Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2015 - VI ZB 2/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend, der sich am 12. November 2012 ereignete. Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Oktober 2013, das dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. Oktober 2013 zugestellt worden ist, abgewiesen. Der Kläger persönlich hat mit Schreiben vom 25. November 2013 per Telefax Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt. Die Berufungsschrift ist ausweislich des Empfangsprotokolls im Kopf des beim Landgericht eingegangenen Faxes am 26. November 2013 um 00:02 Uhr eingegangen. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 hat die Vorsitzende Richterin am Landgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei, weil sie zu spät eingegangen und nicht von einem bei einem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden sei. Daraufhin hat der Kläger persönlich auf der Geschäfts- stelle der Zivilkammer beantragt, die Frist zur Begründung bzw. zur Einlegung der Berufung für die Suche nach einem neuen Anwalt zu verlängern und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Mandat seiner erstinstanzlichen Anwälte sei niedergelegt.
- 2
- Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der Berufungsfrist und nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden sei. Dagegen wendet sich der Kläger mit einer "Rechtsbeschwerde" mit dem Antrag, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Prozesskostenhilfe zu bewilligen und wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er sei wegen der Niederlegung des Mandates seines Rechtsanwaltes nicht in der Lage gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten und kurzfristig einen anderen Anwalt zu finden. Aufgrund der Behauptung seines in der ersten Instanz bevollmächtigten Rechtsanwaltes, dass keine Erfolgsaussicht bestehe, sei der Deckungsvorschuss durch seine Rechtsschutzversicherung verweigert worden.
II.
- 3
- Die beantragte Bewilligung der Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts war abzulehnen, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 4
- 1. Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde wäre zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger weder in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip
).
- 5
- 2. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Berufung nicht in zulässiger Weise eingelegt, weil er das Rechtsmittel ausweislich der auf seiner Rechtsmittelschrift ausgewiesenen Empfangszeit des Telefaxes nicht innerhalb der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) und nicht durch einen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt hat.
- 6
- 3. Die für eine mögliche Rechtsbeschwerde maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte sind in der Rechtsprechung geklärt. Danach darf ein Rechtsmittel nicht wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist verworfen werden, wenn über einen Wiedereinsetzungsantrag bezüglich dieser Fristversäumung noch nicht entschieden ist und nicht gleichzeitig entschieden wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Juli 1985 - VI ZB 9/85, juris Rn. 7; vom 15. April 2014 - VI ZR 462/13, VersR 2014, 854 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - VIII ZB 127/06, juris Rn. 7). Zudem hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 237 ZPO das Gericht zu entscheiden, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht, also bei Versäumung der Berufungsfrist das Berufungsgericht. Etwas anderes gilt - aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - grundsätzlich nur dann, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne weiteres zu gewähren ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2013 - VI ZR 374/12, VersR 2013, 735 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - VIII ZB 127/06, juris Rn. 7, jeweils mwN).
- 7
- 4. Davon ausgehend ist dem Kläger dennoch keine Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss zu bewilligen, weil für eine solche auch im Hinblick auf den bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht besteht. Nach § 236 Abs. 1 ZPO richtet sich die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. Im Verfahren über eine Berufung vor dem Landgericht ist der Wiedereinsetzungsantrag mithin von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt zu stellen (§ 78 ZPO; PG/Milger, ZPO, 7. Aufl., § 236 Rn. 2; Zöller/ Greger, ZPO, 30. Aufl., § 236 Rn. 2). Der vom Kläger selbst bei der Geschäftsstelle des Landgerichts gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung erfüllt somit die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Antrag nicht. Deshalb ist der Umstand, dass das Berufungsgericht vor Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht über den Antrag entschieden hat, für den angefochtenen Beschluss nicht erheblich geworden. Die angefochtene Entscheidung beruht mithin nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
- 8
- 5. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Die angefochtene Entscheidung vom 17. Dezember 2013 erforderte schon deswegen nicht eine Rechtsbehelfsbelehrung, weil ein solches Erfordernis nach § 232 ZPO erst mit Wirkung vom 1. Januar 2014 eingeführt worden ist.
Oehler Roloff
Vorinstanzen:
AG Lüneburg, Entscheidung vom 24.10.2013 - 12 C 117/13 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 17.12.2013 - 2 S 69/13 -
moreResultsText
Annotations
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Jede anfechtbare gerichtliche Entscheidung hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, über den Sitz des Gerichts und über die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Dies gilt nicht in Verfahren, in denen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, es sei denn, es ist über einen Einspruch oder Widerspruch zu belehren oder die Belehrung ist an einen Zeugen oder Sachverständigen zu richten. Über die Möglichkeit der Sprungrevision muss nicht belehrt werden.