Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2018 - VI ZB 2/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:181218BVIZB2.18.0
bei uns veröffentlicht am18.12.2018
vorgehend
Amtsgericht Bremen-Blumenthal, 45 C 1058/16, 31.03.2017
Landgericht Bremen, 1 T 516/17, 09.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 2/18
vom
18. Dezember 2018
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bejaht der Einzelrichter im Beschwerdeverfahren mit seiner Entscheidung,
die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache, unterlässt er es aber, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO
dem Kollegium zu übertragen, und entscheidet in der Sache als Einzelrichter,
so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot
des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht
von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom
18. September 2018 - VI ZB 34/17, juris, Rn. 5).

b) Die Beschwerdeentscheidung unterfällt in einem solchen Fall der Aufhebung
durch das Rechtsbeschwerdegericht, ohne dass es darauf ankommt, ob die
vom Einzelrichter getroffene Entscheidung in der Sache richtig ist.

c) Zur Erstattungsfähigkeit der dem Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten
, wenn die anwaltliche Tätigkeit (Antrag auf Klageabweisung und seine
Begründung) in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Klagerücknahme erfolgt
(Fortführung Senat, Beschluss vom 10. April 2018 - VI ZB 70/16, MDR 2018,
1407).
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - VI ZB 2/18 - LG Bremen
AG Bremen-Blumenthal
ECLI:DE:BGH:2018:181218BVIZB2.18.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2018 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, die Richter Wellner und Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Allgayer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 9. Januar 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Er hat am 27. Januar 2017 bei dem Amtsgericht Klage erhoben. Mit bei dem Amtsgericht am 2. Februar 2017 eingegangenem Schriftsatz hat er die Klage zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017 hat sich ein Rechtsanwalt für den Beklagten bestellt und den von ihm gestellten Klageabweisungsantrag am 8. Februar 2017 begründet. Am 13. Februar 2017 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Kenntnis von der Klagerücknahme erlangt.
2
Nachdem die Kosten dem Kläger auferlegt worden waren, hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 31. März 2017 die von dem Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf Antrag des Beklagten in Höhe von 638,54 € festgesetzt (1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV-RVG aus einem Gebührenwert von 4.800 €, Pauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG, zzgl. USt. sowie 146 € verauslagte Gerichtskosten/Zustellungskosten).
3
Das Beschwerdegericht - Einzelrichter - hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Rechtsbeschwerdeführer gegen die Kostenfestsetzung zugunsten des Beklagten.

II.

4
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Kostenerstattungsanspruch bestehe auch dann, wenn der Rechtsanwalt des Beklagten nach Zustellung der Klage und in Unkenntnis der Klagerücknahme tätig geworden sei. Die Kosten seien notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, sich innerhalb der ihm gesetzten Fristen gegen die Klage verteidigt zu haben. Anderenfalls müsse er Rechtsnachteile befürchten. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 2016 (III ZB 66/15) könne nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden.
5
2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 575 ZPO) ist begründet. Der angefochtene Beschluss unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist.
6
Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen , das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er - wie hier - mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. September 2018 - VI ZB 34/17, juris Rn. 5 mwN).
7
3. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat auf folgendes hin:
8
a) Das Beschwerdegericht ist zu Recht von der (grundsätzlichen) Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten ausgegangen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2018 - VI ZB 70/16, VersR 2018, 1469; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 Rn. 22 ff.).
9
b) Nach der Zurückverweisung wird das Beschwerdegericht auch Gelegenheit haben, die Rüge des Klägers in Bezug auf den Ansatz der verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 146 € in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu überprüfen. Die Zahlung von Gerichtskosten durch den Beklagten ist nicht ersichtlich. von Pentz Wellner Offenloch Roloff Allgayer
Vorinstanzen:
AG Bremen-Blumenthal, Entscheidung vom 31.03.2017 - 45 C 1058/16 -
LG Bremen, Entscheidung vom 09.01.2018 - 1 T 516/17 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

5
Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen , das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er - wie hier - mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 9, mwN).

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/16
vom
10. April 2018
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ersatzfähigkeit der dem Berufungsbeklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten,
wenn die anwaltliche Tätigkeit (Antrag auf Zurückweisung der Berufung) in Unkenntnis
der zwischenzeitlich erfolgten Berufungsrücknahme erfolgt (Abgrenzung zu BGH,
Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15, BGHZ 209, 120).
BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - VI ZB 70/16 - OLG München
LG Passau
ECLI:DE:BGH:2018:100418BVIZB70.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Müller

