Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2018 - XII ZB 505/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:191218BXIIZB505.18.0
19.12.2018
vorgehend
Amtsgericht Ludwigsburg, 2 XIV 227/18, 11.09.2018
Landgericht Stuttgart, 10 T 367/18, 25.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 505/18
vom
19. Dezember 2018
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
PsychKHG BW § 13 Abs. 3
Eine Gefahrenlage ist im Sinne des § 13 Abs. 3 PsychKHG BW als gegenwärtig
einzustufen, wenn ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder
sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit
zu erwarten ist. Dies kann auch bei einer Gefahr für höchstrangige Rechtsgüter
Dritter nur dann bejaht werden, wenn zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit
dafür besteht, dass die Gefahr sich verwirklicht.
BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - XII ZB 505/18 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
ECLI:DE:BGH:2018:191218BXIIZB505.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 25. September 2018 wird zurückgewiesen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Der Antrag des Betroffenen auf Beiordnung eines Notanwalts wird gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 FamFG in Verbindung mit § 78 b ZPO zurückgewiesen, weil ein ausreichendes eigenes Bemühen um die Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt nicht dargelegt und glaubhaft gemacht ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 11. Mai 2017 - V ZA 10/17 - juris Rn. 3 und vom 19. Oktober 2011 - I ZR 98/11 - juris Rn. 2).

Gründe:

I.

