Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2018 - XII ZB 141/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:240118BXIIZB141.17.0
bei uns veröffentlicht am24.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 141/17
vom
24. Januar 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist,
vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten
nicht zu rechtfertigen.

b) Auch der Betreuer, der selbst Rechtsanwalt ist, muss den Wunsch des Betroffenen
beachten, in einer bestimmten vom Aufgabenkreis der Betreuung
umfassten Angelegenheit einen anderen Anwalt zu mandatieren.
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 141/17 - LG München II
AG Wolfratshausen
ECLI:DE:BGH:2018:240118BXIIZB141.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 24. Februar 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
2
Er leidet an einer organischen psychischen Störung, die möglicherweise auf einen Hirnstamminfarkt im Jahr 2006 zurückzuführen ist. Für den Betroffenen besteht seit April 2007 eine Betreuung, die zuletzt den Aufgabenkreis Vermögenssorge , Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heimpflegevertrags , Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Entscheidung über Fernmeldeverkehr, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten, Gesundheitsfürsorge , Bewirtschaftung des Hofes in H., soweit Angelegenheiten des Betroffenen berührt werden, und Erbschaftsangelegenheiten umfasste.
3
Der derzeitige Betreuer, Rechtsanwalt T., hat angeregt, die Betreuung dahingehend zu erweitern, dass für den Aufgabenkreis Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden möge, weil der Betroffene ohne sein Wissen in der Angelegenheit "Verkauf Kiesgrube und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft" Rechtsanwalt G. beauftragt habe. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht angeordnet, dass der Betroffene zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge und die Beauftragung von Rechtsanwälten betreffen, der Einwilligung des Betreuers bedarf. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
1. Das Landgericht hat die Zurückweisung der fälschlicherweise als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Beschwerde damit begründet, dass aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit eine erhebliche Gefahr für das Vermögen des Betroffenen zu bejahen sei. Wegen der Beauftragung des Rechtsanwalts G. mit dem Verkauf der Kiesgrube und der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kämen erhebliche Kosten auf den Betroffenen zu, obwohl dessen Tätigkeiten von dem Aufgabenbereich des anwaltlichen Betreuers umfasst seien und gegebenenfalls von ihm ebenfalls nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgerechnet werden könnten. Ob der Betroffene diese finanzielle Problematik und Auswirkung bei seiner psychischen Erkrankung überhaupt noch ausreichend überblickt und tatsächlich so gewollt habe, sei fraglich. Jedenfalls sei aufgrund dieses Verhaltens in der Vergangenheit und der noch nicht abgeschlossenen Erbauseinandersetzung eine Wiederholungsgefahr dahingehend gegeben, dass der Betroffene auch künftig neben dem Betreuer einen Rechtsanwalt einschalten werde.
6
Letztendlich könne diese Frage aber offenbleiben, weil sich die Gefahrenlage für das Vermögen jedenfalls aus der derzeitigen strittigen Auffassung und Unsicherheit zur Frage der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ergebe. Ein Einwilligungsvorbehalt könne auch angeordnet werden, wenn der Betroffene geschäftsunfähig sei. Zwar sei der geschäftsunfähige Betroffene vor den Gefahren des rechtsgeschäftlichen Handelns bereits dadurch geschützt, dass seine Willenserklärungen – ungeachtet eines Einwilligungsvorbehalts – nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig seien. Gleichwohl könne sich eine den Einwilligungsvorbehalt rechtfertigende Gefahrenlage daraus ergeben, dass etwa die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend seien, wenn der Betreute nur zeitweise geschäftsunfähig sei und weil er im Streitfall für die Einwendung der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trage. Eine Anordnung des Einwilligungsvorbehalts könne daher zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Frage der Geschäftsunfähigkeit sinnvoll sein. Gehe der Betreuer aufgrund des Sachverständigengutachtens von Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen , sein beauftragter Rechtsanwalt demgegenüber von dessen Geschäftsfähigkeit aus, so seien Unsicherheiten im Rechtsverkehr zu erwarten und Streitigkeiten zur Frage der Wirksamkeit von vermögensrelevanten Rechtsgeschäften, gerade auch im Hinblick auf die Erbauseinandersetzung oder den etwaigen Verkauf einer Kiesgrube, vorprogrammiert. Diesen Unsicherheiten könne durch einen Einwilligungsvorbehalt begegnet werden. Eine erneute Anhörung des Betroffenen sei entbehrlich, weil er bereits vom Amtsgericht angehört worden sei.
7
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Die angefochtene Entscheidung kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Betroffenen, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, zu Unrecht nicht persönlich angehört hat. Zwar weist das Landgericht richtigerweise darauf hin, dass zweitinstanzlich nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auf eine erneute Anhörung eines Betroffenen verzichtet werden kann, wenn diese ordnungsgemäß vom Amtsgericht durchgeführt worden ist. Dies gilt aber dann nicht, wenn sich im Beschwerdeverfahren neue Umstände ergeben, etwa wenn der Betroffene erstmals der Betreuung widerspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 8/16 - FamRZ 2017, 323 Rn. 7 mwN).
9
Das ist hier der Fall, weil das Amtsgericht den Einwilligungsvorbehalt ursprünglich mit Zustimmung des Betroffenen eingerichtet hatte, wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluss ergibt.
10
b) Auch in der Sache kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
11
aa) Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 16 mwN). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 - FamRZ 2017, 754 Rn. 13 mwN).
