Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2018 - V ZB 252/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 9.363,76 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin machte als (ehemalige) Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft in T. ursprünglich gegen alle Beklagten als Gesamtschuldner rückständige Hausgeldforderungen geltend. Die Beklagte zu 1, eine aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, war Teileigentümerin von zu dieser Gemeinschaft gehörenden Gewerbeeinheiten.
- 2
- Das Amtsgericht hat die von den Beklagten zu 2 und 3 jeweils gegen Vollstreckungsbescheide eingelegten Einsprüche durch (zweites) Versäumnisurteil verworfen und der Klage gegenüber der Beklagten zu 1 mit Sachurteil vom 21. Oktober 2016 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt B. , für die Beklagte zu 1 Berufung eingelegt und in der Berufungsbegründung mitgeteilt, dass die Beklagte zu 3 mit notarieller Vereinbarung vom 31. März 2016 ihren Gesellschaftsanteil an der Beklagten zu 1 einschließlich der Miteigentumsanteile an dem betreffenden Grundstück an den Beklagten zu 2 übertragen habe. Zugleich hat er beantragt, das Rubrum auf Seiten der Beklagten und Berufungsklägerin dahin zu berichtigen , dass Partei des Rechtsstreits nunmehr der Beklagte zu 2 sei. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen und die Kosten des Berufungsverfahrens Rechtsanwalt B. auferlegt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Beklagte zu 1 die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen.
II.
- 3
- Das Berufungsgericht meint, die von Rechtsanwalt B. für die Beklagte zu 1 eingelegte Berufung sei unzulässig, weil dessen Prozessvollmacht mit der Anteilsübertragung von der Beklagten zu 3 auf den Beklagten zu 2 erloschen sei. Diese Abtretung habe zur Vollbeendigung der Beklagten zu 1 geführt , da sich alle Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigt hätten. Die Beklagte zu 1 habe daher zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung nicht mehr existiert. Zwar erlösche eine erteilte Vollmacht nach § 672 BGB nicht automatisch mit dem Tod bzw. der Vollbeendigung des Vollmachtgebers. Diese Auslegungsregel gelte aber nicht, wenn die Besorgung des Geschäfts nur für den lebenden bzw. noch existenten Auftraggeber Bedeutung habe. So liege es hier, weil die anwaltliche Vertretung in dem Rechtsstreit sich für die Beklagte zu 1 mit deren Vollbeendigung erledigt habe. Es stehe fest, dass weitere haftende Gesellschafter nicht hinzutreten würden; gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 lägen rechtskräftige Vollstreckungsbescheide über die gesamte Schuld vor.
- 4
- Selbst wenn der Beklagte zu 2 durch die Anteilsübertragung Gesamtrechtsnachfolger der Beklagten zu 1 geworden sein sollte, ändere dies an der Unzulässigkeit des Rechtsmittels nichts, da dieses ausdrücklich für letztere und nicht für den Beklagten zu 2 eingelegt worden sei.
- 5
- Die Kosten der Berufung seien dem vollmachtlos handelnden Rechtsanwalt B. aufzuerlegen. Ob dieser Regressansprüche gegen die Beklagten zu 2 und 3 geltend machen könne, etwa weil er zu spät über die Vollbeendigung der Beklagten zu 1 informiert worden sein sollte, könne offen bleiben.
III.
- 6
- 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Gegen die Zulässigkeit im Übrigen ergeben sich keine Bedenken, weil sich die Beklagte zu 1 gegen die prozessualen Folgerungen wendet, welche das Berufungsgericht aus ihrer fehlenden Parteifähigkeit gezogen hat, und sie für diesen Streit als existent und parteifähig zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, WM 2010, 1719 Rn. 3).
- 7
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die angegriffene Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht.
- 8
- a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte zu 1 mit der Abtretung sämtlicher Gesellschaftsanteile der Beklagten zu 3 an den Beklagten zu 2 als einzigen weiteren Gesellschafter beendet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft entsprechend § 142 HGB das Gesellschaftsunternehmen ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernehmen und wird hierdurch zum Gesamtrechtsnachfolger der mit der Übernahme aufgelösten Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1967 - II ZR 268/64, BGHZ 48, 203, 206; Senat, Urteil vom 9. Juli 1968 - V ZR 80/66, BGHZ 50, 307, 308). Ebenso erlischt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenn einer von zwei Gesellschaftern aus der Gesellschaft ausscheidet und sein Gesellschaftsanteil dem einzigen verbleibenden Gesellschafter anwächst, der hierdurch zum Rechtsnachfolger der Gesellschaft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 unter 1.; BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, WM 2010, 1719 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn die Gesellschaft - wie hier - Eigentümerin eines Grundstücks ist; zur Umschreibung des Eigentums auf den Gesamtrechtsnachfolger bedarf es in diesem Fall nicht der Auflassung an diesen, sondern nur der Berichtigung des Grundbuchs (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 24/78, WM 1979, 249).
- 9
- b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, durch die Beendigung der Beklagten zu 1 sei die Vollmacht ihres Prozessbevollmächtigten erloschen. Auf den Übergang des Vermögens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft ohne Liquidation auf den letzten verbliebenen Gesellschafter sind die Regeln der §§ 239 ff., 246 ZPO und des § 86 Halbsatz 1 ZPO sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 unter 1. mwN). Danach ist die Rechtsanwalt B. von der Beklagten zu 1 erteilte Prozessvollmacht ungeachtet des zwischenzeitlichen Erlöschens der Beklagten zu 1 und der Rechtsnachfolge des Beklagten zu 2 in ihr Aktiv- und Passivvermögen als fortbestehend anzusehen. Rechtsanwalt B. war damit berechtigt, für die Beklagte zu 1 Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts einzulegen.
- 10
- 3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere war die Berufung der Beklagten zu 1 nicht deshalb unzulässig, weil diese zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung erloschen war und hierdurch ihre Parteifähigkeit verloren hatte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Prozesspartei, deren Parteifähigkeit in Streit steht, zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig zu behandeln ist. Eine nicht existente oder aus anderen Gründen parteiunfähige Partei kann Rechtsmittel einlegen, um ihre Nichtexistenz oder anderweitig fehlende Parteifähigkeit geltend zu machen oder um zu rügen, dass ihre Parteifähigkeit vorinstanzlich zu Unrecht verneint worden ist (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, WM 2010, 1719 Rn. 9 mwN). Ebenso kann sie das Rechtsmittel - wie hier - mit dem Ziel einlegen, ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, aaO Rn. 11).
IV.
- 11
- Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr die von Rechtsanwalt B. beantragte Rubrumsberichtigung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 155; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 246 Rn. 2b) vorzunehmen und sodann in der Sache über die von dem Beklagten zu 2 als Rechtsnachfolger der Beklagten zu 1 fortgeführte Berufung zu entscheiden haben.
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Trier, Entscheidung vom 21.11.2016 - 5 C 114/15 WEG -
LG Koblenz, Entscheidung vom 08.11.2017 - 2 S 70/16 WEG -
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Annotations
Der Auftrag erlischt im Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt der Auftrag, so hat der Beauftragte, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Erbe oder der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Prozessfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreits für den Nachfolger im Rechtsstreit auftritt, dessen Vollmacht beizubringen.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.