Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2007 - XII ZB 26/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob der Kläger der (nach Vollbeendigung) nicht mehr existenten beklagten GmbH Kosten aus einem Verfahren vor dem Landgericht zu erstatten hat.
- 2
- Das Landgericht hat die gegen die Beklagte gerichtete Zahlungsklage, die am 14. Februar 2003 bei Gericht eingegangen und am 25. März 2003 zugestellt worden ist, rechtskräftig als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
- 3
- Auf Antrag des für die Beklagte auftretenden Prozessbevollmächtigten hat das Landgericht die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 2.041,40 € festgesetzt; die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
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- Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
- 5
- 1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, hier liege kein Fall vor, in dem ein Verfahren gegen eine Partei geführt worden sei, die nicht existiere. Vielmehr habe die beklagte GmbH tatsächlich existiert und sei deshalb rechts- und parteifähig gewesen. Zwar habe die Beklagte diese Parteifähigkeit verloren, weil sie am 23. April 2003 im Handelsregister gelöscht worden sei. Eine aufgelöste und gelöschte Gesellschaft könne aber, wenn sich noch Vermögensgegenstände finden sollten, ihre Existenz wiedererlangen und beispielsweise mit der Behauptung , ihr stehe noch ein Anspruch zu, einen Aktivprozess führen, in dem sie als parteifähig gelte. Die Kostenfestsetzung habe hier zugunsten der gelöschten Beklagten zu erfolgen, weil die Kostengrundentscheidung in einem Verfahren ergangen sei, in dem die beklagte GmbH als Partei im Rubrum aufgeführt sei. Die Beklagte - und nicht etwa eine hinter ihr stehende Person - sei deshalb Gläubigerin des Kostenerstattungsanspruchs.
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- Die Beklagte sei im Kostenfestsetzungsverfahren auch ordnungsgemäß vertreten gewesen. Der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten habe die zu den Akten gereichte Prozessvollmacht am 8. April 2003 unterzeichnet, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte noch nicht im Handelsregister gelöscht gewe- sen sei. Diese Vollmacht wirke in das Kostenfestsetzungsverfahren fort, ohne dass zur Vertretung der Beklagten nunmehr ein Nachtragsliquidator bestellt werden müsse.
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- 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
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- Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist davon auszugehen, dass die vermögenslose Beklagte nach Rechtshängigkeit der Klage am 23. April 2003 im Handelsregister gelöscht worden ist. Dadurch hat die beklagte GmbH ihre Parteifähigkeit verloren. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die bei Zustellung der Klageschrift am 25. März 2003 noch existente Beklagte schon mit Eintritt der Rechtshängigkeit einen prozessualen - durch eine der Beklagten günstige Kostengrundentscheidung bedingten - Kostenerstattungsanspruch erlangt hat (vgl. BGH Urteile vom 7. Oktober 1982 - III ZR 148/81 - NJW 1983, 284 und vom 21. April 1988 - IX ZR 191/87 - NJW 1988, 3204, 3205). Denn bei der Beurteilung der - in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden - Parteifähigkeit bleibt der aufschiebend bedingte Kostenerstattungsanspruch außer Betracht (vgl. BGHZ 74, 212, 213; BGH Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80 - NJW 1982, 238, 239).
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- a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nicht oder nicht mehr existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (allg. M.; Senatsbeschluss vom 12. Mai 2004 - XII ZB 226/03 - NJW-RR 2004, 1505, 1506; BGHZ 24, 91, 94; 74, 212, 215; BGH Beschluss vom 13. Juli 1993 - III ZB 17/93 - NJW 1993, 2943, 2944). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann.
- 10
- b) Umstritten ist indessen, ob die Existenz der im Rechtsstreit insoweit als begrenzt parteifähig angesehenen Partei auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren fingiert werden kann, wenn die Klage wegen fehlender Parteifähigkeit des Beklagten als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind.
- 11
- aa) Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung gilt die im Prozess fingierte begrenzte Parteifähigkeit der nicht existenten Partei auch für das sich anschließende Kostenfestsetzungsverfahren und berechtigt die nicht existente Partei, einen Antrag auf Kostenfestsetzung zu stellen; dessen Gegenstand sind die Aufwendungen, die dem Dritten, der für die nicht existente Partei in einem für zulässig erachteten Verfahren tätig wurde, entstanden sind (Senatsbeschluss vom 12. Mai 2004 - XII ZB 226/03 - NJW-RR 2004, 1505, 1506; OLG Hamburg MDR 1976, 845; SchlHOLG JurBüro 1978, 1574; OLG Karlsruhe Beschluss vom 17. August 1978 - 13 W 122/78 - Juris; KG AnwBl. BE 1995 300 (LS); OLGR Saarbrücken 2002, 259; OLGR Stuttgart 2005, 525).