12
Eine Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich etwa daraus ergeben , dass er sein umfangreiches Vermögen nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch dann nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedingt dabei unter anderem , dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - XII ZB 157/17 - FamRZ 2017, 1963 Rn. 17). Auch wenn der Einwilligungsvorbehalt in dem angeordneten Bereich von geringer praktischer Relevanz wäre und dem Betreuer bei seiner Tätigkeit behilflich sein könnte, ändert das nichts an der erheblichen Eingriffsintensität eines solchen Vorbehalts, der immer auch verhältnismäßig, also insbesondere erforderlich sein muss (Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 - FamRZ 2017, 754 Rn. 15).
13
bb) Gemessen hieran hätte für den Betroffenen auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden dürfen.
14
(1) Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist, vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht zu rechtfertigen.
15
Allerdings sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass eine mögliche Geschäftsunfähigkeit der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht entgegensteht, nicht zu beanstanden. Da die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend sind, der Betroffene für die Einwendung der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trägt und dem Betreuer durch den Einwilligungsvorbehalt in Streitfällen mit dem Geschäftsgegner sein Amt wesentlich erleichtert werden kann, kann die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zur Vermeidung von Unsicherheiten auch bei Geschäftsunfähigen geboten sein. Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn soweit der Betroffene ohnehin geschäftsunfähig ist, wird er durch den Einwilligungsvorbehalt nicht über Gebühr in seinen Rechten beeinträchtigt (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 301/13 - FamRZ 2014, 738 Rn. 28 mwN).
16
Jedoch wendet die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung zu Recht ein, dass allein eine Unsicherheit über das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zu rechtfertigen vermag; vielmehr schließt sie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts lediglich nicht aus (BayObLG BtPrax 1994, 136, 137). Hinzutreten müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art i.S.v. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht bislang nicht getroffenen.
17
(2) Der Umstand, dass der Betroffene wegen seiner Immobilien- bzw. Erbschaftsangelegenheiten Rechtsanwalt G. beauftragt hat, spricht für sich genommen nicht für eine Vermögensgefährdung.
18
(a) Gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Ein beachtlicher Gegensatz zwischen Wohl und Wille des Betreuten entsteht erst dann, wenn die Erfüllung der Wünsche höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde (Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 Rn. 18 mwN).
19
Entsprechend erfordert das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betreuten, dass der Betreuer dessen Wunsch nicht wegen Vermögensgefährdung ablehnen darf, solange dieser sich von seinen Einkünften und aus seinem Vermögen voraussichtlich bis zu seinem Tod wird unterhalten können. Selbst wenn durch die Erfüllung der Wünsche des Betreuten dessen Vermögen erheblich geschmälert wird, ist der Wunsch in diesem Fall zu respektieren. Ein Wunsch des Betreuten ist lediglich dann unbeachtlich, wenn er infolge seiner Erkrankung entweder nicht mehr in der Lage ist, eigene Wünsche und Vorstellungen zu bilden und zur Grundlage und Orientierung seiner Lebensgestaltung zu machen, oder wenn er die der Willensbildung zugrunde liegenden Tatsachen infolge seiner Erkrankung verkennt (Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 Rn. 18 ff.).
20
(b) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mangels anderslautender Feststellungen der vom Landgericht in Bezug genommene Beschwerdevortrag des Betroffenen zugrunde zu legen, wonach Rechtsanwalt G. für ihn seit rund 16 Jahren als Rechtsanwalt seines Vertrauens tätig sei und er beispielsweise im Hofzuweisungsverfahren diverse Rechtsangelegenheiten geregelt und überdies ihm und seinen Brüdern schon länger empfohlen habe, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen.
21
Auf dieser Grundlage hätte der Betreuer nicht von vornherein davon ausgehen dürfen, dass seine anwaltliche Tätigkeit dem Wohl des Betroffenen besser entsprechen würde als die Mandatierung des seit vielen Jahren für den Betroffenen als Rechtsanwalt seines Vertrauens tätigen G. Nachdem sich dieser mit dem Betreuer ins Benehmen gesetzt hatte, hätte Letzterer vielmehr in eine inhaltliche Prüfung eintreten müssen, in deren Rahmen die Wünsche des Betroffenen oberste Priorität hätten haben müssen. Allein die Umstände, dass die zu regelnde Materie in den Aufgabenkreis des Betreuers fällt und er auch Rechtsanwalt ist, haben dabei kein besonderes Gewicht, zumal Rechtsanwalt G. mit den Hintergründen nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt vorbefasst war.
22
Eine Vermögensgefährdung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass auch die anwaltliche Tätigkeit des Betreuers für den Betroffenen eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz begründen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 683/11 - FamRZ 2014, 1628 Rn. 9 ff.). Denn dessen anwaltliche Tätigkeit geht der Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts nicht schon deshalb vor, weil er Betreuer ist. Vielmehr hat sich der Betreuer in Angelegenheiten, die bereits Gegenstand der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts sind, regelmäßig einer (weiteren) anwaltlichen Tätigkeit zu enthalten.
23
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Verfahrenshandlungen durchzuführen und Feststellungen zu treffen haben wird.
Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Wolfratshausen, Entscheidung vom 25.08.2016 - XVII 253/09 -
LG München II, Entscheidung vom 24.02.2017 - 6 T 4933/16 -

