Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juni 2000 - VII ZR 30/99
published on 15/06/2000 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juni 2000 - VII ZR 30/99
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 30/99 Verkündet am:
15. Juni 2000
Werner,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 16 E Nr. 1
Der Auftragnehmer kann bei nicht beendetem Vertrag nach erteilter Schlußrechnung
den einmal begründeten Anspruch auf Abschlagszahlung im Prozeß jedenfalls für
den Fall hilfsweise geltend machen, daß er eine Abnahme oder deren unberechtigte
Verweigerung nicht nachweisen kann.
BGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - VII ZR 30/99 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kniffka und Wendt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin fordert von den Beklagten Restwerklohn. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, in dem sich Bauhandwerker verschiedener Gewerke zu dem Zweck zusammengeschlossen haben, einem Auftraggeber Bauleistungen aus einer Hand anbieten zu können. Die beklagten Wohnungseigentümer beauftragten die Klägerin im Mai 1996 mit verschiedenen Sanierungsarbeiten an ihrem Haus; die Geltung der VOB/B war vereinbart. Vertragsbestandteil waren ferner die Allgemeinen Auftragsbedingungen derKlägerin (künftig AAB). Nach Nr. 14 der AAB waren u.a. Einzelgewerke jeweils nach Fertigstellung und Abnahme abzurechnen. Die Klägerin erstellte bezüglich einiger ihrer Teilleistungen zunächst Teilabschlags- und Teilschlußrechnungen. Diese wurden von den Beklagten bezahlt. Mit Schreiben vom 15. November 1996 forderte die Klägerin die Beklagten zu einer "Gesamtabnahme gemäß § 12 VOB/B" auf. In dem Schreiben heißt es u.a.: "Hiermit teilen wir Ihnen die Fertigstellung der vertraglich vereinbarten Leistungen mit. Wir bitten Sie daher um Abnahme der Bauleistungen". Im Termin am 20. November 1996 wurde ein Abnahmeprotokoll mit Mängelliste erstellt, das die Beklagten nicht unterzeichneten. In Nr. 3 dieses Protokolls heißt es: "Abnahme erfolgt mit den unten bzw. auf der Rückseite erwähnten Vorbehalten wegen Leistungsmängeln. Sie wird erst wirksam, wenn die beanstandeten Mängel behoben sind." Einen Teil der in der Liste aufgeführten Mängel beseitigte die Klägerin in der Folgezeit. Unstreitig bestehen jedoch einige der aufgeführten Mängel weiterhin. Die Beklagten verweigerten aufgrund dieser und anderer Mängel weitere Zahlungen. Die Klägerin hat aus fünf Schlußrechnungen über insgesamt 91.593,62 DM einen Teilbetrag von 65.000 DM geltend gemacht. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage aufgrund zu Recht verweigerter Abnahme als derzeit unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.I.
1. Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagten hätten am 20. November 1996 die von der Klägerin geforderte Gesamtabnahme verweigert. Dies ergebe sich bereits aus Nr. 3 des Abnahmeprotokolls. Die Beklagten hätten die Abnahme auch zu Recht verweigert. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bestünden Mängel in nicht unwesentlichem Umfang. Dies folge bereits daraus, daß sie den Beklagten mit der Beschränkung ihrer Klageforderung auf 70 % ein Zurückbehaltungsrecht von nicht unerheblichem Wert zugestehe. Selbst wenn sie hierbei im Sinne eines Druckzuschlages eine Vervielfältigung angesetzt habe, so ergäben sich immer noch Nachbesserungskosten in nicht unerheblicher Höhe. Schließlich sei der Klägerin ein Rückgriff auf frühere Teilabnahmen verwehrt, da die Besonderheit ihres Angebots darin bestehe, die verschiedenen Handwerkerleistungen aus einer Hand anzubieten. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allem stand.a) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft angenommen, die Klägerin hätte am 15. November 1996 abweichend vom bisherigen Verfahren eine Gesamtabnahme verlangt, hält der Senat für nicht begründet; er sieht von einer Begründung ab (§ 565 a ZPO). Entsprechendes
gilt bei der Auslegung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei mit ihrem Verlangen nach einer Gesamtabnahme von ihrem Recht abgerückt, künftig noch Teilabnahmen verlangen zu können. Die weitergehende Beurteilung des Berufungsgerichts, aus dem Verlangen der Klägerin nach Gesamtabnahme folge zugleich, daß sie nicht mehr auf frühere Teilabnahmen zurückgreifen könne, läßt sich allerdings mit einer den Interessen beider Parteien gerecht werdenden Auslegung nicht vereinbaren. Das Verlangen der Klägerin nach einer Gesamtabnahme bezog sich erkennbar nur auf die Teile ihrer erbrachten Leistungen, die noch nicht abgenommen waren. Für die Klägerin bestand auch aus der Sicht der Beklagten kein nachvollziehbarer Grund, die Wirkungen bereits abgenommener Teile ihrer Leistungen, für die sie einen fälligen Anspruch auf Teilvergütung hatte, nachträglich wieder entfallen zu lassen. Die nach den folgenden Ausführungen (Abschnitt b)) gebotene Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dem streitigen Vorbringen der Klägerin nachzugehen, die Flaschner- und Dachdeckerarbeiten seien bereits am 25. Oktober 1996 und die Maler- und Gipserarbeiten seien am 20. November 1996 abgenommen worden.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten die Abnahme zu Recht verweigert, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Das Berufungsgericht hat den Begriff des wesentlichen Mangels, der gemäß § 12 Nr. 3 VOB/B zur Abnahmeverweigerung berechtigt, verkannt. aa) Nach der Rechtsprechung des Senats hängt die Frage, ob ein Mangel wesentlich ist und deshalb zur Verweigerung der Abnahme nach § 12 Nr. 3 VOB/B berechtigt, von der Art des Mangels, seinem Umfang und vor allem seiner Auswirkung ab; dies läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände
des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Selbst die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ist zwar ein wichtiger Ansatzpunkt, aber ebenfalls nur einer der zu berücksichtigenden Umstände (Senat, Urteil vom 26. Februar 1981 - VII ZR 287/79, NJW 1981, 1448). bb) Für die nach diesen Grundsätzen gebotene Abwägung hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Selbst wenn die Klägerin über 65.000 DM hinausgehende 26.593 DM im Hinblick auf Mängel unter Berücksichtigung eines Druckzuschlages nicht geltend machen sollte, wären damit wesentliche Mängel nicht festgestellt. Dem Verlangen nach Abnahme steht auch nicht entgegen, daß noch unwesentliche Restleistungen fehlen, die für die Entscheidung des Auftraggebers, ob er die Leistung als Erfüllung annehmen und billigen will, unbedeutend sind (Beck'scher VOB-Komm/ Jagenburg B Vor § 12 Rdn. 79 f.; Heyermann/Riedl/Rusam, Kommentar zur VOB 8. Aufl. B § 12 Rdn. 3; Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB 13. Aufl. B § 12 Rdn. 17). Da das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat, ist in der Revision zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß lediglich unwesentliche Restarbeiten ausstehen.
