E-Mail-Verkehr keine Rückschlüsse auf den Vorsatz des Angeklagten gezogen werden könnten , völlig ungeeignet. Auch soweit es um Einschätzungen des Angeklagten gehe, sei der Zeuge völlig ungeeignet. Soweit der Beweisantrag darauf abziele, zu belegen, dass es sich bei P. aus Sicht von O. um eine „bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur“ und nicht um eine „bloße Managementgesellschaft“ gehandelt habe und der Angeklagte dies nicht anders sehen konnte, komme es allein darauf an, „wie derAngeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt die Tätigkeit der Firma P. bewertete“. Die Einschätzung der Verantwortlichen von O. sei deshalb für das Verfahren aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Soweit schließlich mit dem Beweisantrag bewiesen werden solle, dass in die Vertragskette zwischen O. und dem entsprechenden IT-Ingenieur keine Abrechnungsfirma zwischengeschaltet sei, fehle es bereits an einer korrespondierenden Beweistatsache. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Zeuge Angaben zu „anderen Vertragsgestaltungen“ machen könne, wes- wegen er völlig ungeeignet sei.
14
2. Die zulässige Verfahrensrüge ist auch begründet. Das Landgericht hat die herangezogenen Ablehnungsgründe nur auf die vermeintlichen Beweisziele bezogen, nicht aber auf die in dem Antrag - neben unbeachtlichen Wertungen - enthaltenen bestimmten Beweistatsachen. Insoweit ist eine Bescheidung des Antrags nicht erfolgt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
15
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kam es für die Frage, ob der benannte Zeuge als Beweismittel völlig ungeeignet war, nicht auf die im Beweisantrag angeführten Beweisziele, sondern auf die unter Beweis gestellten Tatsachen an. Völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 4 StPO ist ein Beweismittel nur dann, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 2 StR 468/12, NStZ-RR 2013, 185; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 230 mwN). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Begründung , die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 1 StR 99/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 10; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 179/08, NStZ 2008, 707; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 243).
16
Diesen Anforderungen wird der ablehnende Beschluss nicht gerecht. Er verfehlt den Sinn des Beweisantrags. Nach dessen Wortlaut waren Beweisbehauptungen aufgestellt, die sich - soweit sie Tatsachen betreffen - unmittelbar auf Vorgänge bei O. im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Dienstleistungen bezogen. Das Landgericht hat indessen den Antrag dahin verkürzt, ob der benannte Zeuge Angaben zu einem nicht in dessen Wissengestellten E-Mail-Verkehr, zu Einschätzungen des Angeklagten oder zu anderen Vertragsgestaltungen machen könne und damit seiner Entscheidung anstatt der unter Beweis gestellten Beweistatsache allein vermeintliche Beweisziele des Antrags zugrunde gelegt.
17
Dass der benannte Zeuge als Geschäftsführer der Firma T. (früher: O. ) zu den unter Beweis gestellten Vorgängen bei O. keine Angaben machen könnte, erschließt sich auch ansonsten nicht. Erwartungsgemäß wird gerade der Verantwortliche eines Unternehmens (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282 Rn. 16 f.) schon aus seiner beruflichen Kenntnis heraus zu den unter Beweis gestellten Umständen der Vergabe von IT-Dienstleistungen Angaben machen können.
18
b) Mit der gegebenen Begründung durfte die Strafkammer den Beweisantrag auch nicht als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen. Gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO ist dies nur möglich, wenn die Tatsache , die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Dies legt das Landgericht nicht dar.
19
Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hier- zu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen , in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen , ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111; Becker, aaO, Rn. 220 mwN). Das Beweisthema ist hierbei ohne Einengung, Umdeutung oder Verkürzung in seiner vollen Tragweite nach seinem Sinn und Zweck zu würdigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1982 - 1 StR 698/82, StV 1983, 90). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 5 StR 451/07, StV 2008, 121 mwN).
20
Im Hinblick auf diese Anforderungen greifen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Indem es darauf abstellt, es solle mit dem Beweisantrag belegt werden, „dass die Fa. P. ausSicht der Fa. O. eine bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine bloße Managementgesell- schaft war“, lässt es bereits die gebotene Einfügungund Würdigung der unter Beweis gestellten Tatsachen in das bisher gewonnene Beweisergebnis vermissen. Denn es hat damit nicht die unter Beweis gestellten Vorgänge bei O. und deren Beziehungen zu P. , sondern lediglich eines der im Antragformulierten Beweisziele in den Blick genommen und damit das Beweisthema unzulässig verkürzt.
21
Es hätte vielmehr entsprechend den oben dargelegten Maßstäben erwägen müssen, ob und wenn ja, warum die Vorstellung des Angeklagten von et- waigen tatsächlichen oder aus Sicht von O. bestehenden wirtschaftlich sinnvollen Sachgründen für dieInvolvierung der P. - Rekrutierung der Ingenieure im Auftrag von O. - unabhängig war. Ausführungen dazu, welchen Einfluss dieser Umstand - dass nämlich O. IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetzte , die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländische Firmen einkaufte und diese ihrerseits geeignete Ingenieure rekrutierte undP. in mehr als 200 Fällen als ein solches Drittunternehmen für O. tätig war, weil sie besonders häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutierte - auf seine Überzeugungsbildung gehabt hätte, enthält der Beschluss des Landgerichts nicht. Angesichts dessen, dass es die Vorstellung des Angeklagten , es habe für die Einschaltung einer „Management Company“ keinen anderen Grund gegeben, als eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden (UA S. 80) und die Einschaltung einer „Management Company (sei) wirtschaftlich nur unter dem Aspekt des Honorarsplittings sinnvoll“ (UA S. 92), maßgeblich aus dessen eine andere Firma betreffende Einschätzung gegenüber dem Zeugen H. ableitet, versteht sich dies nicht von selbst.
22
c) Soweit das Landgericht den Antrag mit der Begründung abgelehnt hat, es fehle „an einer korrespondierenden Beweistatsache“, trägt auch diese Be- gründung nicht. Der Senat kann offen lassen, ob er der ersichtlich zugrunde liegenden Auffassung des Landgerichts folgen könnte, dass die Frage, ob ein Unternehmen als „Abrechnungsfirma“ tätig wird, nicht demBeweis zugänglich ist (zu Beweistatsachen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Sachverhalten vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282 mwN). Jedenfalls aber war die Zwischenschaltung einer „Abrechnungsfirma“ nicht unter Beweis gestellt, sondern nur zur Darlegung des Beweisziels - als Vorwegnahme einer möglichen Würdigung durch das Landgericht - angesprochen worden. Die im Beweisantrag enthaltenen, hinreichend bestimmten Be- weistatsachen werden hingegen nicht an den Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 StPO gemessen. Weiterer Ausführungen im Beweisantrag, warum der benannte Zeuge zu den unter Beweis gestellten Umständen etwas bekunden können soll, bedurfte es vorliegend nicht (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 185 Rn. 15 ff.).
23
3. Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO beruht das Urteil in seiner Gesamtheit. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der unter Beweis gestellten und außerhalb einer Steuerersparnis bei den IT-Ingenieuren liegenden Sachgründe für O. , die P. zu beauftragen, zu einem anderen Vorstellungsbild des Angeklagten über Sinn und Zweck der Einschaltung der P. hätte kommen können.
24
Der Beweisantrag betrifft zwar im Kern nur diejenigen Fälle, in denen unter Einschaltung von P. Steuern hinterzogen wurden, und damit nicht die Fälle B.IX der Urteilsgründe, in denen I. zum „Honorarsplitting“ eingebunden worden war. Schon angesichts der jeweils gleichgelagerten Vorgehensweise in beiden Firmen und der untrennbar ineinander verzahnten und sich in weiten Teilen auf beide Firmen beziehenden Beweiswürdigung kann der Senat jedoch nicht ausschließen, dass das Urteil insgesamt auf dem Verfahrensfehler beruht. Das Urteil war demgemäß umfassend mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben.

B.


25
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14 mwN) auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg.
26
Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind - auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123) - nicht frei von Rechtsfehlern zu Gunsten des Angeklagten.
27
Die strafmildernde Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, ist - unbeschadet der Bedeutung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618 ff. mwN) - nicht mit Feststellungen belegt. So ist zwar festgestellt, dass der Angeklagte „bei Abgabe der Steuererklärungen jeweils mit der Möglichkeit (rechnete) und (...) billigend in Kauf (nahm), dass nicht unerhebliche Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden nicht angegeben wurden“ (UA S. 8). Dies bleibt aber, worauf die Revision zutreffend hinweist, hinter der unmittelbar vorangehenden Feststellung zu- rück, der Angeklagte habe gewusst, dass „die verfahrensgegenständlichen IT-Ingenieure“ die Firmen P. bzw. I. allein deshalb einschalteten, „um ihre Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen tatsächlich in Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden anzugeben und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins Ausland zu trans- ferieren“ (UA S. 8).Auch in seiner Beweiswürdigung hat das Landgericht aus dem Wissen des Angeklagten, dass die von ihm vertretenen IT-Ingenieure Management Companies wie die P. und die I. nur zum Zwecke des Hono- rarsplittings einschalteten, geschlossen, dass dieser „deshalb“ bedingt vorsätz- lich gehandelt habe (vgl. UA S. 66).
28
Auf welcher Grundlage das Landgericht trotz des konkret festgestellten Wissens des Angeklagten um das „Honorarsplitting“ zu dem Ergebnis gelangt ist, er habe lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, wird im Urteil nicht dargelegt. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Gegen ein Wissen des Angeklagten um die Hinterziehungen seitens der IT-Ingenieure konnte vorliegend jedenfalls nicht ohne Weiteres sprechen , dass der Angeklagte nicht wusste, ob die IT-Ingenieure das „Honorarsplit- ting“ in ihren Steuererklärungen umsetzten oder nicht, denn die Steuererklärun- gen waren von ihm selbst gefertigt worden. Eine Auseinandersetzung damit, ob er aus der Höhe des erklärten Honorars Rückschlüsse auf ein „Honorarsplitting“ ziehen konnte, findet sich in den Urteilsgründen nicht.

C.


29
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
30
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sogenannten berufstypischen, äußerlich neutralen Handlungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.) ist wie folgt zu differenzieren:
31
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter"; es ist als „Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (sog. deliktischer Sinnbezug , vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.). Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen , es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 93/14

bei uns veröffentlicht am 14.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 9 3 / 1 4 vom 14. Januar 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Beihilfe zum Subventionsbetrug u.a. zu 2.: Subventionsbetrugs u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgru

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 179/08
vom
24. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das Landgericht hat einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen lernte der Angeklagte die aus Polen stammende Zeugin P. am 13. Mai 2007 in einer Unterkunft für Leiharbeiter kennen. Noch am selben Tag kam es zum einvernehmlichen Austausch von Zärtlichkeiten. Als der Angeklagte die Zeugin abends neben seinem PKW am ganzen Körper anfasste, versuchte diese jedoch, seine Hand wegzudrücken und wegzulaufen; der Angeklagte hielt sie aber fest. Schließlich riss sich die Zeugin los und ging. Am Abend des nächsten und am frühen Morgen des übernächsten Tages führte der Angeklagte mit der Zeugin in ihrem Zimmer gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr aus. Dabei hielt er zeitweise die Hände der Zeugin über ihrem Kopf fest und drückte ihre Beine auseinander.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten, der den Tatvorwurf bestritten und sich dahin eingelassen hat, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich vollzogen worden, im Wesentlichen aufgrund der für glaubhaft erachteten Angaben der Zeugin in ihrer polizeilichen Vernehmung verurteilt. In der Hauptverhandlung ist die Zeugin, die mittlerweile nach Polen zurückgekehrt ist und mitgeteilt hat, sie wolle mit dieser Sache nichts mehr zu tun haben, nicht vernommen worden.
4
2. Der Angeklagte hat die Vernehmung des Zeugen B. zum Beweis dafür beantragt, dass - seiner Einlassung entsprechend - er und die Zeugin sich am 13. Mai 2007 küssten und Zärtlichkeiten austauschten, ohne dass der Angeklagte sich der Zeugin in irgendeiner Weise aufgedrängt habe; auch am Abend habe der Zeuge die beiden in der Nähe des Wagens des Angeklagten gesehen und werde bekunden, dass es dort ausschließlich zu einvernehmlichen Zärtlichkeiten gekommen sei. Zudem habe der Angeklagte am Abend des 14. Mai 2007 dem Zeugen B. gesagt, er sei mit der Zeugin P. verabredet.
5
Diesen Beweisantrag hat das Landgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen : "Der Zeuge B. ist kein geeignetes Beweismittel für die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es später am PKW des Angeklagten vor dem Haus 47 in L. ausschließlich zu einvernehmlichen Zärtlichkeiten gekommen ist, § 244 Abs. 3 S. 2 StPO."
6
Diese Ablehnung hält aus mehreren Gründen rechtlicher Nachprüfung nicht stand:
7
Zwar kann ein Beweisbegehren, das sich auf ein völlig ungeeignetes Beweismittel stützt, nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Dabei muss es sich aber um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vorn herein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (vgl. BGH StV 1997, 338). Dies trifft auf einen Zeugen, der zu Vorgängen aussagen soll, die sich im Innern eines anderen Menschen abgespielt haben, jedenfalls dann nicht zu, wenn er äußere Umstände bekunden kann, die einen Schluss auf die inneren Tatsachen ermöglichen (vgl. BGH StV 1984, 61; 1987, 236, 237; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 5). So liegt der Fall hier. Der Zeuge B. , der den Angeklagten und die Zeugin P. beim Austausch von Küssen und Zärtlichkeiten am 13. Mai 2007 gesehen haben soll, kann ohne Weiteres Beobachtungen zu dem äußeren Verhalten der Beteiligten gemacht haben, die Rückschlüsse auf ihre innere Einstellung und damit auch zur Frage der Einvernehmlichkeit zulassen. Bei sinngerechter Auslegung war der Beweisantrag demgemäß erkennbar dahin zu verstehen, der Zeuge B. werde bekunden, dass sich die Zeugin P. am Austausch von Küssen und Zärtlichkeiten mit dem Angeklagten in der Nähe von dessen Pkw beteiligte, ohne dass ein Widerstreben der Zeugin zu bemerken war. Es liegt auf der Hand, dass die Vernehmung des Zeugen B. nicht völlig ungeeignet war, diese Beweistatsache zu bestätigen.
8
Hinzu kommt, dass der Ablehnungsbeschluss den Beweisantrag nicht ausschöpft (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 244 Rdn. 42 m. w. N.); denn die Strafkammer hat zu der weiteren Beweisbehauptung, welche die Äu- ßerung des Angeklagten am Abend des 14. Mai 2007 betrifft, nicht Stellung genommen.
9
3. Der Schuldspruch beruht auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Überzeugung gekommen wäre, wenn der Zeuge B. die im Widerspruch zu der Aussage der Zeugin P. stehende Einlassung des Angeklagten zu den behaupteten Tatsachen bestätigt hätte.
Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Schäfer
16
Die Ausführungen zur Konnexität im weiteren Sinne (zur Terminologie vgl. Nachweise in BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteil vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171) sollen dem Gericht eine sachgerechte Prüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO, NStZ 2013, 476 ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteilvom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585; Beschluss vom 22. Juni 1999 - 1 StR 205/99, NStZ 1999, 522 mwN; zum Gebot einer Konkretisierung der Wahrnehmungssituation unter Einbeziehung der Ergebnisse der bisher durchgeführten einschlägigen Beweisaufnahme vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Konnexität 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 154/13
vom
15. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 13. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, denn das Landgericht hat einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen.
2
I. Nach den Feststellungen war der Angeklagte Geschäftsführer der Firmen A. und N. . Er hatte das alleinige Sagen, bestimmte den gesamten Geschäftsablauf. U.a. wies er die Mitarbeiter ein und sagte ihnen, was sie zu tun hatten. Den bei ihm beschäftigten Telefonisten legte er zu Beginn eines Arbeitstages eine Liste von Gewerbetreibenden vor, die sie abzutelefonieren hatten, und erteilte ihnen den Auftrag, die Angerufenen dazu zu bewegen, einen Anzeigenauftrag mit der Firma A. abzuschließen. Dabei sollte der unzutreffende Eindruck erweckt werden, dass es um eine regional geschaltete Werbung ging. In Wahrheit handelte es sich um Anzeigen in einer Broschüre, die bundesweit in Postfächer abgelegt wurde. Diese Art der "Werbung" war für die angerufenen Firmen wirtschaftlich wertlos. Im Einzelnen hat das Landgericht in dem Zeitraum zwischen Juni 2005 und November 2009 89 Einzelfälle festgestellt , in denen es auf die beschriebene Weise zu Vertragsabschlüssen zwischen der Firma A. und Gewerbetreibenden kam.
3
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe seine Mitarbeiter angewiesen, die Kunden der Firma A. während der Telefonate über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Gesichtspunkte ordnungs- und wahrheitsgemäß zu unterrichten. So sei auch in der Regel verfahren worden. Sofern seine Mitarbeiter in Einzelfällen von seinen Vorgaben abgewichen seien, habe es sich um deren eigenmächtiges Verhalten ohne sein Wissen und Wollen gehandelt.
4
Das Landgericht hat seine gegenteilige Überzeugung neben weiteren Indizien vor allem auf die Aussagen der Gewerbetreibenden gestützt, die es als Zeugen vernommen hat, nachdem diese sich im Ermittlungsverfahren auf eine entsprechende Anfrage der Polizeibehörden gemeldet und einen Fragebogen ausgefüllt hatten. Es hat den Tatbeitrag des Angeklagten - den zum sog. uneigentlichen Organisationsdelikt entwickelten Maßstäben entsprechend (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 197/11) - rechtlich als einheitlichen Betrug gewertet und ausgeführt, die einzelnen betrügerischen Vertragsabschlüsse stellten lediglich unselbstständige Teilakte der Betrugstat dar.
5
II. In diesem Zusammenhang hat der Angeklagte beantragt, insgesamt 166 Gewerbetreibende, die mit der Firma A. im Tatzeitraum einen Anzeigenvertrag abgeschlossen und sich im Ermittlungsverfahren nicht bei der Polizei gemeldet hatten, als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, dass die Mitarbeiter des Angeklagten ihnen die Vertragsregelungen einschließlich des tatsächlichen Gesamtpreises im Einzelnen zutreffend erläutert hätten, sie insbesondere telefonisch auf einen neuen Vertragsschluss sowie darauf hingewiesen hätten, die Werbung erfolge überregional über Postfachkunden. Zur Begründung wird weiter ausgeführt, das Landgericht habe zuvor ausschließlich solche Zeugen vernommen, die nach den Ermittlungen mit der Leistung der Firma A. unzufrieden gewesen seien. Um zu beurteilen, ob der Angeklagte seinen Mitarbeitern tatsächlich eine allgemeine Instruktion dahin erteilt habe, die Kunden zu täuschen, sei es unumgänglich, auch zufriedene Kunden zu vernehmen, die am Telefon ordnungsgemäß informiert worden seien.
6
Das Landgericht hat diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, er sei bereits nicht hinreichend bestimmt. Im Übrigen seien "die Beweismittel" für die Entscheidung ohne Bedeutung. Für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Betruges strafbar gemacht habe, sei die Anzahl der zufriedenen Kunden nicht entscheidend. Auch wenn sich die Beweisbehauptungen bestätigten, würde der Anklagevorwurf nicht notwendigerweise entfallen. Die unter Beweis gestellten Gesprächsinhalte ließen keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände der Vertragsschlüsse in den von der Anklage umfassten Fällen zu.
7
1. Der gestellte Antrag genügt den inhaltlichen Voraussetzungen, die an einen Beweisantrag zu stellen sind. Er enthält, ohne dass dies einer besonderen Erläuterung bedarf, insbesondere ausreichend bestimmte Beweistatsachen und -mittel.
8
2. Die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweiserhebung abgelehnt hat, hält auch im Übrigen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 m. zahlr. w. N.).
10
b) Vor diesem Hintergrund greifen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Aus der Begründung des Beweisantrags wird deutlich, dass es dem Antragsteller nicht darum ging, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der bereits ver- nommenen Zeugen über den Inhalt der mit diesen geführten Vertragsverhandlungen in Zweifel zu ziehen. Vielmehr stand mit Blick auf den gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf im Vordergrund, ob dieser ein auf Täuschung angelegtes allgemeines Geschäftssystem installiert hatte. Die Strafkammer hätte deshalb erwägen müssen, ob die Beweisbehauptungen im Falle ihres Erwiesenseins ihre Überzeugung beeinflussen könnten, der Angeklagte habe seine Mitarbeiter angewiesen, in den Telefongesprächen einen Irrtum der Kunden der Firma A. zu erregen. Sie hätte deshalb dazu Stellung nehmen müssen, welchen Einfluss der Umstand auf ihre diesbezügliche Überzeugungsbildung gehabt hätte, dass - entsprechend den Beweisbehauptungen - 166 Kunden der Firma A. ordnungsgemäß über den Vertragsinhalt informiert worden sind. Derartige Ausführungen enthält der Beschluss des Landgerichts nicht.
11
c) Hierauf beruht das Urteil.
12
III. Ergänzend bemerkt der Senat:
13
1. Es bedarf hier keines näheren Eingehens darauf, ob das Landgericht den fraglichen Beweisantrag in antizipierender Würdigung der aufgestellten Beweisbehauptungen vor dem Hintergrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses in vollem Umfang wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten Beweistatsachen rechtsfehlerfrei mit der Begründung hätte ablehnen können, selbst wenn alle 166 benannten Zeugen den in ihr Wissen gestellten Sachverhalt bestätigen würden, hätte dies angesichts der Angaben der 89 vernommenen Zeugen sowie des sonstigen bisherigen Beweisertrags keinen Einfluss auf seine Überzeugung, der Angeklagte habe die bei ihm beschäftigten Telefonisten systematisch zu irreführenden Angaben gegenüber den von ihnen angerufenen Gewerbetreibenden veranlasst. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, wird der neue Tatrichter nicht unter allen Umständen sämtliche 166 benannten Zeugen vernehmen müssen. Sollte sich etwa durch Einvernahme einiger dieser Zeugen herausstellen, dass diese das Beweisvorbringen nicht bestätigen und der Umstand, dass sie auf die Fragebogenaktion der Polizei nicht reagierten, nicht darauf beruhte, dass durch die Firma des Angeklagten die versprochenen Werbeleistungen entsprechend den telefonischen Versprechungen zufriedenstellend erbracht worden sind, so würde - bei ansonsten identischem Beweisergebnis wie in der ersten Hauptverhandlung - jedenfalls hierdurch eine breitere und je nach den Umständen auch tragfähige Grundlage für eine antizipierende Würdigung der in das Wissen der restlichen der 166 benannten Zeugen geschaffen (vgl. zum Umfang der Beweisaufnahme in "Massenverfahren", der zur tatrichterlichen Klärung der Voraussetzung serienmäßigen Betruges erforderlich ist, auch BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422).
14
2. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der Vermögensschaden beim Betrug müsse, von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496, 503 ff.), könnte es Bedenken begegnen, im vorliegenden Fall den Betrugsschaden, soweit die Gewerbetreibenden die Forderungen der Firma A. aus der mit dieser getroffenen Vereinbarung nicht erfüllten, ohne Weiteres nach der Höhe dieser offenen Forderungen zu berechnen und als Gefährdungsschaden zu bezeichnen.
15
3. Vor dem Hintergrund des jeweiligen schriftlichen Vertragstextes erscheint es nicht ohne Weiteres selbstverständlich, eine Täuschung und einen darauf beruhenden Irrtum der Gewerbetreibenden auch in denjenigen Fällen anzunehmen, in denen das Landgericht keine Feststellungen zum näheren Inhalt der geführten Telefongespräche hat treffen können.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol
5 StR 451/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 5. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von 7.000 € angeordnet. Eine Verfahrensrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
2
1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund der Aussage des anderweitig verurteilten Zeugen G. davon überzeugt, dass der Angeklagte im Dezember 2004 im Auftrag des Y. den Zeugen G. als Portionierer und Weiterverkäufer von größeren Mengen Kokain aus einer von diesem eigens angemieteten Wohnung heraus in dessen Tätigkeit einwies. Der Angeklagte stellte dem Zeugen G. die einzelnen Abnehmer vor und zeigte ihm die jeweiligen Treffpunkte. G. verkaufte auf diese Weise 2,7 kg des von dem Angeklagten besorgten Kokains in drei Tagen (Fall 1).
3
Noch Ende 2004 und im August 2005 lieferte der Angeklagte weitere 1.000 bzw. 1.200 g Kokain, die G. auf Weisung des Y. weiterverkaufte (Fälle 2 und 3).
44
Der Angeklagte übernahm im September 2005 von G. 900 g zuvor wegen schlechter Qualität bemängelten Kokains und verkaufte es an unbekannte Abnehmer weiter (Fall 4).
5
Am 20. September 2005 beauftragte Y. den Zeugen G. , dem Angeklagten eine Teilmenge von einem Kilogramm Kokain – ein Viertel einer ihm zur Verfügung stehenden Gesamtmenge – zu übergeben. Der Angeklagte überreichte das Rauschgift einem neuen Abnehmer (Fall 5).
6
Der Angeklagte bestellte bei G. ein Kilogramm Kokain, das dieser auf Weisung des Y. am 31. Oktober 2005 um 13.45 Uhr übergeben sollte. Dazu kam es wegen der Festnahme des G. nicht mehr (Fall 6).
7
Der Zeuge G. hat den Angeklagten erstmalig in einer polizeilichen Vernehmung am 20. April 2006 belastet.
8
2. Der Angeklagte hat den ihm angelasteten Betäubungsmittelhandel bestritten und seine Bekanntschaft mit den anderweitig verurteilten Rauschgifthändlern Y. , S. und G. mit geschäftlichen und privaten Kontakten erklärt. Ein vom Angeklagten vorgetragenes Falschbelastungsmotiv des G. hat das Landgericht als Schutzbehauptung gewertet. Zwar ist es dem Angeklagten darin gefolgt, dass dieser in Pakistan Opfer eines am 18. November 2005 angezeigten Überfalls geworden sei, nicht aber darin, dass geraubte 15.000 € dem Angeklagten von dem Zeugen G. im Oktober 2005 zur Weitergabe an dessen Bruder in Pakistan übergeben worden seien und der Verlust dieses Geldes die Grundlage für eine Falschbelastung bilden könne. Die Angaben des Angeklagten zur Geldübergabe seien wenig detailliert und die unterlassene Erwägung, dass Geld bei der bekannten Gefahr solcher Überfälle besser zu überweisen sei, lasse die Einlassung als lebensfremd erscheinen. Der nur gelegentliche Kontakt des Angeklagten zu G. spreche ferner nicht dafür, dass dieser Zeuge dem Angeklagten eine Summe von immerhin 15.000 € ohne weiteres anvertraut hätte. Die Aussage des Entlastungszeugen R. , der geschildert hat, G. habe ihm erzählt, er habe über den Angeklagten Geld nach Pakistan verschickt, und der über einen Anruf im Januar 2006 berichtet hat, dass die Familie B. – die Familie des Angeklagten – dem Zeugen G. dessen Geld zukommen lassen soll, ansonsten geschehe der Familie B. etwas, hat das Landgericht als Gefälligkeitsaussage gewürdigt.
9
3. Der Verteidiger des Angeklagten hat in seinem Schlussvortrag „für den Fall“ beantragt, „dass das Gericht davon ausgehen sollte, die beim Raubüberfall vom 14. November 2005 in … Pakistan abgenommenen 18.000 € gehörten nicht dem Zeugen G. , die Vernehmung von A. und Ba. c/o B. , straße , H. als Zeugen zum Beweis der Tatsachen, dass dieser Geldbetrag nach den bereits vor Antritt der Reise ihnen gegenüber vom Angeklagten gemachten Angaben vom Zeugen G. stammte und der Angeklagte das Geld einem Bruder des G. in Pakistan übergeben sollte“ (Revisionsbegründung RA K. S. 16). Diesen Antrag hat das Landgericht in den Urteilsgründen (UA S. 13/14) abgelehnt: „Dem Hilfsbeweisantrag des Verteidigers … auf Vernehmung der Zeugen A. und Ba. war nicht nachzukommen, da die behauptete Tatsache, der Angeklagte habe den Zeugen vor der Reise gesagt , die 18.000 € würden dem G. gehören, für die Sachverhaltsaufklärung unerheblich ist. Selbst wenn der Angeklagte dies gegenüber den Zeugen gesagt hat, so ist der Schluss nicht zwingend, dass davon 15.000 € von dem Zeugen G. stammen. Denn die behauptete Äußerung gegenüber den Zeugen A. und Ba. bezog sich auf die gesamten 18.000 €, wobei sich der Angeklagte zuvor in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen hat, dass 3.000 € von ihm stammten. Eher erscheint es der Kammer nahe liegender, dass der Angeklagte – aus welchem Grund auch immer – mit der vermeintlichen Äußerung, dass ihm das gesamte Geld nicht gehöre, eine zumindest behauptete fehlende Verfügungsbefugnis über die Gesamtsumme darzulegen suchte. Da durch die Aussage der benannten Zeugen nicht geklärt werden kann, ob G. dem Angeklagten tatsächlich das Geld gegeben hat, ist die Zeugenvernehmung für das vom Angeklagten behauptete Motiv für die ihn belastende Aussage des G. unergiebig.“
10
4. Diese Behandlung des Antrags begründet die Revision.
11
a) Es handelt sich um einen unter eine zulässige Bedingung gestellten Beweisantrag. Eine konkrete Äußerung des Angeklagten über Herkunft und Verwendungszweck des empfangenen Geldes stellt eine genügend bestimmte Beweisbehauptung dar (vgl. BGH StV 2005, 254, 255). Im Blick auf die vom Landgericht in seinem Beschluss sogar ausdrücklich erwähnte und im Urteil ausführlich gewürdigte Einlassung des Angeklagten, ein Bargeldbetrag von 15.000 € sei von G. übergeben worden und der Angeklagte hätte weitere 3.000 € bei sich gehabt, handelt es sich bei der Nennung von 18.000 € durch den Verteidiger – wenn nicht um eine Vereinfachung – um ein offensichtliches Missverständnis, das das Landgericht, nachdem es ihm nicht entgegengetreten ist (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 38), nicht mit zur Grundlage seiner Ablehnung hätte machen dürfen. Es wäre vielmehr von behaupteten und bekundeten 15.000 € auszugehen gewesen.
12
b) Das Landgericht hat den Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Variante StPO) zu Unrecht herangezogen. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (BGH NJW 2005, 1132, 1133; BGH StraFo 2007, 378, 379). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH aaO).
13
Die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe ohne erkennbares Motiv durch seine Äußerung fälschlich eine ihm fehlende Verfügungsbefugnis über die Gesamtsumme darzulegen versucht, lässt die gebotene Einfügung und Würdigung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (BGH aaO) vollständig vermissen. Sie besteht lediglich in der Darlegung einer Abstraktion der Beweisbehauptung ohne jede Beziehung zu einer nachvollziehbaren Lebenswirklichkeit. Naheliegend wollte das Landgericht letztlich gar nicht auf die Bedeutungslosigkeit der behaupteten Beweistatsache abstellen, sondern hat jenseits davon eine tatsächliche Beeinflussung des Beweisergebnisses durch die beantragte Beweiserhebung ausschließen wollen. Darin liegt aber in der Sache eine unzulässige Beweisantizipation (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 6 und

23).


14
Bedeutungslosigkeit der Bekundung des Angeklagten wäre in Betracht zu ziehen gewesen, falls der Angeklagte durch die behauptete Äußerung Anfang November 2005 wahrheitswidrig die Grundlage für ein Falschbelastungsmotiv hätte legen wollen. Solches war aber – worauf die Revision zutreffend hinweist – ausgeschlossen, weil G. den Angeklagten erst Monate später – am 20. April 2006 – erstmals belastet hat. Umstände, dass der Angeklagte eine solche Belastung gedanklich vorweg genommen und im Vorgriff auf diese sich planvoll entlastend geäußert haben könnte, sind nicht ersichtlich.
15
Es kommt hinzu, dass die Erwägungen des Landgerichts zur Unplausibilität einer Geldübergabe durch G. ihrerseits wegen Unvollständigkeit der Bewertung sich aus dem Urteil ergebender Umstände zumindest bedenklich sind (vgl. BGH NJW 2007, 384, 387). Nach den Feststellungen des Landgerichts war G. ein im Vergleich mit dem Angeklagten in weitaus größerem Umfang tätiger Rauschgifthändler, für den – gegen Ende seiner Handelstätigkeit auch nach einem Besuch bei seinem Bruder im Mai 2005 in Pakistan – naheliegend Anlass und Gelegenheit bestanden haben kann, sei- nem Bruder – ohne durch Überweisungen Spuren zu legen – aus dem Drogenhandel stammendes Geld zukommen zu lassen.
16
c) Der Senat ist auch nicht in der Lage, aufgrund des Urteilsinhalts mit anderer Begründung selbst eine Bedeutungslosigkeit der behaupteten Beweistatsache oder einen anderen tragfähigen Ablehnungsgrund für den Hilfsbeweisantrag festzustellen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag

9).


17
Insbesondere versteht sich die tatsächliche Bedeutungslosigkeit auch nicht etwa von selbst. Der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen G. kam besonders in den Fällen 1 bis 4 im Blick auf die vom Landgericht erörterten Qualitätsmängel (Gedächtnisschwäche) und Falschbelastungsrisiken (Erstrebung der Vorteile des § 31 BtMG; Verbleib im Zeugenschutzprogramm ; Schönung der eigenen Rolle) besondere Bedeutung zu. Eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatsache hätte auch möglicherweise zu einer anderen Gewichtung der weiteren im Zusammenhang mit der Geldübergabe erhobenen Beweise führen und für die Glaubhaftigkeitsprüfung der Aussage des Zeugen G. strengere Anforderungen provozieren können. Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verurteilung des Angeklagten auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht. Die Sache bedarf demnach insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung.
18
5. Zur Verwertbarkeit der – lediglich Fall 5 betreffend – in der Telefonrechnung vom 30. September 2005 enthaltenen Verbindungsdaten, die aufgrund einer vom Staatsanwalt in Anspruch genommenen Eilkompetenz gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO in den Besitz der Ermittlungsbehörden gelangt sind, wird der neue Tatrichter die Grundsätze des Senatsurteils vom 18. April 2007 (NJW 2007, 2269; zur Aufnahme in BGHSt bestimmt) zu beachten haben. Auf einen höchstwahrscheinlich möglich gewesenen rechtmäßigen alternativen Ersatzeingriff zur Erlangung der hier verwendeten Tele- kommunikationsdaten jenseits der Wohnungsdurchsuchung in Form eines Auskunftsersuchens gemäß § 100d StPO wird nicht abgestellt werden können , da Verbindungsdaten nach Ablauf von sechs Monaten nach der Versendung der Telefonrechnung bei den Telekommunikationsunternehmen nicht mehr zu erlangen waren (§ 7 Abs. 3 Satz 3 TDSV).
19
6. Nach den bisherigen Feststellungen versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte mit einem Bruchteil an dem von der Händlergruppierung erzielten Gewinn beteiligt war, im Fall 4, als der Angeklagte bemängeltes Kokain eigenständig verkauft hat, liegt dies sogar fern. Die Grundlagen einer möglichen Entscheidung über den Verfall bedürfen demnach näherer Aufklärung und Bewertung.
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16
Die Ausführungen zur Konnexität im weiteren Sinne (zur Terminologie vgl. Nachweise in BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteil vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171) sollen dem Gericht eine sachgerechte Prüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO, NStZ 2013, 476 ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteilvom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585; Beschluss vom 22. Juni 1999 - 1 StR 205/99, NStZ 1999, 522 mwN; zum Gebot einer Konkretisierung der Wahrnehmungssituation unter Einbeziehung der Ergebnisse der bisher durchgeführten einschlägigen Beweisaufnahme vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Konnexität 1).