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

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(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.

(2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 30. November 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene erteilte am 16. Juli 2009 der Beteiligten zu 1 (Tochter), der Beteiligten zu 2 (Ehefrau) und dem Beteiligten zu 3 (Sohn) eine umfassende notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht.

2

Auf Anregung der Beteiligten zu 1 hat das Amtsgericht ein Betreuungsverfahren eingeleitet und den Allgemeinarzt Dr. O. um ein ärztliches Zeugnis zur Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung gebeten, das dieser unter dem 20. Februar 2015 erstattet hat. Nach vorheriger Anhörung des Betroffenen und mit dessen Einverständnis hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2015 die Beteiligte zu 4 zur Kontrollbetreuerin bestellt.

3

Die von den Beteiligten zu 2 und 3 namens des Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Die angefochtene Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Beschwerdegericht nicht von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen hätte absehen dürfen.

6

a) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG unter anderem von der Durchführung der persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG) absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren allerdings immer dann erforderlich, wenn von ihr neue Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten sind, was in der Regel der Fall ist, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2015 - XII ZB 98/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 6 mwN).

8

b) Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht den Betroffenen selbst anhören müssen.

9

Bis zum Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung war der Betroffene mit der Bestellung eines Kontrollbetreuers einverstanden. So hat er in einem an das Amtsgericht gerichteten Schreiben vom 18. Januar 2015 ausdrücklich den Wunsch geäußert, dass in Bezug auf die seinen Kindern erteilte Generalvollmacht eine Kontrollbetreuung eingerichtet wird. In seiner Anhörung vor dem Amtsgericht hat der Betroffene diesen Wunsch wiederholt und angegeben, dass er die Bestellung eines Kontrollbetreuers für sinnvoll halte.

10

Nach Eingang der Beschwerde hat sich die zu beurteilende Sachlage signifikant geändert. Da der Betroffene mit der Einlegung des Rechtsmittels zu erkennen gegeben hat, dass er an seinem zuvor geäußerten Einverständnis mit der Kontrollbetreuung nicht mehr festhält, waren von einer erneuten Anhörung durch das Landgericht zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten. Das Landgericht hätte durch eine persönliche Anhörung zum einen die Hintergründe des Sinneswandels bei dem Betroffenen aufklären und sich zum anderen selbst - gegebenenfalls nach Einholung einer ergänzenden sachverständigen Stellungnahme - einen Eindruck davon verschaffen müssen, ob der Betroffene tatsächlich nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 19 mwN).