1
Der im Jahre 1990 geborene Betroffene leidet an einer Chromosomenanomalie (Trisomie 8, auch bekannt als Warkany-Syndrom 2) mit Störungen der Impulskontrolle und der sozialen Interaktionen. Er wurde im Oktober 2009 wegen eines im August 2008 in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern und Vergewaltigung begangenen Mordes an einem achtjährigen Mädchen zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 16. August 2018 wurde er nach vollständiger Vollstreckung der Strafe aus der Haft entlassen.
2
Seit Mitte 2017 hatte der Betroffene die Jugendstrafe in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg verbüßt. Mit Beschluss vom 17. Juli 2018 wurde Führungsaufsicht für den Betroffenen angeordnet und er wurde unter anderem angewiesen, festen Wohnsitz bei der Carl-Theodor-WelckerStiftung in Freiburg oder einer vergleichbaren staatlich anerkannten Einrichtung des Betreuten Wohnens zu nehmen und sich mindestens einmal monatlich bei der für seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen forensischen Ambulanz vorzustellen. Nachdem bei Haftentlassung die Kostenübernahme für eine Aufnahme in der in dem Führungsaufsichtsbeschluss bezeichneten Einrichtung noch nicht geklärt war, wurde der Betroffene übergangsweise in die Freigängereinrichtung der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg aufgenommen.
3
Am 23. August 2018 hat das Landratsamt (Beteiligter zu 1) als Kreispolizeibehörde beim Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen nach den Vorschriften des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG BW) beantragt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. September 2018 die Unterbringung des Betroffenen für die Dauer von einem Jahr angeordnet. Auf die hiergegen vom Betroffenen und vom Verfahrenspfleger (Beteiligter zu 2) eingelegten Beschwerden hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Unterbringungsantrag zurückgewiesen.
4
Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er weiterhin die öffentlich-rechtliche Unterbringung des Betroffenen begehrt.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
6
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine gegenwärtige Gefahr für Dritte aufgrund einer psychischen Störung des Betroffenen lasse sich nicht feststellen. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten liege zwar ein durch die Chromosomenanomalie ausgelöstes Krankheitsbild vor. Die aufgrund der durchgeführten therapeutischen Maßnahmen erzielte Verbesserung der Impulskontrolle und des Umgangs mit Frustrationen und Konflikten, die Bereitschaft des Betroffenen zu weiterer Behandlung sowie der Umstand, dass es sich bei dem begangenen Delikt um ein singuläres Lebensereignis gehandelt habe, ließen laut Sachverständigem das Risiko eines erneuten Sexualdelikts aber allenfalls moderat erscheinen und ein erneutes Tötungsdelikt nicht wahrscheinlich sein. Diese Einschätzung entspreche auch dem während der Haft im November 2017 erstellten kriminalprognostischen Gutachten, demzufolge bei einer weiteren Betreuung des Betroffenen in Freiheit die Rückfallgefahr hinsichtlich schwerer Straftaten als relativ niedrig einzuschätzen sei. Die aufgrund des Rückfallrisikos bestehende latente Gefahr weiterer Straftaten rechtfertige keine Unterbringungsmaßnahme. Ihr zu begegnen sei Aufgabe der Führungsaufsicht. Angesichts der Behandlungseinsicht des Betroffenen und seiner Bereitschaft, sich weiter behandeln zu lassen und betreut zu wohnen, könne der Schluss auf eine gegenwärtige Fremdgefährdung auch nicht aus der gegenüber der Polizei vorgenommenen Selbsteinschätzung des Betroffenen zu seinem Rückfallrisiko gezogen werden. Die entsprechenden Ausführungen der Sachverständigen deckten sich mit dem bei der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindruck.
7
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
8
Nach § 13 Abs. 1 PsychKHG BW können Personen gegen ihren Willen untergebracht werden, wenn sie unterbringungsbedürftig sind. Unterbringungsbedürftig ist gemäß § 13 Abs. 3 PsychKHG BW, wer infolge einer psychischen Störung nach § 1 Nr. 1 PsychKHG BW sein Leben oder seine Gesundheit erheblich gefährdet oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellt, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung zur Verhinderung einer Fremdgefährdung setzt mithin neben einer Krankheit oder Behinderung aufgrund einer psychischen Störung (§ 1 Nr. 1 PsychKHG BW) auch eine dadurch bedingte, nur durch eine Unterbringung des Betroffenen vermeidbare erhebliche gegenwärtige Gefahrenlage voraus. Das Landgericht hat in rechtlich beanstandungsfreier Weise das Vorliegen einer solchen Gefahrenlage verneint.
9
a) Durch die landesrechtlichen Vorschriften zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung wird unter anderem das Grundrecht der Freiheit der Person eingeschränkt (vgl. hier § 56 PsychKHG BW). Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass dieses eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfaltet. Die Freiheit der Person nimmt - als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen - einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG beson- dere Verfahrensgarantien statuiert. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht sind daher nur zulässig, wenn der Schutz hochrangiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. Dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit entgegenzuhalten; beide sind im Einzelfall abzuwägen (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 488/11 - FamRZ 2012, 442 Rn. 17 f. mwN).
10
b) Mit Blick auf diese verfassungsrechtlichen Vorgaben ist eine Gefahrenlage als gegenwärtig im Sinne des § 13 Abs. 3 PsychKHG BW einzustufen, wenn ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist (Zimmermann PsychKHG BW § 13 Rn. 21 mwN). Dies kann auch bei Gefahr für höchstrangige Rechtsgüter Dritter nur dann bejaht werden, wenn zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Gefahr sich verwirklicht (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1329, 1330; NJW 2000, 881, 882).
11
aa) Unter welchen Voraussetzungen eine Gefahr gegenwärtig ist, wird im baden-württembergischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 25. November 2014 (Psychisch-Kranken-HilfeGesetz - PsychKHG; GBl. 2014, 534) nicht näher bestimmt. Demgegenüber legt die überwiegende Anzahl der entsprechenden Gesetzeswerke der anderen Bundesländer fest, dass von einer gegenwärtigen Gefahr dann auszugehen ist, wenn ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist (so oder ähnlich § 15 Abs. 3 PsychKG BE, § 8 Abs. 3 BbgPsychKG, § 9 Abs. 3 PsychKG BRE, § 9 Abs. 2 HmbPsychKG, § 11 Abs. 2 PsychKG NRW, § 11 Abs. 1 Satz 2 PsychKG RP, § 7 Abs. 2 PsychKG SH, § 7 Abs. 3 ThürPsychKG; weitergehend § 16 NPsychKG iVm § 2 Nr. 1 lit. b Nds. SOG: Gegenwärtig ist danach eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.). Diese Definition steht im Einklang mit dem Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur (vgl. etwa BayObLG FamRZ 1998, 1329, 1330; NJW 2000, 881, 882 und FamRZ 2004, 1064; OLGR Schleswig 2006, 294, 296; Brinkmann/Gräbsch Geschlossene Unterbringung psychisch Kranker § 7 Rn. 7; Marschner in Marschner/Volckert/Lesting Freiheitsentziehung und Unterbringung 5. Aufl. Teil B Rn. 114 f.) und wird den verfassungsrechtlichen Maßgaben gerecht. Denn sie stellt sicher, dass der mit einer Unterbringung verbundene gravierende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen zur präventiven Gefahrenabwehr nur dann erfolgt, wenn ohne den Eingriff ein Schaden für ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen Dritter in ausreichender Weise vorherzusehen ist. Für § 13 Abs. 3 PsychKHG BW gilt insoweit nichts Abweichendes.
12
bb) Den für die Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung notwendigen Grad gibt diese Definition zwar nur mittelbar vor. Auch bei einer Gefahr für höchstrangige Rechtsgüter Dritter ist aber zumindest eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit erforderlich.
13
(1) Der Bundesgerichtshof hat die betreuungsrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB bereits wiederholt zur Unterbringung nach den Landespsychiatriegesetzen abgegrenzt. Er hat dabei jeweils klargestellt, dass die zivilrechtliche im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betroffenen verlangt, sondern insoweit "nur" eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen notwendig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. August 2012 - XII ZB 295/12 - FamRZ 2012, 1705 Rn. 3 und vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Rn. 14 mwN; BGH Beschlüsse vom 16. März 2017 - V ZB 150/16 - NZM 2017, 454 Rn. 12 und vom 21. September 2017 - I ZB 125/16 - FamRZ 2018, 372 Rn. 23). Hinsichtlich der öffentlichrechtlichen Unterbringung wegen Fremdgefährdung hat der Senat die Fortdauer einer langjährigen Unterbringung als verhältnismäßig erachtet, weil von diesem nach wie vor die akute und mithin hochgradige Gefahr für Leben, Leib sowie sexuelle Selbstbestimmung und damit für höchstrangige Rechtsgüter anderer ausging (Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 291/15 - FamRZ 2016, 39 zu § 11 PsychKG NRW).
14
In diesem gegenüber der zivilrechtlichen Unterbringung engeren Gefahrenbegriff spiegelt sich wider, dass die öffentlich-rechtliche Unterbringung nicht dem Erwachsenenschutz, sondern dem Polizeirecht zuzuordnen ist. Eine "gegenwärtige Gefahr" im Sinne des Polizeirechts setzt dem Grundsatz nach voraus , dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist (BVerwG NVwZ 2005, 220, 222). Dem genügt entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung (so wohl auch Coeppicus BtPrax 1999, 130, 131 f.) eine latente und damit nicht in diesem Sinne akute Fremdgefahr bereits im Ansatz nicht (vgl. Lamberz Die Unterbringung psychisch Kranker S. 67). Vielmehr überwiegt in Fällen einer vom Betroffenen lediglich latent ausgehenden Gefahr sein Freiheitsgrundrecht gegenüber den Schutzinteressen der Allgemeinheit. Denn mithilfe des Polizeirechts kann und soll keine absolute Sicherheit vor jeder denkbaren und möglichen Gefahr gewährleistet, sondern in angemessener Weise auf konkrete Gefahrenlagen reagiert werden.
15
Soweit der Gesetzgeber das Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich geschützten Rechtsposition des Einzelnen und dem Schutz der Allgemeinheit - etwa bei der Abschiebungsandrohung nach § 58 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. dazu BVerwGE 159, 296 = ZAR 2018, 117 Rn. 26) - auch ohne akute Gefahr zu Gunsten des Schutzes der Allgemeinheit auflöst, führt dies im Unterbringungsrecht schon wegen des dort im Hinblick auf den Eingriff in das Freiheitsgrundrecht enger als im allgemeinen Polizeirecht auszulegenden Gefahrbegriff zu keinem anderen Ergebnis (vgl. Dodegge/Zimmermann PsychKG NRW § 11 Rn. 8; Marschner in Marschner/Volckert/Lesting Freiheitsentziehung und Unterbringung 5. Aufl. Teil B Rn. 125). Im Übrigen bedürfte eine solche Regelung - unbeschadet ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit im Einzelfall - jedenfalls einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung. Daran fehlt es aber bei § 13 Abs. 3 PsychKHG BW, der gerade eine "gegenwärtige Gefahr" fordert.
