Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2017 - XII ZB 358/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:220317BXIIZB358.16.0
bei uns veröffentlicht am22.03.2017
vorgehend
Amtsgericht Erding, XVII 539/15, 21.04.2016
Landgericht Landshut, 63 T 1327/16, 05.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 358/16
vom
22. März 2017
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zu den Voraussetzungen, unter denen die Beschwerdekammer im Unterbringungsverfahren
eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen
kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016
- XII ZB 581/15 - FamRZ 2016, 1446).

b) § 319 Abs. 4 FamFG schließt die Möglichkeit, die vor der Genehmigung einer
Unterbringungsmaßnahme zwingend gebotene Anhörung des Betroffenen im
Wege der Rechtshilfe vorzunehmen, nicht völlig aus. Diese Möglichkeit ist jedoch
auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Macht das Gericht von dieser
Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in
nachprüfbarer Weise darlegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 2. März
2016 - XII ZB 258/15 - FamRZ 2016, 804).

c) Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen, wenn eine Unterbringung
für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 6. April 2016 - XII ZB 575/15 - FamRZ 2016,
1063).
BGH, Beschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 358/16 - LG Landshut
AG Erding
ECLI:DE:BGH:2017:220317BXIIZB358.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 5. Juli 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene wendet sich gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung ihrer Unterbringung.
2
Für die Betroffene ist seit Mai 2015 ein Betreuer bestellt. Nachdem sie ab 26. September 2015 zunächst freiwillig und ab Oktober 2016 aufgrund mehrfach verlängerter betreuungsgerichtlicher Genehmigungen vorläufig in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht war, hat ihr Betreuer im Februar 2016 die dauerhafte Unterbringung der Betroffenen "über den 21. März 2016 hinaus für den längstmöglichen Zeitraum" beantragt.
3
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen im Wege der Rechtshilfe am 21. April 2016 die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 20. März 2018 genehmigt. Ihre Beschwerde hat das Landgericht nach Anhörung der Betroffenen durch den Berichterstatter als beauftragten Richter zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
1. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, die Anhörung der Betroffenen durch das Beschwerdegericht sei verfahrensfehlerhaft erfolgt, greift allerdings nicht durch.
6
a) Nach § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Diese Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10 - FamRZ 2011, 805 Rn. 13 f.).
7
b) Gemessen daran durfte das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall - wie es zutreffend erkannt hat - nicht von einer persönlichen Anhörung der Be- troffenen nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen, weil die im Wege der Rechtshilfe durchgeführte Anhörung durch das Amtsgericht fehlerhaft war.
8
aa) Zwar schließt es der Wortlaut des § 319 Abs. 4 FamFG nicht völlig aus, die vor der Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme zwingend gebotene Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe vorzunehmen. Die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift bringt allerdings zum Ausdruck, dass der Richter, der über eine Unterbringungsmaßnahme zu entscheiden hat, in der Regel den Betroffenen persönlich anzuhören und sich selbst einen persönlichen Eindruck von dessen Lebensumständen zu verschaffen hat. Dieser besonderen Bedeutung der in § 319 Abs. 1 FamFG enthaltenen Verfahrenshandlungen kann grundsätzlich nur dadurch angemessen Rechnung getragen werden, dass das zur Entscheidung berufene Gericht den Betroffenen persönlich anhört und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft. Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Betroffene kommunikationsunfähig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2016 - XII ZB 258/15 - FamRZ 2016, 804 Rn. 12 f. mwN).
9
Macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, die nach § 319 Abs. 1 FamFG notwendigen Verfahrenshandlungen im Wege der Rechtshilfe vornehmen zu lassen, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Senatsbeschluss vom 2. März 2016 - XII ZB 258/15 - FamRZ 2016, 804 Rn. 14).
10
bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage durfte das Amtsgericht die Anhörung der Betroffenen nicht im Wege der Rechtshilfe vornehmen. Umstände, die im vorliegenden Fall eine Anhörung durch den ersuchten Richter ausnahmsweise rechtfertigen könnten, werden in der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht genannt. Dies machte eine erneute Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren erforderlich.