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

16
Die Ausführungen zur Konnexität im weiteren Sinne (zur Terminologie vgl. Nachweise in BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteil vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171) sollen dem Gericht eine sachgerechte Prüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO, NStZ 2013, 476 ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteilvom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585; Beschluss vom 22. Juni 1999 - 1 StR 205/99, NStZ 1999, 522 mwN; zum Gebot einer Konkretisierung der Wahrnehmungssituation unter Einbeziehung der Ergebnisse der bisher durchgeführten einschlägigen Beweisaufnahme vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Konnexität 1).

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
3
Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
4
Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
5
2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
10
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
11
Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
12
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
13
Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


14
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
15
1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
16
Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
17
Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
18
2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
19
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 525/11
vom
7. Februar 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung „in Millionenhöhe“
(Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR
416/08, BGHSt 53, 71).
BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11 - LG Augsburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. April 2011 im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es den Angeklagten G. betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft sachlich-rechtliche Fehler bei der Strafzumessung zum Vorteil des Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Den Urteilsfeststellungen liegen zwei Taten zugrunde: Die Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 und von Lohnsteuer für den Mo- nat Oktober 2006. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002
4
Der Angeklagte war im Jahr 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten P. (im Folgenden: P. GmbH). Am Stammkapital der Gesellschaft war der Angeklagte mit 25% beteiligt. DieP. GmbH hielt wiederum 49% der Anteile der P B. GmbH.
5
Die Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften veräußerte der Angeklagte in den Jahren 2001 und 2002 für einen Kaufpreis von 80 Mio. DM an die in Luxemburg ansässige T. AG, wobei die Anteile auf deren Veranlassung auf zwei andere in Luxemburg und in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaften übertragen wurden. Aus diesem Veräußerungsgeschäft erhielt der Angeklagte von der T. AG und von Mitgesellschaftern der P. GmbH im Jahr 2002 folgende Zuwendungen: Für seine eigenen Gesellschaftsanteile erhielt er von der T. AG einen Kaufpreis von 28,8 Mio. DM. Daneben zahlten ihm zwei Mitgesellschafter der P. GmbH je 300.000 DM als „Auskehrung Kaufpreis“. Zusätzlich zum Kaufpreis wurden ihm vom „verantwortlichen“ Gesellschafter der T. AG Aktien dieser Ge- sellschaft im Wert von 7,2 Mio. DM als Gegenleistung dafür zugewendet, dass er der T. AG den Kauf auch der übrigen Gesellschaftsanteile der P. GmbH sowie der P. B. GmbH ermöglicht hatte; diese Gegenleistung liegt der ersten Tat zugrunde.
6
Um „in den Vorzugder Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren zu gelangen“, bezeichneteder Angeklagte im Februar 2004 in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 das ihm zugewendete Aktienpaket der T. AG als weiteres Kaufpreiselement für die Veräußerung der Geschäftsanteile neben dem „eigentlichen“ Veräußerungserlös und den Zuwendungen der Mitgesellschafter. Dabei unterließ er es bewusst, dem Finanzamt die der Übertragung des Aktienpakets zugrunde liegende Vereinbarung vom 24. Januar 2001 über die „Zahlung“ von 7,2 Mio. DM vorzulegen, um die Fi- nanzbehörden hierüber in Unkenntnis zu lassen. Die unrichtige Bezeichnung der Einkünfte als Teil des Veräußerungserlöses hatte zur Folge, dass auch diese Einkünfte (gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG aF i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG) dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren unterworfen wurden. Tatsächlich handelte es sich bei der Übertragung der Aktien aber nicht um einen Veräußerungserlös gemäß § 17 EStG, sondern um Provisionszahlungen, die als Einkünfte aus sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG in vollem Umfang zu versteuern gewesen wären. Aufgrund der unrichtigen Qualifizierung der Einkünfte als Veräußerungserlöse wurde die Einkommensteuer in dem im April 2004 erlassenen Einkommensteuerbescheid 2002 um einen Betrag von 892.715 € zu niedrig festgesetzt, der hierdurch verkürzt wurde.
7
b) Hinterziehung von Lohnsteuer für den Monat Oktober 2006
8
Auch nach der Veräußerung seiner Geschäftsanteile war der Angeklagte noch im Jahr 2006 Geschäftsführer der P. GmbH. Ihm standen aus seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag Tantiemenzahlungen zu. Diese Zahlungen hatte er in die Lohnsteueranmeldungen gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 1 EStG aufzunehmen, für deren Richtigkeit er als Geschäftsführer verantwortlich war.
9
Um der P. GmbH Lohnsteuer und sich selbst später Einkom- mensteuer „zu ersparen“, kam der Angeklagte auf die Idee, die Auszahlung dieser Tantiemen nicht direkt an sich vorzunehmen, sondern als angebliche Schenkungen der Gesellschaft an seine Söhne bzw. seine Ehefrau „zu kaschie- ren“. Hierzu ließ er sich von seinem- hierfür mittlerweile wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten - Steuerberater beraten. Dieser stellte dem Angeklagten eine Übersicht über Freibeträge und Steuersätze bei der Schenkungsteuer zur Verfügung, woraus sich der Angeklagte eine Steuerbelastung von nur etwa 21,9% errechnete.
10
In der Folgezeit verhandelte der Angeklagte mit Vertretern der neuen Gesellschafterin der P. GmbH, der R. AG mit Sitz in Luxemburg, über „gesplittete Zahlungen“ an seine Ehefrau und seine beiden Söhne im Gegenzug zur Abgabe einer formalen Verzichtserklärung im Hinblick auf die Tantiemenansprüche. Nach einem Hinweis, dass die Verzichtserklärung „auf Januar 2005 zurückdatiert werden müsse“, legte der Steuerberater eine unzutreffend auf Januar 2005 datierte Verzichtserklärung vor. Gleichzeitig machte er in Absprache mit dem Angeklagten die Gegenzeichnung der Verzichtserklärung davon abhängig, dass der Geldeingang an die Söhne bzw. die Ehefrau erfolgte. Tatsächlich wurde die Verzichtserklärung erst im November 2006 unterzeichnet. Bereits im Oktober 2006 erhielten die Söhne des Angeklagten von der R. AG vereinbarungsgemäß Überweisungen von jeweils 260.000 € und die Ehefrau des Angeklagten eine solche in Höhe von 53.500 €. Sowohl die Söhne als auch die Ehefrau erklärten die ihnen zu- gewendeten Beträge als Schenkungen der R. AG, für die - später berichtigte - Schenkungsteuer von insgesamt 125.356 € entrichtet wurde.
11
Demgegenüber unterließ der Angeklagte in der Lohnsteueranmeldung für den Monat Oktober 2006, die ihm zugewendeten Tantiemenzahlungen in Höhe von 573.500 € zu erklären. Hierdurch wurde – mit der Absicht einer Hinterziehung auf Dauer – Lohnsteuer in Höhe von 240.870 € verkürzt. Der steuerlich beratene Angeklagte wusste hierbei, dass die Verzichtserklärung und die Gestaltung der Tantiemenzahlungen über das Konstrukt von Schenkungen lediglich dazu dienten, die mit der Tantiemenzahlung verbundene Steuerbelastung zu verringern und Steuern in entsprechender Höhe zu hinterziehen.
12
2. Das Landgericht hat gegen den geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten (Einkommensteuerhinterziehung 2002) sowie von zehn Monaten (Lohnsteuerhinterziehung Oktober 2006) verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil der Anspruch des Angeklagten auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs.1 MRK dadurch verletzt worden sei, dass das Verfahren nach Eingang der Anklage und schriftlicher Stellungnahme des Angeklagten im Zeitraum zwischen November 2009 und Anfang Januar 2011 nicht gefördert worden sei.
13
Das Landgericht hat in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen, weil mit Verkürzungsbeträgen von 892.715 € und 240.870 € jeweils im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden seien, und hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entnommen.
14
Im Rahmen der Zumessung der Einzelstrafen hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten die hohen Steuerschäden und im Fall der Lohnsteuerhinterziehung die Vertuschung durch eine falsch datierte Verzichtserklärung gewertet. Zu seinen Gunsten hat es sein Geständnis, die von ihm ausgesprochene Entschuldigung, die vollständige Schadenswiedergutmachung, vorhandene psychische Belastungen des Angeklagten einschließlich der ihn belasten- den Verfahrensdauer von dreieinhalb Jahren und den Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Bei der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht darüber hinaus strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte „durch einen Steuerberater begleitet wurde und insofern nur von bedingtem Vorsatz auszugehen“ sei. Zu Gunsten des Angeklagten hat die Strafkammer auch gewertet, dass er die erhaltene Provision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen hat und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen. Bei der Lohnsteuerhinterziehung hat sie zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die geleisteten Zahlungen bei seinen Angehörigen der Schenkungsteuer unterworfen wurden.
15
Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht insbesondere die „deutlich erkennbare Reue“ des Angeklagtenund den Umstand berücksichtigt, dass er durch das Verfahren „weit überdurchschnittlich beeindruckt und beeinflusst“ gewesen sei. Die „trotz des fehlenden zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs“ noch verhängte Bewährungsstrafe begründet das Landgerichtdamit , „dass eine höhere als die erkannte Gesamtfreiheitstrafe bei positiver Aus- setzungsprognose nicht mehr hätte ausgesetzt werden können“.

II.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
17
Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verlet- zung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04).
18
Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor; sowohl die Einzelfreiheitsstrafen als auch die Gesamtfreiheitsstrafe können keinen Bestand haben. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen können demgegenüber bestehen bleiben , da hier lediglich Wertungsfehler vorliegen.
19
1. Das Landgericht hat bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen unzutreffende Maßstäbe angelegt; auch unter Zugrundelegung des dargelegten eingeschränkten Prüfungsmaßstabes halten die Einzelstrafaussprüche daher rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
20
a) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 (der ersten Tat) zugunsten des Angeklagten gewertet hat, dass er seine Vermittlungsprovision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen, zeigt es keinen Strafmilderungsgrund auf. Wäre der Angeklagte so wie vom Landgericht beschrieben vorgegangen, wäre der Steuerschaden deutlich höher gewesen. Bei der Bemessung der Strafe, der das Landgericht zutref- fend nur den tatsächlich angerichteten Steuerschaden zugrunde gelegt hat, kann nicht strafmildernd berücksichtigt werden, dass nicht mit noch höherer krimineller Energie ein noch höherer Schaden angerichtet wurde.
21
Die strafmildernde Wertung, der Angeklagte habe lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, steht - unbeschadet der Frage der generellen Eignung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, 4. Aufl. Rn. 338) - im Widerspruch mit den Urteilsfeststellungen. Aus diesen ergibt sich, dass der Angeklagte mit der Angabe, es handele sich bei den Zahlungen um einen Teil des Veräußerungserlöses, dem Finanzamt bewusst einen unrichtigen Grund für die Übertragung des Aktienpaketes an ihn genannt hat, um in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens als für ihn steuerlich vorteilhafte Regelung zu gelangen, die auf Provisionen nicht anwendbar war. Sein Handeln zielte also darauf ab, die Provision in Höhe von 7,2 Mio. DM nur zur Hälfte der Besteuerung zu unterwerfen. Damit belegen die Urteilsgründe , dass der Angeklagte mit Hinterziehungsabsicht (dolus directus 1. Grades) handelte.
22
b) Es liegt nahe, dass bereits die aufgezeigten Mängel bei der Zumessung der Einzelstrafe für die Einkommensteuerhinterziehung auch die Aufhebung der weiteren Einzelstrafe für die Tat der Lohnsteuerhinterziehung bedingen.
23
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs dann zur Aufhebung weiterer, für sich genommen sogar rechtsfehlerfreier Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1995 – 1 StR 117/95 mwN). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Die rechtsfehlerhaft festgesetzte Strafe für die Einkommensteuerhinterziehung ist wesentlich höher als diejenige für die Lohnsteuerhinterziehung. Für einen inneren Zusammenhang der Taten spricht, dass sie demselben Motiv entsprangen und jeweils Einkünfte betrafen, die der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit bei der P. GmbH erzielt hatte.
24
c) Unabhängig davon ist die Strafe für die (zweite) Tat der Lohnsteuerhinterziehung aber auch für sich genommen nicht rechtsfehlerfrei zugemessen. Der Angeklagte hat nicht nur seinen Steuerberater zur „Steuerhinterziehungsberatung“ veranlasst, sondern auchseine Angehörigen als Empfänger von Zu- wendungen der P. GmbH vorgeschoben. Dies deutet darauf hin, dass der Angeklagte andere - sei es auch in unterschiedlicher Form - in seine Straftat hineingezogen hat; seinen Steuerberater hat er sogar in die Tatbegehung verstrickt. Diesen gewichtigen Gesichtspunkt hat das Landgericht nicht erkennbar erwogen; insbesondere ist er in der im Zusammenhang mit den Angehörigen allein angestellten Erwägung, dass bei diesen die „kaschierten“ Tantiemenzahlungen der Schenkungsteuer unterworfen wurden, nicht enthalten.
25
2. Mit der Aufhebung der Einzelstrafen entfällt auch die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Diese hält zudem schon deswegen revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie sich angesichts der vom Landgericht festgestellten Umstände nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Das Landgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Hinterziehung in Millionenhöhe geltenden Maßstäbe für die Strafzumessung nicht zutreffend angewandt.
26
a) Für die Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Folgendes:
27
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. In Fällen, in denen – wie hier – noch die vorherige Gesetzesfassung dieser Vorschrift Anwendung findet, weil die Tat vor dem 1. Januar 2008 begangen wurde , ist das Regelbeispiel nur dann erfüllt, wenn der Täter zudem aus grobem Eigennutz gehandelt hat.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (im Verfahren 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbei- spiels „in großem Ausmaß“ dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (BGHSt 53, 71, 85).
29
Der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist bei besonders hohen Hinterziehungsbeträgen dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGHSt 53, 71, 86 mwN).
30
b) Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem am 3. Mai 2011 (BGBl. I, 676) in Kraft getretenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages heißt es dazu unter Bezugnahme auf das in BGHSt 53, 71 abgedruckte Senatsurteil (BT-Drucks. 17/5067 neu, S. 18): „Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben dabei betont, … Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Hinterzie- hung in Millionenhöhe sei nach einer Entscheidung des BGH nicht mehr mög- lich.“ Damit hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung gebilligt (vgl. dazube- reits BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 1 StR 116/11 Rn. 14, wistra 2011,

347).