16
(2) Für das Erfordernis einer (zumindest) hohen Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung sprechen auch die Bestimmungen des Strafrechts zur Unterbringung und zur Sicherungsverwahrung. So verlangt § 66 b Satz 1 Nr. 2 StGB (ebenso § 7 Abs. 4 Nr. 2 JGG) für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten. Bei im Strafurteil vorbehaltener Sicherungsverwahrung setzt deren Anordnung gemäß § 66 a Abs. 3 Satz 2 StGB (ebenso § 7 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 JGG) voraus, dass vom Täter erhebliche Taten zu erwarten sind. Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (BGH Beschlüsse vom 19. Januar 2017 - 4 StR 595/16 - NStZ-RR 2017, 203, 205 und vom 17. Februar 2016 - 2 StR 545/15 - StV 2016, 720 Rn. 12; Urteil vom 10. Dezember 2014 - 2 StR 170/14 - NStZ 2015, 387). Eine lediglich latente Gefahr und die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reichen jedenfalls nicht aus (MünchKommStGB /van Gemmeren 3. Aufl. § 63 Rn. 62; vgl. auch BGH Urteil vom 18. August 2011 - 3 StR 209/11 - juris Rn. 5). Schließlich ist die für die (anfäng- liche) Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB erforderliche Gefährlichkeit nur bei Vorliegen einer bestimmten Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Begehung von Straftaten, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen, gegeben (BGH Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 4 StR 416/02 - NStZ-RR 2003, 108 f. mwN). Anders liegt es bei der ebenfalls der Vermeidung künftiger Straftaten dienenden , aber nicht unmittelbar in das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten eingreifenden Führungsaufsicht nach § 68 StGB: Für deren Anordnung reicht jedenfalls schon die bloße Wahrscheinlichkeit aus, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig StGB 29. Aufl. § 68 Rn. 6 mwN; dafür, dass insoweit sogar weniger als die Wahrscheinlichkeit ausreicht : MünchKommStGB/Groß 3. Aufl. § 68 Rn. 8 mwN).
17
Wie die öffentlich-rechtliche Unterbringung greifen die strafrechtlichen Instrumente der Unterbringung und der Sicherungsverwahrung zum Schutz der Allgemeinheit in die Freiheitsrechte des Einzelnen ein. Während jedoch im Bereich des Strafrechts bereits eine Rechtsgutverletzung durch den Täter erfolgt sein muss, setzt die öffentlich-rechtliche Unterbringung von ihrer Konzeption her früher an und lässt allein die vom Betroffenen ausgehende Gefahr für die Rechtsgüter Dritter genügen, ohne dass sich diese zwingend schon verwirklicht haben muss. Daraus folgt zum einen, dass es sich um zwei Arten der Gefahrprävention mit rechtssystematisch unterschiedlichen Ausgangspunkten handelt, so dass dem Strafrecht auch bei einem bereits Straffälligen insoweit kein "Vorrang" zukommt. Zum anderen bedingt dies aber auch, dass die Anforderungen an die Gefahrprognose bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung jedenfalls nicht niedriger sein können als im Strafrecht.
18
Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 255 StGB, wonach eine Gefahr für Leib oder Leben im Sinne dieser Norm auch dann als "gegenwärtig" anzusehen sein kann, wenn sie als "Dauergefahr" jederzeit - zu einem ungewissen Zeitpunkt , alsbald oder auch später - in einen Schaden umschlagen kann. Denn diese Auslegung ist ausdrücklich in Anbetracht des Sinns von § 255 StGB erfolgt , bestimmte Fälle der Erpressung wegen der vom Täter gezielt eingesetzten wirklichen oder vermeintlichen Gefährlichkeit der Drohung unter erhöhte Strafe zu stellen (vgl. BGH Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98 - NStZRR 1999, 266, 267).
19
(3) Aus alledem lässt sich allerdings kein fester, für jeden Einzelfall gültiger Wahrscheinlichkeitsgrad der Gefahrverwirklichung - gar im Sinne eines festen Prozentsatzes - ableiten, ab dem eine Gefahr im für eine öffentlichrechtliche Unterbringung erforderlichen Maße "gegenwärtig" ist. Vielmehr ist der Grad der Gefahr in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2017 - XII ZB 342/16 - FamRZ 2017, 1422 Rn. 12; vgl. auch Marschner in Marschner/Volckert/Lesting Freiheitsentziehung und Unterbringung 5. Aufl. Teil B Rn. 124, 129). Denn jeder sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose liegt nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine wechselseitige Beziehung von Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß zu Grunde. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind daher umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der mögliche Schaden ist (BVerwG NVwZ-RR 2013, 435 Rn. 15 f.).
20
Selbst bei - wie hier - drohenden schwerwiegenden Schäden für höchstrangige Rechtsgüter wie etwa Leben, Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung ist eine präventive Freiheitsentziehung zum Nachteil des Betroffenen aber nur dann durch das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt, wenn die Prognose jedenfalls einer hohen Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirkli- chung besteht (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1329, 1330; NJW 2000, 881, 882 und FamRZ 2004, 1064). Dies kommt nicht nur in der in verschiedenen Ländergesetzen verwendeten Definition der "Gegenwärtigkeit" mit den Begriffen "unmittelbar bevorsteht" und "zu erwarten" zum Ausdruck. Es ergibt sich auch aus dem Vergleich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung mit der zivilrechtlichen Unterbringung auf der einen und mit den strafrechtlichen Präventionsinstrumenten auf der anderen Seite. Zudem folgt es aus dem verfassungsrechtlichen Gewicht des mit der Unterbringung verbundenen präventiven Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, für den auch überwiegende Wahrscheinlichkeiten noch keine ausreichende Grundlage darstellen können (vgl. BVerfG FamRZ 2018, 1442 Rn. 109 und BVerfGE 115, 320 = NJW 2006, 1939 Rn. 142 unter Verweis auf § 2 Nr. 1 lit. b Nds. SOG).
21
Mit Blick einerseits auf die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts des Betroffenen und andererseits auf das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven Schutz vor gegenwärtigen Gefahren stellt das Erfordernis einer (zumindest) hohen Wahrscheinlichkeit den für das praktische Leben brauchbaren Grad der Gewissheit vom jederzeitigen Gefahreintritt dar (vgl. OLG Köln OLGR 2004, 74, 75; Brinkmann/Gräbsch Geschlossene Unterbringung psychisch Kranker § 7 Rn. 7; Dodegge/Zimmermann PsychKG NRW § 11 Rn. 12; Zimmermann PsychKHG BW § 13 Rn. 21).
22
(4) Für die vom Tatrichter in eigener Verantwortung zu treffende Gefahrprognose sind insbesondere die Persönlichkeit des Betroffenen, sein früheres Verhalten, sein aktuelles Befinden und seine zu erwartenden Lebensumstände maßgeblich (BayObLG FamRZ 1998, 1329, 1330; NJW 2000, 881, 882; FamRZ 2004, 1064; Marschner in Marschner/Volckert/Lesting Freiheitsentziehung und Unterbringung 5. Aufl. Teil B Rn. 127; Zimmermann PsychKHG BW § 13 Rn. 21). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Prognoseentscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter seiner Entscheidung unzutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt, Verfahrensregeln verletzt, insbesondere entscheidungserhebliche Umstände unberücksichtigt gelassen, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2018 - XII ZB 553/17 - FamRZ 2018, 1192 Rn. 14 und vom 26. Februar 2014 - XII ZB 577/13 - FamRZ 2014, 830 Rn. 17; BGH Beschluss vom 19. Juni 2012 - KVR 15/11 - WM 2013, 1806 Rn. 15 mwN).
23
c) Das ist hier - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht der Fall.
24
Das Landgericht hat bei seiner Prüfung, ob von dem Betroffenen eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 13 Abs. 3 PsychKHG BW ausgeht, keine zu hohen Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Gefahrverwirklichung gestellt. Vielmehr ist es sogar davon ausgegangen, es müsse - lediglich - eine Situation vorliegen, die in überschaubarer Zukunft einen Schadenseintritt wahrscheinlich mache. Im Rahmen seiner Gefahrprognose hat es die vom Betroffenen nach der Haftentlassung gegenüber der Polizei abgegebene Einschätzung seines Rückfallrisikos mit 20 Prozent berücksichtigt und hat sie sachverständig beraten als Beleg dafür gewertet, dass der Betroffene die erforderliche, ihm in langjährigen Therapien vermittelte gedankliche Beschäftigung mit potenziellen Rückfallsituationen vornimmt, um diese frühzeitig zu erkennen und angemessen reagieren zu können. Dies lässt rechtsbeschwerderechtlich relevante Fehler ebenso wenig erkennen wie der aus dem im Unterbringungsverfahren eingeholten sowie aus den bereits während der Haftzeit erstellten kriminalprognostischen Sachverständigengutachten gezogene Schluss des Landgerichts, dass der Betroffene über Behandlungseinsicht und -bereitschaft verfügt.
25
Soweit die Rechtsbeschwerde auf die persönliche Situation des Betroffenen unmittelbar nach der Haftentlassung abhebt, wo es in der Freigängereinrichtung an der notwendigen engmaschigen sozialen und psychologischen Betreuung und an einer Tagesstruktur für den Betroffenen gefehlt haben soll, war dieser Zustand zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung jedenfalls nicht mehr aktuell. Vielmehr hatte der Betroffene die Zusage für eine Aufnahme in der im Führungsaufsichtsbeschluss bezeichneten Einrichtung des Betreuten Wohnens, wo er seinen Wohnsitz nehmen wollte und nach Beendigung der öffentlich -rechtlichen Unterbringung durch den angefochtenen Beschluss des Landgerichts auch genommen hat. Damit waren die in dem kriminalprognostischen Sachverständigengutachten genannten Rahmenbedingungen gegeben, unter denen von einer relativ niedrigen Rückfallgefahr auszugehen ist.
26
Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Landgericht habe rechtlich unzutreffend darauf abgestellt, dass es allein Aufgabe der strafrechtlichen Führungsaufsicht sei, den Betroffenen von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Zwar ist richtig, dass die Führungsaufsicht nicht den gleichen Schutz der Allgemeinheit vor vom Betroffenen ausgehenden Gefahren für die Rechtsgüter Dritter gewährleisten kann wie eine öffentlich-rechtliche Unterbringung. Daher kann bei gegenwärtiger Gefahr im Sinne des § 13 Abs. 3 PsychKHG BW trotz bestehender Führungsaufsicht eine öffentlich-rechtliche Unterbringung geboten sein. Das hat das Landgericht aber nicht verkannt. Vielmehr ist es bei seiner Prognose zu einer lediglich latenten Gefahr und darauf aufbauend in rechtlich beanstandungsfreier Weise zu dem Schluss gelangt, dass dieser durch die ebenfalls der Prävention dienende Führungsaufsicht ausreichend begegnet werden kann.
27
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu- tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 11.09.2018 - 2 XIV 227/18 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 25.09.2018 - 10 T 367/18 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2012 - XII ZB 295/12

