Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:100418BVIZB70.16.0
bei uns veröffentlicht am10.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/16
vom
10. April 2018
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ersatzfähigkeit der dem Berufungsbeklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten,
wenn die anwaltliche Tätigkeit (Antrag auf Zurückweisung der Berufung) in Unkenntnis
der zwischenzeitlich erfolgten Berufungsrücknahme erfolgt (Abgrenzung zu BGH,
Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15, BGHZ 209, 120).
BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - VI ZB 70/16 - OLG München
LG Passau
ECLI:DE:BGH:2018:100418BVIZB70.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Müller

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Beschwerdewert wird auf 1.768,70 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren nach einem in Unkenntnis der Berufungsrücknahme des Klägers ergangenen Bestellungsschriftsatz der Prozessbevollmächtigen der Beklagten.
2
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 Berufung gegen das klageabweisende Endurteil des Landgerichts vom 27. Mai 2016 ein. Der Schriftsatz wurde den Prozessbevollmächtigen der Beklagten am 28. Juni 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2016, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag und den Beklagtenvertretern zugestellt am 5. Juli 2016, nahm der Kläger die Berufung zurück. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016, eingegangen beim Oberlandesgericht am 6. Juli 2016, die Zurückweisung der Berufung. Mit Beschluss vom 28. Juni 2016 erlegte das Oberlandesgericht dem Kläger nach § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens auf und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 70.000 € fest.
3
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 die Festsetzung von Rechtsanwaltskosten für das Beru- fungsverfahren in Höhe von insgesamt 1.768,70 € (1,1-fache Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV-RVG aus einem Gebührenwert von 70.000 € sowie Pauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG, zzgl. USt). Auf Hinweis der Rechtspflegerin vom 12. August 2016 teilten sie mit, die am 28. Juni 2016 zugestellte Berufungsschrift habe ein bis zwei Arbeitstage später zur Bearbeitung vorgelegen. Im Auftrag der Beklagten sei wie üblich eine Prüfung der Formalien erfolgt und sodann der Bestellungsschriftsatz diktiert worden, datiert auf den 1. Juli 2016, so dass eine Befassung vor Zustellung und Kenntnis der Berufungsrücknahme vorliege.
4
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 19. September 2016 den Festsetzungsantrag der Beklagtenseite zurückgewiesen.
5
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober hat die Beklagte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass die (anwaltliche) Tätigkeit erst nach Zustellung der Berufungsrücknahme habe eingestellt werden können.
6
Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 beantragt festgesetzt. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
7
Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Festset- zung der anwaltlichen Kosten in Höhe von 1.768,70 € zugunsten der Beklagten.

II.

8
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat mit Recht trotz der erfolgten Rücknahme der Berufung des Klägers die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten der (Berufungs-) Beklagten für das Berufungsverfahren in Höhe einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV-RVG aus dem Gebührenwert von 70.000 € festgesetzt.
9
1. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei - und im Fall des § 516 Abs. 3 ZPO der Berufungskläger - die dem Gegner erwachsenen Kosten zu tragen, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
10
2. Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Die Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der "verob- jektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17, juris Rn. 24 und Beschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 447/16, FamRZ 2017, 643).
11
3. Da die seitens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erbrachte anwaltliche Tätigkeit im Streitfall in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erfolgte , war diese Tätigkeit im damaligen Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Darauf, dass es der Beauftragung eines Anwalts in Anbetracht der zuvor erfolgten Rücknahme der Berufung objektiv nicht mehr bedurfte, kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht an.
12
a) Soweit sich die Rechtsbeschwerde zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf einen Beschluss des III. Zivilsenats vom 25. Februar 2016 (III ZB 66/15, BGHZ 209, 120-127) stützt, dringt sie nicht durch. In jenem Fall hatte der Berufungsbeklagte durch Zugang des Hinweises gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Kenntnis von der Absicht des Berufungsgerichts erlangt, die Berufung zurückzuweisen. Aus der Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Partei bestand daher kein Anlass, durch Anwaltsschriftsatz einen Berufungsgegenantrag zu stellen.
13
b) Auch die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofszu den Kosten für eine Schutzschrift, die nach Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung eingereicht wurde, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Soweit darin ein rein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wurde (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17), tragen die Ausführungen hierzu die Entscheidung nicht, weil die verfahrensge- genständlichen Kosten bereits vor der Rücknahme angefallen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17, juris Rn. 24). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des I. Zivilsenats zu Kosten für den Zurückweisungsantrag in einem Berufungsverfahren, in welcher die Erstattungsfähigkeit der reduzierten Verfahrensgebühr schon nicht angegriffen war (Beschluss vom 5. Oktober 2017 - I ZB 112/16, FamRZ 2018, 620).
14
c) Schließlich ist das im Streitfall gefundene Ergebnis auch sachgerecht. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen , was zur Rechtsverteidigung zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02, VersR 2003, 877, 878; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl. VV 3201 Rn. 52). Dieser hat es vielmehr in der Hand, durch seinen Prozessbevollmächtigten die Gegenseite von einer (eventuell) beabsichtigten Berufungsrücknahme frühzeitig zu informieren. Galke Wellner von Pentz Offenloch Müller
Vorinstanzen:
LG Passau, Entscheidung vom 19.09.2016 - 4 O 672/14 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2016 - 11 W 1761/16 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2002 - X ZB 9/02

bei uns veröffentlicht am 17.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 9/02 vom 17. Dezember 2002 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein ZPO § 91 Abs. 1, 2 Auch wenn der Berufungskläger die Berufung nur zur Fristwahrung einlegt und vor Ablauf der Berufungsbe

