Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2020 - V ZB 99/19

bei uns veröffentlicht am13.02.2020
vorgehend
Landgericht Essen, 19 O 55/17, 19.01.2018
Oberlandesgericht Hamm, 10 U 21/18, 14.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/19
vom
13. Februar 2020
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2020:130220BVZB99.19.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Mai 2019 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 150.000 €.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückübertragung eines ihr im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragenen Hausgrundstücks verurteilt. Gegen das ihr am 16. Februar 2018 zugestellte Urteil hat sie am 1. März 2018 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist antragsgemäß bis zum 16. Mai 2018 verlängert worden. Am 14. Mai 2018 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Mai 2018 beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, ca. zwei Wochen nach der Entscheidung über den ersten Fristverlängerungsantrag sei bei ihm der Verdacht einer Krebserkrankung festgestellt worden, der sich bestätigt habe. In der Zeit vom 16. bis 27. April 2018 sei er stationär behandelt wor- den; wegen der Krebserkrankung sei er bis zum 6. Mai 2018 nicht „einsatzfähig“ gewesen. Deshalb sei eine Vielzahl von kurzfristig zu erledigenden Vorgängen vorhanden gewesen; bis zum 29. Mai 2018 sei er so gut wie vollständig „aus- gebucht“. Mit gleichem Schreiben habe er die gegnerischen Prozessbevollmächtigten um Zustimmung zu einer weiteren Verlängerung gebeten. Am Vormittag des 16. Mai 2018 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagtenvertreter und dem Oberlandesgericht mit, dass er aufgrund einer Weisung der Klägerin dem Ersuchen um Fristverlängerung nicht zustimmen könne. Daraufhin hat die Vorsitzende des Berufungssenats am 17. Mai 2018 den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen des Fehlens der Zustimmung der Klägerin abgelehnt. Am 28. Mai 2018 hat die Beklagte die Berufung begründet und zugleich wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie u.a. darauf hingewiesen, ihr Prozessbevollmächtigter habe nicht damit rechnen können und müssen, dass die Gegenseite vor dem Hintergrund seiner ernsthaften und lebensbedrohlichen Erkrankung der beantragten Fristverlängerung um gerade einmal zwölf Tage nicht zustimmen werde. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung als für nicht gegeben erachtet und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

II.


2
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil sie nicht innerhalb der bis zum 16. Mai 2018 verlängerten Frist begründet worden sei und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nach dem En- de seiner nachvollziehbar vorgetragenen und glaubhaft gemachten krankheitsbedingten Verhinderung ab dem 7. Mai 2018 keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Frist zu wahren. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihm in dieser Zeit bearbeiteten Angelegenheiten die gleiche Dringlichkeit aufgewiesen hätten wie die Fertigung der Berufungsbegründungsschrift innerhalb der bereits einmal verlängerten Frist. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf eine Zustimmung der Gegenseite zu einer weiteren Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist habe vertrauen dürfen. Auch wenn eine Zustimmung zu der beantragten Fristverlängerung angesichts der für den Beklagtenvertreter belastenden Ereignisse ethisch wünschenswert gewesen sein möge, habe hierauf kein Anspruch bestanden. Es sei nicht verständlich, aus welchem Grund sich der Prozessbevollmächtigte erst zwei Tage vor Ablauf der Notfrist um die nach dem Gesetz zwingend erforderliche Zustimmung der Gegenseite bemüht habe, zumal das persönliche Verhältnis zwischen den Prozessparteien bekanntermaßen schwer belastet sei.

III.