bei uns veröffentlicht am 22.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 295/12 vom 22. August 2012 in der Unterbringungssache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedde

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Jan. 2010 - XII ZB 248/09

bei uns veröffentlicht am 13.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 248/09 vom 13. Januar 2010 in der Unterbringungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1 Die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2011 - XII ZB 488/11

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 488/11 vom 14. Dezember 2011 in der Unterbringungssache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2017 - V ZA 10/17

bei uns veröffentlicht am 11.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZA 10/17 vom 11. Mai 2017 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:110517BVZA10.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinne

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2018 - XII ZB 553/17

bei uns veröffentlicht am 09.05.2018

Berichtigt durch Beschluss vom 18. Juli 2018 Fahrner Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 553/17 vom 9. Mai 2018 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2017 - I ZB 125/16

bei uns veröffentlicht am 21.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 125/16 vom 21. September 2017 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren ECLI:DE:BGH:2017:210917BIZB125.16.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - XII ZB 342/16

bei uns veröffentlicht am 31.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 342/16 vom 31. Mai 2017 in der Unterbringungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Zu den Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung einer zivi

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2017 - V ZB 150/16

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 150/16 vom 16. März 2017 in der Zwangsversteigerungssache ECLI:DE:BGH:2017:160317BVZB150.16.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2017 durch die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Brü

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2017 - 4 StR 595/16

bei uns veröffentlicht am 19.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 595/16 vom 19. Januar 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:190117B4STR595.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - 2 StR 545/15

bei uns veröffentlicht am 17.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 545/15 vom 17. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der besonders schweren räuberischen Erpressung ECLI:DE:BGH:2016:170216B2STR545.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2015 - XII ZB 291/15

bei uns veröffentlicht am 23.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB291/15 vom 23. September 2015 in der Unterbringungssache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botu

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2014 - 2 StR 170/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 1 7 0 / 1 4 vom 10. Dezember 2014 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember 2014, an der teilgenommen haben: Vorsitze

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2014 - XII ZB 577/13

bei uns veröffentlicht am 26.02.2014

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, können die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte, soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen;
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und die Beteiligten, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht;
3.
Notare.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Verfahrenshandlungen, die ein nicht vertretungsbefugter Bevollmächtigter bis zu seiner Zurückweisung vorgenommen hat, und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Verfahren über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen und im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Für die Beiordnung eines Notanwaltes gelten die §§ 78b und 78c der Zivilprozessordnung entsprechend.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.

3
1. Die Beiordnung eines Notanwalts setzt voraus, dass eine Partei alle ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Im Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesgerichtshof muss eine Partei insoweit - innerhalb der Rechtsmittelfrist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 24. August 2011 - V ZA 14/11, WuM 2011, 699 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 24. November 2016 - III ZA 22/16 juris Rn. 1; Beschluss vom 27. November 2014 - III ZR 211/14, MDR 2015, 540 Rn. 3; Beschluss vom 18. Dezember 2012 - VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 3 jeweils mwN) - substantiiert darlegen und nachweisen, sich ohne Erfolg zumindest an mehr als vier Rechtsanwälte gewandt zu haben (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2010 - V ZA 27/10, juris Rn. 1; BGH, Beschluss vom 30. April 2015 - III ZR 63/15, juris Rn. 4; Beschluss vom 19. Januar 2011 - IX ZA 2/11, WuM 2011, 323 Rn. 2; Beschluss vom 25. Januar 2007 - IX ZB 186/06, FamRZ 2007, 635 Rn. 2, Beschluss vom 16. Februar 2004 - IV ZR 290/03, NJW-RR 2004, 864).
2
Nach der genannten Vorschrift kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden sowie ihre diesbezüglichen Bemühungen dem Gericht substantiiert dargelegt und nachgewiesen hat (BGH, Beschluss vom 22. August 2011 - IV ZR 77/11, juris Rn. 5, mwN). Derartige Nachweise fehlen hier.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

17
Durch diese Vorschriften wird unter anderem das Grundrecht der Freiheit der Person eingeschränkt (vgl. § 18 UBG BW). Inhalt und Reichweite des freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass dieses eine der Bedeutung des Grundrechtes angemessene Wirkung entfaltet (BVerfG NJW 1998, 1774).
3
Dass das Beschwerdegericht vorliegend aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen eine Eigengefährdung des Betroffenen i.S.d. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB angenommen hat, ist aus Rechtsgründen vertretbar. Wie der Senat bereits entschieden hat, verlangt die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betroffenen. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben. Diese setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betroffenen voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Erforderlich sind allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Rn. 14; s. auch Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - XII ZB 47/11 - FamRZ 2011, 1141 Rn. 12).
14
Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung verlangt die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten (BT-Drucks. 11/4528 S. 146; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 23; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 BGB Rdn. 13). Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 Rdn. 91). Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist (BT-Drucks. 11/4528 S. 146; BayObLG FamRZ 1993, 998; OLG München BtPrax 2006, 105; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1906 Rdn. 16; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 23). Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus (Bamberger/Roth/ Müller BGB 2. Aufl. § 1906 Rdn. 9). Die Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB muss zudem erforderlich sein (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 867). Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht (MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1906 Rdn. 18; Staudinger/ Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 25).
12
c) Entsprechendes gilt für die betreuungsrechtliche Unterbringung des Schuldners. Im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung setzt die Unterbringung nach dem Betreuungsrecht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) keine akute, unmittelbare bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 118/10, NJW-RR 2010, 1370 Rn. 10). Zwar darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB). Das Beschwerdegericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Schuldner einer solchen Betreuung widersetzen würde und ob ein solcher Entschluss auf einer freien Willensbildung beruhte. Es wäre daher gehalten gewesen, zunächst das Betreuungsgericht einzuschalten, gegebenenfalls gleichzeitig mit der Befassung der für die Unterbringung nach § 12 PsychKG NRW zuständigen Stellen.
23
bb) Mit dieser Begründung kann die Möglichkeit einer betreuungsrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht ausgeschlossen werden. Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer , die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, (nur) zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Eine solche Unterbringung setzt im Gegensatz zu einer öffentlichrechtlichen Unterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist vielmehr nur eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen Eigenschädigung nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 336 Rn. 15). Die Rechtsbeschwerde macht zutreffend geltend, dass nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden kann, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB291/15
vom
23. September 2015
in der Unterbringungssache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen auf Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Juni 2015 wird abgelehnt.