31
c) Nach diesen Maßstäben stellt die vom Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar. Sie kann daher keinen Bestand haben.
32
aa) Zwar trifft die Feststellung des Landgerichts zu, dass sich im Rah- men der Gesamtstrafenbildung eine „schematische Betrachtung“ verbietet. Dies bedeutet aber nicht, dass das Tatgericht die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafzumessungsmaßstäben zusammengefassten Wertungen des Gesetzgebers übergehen dürfte, wenn sich damit nicht die vom Tatgericht für angemessen erachtete Strafe begründen lässt.
33
Das Tatgericht hat zwar bei der Strafzumessung einen Spielraum für die Festsetzung der schuldangemessenen Strafe. Ob es dabei von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist, obliegt aber der uneingeschränkten Rechtsüberprüfung durch das Revisionsgericht. In Fällen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe , bei denen das Tatgericht – wie hier – gleichwohl keine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre verhängt hat, prüft das Revisionsgericht daher auch, ob die hierfür vom Tatgericht angeführten schuldmindernden Umstände solche von besonderem Gewicht sind.
34
bb) Milderungsgründe von besonderem Gewicht hat das Landgericht nicht genannt; ihr Vorliegen ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
35
(1) Zwar durfte das Landgericht der Unbestraftheit des Angeklagten, seiner Entschuldigung, der Verfahrensdauer und den psychischen Belastungen , denen der Angeklagte angesichts einer drohenden Haftstrafe ausgesetzt war, strafmildernde Bedeutung beimessen. Auch stellen – ungeachtet der hier bestehenden Beweislage – das in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis sowie die vollständige Nachzahlung der von dem Angeklagten hinterzogenen Steuern bestimmende Strafmilderungsgründe dar.
36
(2) Allerdings sind diese Umstände hier keine besonders gewichtigen Milderungsgründe. Dies gilt auch für die Nachzahlung der geschuldeten und hinterzogenen Steuern. Durch die Nachentrichtung hat der Angeklagte diejenigen Steuern abgeführt, die von ihm nach dem Gesetz geschuldet waren und zu deren Zahlung er auch als ehrlicher Steuerpflichtiger ohnehin verpflichtet gewesen wäre. Das Gewicht dieser Schadenswiedergutmachung verliert hier dadurch an Gewicht, dass der Angeklagte diese angesichts seiner komfortablen Vermögensverhältnisse ohne erkennbare Einbuße seiner Lebensführung erbringen konnte. Hinzu kommt, dass sie – unbeschadet der naheliegenden Vollstreckungsmöglichkeiten der Finanzbehörden – offensichtlich keinen besonderen persönlichen Verzicht darstellte.
37
Die Gesamtverfahrensdauer von dreieinhalb Jahren bis zum erstinstanzlichen Urteil ist in einer Wirtschaftsstrafsache wie der hier vorliegenden ebenfalls regelmäßig kein besonders gewichtiger Milderungsgrund. Soweit das Landgericht auf die „erheblichen psychischen Belastungen“ angesichts einer drohenden Haftstrafe abstellt, die sich in einer „sehr angespannten emotionalen Verfassung des Angeklagten“ ausgedrückt habe, kommen darin keine beson- deren Umstände zum Ausdruck, die sich wesentlich von der Situation unterscheiden , in der sich jeder Beschuldigte befindet, dem eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe droht.
38
cc) Den festgestellten Milderungsgründen stehen zudem gewichtige Strafschärfungsgründe gegenüber.
39
Der Angeklagte täuschte die Finanzverwaltung in zwei Fällen durch falschen Tatsachenvortrag bewusst, ohne dass die eine Tat auf der anderen aufgebaut hätte oder deren Folge gewesen wäre. Bei der zweiten Tat verwendete er dabei ein nicht nur - worauf die Strafkammer abstellt - rückdatiertes, sondern insbesondere auch inhaltlich unrichtiges Schriftstück, das der Steuerberater eigens für die Verschleierungszwecke des Angeklagten erstellt hatte.
40
3. Das Landgericht hat darüber hinaus die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermengt. Dies verstößt gegen die Grundsätze der Strafzumessung.
41
a) Der Tatrichter hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321; BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 65).
42
Zwar begründet der Umstand, dass die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt worden ist, für sich allein noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 – 4 StR 363/01, wistra 2002, 137). Denn das Gericht hat auch die Wirkungen, die von einer Strafe ausgehen, in den Blick zu nehmen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Liegt daher die - schuldangemessene - Strafe in einem Spielraum, in dem grundsätzlich noch eine aussetzungsfähige Strafe in Betracht kommt, dürfen bereits bei der Strafzumessung die Wirkungen einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe berücksichtigt werden (sog. Spielraumtheorie; vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32 sowie Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 461 ff. mwN).
43
Rechtsfehlerhaft sind solche Erwägungen bei der Strafzumessung aber dann, wenn - wie hier - eine zur Bewährung aussetzungsfähige Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums für eine schuldangemessene Strafe liegt. Denn die Grenzen dieses Spielraums dürfen nicht überschritten werden. Von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten lösen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32; BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Das Gericht darf auch nicht deshalb eine nicht mehr schuldangemessene Strafe festsetzen, um den Täter noch eine Strafaussetzung zu ermöglichen. Ebenso wenig wie die Anordnung einer Maßregel zur Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe führen darf, darf das Bestreben, dem Täter die Rechtswohltat der Strafaussetzung zur Bewährung zu verschaffen , dazu führen, dass die Strafe das Schuldmaß unterschreitet (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321 f.).
44
b) So verhält es sich aber hier. Das Landgericht hat eine zur Bewährung aussetzungsfähige Gesamtstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe gerade des- halb verhängt, weil „eine höhereals die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe bei po- sitiver Aussetzungsprognose nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt wer- den können“.
45
Das Landgericht hat damit Gesichtspunkte im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) unzulässig vermengt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 – 4 StR 154/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; Urteil vom 14. Juli 1993 – 3 StR 251/93, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 19; Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, NStZ 2001, 311; Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2254 f.; Urteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 244/08, NStZ-RR 2008, 369). Es ist dabei auch zu besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Bemessung der Gesamtstrafe, sondern auch bereits der Einzelstrafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Bei der für die zweite Tat verhängten Einzelstrafe wird dies schon daraus deutlich, dass das Landgericht für diese Wiederholungstat , eine Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, für die ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet war (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO), lediglich eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt hat, obwohl es selbst die bei dieser Tat mittels der Verzichtserklärung begangene Vertuschung strafschärfend berücksichtigt hat.
46
4. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Aussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung schon deshalb nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weil die Verteidigung der Rechtsordnung deren Vollstreckung geboten hätte (vgl. § 56 Abs. 3 StGB). Der Senat sieht jedoch Anlass, nochmals darauf hinzuweisen, dass es bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311, 320 mwN).
47
5. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass das Recht des Angeklag- ten „auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs. 1 MRK verletzt“ worden sei, ist dem Senat mangels erhobener Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19, und BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 2 StR 356/07, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 36) eine Überprüfung verwehrt. Die Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geben dem Senat jedoch Anlass, erneut (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1) auf die Besonderhei- ten beim Ablauf des gerichtlichen Verfahrens in Wirtschaftsstrafsachen hinzuweisen :
48
a) Die Annahme des Landgerichts, das Verfahren sei von November 2009 bis Anfang Januar 2011, also während des gesamten Zeitraums zwischen dem Eingang der Stellungnahme des Angeklagten nach Anklageerhebung und der Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung rechtsstaatswidrig verzögert worden, ist nicht tragfähig.
49
Solches wäre allenfalls dann der Fall, wenn das Landgericht, wovon der Senat nicht ausgeht, die Eröffnung des Hauptverfahrens nur unzureichend vorbereitet hätte. Die zur sorgfältigen Vorbereitung und Terminierung – zumal einer Wirtschaftsstrafsache – erforderliche Zeit ist selbst dann nicht als Zeitraum einer (rechtsstaatswidrigen) Verfahrensverzögerung anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 1 StR 238/08, wistra 2009, 147), wenn nicht näher belegt ist, wie dieser Zeitraum vom Gericht genutzt wurde. Denn das gebotene gründliche Aktenstudium der Berufsrichter vor Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung schlägt sich regelmäßig nicht in den Akten nieder (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn – wie hier – dem Angeklagten vom Gericht eine Verständigung gemäß § 257c StPO über eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung und die Zahlung von einer Mio. € als Bewährungsauflage vorgeschlagen wird. Die – auch hier zutreffende – Erwartung, der Angeklagte werde einer solchen Verständigung zustimmen, kann die hinreichende Befassung mit dem Verfahrensstoff nicht ersetzen, selbst wenn – anders als hier – auch mit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu rechnen ist.
50
b) Beim gerichtlichen Verfahren in Wirtschaftsstrafsachen bestehen Besonderheiten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1), die regelmäßig einen Vorrang der Gründlichkeit vor der Schnelligkeit gebieten:
51
Der Eingang einer Anklageschrift ist auch bei Wirtschaftsstrafkammern nicht vorhersehbar. Denn die Zuteilung an die einzelnen Strafkammern muss so erfolgen, dass auch nur der Eindruck der Möglichkeit einer Manipulation des gesetzlichen Richters ausgeschlossen ist. Jede Strafkammer ist dann – und sollte dies auch sein – zunächst mit anderen Sachen ausgelastet. Bei komplexen und umfangreichen Strafsachen ist es unter diesen Umständen nicht möglich , dass sich der Vorsitzende und der Berichterstatter sofort mit der neu eingegangenen Anklageschrift intensiv befassen. In aller Regel ist das dann nur parallel zu bereits laufenden – oder anstehenden – Verhandlungen möglich, die im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot bei vorausschauender, auch größere Zeiträume umfassender Hauptverhandlungsplanung (vgl. BVerfG - KammerBeschlüsse vom 19. September 2007 – 2 BvR 1847/07 – und vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07) langfristig im Voraus zu terminieren waren. In diesem frühen Stadium des gerichtlichen Verfahrens ist ein Ausblenden anderweitiger Belastungen der Strafkammer bei der Prüfung, ob der Pflicht zur Erledigung des Verfahrens in angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) genügt wurde , nicht möglich und deshalb auch nicht geboten.
52
Dem Zwischenverfahren kommt im Hinblick auf den Schutz des Angeklagten große Bedeutung zu. Zur Vorbereitung der Eröffnungsberatung bedarf es schon deshalb einer intensiven Einarbeitung des Vorsitzenden und des Berichterstatters in die Sache - parallel zur Förderung und Verhandlung anderer Verfahren. Diese Vorarbeit schlägt sich hinsichtlich des Umfangs naturgemäß nicht als verfahrensfördernd in den Akten nieder, wie auch andere Vorgänge der meist gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Verfahrensstoff in der Regel nicht. Am Ende einer intensiven Vorbereitung und der Eröffnungsberatung steht häufig nur ein Eröffnungsbeschluss, der aus einem Satz besteht (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung

1).


III.

53
Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die gemäß § 301 StPO eine Urteilsaufhebung auch zugunsten des Angeklagten nach sich ziehen würden, sind nicht vorhanden. Zwar erwähnt das Landgericht bei der Strafzumessung das zu den Tatzeitpunkten für die Annahme des Regelbeispiels gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF jeweils noch erforderliche Handeln aus grobem Eigennutz nicht ausdrücklich. Bei dem vorliegenden Tatbild war dieses Merkmal aber erkennbar erfüllt. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 312/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Umfang der Lieferungen der Firma Me. im Jahr 2009 aufrechterhalten.

b) im Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Gesamtstrafe; von den zugehörigen Feststellungen werden lediglich diejenigen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Seit Oktober 2008 betätigte sich der Angeklagte zusammen mit dem gesondert verfolgten T. im Online-Handel mit Elektronikgeräten (vorwiegend mit Flachbildschirmfernsehern). Die Geschäfte betrieben sie zunächst über die von ihnen gemeinsam geführte Gesellschaft M. I. OHG (im Folgenden: M. OHG). Am 30. September 2010 gründeten sie dann die M. B. GmbH (im Folgenden : M. GmbH) mit identischem Geschäftszweck.
4
b) Beide Firmen waren seit Ende 2009 als sog. buffer in „Umsatzsteuer- hinterziehungssysteme“ eingebunden, die von verschiedenen Gruppierungen aus dem Großraum B. organisiert worden waren. Den Systemen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer lag folgendes Muster zugrunde:
5
Unter Einbindung von Strohleuten gegründete Gesellschaften sollten gegen Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer Flachbildschirmfernseher an gewerbliche Abnehmer verkaufen und den vereinbarten Kaufpreis bei der Lieferung in bar entgegennehmen. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sollte von diesen Gesellschaften entweder schon nicht angemeldet, zumindest aber nicht abgeführt werden. Bereits nach kurzer Zeit, möglichst vor Aufdeckung des Systems, sollten diese Firmen (sog. missing trader) ihre „ver- meintliche Gewerbetätigkeit“ wieder einstellen. Ziel war es, die Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht auf einen einmaligen Liefervorgang zu beschränken, sondern die nachfolgenden Warenbewegungen des Abnehmers weiter zu kontrollieren und zu steuern, um wieder über die verkauften Geräte verfügen und diese erneut dem „Wirtschaftskreislauf“ zuführen zu können. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass der gewonnene Abnehmer (sog. buffer) durch lukrative Angebote von Scheinfirmen veranlasst werden sollte, die Fernseher im Rahmen vermeintlicher innergemeinschaftlicher Lieferungen umsatzsteuerfrei zu veräußern. Tatsächlich sollten die Geräte aber nicht ins innergemeinschaftliche Ausland verbracht werden, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben. Durch den hierdurch ermöglichten umsatzsteuerfreien Ankauf sollte es den die Warenbewegungen beherrschenden Personen ermög- licht werden, die Geräte sehr günstig erneut anzubieten. Für den „buffer“ brach- te die Teilnahme an diesem System den wirtschaftlichen Vorteil, dass er - aufgrund des umsatzsteuerfreien Ankaufs sowie der Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Lieferanten - Zugang zu konkurrenzlos günstigen Waren erhielt und trotzdem die von ihm gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend machen konnte.
6
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die von dem Angeklagten geleiteten Gesellschaften M. OHG und M. GmbH in mehreren derartigen Umsatzsteuerkarussellen, die nahtlos ineinander übergin- gen, jeweils die Funktion eines „buffers“. Gleichwohl machte der Angeklagte hinsichtlich solcher Geschäfte die in den an diese Gesellschaften gerichteten Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steueranmeldungen gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuern geltend. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2009 betreffend die M. OHG führte dies zu einer Verminderung der Zahllast um 460.979,48 Euro (Fall IX. der Urteilsgründe ); aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2010 und September 2010, Oktober 2010 für die M. OHGsowie betreffend die M. GmbH für Januar 2011 (Fälle VIII. 1. bis 10. der Urteilsgründe) kam es jeweils zur Verkürzung von Umsatzsteuer mit Erstattung geltend gemachter Vorsteuer bei einem Verkürzungsumfang von insgesamt 2.642.114 Euro. Das Finanzamt erteilte in den Fällen eines Vorsteuerüberhanges jeweils die erforderliche Zustimmung zur Auszahlung (vgl. § 168 S. 2 AO).
7
d) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte erst am 18. März 2010 die Einbindung der von ihm geleiteten Firmen in Umsatzsteuerkarusselle. Er beendete gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu den Betreibern der Karussellsysteme nicht und nahm trotz seiner Erkenntnis, dass die Warenbewegungen innerhalb von Umsatzsteuerkarussellgeschäften stattfanden , in Umsatzsteuervoranmeldungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug vor. Eine Berichtigung der für Januar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nahm der Angeklagte nicht vor.
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung in den Fällen VIII. 2. bis 10. sowie IX.
der Urteilsgründe jeweils als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet. Zu den Zeitpunkten der Einreichung dieser Steueranmeldungen habe der Angeklagte gewusst, dass die von ihm geleiteten Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen seien und er deshalb mangels vorgenommener Lieferung keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen dürfen. Auf eine „Gutgläubigkeit“ des Angeklagten zum Zeitpunkt der Ausführung der Liefe- rungen für die Anmeldungszeiträume bis März 2010 komme es dabei nicht an, sie liege im Übrigen auch nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe.
9
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2010 am 4. März 2010 (Fall VIII. 1. der Urteilsgründe ) sei der Angeklagte, anders als bei Abgabe der übrigen Erklärungen, zwar noch „gutgläubig“ gewesen. Weil er aber nachträglich die Einbindung in eine „Umsatzsteuerkette“ erkannt habe, habe für ihn die Verpflichtung bestan- den, eine berichtigende Erklärung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO abzugeben. Da er dieser Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen sei, habe er sich insoweit einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

II.