11

2. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben, und die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

12

Dieses wird nunmehr die erforderlichen Ermittlungen zum Vorliegen eines freien Willens nachzuholen und dabei den Betroffenen persönlich anzuhören haben.

13

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Dose                         Schilling                         Günter

               Botur                             Krüger

16
Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 7 mwN). Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 9 mwN). Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögensgegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 10 mwN).
13
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - XII ZB 519/15 - FamRZ 2016, 627 Rn. 2, 18 ff.). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt , der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 458/15 - juris Rn. 25 und 31).
17
Eine Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich auch daraus ergeben , dass er sein umfangreiches Vermögen nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 8 ff. mwN).
13
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - XII ZB 519/15 - FamRZ 2016, 627 Rn. 2, 18 ff.). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt , der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 458/15 - juris Rn. 25 und 31).
28
Der Einwand der Rechtsbeschwerde, wonach sich der Betroffene bei unterstellter Geschäftsunfähigkeit nicht selbst gefährden könne, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Da die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend sind, der Betroffene für die Einwendungen der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trägt und dem Betreuer durch den Einwilligungsvorbehalt in Streitfällen mit dem Geschäftsgegner sein Amt wesentlich erleichtert werden kann, ist die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zur Vermeidung von Unsicherheiten auch bei Geschäftsunfähigen sinnvoll (Palandt/ Götz BGB 73. Aufl. § 1903 Rn. 10). Ebenso ist in diesen Fällen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend beachtet. Denn soweit der Betroffene ohnehin geschäftsunfähig ist, wird er durch den Einwilligungsvorbehalt nicht über Gebühr in seinen Rechten beeinträchtigt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. Dezember 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.025 €

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: vormalige Betreuerin), die Rechtsanwältin ist, für im Rahmen einer Betreuung übernommene Tätigkeiten eine Vergütung nach § 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) verlangen kann.

2

Die Betroffene steht seit November 2009 unter Betreuung. Die vormalige Betreuerin war unter Feststellung der Berufsmäßigkeit für "alle Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post" bestellt. Die Einrichtung der Betreuung ging auf eine Anregung des Schwiegersohns der Betroffenen zurück, nachdem seine Ehefrau - die Tochter der Betroffenen - im August 2009 verstorben war.

3

Im September 2010 schlossen die durch die vormalige Betreuerin vertretene Betroffene, ihr Schwiegersohn sowie der geschiedene Ehemann der Betroffenen - der Vater der Verstorbenen - einen Erbauseinandersetzungsvertrag, den die vormalige Betreuerin aufgesetzt hatte. Der Vertrag führt aus, dass der Nachlass bereits geteilt sei. Er beruht auf einem Nachlassverzeichnis, das der Schwiegersohn der Betroffenen erstellt hatte.

4

Der Abfassung des Vertrages gingen zwei Schreiben des Betreuungsgerichts an die vormalige Betreuerin voraus. In dem ersten Schreiben forderte das Betreuungsgericht diese auf, einen Erbauseinandersetzungsvertrag vorzulegen, und wies zugleich darauf hin, dass der Vertrag das Nachlassvermögen zum Todestag und die seit dem Tod getätigten Ausgaben aufzuführen habe. In dem folgenden Schreiben billigte das Betreuungsgericht den von der vormaligen Betreuerin errechneten Anspruch der Betroffenen der Höhe nach und wies nochmals darauf hin, dass der Vertrag sämtliche in einem Schreiben der weiteren Beteiligten bereits aufgeführten Nachlasswerte und -verbindlichkeiten zu enthalten habe, von allen Miterben zu unterschreiben und sodann dem Betreuungsgericht zur Genehmigung vorzulegen sei.