11
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eines seiner Mitglieder mit der Anhörung der Betroffenen beauftragt hat.
12
aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, muss die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren nicht zwangsläufig durch alle Mitglieder der Beschwerdekammer erfolgen (Senatsbeschlüsse vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 28 ff. mwN und vom 15. Juni 2016 - XII ZB 581/15 - FamRZ 2016, 1446 Rn. 16 f.). Dies folgt bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach das Beschwerdegericht im Regelfall von einer Anhörung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beschwerdekammer hat im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG darüber zu befinden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft oder ob der Kammer durch eine vom beauftragten Richter durchgeführte Anhörung eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Entscheidung vermittelt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 31). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag und als dessen persönlicher Eindruck verwertet werden darf (Senatsbeschlüsse vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 31 mwN und vom 15. Juni 2016 - XII ZB 581/15 - FamRZ 2016, 1446 Rn. 17 mwN).
13
bb) Gemessen hieran begegnet die durch den beauftragten Richter erfolgte Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren rechtlich keinen Bedenken. Das Beschwerdegericht hat der Anhörung der Betroffenen kein besonderes Gewicht beigemessen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen in ihrem zu den medizinischen Voraussetzungen für die Verlängerung einer freiheitsentziehenden Unterbringung erstellten Gutachten gestützt. Zur Begründung, weshalb das Beschwerdegericht die Ausführungen der Sachverständigen für überzeugend erachtet, hat es nur ergänzend verschiedene Äußerungen herangezogen, die die Betroffene während des Anhörungstermins gegenüber dem beauftragten Richter gemacht hat. Unter diesen Umständen wurde durch die von dem beauftragten Richter durchgeführte Anhörung eine ausreichende Grundlage für die getroffene Entscheidung vermittelt.
14
2. Vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde auch, dass das Sachverständigengutachten der Betroffenen nicht bekannt gegeben worden sei.
15
a) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 316 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 - FamRZ 2013, 1725 Rn. 11 f.).
16
b) Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren noch gerecht.
17
aa) Zwar enthält die Verfahrensakte keine Verfügungen, aus denen sich ergibt, dass das Gutachten der Betroffenen vor der erstinstanzlichen Anhörung übersandt worden ist. Aus dem Anhörungsprotokoll vom 11. April 2016 ist vielmehr zu ersehen, dass das Gutachten der Betroffenen zu Beginn der Anhörung nur seinem wesentlichen Inhalt nach bekannt gegeben worden ist. Dadurch ist die Verpflichtung des Gerichts, der Betroffenen das Gutachten in seinem vollen Wortlaut zu überlassen, sofern die Voraussetzungen des § 288 FamFG nicht vorliegen, nicht erfüllt (vgl. Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 280 Rn. 26).
18
bb) Aus der Verfahrensakte ergibt sich jedoch, dass die Betroffene schriftlich um Übersendung des vollständigen Gutachtens gebeten hat und ihr dieses am 26. April 2016 vom Amtsgericht noch vor dem im Beschwerdeverfahren durchgeführten Anhörungstermin übersandt worden ist. Zudem hatte die Betroffene zwischenzeitlich einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt, dem vor dem Anhörungstermin Akteneinsicht gewährt wurde, so dass die Betroffene auch auf diesem Weg rechtzeitig vor ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens hatte.
19
3. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, dass sich in den dem Rechtsbeschwerdegericht übersendeten Akten kein Vermerk über die im Beschwerdeverfahren erfolgte Anhörung der Betroffenen befindet.
20
a) Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 und 2 FamFG ist über eine persönliche Anhörung ein Vermerk zu fertigen, in den die wesentlichen Vorgänge der persönlichen Anhörung aufzunehmen sind. Dies gilt auch für die persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 319 FamFG in einem Unterbringungsverfahren (vgl. Prütting/Helms/Roth FamFG 3. Aufl. § 319 Rn. 7; Schulte-Bunert/Weinreich/ Dodegge FamFG 4. Aufl. § 319 Rn. 23). Eine ausdrückliche Anordnung von Mindestvoraussetzungen über den Inhalt und Form des Vermerks enthält die Vorschrift dabei nicht. Die Gestaltung des Vermerks liegt daher grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl. § 28 Rn. 32). Dabei kann im Einzelfall auch eine Darstellung der Ergebnisse der Anhörung im tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses ausreichend sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907, 908 zum früheren Recht). Fehlt es an einem Anhörungsvermerk und wird das Ergebnis der Anhörung auch nicht in anderer Weise dokumentiert, stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung der Entscheidung führen kann (OLG Brandenburg FamFR 2011, 328; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann FamFG 4. Aufl. § 28 Rn. 35; Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby FamFG 2. Aufl. § 28 Rn. 10.2; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907, 908; a.A. MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl. § 28 Rn. 32).