Gründe:

1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Betroffenen hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 Satz 1 ZPO). Durchgreifende Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Betroffenen gegen die Anordnung der Fortdauer seiner öffentlich-rechtlichen Unterbringung um weitere zwei Jahre zu Recht zurückgewiesen und dabei zutreffend das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PsychKG NRW angenommen.
2
Die weitere Unterbringung ist auch in Anbetracht des Umstands, dass der Betroffene bereits seit dem Jahr 1995 wegen Fremdgefährdung öffentlichrechtlich untergebracht ist, verhältnismäßig. Nach den tatrichterlichen Feststellungen geht von dem Betroffenen nach wie vor die akute und damit hochgradige Gefahr für Leben, Leib sowie sexuelle Selbstbestimmung und mithin höchstrangige Rechtsgüter anderer aus. Er hat vor Strafhaft und Unterbringung schwerste Gewalt- und Sexualdelikte begangen und dabei eine hohe Rückfall- frequenz an den Tag gelegt. Diese Taten hatten keinerlei Beziehungsbezug, sondern trafen willkürlich ausgesuchte, ihm gänzlich fremde Opfer. Der Betroffene hat weiterhin Gewaltphantasien sowie sexuell sadistische Phantasien. Außerhalb des geschlossenen Bereichs würde sich seine - insbesondere sexuelle - Gewaltbereitschaft steigern und es wäre jederzeit damit zu rechnen, dass er Gewalttaten, insbesondere sexuelle Gewalttaten, ausführt. Bei Anlegung des rechtlichen Maßstabs, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit einer lang andauernden Unterbringung oder Sicherungsverwahrung entwickelt hat (vgl. etwa BVerfG Beschlüsse vom 26. November 2014 - 2 BvR 713/12 - juris Rn. 15 ff. und vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 - juris Rn. 33 ff. mwN; vgl. auch BVerfG Beschluss vom 14. März 2014 - 2 BvR 2168/13 - juris Rn. 11 f. mwN), ist die Fortdauer der mit der Unterbringung verbundenen Freiheitsentziehung - auch unter Berücksichtigung des aufgrund der Dauer der bereits verstrichenen Unterbringungszeit ganz erheblichen Gewichts des Freiheitsanspruchs des Betroffenen - im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung verhältnismäßig. Auch der hier nachhaltige Einfluss des Freiheitsanspruchs führt zu keiner anderen Beurteilung, weil es mit Blick auf die Art der von dem Betroffenen drohenden Taten sowie deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar ist, den Betroffenen in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfG Beschluss vom 26. November 2014 - 2 BvR 713/12 - juris Rn. 18 mwN). Angesichts der vom Betroffenen in Freiheit ausgehenden hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten bleibt vorliegend die Fortdauer seiner Unterbringung als einzige Entscheidungsalternative.
Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.05.2015 - 98 XIV 2304 L -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.06.2015 - 25 T 393/15 -

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 595/16
vom
19. Januar 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:190117B4STR595.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Geschehen bei den Taten vom 3. September 2015 (Ziffer II. 1 der Urteilsgründe) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (Ziffer II. 2 der Urteilsgründe ) aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte befand sich in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 6. Januar 2016 insgesamt 29-mal zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei wurde bei ihm eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert.
4
Am 3. September 2015 gegen 16.35 Uhr überstieg der Beschuldigte in S. an einem Mehrparteienwohnhaus die Brüstung eines Außenbalkons, der sich auf Höhe des Erdgeschosses befand, und entwendete eine dort abgelegte Kunststofftasche, die mit leeren Pfandflaschen aus Glas und Kunststoff gefüllt war. Anschließend lief er torkelnd auf einem Fußweg entlang und warf die Kunststofftasche über seine Schulter. Dabei verlor er mehrere Flaschen. Als ihm der Geschädigte J. entgegenkam, der mit einem elektrischbetriebenen Rollstuhl auf dem Radweg fuhr, schlug er diesem die Kunststofftasche gegen den Kopf. Was ihn hierzu bewog, konnte nicht festgestellt werden. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag eine blutende Platzwunde am Kopf. Die daraufhin alarmierten Polizeibeamten trafen den Beschuldigten gegen 16.50 Uhr in einer Einfahrt auf dem Boden sitzend an. Als der Beschuldigte von dem Polizeibeamten PHK B. nach seinem Namen gefragt und aufgefordert wurde, sich auszu- weisen, entgegnete er: „Den kriegt ihr nicht“. Anschließendbeleidigte er PHK B. und weitere Polizeibeamte, die in der Nähe standen. Als PHK B. dem Beschuldigten daraufhin ankündigte, dass er ihn nun nach Ausweisdokumenten durchsuchen werde, spuckte der Beschuldigte in seine Richtung, traf ihn jedoch nicht. In der Folge drückte PHK B. den Kopf und den Oberkörper des Beschuldigten nach unten, um ein weiteres Spucken zu verhindern und eine Durchsuchung zu ermöglichen. Der Beschuldigte versuchte, sich aufzubäumen und sich durch gleichzeitiges Schlagen und Treten aus der Fixierung zu befreien. Daraufhin wurden ihm die Arme auf dem Rücken gefesselt. Während der anschließenden Durchsuchung nach Ausweispapieren trat und schlug der Beschuldigte aus sitzender Position um sich. Dass dabei einer der eingesetzten Polizeibeamten getroffen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Bei der Verbringung in das Polizeifahrzeug versuchte der Beschuldigte nochmals, PHK B. zu treten, ohne ihn zu treffen. Eine dem Beschuldigten um 18.17 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Alkoholkonzentration von 1,73 Promille auf.
5
2. Das Landgericht hat den Schlag des Beschuldigten mit der gefüllten Kunststofftasche als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und das Verhalten gegenüber den Polizeibeamten als versuchte Körperverletzung (§ 223 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 22 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB gewertet. Von der Verfolgung der Beleidigungen hat es nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Die Strafkammer ist im Anschluss an die Ausführungen des angehörten Sachverständigen davon ausgegangen, dass bei dem Beschuldigten eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliege, die seine gesamte Persönlichkeit überformt habe. Er sei deshalb nicht „zu rationalem Kognitionsvermögen in der Lage“, weise anhaltende Störungen der Ich-Grenzensowie der Ich-Funktionen auf und habe auch Defizite in Bezug auf moralisch-ethische Normvorstellungen. Darüber hinaus liege eine intellektuelle Grenzbegabung vor. Erschwerend komme eine anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung zum Tragen. Die Psychose habe sich bereits im jungen Erwachsenenalter entwickelt und sei mit einem „episodisch auftretenden Suchtmittelmissbrauch“ gepaart (UA 18). Zur Tatzeit seien die psychopathologischen Phänomene durch einen mittelschweren Alkoholrausch verstärkt worden. Die Kombination all dieser Elemente berechtige in der Summe zu der Annahme einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (UA 19). Es sei davon auszugehen, dass bei dem Beschuldigten deshalb die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen seien (UA 20). Von ihm seien infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden. Die gefährliche Körperverletzung und die versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte seien zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnen.