10
Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe (nachfolgend 1.). Demgegenüber wird der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen; das Landgericht ist insoweit hin- sichtlich der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG von falschen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend 2.). Ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, weil möglich ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die auch in diesen Fällen einen Schuldspruch rechtfertigen können (nachfolgend 3.). Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand (nachfolgend 4.). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur insoweit, als diese von der fehlerhaften Rechtsanwendung betroffen sind, im Übrigen zur Ermöglichung widerspruchsfreier Feststellungen (nachfolgend 5.).
11
1. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in diesen Fällen in den Steueranmeldungen für die M. OHG bzw. die M. GmbH zu Unrecht aus Eingangsrechnungen für die Lieferung von elektronischen Geräten einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, obwohl er bereits bei Bezug der Geräte wusste, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG nicht vorlagen. Damit hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (vgl. § 168 AO).
12
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Insbesondere fällt eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte. Auch wird er durch diese nachträgliche Kenntnis nicht rückwirkend zum Nichtunternehmer.
14
aa) Im Rahmen der Auslegung des § 15 UStG sind die dieser Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1; im Folgenden : Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu beachten (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Danach gilt Folgendes:
15
Bei dem in Art. 167 ff. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Recht zum Vorsteuerabzug handelt es sich um einem integralen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems; es kann sofort ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterscheidet dabei zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 i.V.m. Art. 63 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) und der Ausübung dieses Rechts (Art. 178 f. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Nach Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die ab- ziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 63 der Richtlinie bereits dann der Fall, wenn die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt ist; lediglich die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt zusätzlich den Besitz einer den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechenden Rechnung voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02 „Terra Baubedarf“ zu Art. 17, 18 der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie abgelösten „Sechste(n) Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG“, im Folgenden: Sechste Richtlinie 77/388/EWG).
16
bb) Aus der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt wird, für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug folgt, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend sind (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 2009 - XI R 84/07, BStBl II 2009, 868 unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG; vgl. auch BFH, Urteile vom 18. April 2013 - V R 19/12, BFH/NV 2013, 1515 und vom 8. September 2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501).
17
cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803, Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336 Rn. 42, 45). Demgegenüber wäre es nach der Rechtsprechung des EuGH mit den Regelungen über den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“,DStRE 2012, 1336 Rn. 47 mwN). Denn Wirtschaftsteilnehmer , die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, dürfen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 in der Rechtssache C-384/04 „Federation of Technological Industries u.a.“, Slg. 2006 I-4191 Rn. 33).
18
c) Gemessen an diesen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Maßstäben hat es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Bedeutung, ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch „in gutem Glauben“ erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweit begangene „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 „Inzo“, Slg. 1996 I-857 Rn. 21), wenn einem Unternehmer, der von solchen Umständen zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges weder wusste noch hätte wissen müssen, wegen nachträglich eingetretener „Bösgläubigkeit“ rückwirkend das Recht auf den Vorsteuerabzug entzogen werden könnte.
19
d) Trotz des unrichtigen rechtlichen Ansatzes des Landgerichts tragen die Feststellungen in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe den Schuldspruch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass dem Angeklagten bereits seit dem 18. März 2010 und damit in diesen Fällen auch schon beim Warenbezug bekannt war, dass die von ihm geleitete Firma M. OHG (und später auch die M. GmbH) in ein Umsatzsteuerkarussell einbezogen war und die Waren von „missing tradern“ bzw. einem „buffer“ erhalten hatte. Damit fehlte es in diesen Fällen an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferung an diese Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264). Indem der Angeklagte in diesen Fällen gleichwohl in den Steueranmeldungen einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht.
20
e) Soweit der Angeklagte für September 2010 (Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ) einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. in Höhe von 11.337,68 Euro vorgenommen hat, ist den Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Lieferbeziehung zu dieser Firma bereits im Februar 2010 (UA S. 13) und damit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, als der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Kenntnis von der Einbindung der M. OHG in ein „Umsatzsteuerhinterziehungssystem“ hatte. Es ist daher nicht auszu- schließen, dass sich der Vorsteuerabzug insoweit auf Geschäftsvorfälle vor dem 18. März 2010 bezieht. Dies lässt den Schuldspruch jedoch unberührt, weil die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2010 einen unberechtigten Vorsteuerabzug in Höhe von 12.112,50 Euro aus einer Rechnung der Firma H. über eine Lieferung im Juni 2010 vorgenommen hat (UA S. 19).
21
2. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
22
a) Auch in den Fällen VIII. 2. und 3. sowie IX. der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgelegen haben, zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einreichung der jeweiligen Steueranmeldung abgestellt, in welcher der Angeklagte den entsprechenden Vorsteuerabzug vorgenommen hat. Maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug war auch hier allein der jeweilige Zeitpunkt des Warenbezugs. Dieser lag aber in diesen Fällen jeweils vor dem 18. März 2010, dem Tag, an dem der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die Einbindung der M. OHG in Hinterziehungsstrukturen erkannte.
23
Tragfähige Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten beim jeweiligen Warenbezug, die in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei rechtfertigen würden, enthalten die Urteilsgründe nicht. Allein der Umstand, dass sich die M. OHG beim Erwerb der Fernseher objektiv an Umsätzen beteiligte, die in Umsatzsteuerhinterziehungen von „missing tradern“ einbezogen waren, rechtfertigt die Versagung des Vor- steuerabzugs nicht. Vielmehr kommt - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH in solchen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336), die vom Tatgericht in einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen sind. Daran fehlt es hier.
24
Das Landgericht hat zwar hilfsweise ausgeführt, dass der Angeklagte auch jeweils zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht „gutgläubig“ gewesen sei, weil er „die Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung“ zu diesem Zeit- punkt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können. Dies wird jedoch nicht näher belegt. Der Senat kann die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände nicht nachholen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Eine Fallgestaltung, in der bereits auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657), liegt nicht vor.
25
b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Fall VIII. 1. der Urteilsgründe kann gleichfalls keinen Bestand haben.
26
aa) Das Landgericht hat den die Strafbarkeit begründenden Pflichtverstoß darin gesehen, dass der Angeklagte die für Januar 2010 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht gemäß § 153 Abs. 1 AO berichtigt habe, obwohl er nachträglich erkannt habe, dass der dort geltend gemachte Vorsteuerabzug unberechtigt gewesen sei.
27
bb) Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerpflichtige, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
28
cc) Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Anzeige- und Berichtigungspflicht wird hier jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Denn die für Januar 2010 von dem Angeklagten eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung wäre nur dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs schon beim Warenbezug gegeben waren. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht, zumal da das Landgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Unrecht nicht auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug, sondern auf dasjenige bei Einreichung der Steueranmeldungen abgestellt hat.
29
3. Ein Teilfreispruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht, da es noch möglich erscheint, dass Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug getroffen werden können, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen (vgl. auch BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477 und vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Freisprechung 1). Das Landgericht hat - wie dargelegt - selbst darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen , dass der Angeklagte schon vor dem 18. März 2010 die „Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung hätte erkennen können“. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommt dabei nur in Betracht, wenn mindestens bedingter Hinterziehungsvorsatz vorliegt; für den Ordnungswidrig- keitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) genügt Leichtfertigkeit.
30
4. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
31
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen VIII.1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
32
b) Der Einzelstrafausspruch im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ist schon deswegen aufzuheben, weil es zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. an Feststellungen zum zugrunde liegenden Leistungszeitpunkt fehlt. Vom Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann aber aus den genannten Gründen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG abhängen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall den Schuldumfang unrichtig bestimmt hat.
33
c) Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, da nicht auszuschließen ist, dass diese in ihrer Höhe durch die aufgehobenen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Bei den dem Angeklagten zur Last liegenden Taten handelt es sich um eine Serie gleichartiger Taten, die in einem inneren Zusammenhang stehen.
34
Im Übrigen bestehen gegen die Strafzumessung auch deshalb Bedenken , weil das Landgerichtzum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, dass er - außer hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 - mit direk- tem Vorsatz gehandelt habe, wobei er sich im Wissen um die Zusammenhänge gezielt aus eigenem Gewinnstreben dem Umsatzsteuerkarussellsystem angeschlossen habe. Aus den Ausführungen des Landgerichts wird nicht hinreichend deutlich, ob es insoweit allein auf die Vorsatzform abgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) oder - was erforderlich wäre - eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; vgl. auch Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618).
35
5. Zwar beruht die Teilaufhebung des Urteils allein auf Wertungsfehlern des Landgerichts. Da das Landgericht aber ausgehend von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz zum Vorstellungsbild des Angeklagten Feststellungen bezogen auf die falschen Zeitpunkte getroffen hat, bedarf es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe. Um dem neuen Tatgericht eine bruchlose und widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses auf der Grundlage der für die maßgeblichen Zeitpunkte zu treffenden neuen Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat in den Fällen, in denen der Schuldspruch keinen Bestand hat, auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
36
Aufzuheben sind daher die Feststellungen zu den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe einschließlich derjenigen zur Strafzumessung. Im Hinblick darauf, dass die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vom fehlerhaften rechtlichen Ansatz der Strafkammer nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), bleiben diese jedoch aufrechterhalten. Ausgenommen sind die Feststellungen zur Höhe der Umsätze mit der Firma Me. im Jahr 2009, weil diese im Hinblick auf den Anteil der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern im Verhältnis zu den Gesamtrechnungsbeträgen nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (UA S. 12).
37
Soweit der Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe , in denen der Schuldspruch Bestand hat, und betreffend die Gesamtstrafe aufgehoben wird, bedarf es im Hinblick auf die allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebungen von Feststellungen. Ausgenommen sind die bislang lückenhaften Feststellungen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe.
38
Auch soweit die Feststellungen Bestand haben, darf das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, die zu bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 468/12
vom
22. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Betrug
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22. Januar 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 130 € verurteilt. Die Re- vision des Angeklagten wie die zu seinem Nachteil geführte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte als Geschäftsführer des von ihm gegründeten Finanzdienstleistungsunternehmens P. GmbH unter anderem die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. bei deren betrügerischen Taten, indem er den Lastschrifteinzug für die von O. , Ö. und weiteren Mittätern betriebene W. GmbH (im folgenden W. ) durchführte und dieser so ermöglich- te, durch ihr auf Täuschungshandlungen beruhendes Geschäftsmodell Umsätze zum Nachteil vermeintlicher Kunden zu generieren.
3
O. und Ö. waren spätestens Ende des Jahres 2009 mit den gesondert verfolgten K. und M. Ö. übereingekommen, die als Dienstleister für Gewinnspieleintragungsdienste auftretende W. mit Hauptsitz in Berlin zu gründen und zu betreiben. Das im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell der W. bestand darin, fortlaufend eine möglichst große Zahl oft älterer Personen im Wege des Telefonvertriebs dazu zu bringen, ihre Kontoverbindungen preiszugeben und den hierdurch ermöglichten monatlichen Abbuchungen in Höhe von 49 € bis 59 € nicht zu widersprechen. Die Telefonanrufe erfolgten aus Callcentern in der Türkei, die von mit der W. wirtschaftlich in Verbindung stehenden und insbesondere K. zuzuordnenden Firmen betrieben wurden. Nachdem O. und H. Ö. von den Callcentern die Adressdaten und die Kontoverbindungen der angerufenen Personen erlangt hatten, veranlassten sie zunächst die Firma a. und ab Februar 2011 die P. GmbH des Angeklagten als Lastschriftdienstleister, von den Konten die Monatsbeträge der Teilnahmegebühren im Lastschriftverfahren einzuziehen. Auf diese Weise verschafften sich die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. sowie M. Ö. und K. im Zeit- raum Dezember 2009 bis Juni 2011 insgesamt Einnahmen „im deutlich achtstelligen Euro-Bereich“ (UA S. 4).
4
Die regelmäßig unter falschen deutschen Namen agierenden „Callcenter- Agents“ wandten zur gezielten Irreführung der Angerufenen hauptsächlich zwei verschiedene Gesprächsstrategien an: Bei der „Kündigungsmasche“ wurde ge- genüber dem Angerufenen behauptet, er habe bereits einen Vertrag mit einem Gewinnspieleintragungsdienst geschlossen; diesen Vertrag könne er jedoch im Rahmen eines dreimonatigen Sonderkündigungsrechts beenden – allerdings nur gegen Zahlung von drei monatlichen Servicebeiträgen. Bei der „Daten- löschmasche“ wurde dem Angerufenen gegenüber behauptet, man habe Kenntnis davon, dass er ständig von Gewinnspielfirmen angerufen werde; gegen Zahlung einer Servicegebühr könne man für eine Löschung seiner Daten und ein Ende der Anrufe sorgen, indem ihn die W. in eine Sperrliste eintrage, wozu die W. jedoch tatsächlich nicht in der Lage war.
5
Neben diesen Methoden kam es auch vor, dass sich „Callcenter-Agents“ als Mitarbeiter von Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden oder Verbraucherschutzstellen sowie als Rechtsanwälte ausgaben, um Kundendaten zu erlangen.
6
Im Anschluss an den nicht aufgezeichneten ersten Anruf erfolgte seitens der „Callcenter-Agents“ ein aufgezeichneter und gespeicherter Kontrollanruf,in dem die bereits erlangten Kundendaten erneut abgefragt wurden, um zum Schein den Nachweis eines ordnungsgemäßen Vertragsschlusses zu generie- ren. Diese als „Quality-Calls“ bezeichneten Gespräche wurden teilweise für Kunden zum telefonischen Fernabruf bereitgehalten, „um ihnen noch deutlicher das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich den vermeintlichen Ansprüchen der W. nicht würden entziehen können“ (UA S. 5).
7
Im weiteren Verlauf wurden die von den Callcentern angerufenen Personen durch die W. mit Wissen und Billigung O. s und H. Ö. s zusätzlich in die Irre geführt. Hierzu übermittelte die W. die persönlichen Daten der Kunden an die D. GmbH, die ihnen entsprechend den Vorgaben der beiden ehemaligen Mitangeklagten mit den Logos verschiedener Gewinnspielprodukte versehene Begrüßungsschreiben übersandte. In diesen wurde behauptet, die Empfänger hätten sich zur Teilnahme „bei Ihrem persönli- chen Gewinnspielclub ... mit der 100%-Geld-zurück-Garantie“ entschieden und würden nunmehr gegen monatliche Zahlung eines sogenannten Servicebetra- ges von 49 € bis 59 € „jeden Monat bei mindestens 200 der besten Gewinnspiele Deutschlands“ angemeldet. Außerdem wurde den Empfängern eine Mindest- Gewinnsumme von regelmäßig 500 € garantiert. Tatsächlich erfolgte als Gegenleistung im Wesentlichen die Anmeldung bei im Internet kostenlos angebotenen Gewinnspielen, in denen überwiegend Preise zu gewinnen waren, deren Wert sich im zweistelligen Euro-Bereich bewegte. Darüber hinaus meldete die W. monatlich regelmäßig 14.000 bis 16.000 Personen bei dem Tippspiel l. an, in dem für sechs Richtige (aus 49 Zahlen) mit Zusatzzahl ein Gewinn von 1 Million €, für sechs Richtige ohne Zusatzzahl ein solcher von 1.000 € und für fünf Richtige ein Gewinn von 5 € erzielt werden konnte.
8
Entgegen dem Wortlaut der Begrüßungsschreiben wurde auch keine „Geld-zurück- bzw. Gewinn-Garantie“ übernommen. Vielmehr wurden Gutscheine jeglicher Art auf die vermeintliche Gewinnsumme angerechnet. Die W. beauftragte dementsprechend ab Juni 2010 die ad. GmbH mit der Anmeldung vor dem Auslaufen des Vertrages stehender Kunden bei einem Garantie-Gewinnspiel, bei dem jeder Teilnehmer einen Gewinn in Form eines Reisegutscheins mit einem vorgeblichen Nennwert von mindestens 700 € erzielte. Derartige Gutscheine bezog die ad. GmbH von der B. GmbH zum Nulltarif.
9
Den ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. sowie K. und M. Ö. „kam es darauf an, durch die Begrüßungsschreiben bei den Empfängern die falsche Vorstellung hervorzurufen, sie hätten sich bereits verbindlich und rechtswirksam zu einer längerfristigen kostenpflichtigen Teilnahme an Gewinnspielen mit realistischen Aussichten auf werthaltige Preise verpflichtet, und sie so dazu zu veranlassen, von Kündigungen und Widersprü- chen bzw. Rückbuchungen abzusehen“ (UA S. 6). Sofern die Empfänger der Schreiben dem angeblichen Vertragsschluss nicht zeitnah widersprachen, wur- den die „Servicebeträge“ in der Folge durch den Zahlungsdienstleister – mithin ab Februar 2011 durch die Firma des Angeklagten – im Auftrag der W. monatlich im Lastschriftverfahren eingezogen.
10
Der Angeklagte handelte – so das Landgericht – spätestens seit dem 28. März 2011 „mit dem sicheren Wissen, dass zumindest ein Teil der ‚Verträ- ge‘ der W. mit Endkunden ... durch Täuschung erschlichen war, und hielt dies in Bezug auf jeden einzelnen Vertrag zumindest für sehr wahrscheinlich. Gleichwohl setzte er den Lastschrifteinzug für die W. bis zur Durchsuchung der Geschäftsräume der W. und der P. GmbH im Juni 2011 fort“ (UA S. 9).
11
Als O. im Januar 2011 an den Angeklagten herangetreten war und nach Dienstleistungen durch Lastschrifteinzug gefragt hatte, hatte dieser die Übernahme des Auftrags bezüglich der Sperrlistenprodukte abgelehnt, hinsichtlich des Gewinnspieleintragungsservices jedoch angenommen, nachdem er sich die „ordnungsgemäße“ Erbringung der Dienstleistungen sowie die Richtig- keit der Vertragsschlüsse schriftlich hatte zusichern lassen.
12
Tatsächlich aber – so das Landgericht weiter – wurden auch im Bereich Gewinnspieleintragungsdienste jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle seitens der W. gerade keine Verträge abgeschlossen, sondern „negativ verkauft“ – worunter nach der im Urteil gegebenen Erläuterung in der Callcenter-Branche bei „gewissen Unschärfen im Detail“ eine Form der Gesprächsführung verstanden wird, bei der beim Kunden gerade nicht der Wunsch eines Vertragsschlusses, sondern allein der Wunsch des Herauskommens aus einer unangenehmen Situation oder unerwünschten, mutmaßlich bereits eingegangenen vertraglichen Bindung ausgenutzt wird (UA S. 4 und 9).
13
Nach den ersten von der P. GmbH für die W. gebuchten Lastschrift- läufen kam es „zueiner Quote an Rücklastschriften wegen Widerspruchs der jeweiligen ‚Kunden‘, die jedenfalls der internen Compliance-Abteilung der P. GmbH so verdächtig vorkam, dass der Angeklagte von seinen Mitarbeitern mehrfach auf die auffälligen Rücklastschriftquoten hingewiesen wurde“ (UA S. 9). „Dem Angeklagten L. war aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung im Bereich der Zahlungsdienstleistungen klar, dass die erhöhte Quote der Rücklastschriften wegen Widerspruchs insbesondere auf Probleme mit der ‚Neukundenproduktion‘ zurückzuführen war. Typischerweise widersprechen ‚Kunden‘ insbesondere dann einer Lastschrift, wenn sie sich nicht bewusst sind, einen Vertrag geschlossen zu haben, oder wenn sie sich überrumpelt fühlen. Dies wiederum ist typisch für negatives Verkaufen“ (UA S. 10).
14
In einem Telefonat äußerte der Angeklagte am 28. März 2011 gegenüber dem ehemaligen Mitangeklagten O. : „Wenn ich die Zahlen alleine zugrunde lege, die Statistiken, die wir haben ... Wenn ich diese Quoten nehme, dann weiß ich, dass Sie negativ verkaufen und dass da auch ganz schlecht verkauft wird“ (UA S. 12).
15
Der Angeklagte versuchte zwar, O. dazu zu veranlassen, in den von der W. beauftragten Callcentern künftig „sauber“ zu arbeiten, nahm aber nicht davon Abstand, „Lastschrifteinzüge für bereits in der Vergangenheit – und damit mit sicherem Wissen des Angeklagten L. zu einem erheblichen An- teil betrügerisch – geschlossene Verträge zu buchen“ (UA S. 10). Die P. GmbH erzielte aus den Buchungen für die W. zwischen dem 31. März und dem 31. Mai 2011 einen Brutto-Ertrag von mindestens 154.000 €.
16
2. Seine Überzeugung vom sicheren Wissen des Angeklagten „bezüglich wiederholtem und nennenswertem Negativverkauf und damit von seinem sicheren Wissen bezüglich des Nichtbestehens einer Forderung zumindest bei einigen der von der P. GmbH auf seine Anweisung durchgeführten Lastschrif- ten“ hat das Landgericht maßgeblich auf das Telefonat mit O. vom 28. März 2011 gestützt. Allerdings ist die Wirtschaftsstrafkammer „zu Gunsten des Angeklagten letztlich“ davon ausgegangen, dass die Quoten beiden Lastschriftläufen für die W. nicht in einer Weise erhöht waren, dass der Angeklag- te hieraus allein auf „negatives Verkaufen“ hätte schließen müssen (UA S. 12).
17
3. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich als Beihilfe zum versuchten gemeinschaftlichen Betrug bewertet. Die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. hätten spätestens durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben unmittelbar dazu angesetzt, den vermeintlichen Kunden das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung per Lastschrift zu verzichten. Da sich die Tatbeiträge der Haupttäter nicht auf die konkrete Täuschung einzelner Empfänger bezogen hätten, sondern auf die Fortführung des auf die serienmäßige Begehung von Betrugstaten gerichteten Geschäftsmodells, seien ihre Tatbeiträge als uneigentliches Organisationsdelikt und damit als eine einheitliche Tat anzusehen. Um nicht bezüglich der mehr als 200.000 Kunden aufklären zu müssen, „welcher Kunde aufgrund welcher Annahme welchen Vertrag möglicherweise geschlossen hat und auf welche Ge- sprächsführung seitens der „Callcenter-Agents“ – also auf welche mögliche Täuschungshandlung – die jeweilige Vorstellung des Kunden in jedem Einzelfall zurückging“ (UA S. 14), hat die Strafkammer die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Betrug beschränkt. Eine vom Tatentschluss der Haupttäter umfasste Täuschung komme hinsichtlich der Gewinnspieleintragungsdienste über Gewinnchancen und Gewinnhöhe sowie darüber in Betracht, dass vorab ein Vertrag geschlossen worden sei, der durch die Zahlung sogenannter Servicegebühren vorzeitig beendet werden könnte, oder darüber, dass überhaupt eine vertragliche Bindung eingegangen werden sollte. Hinsichtlich der Sperrlistenprodukte habe sich die vom Vorsatz der Haupttäter umfasste Täuschung darauf bezogen, dass tatsächlich verhindert werden könne, dass die Angerufenen künftig zu Werbezwecken kontaktiert würden. Die irrtumsbedingte Vermögensverfügung hat das Landgericht insbesondere darin erblickt, dass die Kunden nach dem Tatplan aufgrund einer oder mehrerer der genannten Fehlvorstellungen davon absahen, nach Abbuchung durch den von der W. beauftragten Zahlungsdienstleister durch Ausübung ihres Widerspruchsrechts gegenüber der kontoführenden Bank eine Rückbuchung zu erreichen. Hierdurch sei den Kunden auch ein entsprechender Vermögensschaden entstanden, da durch die Zahlung mangels wirksamen Vertragsschlusses keinerlei Zahlungsansprüche der W. erloschen seien.
18
Zu dieser Tat der ehemaligen Mitangeklagten habe der Angeklagte einen die Tat objektiv entscheidend fördernden Beitrag geleistet, da die Haupttäter ihre Taten ohne den Lastschrifteinzug durch die P. GmbH, die er als Geschäftsführer und Gesellschafter allein kontrolliert habe, nicht hätten begehen können.
19
Der Angeklagte habe auch mit dem notwendigen doppelten Gehilfenvorsatz gehandelt, denn er habe spätestens seit dem 28. März 2011 die Umstände gekannt, „aus denen rechtlich folgt, dass jedenfalls mit einem substantiellen Anteil der ‚Kunden‘ der W. aus den oben im einzelnen dargelegten Gründen kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde“ (UA S. 17). Damit habe er auch gewusst, dass ein beträchtlicher Teil der von ihm im Lastschriftverfahren eingezogenen Gelder der W. nicht zustand.
20
Diese rechtliche Würdigung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an eine Beihilfe durch berufstypische , äußerlich neutrale Handlungen. Der Angeklagte habe sicher gewusst, dass der Geschäftszweck der W. darauf angelegt war, die festgestellten Betrugstaten zu begehen. Auch habe er aus zahlreichen Gesprächen mit O. und von einem Besuch in den türkischen Callcentern „recht genauen Einblick in die Geschäftstätigkeit der W. und der ihr verbundenen türkischen Unterneh- men“ gehabt (UA S. 18). Daher habe er es nicht nur für möglich, sondern „we- nigstens für einen erheblichen Teil der von der P. GmbH durchgeführten Ab- buchungen für sicher“ gehalten, dass sein Beitrag für Betrugstaten genutzt wur- de. Er habe sich somit das Geschäft der W. angelegen sein lassen, „denn wie er wusste, war das Risiko zumindest zahlreicher nicht gerechtfertigter Abbuchungen nicht nur extrem hoch, sondern lag bei 100 %“ (UA S. 18).