21
b) Ob das Verfahren des Beschwerdegerichts im vorliegenden Fall gegen § 28 Abs. 4 FamFG verstoßen hat, lässt sich anhand der dem Senat zur Verfügung gestellten Akten nicht abschließend beurteilen. Denn hierin befindet sich kein Vermerk über die im Beschwerdeverfahren durchgeführte Anhörung der Betroffenen. Allein die Angaben in den Beschlussgründen zu den Äußerungen der Betroffenen während der Anhörung genügen den Anforderungen an einen Anhörungsvermerk nicht. Das Anhörungsergebnis wird nicht im Zusammenhang dargestellt, sondern es werden nur einzelne Äußerungen der Betroffenen zur Begründung der Entscheidung herangezogen. Auf dieser Grundlage ist eine Überprüfung auf Rechtsfehler durch den Senat nicht möglich.
22
4. Schließlich beruht die Bestätigung der amtsgerichtlichen Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen für eine Dauer, die ein Jahr überschreitet , durch das Beschwerdegericht auf unzureichenden Erwägungen.
23
a) Gemäß § 329 Abs. 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf.
24
Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der "Offensichtlichkeit", dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten. Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn für den Betroffenen eine erstmalige Unterbringungsanordnung oder -genehmigung erfolgt (Senatsbeschluss vom 6. April 2016 - XII ZB 575/15 - FamRZ 2016, 1063 Rn. 13 f.).
25
b) Im vorliegenden Fall ist die Betroffene erstmals längerfristig untergebracht. Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme, die beabsichtigte Heilbehandlung könne offensichtlich nicht innerhalb der in § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorgesehenen Dauer von einem Jahr zum Erfolg führen, lassen sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen.
26
Das Beschwerdegericht führt zur Begründung einer Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr nur aus, dass bei der Betroffenen eine vollkommene Krankheitsuneinsichtigkeit verbunden mit einer Non-Compliance vorliege. Zudem sei sie lediglich dazu bereit, notwendige Medikamente in einem völlig unzureichenden Umfang einzunehmen. Schließlich sei auch zu beachten, dass sich der Zustand der Betroffenen in den letzten Monaten trotz ihres Aufenthalts in einer schützenden, halt- und strukturgebenden Einrichtung nur unwesentlich verbessert habe. Daher sei damit zu rechnen, dass eine Unterbringung eher für einen längeren als einen kürzeren Zeitraum erforderlich sein werde. Diese Erwägungen tragen die Annahme einer Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr nicht.
27
Auch das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten zu den Voraussetzungen einer Unterbringung der Betroffenen enthält keine ausreichenden Ausführungen, die eine Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr rechtfertigen können. Die Sachverständige führt lediglich aus, dass sich das derzeitige Zustandsbild der Betroffenen bei fortbestehender Non-Compliance und Weigerung, neuroleptische Medikamente einzunehmen, nicht verbessern und "wahrscheinlich" lebenslang fortbestehen werde. Es bleibe abzuwarten, ob sich mit Fortdauer der Behandlung eine Besserung der Symptomatik einstellen werde. Die Unterbringung der Betroffenen im gesetzlich festgelegten Rahmen von zwei Jahren erscheine daher notwendig und sinnvoll. Damit enthält das Sachverständigengutachten keine anhand eines konkreten Therapieplans aufgestellte oder sonst wissenschaftlich fundierte Prognose einer voraussichtlichen Heilungsdauer von mehr als einem Jahr. Insbesondere ist aus den Ausführungen der Sachverständigen nicht zu entnehmen, warum durch Therapiemaßnahmen während einer zunächst auf ein Jahr begrenzten Unterbringung eine Verbesserung des Krankheitsbildes der Betroffenen nicht zu erwarten ist. Dies vermag die vom Gesetz geforderte "offensichtlich" lange, mindestens zwei Jahre währende Unterbringungsbedürftigkeit nicht zu rechtfertigen.
28
5. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da noch weitere tat- sächliche Feststellungen zur Unterbringungsdauer erforderlich sind. Die Sache ist daher an das Landgericht zurückzuverweisen.
Dose Schilling Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Erding, Entscheidung vom 21.04.2016 - XVII 539/15 -
LG Landshut, Entscheidung vom 05.07.2016 - 63 T 1327/16 -