5

Mit Schreiben vom 20. November 2010 beantragte die vormalige Betreuerin für den Zeitraum 17. August bis 16. November 2010 eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 1 VBVG. Mit weiterem Schreiben vom Mai 2011 beantragte sie sodann die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.025,31 € nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Erstellung des Erbauseinandersetzungsvertrages. Diesen Antrag hat das Amtsgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der vormaligen Betreuerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

7

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Mit Rücksicht auf das Wesen der Betreuung als Rechtsfürsorge, die Qualifikationsabhängigkeit der Betreuervergütung sowie den Charakter des § 1835 Abs. 3 BGB als Ausnahmevorschrift könne ein Rechtsanwalt für eine von ihm im Rahmen der Betreuung ausgeübte Tätigkeit eine Vergütung nach den Maßgaben des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) nur dann verlangen, wenn dafür besondere rechtliche Fähigkeiten erforderlich seien und die Tätigkeit daher eine originär anwaltliche Dienstleistung darstelle. Es müsse sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer Betreuer vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte. Nach diesen Maßgaben sei nicht erkennbar, inwieweit das Aufsetzen und der Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags eine vertiefte Befassung mit Rechtsfragen vorausgesetzt habe und die Anforderungen damit über die von einem Betreuer der höchsten Vergütungsstufe zu erwartenden Rechtskenntnisse hinausgegangen seien. Denn der Vertrag sei kurz und einfach strukturiert. Andere Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe hätten ihn ebenso aufsetzen können. Das in Bezug genommene Nachlassverzeichnis habe der Ehemann der Verstorbenen erstellt. Da es sich um einen Fall gesetzlicher Erbfolge gehandelt habe, hätten die Erben von Anfang an festgestanden. Nachdem das Erbe bereits aufgeteilt gewesen sei, sei der Vertrag auch nicht zu vollziehen gewesen. Einzige Aufgabe der vormaligen Betreuerin sei es gewesen, anhand der gesetzlichen Quoten den Anteil der Erben auszurechnen. Außerdem habe das Amtsgericht durch seine Schreiben wesentliche Vorgaben gemacht und auch den an die Betroffene auszuzahlenden Betrag überprüft. Im Übrigen habe die vormalige Betreuerin ihr Wahlrecht, ob sie pauschale Vergütung nach § 1836 BGB wünsche oder Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB bevorzuge, durch entsprechenden vorangegangenen Festsetzungsantrag im Sinne der pauschalen Vergütung ausgeübt.

8

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

9

a) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht allerdings in der Annahme, die vormalige Betreuerin sei durch den auf die Festsetzung pauschaler Vergütung nach § 1836 BGB für den Zeitraum vom 17. August bis 16. November 2010 gerichteten Antrag daran gehindert, nachträglich Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB für das in diesem Zeitraum erfolgte Aufsetzen und den Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages zu beanspruchen.

10

aa) Zwar wird mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 2 und 3 BGB, §§ 4, 5 VBVG grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach § 1835 Abs. 3 BGB, dessen Geltung gemäß §§ 1 Abs. 2 Satz 2 RVG, 4 Abs. 2 Satz 2 VBVG unberührt bleibt, kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann daher eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gemäß § 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Betreute - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 57/13 - FamRZ 2014, 472 Rn. 11; vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13 f. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382 f.).

11

Die pauschale Vergütung und der Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB stehen beim berufsmäßigen Betreuer nicht in einem Alternativverhältnis zueinander. Vielmehr erfasst der Aufwendungsersatz (nur) diejenigen Leistungen im Rahmen der Aufgabenerfüllung des Betreuers, die eine berufsspezifische Tätigkeit darstellen und für die jeder Betreuer einen Fachmann hinzuziehen dürfte oder - etwa bei Gerichtsverfahren mit Anwaltszwang - sogar muss, während es im Übrigen bei der pauschalen Vergütung sein Bewenden hat. Ein Wahlrecht des Betreuers zwischen pauschaler Vergütung nach §§ 4, 5 VBVG einerseits und Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 BGB andererseits besteht schon deshalb nicht, weil durch § 5 VBVG bei der Betreuervergütung - von den Sonderfällen des § 6 VBVG abgesehen - auch die Stundenanzahl pauschaliert ist (vgl. jurisPK-BGB/Pammler-Klein/Pammler 6. Aufl. [Stand: 1. Oktober 2012] § 1835 Rn. 84; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 3. Aufl. § 4 VBVG Rn. 41; Jürgens/v. Crailsheim Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 15; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57, 73; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2012] § 1835 BGB Rn. 77; im Ergebnis ebenso MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 43; a.A. - ohne Auseinandersetzung mit der geänderten Rechtslage - z.B. KG FamRZ 2012, 63; OLG Hamm FamRZ 2007, 1186, 1187; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1835 Rn. 13; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 6; Staudinger/Bienwald BGB [2014] § 1835 Rn. 62; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Mai 2014] § 1835 Rn. 7). Anders als vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern mit Wirkung zum 1. Juli 2005 (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz vom 21. April 2005, BGBl. I S. 1073), als der berufsmäßige Betreuer gemäß § 1836 Abs. 2 BGB in der bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung nach erbrachten Stunden abrechnen konnte (vgl. zum Wahlrecht nach alter Rechtslage z.B. BayObLG NJW 2002, 1660, 1661; OLG Köln NJW-RR 2003, 712), kann der berufsmäßige Betreuer nun für berufsspezifische Tätigkeiten keine Erhöhung seiner (Pauschal-)Vergütung erreichen. Auf der anderen Seite würde die Annahme eines Wahlrechts dazu führen, dass der berufsmäßige Betreuer bei Geltendmachung von Aufwendungsersatz mit der (pauschalierten) Vergütung für seine sonstigen im Aufgabenkreis erbrachten Leistungen ausgeschlossen wäre, für die er aber keinen Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB erlangen kann.