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Beschwerdewert wird auf 1.768,70 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren nach einem in Unkenntnis der Berufungsrücknahme des Klägers ergangenen Bestellungsschriftsatz der Prozessbevollmächtigen der Beklagten.
2
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 Berufung gegen das klageabweisende Endurteil des Landgerichts vom 27. Mai 2016 ein. Der Schriftsatz wurde den Prozessbevollmächtigen der Beklagten am 28. Juni 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2016, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag und den Beklagtenvertretern zugestellt am 5. Juli 2016, nahm der Kläger die Berufung zurück. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 1. Juli 2016, eingegangen beim Oberlandesgericht am 6. Juli 2016, die Zurückweisung der Berufung. Mit Beschluss vom 28. Juni 2016 erlegte das Oberlandesgericht dem Kläger nach § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens auf und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 70.000 € fest.
3
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 die Festsetzung von Rechtsanwaltskosten für das Beru- fungsverfahren in Höhe von insgesamt 1.768,70 € (1,1-fache Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV-RVG aus einem Gebührenwert von 70.000 € sowie Pauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG, zzgl. USt). Auf Hinweis der Rechtspflegerin vom 12. August 2016 teilten sie mit, die am 28. Juni 2016 zugestellte Berufungsschrift habe ein bis zwei Arbeitstage später zur Bearbeitung vorgelegen. Im Auftrag der Beklagten sei wie üblich eine Prüfung der Formalien erfolgt und sodann der Bestellungsschriftsatz diktiert worden, datiert auf den 1. Juli 2016, so dass eine Befassung vor Zustellung und Kenntnis der Berufungsrücknahme vorliege.
4
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 19. September 2016 den Festsetzungsantrag der Beklagtenseite zurückgewiesen.
5
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober hat die Beklagte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass die (anwaltliche) Tätigkeit erst nach Zustellung der Berufungsrücknahme habe eingestellt werden können.
6
Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 beantragt festgesetzt. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
7
Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Festset- zung der anwaltlichen Kosten in Höhe von 1.768,70 € zugunsten der Beklagten.

II.

8
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat mit Recht trotz der erfolgten Rücknahme der Berufung des Klägers die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten der (Berufungs-) Beklagten für das Berufungsverfahren in Höhe einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV-RVG aus dem Gebührenwert von 70.000 € festgesetzt.
9
1. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei - und im Fall des § 516 Abs. 3 ZPO der Berufungskläger - die dem Gegner erwachsenen Kosten zu tragen, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
10
2. Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Die Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der "verob- jektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17, juris Rn. 24 und Beschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 447/16, FamRZ 2017, 643).
11
3. Da die seitens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erbrachte anwaltliche Tätigkeit im Streitfall in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erfolgte , war diese Tätigkeit im damaligen Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Darauf, dass es der Beauftragung eines Anwalts in Anbetracht der zuvor erfolgten Rücknahme der Berufung objektiv nicht mehr bedurfte, kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht an.
12
a) Soweit sich die Rechtsbeschwerde zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf einen Beschluss des III. Zivilsenats vom 25. Februar 2016 (III ZB 66/15, BGHZ 209, 120-127) stützt, dringt sie nicht durch. In jenem Fall hatte der Berufungsbeklagte durch Zugang des Hinweises gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Kenntnis von der Absicht des Berufungsgerichts erlangt, die Berufung zurückzuweisen. Aus der Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Partei bestand daher kein Anlass, durch Anwaltsschriftsatz einen Berufungsgegenantrag zu stellen.
13
b) Auch die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofszu den Kosten für eine Schutzschrift, die nach Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung eingereicht wurde, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Soweit darin ein rein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wurde (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17), tragen die Ausführungen hierzu die Entscheidung nicht, weil die verfahrensge- genständlichen Kosten bereits vor der Rücknahme angefallen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17, juris Rn. 24). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des I. Zivilsenats zu Kosten für den Zurückweisungsantrag in einem Berufungsverfahren, in welcher die Erstattungsfähigkeit der reduzierten Verfahrensgebühr schon nicht angegriffen war (Beschluss vom 5. Oktober 2017 - I ZB 112/16, FamRZ 2018, 620).
14
c) Schließlich ist das im Streitfall gefundene Ergebnis auch sachgerecht. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen , was zur Rechtsverteidigung zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02, VersR 2003, 877, 878; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl. VV 3201 Rn. 52). Dieser hat es vielmehr in der Hand, durch seinen Prozessbevollmächtigten die Gegenseite von einer (eventuell) beabsichtigten Berufungsrücknahme frühzeitig zu informieren. Galke Wellner von Pentz Offenloch Müller
Vorinstanzen:
LG Passau, Entscheidung vom 19.09.2016 - 4 O 672/14 -
OLG München, Entscheidung vom 30.11.2016 - 11 W 1761/16 -
22
bb) Zu § 80 Satz 1 FamFG hat der Senat hingegen bereits entschieden, dass auch solche Kosten erstattungsfähig sind, die der Antrags- oder Rechtsmittelgegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Antrags oder Rechtsmittels verursacht hat. Denn wie bei § 162 Abs. 1 VwGO sind auch im Rahmen dieser Vorschrift Aufwendungen als notwendig einzustufen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit ist mithin kein rein objektiver. Vielmehr ist die Frage, ob vom Antrags - oder Rechtsmittelgegner trotz bereits erfolgter Rücknahme verursachte Kosten notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG sind, nicht aufgrund der objektiven Verfahrenssituation, sondern von diesem "verobjektivierten" Standpunkt aus zu beantworten (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 447/16 - FamRZ 2017, 643 Rn. 22 f. mwN).