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(1) Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen. Es hat die Beteiligten auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, wenn es ihn anders beurteilt als die Beteiligten und seine Entscheidung darauf stützen will.

(2) In Antragsverfahren hat das Gericht auch darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt und sachdienliche Anträge gestellt werden.

(3) Hinweise nach dieser Vorschrift hat das Gericht so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen.

(4) Über Termine und persönliche Anhörungen hat das Gericht einen Vermerk zu fertigen; für die Niederschrift des Vermerks kann ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hinzugezogen werden, wenn dies auf Grund des zu erwartenden Umfangs des Vermerks, in Anbetracht der Schwierigkeit der Sache oder aus einem sonstigen wichtigen Grund erforderlich ist. In den Vermerk sind die wesentlichen Vorgänge des Termins und der persönlichen Anhörung aufzunehmen. Über den Versuch einer gütlichen Einigung vor einem Güterichter nach § 36 Absatz 5 wird ein Vermerk nur angefertigt, wenn alle Beteiligten sich einverstanden erklären. Die Herstellung durch Aufzeichnung auf Datenträger in der Form des § 14 Abs. 3 ist möglich.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

13
§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; BGHZ 184, 323, 329 = FGPrax 2010, 154 Rn. 13; vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 138/10 - BtPrax 2010, 278 Rn. 6). Macht das Be- schwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; Gutjahr in BeckOK FamFG § 68 Rn. 44; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 495 zu §§ 69 i Abs. 6, 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG).

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

28
(2) Gleichwohl kann die Beschwerdekammer im Betreuungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits - gleichsam als Minus - aus § 68 Abs. 4 FamFG folgt, wonach das Beschwerdegericht die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen kann (so etwa Prütting/Helms/Fröschle FamFG 2. Aufl. § 278 Rn. 29).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 26. Oktober 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die im Jahre 1939 geborene Betroffene erlitt im Jahre 1997 einen Schlaganfall. Sie ist seither halbseitig gelähmt und hat Artikulationsschwierigkeiten. Ihr am 5. Juni 2014 verstorbener Ehemann kümmerte sich zu seinen Lebzeiten weitgehend allein um die finanziellen Angelegenheiten der Eheleute. Er hinterließ einen umfangreichen Nachlass. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die Beteiligten zu 1 und zu 3.