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2018 - XII ZB 112/17

bei uns veröffentlicht am 07.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 112/17 vom 7. Februar 2018 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1; RVG-VV Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 a) Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2017 - I ZB 112/16

bei uns veröffentlicht am 05.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 112/16 vom 5. Oktober 2017 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren ECLI:DE:BGH:2017:051017BIZB112.16.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, den

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - XII ZB 447/16

bei uns veröffentlicht am 25.01.2017

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 30. August 2016 aufgehoben.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - III ZB 66/15

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 66/15 vom 25. Februar 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, RVG-VV Nr. 3200 a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - VI ZB 70/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2019 - V ZB 196/17

bei uns veröffentlicht am 23.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 196/17 vom 23. Mai 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 Die der beklagten Partei durch die Einreichung einer Anwaltsbestellung nach Klagerückna

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - VI ZB 2/18

bei uns veröffentlicht am 18.12.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 2/18 vom 18. Dezember 2018 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, § 568 Satz 2 a) Bejaht der Einzelrichter im Beschwerdeverfahren mit sei

Referenzen

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

24
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist - ebenso wie bei §§ 162 Abs. 1 VwGO, 80 Satz 1 FamFG - Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 499/11 - FamRZ 2014, 747 Rn. 9; BGH Beschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZB 81/16 - MDR 2018, 58 Rn. 9; vom 6. November 2014 - I ZB 38/14 - NJW-RR 2015, 761 Rn. 9; vom 4. April 2006 - VI ZB 66/04 - VersR 2006, 1089 Rn. 6; BGHZ 166, 117 = NJW 2006, 2260 Rn. 20 und vom 20. Oktober 2005 - VII ZB 53/05 - NJW 2006, 446 Rn. 12; vgl. auch BGHZ 209, 120 = NJW 2016, 2751 Rn. 8). Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Hierfür maßgeblich ist der jeweilige Informationsstand der Partei, weil sie nur auf dieser Grundlage die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme treffen kann, nicht aber ein sich hiervon ggf. unterscheidender, alle Informationen umfassender Wissensstand des die Sachdienlichkeit ex post Beurteilenden. Ob eine Maßnahme notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war, bestimmt sich daher aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (vgl. OLG Saarbrücken AGS 2015, 98, 100; MünchKommZPO/Schulz 5. Aufl. § 91 Rn. 114; Fölsch MDR 2016, 503, 504; Hansens ZfS 2016, 287). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu Kosten für eine Schutzschrift , die nach Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung eingereicht wurde. Soweit darin ein rein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wurde (BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17), tragen die Ausführungen die Entscheidung nicht, weil die verfahrensgegenständlichen Kosten bereits vor der Rücknahme angefallen waren.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 30. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 202 €

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner begehrt die Festsetzung von Anwaltskosten gegen die Antragstellerin.

2

Die miteinander verheirateten Beteiligten leben getrennt. Mitte Juli 2015 beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind zu übertragen. Das Amtsgericht bestimmte am 9. September 2015 Termin zur Anhörung auf den 29. September 2015 und verfügte die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der die Ladung und die Antragsschrift am 12. September 2015 erhielt. Mit am 14. September 2015 beim Amtsgericht eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. In Unkenntnis hiervon beauftragte der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in dem Verfahren. Dieser reichte - ohne Kenntnis von der Antragsrücknahme zu haben - am 23. September 2015 beim Amtsgericht einen Schriftsatz ein, mit dem dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 erlegte das Amtsgericht der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf.

3

Mit Antrag vom 20. Januar 2016 hat der Antragsgegner um Festsetzung seiner Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € ersucht. Dem hat das Amtsgericht entsprochen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags gerichtetes Begehren weiter.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 70 Abs. 4 FamFG begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist. Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (vgl. BGH Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 - NJW 2013, 1369 Rn. 5 mwN; Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl. § 70 Rn. 48a; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 30. September 2015 - XII ZB 635/14 - FamRZ 2015, 2147 Rn. 6 mwN und vom 11. September 2013 - XII ZA 54/13 - FamRZ 2013, 1878 Rn. 7 mwN).

6

2. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2017, 138 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

7

Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts habe die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Festzusetzen seien die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendigen Aufwendungen. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO seien dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten und damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen.

8

Zwar habe der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 25. Februar 2016 (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900) ausgesprochen, entscheidend sei darauf abzustellen, ob die kostenauslösende Maßnahme objektiv erforderlich sei, so dass es auf eine Unkenntnis des Rechtsmittelgegners von einer Berufungsrücknahme nicht ankomme. Folgte man dem auch in der vorliegenden Konstellation und stellte daher auf die Rücknahme des Antrags ab, hätte der Antragsgegner die zweifelsfrei angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen.

9

Diese einer Mindermeinung entsprechende Rechtsansicht sei jedoch von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar. Sie widerspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz herrschenden Meinung, nach der die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig seien, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels gehabt hätten. Der Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs sei bereits sprachlich unklar. Entscheidend sei aber, dass nach der Wertung des Bundesgerichtshofs die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei das volle Kostenrisiko tragen solle für den Fall, dass diese Prozesshandlungen zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt zurückgenommen würden. Die vom Bundesgerichtshof vertretene Ansicht, eine bestehende Ungewissheit könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheine bedenklich und praxisfremd.