II.


21
1. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge vollen Umfangs zum Erfolg. Die rechtliche Würdigung und die Beweiswürdigung des Landgerichts enthalten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es mithin im Ergebnis nicht an.
22
a) Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, dass sich die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. durch das festgestellte Tatgeschehen des (versuchten) Betruges schuldig gemacht haben. Entgegen der Ansicht der Revision unterliegt es keinem Zweifel, dass denjenigen Personen, die durch Täuschung – etwa über das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung – zur Herausgabe ihrer Kontodaten und zum Unterlassen des Widerspruchs gegen die durch die P. GmbH vorgenommene Abbuchung veranlasst wurden, irrtumsbedingt ein Vermögensschaden entstanden ist. Die Hinnahme der Abbuchung wirkte sich unmittelbar vermögensmindernd aus, ohne dass dies durch den Erhalt einer werthaltigen Gegenleistung oder das Erlöschen einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung kompensiert worden wäre.
23
aa) Die als vermeintliche vertragliche Gegenleistung erfolgte Eintragung bei Gewinnspielen stellt keinen der Zahlung entsprechenden und die durch diese eintretende Vermögenseinbuße ausgleichenden Vermögenszuwachs dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob – was zudem angesichts der Höhe des monatlichen Beitrags fernliegend erscheint – ein der Zahlung entsprechender Marktwert der in der Eintragung bei Gewinnspielen liegenden Dienstleistung besteht. Ein solcher würde – unabhängig von der Frage der Unmittelbarkeit der Schadenskompensation (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 111 mwN) – in Anbetracht der Minderwertigkeit und fehlenden Weiterveräußerungsmöglichkeit der erlangten Dienstleistung nichts daran ändern, dass das Vermögen des Betroffenen bei einem Vergleich des Zustands vor Durchführung des Geschäfts, also vor der Zahlung und dem Erhalt der Gewinnoption, mit dem danach bestehenden Zustand objektiv als gemindert anzusehen ist. Der durch die Eintragung bei Gewinnspielen erlangte wirtschaftliche Gegenwert besteht allein in der stochastisch zu errechnenden Gewinnerwartung, die hinsichtlich der Gesamt- heit der in Rede stehenden Gewinnspiele jedenfalls erheblich hinter den gezahlten Beträgen zurückblieb.
24
bb) Das Erlöschen einer etwaigen vertraglichen Zahlungspflicht kommt nicht als Schadenskompensation in Betracht. Zu Recht hat das Landgericht angenommen , dass in den Fällen, in denen die Kunden irrtümlich von einem bereits bestehenden Vertrag ausgingen und nur deshalb die Lastschriften hinnahmen , ein solcher auch nicht durch das Dulden der Abbuchung zustande gekommen ist und deshalb zum Zeitpunkt der im Absehen vom Widerspruch gegen die Lastschrift zu sehenden Vermögensverfügung keine Verbindlichkeit der Verfügenden bestand. Aber auch dann, wenn es zum täuschungsbedingten Vertragsschluss gekommen sein sollte, liegt eine Schadenskompensation nicht vor. Abgesehen davon, dass die Befreiung von einer ohne Weiteres durch Anfechtung gemäß § 123 BGB zu beseitigenden Zahlungspflicht keinen der Zahlung entsprechenden wirtschaftlichen Gegenwert darstellt, wäre die Vermögensverfügung dann schon im irrtumsbeeinflussten Vertragsschluss selbst zu sehen; der Schaden läge in diesem Fall darin, dass der eingegangenen Zahlungspflicht keine gleichwertige Gegenleistung oder Gegenforderung gegenüberstünde (vgl. Fischer aaO Rn. 119a mwN).
25
b) Die Feststellungen belegen jedoch nicht das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich das betrügerische Geschäft der W. angelegen sein lassen, weil er gewusst habe, dass das Risiko zahlreicher nicht gerechtfertigter Abbuchungen nicht nur extrem hoch gewesen sei, sondern bei 100 % gelegen habe, beruht auf einer nicht ausreichend tatsachengestützten und daher unzureichenden Beweiswürdigung. Ob die in einer Konstellation wie der vorliegenden bestehenden besonderen rechtlichen Anforderungen erfüllt sind, lässt sich anhand der von der Wirtschaftsstrafkammer festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.
26
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen die folgenden Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 20. September 1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).
27
bb) Diese Grundsätze dienen im Wesentlichen der Begrenzung von strafbarem Beihilfeunrecht bei Verhaltensweisen, „die der Ausführende jedem anderen in der Lage des Täters gegenüber vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im Vorhinein (auch) – tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgt“ (Wohlleben, Beihilfe durch äußer- lich neutrale Handlungen, 1996, S. 4; Schünemann aaO Rn. 17). Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen sich der fördernde Beitrag des Gehilfen bereits objektiv nicht als strafbare Beihilfe darstellt, und denjenigen, in denen subjektive Gründe einer Strafbarkeit entgegenstehen.
28
Aus objektiven Gründen kann eine strafbare Beihilfe zu verneinen sein, wenn dem Handeln des – um die bevorstehende Deliktsverwirklichung wissenden – Täters der „deliktische Sinnbezug“ (Schünemann aaO Rn. 18) fehlt, weil das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt (vgl. Schünemann aaO), der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt.
29
Subjektiv besteht insoweit Anlass zu einer Begrenzung der Beihilfestrafbarkeit , als der Außenstehende eine deliktische Verwendung seines Beitrags durch den Täter zwar für möglich hält – also mit dolus eventualis handelt – aufgrund des Alltagscharakters seines Tuns aber darauf vertrauen darf, dass der andere dieses nicht zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat ausnutzen wird (vgl. Schünemann aaO Rn. 19; näher zum Vertrauensgrundsatz Roxin, FS Tröndle, 1989, S. 177). Indem der Bundesgerichtshof in den Fällen, in denen der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, die Strafbarkeit davon abhängig macht, ob das vom Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch ist, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt, wird sichergestellt, dass sich niemand durch bloße Mutmaßungen über die Möglichkeit einer strafbaren Verwendung von alltäglichen, sozial nicht unerwünschten Handlungen abhalten lassen muss.
30
cc) Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so steht in objektiver Hinsicht der „deliktische Sinnbezug“ des in der Durchführungdes Lastschrifteinzugs liegenden Beitrags des Angeklagten außer Zweifel, weil das Handeln der Haupttäter nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ausschließlich auf die Begehung von Betrugstaten abzielte. Hierfür ist unerheblich, dass bei einzelnen Abbuchungen ein vollendeter Betrug mangels eines auf Täuschung basierenden Irrtums der Kunden ausscheidet. Unabhängig davon ist nämlich – wie die Wirtschaftsstrafkammer zutreffend angenommen hat – das gesamte Vorgehen der ehemaligen Mitangeklagten – einschließlich der Veranlassung der einzelnen Abbuchungen, hinsichtlich derer sie durchweg zumindest mit bedingtem Betrugsvorsatz handelten – jedenfalls als versuchter Betrug zu werten. Für eine objektive Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten besteht insoweit kein Anlass.
31
Sollte der Angeklagte positive Kenntnis vom Vorgehen der Haupttäter gehabt haben, ergäbe sich hieraus vorliegend ohne Weiteres seine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum versuchten Betrug. Hierfür würde es im Übrigen auch ausreichen , wenn sich die Kenntnis des Angeklagten nur auf einen – sei es auch nur kleinen – Teil der eingezogenen Forderungen bezog, weil er auch dann wissentlich ein strafbares Tun gefördert hätte.
32
In subjektiver Hinsicht würde es hingegen nicht genügen, wenn der Angeklagte bezüglich der von ihm eingezogenen Forderungen die Begehung von Betrugstaten durch die Haupttäter lediglich für möglich gehalten hätte. Vielmehr bedarf es gemäß den dargelegten Grundsätzen konkreter Feststellungen, die belegen, dass das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung der erkennbar tatgeneigten ehemaligen Mitangeklagten angelegen sein ließ. Maßgeblich ist, ob es für den Angeklagten Anhaltspunkte gab, die es zumindest als sehr wahrscheinlich erscheinen ließen, dass – wie es tatsächlich der Fall war – das gesamte durch ihn geförderte Tun der Haupttäter auf die Begehung versuchter Betrugstaten angelegt war oder aber jedenfalls ein Teil der einzuziehenden Forderungen aus solchen Straftaten herrührte. Dementsprechende gesicherte Feststellungen lässt das angefochtene Urteil jedoch vermissen.
33
(1) Die Feststellungen zu den erhöhten Rücklastschriftquoten wegen Widerspruchs , die womöglich einen Anhaltspunkt für systematisches betrügerisches Vorgehen darstellen könnten, sind bereits deshalb unzureichend, weil weder deren tatsächliche Höhe noch etwaige dem Angeklagten bekannte Vergleichswerte benannt werden, so dass sich die Aussagekraft der Rücklastschriftquoten der revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit entzieht.
34
(2) Des Weiteren legt das Landgericht nicht hinreichend dar, inwieweit die Abweichungen der Rücklastschriftquoten von bekannten Durchschnittswerten eine statistische Signifikanz aufweisen. Es setzt sich ferner nicht genügend mit den verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten für überdurchschnittlich hohe Werte auseinander. Insbesondere bleibt die Frage ungeklärt, inwieweit die erhöhten Werte etwa auch auf Formen sogenannten negativen Verkaufens zurückzuführen sein könnten, die noch nicht dem Tatbestand des § 263 StGB unterfallen , oder gar eine Erklärung in der Minderwertigkeit der unter Umständen unter bloßer Überrumpelung, jedoch ohne Täuschung verkauften Gewinnspielprodukte finden. Bei der Auswertung der Rücklastschriftquoten ist aber von entscheidender Bedeutung, ob eine hinreichend eindeutige, für den Angeklagten erkennbare Signifikanz gerade hinsichtlich eines strafbaren Verhaltens der Haupttäter vorliegt, andernfalls kann aufgrund der Rücklastschriftquoten nicht angenommen werden, der Angeklagte habe ein derart hohes Risiko strafbaren Verhaltens erkannt, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung der erkennbar tatgeneigten Täter angelegen sein ließ. Eine nähere Klärung dieser Fragen ist hier auch deshalb geboten, weil das Urteil im Rahmen der Erörterung der Kenntnis des Angeklagten vom Vorgehen der Haupttäter überwiegend nicht ausdrücklich auf Täuschungshandlungen, sondern auf den unscharf bleibenden Begriff des „negativen Verkaufens“ abstellt und seine Überzeugung vom siche- ren Wissen des Angeklagten maßgeblich auf dessen wörtlich auf diesen Begriff bezogene Äußerung im Telefonat vom 28. März 2011 stützt.
35
(3) Die Bewertung dieses Telefonats birgt zudem schon für sich genommen einen durchgreifenden Rechtsfehler. Das Landgericht zieht dieses Telefonat als entscheidendes Indiz für die Feststellung sicheren Wissens des Ange- klagten „bezüglich wiederholtem und nennenswertem Negativverkauf“ heran. Dies verträgt sich nicht mit dem zu Gunsten des Angeklagten angenommenen Umstand, „die Quoten bei den Lastschriftläufen für die W. “ seien „nicht in einer Weise erhöht“ gewesen, „dass der Angeklagte hieraus allein auf negatives Verkaufen hätte schließen müssen“ (UA S. 12). Denn in dem Telefonat begrün- det der Angeklagte sein gegenüber seinem Geschäftspartner O. behauptetes Wissen unmittelbar und ausschließlich mit den „Zahlen“ bzw. „Quoten“. Die Strafkammer hat es insofern auch versäumt zu erörtern, ob es sich bei der Behauptung entsprechenden Wissens in dem Telefonat etwa um ein gezielt eingesetztes rhetorisches Mittel gehandelt haben könnte, dem ein tatsächliches Wissen des Angeklagten nicht zu Grunde lag.
36
(4) Sonstige Anhaltspunkte, aus denen sich für den Angeklagten das hohe Risiko strafbaren Verhaltens der Haupttäter ergeben haben könnte, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen. Zwar stellt die Strafkammer auch darauf ab, der Angeklagte habe „aus zahlreichen Gesprächen mit dem ehemaligen Ange- klagten O. und von einem Besuch in den türkischen Callcentern recht genauen Einblick in die Geschäftstätigkeit der W. und der ihr verbundenen türki- schen Unternehmen“ gehabt (UA S. 18). Welche Erkenntnisse er dabei konkret erlangt hat, bleibt indessen unklar. Angesichts der schriftlichen Zusicherung, die sich der Angeklagte zu Beginn des Vertragsverhältnisses mit der W. hat geben lassen, und in Anbetracht des Vorhalts im Telefonat vom 28. März 2011 liegt auch nicht unbedingt nahe, dass O. dem Angeklagten gegenüber geziel- tes „negatives Verkaufen“ eingeräumt haben könnte oder dass man den Ange- klagten beim Besuch der Callcenter in der Türkei an betrügerischen Gesprächsabläufen hätte teilhaben lassen.
37
2. Aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil auch zu Lasten des Angeklagten aufzuheben, weil es bei der Bestimmung des Schuldumfangs und der Strafzumessung Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten enthält.
38
a) Zwar lässt sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, dem Gesamtzusammenhang der staatsanwaltschaftlichen Revisionsbegründung entnehmen, dass sich die Revision lediglich gegen den Rechtsfolgenausspruch richten soll. Eine derartige – nicht ausdrücklich – erklärte Beschränkung des Rechtsmittels wäre im vorliegenden Fall unwirksam, weil ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der angegriffenen Bestimmung des Schuldumfangs und dem Schuldspruch besteht und die in Frage stehenden Rechtsfehler, soweit sie die Bestimmung des Schuldumfangs betreffen, sich – jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) – auch auf den Schuldspruch auswirken können (vgl. Paul in KK-StPO, 7. Aufl., § 318 Rn. 1 mwN). In der Revisionsbegründung wendet sich die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen die Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit von Feststellungen und Beweiswürdi- gung. So wird beanstandet, dass das Landgericht trotz fehlender Bezifferung der Rücklastschriftquoten aus diesen Rückschlüsse gezogen habe. Es fehle an einer tragfähigen Grundlage für eine sachlich-rechtliche Prüfung. Insbesondere könne nicht nachvollzogen werden, wie die Strafkammer zu der Bewertung gelangt sei, die Lastschriftquoten seien nicht in einer Weise erhöht gewesen, dass der Angeklagten allein daraus auf „negatives Verkaufen“ habe schließen müs- sen. Das so beanstandete Fehlen einer tragfähigen Grundlage für die Bestimmung des Schuldumfangs ist jedoch auch für die sachlich-rechtliche Prüfung des Schuldspruchs maßgeblich.
39
b) Sowohl die Strafrahmenwahl als auch die konkrete Bemessung der Strafe sind zum Vorteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Soweit das Landge- richt dem Angeklagten zugute hält, dass er darauf hingearbeitet habe, „die ehemaligen Mitangeklagten zu rechtmäßigem Verhalten zu animieren“, und in seinem Unternehmen „eine grundsätzlich sinnvolle und auch weitgehend um- gesetzte Compliance-Strategie erarbeitet hatte, was darauf hindeutet, dass ihm die Bewahrung der Rechtsordnung grundsätzlich angelegen war“ (UA S. 19), beruht dies auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage. Denn eine solche Bewertung kann nicht losgelöst von der Beantwortung der Frage vorgenommen werden, inwieweit dem Angeklagten aufgrund bestimmter Anhaltspunkte das kriminelle Verhalten der Haupttäter bekannt war. Dies aber ist – wie sich schon aus den Darlegungen unter II. 2 ergibt – nicht in ausreichendem Maße festgestellt. Insbesondere die lückenhaften Feststellungen zu den Rücklastschriftquoten und deren Bedeutung für die subjektive Sicht des Angeklagten können sich insofern bei der Verneinung des besonders schweren Falles im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB und bei der konkreten Bemessung der Strafe zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