2

Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 hat die Beteiligte zu 1 beim zuständigen Notariat die Errichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt. Das Notariat hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen den Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 zum Betreuer für sämtliche Angelegenheiten der Betroffenen bestellt. Hiergegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sie zunächst die Kopie einer auf den 5. Dezember 2014 datierten Vorsorgevollmacht vorgelegt, mit der sie die Beteiligte zu 3 umfassend bevollmächtigt hat. Später hat sie die Kopie einer auf den 30. Januar 2015 datierten Vorsorgevollmacht zu den Akten gereicht, mit der sie den Beteiligten zu 4, den sie seit vielen Jahren daheim betreuenden Ergotherapeuten, ausschließlich für den Bereich Gesundheitssorge/Pflegebedürftigkeit bevollmächtigt hat.

3

Das Landgericht hat ein Ergänzungsgutachten der Sachverständigen eingeholt, die Betroffene zweimal sowie die Beteiligten zu 1 und zu 3 angehört und dann mit dem angefochtenen Beschluss die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert sowie die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene abgelehnt. Außerdem hat es der Beteiligten zu 1 die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen auferlegt.

4

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, obwohl dieses vorliegend die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 - XII ZB 370/14 - FamRZ 2015, 844 Rn. 7 mwN). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1 als Tochter der Betroffenen ergibt sich aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.

6

Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

7

1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuerbestellung stehe der Wille der Betroffenen gemäß § 1896 Abs. 1a BGB entgegen. Zwar habe die Sachverständige die Fähigkeit der Betroffenen zur Bestimmung eines freien Willens verneint. Diese Einschätzung kontrastiere jedoch zu dem persönlichen Eindruck, den die Betroffene bei ihrer Anhörung durch den beauftragten Richter der Kammer hinterlassen habe. Es möge zwar sein, dass die vehemente Ablehnung einer Betreuung nicht nur auf Starrsinn beruhe, sondern Ausdruck einer krankheitsbedingten Unfähigkeit sei, die eigene Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe dies allerdings nicht fest. Die von der Sachverständigen herangezogenen Umstände ließen sich jedenfalls auch mit anderen, des Öfteren anzutreffenden Verhaltensmustern erklären, denen im Allgemeinen kein Krankheitswert beigemessen werde.

8

Vor diesem Hintergrund bestünden auch keine durchgreifenden Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten. Zwar müsste man die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen mindestens in den von der Sachverständigen benannten Teilbereichen verneinen, wenn man der Auffassung und Beurteilung der Sachverständigen in vollem Umfang folgte. Da das Gesetz die Geschäftsfähigkeit eines jeden volljährigen Menschen als Grundsatz annehme, könnten bloße Zweifel aber nicht die Geschäftsunfähigkeit begründen. Solche bestünden zwar, worauf es jedoch im Hinblick auf die objektive Beweislastverteilung nicht ankomme.

9

Die Betreuerbestellung sei auch nicht erforderlich. Die Betroffene habe jede Zusammenarbeit mit dem Betreuer verweigert. Gleichwohl sei sie in der Lage gewesen, ihren Alltag zu organisieren sowie die finanziellen Angelegenheiten zu regeln. Zudem habe sie wirksame Vollmachten für jeweils unterschiedliche Angelegenheiten erteilt. Die Besorgnis der Beteiligten zu 1, ihre Schwester werde die Vollmacht missbrauchen, entbehre einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

10

Die Kostenentscheidung sei angemessen und billig. Sie beruhe darauf, dass die Beteiligte zu 1 zu Unrecht die Bestellung eines Betreuers angeregt und vorangetrieben habe. Die vertiefte Auseinandersetzung der Beteiligten zu 1 mit den familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen zeige überdies, dass das Ringen um die gesetzliche Vertretung nicht primär an den Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert gewesen sei.

11

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat unter Verstoß gegen § 26 FamFG auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage die Voraussetzungen für eine Betreuung verneint.