10

Richtig sei demnach, mit dem Bundesarbeitsgericht nur auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden Partei abzustellen. Wisse diese unverschuldet nichts von einer zwischenzeitlichen Rücknahme, sei Erstattungsfähigkeit anzunehmen.

11

3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

12

Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts ist unzutreffend. Denn dieses hat die Erstattungsfähigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage von § 91 ZPO geprüft, der im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar ist.

13

Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist mit der elterlichen Sorge eine Kindschaftssache nach § 151 Nr. 1 FamFG. Anders als in Ehesachen und Familienstreitsachen, für die § 113 Abs. 1 ZPO anstelle der §§ 80 ff. FamFG die entsprechende Geltung der Kostenbestimmungen in §§ 91 ff. ZPO anordnet, richten sich in Kindschaftssachen als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Kosten nach den §§ 80 ff. FamFG. Der - auch vom Oberlandesgericht zitierte - § 85 FamFG ordnet lediglich für die Kostenfestsetzung die entsprechende Anwendung der §§ 103 bis 107 ZPO an.

14

Ob die streitgegenständlichen Kosten von der Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts, nach der die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erfasst sind, bestimmt sich vorliegend gemäß § 80 Satz 1 FamFG, wonach Kosten - neben den Gerichtskosten - die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, den das Oberlandesgericht zur Begründung der Notwendigkeit der Rechtsanwaltskosten herangezogen hat, ist nicht einschlägig, weil § 80 Satz 2 FamFG nicht auf ihn verweist. Vielmehr erfordert die Bejahung der Notwendigkeit die auf einer einzelfallbezogenen Prüfung beruhende Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig war (vgl. Schneider NZFam 2016, 1198). An einer solchen Feststellung fehlt es bislang.

15

4. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

16

a) Die vom Antragsgegner begehrte Festsetzung der Rechtsanwaltskosten ist vorliegend nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die kostenauslösenden Maßnahmen erst erfolgten, als der für die begehrte Übertragung der elterlichen Sorge nach §§ 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB, 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Antrag bereits wirksam (§ 22 Abs. 1 FamFG) und nach § 22 Abs. 2 FamFG mit verfahrensbeendender Wirkung zurückgenommen war.

17

aa) Die vom Oberlandesgericht kritisierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zum Umfang der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergangen. Nach dieser Norm hat die unterliegende Partei - und gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger - dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Notwendig in diesem Sinne sind danach nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 8 mwN; vgl. auch BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 mwN).

18

Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des - bereits begründeten - Rechtsmittels beantragt wird, dann nicht erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht. Denn die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels stellt keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nämlich nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung wie die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung zu begründen. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 9 f. mwN; vgl. auch BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 zur Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung).

19

bb) Dies wird von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur anders gesehen (vgl. etwa BAG AGS 2013, 98, 100; OLG Saarbrücken JurBüro 2015, 190 f.; OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1227, 1228; OLG Hamburg AGS 2013, 441, 442; OLG Hamm FamRZ 2013, 1159; Fölsch MDR 2016, 503 f.; Hansens ZfS 2016, 287 f.; vgl. auch Schneider NZFam 2016, 1198; Mayer FD-RVG 2016, 381533; Hk-ZPO/Wöstmann 7. Aufl. § 516 Rn. 11). Die Kostenerstattung richte sich nämlich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständig und kostenbewusst handelnde Partei die konkrete Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen dürfe. Neben einem Hinweis auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind, wird unter anderem auch darauf verwiesen, dass nur durch Annahme der Erstattungsfähigkeit den berechtigten Interessen des Gegners an einer adäquaten Rechtsverteidigung Rechnung getragen werden könne. Zudem habe es der Kläger bzw. Rechtsmittelführer selbst in der Hand, den Gegner durch frühzeitige Mitteilung der Rücknahme bösgläubig zu machen.

20

cc) Welcher dieser zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vertretenen Auffassungen zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls im Rahmen des § 80 Satz 1 FamFG können auch nach Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme entstandene Kosten des Antrags- oder Rechtsmittelgegners erstattungsfähig sein.

21

(1) Erstattungsfähige Kosten sind nach § 80 Satz 1 FamFG neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 80 Satz 2 FamFG verweist für letztere auf § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO (notwendige Reisen und Zeitversäumnis durch notwendige Terminswahrnehmung), nicht aber auf die Regelung des § 91 Abs. 2 ZPO zu Rechtsanwaltskosten. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet sich von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, gibt aber ebenso wie dieser auf die Frage, inwieweit für die Notwendigkeit von Kosten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, keine eindeutige Antwort.

22

(2) Die Vorschrift des § 80 Satz 1 FamFG ist nicht § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern § 162 Abs. 1 VwGO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Dieser regelt, dass Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens sind. Ob Aufwendungen der Beteiligten notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, ob ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Prozessverlauf nachträglich als unnötig herausstellt (BVerwG Rpfleger 2008, 666, 667; NJW 2000, 2832; NJW 1964, 686; BeckOK VwGO/Kunze [Stand: 1. Oktober 2016] § 162 Rn. 51 mwN; Kopp/Schenke VwGO 22. Aufl. § 162 Rn. 3; Kugele VwGO § 162 Rn. 4; Neumann in Sodan/Ziekow VwGO 4. Aufl. § 162 Rn. 11). Maßgeblich ist mithin die "verobjektivierte" Sicht eines verständigen Beteiligten (Wysk in Wysk VwGO 2. Aufl. § 162 Rn. 11), nicht ein rein objektiver Maßstab (BVerwG NJW 1964, 686; Eyermann/Schmidt VwGO 14. Aufl. § 162 Rn. 3). Folgerichtig wird - soweit ersichtlich - die Frage, ob Rechtsanwaltsgebühren nach § 162 VwGO auch dann erstattungsfähig sein können, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz einreicht, ohne die bereits erfolgte Rücknahme zu kennen oder kennen zu müssen, bejaht (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 1998, 342 f.; Olbertz in Schoch/Schneider/Bier VwGO [Stand: Juni 2016] § 162 Rn. 46).