40
Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten angenommen hat, er habe frühzeitig ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Dies lässt sich nicht damit vereinbaren, dass die Strafkammer einerseits ausführt , der Angeklagte habe sicher gewusst, dass der Geschäftszweck der W. darauf angelegt gewesen sei, die festgestellten Betrugstaten zu begehen (UA S. 18), andererseits aber mitteilt, der Angeklagte habe bestritten, von systematischem Negativverkauf ausgegangen zu sein (UA S. 11), und im Übrigen im Rahmen der Darstellung seiner Einlassung nicht erwähnt, dass er ein Wissen von den Taten der Haupttäter eingeräumt habe.
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 468/12
vom
22. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Betrug
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22. Januar 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 130 € verurteilt. Die Re- vision des Angeklagten wie die zu seinem Nachteil geführte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte als Geschäftsführer des von ihm gegründeten Finanzdienstleistungsunternehmens P. GmbH unter anderem die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. bei deren betrügerischen Taten, indem er den Lastschrifteinzug für die von O. , Ö. und weiteren Mittätern betriebene W. GmbH (im folgenden W. ) durchführte und dieser so ermöglich- te, durch ihr auf Täuschungshandlungen beruhendes Geschäftsmodell Umsätze zum Nachteil vermeintlicher Kunden zu generieren.
3
O. und Ö. waren spätestens Ende des Jahres 2009 mit den gesondert verfolgten K. und M. Ö. übereingekommen, die als Dienstleister für Gewinnspieleintragungsdienste auftretende W. mit Hauptsitz in Berlin zu gründen und zu betreiben. Das im Folgenden in die Tat umgesetzte Geschäftsmodell der W. bestand darin, fortlaufend eine möglichst große Zahl oft älterer Personen im Wege des Telefonvertriebs dazu zu bringen, ihre Kontoverbindungen preiszugeben und den hierdurch ermöglichten monatlichen Abbuchungen in Höhe von 49 € bis 59 € nicht zu widersprechen. Die Telefonanrufe erfolgten aus Callcentern in der Türkei, die von mit der W. wirtschaftlich in Verbindung stehenden und insbesondere K. zuzuordnenden Firmen betrieben wurden. Nachdem O. und H. Ö. von den Callcentern die Adressdaten und die Kontoverbindungen der angerufenen Personen erlangt hatten, veranlassten sie zunächst die Firma a. und ab Februar 2011 die P. GmbH des Angeklagten als Lastschriftdienstleister, von den Konten die Monatsbeträge der Teilnahmegebühren im Lastschriftverfahren einzuziehen. Auf diese Weise verschafften sich die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. sowie M. Ö. und K. im Zeit- raum Dezember 2009 bis Juni 2011 insgesamt Einnahmen „im deutlich achtstelligen Euro-Bereich“ (UA S. 4).
4
Die regelmäßig unter falschen deutschen Namen agierenden „Callcenter- Agents“ wandten zur gezielten Irreführung der Angerufenen hauptsächlich zwei verschiedene Gesprächsstrategien an: Bei der „Kündigungsmasche“ wurde ge- genüber dem Angerufenen behauptet, er habe bereits einen Vertrag mit einem Gewinnspieleintragungsdienst geschlossen; diesen Vertrag könne er jedoch im Rahmen eines dreimonatigen Sonderkündigungsrechts beenden – allerdings nur gegen Zahlung von drei monatlichen Servicebeiträgen. Bei der „Daten- löschmasche“ wurde dem Angerufenen gegenüber behauptet, man habe Kenntnis davon, dass er ständig von Gewinnspielfirmen angerufen werde; gegen Zahlung einer Servicegebühr könne man für eine Löschung seiner Daten und ein Ende der Anrufe sorgen, indem ihn die W. in eine Sperrliste eintrage, wozu die W. jedoch tatsächlich nicht in der Lage war.
5
Neben diesen Methoden kam es auch vor, dass sich „Callcenter-Agents“ als Mitarbeiter von Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden oder Verbraucherschutzstellen sowie als Rechtsanwälte ausgaben, um Kundendaten zu erlangen.
6
Im Anschluss an den nicht aufgezeichneten ersten Anruf erfolgte seitens der „Callcenter-Agents“ ein aufgezeichneter und gespeicherter Kontrollanruf,in dem die bereits erlangten Kundendaten erneut abgefragt wurden, um zum Schein den Nachweis eines ordnungsgemäßen Vertragsschlusses zu generie- ren. Diese als „Quality-Calls“ bezeichneten Gespräche wurden teilweise für Kunden zum telefonischen Fernabruf bereitgehalten, „um ihnen noch deutlicher das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich den vermeintlichen Ansprüchen der W. nicht würden entziehen können“ (UA S. 5).
7
Im weiteren Verlauf wurden die von den Callcentern angerufenen Personen durch die W. mit Wissen und Billigung O. s und H. Ö. s zusätzlich in die Irre geführt. Hierzu übermittelte die W. die persönlichen Daten der Kunden an die D. GmbH, die ihnen entsprechend den Vorgaben der beiden ehemaligen Mitangeklagten mit den Logos verschiedener Gewinnspielprodukte versehene Begrüßungsschreiben übersandte. In diesen wurde behauptet, die Empfänger hätten sich zur Teilnahme „bei Ihrem persönli- chen Gewinnspielclub ... mit der 100%-Geld-zurück-Garantie“ entschieden und würden nunmehr gegen monatliche Zahlung eines sogenannten Servicebetra- ges von 49 € bis 59 € „jeden Monat bei mindestens 200 der besten Gewinnspiele Deutschlands“ angemeldet. Außerdem wurde den Empfängern eine Mindest- Gewinnsumme von regelmäßig 500 € garantiert. Tatsächlich erfolgte als Gegenleistung im Wesentlichen die Anmeldung bei im Internet kostenlos angebotenen Gewinnspielen, in denen überwiegend Preise zu gewinnen waren, deren Wert sich im zweistelligen Euro-Bereich bewegte. Darüber hinaus meldete die W. monatlich regelmäßig 14.000 bis 16.000 Personen bei dem Tippspiel l. an, in dem für sechs Richtige (aus 49 Zahlen) mit Zusatzzahl ein Gewinn von 1 Million €, für sechs Richtige ohne Zusatzzahl ein solcher von 1.000 € und für fünf Richtige ein Gewinn von 5 € erzielt werden konnte.
8
Entgegen dem Wortlaut der Begrüßungsschreiben wurde auch keine „Geld-zurück- bzw. Gewinn-Garantie“ übernommen. Vielmehr wurden Gutscheine jeglicher Art auf die vermeintliche Gewinnsumme angerechnet. Die W. beauftragte dementsprechend ab Juni 2010 die ad. GmbH mit der Anmeldung vor dem Auslaufen des Vertrages stehender Kunden bei einem Garantie-Gewinnspiel, bei dem jeder Teilnehmer einen Gewinn in Form eines Reisegutscheins mit einem vorgeblichen Nennwert von mindestens 700 € erzielte. Derartige Gutscheine bezog die ad. GmbH von der B. GmbH zum Nulltarif.
9
Den ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. sowie K. und M. Ö. „kam es darauf an, durch die Begrüßungsschreiben bei den Empfängern die falsche Vorstellung hervorzurufen, sie hätten sich bereits verbindlich und rechtswirksam zu einer längerfristigen kostenpflichtigen Teilnahme an Gewinnspielen mit realistischen Aussichten auf werthaltige Preise verpflichtet, und sie so dazu zu veranlassen, von Kündigungen und Widersprü- chen bzw. Rückbuchungen abzusehen“ (UA S. 6). Sofern die Empfänger der Schreiben dem angeblichen Vertragsschluss nicht zeitnah widersprachen, wur- den die „Servicebeträge“ in der Folge durch den Zahlungsdienstleister – mithin ab Februar 2011 durch die Firma des Angeklagten – im Auftrag der W. monatlich im Lastschriftverfahren eingezogen.
10
Der Angeklagte handelte – so das Landgericht – spätestens seit dem 28. März 2011 „mit dem sicheren Wissen, dass zumindest ein Teil der ‚Verträ- ge‘ der W. mit Endkunden ... durch Täuschung erschlichen war, und hielt dies in Bezug auf jeden einzelnen Vertrag zumindest für sehr wahrscheinlich. Gleichwohl setzte er den Lastschrifteinzug für die W. bis zur Durchsuchung der Geschäftsräume der W. und der P. GmbH im Juni 2011 fort“ (UA S. 9).
11
Als O. im Januar 2011 an den Angeklagten herangetreten war und nach Dienstleistungen durch Lastschrifteinzug gefragt hatte, hatte dieser die Übernahme des Auftrags bezüglich der Sperrlistenprodukte abgelehnt, hinsichtlich des Gewinnspieleintragungsservices jedoch angenommen, nachdem er sich die „ordnungsgemäße“ Erbringung der Dienstleistungen sowie die Richtig- keit der Vertragsschlüsse schriftlich hatte zusichern lassen.
12
Tatsächlich aber – so das Landgericht weiter – wurden auch im Bereich Gewinnspieleintragungsdienste jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle seitens der W. gerade keine Verträge abgeschlossen, sondern „negativ verkauft“ – worunter nach der im Urteil gegebenen Erläuterung in der Callcenter-Branche bei „gewissen Unschärfen im Detail“ eine Form der Gesprächsführung verstanden wird, bei der beim Kunden gerade nicht der Wunsch eines Vertragsschlusses, sondern allein der Wunsch des Herauskommens aus einer unangenehmen Situation oder unerwünschten, mutmaßlich bereits eingegangenen vertraglichen Bindung ausgenutzt wird (UA S. 4 und 9).
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Nach den ersten von der P. GmbH für die W. gebuchten Lastschrift- läufen kam es „zueiner Quote an Rücklastschriften wegen Widerspruchs der jeweiligen ‚Kunden‘, die jedenfalls der internen Compliance-Abteilung der P. GmbH so verdächtig vorkam, dass der Angeklagte von seinen Mitarbeitern mehrfach auf die auffälligen Rücklastschriftquoten hingewiesen wurde“ (UA S. 9). „Dem Angeklagten L. war aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung im Bereich der Zahlungsdienstleistungen klar, dass die erhöhte Quote der Rücklastschriften wegen Widerspruchs insbesondere auf Probleme mit der ‚Neukundenproduktion‘ zurückzuführen war. Typischerweise widersprechen ‚Kunden‘ insbesondere dann einer Lastschrift, wenn sie sich nicht bewusst sind, einen Vertrag geschlossen zu haben, oder wenn sie sich überrumpelt fühlen. Dies wiederum ist typisch für negatives Verkaufen“ (UA S. 10).
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In einem Telefonat äußerte der Angeklagte am 28. März 2011 gegenüber dem ehemaligen Mitangeklagten O. : „Wenn ich die Zahlen alleine zugrunde lege, die Statistiken, die wir haben ... Wenn ich diese Quoten nehme, dann weiß ich, dass Sie negativ verkaufen und dass da auch ganz schlecht verkauft wird“ (UA S. 12).
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Der Angeklagte versuchte zwar, O. dazu zu veranlassen, in den von der W. beauftragten Callcentern künftig „sauber“ zu arbeiten, nahm aber nicht davon Abstand, „Lastschrifteinzüge für bereits in der Vergangenheit – und damit mit sicherem Wissen des Angeklagten L. zu einem erheblichen An- teil betrügerisch – geschlossene Verträge zu buchen“ (UA S. 10). Die P. GmbH erzielte aus den Buchungen für die W. zwischen dem 31. März und dem 31. Mai 2011 einen Brutto-Ertrag von mindestens 154.000 €.
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2. Seine Überzeugung vom sicheren Wissen des Angeklagten „bezüglich wiederholtem und nennenswertem Negativverkauf und damit von seinem sicheren Wissen bezüglich des Nichtbestehens einer Forderung zumindest bei einigen der von der P. GmbH auf seine Anweisung durchgeführten Lastschrif- ten“ hat das Landgericht maßgeblich auf das Telefonat mit O. vom 28. März 2011 gestützt. Allerdings ist die Wirtschaftsstrafkammer „zu Gunsten des Angeklagten letztlich“ davon ausgegangen, dass die Quoten beiden Lastschriftläufen für die W. nicht in einer Weise erhöht waren, dass der Angeklag- te hieraus allein auf „negatives Verkaufen“ hätte schließen müssen (UA S. 12).
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3. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich als Beihilfe zum versuchten gemeinschaftlichen Betrug bewertet. Die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. hätten spätestens durch die Übersendung der Begrüßungsschreiben unmittelbar dazu angesetzt, den vermeintlichen Kunden das Bestehen eines Vertragsverhältnisses vorzuspiegeln, um sie auf diese Weise zu veranlassen, auf einen Widerspruch gegen die spätere Abbuchung per Lastschrift zu verzichten. Da sich die Tatbeiträge der Haupttäter nicht auf die konkrete Täuschung einzelner Empfänger bezogen hätten, sondern auf die Fortführung des auf die serienmäßige Begehung von Betrugstaten gerichteten Geschäftsmodells, seien ihre Tatbeiträge als uneigentliches Organisationsdelikt und damit als eine einheitliche Tat anzusehen. Um nicht bezüglich der mehr als 200.000 Kunden aufklären zu müssen, „welcher Kunde aufgrund welcher Annahme welchen Vertrag möglicherweise geschlossen hat und auf welche Ge- sprächsführung seitens der „Callcenter-Agents“ – also auf welche mögliche Täuschungshandlung – die jeweilige Vorstellung des Kunden in jedem Einzelfall zurückging“ (UA S. 14), hat die Strafkammer die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Betrug beschränkt. Eine vom Tatentschluss der Haupttäter umfasste Täuschung komme hinsichtlich der Gewinnspieleintragungsdienste über Gewinnchancen und Gewinnhöhe sowie darüber in Betracht, dass vorab ein Vertrag geschlossen worden sei, der durch die Zahlung sogenannter Servicegebühren vorzeitig beendet werden könnte, oder darüber, dass überhaupt eine vertragliche Bindung eingegangen werden sollte. Hinsichtlich der Sperrlistenprodukte habe sich die vom Vorsatz der Haupttäter umfasste Täuschung darauf bezogen, dass tatsächlich verhindert werden könne, dass die Angerufenen künftig zu Werbezwecken kontaktiert würden. Die irrtumsbedingte Vermögensverfügung hat das Landgericht insbesondere darin erblickt, dass die Kunden nach dem Tatplan aufgrund einer oder mehrerer der genannten Fehlvorstellungen davon absahen, nach Abbuchung durch den von der W. beauftragten Zahlungsdienstleister durch Ausübung ihres Widerspruchsrechts gegenüber der kontoführenden Bank eine Rückbuchung zu erreichen. Hierdurch sei den Kunden auch ein entsprechender Vermögensschaden entstanden, da durch die Zahlung mangels wirksamen Vertragsschlusses keinerlei Zahlungsansprüche der W. erloschen seien.
18
Zu dieser Tat der ehemaligen Mitangeklagten habe der Angeklagte einen die Tat objektiv entscheidend fördernden Beitrag geleistet, da die Haupttäter ihre Taten ohne den Lastschrifteinzug durch die P. GmbH, die er als Geschäftsführer und Gesellschafter allein kontrolliert habe, nicht hätten begehen können.
19
Der Angeklagte habe auch mit dem notwendigen doppelten Gehilfenvorsatz gehandelt, denn er habe spätestens seit dem 28. März 2011 die Umstände gekannt, „aus denen rechtlich folgt, dass jedenfalls mit einem substantiellen Anteil der ‚Kunden‘ der W. aus den oben im einzelnen dargelegten Gründen kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde“ (UA S. 17). Damit habe er auch gewusst, dass ein beträchtlicher Teil der von ihm im Lastschriftverfahren eingezogenen Gelder der W. nicht zustand.
20
Diese rechtliche Würdigung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an eine Beihilfe durch berufstypische , äußerlich neutrale Handlungen. Der Angeklagte habe sicher gewusst, dass der Geschäftszweck der W. darauf angelegt war, die festgestellten Betrugstaten zu begehen. Auch habe er aus zahlreichen Gesprächen mit O. und von einem Besuch in den türkischen Callcentern „recht genauen Einblick in die Geschäftstätigkeit der W. und der ihr verbundenen türkischen Unterneh- men“ gehabt (UA S. 18). Daher habe er es nicht nur für möglich, sondern „we- nigstens für einen erheblichen Teil der von der P. GmbH durchgeführten Ab- buchungen für sicher“ gehalten, dass sein Beitrag für Betrugstaten genutzt wur- de. Er habe sich somit das Geschäft der W. angelegen sein lassen, „denn wie er wusste, war das Risiko zumindest zahlreicher nicht gerechtfertigter Abbuchungen nicht nur extrem hoch, sondern lag bei 100 %“ (UA S. 18).