12

a) Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, hat das Landgericht vorliegend gegen den nach § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, indem es die Betroffene lediglich durch den beauftragten Richter, nicht aber durch die voll besetzte Kammer als den letztlich entscheidenden Spruchkörper angehört hat.

13

aa) Wie das Landgericht noch richtig erkannt hat, konnte es vorliegend nicht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen. Dies folgt schon daraus, dass es das Ergänzungsgutachten eingeholt und damit eine neue Tatsachengrundlage geschaffen hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2015 - XII ZB 227/12 - FamRZ 2016, 300 Rn. 9 mwN).

14

bb) Diese Anhörung konnte hier jedoch nicht in zulässiger Weise durch den beauftragten Richter erfolgen. Wenn das Beschwerdegericht der Anhörung des Betroffenen im Hinblick auf die noch durchzuführenden Ermittlungen ein besonderes Gewicht beimisst, wie es hier offensichtlich der Fall gewesen ist, dann muss es diese auch in der vollen Kammerbesetzung vornehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 26 ff. mwN).

15

(1) Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) enthält allerdings keine konkreten Vorgaben, in welcher Form das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen hat. Während § 69 g Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG bestimmte, unter welchen Voraussetzungen eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch einen beauftragten Richter vorgenommen werden durfte, ist diese Frage im FamFG nicht geregelt. Die Anhörung des Betroffenen, die sowohl der Einräumung rechtlichen Gehörs als auch der Sachverhaltsermittlung dient, stellt keine Form der Beweisaufnahme im Sinne der zivilprozessualen Vorschriften dar, so dass der Verweis in § 30 FamFG auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung - etwa auf §§ 361, 375 ZPO - nicht einschlägig ist (Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 26 f. mwN).

16

(2) Gleichwohl kann die Beschwerdekammer im Betreuungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen eines ihrer Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits - gleichsam als Minus - aus § 68 Abs. 4 FamFG folgt, wonach das Beschwerdegericht die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen kann. Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Formulierung "das Gericht" lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass es sich um den voll besetzten, erkennenden Spruchkörper handeln muss. Wie die Anhörung durch das Gericht innerhalb eines aus mehreren Richtern zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzunehmen ist, bestimmt sich vielmehr nach den Vorschriften über die Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG. Daher kommt auch eine Anhörung durch den beauftragten Richter in Betracht (Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 28 f. mwN).

17

(3) Die Beauftragung eines Kammermitglieds mit der Anhörung des Betroffenen scheidet allerdings dann aus, wenn es wegen der Besonderheiten des Falles für die Entscheidung darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft. Zwar kommt es bei der Anhörung im Betreuungsverfahren regelmäßig auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck von dem Betroffenen an. Das bedeutet indes nicht, dass sich zwangsläufig alle Mitglieder der Beschwerdekammer diesen verschaffen müssen, wie bereits aus § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG folgt. Letztlich obliegt es der Beschwerdekammer, im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG zu befinden, ob es für ihre Entscheidung wegen der Besonderheiten des Falles darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem objektiven Ertrag und als dessen persönlicher Eindruck verwertet werden darf (Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 30 f. mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 14. August 2013 - XII ZB 614/11 - FamRZ 2013, 1726 Rn. 40 für die förmliche Beweisaufnahme im Unterbringungsverfahren).

18

(4) Gemessen hieran ist es vorliegend mit § 26 FamFG unvereinbar, dass das Landgericht die Betroffene lediglich durch den Vorsitzenden als beauftragten Richter angehört hat.

19

Über Art und Umfang der im Rahmen von § 26 FamFG vorzunehmenden Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch unter anderem nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 16 mwN). Dieser Nachprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Denn das Landgericht hat der Anhörung der Betroffenen ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, indem es den in den Anhörungen gewonnenen persönlichen Eindruck von der Betroffenen zum Anlass genommen hat, sich sowohl über die Feststellungen der Sachverständigen zum (Nicht-)Vorliegen eines freien Willens im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB hinwegzusetzen als auch auf dieser Grundlage eine Geschäftsunfähigkeit zu verneinen und auf die Wirksamkeit der Vorsorgevollmachten zu schließen. Daher hätte es zwingend des persönlichen Eindrucks aller drei Kammermitglieder von der Betroffenen bedurft.