II.


6
Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, weil die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten und die daran anknüpfende Kriminalprognose revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht standhalten.
7
1. Die Wertung des Landgerichts, der Beschuldigte habe an einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis sowie an einer anankastischen und einer schizotypen Persönlichkeitsstörung gelitten, ist nicht ausreichend belegt.
8
a) Beschränkt sich das Tatgericht – wie hier – darauf, der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit zu folgen, muss es die hierfür wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 23. November 2016 – 2 StR 108/16, Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).
9
b) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die Strafkammer gibt darin lediglich die Diagnosen des Sachverständigen wieder. Welche Anknüpfungsund Befundtatsachen der Sachverständige seinen Diagnosen zugrunde gelegt hat, wird nicht mitgeteilt. Der Umstand, dass sich der Beschuldigte vielfach in psychiatrischen Krankenhäusern zur Behandlung befand und ihm dort die Diagnose einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gestellt wurde, deutet zwar auf eine gravierende Erkrankung in diesem Bereich hin, vermag aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu erset- zen. Soweit in Bezug auf die „normative Einsichtsfähigkeit“ des Beschuldigten davon die Rede ist, dass er „vielfach unter Beweis gestellt habe, dass er diesbezüglich sehr schlecht ausgestattet sei“, bei Maßnahmen der Wiedereingliederungshilfe „krankheitsbedingt immer wieder dekompensiert“ sei und „mitunter ein aggressives Verhalten gezeigt“ (UA 4 und 18) habe, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darstellung der in Bezug genommenen Vorfälle und deren Beleg.
10
2. Die Urteilsgründe lassen auch nicht deutlich werden, dass der die Annahme von Schuldunfähigkeit begründende Zustand auf einem länger andauernden Defekt beruht.
11
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – 2 StR 358/14, BGHR StGB § 63 Zustand 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Un- terbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen, länger andauernden Defekt, sondern erst durch aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 430/06, NStZ-RR 2007, 73; Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339 mwN). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt aber – entsprechend obiger Rechtsprechung – auch dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 4 StR 161/16, Rn. 11; Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341 f., Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 [Ls.], jew. mwN), wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374).
12
b) Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Die Strafkammer geht – wiederum dem Sachverständigen folgend – davon aus, dass bei dem Beschuldigten bei der Begehung der Anlasstaten eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen habe. Hierzu habe auch der festgestellte mittelschwere Rausch beigetragen. Eine durch einen Rausch mit- verursachte tiefgreifende Bewusstseinsstörung ist aber in der Regel kein Zustand von längerer Dauer. Zur Einordnung der zeitstabilen Defekte (hebephrene Schizophrenie, anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung) unter ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10, Rn. 5 [hebephrene Schizophrenie als krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB]), zu deren Auswirkung auf die Schuldfähigkeit unabhängig von der akuten Alkoholisierung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1991 – 3 StR 69/91, NStZ 1991, 527, 528; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352), zu eventuellen Interdependenzen und zu einer möglichen Alkoholsucht des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
13
3. Auch die Gefährlichkeitsprognose genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
14
a) Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 4 StR 277/15, NStZ-RR 2016, 77 [Ls]; Urteil vom 10. Dezember 2014 – 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73 mwN).
15
b) Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen die Strafkammer auch insoweit gefolgt ist, werde der Beschuldigte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut straffällig werden, unter Umständen auch erheblich. Bei Impulsdurchbrüchen sei mit erheblichen Straftaten zu rechnen, etwa mit Taten vergleichbar der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten J. . Diesen Darlegungen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Bedingungen mit derartigen Impulsdurchbrüchen zu rechnen und wie groß die Gefahr einer Wiederholung in der Zukunft ist. Soweit die Strafkammer abschließend ausführt, dass für eine hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit spreche, dass dem Übergriff auf den Geschädigten J. kein Streit vorausgegangen und auch ein sonstiger Anlass für diese Tat nicht erkennbar sei, fehlt dafür jeglicher Beleg. Schließlich hätte die Strafkammer auch in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Beschuldigte , als er am 14. Juli 2015 bei einem Ladendiebstahl gestellt wurde, zwar einen Fluchtversuch unternahm, dabei und danach aber keine Gewalt mehr anwandte.
16
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den rechtswidrigen Anlasstaten vom 3. September 2015 (äußeres Tatgeschehen) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (objektives Geschehen) können bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die die Einweisung des Angeklagten in eine psychiatrische Anstalt gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
17
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf das Folgende hin:
18
a) Nach der gesetzlichen Konzeption kann die Anwendung des § 20 StGB nicht auf beide Alternativen gestützt werden. Erst wenn sich ergeben hat, dass der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war, kann sich die Frage nach seiner Steuerungsfähigkeit stellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168; Kaspar in SSW-StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 27 mwN).
19
b) Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen , dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind. Bei der Beurteilung der versuchten Körperverletzung wird zu bedenken sein, dass wenig erfolgversprechend angelegte und deshalb leicht zu vereitelnde Versuche nur eine eingeschränkte Bedrohung für die betroffenen Rechtsgüter darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 20).
Sost-Scheible Franke Bender
Quentin Feilcke
12
2. a) Voraussetzung der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist weiter eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die schwerwiegende Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens sowie der von ihm begangenen Anlasstat zu treffen. Das Tatgericht ist dabei auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise in den Urteilsgründen darzustellen (BGH, Beschluss vom 16. September 2014 – 3 StR 372/14).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 7 0 / 1 4
vom
10. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Dezember 2013 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkt. Das - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der 36 Jahre alte Angeklagte leidet seit etwa 1996 an einer mittlerweile chronisch gewordenen schweren Psychose aus den schizophrenen Formen- kreis gemäß ICD-10 F 20.0. Typische Symptome seiner Erkrankung sind ein paranoides Wahnerleben und Störungen der Impulskontrolle.
4
a) Als Folge seines Wahnerlebens bedrohte er im Januar 2001 einen Mitbewohner im Obdachlosenheim mit dem Messer und trat im Februar 2001 einer Frau in der Straßenbahn gegen den Oberschenkel. Am 3. November 2010 wurde er wegen Raubs in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass der Angeklagte im Sommer 2009 einer Frau unvermittelt eine Plastiktüte über den Kopf stülpte, ihr mit einer Hand den Mund zuhielt und mit der anderen die Schulter umklammerte. Nach einem Gerangel, bei dem beide einen Abhang hinunter stürzten, gelang es dem Angeklagten, wie von vornherein beabsichtigt, der Geschädigten die Tasche zu entreißen. Zwar konnte die gutachterlich beratene Strafkammer keine Anhaltspunkte für eine akute schizophrene Episode zur Tatzeit feststellen. Aufgrund der bestehenden schizophrenen Grunderkrankung des Angeklagten konnte sie aber auch nicht ausschließen, dass seine Fähigkeit , das "Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln", infolge seiner Erkrankung zur Tatzeit erheblich vermindert war.
5
Nach der Entlassung aus der Strafhaft im Dezember 2012 war der Angeklagte obdach- und mittellos. Am 8. sowie am 11. Februar 2013 entwendete er in einem Ladengeschäft einige geringwertige Lebensmittel. Von Mitarbeitern darauf angesprochen gab er an, bezahlt zu haben bzw. seine Firma habe bereits bezahlt. Er ließ sich durchsuchen und gab die Waren zurück, reagierte aber im Übrigen laut und aggressiv.
6
b) Zu den Anlasstaten hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen :
7
Am 26. Februar 2013 betrat der Angeklagte ein Schuhgeschäft und gab an, er wolle ein für ihn hinterlegtes und bereits bezahltes Paar Schuhe abholen. Nachdem er daraufhin gewiesen wurde, dass für ihn nichts hinterlegt worden sei, sah er sich in dem Geschäft um. Er ließ sich schließlich ein Paar Schuhe zur Anprobe aushändigen, entfernte das Sicherungsetikett und zog sie an. Einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, der ihn bat, die Schuhe wieder auszuziehen , begegnete der Angeklagte laut und aggressiv. Als der Mitarbeiter versuchte , ihm Handschellen anzulegen, kam es zu einem Gerangel, bei dem niemand verletzt wurde. Die hinzugerufenen Polizeibeamten beschimpfte der Angeklagte lautstark (Fall 1).
8
Am 5. März 2013 hatte der Angeklagte die Wahrnehmung, eine ihm unbekannte Frau A. habe ihm gegenüber erklärt, sie sei die Eigentümerin einer Filiale der Firma K. in M. und er könne sich dort nehmen, was er wolle. Der Angeklagte begab sich daraufhin in die Filiale und nahm ein Paar Sportschuhe an sich. Er verließ das Geschäft, ohne die Schuhe zu bezahlen. Gegenüber der Kassiererin gab er an, die Schuhe seien ihm von der Filialleiterin geschenkt worden (Fall 2).
9
Am 6. März 2013 betrat er die Filiale erneut und steckte verschiedene Waren im Gesamtwert von rund 50 Euro in eine von ihm mitgeführte Plastiktüte. Nachdem er den Kassenbereich durchschritten hatte, sprach ihn ein Mitarbeiter an. Der Angeklagte wies wiederum daraufhin hin, dass es sich um Geschenke der Filialleiterin handele. Im Rahmen der folgenden polizeilichen Maßnahmen reagierte der Angeklagte zeitweise aggressiv und schrie die Beamten an (Fall