II.


21
1. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge vollen Umfangs zum Erfolg. Die rechtliche Würdigung und die Beweiswürdigung des Landgerichts enthalten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es mithin im Ergebnis nicht an.
22
a) Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, dass sich die ehemaligen Mitangeklagten O. und H. Ö. durch das festgestellte Tatgeschehen des (versuchten) Betruges schuldig gemacht haben. Entgegen der Ansicht der Revision unterliegt es keinem Zweifel, dass denjenigen Personen, die durch Täuschung – etwa über das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung – zur Herausgabe ihrer Kontodaten und zum Unterlassen des Widerspruchs gegen die durch die P. GmbH vorgenommene Abbuchung veranlasst wurden, irrtumsbedingt ein Vermögensschaden entstanden ist. Die Hinnahme der Abbuchung wirkte sich unmittelbar vermögensmindernd aus, ohne dass dies durch den Erhalt einer werthaltigen Gegenleistung oder das Erlöschen einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung kompensiert worden wäre.
23
aa) Die als vermeintliche vertragliche Gegenleistung erfolgte Eintragung bei Gewinnspielen stellt keinen der Zahlung entsprechenden und die durch diese eintretende Vermögenseinbuße ausgleichenden Vermögenszuwachs dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob – was zudem angesichts der Höhe des monatlichen Beitrags fernliegend erscheint – ein der Zahlung entsprechender Marktwert der in der Eintragung bei Gewinnspielen liegenden Dienstleistung besteht. Ein solcher würde – unabhängig von der Frage der Unmittelbarkeit der Schadenskompensation (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 111 mwN) – in Anbetracht der Minderwertigkeit und fehlenden Weiterveräußerungsmöglichkeit der erlangten Dienstleistung nichts daran ändern, dass das Vermögen des Betroffenen bei einem Vergleich des Zustands vor Durchführung des Geschäfts, also vor der Zahlung und dem Erhalt der Gewinnoption, mit dem danach bestehenden Zustand objektiv als gemindert anzusehen ist. Der durch die Eintragung bei Gewinnspielen erlangte wirtschaftliche Gegenwert besteht allein in der stochastisch zu errechnenden Gewinnerwartung, die hinsichtlich der Gesamt- heit der in Rede stehenden Gewinnspiele jedenfalls erheblich hinter den gezahlten Beträgen zurückblieb.
24
bb) Das Erlöschen einer etwaigen vertraglichen Zahlungspflicht kommt nicht als Schadenskompensation in Betracht. Zu Recht hat das Landgericht angenommen , dass in den Fällen, in denen die Kunden irrtümlich von einem bereits bestehenden Vertrag ausgingen und nur deshalb die Lastschriften hinnahmen , ein solcher auch nicht durch das Dulden der Abbuchung zustande gekommen ist und deshalb zum Zeitpunkt der im Absehen vom Widerspruch gegen die Lastschrift zu sehenden Vermögensverfügung keine Verbindlichkeit der Verfügenden bestand. Aber auch dann, wenn es zum täuschungsbedingten Vertragsschluss gekommen sein sollte, liegt eine Schadenskompensation nicht vor. Abgesehen davon, dass die Befreiung von einer ohne Weiteres durch Anfechtung gemäß § 123 BGB zu beseitigenden Zahlungspflicht keinen der Zahlung entsprechenden wirtschaftlichen Gegenwert darstellt, wäre die Vermögensverfügung dann schon im irrtumsbeeinflussten Vertragsschluss selbst zu sehen; der Schaden läge in diesem Fall darin, dass der eingegangenen Zahlungspflicht keine gleichwertige Gegenleistung oder Gegenforderung gegenüberstünde (vgl. Fischer aaO Rn. 119a mwN).
25
b) Die Feststellungen belegen jedoch nicht das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich das betrügerische Geschäft der W. angelegen sein lassen, weil er gewusst habe, dass das Risiko zahlreicher nicht gerechtfertigter Abbuchungen nicht nur extrem hoch gewesen sei, sondern bei 100 % gelegen habe, beruht auf einer nicht ausreichend tatsachengestützten und daher unzureichenden Beweiswürdigung. Ob die in einer Konstellation wie der vorliegenden bestehenden besonderen rechtlichen Anforderungen erfüllt sind, lässt sich anhand der von der Wirtschaftsstrafkammer festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.
26
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen die folgenden Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 20. September 1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).
27
bb) Diese Grundsätze dienen im Wesentlichen der Begrenzung von strafbarem Beihilfeunrecht bei Verhaltensweisen, „die der Ausführende jedem anderen in der Lage des Täters gegenüber vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im Vorhinein (auch) – tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgt“ (Wohlleben, Beihilfe durch äußer- lich neutrale Handlungen, 1996, S. 4; Schünemann aaO Rn. 17). Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen sich der fördernde Beitrag des Gehilfen bereits objektiv nicht als strafbare Beihilfe darstellt, und denjenigen, in denen subjektive Gründe einer Strafbarkeit entgegenstehen.
28
Aus objektiven Gründen kann eine strafbare Beihilfe zu verneinen sein, wenn dem Handeln des – um die bevorstehende Deliktsverwirklichung wissenden – Täters der „deliktische Sinnbezug“ (Schünemann aaO Rn. 18) fehlt, weil das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt (vgl. Schünemann aaO), der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt.
29
Subjektiv besteht insoweit Anlass zu einer Begrenzung der Beihilfestrafbarkeit , als der Außenstehende eine deliktische Verwendung seines Beitrags durch den Täter zwar für möglich hält – also mit dolus eventualis handelt – aufgrund des Alltagscharakters seines Tuns aber darauf vertrauen darf, dass der andere dieses nicht zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat ausnutzen wird (vgl. Schünemann aaO Rn. 19; näher zum Vertrauensgrundsatz Roxin, FS Tröndle, 1989, S. 177). Indem der Bundesgerichtshof in den Fällen, in denen der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, die Strafbarkeit davon abhängig macht, ob das vom Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch ist, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt, wird sichergestellt, dass sich niemand durch bloße Mutmaßungen über die Möglichkeit einer strafbaren Verwendung von alltäglichen, sozial nicht unerwünschten Handlungen abhalten lassen muss.
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cc) Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so steht in objektiver Hinsicht der „deliktische Sinnbezug“ des in der Durchführungdes Lastschrifteinzugs liegenden Beitrags des Angeklagten außer Zweifel, weil das Handeln der Haupttäter nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ausschließlich auf die Begehung von Betrugstaten abzielte. Hierfür ist unerheblich, dass bei einzelnen Abbuchungen ein vollendeter Betrug mangels eines auf Täuschung basierenden Irrtums der Kunden ausscheidet. Unabhängig davon ist nämlich – wie die Wirtschaftsstrafkammer zutreffend angenommen hat – das gesamte Vorgehen der ehemaligen Mitangeklagten – einschließlich der Veranlassung der einzelnen Abbuchungen, hinsichtlich derer sie durchweg zumindest mit bedingtem Betrugsvorsatz handelten – jedenfalls als versuchter Betrug zu werten. Für eine objektive Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten besteht insoweit kein Anlass.
31
Sollte der Angeklagte positive Kenntnis vom Vorgehen der Haupttäter gehabt haben, ergäbe sich hieraus vorliegend ohne Weiteres seine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum versuchten Betrug. Hierfür würde es im Übrigen auch ausreichen , wenn sich die Kenntnis des Angeklagten nur auf einen – sei es auch nur kleinen – Teil der eingezogenen Forderungen bezog, weil er auch dann wissentlich ein strafbares Tun gefördert hätte.
32
In subjektiver Hinsicht würde es hingegen nicht genügen, wenn der Angeklagte bezüglich der von ihm eingezogenen Forderungen die Begehung von Betrugstaten durch die Haupttäter lediglich für möglich gehalten hätte. Vielmehr bedarf es gemäß den dargelegten Grundsätzen konkreter Feststellungen, die belegen, dass das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung der erkennbar tatgeneigten ehemaligen Mitangeklagten angelegen sein ließ. Maßgeblich ist, ob es für den Angeklagten Anhaltspunkte gab, die es zumindest als sehr wahrscheinlich erscheinen ließen, dass – wie es tatsächlich der Fall war – das gesamte durch ihn geförderte Tun der Haupttäter auf die Begehung versuchter Betrugstaten angelegt war oder aber jedenfalls ein Teil der einzuziehenden Forderungen aus solchen Straftaten herrührte. Dementsprechende gesicherte Feststellungen lässt das angefochtene Urteil jedoch vermissen.
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(1) Die Feststellungen zu den erhöhten Rücklastschriftquoten wegen Widerspruchs , die womöglich einen Anhaltspunkt für systematisches betrügerisches Vorgehen darstellen könnten, sind bereits deshalb unzureichend, weil weder deren tatsächliche Höhe noch etwaige dem Angeklagten bekannte Vergleichswerte benannt werden, so dass sich die Aussagekraft der Rücklastschriftquoten der revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit entzieht.
34
(2) Des Weiteren legt das Landgericht nicht hinreichend dar, inwieweit die Abweichungen der Rücklastschriftquoten von bekannten Durchschnittswerten eine statistische Signifikanz aufweisen. Es setzt sich ferner nicht genügend mit den verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten für überdurchschnittlich hohe Werte auseinander. Insbesondere bleibt die Frage ungeklärt, inwieweit die erhöhten Werte etwa auch auf Formen sogenannten negativen Verkaufens zurückzuführen sein könnten, die noch nicht dem Tatbestand des § 263 StGB unterfallen , oder gar eine Erklärung in der Minderwertigkeit der unter Umständen unter bloßer Überrumpelung, jedoch ohne Täuschung verkauften Gewinnspielprodukte finden. Bei der Auswertung der Rücklastschriftquoten ist aber von entscheidender Bedeutung, ob eine hinreichend eindeutige, für den Angeklagten erkennbare Signifikanz gerade hinsichtlich eines strafbaren Verhaltens der Haupttäter vorliegt, andernfalls kann aufgrund der Rücklastschriftquoten nicht angenommen werden, der Angeklagte habe ein derart hohes Risiko strafbaren Verhaltens erkannt, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung der erkennbar tatgeneigten Täter angelegen sein ließ. Eine nähere Klärung dieser Fragen ist hier auch deshalb geboten, weil das Urteil im Rahmen der Erörterung der Kenntnis des Angeklagten vom Vorgehen der Haupttäter überwiegend nicht ausdrücklich auf Täuschungshandlungen, sondern auf den unscharf bleibenden Begriff des „negativen Verkaufens“ abstellt und seine Überzeugung vom siche- ren Wissen des Angeklagten maßgeblich auf dessen wörtlich auf diesen Begriff bezogene Äußerung im Telefonat vom 28. März 2011 stützt.
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(3) Die Bewertung dieses Telefonats birgt zudem schon für sich genommen einen durchgreifenden Rechtsfehler. Das Landgericht zieht dieses Telefonat als entscheidendes Indiz für die Feststellung sicheren Wissens des Ange- klagten „bezüglich wiederholtem und nennenswertem Negativverkauf“ heran. Dies verträgt sich nicht mit dem zu Gunsten des Angeklagten angenommenen Umstand, „die Quoten bei den Lastschriftläufen für die W. “ seien „nicht in einer Weise erhöht“ gewesen, „dass der Angeklagte hieraus allein auf negatives Verkaufen hätte schließen müssen“ (UA S. 12). Denn in dem Telefonat begrün- det der Angeklagte sein gegenüber seinem Geschäftspartner O. behauptetes Wissen unmittelbar und ausschließlich mit den „Zahlen“ bzw. „Quoten“. Die Strafkammer hat es insofern auch versäumt zu erörtern, ob es sich bei der Behauptung entsprechenden Wissens in dem Telefonat etwa um ein gezielt eingesetztes rhetorisches Mittel gehandelt haben könnte, dem ein tatsächliches Wissen des Angeklagten nicht zu Grunde lag.
36
(4) Sonstige Anhaltspunkte, aus denen sich für den Angeklagten das hohe Risiko strafbaren Verhaltens der Haupttäter ergeben haben könnte, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen. Zwar stellt die Strafkammer auch darauf ab, der Angeklagte habe „aus zahlreichen Gesprächen mit dem ehemaligen Ange- klagten O. und von einem Besuch in den türkischen Callcentern recht genauen Einblick in die Geschäftstätigkeit der W. und der ihr verbundenen türki- schen Unternehmen“ gehabt (UA S. 18). Welche Erkenntnisse er dabei konkret erlangt hat, bleibt indessen unklar. Angesichts der schriftlichen Zusicherung, die sich der Angeklagte zu Beginn des Vertragsverhältnisses mit der W. hat geben lassen, und in Anbetracht des Vorhalts im Telefonat vom 28. März 2011 liegt auch nicht unbedingt nahe, dass O. dem Angeklagten gegenüber geziel- tes „negatives Verkaufen“ eingeräumt haben könnte oder dass man den Ange- klagten beim Besuch der Callcenter in der Türkei an betrügerischen Gesprächsabläufen hätte teilhaben lassen.
37
2. Aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil auch zu Lasten des Angeklagten aufzuheben, weil es bei der Bestimmung des Schuldumfangs und der Strafzumessung Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten enthält.
38
a) Zwar lässt sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, dem Gesamtzusammenhang der staatsanwaltschaftlichen Revisionsbegründung entnehmen, dass sich die Revision lediglich gegen den Rechtsfolgenausspruch richten soll. Eine derartige – nicht ausdrücklich – erklärte Beschränkung des Rechtsmittels wäre im vorliegenden Fall unwirksam, weil ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der angegriffenen Bestimmung des Schuldumfangs und dem Schuldspruch besteht und die in Frage stehenden Rechtsfehler, soweit sie die Bestimmung des Schuldumfangs betreffen, sich – jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) – auch auf den Schuldspruch auswirken können (vgl. Paul in KK-StPO, 7. Aufl., § 318 Rn. 1 mwN). In der Revisionsbegründung wendet sich die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen die Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit von Feststellungen und Beweiswürdi- gung. So wird beanstandet, dass das Landgericht trotz fehlender Bezifferung der Rücklastschriftquoten aus diesen Rückschlüsse gezogen habe. Es fehle an einer tragfähigen Grundlage für eine sachlich-rechtliche Prüfung. Insbesondere könne nicht nachvollzogen werden, wie die Strafkammer zu der Bewertung gelangt sei, die Lastschriftquoten seien nicht in einer Weise erhöht gewesen, dass der Angeklagten allein daraus auf „negatives Verkaufen“ habe schließen müs- sen. Das so beanstandete Fehlen einer tragfähigen Grundlage für die Bestimmung des Schuldumfangs ist jedoch auch für die sachlich-rechtliche Prüfung des Schuldspruchs maßgeblich.
39
b) Sowohl die Strafrahmenwahl als auch die konkrete Bemessung der Strafe sind zum Vorteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Soweit das Landge- richt dem Angeklagten zugute hält, dass er darauf hingearbeitet habe, „die ehemaligen Mitangeklagten zu rechtmäßigem Verhalten zu animieren“, und in seinem Unternehmen „eine grundsätzlich sinnvolle und auch weitgehend um- gesetzte Compliance-Strategie erarbeitet hatte, was darauf hindeutet, dass ihm die Bewahrung der Rechtsordnung grundsätzlich angelegen war“ (UA S. 19), beruht dies auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage. Denn eine solche Bewertung kann nicht losgelöst von der Beantwortung der Frage vorgenommen werden, inwieweit dem Angeklagten aufgrund bestimmter Anhaltspunkte das kriminelle Verhalten der Haupttäter bekannt war. Dies aber ist – wie sich schon aus den Darlegungen unter II. 2 ergibt – nicht in ausreichendem Maße festgestellt. Insbesondere die lückenhaften Feststellungen zu den Rücklastschriftquoten und deren Bedeutung für die subjektive Sicht des Angeklagten können sich insofern bei der Verneinung des besonders schweren Falles im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB und bei der konkreten Bemessung der Strafe zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
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Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten angenommen hat, er habe frühzeitig ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Dies lässt sich nicht damit vereinbaren, dass die Strafkammer einerseits ausführt , der Angeklagte habe sicher gewusst, dass der Geschäftszweck der W. darauf angelegt gewesen sei, die festgestellten Betrugstaten zu begehen (UA S. 18), andererseits aber mitteilt, der Angeklagte habe bestritten, von systematischem Negativverkauf ausgegangen zu sein (UA S. 11), und im Übrigen im Rahmen der Darstellung seiner Einlassung nicht erwähnt, dass er ein Wissen von den Taten der Haupttäter eingeräumt habe.
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.