12

Mithin tritt - vom hier nicht gegebenen Ausnahmefall abgesehen, dass der Aufgabenkreis des Betreuers und die berufsspezifische Tätigkeit deckungsgleich sind - der Aufwendungsersatz bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1835 Abs. 3 BGB neben die pauschale Vergütung. Er kann daher von dem Betreuer, der die berufsspezifischen Leistungen selbst und damit an Stelle des ansonsten gesondert zu vergütenden Fachmannes erbracht hat, zusätzlich geltend gemacht werden (Jürgens/v. Crailsheim Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 15; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 2; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1835 BGB Rn. 20 und § 4 VBVG Rn. 41; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57, 73). Demzufolge entfaltet die Geltendmachung der pauschalen Vergütung auch keine Sperrwirkung für einen späteren Antrag, der sich auf in der fraglichen Zeit erbrachte berufsspezifische Tätigkeiten bezieht.

13

bb) Daraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Tätigkeit eines anwaltlichen Betreuers, die er im Rahmen der Betreuung erbringt, einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB begründet. Vielmehr sind solche Leistungen, die ein nichtanwaltlicher Betreuer ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geleistet hätte, vom Anwendungsbereich des § 1835 Abs. 3 BGB nicht erfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 57/13 - FamRZ 2014, 472 Rn. 11 mwN für einen Ergänzungspfleger).

14

b) Nach diesen Maßgaben hat das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die vormalige Betreuerin hier keinen Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB verlangen kann. Denn seine Annahme, ein anderer Betreuer hätte für die Erstellung und den Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrages nicht die entgeltlichen Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

15

Die Erbauseinandersetzung ist auf der Grundlage des vom Amtsgericht bereits erteilten Erbscheins durchgeführt worden, nach dem die Tochter der Betroffenen in gesetzlicher Erbfolge beerbt wurde, und zwar zu ¾ von ihrem Ehemann und zu je 1/8 von ihren Eltern. Zu Recht hat das Beschwerdegericht den Vertrag als "kurz und einfach strukturiert" bezeichnet und darüber hinaus berücksichtigt, dass das im Vertrag in Bezug genommene Nachlassverzeichnis bereits von dem Ehemann der Verstorbenen erstellt worden war, das Betreuungsgericht der vormaligen Betreuerin in seinen beiden Schreiben weit reichende Hinweise über den Inhalt des abzufassenden Vertrages gemacht hatte, die Erbauseinandersetzung als solche bereits vollzogen war und das Betreuungsgericht auch die von der vormaligen Betreuerin vorgenommene Berechnung der auf die Erben entfallenden Beträge überprüft hatte.

16

Bei dieser Sachlage stellt die Abfassung des Vertrages keine anwaltsspezifische Tätigkeit dar, weil weder rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten zu bewältigen waren. Für diese Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einen generellen Maßstab abzustellen, sondern auf die im Einzelfall zu erledigende Aufgabe. Nur wenn diese die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfordert, kann die Tätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abgerechnet werden.

Dose                               Weber-Monecke                          Schilling

           Nedden-Boeger                                  Guhling

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.