23

(3) Nichts anderes gilt für § 80 Satz 1 FamFG. Auch im Rahmen dieser Vorschrift sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1743 f.; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. Dezember 2016] § 80 Rn. 7; Horndasch/Viefhues FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 21; Kemper/Schreiber Familienverfahrensrecht 3. Aufl. § 80 FamFG Rn. 35; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 3a; Hk-ZPO/Kemper 7. Aufl. § 80 FamFG Rn. 5; Wittenstein in Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 9; Zöller/Feskorn ZPO 31. Aufl. § 80 FamFG Rn. 3; so zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch BGHZ 166, 117 = NJW 2006, 2260 Rn. 20 und BGH Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - FamRZ 2003, 441, 443). Soweit in Rechtsprechung und Literatur sprachlich hiervon abweichend darauf abgestellt wird, dass die Kosten nach der allgemeinen Verkehrsauffassung objektiv aufzuwenden sein müssten (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2012, 735; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 5; MünchKommFamFG/Schindler 2. Aufl. § 80 Rn. 10; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 6), begründet dies keinen sachlichen Unterschied. Denn die allgemeine Verkehrsauffassung steht insoweit für den „verobjektivierten“ Standpunkt des verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Beteiligten. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit nach § 80 Satz 1 FamFG ist mithin kein rein objektiver. Die Frage, ob vom Antrags- oder Rechtsmittelgegner trotz bereits erfolgter Rücknahme verursachte Kosten notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG sind, ist nicht aufgrund der objektiven Verfahrenssituation, sondern von diesem "verobjektivierten" Standpunkt aus zu beantworten.

24

(a) Den Kostenbestimmungen der §§ 80 ff. FamFG liegt ein anderes Regelungskonzept als den §§ 91 ff. ZPO zugrunde. Während nach der Zivilprozessordnung die Kostenlast regelmäßig dem jeweiligen Obsiegen oder Unterliegen folgt, haben die §§ 80 ff. FamFG in viel stärkerem Maße den Einzelfall und dabei, wie § 81 Abs. 2 FamFG belegt, subjektive Elemente der schuldhaften Kostenverursachung im Blick. Dies gewinnt nicht nur für die Kostengrundentscheidung, sondern auch für das Verständnis des Begriffs der Notwendigkeit in § 80 Satz 1 FamFG Bedeutung. Darf ein Beteiligter nach den Informationen, die ihm zur Verfügung stehen oder zumindest stehen müssten, bei verständiger und wirtschaftlich vernünftiger, eine sparsame Verfahrensführung berücksichtigenden Herangehensweise davon ausgehen, dass eine Maßnahme sachdienlich ist, so erwächst ihm aus der Vornahme der Maßnahme kein Vorwurf. So aber verhält es sich, wenn er als Antrags- oder Rechtsmittelgegner davon ausgeht und ausgehen darf, sich in einem Verfahren zur Wehr setzen zu müssen. Eine Rücknahme, die er weder kennt noch kennen muss, hat hierauf keinen Einfluss. Veranlasser ist vielmehr letztlich allein der Antragsteller oder Rechtsmittelführer.

25

Jedenfalls im Rahmen des § 80 FamFG wäre es im Gegenteil systemfremd und auch unbillig, dem Antrags- oder Rechtsmittelgegner, der auf den Rücknahmezeitpunkt keinen Einfluss hat, einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu versagen, wenn er bei Verursachung der Kosten auch vom Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, auf Kostengeringhaltung bedachten Beteiligten von der Notwendigkeit dieser Kosten ausgehen durfte.

26

(b) Zu keinem anderen Ergebnis führt bei § 80 FamFG die Überlegung, bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme im Kostenfestsetzungsverfahren, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, sei eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Vor diesem Hintergrund sei es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" von Beteiligtem und Verfahrensbevollmächtigtem) zu belasten (vgl. BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 11; BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17). Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 85 FamFG, §§ 103 bis 107 ZPO muss ohnehin stets eine Einzelfallprüfung danach erfolgen, ob notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 FamFG vorliegen. Dies gilt auch für Rechtsanwaltskosten, weil es an einer § 91 Abs. 2 ZPO entsprechenden Norm fehlt. Die für den Ausnahmefall der vor Kostenverursachung erfolgten Rücknahme erforderliche Prüfung, ob eine unverschuldete Unkenntnis des Antrags- oder Rechtsmittelgegners vorliegt, bedeutet in diesem Zusammenhang keine Überfrachtung des Kostenfestsetzungsverfahrens.

27

b) Der Senat kann die Notwendigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht selbst beurteilen. Insoweit fehlt es bereits an ausreichenden Feststellungen zur Schwierigkeit der Sache (vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2012, 735; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 28; MünchKommFamFG/Schindler 2. Aufl. § 80 Rn. 11; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 5. Aufl. § 80 Rn. 50). Diese wird das Oberlandesgericht nun zu treffen haben.