20

b) Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, einer Betreuung bedürfe es schon deshalb nicht, weil die Betroffene wirksame Vorsorgevollmachten erteilt habe. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, beruht auch dies auf unzureichenden Feststellungen und damit einer Verletzung von § 26 FamFG.

21

aa) Zwar geht das Landgericht dem Grundsatz nach zutreffend davon aus, dass ein bloßer Verdacht nicht genügt, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern, und die Bevollmächtigung daher als wirksam zu behandeln ist, wenn die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden kann (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701 Rn. 11).

22

bb) Nach § 26 FamFG muss der Tatrichter aber die erforderlichen Ermittlungen durchführen, deren es zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit der die Vorsorgevollmacht erteilenden Betroffenen bedarf, diese Frage also ausermitteln (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701 Rn. 12). Dem wird die Vorgehensweise des Landgerichts nicht gerecht. Vielmehr ist dessen Schluss aus den Feststellungen der Sachverständigen zum freien Willen auf die Geschäftsfähigkeit für die Erteilung der Vorsorgevollmachten nicht tragfähig, weil damit zwei unterschiedliche Fragestellungen miteinander vermischt werden.

23

(1) Im Zusammenhang mit § 1896 Abs. 1a BGB geht es darum, ob der Betroffene in der Lage ist, seinen Willen hinsichtlich der Einrichtung einer Betreuung frei zu bestimmen. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen Dritter abzugrenzen (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - juris Rn. 10 f.).

24

(2) Die Geschäftsfähigkeit erfordert zwar auch die Einsichtsfähigkeit sowie die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Sie ist aber nicht deckungsgleich mit dem Vorhandensein eines freien Willens, wie sich schon aus der Überlegung ergibt, dass ansonsten bei jeder gegen den Willen des Betroffenen angeordneten Betreuung auch dessen Geschäftsunfähigkeit feststehen müsste. Vielmehr ist ohne weiteres denkbar, dass es dem Betroffenen zwar am freien Willen hinsichtlich der Betreuung fehlt, er aber gleichwohl in vollem Umfang geschäftsfähig ist. Denn die Geschäftsfähigkeit und damit die für sie erforderliche Einsicht- und Steuerungsfähigkeit muss sich nicht auf die Betreuung, sondern auf die vorzunehmenden Rechtshandlungen - hier die Vollmachterteilungen - beziehen. Dazu hat das Landgericht vorliegend aber keinerlei Ermittlungen durchgeführt.

25

c) Diese Rechtsfehler sind auch entscheidungserheblich. Weder bei der gebotenen Anhörung der Betroffenen in voller Kammerbesetzung noch bei Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zur Geschäftsfähigkeit der Betroffenen ist auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

26

Der Erforderlichkeit der Betreuung steht entgegen der Annahme des Landgerichts insbesondere nicht entgegen, dass die Betroffene sich der Zusammenarbeit mit dem Betreuer bislang verweigert hat. Die Voraussetzungen einer sog. Unbetreubarkeit (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. Januar 2015 - XII ZB 520/14 - FamRZ 2015, 650 Rn. 11 ff.) hat das Landgericht nicht festgestellt. Soweit das Landgericht darauf abhebt, die Betroffene habe offensichtlich alles auch ohne Betreuer organisieren können, könnte das eine Betreuung jedenfalls dann nicht überflüssig machen, wenn es der rechtlichen Regelung verschiedener Angelegenheiten bedarf und die Betroffene diese mangels Geschäftsfähigkeit weder selbst noch durch Bevollmächtigte vornehmen könnte.