3).

10
2. Das Landgericht hat die Taten als Diebstahl (Fälle 2 und 3) bzw. versuchten Diebstahl (Fall 1) gewertet. Es hat angenommen, der Angeklagte habe bei Tatbegehung jeweils im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) gehandelt , da seine Einsichtsfähigkeit infolge seiner Erkrankung aufgehoben gewesen sei.
11
3. Eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat das Landgericht abgelehnt. Gestützt auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ist das Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass bei dem dauerhaft an einer schizophrenen Psychose erkrankten Angeklagten eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten nicht bestehe.
12
Zwar seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Diebstahlstaten wie die festgestellten zu erwarten. Diese seien jedoch nicht als erheblich im Sinne des § 63 StGB einzustufen.
13
Für darüber hinaus gehende erhebliche Taten, insbesondere Gewalttaten , könne dagegen die erforderliche Gefahrenprognose nicht gestellt werden. Zwar sei der Angeklagte krankheitsbedingt im Jahr 2001 mit Gewalttaten in Erscheinung getreten. Seit nunmehr über zwölf Jahren seien aber keine weiteren vergleichbaren Übergriffe erfolgt. In Hinblick auf den Handtaschenraub im Jahr 2009 sei nicht festzustellen, dass die psychische Erkrankung des Angeklagten für die - auch normalpsychologisch erklärbare - Tat (mit-)ursächlich geworden wäre. Zudem sei die Fähigkeit des Angeklagten zu derart komplexen Tathandlungen inzwischen krankheitsbedingt sehr eingeschränkt und Anhaltspunkte für eine Gefahrensteigerung durch eine Verschärfung der Gedankenwelt bei dem Angeklagten seien nicht ersichtlich. Zwar habe der Angeklagte in den letzten Jahren lange Zeit in eng strukturierten und gesicherten Verhältnissen gelebt. Der Angeklagte sei aber auch außerhalb solcher geschützter Verhältnisse und unter psychotischem Erleben - selbst in sehr konfliktbeladenen Situationen - lediglich verbal aggressiv geworden bzw. habe laut geschrien. Zu zielgerichteten Tätlichkeiten gegen eine Person sei es nicht gekommen.

II.


14
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
15
1. Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Angeklagten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist im vorliegenden Fall zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, juris Rn. 14 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 24).
16
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigende Gefährlichkeitsprognose verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
17
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13; BGH, Beschluss vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, jeweils mwN). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 4 StR 348/12, juris Rn. 10; Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Senat, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
18
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht bei seiner Entscheidung beachtet.
19
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Auffassung des Landgerichts zu folgen ist, der Tritt gegen den Oberschenkel im Jahre 2001 sei für sich genommen nicht als Tat zumindest mittlerer Kriminalität zu bewerten (UA S. 48). Denn das Landgericht ist mit rechtsfehlerfreien Erwägungen davon ausgegangen , dass bei dem Angeklagten keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die künftige Begehung vergleichbarer Gewaltdelikte besteht.
20
Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger solcher Straftaten (vgl. Senat, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November1999 - 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338). Da der Angeklagte wiederholt auch in sehr problematischen Verhältnissen wie etwa in Obdachlosenheimen oder in Notschlafstellen gelebt und auch in konfliktbeladenen Situationen (wie nach Entdecken seiner Diebstahlstaten) keine Person gezielt körperlich angegriffen hat, ist es nicht zu beanstanden, dass das Gericht unter Abwägung aller Umstände davon ausgegangen ist, dass krankheitsbedingte tätliche Übergriffe seitens des Angeklagten künftig lediglich "möglich" seien. Damit feh- len Feststellungen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades, denn eine lediglich latente Gefahr reicht für die Annahme einer Wahrscheinlichkeit (höheren Grades) nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147; Beschluss vom 11. Januar 2011 - 5 StR 547/10; Senat, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241).
21
Soweit das Landgericht die von dem Angeklagten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu erwartenden Eigentumsdelikte für nicht ausreichend erachtet hat, um eine Unterbringungsanordnung zu rechtfertigen, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
5
a) Wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) können nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in dem Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1977 - 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248; Urteil vom 15. August 2007 - 2 StR 309/07, NStZ 2008, 210, 212). Auch muss aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass der Täter infolge seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 1 StR 493/04, NStZRR 2005, 72, 73).

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird.

(2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

12
aa) Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus. Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen. Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten voraus,so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus (Senatsbeschlüsse vom 18. Mai 2011 - XII ZB 47/11 - FamRZ 2011, 1141 Rn. 12 und vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Rn. 14 mwN).
14
Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (Senatsbeschluss vom 8. November 2017 - XII ZB 90/17 - FamRZ 2018, 206 Rn. 13 mwN).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 60jährige Betroffene leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtig leichter Episode mit somatischem Syndrom. Ihr geschiedener Ehemann betreibt die Teilungsversteigerung eines im gemeinsamen Eigentum beider stehenden, mit einem Doppelhaus bebauten Grundstücks, dessen eine Hälfte die Betroffene bewohnt, während die andere Doppelhaushälfte leer steht. Den hiergegen gerichteten Antrag der Betroffenen auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 765 a ZPO wies das Amtsgericht als unbegründet zurück. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens angenommen, dass die Betroffene wegen einer psychischen Erkrankung im Hinblick auf das Teilungsversteigerungsverfahren nicht prozessfähig sei, und die Sachentscheidung zurückgestellt, bis das Verfahren durch einen Betreuer aufgenommen sei. Zugleich hat es die Einleitung des Betreuungsverfahrens angeregt.