Dose      

        

Klinkhammer      

        

Schilling

        

Botur      

        

Guhling      

        

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 66/15
vom
25. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche
Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet
zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt
einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen,
wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen
Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der
Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt
(Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. Januar
2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117).

b) Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme
entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig,
wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen
musste (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB
39/06, NJW-RR 2007, 1575).
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15 - OLG München
LG Landshut
ECLI:DE:BGH:2016:250216BIIIZB66.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch den Vorsitzender Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2015 - 11 W 302/15 - aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Landshut vom 20. Januar 2015 - 74 O 1092/14 - aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20. November 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens jeweils zu ¼ zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 905 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten für das Berufungsverfahren trotz Rücknahme des Rechtsmittels der Klägerin vor Stellung des Berufungszurückweisungsantrags die Erstattung der vollen anwaltlichen Verfahrens- gebühr nach Nr. 3200 der Anlage 1 des RVG (RVG VV) nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV verlangen können.
2
Die Klägerin legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Landgerichts Berufung ein und begründete diese. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 wies das Oberlandesgericht die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14. November 2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12. November 2014, der am selben Tag beim Oberlandesgericht einging und am 20. November 2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück. Mit Beschluss vom 13. November 2014 sprach das Oberlandesgericht aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14. November 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
3
Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 RVG VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 RVG VV) und einer Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 RVG VV) auf 905 € nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) zu Unrecht bejaht.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes vom 14. November 2014 sei für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 RVG VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Diese Voraussetzungen erfülle der Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2014. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12. November 2014 - vor Erstellung des den Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes - zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Denn von der Rücknahme des Rechtsmittels hätten die Beklagten erst durch Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20. November 2014 Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Für den vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen gelte nichts anderes. Die Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575), wonach die durch Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten auch bei unverschuldeter Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht erstattungsfähig seien, könne nicht ohne Weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder Berufung übertragen werden. Die Beklagten hätten auch nicht den Ablauf der vom Oberlandesgericht für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 522 ZPO abwarten müssen.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
a) Die vom Landgericht antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Einreichung der Berufungserwiderung am 14. November 2014 - wie das Beschwerdegericht meint - eine volle Verfahrensgebühr gegenüber den Beklagten angefallen ist. Denn die Entstehung der Verfahrensgebühr ist von ihrer Erstattungsfähigkeit streng zu unterscheiden (Maué in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 3200-3205 VV Rn. 6).
8
aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 – 6 W 70/08, juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 2; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak /Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, NJW 2012, 1370 Rn. 12; vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734 Rn. 9 und vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 10; jew. mwN).
9
bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. Nach der unter anderem vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung sind die Kosten des Rechtsmittelgegners in diesen Fällen dann erstattungsfähig, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungserwiderung bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme des Rechtsmittels bereits erfolgt war (s. auch OLG München, BeckRS 2010, 27585; OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 2 W 69/10, juris Rn. 4 [Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Klagerücknahme eingereichten Klageerwiderung]; Maué aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3201 VV Rn. 9, 88, Anhang XIII Rn. 46 ff mwN zum Streitstand). Nach anderer Auffassung sind die Kosten eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Berufungszurückweisungsantrags die Berufung bereits zurückgenommen war. Auf die (unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsbeklagten von der Rücknahme des Rechtsmittels komme es nicht an (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 - 6 W 70/08, juris Rn. 15; s. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 [keine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten bei Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 4 [keine Erstattung von Anwaltskosten bei Klageerwiderung nach Klagerücknahme]; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 48).
10
cc) Der Senat folgt der Auffassung, nach der die Einreichung einer Berufungserwiderung (mit Berufungszurückweisungsantrag und/oder Sachvortrag) nach Rücknahme des Rechtsmittels keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Rechtsmittelgegners auslöst. Nach dem unter aa) dargestellten Maßstab stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO). Die Gegenmeinung lässt dabei außer Betracht, dass im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich ist, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick hat (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20). Danach ist die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt. In den Fällen, in denen das Berufungsgericht dem Rechtsmittelkläger eine Frist zur Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme gesetzt hat, kann der Rechtsmittelbeklagte, der eine Erwiderung zum Fristende erwägt, außerdem eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen ist, durch eine (gegebenenfalls telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.
11
Es kommt hinzu, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren , das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Vor diesem Hintergrund wäre es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" der Partei und des Prozessbevollmächtigten) zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO mwN; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 aaO Rn. 15).
12
Soweit das Beschwerdegericht meint, die vorgenannten Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten seien vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 23. November 2006 aaO) lediglich für den Sonderfall der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entwickelt worden und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Bei diesen Grundsätzen handelt es sich vielmehr um den allgemeinen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Umfangs der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
13
b) Die Beklagten können auch nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 ZPO die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV (i.V.m. einer 0,9-fachen Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) verlangen.
14
Wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden ist, kommt die Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG VV betrieben hat und damit jedenfalls die ermäßigte 1,1-fache Verfahrensgebühr angefallen ist. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen. (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 18 f). Daran fehlt es hier. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erstmals nach der Rücknahme der Berufung tätig geworden, indem sie am 14. November 2014 die Zurückweisung der Berufung mit kurzer Begründung beantragt haben. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zu keinem Zeitpunkt vorgetragen haben, ihre Prozessbevollmächtigten hätten im Berufungsverfahren das Geschäft in Erfüllung eines entsprechenden Auftrags vor der Rücknahme des Rechtsmittels in irgendeiner Weise betrieben. Vielmehr ist das Vorbringen der Klägerin, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien erst nach Beendigung des Berufungsverfahrens tätig geworden, unwidersprochen geblieben. Die Beklagten haben lediglich den unzutreffenden Rechtsstandpunkt eingenommen, die Verfahrensgebühr sei allein durch die Einreichung der Berufungserwiderung nach Rechtsmittelrücknahme entstanden. Es fehlt somit an den Voraussetzungen für die Entstehung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 04.09.2014 - 74 O 1092/14 -
OLG München, Entscheidung vom 27.02.2015 - 11 W 302/15 -