3
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist.
4
1. Das Rechtsmittel ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Es fehlt aber an den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht der Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar beschwert und deren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip , vgl. BVerfGE 77, 275, 284) nicht verletzt. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , die insoweit weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.
5
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde durfte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht darauf vertrauen, dass seinem weiteren Verlängerungsantrag stattgegeben werde. Dieses der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden schließt eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 Satz 1 ZPO aus.
6
a) Da gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners nicht in Betracht kommt, hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten grundsätzlich nur dann eine weitere Verlängerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen, wenn er darauf vertrauen durfte, der Gegner werde der erbetenen Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742). Dies verneint jedoch das Berufungsgericht zu Recht. Jedenfalls im Hinblick auf die auch dem Beklagtenvertreter bekannte schwere Belastung des persönlichen Verhältnisses zwischen den Prozessparteien hätte er in Rechnung stellen müssen, dass die Klägerin nicht bereit war, der Beklagten in prozessualer Hinsicht entgegenzukommen. Insbesondere musste er davon ausgehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von dieser eine Weisung einholen würde. Darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus Gründen der anwaltlichen Kollegialität die Einwilligung erklären würde, ohne dies mit der Klägerin vorher abzu- stimmen, konnte der Beklagtenvertreter nicht ausgehen. Nicht tragfähig ist zudem die Überlegung der Rechtsbeschwerde, der Beklagtenvertreter habe nicht damit rechnen müssen, dass sich die Klägerin auch ihm gegenüber „in ethisch zu missbilligender Weise und rücksichtslos“ sowie „rechtsmissbräuchlich“ verhalte. Dass dem Beklagtenvertreter Anhaltspunkte für eine Bereitschaft der Klägerin vorlagen, aus Rücksicht auf seine persönliche Situation auf mögliche prozessuale Vorteile im Verhältnis zu der Beklagten zu verzichten, ergibt sich weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch wird von der Rechtsbeschwerde entsprechender Vortrag in der Berufungsinstanz aufgezeigt.
7
b) Der Beklagtenvertreter konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Vorsitzende des Berufungssenats die Berufungsbegründungsfrist ohne Vorliegen der Einwilligung weiter verlängern würde, weil sie die Verweigerung der Einwilligung durch die Klägerin im Hinblick auf die in dem Verlängerungsantrag geschilderten besonderen persönlichen Umstände des Beklagtenvertreters als rechtsmissbräuchlich ansehen werde.
8
aa) Ob im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Versagung der Einwilligung , die nach dem Wortlaut des § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO für eine über einen Monat hinausgehende Verlängerung zwingend erforderlich ist, die Frist verlängert werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden (offen gelassen von BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742; Beschluss vom 14. Februar 2012 - VIII ZB 3/12, WuM 2012, 158 Rn. 5; Beschluss vom 10. Juni 2015 - IV ZB 27/14, juris Rn. 15). Im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage konnte der Beklagtenvertreter deshalb nicht auf die Verlängerung vertrauen, selbst wenn ein Fall des Rechtsmissbrauchs gegeben gewesen wäre.
9
bb) Unabhängig davon ist die Verweigerung der Einwilligung der Klägerin nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten, da es grundsätzlich keine Obliegenheit einer Partei gibt, auf die persönliche Situation des Prozessbevollmächtigten der gegnerischen Partei Rücksicht zu nehmen. Anders kann es liegen, wenn von der Partei zurechenbar ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der die Erwartung rechtfertigt, die Einwilligung werde erteilt. An einem derartigen Vertrauenstatbestand fehlt es hier jedoch.
10
3. Da der Prozessbevollmächtige der Beklagten hiernach nicht auf eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vertrauen durfte, könnte von einem fehlenden Verschulden an der Fristversäumung nur dann ausgegangen werden, wenn seine Erkrankung derart unerwartet aufgetreten wäre, dass er keine fristwahrenden Maßnahmen mehr treffen konnte. Zu solchen Maßnahmen kann auch die Bestellung eines Vertreters gehören (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 - V ZB 50/15, juris Rn. 7). Dass dies hier nicht möglich oder nicht zumutbar war, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Insbesondere musste er damit rechnen, dass er nach seinem Krankenhausaufenthalt nicht voll belastbar sein und unter Umständen mehr Fristsachen als gewöhnlich vorfinden würde.

IV.


11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 19.01.2018 - 19 O 55/17 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 14.05.2019 - I-10 U 21/18 -

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

5
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil die Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um mehr als einen Monat in Betracht kommt, in § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO unmissverständlich geregelt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742 unter 2) und sich die vom Beklagten zu 2 weiter aufgeworfene Frage, ob im Falle einer vom Berufungsgegner rechtsmissbräuchlich verweigerten Zustimmung zur Fristverlängerung etwas anders zu gelten habe, einer generalisierenden Betrachtung entzieht. Zudem lässt der vom Beklagten zu 2 vorgetragene Sachverhalt nicht den Schluss zu, die Klägerin habe ihm entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Zustimmung zur zweiten Fristverlängerung versagt. Aus den genannten Gründen besteht auch keine Veranlassung für eine rechtsfortbildende Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
15
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner erkannt, dass ein Vertrauen des Beklagten auf eine Einwilligung der Klägerin in die nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht gerechtfertigt war, weshalb sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach einer rechtsmissbräuchlichen Verweigerung nicht stellt.
7
b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass nach dem eigenen Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch des Prozessbevollmächtigten der Kläger dessen krankheitsbedingter Ausfall vorhersehbar war. Dies gilt unabhängig von den im ersten Fristverlängerungsantrag mitgeteilten Hinderungsgründen. Die nach Schilderung des Prozessbevollmächtigten der Kläger im Vorfeld der eigentlichen Erkrankung aufgetretenen Erschöpfungserscheinungen, die sich in Form von Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Antriebslosigkeit, Sprach- und Sehstörungen verbunden mit stundenweisem Arbeitsausfall äußerten, waren nicht so geringfügig, dass dessen Annahme gerechtfertigt war, die Symptome würden bis zur Folgewoche wieder abklingen oder sich jedenfalls nicht weiter verschlechtern. Eine berechtigte Erwartung, dass es nicht zu einem vollständigen krankheitsbedingten Ausfall kommen würde, durfte der Prozessbevollmächtigte der Kläger auch nicht deswegen haben, weil er im Vorjahr bereits einmal an Erschöpfungszuständen ähnlicher Art gelitten hatte und diese innerhalb einiger Tage wieder vorüber waren. Angesichts der massiven Symptome durfte er sich nicht darauf verlassen, dass eine schnelle Genesung eintreten werde; vielmehr musste er damit rechnen, dass es auch zu einem vollständigen krankheitsbedingten Ausfall kommen könnte. Er war deshalb verpflichtet, sich hierauf vorzubereiten, indem er entweder durch Einholung der Zustimmung des Prozessgegners sicherstellte, dass die Berufungsbegründungsfrist verlängert würde (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2013 - VI ZB 18/12, NJW 2013, 3181 Rn. 11) oder indem er dafür Sorge trug, dass für die Erledigung fristgebundener Arbeiten ein Vertreter eingeschaltet werden kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.