Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 183/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner geschlossenen Unterbringung.
- 2
- Nachdem der Beteiligte zu 1, der für den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung zum Betreuer bestellt worden ist, die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen beantragt hatte, hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2016 zu dem Schluss gelangt, dass der Betroffene unter anderem an einer schizoaffektiven Psychose leide. Das Amtsgericht hat die Unterbringung durch den Betreuer bis zum 5. Januar 2018 genehmigt. Das Land- gericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil das vom Amtsgericht im Unterbringungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten dem Betroffenen nicht übersandt worden ist.
- 4
- 1. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 316 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (Senatsbeschlüsse vom 22. März 2017 - XII ZB 358/16 - FamRZ 2017, 996 Rn. 15 und vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 - FamRZ 2013, 1725 Rn. 11 mwN).
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- 2. Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht.
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- Aus der Verfügung des Amtsgerichts vom 23. Dezember 2016 ergibt sich, dass das Sachverständigengutachten vom 14. Dezember 2016 lediglich an den Betreuer und den Verfahrenspfleger übersandt worden ist. Demgemäß hat der Betroffene in der Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt, dass ihm das Sachverständigengutachten vom 14. Dezember 2016 nicht bekannt sei.
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- Die Entscheidung beruht auf diesem Fehler, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Betroffene nach voller Kenntnis des Sachverständigengutachtens anders eingelassen und das Landgericht daraufhin eine andere Entscheidung getroffen hätte. Daran ändern auch die Ausführungen in dem landgerichtlichen Beschluss nichts, denen zufolge diese "psychiatrische Diagnose" von dem im Betreuungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 23. Januar 2017 "auch getragen" wird. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass dieses Gutachten ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2016 - XII ZB 152/16 - FamRZ 2017, 48 Rn. 7 f.). Aus den Akten ergibt sich zudem, dass das besagte Gutachten, das der Betreuer im Beschwerdeverfahren an das Landgericht gesandt hat, lediglich zu den Akten genommen worden ist. Weder findet sich eine Übersendungsverfügung an die Beteiligten des Unterbringungsverfahrens, noch ist das zweite Gutachten in der Anhörung vor dem Landgericht thematisiert worden. Zum anderen zieht das Landgericht das zweite Gutachten nur für die Diagnose heran, nicht aber für die übrigen, im Beweisbeschluss des Amtsgerichts aufgeworfenen Fragen, wie etwa die Erforderlichkeit der Unterbringung und das Vorliegen eines freien Willens.
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- 3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Backnang, Entscheidung vom 05.01.2017 - 1 XVII 311/16 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 10.03.2017 - 19 T 48/17 -
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In Unterbringungssachen ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig.
(1) Von der Bekanntgabe der Gründe eines Beschlusses an den Betroffenen kann abgesehen werden, wenn dies nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu vermeiden.
(2) Das Gericht hat der zuständigen Behörde den Beschluss über die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand einer solchen Maßnahme stets bekannt zu geben. Andere Beschlüsse sind der zuständigen Behörde bekannt zu geben, wenn sie vor deren Erlass angehört wurde.
(1) Von der Bekanntgabe der Gründe eines Beschlusses an den Betroffenen kann abgesehen werden, wenn dies nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu vermeiden.
(2) Der Beschluss, durch den eine Unterbringungsmaßnahme genehmigt oder angeordnet wird, ist auch dem Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene untergebracht werden soll, bekannt zu geben. Das Gericht hat der zuständigen Behörde die Entscheidung, durch die eine Unterbringungsmaßnahme genehmigt, angeordnet oder aufgehoben wird, bekannt zu geben.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.