- 12
- Uneinigkeit besteht allerdings darüber, zu wessen Gunsten die Kostenfestsetzung verlangt werden kann.
- 13
- Nach einer Ansicht kann die nicht existente Partei eine Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten verlangen (OLGR Saarbrücken 2002, 259; OLG Koblenz Beschluss vom 15. Mai 2001 - 14 W 332/01 - juris -; KG AnwBl. BE 1995, 300 (LS)). Da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch seine Grundlage ausschließlich in dem durch den Rechtsstreit begründeten Prozessrechtsverhältnis der Parteien habe, müsse der nicht existente Beklagte, der sich im Prozess gegen die Klage mit dem Einwand seiner fehlenden Parteifähigkeit zur Wehr setzen dürfe, auch berechtigt sein, die ihm in der Kostengrundentscheidung zugesprochene Kostenerstattung im dafür vorgesehenen Kostenfestsetzungsverfah- ren zu seinen Gunsten geltend zu machen. Der nicht existente Beklagte sei insoweit Auftraggeber im gebührenrechtlichen Sinn.
- 14
- Demgegenüber wird zum Teil vertreten, die nicht existente Partei könne nur Kostenerstattung zugunsten derjenigen (existenten) natürlichen oder juristischen Person beantragen, die für die nicht existente Partei gehandelt habe (OLGR Bamberg 2001, 223; OLG München NJW-RR 1999, 1264, 1265; OLG Hamburg MDR 1976, 846; wohl auch Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. § 50 ZPO Rdn. 59).
- 15
- bb) Nach anderer Auffassung kann eine schon bei Rechtshängigkeit nicht existente Person schlechthin keine Kostenfestsetzung verlangen, und zwar weder zu ihren Gunsten noch zu Gunsten des für sie handelnden Dritten. Die Kostengrundentscheidung des Vollstreckungstitels laufe insoweit ins Leere (OLGR Zweibrücken 2004, 670). Der Dritte könne einen etwaigen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nur in einem gesonderten Rechtsstreit gegen die klagende Partei geltend machen.
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- c) Der Senat folgt in den Fällen der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH der Auffassung, wonach die nicht mehr existente Partei zu ihren Gunsten jedenfalls die Festsetzung der im Streit über ihre Parteifähigkeit entstandenen Kosten verlangen kann.
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- Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch beruht auf dem durch die Erhebung der Klage begründeten Prozessrechtsverhältnis und folgt dem Verursacherprinzip (vgl. Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. vor § 91 ZPO Rdn. 6). Die klagende Partei hat dadurch, dass sie gegen eine nicht existente Partei Klage erhoben hat, Veranlassung dazu gegeben, die Frage der Existenz der Beklagten im Rechtsstreit klären zu lassen. Zur Klärung dieser Frage wird die Existenz der Beklagten fingiert. Die Entscheidung des Prozessgerichts, dass die Beklagte nicht existent und damit nicht parteifähig sei, lässt dieses Prozessrechtsverhältnis nicht entfallen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es daher nicht widersprüchlich, sondern konsequent, die prozessrechtliche Fiktion der Existenz der Beklagten auch im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit aufrecht zu erhalten, als es um die Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen im Streit um die Existenz der Beklagten geht.
- 18
- Die Fiktion erstreckt sich nicht nur auf das Recht der nicht existenten Beklagten , Kostenfestsetzung zu beantragen, sondern gilt auch für die Zuordnung des Kostenerstattungsanspruchs. Der nicht mehr existenten Beklagten, der gestattet wird, sich im Rechtsstreit mit ihrer Nichtexistenz zu verteidigen, kann, wenn sie mit diesem Einwand durchdringt und deshalb eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten erreicht, die Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht mit der Begründung versagt werden, ihr seien keine Kosten entstanden, weil sie nicht existiere. Vielmehr ist die einmal für den Streit um die Existenz fingierte Parteifähigkeit der Beklagten für den gesamten Streit hierüber einschließlich der dadurch entstandenen Kosten aufrechtzuerhalten.
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- Eine Erstattung zugunsten des für die nicht mehr existente Beklagte handelnden Dritten kommt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht in Betracht. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient allein der Umsetzung der gerichtlichen Kostengrundentscheidung. Antrags- und ausgleichsberechtigt ist nur der im Titel genannte Kostengläubiger (Stein/Jonas/Bork aaO § 103 Rdn. 8 m.w.N.) und nicht ein hinter diesem stehender Dritter. Für Ermittlungen zur Feststellung des Dritten, der für die nicht mehr existente Partei gehandelt hat, ist das Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht geeignet.
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 12.05.2004 - 2 O 69/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 21.12.2004 - 6 W 126/04 -
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.
(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.
(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.