c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt, daß eine Nachbesserung durch die Klägerin nicht mehr in Betracht komme, der Vertrag vielmehr gekündigt sei, hat keinen Erfolg. Eine Kündigung des Vertrages haben die Beklagten nicht erklärt. Dies läßt sich auch nicht ihrem Vortrag entnehmen, eine Nachbesserung durch die Klägerin komme nicht mehr in Betracht, weil diese bereits erfolglos nachzubessern versucht habe.
II.
1. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin könne die Klageforderung auch nicht als weitere Abschlagszahlung verlangen. Sie berufe sich ausschließlich auf vorgelegte Schlußrechnungen. Diese seien deshalb erstellt worden, weil die Gewerke nach ihrer Ansicht fertiggestellt seien. Dann aber könnten Abschlagszahlungen, die eine Abnahme nicht voraussetzten, nicht mehr verlangt werden. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand. Die Annahme, der Auftragnehmer könne sich bei nicht beendetem Vertrag und nach erteilter Schlußrechnung nicht mehr auf das Recht berufen, Abschlagszahlungen fordern zu können, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu.
a) Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob der Auftragnehmer bei nicht beendetem Vertrag und nach erteilter Schlußrechnung noch Abschlag fordern kann, bislang offengelassen (vgl. Urteile vom 25. Oktober 1990 - VII ZR 201/89, NJW 1991, 565 f und vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83, NJW 1985, 1840 m.w.N. zum Streitstand). Er braucht diese Frage auch jetzt nicht allgemein zu entscheiden. Denn der Auftragnehmer kann den Anspruch auf Abschlagszahlung im Prozeß jedenfalls für den Fall hilfsweise geltend machen, daß er eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen kann. Der einmal begründete Anspruch auf Abschlagszahlung besteht in diesem Fall fort (so OLG Bremen BauR 1980, 580, 581; wohl auch: Handbuch des privaten Baurechts/Kleine-Möller § 10 Rdn. 84; a.A. Beck'scher VOB-Komm/Motzke B § 16 Nr. 1 Rdn. 11). Das Recht auf Abschlagszahlung soll bei einem Bauvertrag die finanziellen Nachteile des Auftragnehmers ausgleichen , die sich aus seiner gesetzlichen Vorleistungspflicht ergeben (BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83 aaO). Ist davon auszugehen, daß der Auftragnehmer noch vorleistungspflichtig ist, so kann er auf den Anspruch
auf Abschlagszahlung zurückgreifen und ihn jedenfalls hilfsweise geltend machen. In diesem Fall führen Mängel der Teilleistungen nicht zur Klageabweisung mangels Fälligkeit, sondern zur Verurteilung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung (Senat, Urteil vom 25. Oktober 1990 - VII ZR 201/89 aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin hilfsweise ihren Vergütungsanspruch auf ihr Recht auf Abschlagszahlung stützen. Das hat sie getan, wie die Revision zutreffend rügt. Das Berufungsgericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht festgestellt, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag noch Restarbeiten schuldet, wird sie lediglich den Wert ihrer nachgewiesenen vertragsgemäßen Teilleistungen geltend machen können.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird zunächst die von der Klägerin konkret geschuldeten Leistungen zu bestimmen haben. Anhand des vereinbarten Leistungsumfangs wird es dann zu beurteilen haben, ob die Beklagten aufgrund der im Abnahmetermin vom 20. November 1996 festgestellten Mängel und der nicht fertiggestellten Arbeiten die Abnahme zu Recht verweigert hatten. Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob und inwieweit die Beklagten nach dem Vortrag der Klägerin Teilleistungen bereits vor diesem Termin wirksam abgenommen hatten. Liegen keine Teilabnahmen vor, so wird die Klägerin ihr Hilfsbegehren auf Abschlagszahlung näher darzulegen haben.Ullmann Hausmann Wiebel Kniffka Wendt
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published on 20/11/2019 00:00
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 204/17 vom 20. November 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:201119BVIIZR204.17.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Dr. Kar
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