2

Das Notariat - Betreuungsgericht - hat daraufhin für die Betroffene eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vertretung in dem Teilungsversteigerungsverfahren und in den damit im Zusammenhang stehenden Beschwerdeverfahren angeordnet und die Beteiligte zu 2 zur Berufsbetreuerin bestellt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

4

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Betroffene, die ihre psychische Erkrankung nicht in Abrede stelle, sei unbeirrbar darauf fixiert, im noch anhängigen familiengerichtlichen Verfahren einen hohen Ausgleichsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann sowie die Aufhebung des aus ihrer Sicht unberechtigten Teilungsversteigerungsverfahrens zu erreichen. Dabei sei sie nicht mehr in der Lage, zwischen den einzelnen Verfahren zu unterscheiden, und allein von dem Gedanken beseelt, ihrem geschiedenen Ehemann unredliches und schikanöses Verhalten nachzuweisen. Sie habe sich auch nicht damit auseinanderzusetzen vermocht, dass es unabhängig von dem Konflikt mit dem geschiedenen Ehemann im Betreuungsverfahren allein darum gehe, ihr hilfreich zur Seite zu stehen. Sie sehe in jeder Maßnahme, die nicht in eine unmittelbare Beendigung des Teilungsversteigerungsverfahrens münde, eine weitere Beeinträchtigung bzw. Demütigung. Damit im Einklang stehe auch der Umstand, dass sie nach eigenen Angaben bislang fünf Rechtsanwälte beauftragt, das Mandat aber wegen unzureichender Unterstützung und Wahrung ihrer Interessen wieder entzogen habe. Zwar habe sich eine wahnhafte Störung oder affektive Psychose, wie vom Gutachter im Teilungsversteigerungsverfahren angenommen, nicht sicher erhärten lassen, jedoch eine rezidivierende depressive Störung mit somatischem Syndrom.

5

Der Betreuung stehe auch nicht entgegen, dass diese in erster Linie dem Zweck diene, das Teilungsversteigerungsverfahren weiterführen zu können. Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gebiete es, der Partei eines gerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit einzuräumen, ihre Forderung auch gegen eine prozessunfähige Partei durchzusetzen. Um die erforderliche ordnungsgemäße Vertretung der prozessunfähigen Partei im Prozess zu gewährleisten, bedürfe es der Bestellung eines Betreuers. Andernfalls befände sich das Teilungsversteigerungsverfahren in einem nicht hinnehmbaren Schwebezustand. Eine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Betroffenen sei im Zusammenhang mit der Teilungsversteigerung nicht mehr gegeben; insoweit sei ihr Wille unfrei.

6

2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

7

a) Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer, wenn ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann.

8

Nach den getroffenen Feststellungen ist die Betroffene nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten in Bezug auf das Teilungsversteigerungsverfahren selbst zu besorgen, und bedarf insoweit der Betreuung.

9

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hängt der Betreuungsbedarf nicht davon ab, ob Prozessunfähigkeit für das Teilungsversteigerungsverfahren angenommen werden kann. Denn selbst wenn die von der Betroffenen in dem Verfahren abgegebenen Erklärungen als wirksam erachtet werden müssten, ist ihr Denken diesbezüglich eingeengt und bedarf deshalb der Unterstützung durch einen Betreuer. Die Betreuerbestellung dient nämlich nicht nur der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, der es gebietet, dem Prozessgegner die Möglichkeit einzuräumen, seine Ansprüche auch gegen eine prozessunfähige Partei durchzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10 - FamRZ 2011, 465 Rn. 11 mwN), sondern auch dazu, der Betroffenen bei der Stellung eigener Schutzanträge zur Seite zu stehen.

10

b) Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer allerdings nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 1 a BGB).

11

aa) Ob der Betroffene in der Lage ist, einen freien Willen hinsichtlich der Einrichtung der Betreuung zu bilden, bedarf einer eigenen tatrichterlichen Prüfung. Denn die Bestellung eines Betreuers gegen den freien Willen des Betroffenen verletzt sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 526/10 - FamRZ 2011, 630 Rn. 4; BVerfG FamRZ 2010, 1624 Rn. 43).

12

Die Prüfung, ob ein freier Wille entgegensteht, ist auch dann vorzunehmen, wenn die Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2012 - XII ZB 502/11 - FamRZ 2012, 869 Rn. 19). Denn jeder hat das Recht, sein Leben nach seinen frei gebildeten Vorstellungen zu gestalten, soweit nicht Rechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter betroffen sind (Art. 2 Abs. 1 GG). Ist Letzteres nicht der Fall, hat der Staat nicht das Recht, den zur freien Willensbestimmung fähigen Betroffenen zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen. Eine Betreuerbestellung gegen den freien Willen des Betroffenen stellt einen Eingriff in die Würde des Betroffenen dar, der zu unterlassen oder zu beseitigen ist (BT-Drucks. 15/2494 S. 28).

13

bb) Der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB ist, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 526/10 - FamRZ 2011, 630 Rn. 7), im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln.

14

Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einem Gebrechen im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Erforderlich ist sein Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss dabei Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können.

15

Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 526/10 - FamRZ 2011, 630 Rn. 8).

16

Handlungsfähigkeit als weitere Voraussetzung der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn der Betroffene imstande ist, nach der gewonnenen Erkenntnis zu handeln, also die sich daraus ergebenden Schlüsse in Bezug auf die Einrichtung einer Betreuung umzusetzen.

17

cc) Den krankheitsbedingten Mangel des freien Willens hat das sachverständig beratene Gericht festzustellen. Die tatrichterliche Beurteilung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat.

18

dd) Rechtserhebliche Mängel der vorbezeichneten Art liegen hier nicht vor.

19

Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, ihren Willen, was das Teilungsversteigerungsverfahren betrifft, frei zu bilden. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung könne sie zwischen den einzelnen Verfahren nicht mehr unterscheiden, sondern sehe in jeder Maßnahme, die nicht in eine unmittelbare Beendigung des Teilungsversteigerungsverfahrens münde, eine weitere Beeinträchtigung bzw. Demütigung.

20

Damit fehlt es, selbst wenn die Betroffene imstande sein sollte, Grund, Bedeutung und Tragweite der Betreuung intellektuell zu erfassen, jedenfalls an ihrer Handlungsfähigkeit als weitere Voraussetzung der freien Willensbestimmung. Denn nach den getroffenen Feststellungen vermag sich die Betroffene nicht damit auseinanderzusetzen, dass es im Betreuungsverfahren allein darum geht, ihr hilfreich zur Seite zu stehen. Das Landgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die Betroffene nicht imstande ist, die sich aus einer möglichen Einsicht ergebenden Schlüsse in Bezug auf die Einrichtung einer Betreuung umzusetzen und ihr Wille deshalb nicht nur in Bezug auf das Teilungsversteigerungsverfahren als solches, sondern auch in Bezug auf die Einrichtung der Betreuung unfrei ist.

Dose                               Weber-Monecke                     Schilling

           Nedden-Boeger                                 Guhling

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.