Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2019 - VII ZR 204/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Dr. Kartzke sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn für Bauarbeiten.
- 2
- Am 11. Juli 2013 schlossen die Parteien einen Bauvertrag betreffend die Rohbauarbeiten am Bauvorhaben Nahversorgungszentrum T. 4A in H. .
- 3
- Laut Protokoll vom 5. März 2014 lehnte der Beklagte die Abnahme des Werks wegen gravierender Mängel ab.
- 4
- Mit Schlussrechnung vom 17. September 2014 berechnete die Klägerin 743.673,46 € netto und verlangte unter Berücksichtigung der Abschlagszahlungen und der Schlusszahlung noch 364.454,63 €.
- 5
- Die Klägerin hat diesen Betrag nebst Zinsen geltend gemacht. Sie hat gemeint, der Beklagte habe ihr Werk abgenommen, indem er inzwischen das fertiggestellte Objekt in Betrieb genommen habe.
- 6
- Der Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Er hat unter anderem verschiedene Mängel vorgetragen und gemeint, das Werk der Klägerin sei weder abgenommen noch abnahmereif.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme als derzeit unbegründet abgewiesen.
- 8
- Gegen dieses Urteil hat sich die Klägerin mit der Berufung gewandt, mit welcher sie hauptsächlich begehrt hat, den Klaganspruch dem Grunde nach für begründet zu erklären, und hilfsweise Abschlagszahlung verlangt hat.
- 9
- Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat die Klägerin an offenen Stoßfugen der fehlenden Verankerung der Verblendmauerschale und an Rissen im Mauerwerk weitergearbeitet und behauptet , sie habe insoweit vollständig nacherfüllt.
- 10
- Das Berufungsgericht hat beschlossen, Beweis zu erheben, ob die Verankerung des Verblendmauerwerks sowie die Stürze und Wände wegen Rissen aus technischer Sicht so wesentlich mangelhaft sind, dass das Werk der Klägerin noch immer nicht als abnahmereif anzusehen ist. Architekt Dipl.-Ing. G. hat als vom Berufungsgericht hinzugezogener Sachverständiger am 24. Februar 2017 einen Ortstermin durchgeführt. Das Berufungsgericht hat durch Beschluss vom 2. März 2017 seinen Beweisbeschluss geändert und dem Sachverständigen die Frage gestellt, ob das Werk der Klägerin nach den von ihm insbesondere in dem Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen aus technischer Sicht abnahmereif sei oder nicht. Der Sachverständige hat daraufhin sein Gutachten vom 30. März 2017 erstattet. Auf Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht die Ladung des Sachverständigen zum Verhandlungstermin am 25. Juli 2017 angeordnet. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21. Juli 2017 hat es sodann den Sachverständigen wieder abgeladen mit dem terminsvorbereitenden Hinweis, dass es auf die von den Parteien angekündigten Fragen oder Vorhalte aus Sicht des Berufungsgerichts für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankomme.
- 11
- Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 10. August 2017 - 6 U 54/16, veröffentlicht in BauR 2018, 267, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
- 12
- Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die nach Zulassung der Revision ihre vorinstanzlichen Anträge weiterverfolgen möchte.
II.
- 13
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 14
- Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag der Klägerin auf mündliche Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. G. zur Erläuterung seines Gutachtens vom 30. März 2017 nicht entsprochen hat.
- 15
- 1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen. Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. März 2017 - V ZR 170/16 Rn. 5 m.w.N., DWW 2017, 230 sowie Beschluss vom 6. März 2019 - VII ZR 303/16 Rn. 7, BauR 2019, 1011).
- 16
- 2. So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. G. nicht zur Erläuterung des im Auftrag des Berufungsgerichts erstellten Gutachtens vom 30. März 2017 mündlich angehört, obwohl die Klägerin das beantragt hatte.
- 17
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Weiter ist unerheblich, ob das schriftliche Gutachten Mängel aufweist. Die Parteien haben zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten, in einer mündlichen Anhörung stellen können. Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - IV ZR 47/14 Rn. 8 m.w.N., NJW-RR 2015, 510; Beschluss vom 6. März 2019 - VII ZR 303/16 Rn. 9, BauR 2019, 1011). Beschränkungen des Antragsrechts können sich allenfalls aus den Gesichtspunkten des Rechtsmiss- brauchs oder der Prozessverschleppung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZR 96/10 Rn. 9 m.w.N., ZfBR 2011, 247). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein derartiger Ausnahmefall hier in Betracht käme.
- 18
- 3. Auf diesem Verfahrensverstoß beruht das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts auch. Das Berufungsgericht stützt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin auch auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. G. vom 30. März 2017. Es ist nicht auszuschließen , dass es nach einer Anhörung des Sachverständigen zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
III.
- 19
- Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, sich gegebenenfalls auch mit den weiteren Einwänden der Beschwerde gegen die Behandlung des Hilfsantrags auseinanderzusetzen. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die hilfsweise Geltendmachung eines Abschlagszahlungsantrags auch dann in Betracht kommt, wenn das Entstehen der Abschlagszahlungsansprüche nicht außer Streit ist. Gegenteiliges kann dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2000 - VII ZR 30/99, BauR 2000, 1482 = NZBau 2000, 507 entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnommen werden. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil ausgeführt , lägen keine Teilabnahmen vor, werde die dortige Klägerin ihr Hilfsbegehren auf Abschlagszahlung näher darzulegen haben (BGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - VII ZR 30/99, BauR 2000, 1482 = NZBau 2000, 507, juris Rn. 20).
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 26.04.2016 - 9 O 38/15 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.08.2017 - 6 U 54/16 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.
(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.
(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.
Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.
(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.
(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.
(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.
Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.