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

24
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist - ebenso wie bei §§ 162 Abs. 1 VwGO, 80 Satz 1 FamFG - Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 499/11 - FamRZ 2014, 747 Rn. 9; BGH Beschlüsse vom 8. November 2017 - VII ZB 81/16 - MDR 2018, 58 Rn. 9; vom 6. November 2014 - I ZB 38/14 - NJW-RR 2015, 761 Rn. 9; vom 4. April 2006 - VI ZB 66/04 - VersR 2006, 1089 Rn. 6; BGHZ 166, 117 = NJW 2006, 2260 Rn. 20 und vom 20. Oktober 2005 - VII ZB 53/05 - NJW 2006, 446 Rn. 12; vgl. auch BGHZ 209, 120 = NJW 2016, 2751 Rn. 8). Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Hierfür maßgeblich ist der jeweilige Informationsstand der Partei, weil sie nur auf dieser Grundlage die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme treffen kann, nicht aber ein sich hiervon ggf. unterscheidender, alle Informationen umfassender Wissensstand des die Sachdienlichkeit ex post Beurteilenden. Ob eine Maßnahme notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war, bestimmt sich daher aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (vgl. OLG Saarbrücken AGS 2015, 98, 100; MünchKommZPO/Schulz 5. Aufl. § 91 Rn. 114; Fölsch MDR 2016, 503, 504; Hansens ZfS 2016, 287). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu Kosten für eine Schutzschrift , die nach Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung eingereicht wurde. Soweit darin ein rein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wurde (BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17), tragen die Ausführungen die Entscheidung nicht, weil die verfahrensgegenständlichen Kosten bereits vor der Rücknahme angefallen waren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 112/16
vom
5. Oktober 2017
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
ECLI:DE:BGH:2017:051017BIZB112.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Marx
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Beschwerde des Klägers über einen Betrag von 2.048,80 € hinaus zurückgewiesen worden ist. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dortmund vom 26. April 2016 abgeändert. Die von dem Antragsteller der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.048,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 aus 1.415 € und seit dem 31. März 2016 aus weiteren 633,80 € festgesetzt. Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Antragsgegnerin. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 279 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Antragsgegnerin verlangt im Kostenfestsetzungsverfahren Erstattung ihrer Anwaltskosten.
2
In dem vorausgegangenen Verfügungsverfahren nahm der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Dagegen legte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Berufung ein. Nachdem der Berichterstatter den Verfahrensbevollmächtigten beider Parteien am 10. März 2016 die vorläufige Einschätzung, das Rechtsmittel habe keine Aussicht auf Erfolg, telefonisch mitgeteilt hatte, nahm der Antragsteller am 16. März 2016 die Berufung zurück. Am selben Tag - jedoch nach Eingang der Rücknahmeerklärung - gingen der Zurückweisungsantrag und die Berufungserwiderung der Antragsgegnerin beim Oberlandesgericht ein. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. März 2016 wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3
Dem Antrag der Antragsgegnerin, für das Berufungsverfahren eine 1,6-fache Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG in Verbindung mit Nr. 3200 VV RVG aus einem Streitwert bis 10.000 € nebst einer Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG gegen den Antragsteller festzusetzen, hat das Landgericht entsprochen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Antragsgegnerin weiter, soweit damit die Festsetzung der 1,6-fachen Verfahrensgebühr anstatt der ermäßigten 1,1-fachen Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren beantragt worden ist.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG zu Unrecht bejaht.
6
1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht ausgeführt , mit Einreichung des Schriftsatzes vom 16. März 2016 sei für die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Die den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zustehende 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass der Antragsteller seine Berufung ebenfalls am 16. März 2016 und vor Einreichung der Berufungserwiderung zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Von der Rücknahme des Rechtsmittels habe die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrags keine Kenntnis gehabt. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig , wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen.
7
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
a) Die vom Landgericht antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Antrag auf Zu- rückweisung der Berufung erst nach Rücknahme des Rechtsmittels eingegangen ist.
9
aa) Nach dieser Vorschrift hat die unterliegende Partei oder im Fall der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; Beschluss vom 30. September 2014 - XI ZB 21/13, JurBüro 2015, 90 Rn. 10; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15, BGHZ 209, 120 Rn. 8).
10
bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach der Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist bereits Gegenstand von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gewesen. Danach stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, GRUR 2007, 727 Rn. 16 f. = WRP 2007, 786 - Kosten der Schutzschrift II; BGHZ 209, 120 Rn. 10).
11
b) Dieser rechtlichen Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2017 (XII ZB 447/16, MDR 2017, 365) entgegen. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage von § 80 Satz 1 FamFG ergangen. Den Kostenbestimmungen der §§ 80 ff. FamFG liegt ein anderes Regelungskonzept als den §§ 91 ff. ZPO zugrunde, welches in viel stärkerem Maße den Einzelfall und dabei subjektive Elemente der schuldhaften Kostenverursachung im Blick hat (BGH, MDR 2017, 365 Rn. 24).
12
3. Die Antragsgegnerin kann danach gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 ZPO nur die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG nebst Auslagen (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von insgesamt 633,80 € verlangen.
13
Wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden ist, kommt eine Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG in Betracht. Dies setzt voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft im Sinn von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG betrieben hat. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen (BGHZ 209, 120 Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts gegeben. Der Auftrag, den die Antragsgegnerin ihren Verfahrensbevollmächtigten für das Berufungsverfahren erteilt hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
14
4. Hinsichtlich der Erstattung der Kosten für die erste Instanz bleibt es bei der antragsgemäßen Festsetzung in Höhe von 1.415 €. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde auch nicht.
15
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Büscher Löffler Schwonke Feddersen Marx
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 26.04.2016 - I-16 O 87/15 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 22.11.2016 - I-25 W 245/16 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 9/02
vom
17. Dezember 2002
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Auch wenn der Berufungskläger die Berufung nur zur Fristwahrung einlegt und
vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zurücknimmt, ist dem Berufungsbeklagten
eine zur Kostenfestsetzung angemeldete 13/20-Gebühr eines zu diesem
Zeitpunkt bereits beauftragten zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
zu erstatten.
BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 17. Dezember 2002