27

3. Die Beschwerdeentscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, weil weitere Ermittlungen durchzuführen sind und sie deshalb nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG).

28

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein muss. Ergibt sich diese Qualifikation - wie bei der in den Vorinstanzen tätigen Sachverständigen - nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 14 mwN).

29

Soweit es die Kostenentscheidung anbelangt, wird das Landgericht - anders als in der angegriffenen Entscheidung - bei seiner erneuten Beschlussfassung alle für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben. Es wird daher nicht nur darauf Bedacht zu nehmen haben, dass immerhin die erste Instanz der Anregung der Beteiligten zu 1 gefolgt war. Vielmehr kam auch die gerichtlich bestellte Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung bestünden. Die nach Auffassung des Landgerichts unter anderem der Erforderlichkeit einer Betreuung entgegenstehenden Vollmachten sind erst während des Betreuungsverfahrens verfasst worden. Ob es bei dieser Sachlage tatsächlich billigem Ermessen im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG entspricht (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 15/13 - FamRZ 2014, 744 Rn. 11 ff.), der Beteiligten zu 1 die Kosten teilweise aufzuerlegen, bedarf einer eingehenden Überprüfung.

30

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose                       Klinkhammer                      Nedden-Boeger

              Guhling                              Krüger

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

(2) Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte.

In Unterbringungssachen ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig.

(1) Von der Bekanntgabe der Gründe eines Beschlusses an den Betroffenen kann abgesehen werden, wenn dies nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu vermeiden.

(2) Das Gericht hat der zuständigen Behörde den Beschluss über die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand einer solchen Maßnahme stets bekannt zu geben. Andere Beschlüsse sind der zuständigen Behörde bekannt zu geben, wenn sie vor deren Erlass angehört wurde.

11
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 616/10 - FamRZ 2011, 1574 Rn. 11 mwN).

(1) Von der Bekanntgabe der Gründe eines Beschlusses an den Betroffenen kann abgesehen werden, wenn dies nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu vermeiden.

(2) Das Gericht hat der zuständigen Behörde den Beschluss über die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand einer solchen Maßnahme stets bekannt zu geben. Andere Beschlüsse sind der zuständigen Behörde bekannt zu geben, wenn sie vor deren Erlass angehört wurde.

(1) Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen. Es hat die Beteiligten auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, wenn es ihn anders beurteilt als die Beteiligten und seine Entscheidung darauf stützen will.

(2) In Antragsverfahren hat das Gericht auch darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt und sachdienliche Anträge gestellt werden.

(3) Hinweise nach dieser Vorschrift hat das Gericht so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen.

(4) Über Termine und persönliche Anhörungen hat das Gericht einen Vermerk zu fertigen; für die Niederschrift des Vermerks kann ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hinzugezogen werden, wenn dies auf Grund des zu erwartenden Umfangs des Vermerks, in Anbetracht der Schwierigkeit der Sache oder aus einem sonstigen wichtigen Grund erforderlich ist. In den Vermerk sind die wesentlichen Vorgänge des Termins und der persönlichen Anhörung aufzunehmen. Über den Versuch einer gütlichen Einigung vor einem Güterichter nach § 36 Absatz 5 wird ein Vermerk nur angefertigt, wenn alle Beteiligten sich einverstanden erklären. Die Herstellung durch Aufzeichnung auf Datenträger in der Form des § 14 Abs. 3 ist möglich.

(1) Die Unterbringungsmaßnahme endet spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, wenn sie nicht vorher verlängert wird.

(2) Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(3) Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung mit einer Gesamtdauer von mehr als zwölf Wochen soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

13
aa) Gemäß § 329 Abs. 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf.

(1) Die Unterbringungsmaßnahme endet spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, wenn sie nicht vorher verlängert wird.

(2) Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(3) Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung mit einer Gesamtdauer von mehr als zwölf Wochen soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.