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Februar 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Klägerin hat gegen das landgerichtliche Urteil, durch das die von ihr erhobene Schadensersatzklage abgewiesen worden ist, Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 12. April 2001 teilte sie dem Beklagten mit, daß das Rechtsmittel nur zur Fristwahrung eingelegt werde, und bat den Beklagten, zunächst noch keinen Anwalt für die zweite Instanz zu bestellen. Gleichwohl hat der Beklagte am 30. April 2001 einen Prozeßbevollmächtigten für das Berufungsverfahren beauftragt. Nach Rücknahme der Berufung innerhalb verlän-
gerter Begründungsfrist hat sein Prozeßbevollmächtigter die Vertretung des Beklagten angezeigt und einen Kostenbeschluß erwirkt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht eine 13/20-Prozeßgebühr für den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Rechtspflegers mit Beschluß vom 8. November 2001 zunächst aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Auf die Gegenvorstellung des Beklagten hat das Oberlandesgericht seine Entscheidung durch den angefochtenen Beschluß wieder aufgehoben und die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie weiterhin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrag erstrebt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Da die angefochtene Entscheidung nach dem 31. Dezember 2001 erlassen worden ist, findet auf die Rechtsbeschwerde nach § 26 Nr. 10 EGZPO die Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und gemäß § 575 ZPO auch im übrigen zulässig.
2. Die Rechtskraft des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 8. November 2001 steht einer Sachentscheidung nicht entgegen. Vielmehr war das Beschwerdegericht berechtigt, seinen ersten Beschluß auf Grund der Gegen-
vorstellung des Beklagten abzuändern, unbeschadet dessen, daß der Beschluß auf sofortige Beschwerde gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergangen und nach dem insoweit maßgeblichen früheren Recht nicht anfechtbar und somit formell rechtskräftig geworden war (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rdn. 21 "Rechtskraft"). Trotz grundsätzlich eingetretener Bindungswirkung können nämlich Beschlüsse durch das erlassende Gericht auf Grund einer Gegenvorstellung korrigiert werden, wenn sie unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder anderer Verfahrensgrundrechte zustandegekommen sind und daher einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten könnten (vgl. BGHZ 130, 97, 99 f.; BGH, Urt. v. 8.11.1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschl. v. 25.11.1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590; v. 26.4.2001 - IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; zum neuen Recht BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß dem Gericht in solchen Fällen die Möglichkeit eröffnet werden soll, den Fehler selbst zu beheben und den Beteiligten dadurch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ersparen.
Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht mit seiner Entscheidung vom 8. November 2001 das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt. Dieser hatte mit Schriftsatz vom 4. September 2001 vorgebracht, die Prozeßgebühr sei in der geltend gemachten Höhe erstattungsfähig, weil die Bestellung des zweitinstanzlichen Anwalts vor der Berufungsrücknahme erfolgt sei. Demgegenüber wird im Beschluß vom 8. November 2001 maßgeblich darauf abgestellt , daß der Beklagte zunächst davon abgesehen habe, im Berufungsrechtszug einen Rechtsanwalt für sich zu bestellen, und daß die Vertretung erst nach der Rechtsmittelrücknahme angezeigt worden sei. Dies hätte bedeutet, daß der Prozeßbevollmächtigte nur zu dem Zweck bestellt worden wäre, den Kosten-
ausspruch zu beantragen. Das Beschwerdegericht hat demnach ohne weitere Begründung einen vom Vortrag des Beklagten abweichenden Sachverhalt zugrundegelegt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist jedoch verletzt, wenn das entscheidende Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 47, 182, 188; Sen.Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, NJW-RR 2000, 1569; v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, BGH-Rep. 2002, 1056).
3. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde nicht begründet.

a) Das Beschwerdegericht hält die Kosten des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten im festgesetzten Umfang für erstattungsfähig. Auch wenn die Durchführung einer zunächst nur fristwahrend eingelegten Berufung zunächst noch ungewiß sei, müsse der Berufungsbeklagte nach dem Grundsatz der Waffengleichheit in jedem Fall berechtigt sein, seinerseits sogleich einen Rechtsanwalt für die Berufungsinstanz zu beauftragen. Damit müsse er nicht warten, bis die Berufungsbegründung eingereicht werde, weil er sonst mit der Vorbereitung einer eventuell erforderlichen Berufungserwiderung unter Fristendruck geraten könne.

b) Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde handelt es sich dagegen bei den dem Beklagten entstandenen Anwaltskosten nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO. Im Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung sei die Klägerin noch nicht zur Durchführung des Rechtsmittels entschlossen gewesen und habe weder einen Berufungsantrag gestellt noch eine Berufungsbegründung eingereicht. Es habe demnach noch keinen konkreten
Angriff gegeben, gegen den sich der Beklagte habe verteidigen müssen. Allein durch die Einlegung des Rechtsmittels drohe dem Rechtsmittelgegner keine Gefahr. Ob bzw. in welchem Umfang Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden müßten, zeige erst die Berufungsbegründung. Erst aus ihr ergebe sich, inwieweit und aus welchen Gründen bzw. unter welchem Gesichtspunkt das Urteil angefochten werde. Zuvor sei dem Berufungsbeklagten unbekannt, ob und welche Verteidigungsmaßnahmen notwendig seien.

c) Die Argumente der Rechtsbeschwerde, die sich auf einen Teil der veröffentlichten Rechtsprechung stützen kann (s. etwa OLG Hamburg, JurBüro 1994, 423; OLG Dresden, MDR 1998, 1309, und MDR 2000, 852; LAG Hamm, MDR 1998, 1440 f.), vermögen nicht zu überzeugen. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, daß eine Partei im Prozeß einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.
Eine derartige Einschränkung läßt sich auch § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht entnehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts überhaupt der Nachprüfung unterliegt. Denn jedenfalls ist sie aus der Sicht einer verständigen Prozeßpartei zu beurteilen. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten im konkreten Fall objektiv nützlich oder gar notwendig war, sondern ob eine verständige Prozeßpartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Dies kann im Regelfall, solange die Berufung nicht wieder
zurückgenommen ist, nicht verneint werden. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten. Dies gilt um so mehr, als ein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter - sofern ein solcher überhaupt bestellt war - insoweit keine Beratung leisten wird. Die Beratung in Angelegenheiten der Berufungsinstanz gehört nämlich nicht zu den Tätigkeiten, die von der Gebühr des im vorangegangenen Rechtszug tätigen Rechtsanwalts abgedeckt sind (vgl. § 37 Nr. 7 BRAGO).
Ob in der aktuellen Situation tatsächlich etwas zu veranlassen ist, kann in diesem Zusammenhang nicht allein den Ausschlag geben. Auch der in dem angefochtenen Beschluß angesprochene Grundsatz der Waffengleichheit spielt daher nicht die entscheidende Rolle. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts braucht nicht erforderlich zu sein, damit Vorbereitungen für eine Berufungserwiderung rechtzeitig getroffen werden können und dadurch ein Fristendruck vermieden wird. Es muß genügen, daß der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf. Daher kann ihm im Normalfall auch nicht zugemutet werden, mit der Bestellung eines Anwalts solange zu warten, bis der Berufungskläger einen Antrag (oder gar mehrere Anträge) auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gestellt hat (in diesem Sinne jedoch OLG Bamberg, JurBüro 1985, 407 f.; OLG Hamm, FamRZ 1990, 537; OLG Nürnberg, JurBüro 1992,

39).


Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde demgegenüber auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Prozeßkostenhilfe, nach denen dem Revisionsbeklagten bis zur Einreichung der Revisionsbegründung im allgemeinen kein anwaltlicher Beistand zugebilligt wird, unabhängig davon, ob sich eine bemittelte Partei auf eigene Kosten schon früher eines Revisionsanwalts bedienen würde (Beschl. vom 30.9.1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446 f.; v. 10.2.1988 - IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942, jeweils m.w.N.). Begründet wird dies mit der Vorschrift des § 114 Satz 1 ZPO, wonach die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung nicht mutwillig sein darf. Den Entscheidungen liegen spezifisch prozeßkostenhilferechtliche Erwägungen zugrunde, die im vorliegenden Zusammenhang, in dem es um die Kostenerstattung zwischen den Parteien geht, keine Rolle spielen.

d) Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts ist die Frage zu unterscheiden, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, insbesondere ob die erst bei Stellung eines Sachantrags endgültig in voller Höhe anfallende Prozeßgebühr auch dann in dieser Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Antrag gestellt wird, bevor feststeht , daß die Berufung tatsächlich durchgeführt wird (so insbesondere OLG Düsseldorf, JurBüro 1989, 363; MDR 1995, 857; AnwBl. 1996, 589), oder ob in diesem Fall, wie ganz überwiegend angenommen wird, nur eine halbe Gebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO geltend gemacht werden kann (so KG, AnwBl. 1984, 620; OLG Hamburg, JurBüro 1995, 90; OLG Hamm, JurBüro 1991, 1084; OLG Karlsruhe, JurBüro 1997, 142; OLG Koblenz, MDR 1995, 968; OLG Köln, JurBüro 1992, 801; OLG München, JurBüro 1994, 93; OLG Naumburg, AnwBl. 1999, 56; OLG Nürnberg, MDR 2000, 415; OLG Schleswig, MDR 1999, 381;
Belz in: MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 91 Rdn. 26; Göttlich/Mümmler/Rehberg/ Xanke, BRAGO, 20. Aufl., S. 287 f.; Meyer, JurBüro 2001, 296, 297; Zöller/ Herget, aaO, § 91 Rdn. 13 "Berufung"). Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Beantwortung, da zugunsten des Beklagten nur eine 13/20-Gebühr festgesetzt worden ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf