Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:200917BVZB118.17.0
20.09.2017
vorgehend
Landgericht Traunstein, 4 T 939/17, 28.04.2017
Amtsgericht Rosenheim, 1 XIV 47/17, 17.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 118/17
vom
20. September 2017
in der Zurückweisungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auch die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1,
§ 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde
den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen
an die Begründung entspricht.

b) Auf die Zurückweisungshaft ist Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht
anzuwenden (Ergänzung von Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB
127/16, juris Rn. 10).

c) Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisungshaft sind sowohl die Einreiseverweigerung
als auch die Entschließung der zuständigen Behörden,
die Rücküberstellung des Betroffenen in einen bestimmten Mitgliedstaat zu
betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur
zu prüfen, ob der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen
die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und den
Stand sowie den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 20. September 2017 - V ZB 118/17 - LG Traunstein
AG Rosenheim
ECLI:DE:BGH:2017:200917BVZB118.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 28. April 2017 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, wollte am 16. März 2017 mit dem Zug von Österreich aus nach Deutschland einreisen. Bei der grenzpolizeilichen Kontrolle im Zug durch die Beamten der beteiligten Behörde führte er nur eine (echte) ungarische Asylbewerberkarte, aber keine gültigen Einreisedokumente bei sich. Die beteiligte Behörde verweigerte ihm durch Bescheid vom selben Tag unter Aushändigung einer Kopie des Bescheids die Einreise ; ihre Beamten nahmen den Betroffenen vorläufig fest. In Abstimmung mit dem zuständigen Bundesamt betrieb die beteiligte Behörde die Zurückweisung des Betroffenen nach Ungarn.
2
Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen nach dessen persönlicher Anhörung am 17. März 2017 Zurückweisungshaft bis zum 25. April 2017 angeordnet. Während des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene am 30. März 2017 auf Veranlassung des zuständigen Bundesamtes mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der geänderten ungarischen Asylgesetze am 28. März 2017 aus der Haft entlassen und aufgefordert worden, eine Aufnahmeeinrichtung aufzusuchen. Die mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Zurückweisungshaft festzustellen, fortgeführte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, Grundlage der angeordneten Haft sei § 15 Abs. 5 AufenthG, weil der Betroffene noch nicht in das Bundesgebiet eingereist , sondern bei dem Versuch der Einreise durch Beamte der beteiligten Behörde festgenommen worden sei. Der Haftanordnung habe ein ausreichend begründeter und damit zulässiger Antrag der beteiligten Behörde zugrunde gelegen. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen. Die beteiligte Behörde habe dem Betroffenen die Einreise verweigert und seine Zurückweisung nach Ungarn betrieben. Ob der Betroffene im Hinblick auf die Verhältnisse dort nach Ungarn hätte zurückgewiesen werden dürfen, sei im Verfahren über die Zurückweisungshaft nicht zu prüfen. Die nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie erforderliche Fluchtgefahr habe bestanden. Der beantragte Haftzeitraum von sechs Wochen sei mit Blick auf die Erfahrungen mit Ungarn nicht zu beanstanden.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Wesentlichen stand.
5
1. Der angeordneten Zurückweisungshaft liegt, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgeht, ein zulässiger Haftantrag zugrunde.
6
a) Auch die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die nach dieser Vorschrift zu bezeichnenden Tatsachen auf die Abschiebungs - und die Rücküberstellungshaft zugeschnitten sind und den Besonderheiten der Zurückweisungshaft nicht Rechnung tragen. Erforderlich sind bei der Zurückweisungshaft Darlegungen dazu, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwendigen Haftdauer. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Zurückweisungshaft nicht angeordnet werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 9 für Abschiebungshaft , vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4 und vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15 beide für Zurückschiebungshaft).
7
b) Diesen Anforderungen genügte der Haftantrag der beteiligten Behörde.
8
aa) Diese hat in dem Haftantrag dargelegt, dass sie den Betroffenen bei dem Versuch, unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen, aufgehalten und ihm die Einreise verweigert hat. Sie hat eine Kopie der Einreiseverweigerung vorgelegt und mitgeteilt, dass der Betroffene nicht unmittelbar nach Österreich, von wo aus er unerlaubt einreisen wollte, zurückgewiesen werden könne, sondern gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Ungarn als dem Erstaufnahmestaat zurückgewiesen werden müsse. Sie hat weiter ausgeführt, dass sie in Abstimmung mit dem zuständigen Bundesamt die Zurückweisung des Betroffenen an den Erstaufnahmestaat Ungarn nach den Vorschriften der Dublin-III-Verordnung betreibe, und den Verlauf der in Haftsachen beschleunigten Rücküberstellung nach Art 28 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung beschrieben. Das ist ausreichend.
9
bb) Entgegen der Annahme des Betroffenen fehlte es nicht an der für die Zulässigkeit des Haftantrags erforderlichen Darlegung der Durchführbarkeit ei- ner Zurückweisung nach Ungarn. Die beteiligte Behörde hat zur „Durchführbarkeit der Zurückweisung“ zwar nur ausgeführt, im Hinblick auf das geplante Ziel- land der Zurückweisung seien keine Durchführungshindernisse ersichtlich. Sie hat sich hierauf aber nicht beschränkt, sondern im Abschnitt „Sachverhalt“ die Grundlagen dieser Schlussfolgerung dargelegt. Sie hat dort nämlich ausgeführt, der Betroffene sei mit einer ungarischen Asylbewerberkarte angetroffen worden. Er habe schon einmal unerlaubt Ungarn verlassen und sei von Ungarn aufgrund einer Rücküberstellung aus Österreich wieder aufgenommen worden. Nachdem ihm die ungarischen Behörden eröffnet hätten, sie wollten ihn nach Afghanistan abschieben, habe er Ungarn erneut verlassen. Diese Ausführungen boten dem Haftrichter eine ausreichende Grundlage für die von ihm nach § 26 FamFG anzustellende amtswegige Prüfung und genügten deshalb den Anforderungen (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 12 f.). Die Auseinandersetzung mit den Einwänden des Betroffenen gegen diese Einschätzung, nämlich der geringen Zahl tatsächlich durchgeführter Rücküberstellungen, den Mängeln des ungarischen Asylverfahrens und der Erklärung der ungarischen Behörden in dem Verfahren V ZB 102/17 vor dem Senat, betrifft nicht die Zulässigkeit des Haftantrags, sondern seine Begründetheit (zu dieser Abgrenzung: Senat, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 13 mwN).
10
2. Die Haftanordnung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
11
a) Die Voraussetzungen der angeordneten Zurückweisungshaft ergeben sich allerdings nur aus § 15 Abs. 5 AufenthG und dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
12
aa) Die Zurückweisungshaft setzt ebenso wie die Verlängerung des Transitaufenthalts nach Ablauf von 30 Tagen (dazu Senat, Beschluss vom 10. März 2016 - V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5) einen Haftgrund nicht voraus (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 127/16, InfAuslR 2017, 345 Rn. 10). Art. 15 der Rückführungsrichtlinie ist auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar. Deutschland hat mit der Einführung und Beibehaltung der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG und des Transitaufenthalts gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG für die Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, Seeoder Landweg ein Sonderregime eingeführt, das die Haftanordnung nicht von dem Vorliegen von Haftgründen abhängig macht; das ist nach Art. 2 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie zulässig (dazu: Senat, Beschluss vom 10. März 2016 - V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5, 9 f. für Transitaufenthalt).
13
bb) Entgegen der Auffassung der beteiligten Behörde und des Amtsgerichts ist auf die Zurückweisungshaft auch Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht anzuwenden. Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt nach § 15 Abs. 5 AufenthG voraus, dass die Zurückweisung an der Grenze nicht unmittelbar vollzogen werden kann, etwa, weil - wie hier - eine Wiederaufnahme durch den Anrainerstaat, von dem aus der Betroffene nach Deutschland unerlaubt einreisen wollte, daran scheitert, dass dieser zu dessen (Wieder-)Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Zurückweisung muss in diesen Fällen entweder ähnlich wie eine Abschiebung durch Wiederaufnahme seitens eines Drittstaats oder ähnlich wie eine Rücküberstellung durch Wiederaufnahme durch den Erstaufnahmestaat oder einen anderen Staat erfolgen, der zur Wiederaufnahme des Betroffenen nach Art. 18 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet ist. In dem zweiten Fall unterliegt die Haft aber nicht den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung. Das ergibt eine legislative Interpretation der Vorschrift (zu dieser Figur im nationalen Recht: Senat, Urteil vom 27. März 2015 - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 20) durch den Unionsgesetzgeber selbst, was eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entbehrlich macht (sog. acte claire, EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T., EU:C:1982:335 Rn. 14 f., 16; Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Aufl., § 23 Rn. 27, 29). Die Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art. 14 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes und, wenn eine Kontrolle der Binnengrenzen stattfindet, nach Art. 32 i.V.m. Art 13 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes verpflichtet, die unerlaubte Einreise durch Flüchtlinge zu verhindern. Die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise bildet nach Art. 8 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2013/33/EU (vom 26. Juni 2013, ABl. EU Nr. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie) einen eigenständigen Haftgrund , den die Richtlinie von dem Haftgrund zur Sicherung der Rücküberstellung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III- Verordnung unterscheidet (vgl. Art. 8 Abs. 3 Buchstabe f der Aufnahmerichtlinie ). Die Prüfung des Rechts des Betroffenen auf Einreise umfasst auch die Prüfung, ob der Staat, in den der Betroffene an sich nicht einreisen darf, nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet oder nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung berechtigt ist, die Sachprüfung des Antrags des Betroffenen auf internationalen Schutz zu übernehmen und dem Betroffenen dazu die Einreise zu gestatten.
14
b) Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 AufenthG waren gegeben. Der Betroffene ist bei dem Versuch der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet durch Beamte der beteiligten Behörde aufgehalten und festgenommen worden. Diese haben ihm die Einreise in das Bundesgebiet verweigert. Es war nicht möglich, den Betroffenen nach Österreich zurückzuschicken, weil Österreich zu dessen Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Haftrichterin durfte auch davon ausgehen , dass die Zurückweisung eines Betroffenen im Wege der Rücküberstellung an den zur Rücknahme verpflichteten Erstaufnahmestaat mangels abweichender Anhaltspunkte die in Art. 28 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung bestimmte Frist von sechs Wochen benötigt, in diesem Zeitraum aber auch gelingen wird.
15
c) Die Anordnung der Zurückweisungshaft ist entgegen der Auffassung des Betroffenen auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Amtsgericht weder geprüft hat, ob die Rücküberstellung des Betroffenen nach Ungarn hätte erfolgen dürfen, noch, ob sie an der fehlenden Bereitschaft Ungarns zur Rücknahme tatsächlich gescheitert wäre.
16
aa) Die Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung der beteiligten Behörde und der Entscheidung des zuständigen Bundesamts, den Betroffenen Ungarn zur Wiederaufnahme anzubieten, hatte das Amtsgericht schon nicht zu prüfen.
17
(1) Richtig ist allerdings, dass ein Asylbewerber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nur unter Bedingungen in einen anderen Mitgliedstaat der Union zurücküberstellt werden darf, die es ausschließen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei seiner Überstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta (EUGRCh) zu erleiden (Urteile vom 16. Februar 2017 - Rs. C-578/16 C. K. u. a. gegen Republik Slowenien , EU:C:2017:127 Rn. 65 und vom 26. Juli 2017 - Rs. C-490/16 - A.S. gegen Republik Slowenien, EU:C:2017:585 Rn. 41). Deutsche Oberverwaltungsgerichte nehmen im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Juli 2016 - Rs. 9912/15, O.M. v. Hungary, Rn. 40 ff. und vom 14. März 2017 - Rs. 47287/15 - Ilias and Ahmed v. Hungary, Rn. 98 ff., 117 ff.) und der Gerichte anderer Mitgliedstaaten (Nachweise bei OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42) nach früher unterschiedlicher Beurteilung (Nachweise bei: OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42; VGH München, Beschluss vom 12. Juni 2015 - 13a ZB 15.50097, juris Rn. 4 ff.) seit Ende 2016 an, dass die dargestellten Voraussetzungen für eine Rücküberstellung von Betroffenen nach Ungarn derzeit nicht gegeben sind (OVG Bautzen, Urteil vom 6. Juni 2017 - 4 A 584/16.A, juris Rn. 27 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 13. Oktober 2016 - A 11 S 1596/16, DVBl. 2016, 1615 Rn. 34 ff.; VGH München, Urteil vom 23. März 2017 - 13a B 17.5003, juris Rn. 24 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 9. März 2017 - 2 A 364/16, juris Rn. 24 ff.).
18
(2) Daraus folgt aber nicht, dass das Amtsgericht die beantragte Haft hätte ablehnen dürfen oder müssen. Dem steht die Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten einerseits und den Haftgerichten andererseits entgegen. Die Haftgerichte haben nicht zu prüfen, ob die beteiligte Behörde die Abschiebung , Rücküberstellung oder - hier - die Zurückweisung in einen anderen Staat zu Recht betreibt; diese Prüfung ist allein Aufgabe der Verwaltungsgerichte (Senat, Beschlüsse vom 12. Juni 1986 - V ZB 9/86, BGHZ 98, 109, 112, vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361 Rn. 19; BGH, Beschluss vom 25. September 1980 - VII ZB 5/80, BGHZ 78, 145, 147; BVerfG, Beschluss vom 1. April 1999 - 2 BvR 400/99, juris Rn. 3; BVerwGE 62, 325, 328). Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisungshaft sind deshalb sowohl die Einreiseverweigerung als auch die Entschließung der zuständigen Behörden, die Rücküberstellung des Betroffenen in einen bestimmten Mitgliedstaat zu betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur zu prüfen, ob der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und den Stand sowie den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfGK 15, 139, 147). Die Anordnung auch von Zurückweisungshaft ist deshalb abzulehnen, wenn der Betroffene dagegen (einstweiligen) Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgeben wird. Ob diese Erwartung gerechtfertigt ist, wird sich regelmäßig nur durch Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht feststellen lassen. Anders kann es liegen, wenn allgemein bekannt ist, dass die Verwaltungsgerichte Rechtsschutzanträgen bei der Überstellung oder Abschiebung in einzelnen Länder regelmäßig stattgeben (bejaht für Grie- chenland: Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 25-27, vom 15. Juli 2010 - V ZB 10/10, NVwZ 2011, 127 Rn. 13, vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, juris Rn. 16 und vom 3. Februar 2011 - V ZB 12/10, juris Rn. 9 f.; verneint z.B. für die Russische Föderation: Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10 juris Rn. 20). Hat der Betroffene dagegen Verwaltungsrechtsschutz nicht beantragt, haben die Haftgerichte von dem Bestand der Verwaltungsentscheidungen auszugehen und eine angeordnete Haft gegebenenfalls gemäß § 426 FamFG (von Amts wegen) aufzuheben, wenn ihnen später bekannt wird, dass der Betroffene bei dem Verwaltungsgericht doch Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag entsprechen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27).
19
(3) Im vorliegenden Fall hat der Betroffene verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht beantragt und das auch nicht angekündigt. Das Amtsgericht war deshalb sowohl an die Einreiseverweigerung als auch an die Entscheidung des zuständigen Bundesamts zur Rücküberstellung des Betroffenen nach Ungarn gebunden.
20
bb) Vor der Anordnung von Zurückweisungshaft muss der Haftrichter allerdings gemäß § 26 FamFG von Amts wegen Anhaltspunkten dafür nachgehen , dass der von der beteiligten Behörde in Aussicht genommene Zielstaat zur Wiederaufnahme des Betroffenen nicht bereit und deshalb die Durchführbarkeit der Zurückweisung tatsächlich nicht gesichert ist. Solche Anhaltspunkte bestanden hier entgegen der Annahme des Betroffenen aber nicht.
21
(1) Ungarn hat zwar in den Jahren 2015 und 2016 nur etwa der Hälfte der deutschen Rücküberstellungen zugestimmt. Es ist auch nur in etwa 1 % der Fälle tatsächlich zu einer Rücküberstellung von Betroffenen nach Ungarn ge- kommen (Auskunft der Bundesregierung in BT-Drucks. 18/6860 S. 40 ff.). Das gab dem Amtsrichter aber keine Veranlassung, an der Durchführbarkeit der Zurückweisung des Betroffenen nach Ungarn zu zweifeln. Schon die statistischen Angaben ergeben die von dem Betroffenen unterstellte generelle Verweigerung der Wiederaufnahme von Flüchtlingen durch Ungarn nicht. Die konkreten Umstände im Fall des Betroffenen sprechen zudem dagegen. Ungarn hat dem Betroffenen eine Asylbewerberkarte ausgestellt, die dieser auch bei sich führte. Es hat den Betroffenen auf Ersuchen Österreichs wenige Monate zuvor wieder aufgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass und weshalb die ungarischen Behörden konkret in seinem Fall anderen Sinnes geworden sein könnten, bestanden nicht.
22
(2) Einen solchen Anhaltspunkt, dem das Amtsgericht von Amts wegen hätte nachgehen müssen, ergibt auch die Erklärung Ungarns in dem bei dem Senat anhängigen Verfahren V ZB 102/17 nicht. In diesem Verfahren hat Ungarn nämlich keineswegs erklärt, dass es Rücküberstellungen aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht mehr akzeptiere. Es hat vielmehr nur erklärt, dass es zur Wiederaufnahme von Flüchtlingen nicht bereit sei, deren Anträge auf internationalen Schutz von anderen Mitgliedstaaten als Erstaufnahmestaaten geprüft werden müssten. Der Betroffene ist hier aber erstmals in Ungarn als Asylbewerber registriert worden. Ungarn hat ihm, wie bereits erwähnt, eine Asylbewerberkarte ausgestellt und ist nach den Angaben des Betroffenen vor der Haftrichterin auch in die Sachprüfung seines Antrags eingetreten. Nichts sprach dafür, dass Ungarn eine Wiederaufnahme des Betroffenen unter diesen Umständen ablehnen würde.

IV.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung über den Geschäftswert auf § 36 Abs. 3 GNotKG. Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 17.03.2017 - 1 XIV 47/17 -
LG Traunstein, Entscheidung vom 28.04.2017 - 4 T 939/17 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17 zitiert 10 §§.

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 36 Allgemeiner Geschäftswert


(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 15 Zurückweisung


(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen. (2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn 1. ein Ausweisungsinteresse besteht,2. der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 106 Einschränkung von Grundrechten


(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt. (2) Das Verfahren bei Freih

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 426 Aufhebung


(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17 zitiert oder wird zitiert von 21 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17 zitiert 16 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2009 - V ZB 148/09

bei uns veröffentlicht am 16.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 148/09 vom 16. Dezember 2009 in der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bei Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Au

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Okt. 2010 - V ZB 96/10

bei uns veröffentlicht am 21.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 96/10 vom 21. Oktober 2010 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch und

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2010 - V ZB 172/09

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 172/09 vom 25. Februar 2010 in der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 62 Abs. 1, 70 Abs. 3 Nr. 3, 415, 426; AufenthG §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5;

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2011 - V ZB 309/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 309/10 vom 12. Mai 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Rä

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2013 - V ZB 20/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 20/12 vom 31. Januar 2013 in der Zurückschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 62 Abs. 1 Hätte die Haft wegen Fehlens eines zulässigen Haftantrags nicht angeordnet werd

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2011 - V ZB 12/10

bei uns veröffentlicht am 03.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 12/10 vom 3. Februar 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch , d

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2010 - V ZB 193/09

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 6. Mai 2010 V ZB 193/09 in der Abschiebehaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch u

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2012 - V ZB 246/11

bei uns veröffentlicht am 10.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 246/11 vom 10. Mai 2012 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 417 Abs. 2 Ein Haftantrag ist nach § 417 Abs. 2 FamFG nur zulässig, wenn er die beantragte Haftd

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2012 - V ZB 118/12

bei uns veröffentlicht am 06.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 118/12 vom 6. Dezember 2012 in der Zurückschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2010 - V ZB 10/10

bei uns veröffentlicht am 15.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 10/10 vom 15. Juli 2010 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die Richterin D

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2015 - 13a ZB 15.50097

bei uns veröffentlicht am 12.06.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung g

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2017 - V ZB 127/16

bei uns veröffentlicht am 22.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 127/16 vom 22. Juni 2017 in der Zurückweisungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 15 Abs. 5 Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt keinen Haftgrund im Sinne von § 62 Abs

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2017 - V ZB 128/16

bei uns veröffentlicht am 30.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 128/16 vom 30. März 2017 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Die beteiligte Behörde genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. Okt. 2016 - A 11 S 1596/16

bei uns veröffentlicht am 13.10.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Februar 2016 - A 1 K 2059/14 - wird zurückgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.Die Revision wird nich

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. März 2016 - V ZB 188/14

bei uns veröffentlicht am 10.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 188/14 vom 10. März 2016 in der Zurückweisungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 15 Abs. 5, 6; Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) Art. 2 Abs. 2 Buchst

Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2015 - V ZR 216/13

bei uns veröffentlicht am 27.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 216/13 Verkündet am: 27. März 2015 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 94,
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2017 - V ZB 118/17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2019 - V ZB 159/17

bei uns veröffentlicht am 10.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 159/17 vom 10. Januar 2019 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1; AsylG § 55 Abs. 1, § 71 Abs. 1 Ein Asylfolgeantrag unterbricht di

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2018 - V ZB 70/17

bei uns veröffentlicht am 11.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 70/17 vom 11. Oktober 2018 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2018:111018BVZB70.17.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die R

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2018 - V ZB 98/16

bei uns veröffentlicht am 12.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 98/16 vom 12. Juli 2018 in der Transitaufenthaltssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 15 Abs. 6; FamFG § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 415 Der nicht auf einer richterlichen Anordnun

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2018 - V ZB 164/16

bei uns veröffentlicht am 12.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 164/16 vom 12. April 2018 in der Zurückweisungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 15 Abs. 5 a) Die Haftgerichte haben bei der Anordnung von Zurückweisungshaft nicht zu p

Referenzen

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

9
bb) In dem Haftantrag müssen nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG unter anderem die zweifelsfreie Ausreisepflicht des Betroffenen, die Abschiebungsvoraussetzungen, die Erforderlichkeit der Haft, die Durchführbarkeit der Abschiebung und die notwendige Haftdauer dargelegt werden. Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 f. Rn. 9). Sie müssen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 13). Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen. Daran fehlt es hier.
4
1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, juris Rn. 7).
15
aa) Die in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG vorgeschriebene Begründung der erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung ist vor dem Hintergrund der Vorschrift in § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, nach der die Inhaftnahme des Ausländers auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen Haftantrags (Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225, 226 Rn. 10). Nach dieser Bestimmung darf die Haft von vorneherein nur für den Zeitraum angeordnet werden, der für die Durchführung der zur Zurück- oder Abschiebung notwendigen Maßnahmen unverzichtbar ist (Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, aaO). Einer dies darlegenden Begründung bedarf es auch dann, wenn die Behörde - wie hier - eine Haftdauer von weniger als drei Monaten beantragt (Senat, Beschluss vom 26. Januar 2012 - V ZB 235/11 Rn. 8, juris).

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

12
(a) Es trifft zwar zu, dass die Anordnung von Haft nicht erforderlich, sondern nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unzulässig ist, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. Daraus folgt aber nicht, dass der Haftantrag der beteiligten Behörde unzulässig ist, wenn er keine Ausführungen dazu enthält, dass und aus welchen Gründen der Zweck der beantragten Haft mit milderen Mitteln nicht zu erreichen ist. § 417 Abs. 2 FamFG macht die Zulässigkeit des Haftantrags zwar von der Beifügung einer nach den in Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift festgelegten Gesichtspunkten strukturierten Begründung abhängig. Der Haftantrag soll eine hinreichende Grundlage für die von dem Gericht gemäß § 26 FamFG anzustellende amtswegige Prüfung und für die Verteidigung des Betroffenen bieten (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 Rn. 9). Dieser Zweck wird aber erreicht, wenn die Behörde mitteilt, aus welchen Haftgründen die Haft angeordnet werden soll und auf welchen Sachverhalt sie diese Haftgründe jeweils stützt. Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch ohne zusätzliche Hervorhebung, dass die beteiligte Behörde keine Möglichkeit sieht, die angestrebte Sicherung der Abschiebung mit milderen Mitteln zu erreichen. Das Gericht kann diese Gründe jedenfalls kritisch prüfen und den Betroffenen, der sich dazu aus eigenem Wissen äußern kann (zu diesem Gesichtspunkt: Senat, Beschluss vom 16. Juni 2016 - V ZB 12/15, InfAuslR 2016, 429 Rn. 11), ggf. wegen milderer Mittel befragen.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

5
1. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Erforderlichkeit des Transitaufenthalts des Ausländers auf dem Flughafen nach § 15 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 AufenthG keiner weiteren Nachweise, insbesondere nicht der Feststellung des Vorliegens eines Haftgrunds nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 AufenthG bedarf, entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 20. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 16). Diese beruht darauf, dass das geltende Recht nach der Verweigerung der Einreise die richterliche Anordnung von Zurückweisungshaft oder des weiteren Verbleibs des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens als gesetzliche Regelfälle vorsieht. Mit diesen Bestimmungen, die durch Art. 1 Nr. 12 Buchstabe c des 1. Gesetzes zur Umsetzung von aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union vom 18. August 2007 (BGBl. I S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden sind, hat der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung für die Freiheitsentziehungen und -beschränkungen als Folge einer Zurückweisung an der Grenze bzw. im Transitbereich eines Flughafens geschaffen (BT-Drucks. 16/5065, S. 165). Die Vorschriften sind an die Stelle der vormaligen allgemeinen Verweisung in § 15 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aF auf die für die Abschiebungshaft geltende Regelung (§ 62 AufenhG) getreten, die eine Feststellung des Vorliegens einer der in § 62 Abs. 3 AufenthG genannten Haftgründe erforderlich machte.
10
2. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückweisungshaft gegen den Betroffenen lagen vor. Zwar rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Abschiebungs- oder Zurückschiebungshaft nicht von jenen für die Anordnung einer Zurückweisungshaft trennt. Voraussetzung für die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG das Vorliegen einer Zurückweisungsentscheidung, die nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Hingegen setzt die Anordnung von Zurückweisungshaft keinen Haftgrund im Sinne von § 62 Abs. 3 AufenthG voraus. Eine Verweisung auf diese Vorschrift enthält § 15 Abs. 5 AufenthG nicht. Nach dessen Satz 2 finden nur die in § 62 Abs. 4 AufenthG bestimmten Höchstgrenzen entsprechende Anwendung. Ob für die Anordnung von Zurückweisungshaft eine konkrete Gefahr bestehen muss, dass der Ausländer entgegen der Zurückweisung den Versuch unternehmen wird, unerlaubt einzureisen (vgl. Winkelmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 15 AufenthG Rn. 42; Hofmann/Fränkel, Ausländerrecht , 2. Aufl., § 15 AufenthG Rn. 18; BeckOK AuslR/Dollinger, § 15 AufenthG Rn. 25), kann offen bleiben. Aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

5
1. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Erforderlichkeit des Transitaufenthalts des Ausländers auf dem Flughafen nach § 15 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 AufenthG keiner weiteren Nachweise, insbesondere nicht der Feststellung des Vorliegens eines Haftgrunds nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 AufenthG bedarf, entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 20. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 16). Diese beruht darauf, dass das geltende Recht nach der Verweigerung der Einreise die richterliche Anordnung von Zurückweisungshaft oder des weiteren Verbleibs des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens als gesetzliche Regelfälle vorsieht. Mit diesen Bestimmungen, die durch Art. 1 Nr. 12 Buchstabe c des 1. Gesetzes zur Umsetzung von aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union vom 18. August 2007 (BGBl. I S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden sind, hat der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung für die Freiheitsentziehungen und -beschränkungen als Folge einer Zurückweisung an der Grenze bzw. im Transitbereich eines Flughafens geschaffen (BT-Drucks. 16/5065, S. 165). Die Vorschriften sind an die Stelle der vormaligen allgemeinen Verweisung in § 15 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aF auf die für die Abschiebungshaft geltende Regelung (§ 62 AufenhG) getreten, die eine Feststellung des Vorliegens einer der in § 62 Abs. 3 AufenthG genannten Haftgründe erforderlich machte.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

20
cc) Diese Voraussetzungen können entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht auch bei Ufermauern vorliegen. Weder § 1 WaStrVermRG noch der Staatsvertrag oder seine Erläuterung ergeben einen Anhaltspunkt dafür, dass Ufermauern von dem Übergang des Eigentums von Wasserstraßenzubehör generell ausgenommen sind. Dagegen spricht schon, dass der dem Träger einer Wasserstraße erster Ordnung vorbehaltene Ausbau des Ufers die Herstellung einer Ufermauer umfassen und dass die Anlegung einer künstlichen Wasserstraße die Anlegung auch einer Uferbefestigung in der Form einer Ufermauer erfordern kann. Der Bundesgesetzgeber sieht das nicht anders. Er hat in § 1 Abs. 4 Nr. 2 WaStrG bestimmt, dass zu den Bundeswasserstraßen auch die ihrer Unterhaltung dienenden bundeseigenen Ufergrundstücke gehören. Das Bundeswasserstraßengesetz regelt zwar nicht das Eigentum an den Wasserstraßen, sondern im Wesentlichen die öffentlich-rechtlichen Vorgaben für ihre Benutzung, ihre Verwaltung und ihren Ausbau, folgt aber bei der Beschreibung des Anwendungsbereichs den Vorgaben des Staatsvertrags (dazu: Entwurfsbegründung in BT-Drucks. V/352 S. 19 f.) und enthält damit eine legislative Interpretation der in dem Staatsvertrag verwendeten Begriffe „Zubehör“ und „Bestandteil“ einer Wasserstraße.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2015 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn im Hinblick auf die seit 1. Juni 2013 bestehenden Regelungen zur Asylhaft systemische Mängel aufweisen. Zwar habe der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 systemische Mängel im Hinblick auf Ungarn verneint. Es gebe aber zwischenzeitlich neue Erkenntnismittel, die systembedingte Mängel belegen würden, nämlich Schreiben des UNHCR vom 9. Mai 2014 und vom 30. September 2014 sowie von Pro Asyl vom 31. Oktober 2014 jeweils an das Verwaltungsgericht Düsseldorf und Berichte von AIDA und des Ungarischen Helsinki Committees vom April bzw. Mai 2014. Auch das Verwaltungsgericht Berlin sowie eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts München würden die Auffassung vertreten, die exzessive Anwendung der sog. Asylhaft in Ungarn, die regelmäßig alle Dublin-Rückkehrer betreffe, verstoße gegen Art. 6 GR-Charta und Art. 5 EMRK.

Dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Mit dem Hinweis auf abweichende Entscheidungen einzelner erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte wird bereits kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (OVG NW, B. v. 8. 9. 2014 -13 A 1347/14.A - AuAS 2014, 237 Rn. 21). Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B. v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtecharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 82; vgl. auch BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677). Im Übrigen verneint auch der Großteil der nationalen Verwaltungsgerichte systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn.

Soweit der Kläger auf die neueren Auskünfte von UNHCR und Pro Asyl verweist ergibt sich hieraus nichts anderes. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf, auf dessen Veranlassung diese eingeholt wurden, ist nach Auswertung der Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich nicht feststellen ließe, dass ein Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu unterfallen (VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris Rn. 50). Die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems (VG Düsseldorf a. a. O. Rn. 81). Auch der Kläger zeigt nicht weiter auf, welche Verstöße gegen Art. 4 EU-GR-Charta sich aus den neueren Erkenntnismitteln ergeben sollen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (U. v. 6.6.2013 - Mohammed ./. Österreich, Nr. 2283/12 - InfAuslR 2014, 197, und U. v. 3.7.2014 - Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12 - NLMR - Newsletter Menschenrechte - 2014, 282). In dem Urteil vom 3. Juli 2014 hält der EGMR an seiner Bewertung im Urteil vom 6. Juni 2013 fest. Seither seien keine neuen Umstände bekannt geworden, die nunmehr zu dem Schluss führen könnten, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweise und für den Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe (Rn. 74 f.). Zwar zeigten Länderberichte, dass es noch eine Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern gebe und auch Dublin-Rückkehrer davon betroffen wären. Auch seien die Haftgründe vage formuliert und es gebe kein Rechtsmittel gegen Asylhaft. Aus den Berichten würde sich allerdings auch ergeben, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und jetzt im Gesetz Alternativen zur Haft vorgesehen seien. Die Höchstdauer des Gewahrsams sei auf sechs Monate beschränkt. Hinsichtlich der Haftbedingungen sei anzumerken, dass es zwar immer noch Berichte über Mängel gebe, in einer Gesamtschau aber von Verbesserungen auszugehen sei (Rn. 68). Erneut weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich auch der UNHCR bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (Rn. 69). Zudem verweist er in seiner Entscheidung im Übrigen ausdrücklich auf die Stellungnahmen von AIDA und dem Ungarischen Helsinki Committee (Rn. 33 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Februar 2016 - A 1 K 2059/14 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben ein am 04.09.1981 in Ohafia Abia/Nigeria geborener nigerianischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 03.06.2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter und gab an, im Dezember 2009 nach Griechenland eingereist zu sein und sich über drei Jahre in Athen aufgehalten zu haben. Im August 2013 sei er zu Fuß über Mazedonien und Serbien nach Ungarn gegangen, wo er sich ca. 6 Monate aufgehalten habe. Sodann sei er über Österreich in Schweiz gereist und sei ca. 3 Monate in Bern geblieben. Schließlich sei er am 11.05.2014 ins Bundesgebiet eingereist.
Auf ein am 18.07.2014 an Ungarn gerichtetes Übernahmeersuchen haben die ungarischen Behörden unter dem 23.07.2014 ihre Zuständigkeit akzeptiert und teilten dabei mit, der Kläger habe am 31.07.2013 einen Asylantrag gestellt, der am 07.10.2013 abgelehnt worden sei. Eine Klage hiergegen habe das Gericht am 03.02.2014 endgültig abgewiesen.
Mit Bescheid vom 01.09.2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an (Nr. 2). Der Bescheid wurde dem Kläger am 04.09.2014 zugestellt.
Der Kläger erhob am 10.09.2014 Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, dem das Gericht mit Beschluss vom 13.10.2014 stattgab (A 1 K 2060/14).
Der Kläger berief sich zur Begründung der auf Aufhebung des Bescheids vom 01.09.2014 gerichteten Klage auf systemische Mängel des Asylverfahrens in Ungarn.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 13.01.2016 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 01.09.2016 auf und führte zur Begründung aus: Zwar sei Ungarn der nach der hier maßgeblichen Bestimmung des Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO zuständige Staat. Es habe dem Übernahmeersuchen der deutschen Behörden ausdrücklich zugestimmt. Der Kläger habe jedoch wegen der aktuell bestehenden Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn einen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO in die Zuständigkeit eintrete, sofern sie nicht rechtmäßig noch einen anderen Mitgliedstaat als Ungarn nach den Dublin-Regeln als zuständigen Staat für das Asylbegehren des Klägers bestimme.
Auf Antrag der Beklagten vom 01.02.2016 ließ der Senat mit Beschluss vom 01.03.2016 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2016 stellte die Beklagte einen Berufungsantrag und nahm zur Begründung auf die Ausführungen im Zulassungsverfahren, „soweit diese für die Position der Beklagten sprechen“, Bezug.
10 
Durch Beschluss vom 04.05.2016 verwarf der Senat die Berufung als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet. Mit Beschluss vom 04.08.2016 hob das Bundesverwaltungsgericht diesen Beschluss auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
11 
Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte insbesondere darauf, dass - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - im September 2015 keineswegs alle vorhandenen Haftplätze belegt gewesen seien. Auch seien im Jahre nur 2015 nur 0,7 v.H. der Asylantragsteller nach Einzelprüfung inhaftiert gewesen. Die Hafteinrichtungen böten insbesondere die erforderliche medizinische Betreuung.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Februar 2016 - A 1 K 2059/14 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er macht sich das angegriffene Urteil zu Eigen.
17 
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
18 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senaten liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg vor.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründet. Insoweit ist der Senat an die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts gebunden (vgl. § 144 Abs. 6 VwGO).
21 
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
22 
Die Voraussetzungen des durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 (BGBl I 1939) am 06.08.2016 in Kraft getretenen und auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwendenden § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 - 1 C 6.16 -, juris) liegen nicht vor mit der Folge, dass auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu Unrecht erlassen wurde und der Bescheid insgesamt aufzuheben ist (vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) war Ungarn nicht der für die Durchführung des Verfahrens zuständige Mitgliedstaat. Denn eine Überstellung des Klägers nach Ungarn ist gem. § 3 Abs. 2 Dublin III-VO wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen, die für ihn die konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, nicht zulässig (vgl. I.). Ungeachtet dessen ist die Zuständigkeit jedenfalls übergangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werden wird (II.).
I.
23 
1. Die Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 604/2013 vom 26.06.2013 (im Folgenden Dublin III-VO). Diese Verordnung ist im Hinblick auf deren Art. 49 Abs. 2, zwar nicht anzuwenden für die Beurteilung, ob Ungarn bei der Einreise des Klägers dort zuständiger Mitgliedstaat war; sie ist im vorliegenden Fall allerdings hinsichtlich des Überstellungsverfahrens anzuwenden.
24 
Zwar war der Kläger über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist, der Senat geht hier aber als gerichtsbekannt davon aus, dass Griechenland jedenfalls damals seinerseits systemische Schwachstellen aufgewiesen hatte (vgl. EGMR, Entscheidung vom 21.01.2011 -Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413); das wurde von den Beteiligten auch zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt. Der Senat kann daher offen lassen, ob die Zuständigkeit Griechenlands nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO nicht ohnehin infolge der Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten (nach Mazedonien und Serbien) entfallen war, nachdem der Kläger dort keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (vgl. weiterführend Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 27a Rn. 209). Ob eine Zuständigkeit anderer Mitglied- oder Vertragsstaaten bestand, kann offen bleiben, da sämtliche Fristen für die Stellung eines Übernahmeersuchens mittlerweile abgelaufen sind, zumal die Beklagte seit der Antragstellung über den Reiseweg im Wesentlichen informiert war.
25 
2. Dass bereits in der Vergangenheit, aber namentlich auch zum heutigen Zeitpunkt, die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO vorliegen, ergibt sich aus Folgendem:
26 
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417; vgl. dazu auch Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi -, NVwZ 2014, 208; vgl. auch EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413) kann ein Mitgliedstaat dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen und von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
27 
Dabei kann einerseits jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (vgl. Buchholtz, NVwZ 2016, 1353 <1357>, m.w.N.). Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System - etwa auch in der Rechtsanwendungspraxis (Buchholtz, a.a.O.) - in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
28 
Ein „blindes Vertrauen“ in die Gleichwertigkeit der regulatorischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten widerspräche dem Anspruch auf einen wirksamen Grundrechtsschutz. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die aktuelle Situation in den anderen Mitgliedstaaten einzuschätzen und müssen das Risiko systemischer Schwachstellen dort bewerten und ggf. dem wirksamen Schutz zentraler Grundrechte Vorrang geben (vgl. Canor, ZaöRV 2013, 249 <271>; Buchholtz, a.a.O.).
29 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht schon ein vereinzelter Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts im Einzelfall durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid -, NVwZ 2014, 129).
30 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1093, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677).
31 
Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von - etwa durch ein gemeinsames Merkmal verbundenen - Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.; Canor, a.a.O., 277; Franzius, ZaöRV 2015, 383 <407> und schon Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77), bzw. - nach einem etwas engeren Verständnis, das vorliegend jedoch zu keiner abweichenden Bewertung führt - dann, wenn solche Umstände die Rechtsstaatlichkeit bedrohen, da sie zur Folge haben, dass eine signifikante Anzahl sozialer Akteure in wichtigen Feldern aufhört, auf öffentliche Einrichtungen zur Bestätigung ihres (berechtigten) normativen Erwartens zu setzen und ein Rechtssystem damit aufhört, seiner Kernfunktion - der Unterstützung normativer Erwartungen - zu genügen (v. Bogdandy/Ioannidis, ZaöRV 2014, 283 <300>).
32 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urteile vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413, vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris, und Entscheidung vom 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande -, juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. zu den Anforderungen ausführlich Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).
33 
Hinzukommen muss, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh im konkreten Einzelfall gegebenenfalls vorrangig dadurch "vorgebeugt" werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 -Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 -, juris und vom 17.04.2015 - 2 BvR 602/15 -, juris).
34 
b) Nach den vom Senat verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. v.a. Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report by Nils Muiznieks vom 16.12.2014 Rn 148 ff. - im Folgenden CHR I; UNHCR, Anmerkungen und Empfehlungen des UNHCR zum Entwurf zur Änderung migrations- und asylbezogener sowie weiterer in diesem Zusammenhang stehender Vorschriften zwecks Rechtsharmonisierung vom 07.01.2015, S. 14 ff - im Folgenden UNHCR I) ist seit Jahren die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft bzw. einer Art von Sicherungshaft gegenüber Asylbewerbern durch schwerwiegende verfahrensrechtliche und inhaltliche Mängel gekennzeichnet und ist seit langer Zeit national wie auch v.a. international heftiger Kritik ausgesetzt (vgl. ausführlich CHR I, Rn. 151 insbesondere auch mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR zur Inhaftierungspraxis aus den Jahren 2011 und 2012; vgl. auch schon die deutliche, wenn auch diplomatisch eher zurückhaltend formulierte Kritik bei UN General Assembly - Human Rights Council - Report of the Working Group on Arbitrary Detention Mission to Hungary v. 03.07.2014, Rdn. 102 ff.). Diese Praxis ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa seit dem Jahre 2010 die ganz überwiegende Zahl der Antragsteller inhaftiert wurde und die gerichtlichen Entscheidungen, auf denen die Inhaftierungen beruhten, vollständig intransparent waren und ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu dem individuellen Einzelfall standen. Hinzu kam, dass nach der früheren Rechtslage die Haftgründe in hohem Maße vage und unbestimmt formuliert waren und damit in besonderer Weise eine rechtstaatlich unvertretbare gerichtliche Praxis begünstigten. Zwar wird für die Zeit bis zum Jahre 2014 zunächst von gewissen Verbesserungen gesprochen (vgl. CHR I, Rn. 153), was wohl zur Folge hatte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 03.07.2014 (Nr. 71932/12) nicht mehr zu erkennen vermochte, dass das Inhaftierungssystem in Ungarn noch durch so schwerwiegende Mängel gekennzeichnet gewesen sei, dass die erfolgte Inhaftierung des Betroffenen eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausgemacht hätte. Neuere, dem Gerichtshof damals noch nicht vorliegende Erkenntnisse seit dem Jahre 2014 zur Situation in Ungarn, wie der Bericht des Menschrechtskommissars vom 16.12.2014, der seinerseits auf einer Reihe aktueller Erkenntnismittel und auch eigener Anschauung beruhte, sowie die grundlegende Einschätzung von UNHCR vom 07.01.2015 (UNHCR I) gebieten jedoch auch in Ansehung gewisser Verbesserungen gleichwohl auch für das Jahr 2014 und bis heute eine abweichende Einschätzung. Hinzu kommt, dass selbst der Oberste Gerichtshof Ungarns (Kuriá) in seinem Bericht (Report on the Court’s Refugee Law-related Jurisprudence vom 20.10.2014; zitiert nach UNHCR I, S. 13 f.) die gravierenden Mängel der ungarischen Rechtsprechungspraxis bestätigt und praktische Hinweise zu deren unverzüglichen und notwendigen Behebung gegeben hatte (vgl. zu alledem auch Lehnert, NVwZ 2016, 896, 899). Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 05.07.2016 (Nr. 9912/15) belegt aber eindrucksvoll, dass sich an der Inhaftierungspraxis auch im Jahre 2014 nichts Grundlegendes geändert hatte. Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt entspricht geradezu exemplarisch den Fakten, wie sie der Senat aus den verwerteten Erkenntnismitteln entnommen hat.
35 
Besonders besorgt war der Menschrechtskommissar über die unverändert festzustellende Willkür bei der Anordnung von Haft, namentlich vermisste er jede Individualisierung der Anordnung und deren Verhältnismäßigkeit, was die Dauer betrifft. Verschärft wurde dieser Zustand dadurch, dass es - gewissermaßen als Korrektiv - keinerlei effektive richterliche Kontrolle gab, was auch vom Obersten Gerichtshof festgestellt und kritisiert worden war.
36 
Die aktuell seit 01.08.2015 geltenden gesetzliche Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Anordnung von „Asylhaft“, die nach ungarischem Recht seit 2013 von der Abschiebungshaft „Immigration Detention“ unterschieden wird (vgl. aida, „Country Report: Hungary“ vom November 2015, S. 64 - im Folgenden aida II), stehen allerdings nunmehr im Wesentlichen formal in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013, ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 96) in deren Art. 8 (vgl. auch aida II, S. 60). Als höchst problematisch wird hingegen unverändert auch heute noch die praktische Handhabung der Bestimmungen geschildert. Als Haftgründe werden am häufigsten „Fluchtgefahr“ und „ungeklärte Identität“ genannt (aida II, S. 60; amnesty international, Stranded Hope, Hungary’s sustained attack on the rights of refugees and migrants, 2016, S. 24 ff. im Folgenden ai, Stranded Hope). Mittlerweile kommt als weiterer oft herangezogener Grund die „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ hinzu (vgl. aida II, S. 61). Dem liegt zugrunde, dass Ungarn nunmehr alle Antragsteller, die nicht offiziell über eine Grenzstation einzureisen versuchen bzw. versucht haben, der illegalen Einreise beschuldigt und diese deshalb grundsätzlich auch strafrechtlich verfolgt werden können, was aber in dieser Pauschalität offensichtlich mit den Vorgaben in Art. 31 GFK unvereinbar ist, zumindest dann, wenn kein weiteres Begleitdelikt begangen wird, wie etwa die Beschädigung der Grenzanlagen (vgl. zu alledem UNHCR; Hungary as a country of asylum, vom Mai 2016, Rn. 59 - im Folgenden UNHCR II; Human Rights Watch “Hungary: Locked Up for Seeking Asylum“ vom 01.12.2015, S. 2 und 4 mit dem weiteren Hinweis, dass deshalb insbesondere abgelehnte Antragstellers häufig in „Immigration Detention“, d.h. praktisch in Strafanstalten inhaftiert sind, - im Folgenden HRW; so auch aida II, S. 61 f. und 64). Ungeachtet dessen wird wiederum einhellig - auch für das Jahr 2015 - nach wie vor beanstandet, dass Haftgründe immer noch nicht individualisiert und einzelfallbezogen geprüft und beurteilt werden, wobei wiederum noch hinzu kommt, dass unverändert die Begründungen der Entscheidungen in höchstem Maße defizitär sind und für die Betroffenen nicht erkennen lassen, weshalb sie in Haft genommen werden (vgl. aida II, S. 61 und 68; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, vom 17.12.2015, Rn. 16 ff. und 22 - im Folgenden CHR II). Dass eine spezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wurde, lässt sich in der Regel den Entscheidungen immer noch nicht entnehmen (aida II, S. 68). Entgegen den Vorgaben des Unionsrechts wird bei gerichtlichen Haftanordnungen immer wieder nicht sorgfältig erwogen, ob es hierzu Alternativen gibt (aida II, S. 61; UNHCR I S. 22). Obwohl es, worauf bereits hingewiesen wurde, in der Vergangenheit eine ausdrückliche Beanstandung durch den Obersten Gerichtshof gegeben hatte, sind - mit einer gewissen Ausnahme beim Gericht in Debrecen - auch weiterhin kaum sichtbaren Änderungen eingetreten.
37 
Die wesentlichen Verfahrensabläufe stellten sich und stellen sich nach wie vor wie folgt dar: Am Beginn der Haft steht eine maximal 72 Stunden geltende behördliche Haftanordnung, gegen die es mit Rücksicht auf völlig defizitäre Informationen, erhebliche sprachlich bedingte Kommunikationsprobleme und völlig unzureichenden Zugang zu fachkundiger Hilfestellung nur einen theoretischen, aber praktisch kaum wirksamen Rechtsschutz gibt (vgl. aida II, S. 69 und zum Ablauf des Verfahrens Rn. 67 f.) mit der Folge, dass die Betroffenen jeder denkbaren Willkür ausgeliefert sein können. Hieran schließt sich auf Antrag der Asylbehörde (OIN) eine förmliche gerichtliche Verlängerungsentscheidung an, die zunächst maximal 60 Tage gelten kann (bis insgesamt maximal 6 Monate). Die Verlängerungen erfolgen aus Gründen der „Verfahrensbequemlichkeit“ in aller Regel (wenn auch nicht ausnahmslos) pauschal und ohne Bezug zum Einzelfall um die jeweils zulässige Höchstdauer, ohne dass es insoweit nach der Einschätzung der Stellungnahmen ein effektives Rechtsmittel oder eine effektive Abhilfemöglichkeit für die Betroffenen gibt (aida II, S. 67 ff. insbes. Rn. 69 f. und schon UNHCR I, S. 13 und 17); ob überhaupt ein Rechtsbehelf gegen die richterliche Haftanordnung eröffnet ist, ist nicht völlig klar (verneinend und im Einzelnen begründet aida II, S. 67 f. Rechtsschutz nur in Bezug auf die behördlich Anordnung bis zu 72 Stunden; bejahend AA v. 21.06.2016 an VG Potsdam). Die Gerichte stützen sich nach wie vor häufig allein auf die Angaben der Asylbehörde, ohne die Angaben der Betroffenen angemessen zu würdigen (aida II, S. 68; ecre/aida, „Crossing Boundaries“ vom 01.10.2015, S. 27 f.). Bereits in der Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass die Gerichte die vorgeschriebene Anhörung jedenfalls teilweise als „Massenanhörung“ durchführten, sodass - wenn überhaupt - nur ein Minimum an Zeit für jeden Betroffenen blieb (vgl. aida II, S. 68). Zwar besteht an sich freier Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, die Beiordnung von Anwälten erwies sich aber als weitgehend unzureichend, da diese völlig passiv blieben und die Interessen ihrer Mandanten nicht ernsthaft vertraten (aida II, S. 70). Die vom Auswärtigen Amt (Auskunft vom 27.01.2016) behauptete genaue Einzelfallprüfung konnte schwerlich stattgefunden haben, wenn regelmäßig in der Haft unbegleitete Minderjährige angetroffen bzw. festgestellt worden waren. Es wird nämlich übereinstimmend berichtet, dass keine umfassende und vor allem einigermaßen zuverlässige Alterskontrolle und -feststellung stattfand bzw. gewährleistet war mit der Folge, dass immer wieder unbegleitete minderjährige Antragsteller in Haft kamen und später durch Mitarbeiter humanitärer Organisationen dort angetroffenen wurden (aida II, S. 62; UNHCR I, S. 18; CHR II, Rn. 27). Nichts anderes galt für sog. vulnerable Personen (vgl. auch HRW, S. 6 ff.), was insoweit folgenschwerer ist, weil keinerlei psychosoziale Betreuung in den Haftanstalten stattfindet (aida II, S. 65; HRW, S. 8). Eine psychologische Behandlung kommt allenfalls in einer Klinik in Betracht (vgl. AA v. 27.01.2016, S. 7). Grundsätzlich können nunmehr - wohl anders als noch im Jahre 2014 - auch Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 60 Tagen wieder inhaftiert werden, was auch tatsächlich und nicht nur in Ausnahmefällen geschieht (vgl. aida II, S. 62; UNHCR I, S. 21 f.), aber schwerlich mit Art. 37 Kinderkonvention und Art. 11 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) vereinbar sein wird.
38 
Die Haftanstalten waren und sind entgegen früherer Befürchtungen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Building als Legal Fence, vom 07.08.2015, S. 5) nicht überfüllt, allerdings jedenfalls teilweise nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand, so v.a. die Haftanstalt in Nyirbátor (vgl. aida II, S. 65; HRW, S. 2 f. und 9), in der im Winter 2014/15 die Häftlinge bei Temperaturen von 5°C in der Haftanstalt ohne ausreichende Kleidung längere Zeit leben mussten, sie ist außerdem trotz mehrfacher Abhilfeversuche nach wie vor völlig verwanzt. Andere bauliche Mängel waren vorhanden, waren aber wohl nicht so gravierend. Schwangere, begleitete und unbegleitete Kinder und Menschen mit Behinderungen werden immer wieder auch für lange Zeit mit alleinstehenden Männern zusammen untergebracht (HRW, S. 2). Typisch ist weiterhin ein hohes Maß an alltäglicher Brutalität, die von dem Personal in den Haftanstalten ausgeht (vgl. ecre/aida, a.a.O.,S. 27; vgl. auch ausführlich ai, Stranded Hope, S. 25 ff., insbesondere auch zu Selbstmordversuchen und Selbstverletzungen). Die Betroffenen werden wie Kriminelle behandelt und nur mit Handschellen und untereinander angeleint ausgeführt (aida II, S. 65; CHR II, Rn. 21, dessen Ausführungen darauf schließen lassen, dass es sich nicht um einen Ausreißer gehandelt haben kann; vgl. auch AA vom 21.06.2016). Die ärztliche Basisversorgung für nicht vorbelastete Insassen ist theoretisch wohl gewährleistet (aida II, S. 65; AA v. 27.01.2016). Deren Effektivität leidet aber mit Rücksicht auf fehlende Dolmetscher erheblich unter den Kommunikationsschwierigkeiten, die oftmals eine sachgerechte Behandlung unmöglich machen (vgl. CHR II, Rn. 20).
39 
Jedenfalls waren im Frühjahr 2014 noch etwa 25 v.H. aller Antragsteller und 42 v.H. aller männlichen ledigen Antragsteller in Haft (vgl. CHR I, Rn. 155 f.; aida, „Country Report: Hungary“ vom April 2014, S. 48 - im Folgenden aida I). Für das gesamte Jahr 2013 wird - nicht aufgeschlüsselt nach der Gesamtzahl einerseits und der Zahl alleinstehender Männer andererseits - die Quote mit knapp 25 v.H. angegeben (vgl. UN General Assembly - Human Rights Council - Report oft the Working Group on Arbitrary Detention Mission to Hungary v. 03.07.2014).
40 
Allerdings legten neuere Erkenntnismittel zunächst die Schlussfolgerung nahe, dass die Inhaftierungsquote möglicherweise in der Folge nicht mehr das gleiche hohe Ausmaß hatte wie dieses noch in den Jahren 2013 und 2014 der Fall war. Zwar nennt aida (II, S. 60) eine Zahl von 52 v.H. Inhaftierten bezogen auf den 02.11.2015, ohne dieses genauer zu erläutern; in diesem Zusammenhang wird aber sodann noch die Gesamtzahl der zwischen 01.01. bis 30.09.2015 inhaftierten Antragsteller mit 1.860 angegeben, was aber in Anbetracht der vom Auswärtigen Amt dem Senat auf die Anfrage des Senats am 27.06.2016 mitgeteilten Zahl von rund 179.000 Antragstellern im Jahre 2015 eine Quote von 52 v.H. nicht ohne weiteres plausibel erscheinen lässt (vgl. aber auch völlig widersprüchlich AA v. 03.07.2015: 01.01.2015 bis 31.05.2015 1.078 inhaftierte Personen einerseits, AA vom 28.09.2015: 01.01.2015 bis 30.06.2015 492 Personen andererseits). Gegenüber dem Senat hat das Auswärtige Amt am 27.06.2016 die Gesamtzahl der Inhaftierungen im 1. Halbjahr 2015 mit 1.258, im 2. Halbjahr mit 1.145 und in der Zeit zwischen dem 01.01.2016 bis 22.06.2016 mit 1.648 Personen angegeben, was in Einklang mit der von aida genannten Gesamtzahl von 1.860 Personen stehen könnte. Geht man von der hohen Zahl der Antragstellungen im Jahre 2015 aus, so könnte hieraus auf eine deutlich geringere Inhaftierungsquote als im Jahre 2014 zu schließen sein, auch wenn dem Senat nicht bekannt ist, wie viele Antragsteller tatsächlich überhaupt noch im Land geblieben waren. Sollte, wie zu vermuten ist, der ganz überwiegende Teil der Antragsteller das Land im Jahre 2015 aber bereits wieder verlassen haben, so würde dieses unmittelbar die Inhaftierungsquote nicht unerheblich erhöhen. Dafür, dass die meisten Antragsteller wieder das Land verlassen hatten, sprach der Umstand, dass regelmäßig der Anteil der sog. Einstellungsentscheidungen der ungarischen Asylbehörde signifikant hoch war (vgl. Eurostat, „Asylum and first time asylum applicants, Last update 06.07.2016“ für Ungarn 177.135 Antragsteller im Jahre 2015 einerseits; „Asylum applications withdrawn, Last update 08.07.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 103.015 Einstellungsentscheidungen andererseits; vgl. auch „Final decisions on applications Last update 22.06.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 nur 480 endgültige Sachenentscheidungen).
41 
Auch zum heutigen Zeitpunkt ist nach wie vor von einer hohen Inhaftierungsquote auszugehen. Amnesty international teilt unter Berufung auf das Hungary Helsinki Committee mit, dass zum 01.08.2016 noch etwa 1200 registrierte Flüchtlinge in Ungarn geblieben seien, von denen etwa 700 inhaftiert gewesen seien (ai, Stranded Hope, S. 24 ff.).
42 
Diese Quoten begründeten nach Überzeugung des Senats in Anbetracht der erheblichen und einschneidenden Folgen einer Inhaftierung für die Betroffenen die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“. Ausgehend von diesen Zahlen muss der Kläger dann, wenn er nach Ungarn zurückkehren würde, um dort ein (weiteres) Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, als alleinstehender Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen in Haft zu kommen. Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung aussetzt, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen werden, verstößt nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 - Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris; vom. 05.07.2016 - Nr. 9912/15), sondern auch - jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung - gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass angesichts der schweren Mängel des Haftanordnungsverfahrens der Kläger keine effektive und faire Chance haben wird, seine Belange in das Verfahren einzubringen und damit gehört zu werden, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn ein (weiteres) Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde.
43 
Das ungarische Asylsystem weist ungeachtet dessen auch in anderer Hinsicht weitere schwere systemische Mängel auf, worauf es aber nicht mehr entscheidend ankommt. So behandelt Ungarn u.a. Serbien als sicheren Drittstaat (vgl. aida II, S. 43 f.; vgl. auch eccre/aida, Crossing Boundaries, October 2015, 34 ff. auch zur rückwirkenden Anwendung der Drittstaatenregelung), womit die massenhaften Einreiseverweigerungen und Zurückschiebungen an der serbisch-ungarischen Grenze zu erklären sind (vgl. u.a. aida II, S. 30 ff.; Hungarian Helsinki Committee, No Country for Refugees, 28.09.2015; ai, Stranded Hope, S. 14 f.). Serbien seinerseits sieht u.a. Griechenland, Mazedonien und die Türkei als sichere Drittstaaten an (aida, Country Report: Serbia März 2016, 23 f.). Dass Griechenland kein sicherer Drittstaat sein kann, wurde bereits erwähnt. Für die Türkei gilt nichts anderes. Denn zum einen wendet die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nur auf europäische Flüchtlinge an. Rein faktisch beachtet sie aber insbesondere auch gegenüber syrischen Flüchtlingen das Refoulement-Verbot nicht. Es gibt zahlreiche glaubhafte Berichte, dass es immer wieder zu Push-Backs in größerem Umfang an der syrisch-türkischen Grenze kommt (vgl. zu alledem ai, Turkey - Illegal Mass Returns of Syrian Refugees, 01.04.2016; pro asyl, Turkey: Syrians Pushed Back at the Border, 23.11.2015), was schon in Anbetracht der fehlenden völkervertraglichen Bindungen der Türkei dazu führen muss, dass die Türkei nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden kann. Hinzu kommt, dass das serbische Asylverfahren massiver Kritik ausgesetzt und jedenfalls faktisch nicht geeignet ist, effektiven Flüchtlingsschutz zu gewährleisten; aida spricht davon, dass die gravierenden Mängel v.a. in der mangelnden Implementierung des Flüchtlingswesens in die Gesetzgebung und in der weitgehenden Unkenntnis flüchtlingsrechtlicher Fragestellungen bei den Akteuren im System bestehen (vgl. aida, Country Report: Serbia, S. 12; vgl. auch UNHCR, Serbia as a country of asylum, August 2012). Aus alledem folgt, dass Ungarn ein System der flüchtlingsrechtlichen Verantwortungslosigkeit betreibt und sehenden Auges Kettenabschiebungen ermöglicht. In diesem Sinn hat auch am 20.04.2016 das Oberste Verwaltungsgericht Finnlands entschieden (vgl. KHO: 2016: 53), dass Ungarn zu Unrecht Serbien als einen sicheren Drittstaat behandelt und deshalb sein Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass es nachvollziehbare und glaubhafte aktuelle Schilderungen über die Behandlung von gestrandeten Flüchtlingen an der ungarischen Grenze gibt, die deutlich machen, dass Ungarn nicht nur ständig das Refoulement-Verbot verletzt, sondern dabei auch exzessive Gewalt anwendet. Minimale menschenrechtliche Standards werden auch dadurch verletzt, dass im Rahmen des Grenzregimes wiederholte erfolgreiche Versuche gegeben hat, ungarische NGOs daran zu hindern, durch eigene Hilfsmaßnahmen und Hilfsprojekte die äußerst schlechten Lebensbedingungen der an der Grenze ausharrenden Menschen zu lindern (amnesty international, So schlecht wie möglich, August 2016). Diese bei den handelnden staatlichen Organen offensichtlich vorherrschende ablehnende bis gar feindliche Grundeinstellung gegenüber Flüchtlingen, die in vielfach geschilderten Gewaltexzessen und in der inhumanen Verhinderung von Hilfseinsetzen von ungarischen NGOs exemplarisch zum Ausdruck kommt, lässt nach Überzeugung des Senats auch Rückschlüsse auf die oben geschilderte Schlechtbehandlung in der Asylhaft zu. Die Plausibilität und Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Berichte wird dadurch untermauert. Diese Feststellungen haben daher indirekt auch Relevanz für die Einschätzung der (künftigen) Situation des Klägers.
44 
Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass am 10.12.2015 die Europäische Kommission gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat (vgl. Presserklärung der Europäischen Kommission vom 10.12.2015). Dieses hat im Wesentlichen die Effektivität des Rechtsschutzes zum Gegenstand. Erstens befürchtet die Kommission im Hinblick auf die Asylverfahren, dass es im Rahmen von Rechtsbehelfen nicht möglich sei, auf neue Fakten und Umstände zu verweisen, und dass Ungarn Entscheidungen im Falle der Einlegung von Rechtsbehelfen nicht automatisch aussetze, sondern dass Antragsteller bereits vor Verstreichen der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder vor der Prüfung des Rechtsbehelfs effektiv gezwungen würden, ungarisches Hoheitsgebiet zu verlassen. In der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie seien gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und klare Vorschriften für die Beantragung von Asyl festgelegt. Sie gelte für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet - auch an den Grenzen, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen - der Mitgliedstaaten gestellt werden. Sodann befürchtet die Kommission im Hinblick auf das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen, dass das ungarische Gesetz über beschleunigte Strafverfahren wegen irregulären Grenzübertritts gegen die Vorschriften der Richtlinie über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren verstoße, die sicherstelle, dass jede verdächtige oder angeklagte Person, die die Verfahrenssprache nicht verstehe, eine schriftliche Übersetzung aller wichtigen Dokumente, auch eines etwaigen Urteils, erhalte. Schließlich bestünden im Hinblick auf das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht nach Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bedenken hinsichtlich der Tatsache, dass gemäß den neuen ungarischen Vorschriften zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen über die Ablehnung eines Asylantrags eine persönliche Anhörung der Antragsteller fakultativ sei. Zudem könne der Umstand, dass gerichtliche Entscheidungen von Gerichtssekretären auf vorgerichtlicher Ebene getroffen werden, einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie und Artikel 47 der Grundrechtecharta begründen. Gerade der erste Punkt wird aus der Sicht des Senats eindringlich durch verschiedene Erkenntnismittel, die ihm vorliegen, untermauert (vgl. etwa amnesty international, Trampling on the rights of refugees and asylumseekers, May 2016; UNHCR II, Rdn. 38 ff.; amnesty international, So schlecht wie möglich, August 2016).
II.
45 
Die angegriffenen Verfügungen waren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) auch aus einem weiteren Grund aufzuheben.
46 
1. Die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsanordnung setzt nach § 34a Abs. 1 AsylG voraus, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen kannund dies auch alsbald der Fall sein wird. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, ist die Beklagte ggf. darlegungspflichtig, dass diese Voraussetzungen gleichwohl (noch) vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum einen ergab sich schon aus dem von der Beklagten selbst dem Senat bereits im Verfahren A 11 S 976/16 vorgelegten Quartalsbericht IV 2015 zum Mitgliedstaat Ungarn vom 27.01.2016, dass im gesamten Jahr 2015 von 33.220 Zustimmungsfällen tatsächlich nur 1.402 nach Ungarn überstellt worden waren, was einer Quote von 4,2 v.H. entsprach; im 4. Quartal war die Quote sogar auf 3,3 v.H. gesunken. Die mittlerweile vorliegende Dublin-Statistik für das 1. Halbjahr und das von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte statistische Material zeichnen ein vergleichbares Bild; die Überstellungsquote betrug im gesamten 1. Halbjahr 2016 lediglich 7,14 v.H. (vgl. BAMF: Dublin-Statistik 1. Jahreshälfte 2016), was unübersehbar zu einem enormen Rückstau von Überstellungen geführt haben muss. Erst um die Jahresmitte 2016 hat sich die Quote deutlich verbessert, was ersichtlich auf die gesunkene Zahl von Zustimmungen Ungarns zurückzuführen ist. Die Zahlen der erfolgten Überstellungen liegen aber immer noch deutlich unter der Zahl der Zustimmungen. An der sehr niedrigen Überstellungsquote und dem infolge dessen entstandenen extremen Rückstau hat sich somit nichts Grundlegendes geändert, er wächst sogar weiter ständig an. Allerdings finden durchaus regelmäßig Überstellungen statt, obwohl offizielle ungarische Verlautbarungen etwas anderes nahe legen. Soweit die Beklagte darauf abhebt, dass bei der Beurteilung und der Bewertung der Überstellungsquote berücksichtigt werden müssen, dass „viele“ Abschiebungen aus mancherlei Gründen nicht durchgeführt werden könnten, etwa weil sich die Betroffenen verweigern oder entziehen würden, so ist dieses zweifellos richtig. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Aspekt, insbesondere die naheliegende Frage, was unter „viele“ zu verstehen ist erörtert, von der Beklagten aber nicht beantwortet oder erläutert, da sie ohne vorherige Mitteilung der Verhandlung fern geblieben ist. Auch hatte die Beklagte auf die Anfrage des Senats, kein bestimmtes Handlungsmuster darlegen können, nach dem die Überstellungen durchgeführt und v.a. der Rückstau abgearbeitet werden soll, wobei hier nochmals darauf hinzuweisen ist, dass dieser gegenwärtig noch weiter zunimmt. Allein deshalb ist Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung aufzuheben. Der Senat sieht sich in seiner Einschätzung, dass der erhebliche Rückstau nicht in absehbarer Zeit abgebaut werden kann und wird, darin bestätigt, dass das für die Aufenthaltsbeendigung in ganz Baden-Württemberg zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf die Anfrage des Senats am 12.10.2016 mitgeteilt hat, dass im gesamten Jahre 2016 bislang 12 Überstellungen nach Ungarn durchgeführt worden sind. Bereits aufgrund dessen ist die Abschiebungsanordnung aufzuheben.
47 
2. Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt - ungeachtet der Ausführungen unter I - die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war.
48 
Steht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinreichend sicher fest, dass innerhalb der nächsten sechs Monate eine Überstellung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird oder durchgeführt werden kann, so gebietet der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - C-4/11 -, NVwZ 2014, 129, Rn. 33 ff.), dass bereits jetzt von einer Unmöglichkeit der Überstellung und damit dem künftigen Zuständigkeitsübergang auszugehen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO). Bei diesen Überlegungen muss - ausgehend von der Annahme, dass die Ziffer 1 sonst an keinen Rechtsfehlen leidet und der Senat als maßgeblichen Zeitpunkt den der mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen hat (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) - die Prognose zum Ausgangspunkt nehmen, dass die Überstellungsfrist aktuell zu laufen beginnt, weil der Kläger sein Begehren nicht weiter verfolgen wird. Andernfalls wäre zu Lasten der Betroffenen und unter Vernachlässigung des Beschleunigungsgedankens ein zuverlässiger Ausgangs- und Fixpunkt der Prognose nicht festzulegen mit der Folge, dass die hier bestehende Überstellungsproblematik nicht in einer den berechtigten Interessen der Betroffenen gemäßen Art und Weise sachgerecht bewältigt werden könnte. Bei einer anderen Sichtweise könnte eine Prognoseentscheidung erst dann getroffen werden, wenn die Entscheidung des Senats zu einem jetzt noch ungewissen Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist und damit die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 UA 1) in Lauf gesetzt wurde. Der Senat würde dann auch - gesetzeswidrig - einen anderen (späteren) und gerade nicht den den Vorgaben des § 77 Abs. 1 AsylG entsprechenden Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen. Weshalb in diesem Zusammenhang (wohl vor dem Hintergrund des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO) generell von einem Prognosehorizont von 18 Monaten auszugehen sein sollte, wie die Beklagte im Verfahren A 11 S 976/16 vorgetragen hat, erschließt sich dem Senat nicht. Denn weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass alle zu Überstellenden flüchtig sind oder sein werden, noch dass solches beim Kläger der Fall sein wird.
49 
Angesichts des oben dargestellten enormen und weiter wachsenden Rückstaus von Überstellungen (allein aus dem Jahr 2015 und der 1. Jahreshälfte 2016) und bei einer nur verschwindend geringen Überstellungsquote ist -auch angesichts der aktuellen offiziellen Äußerungen der ungarischen Regierung vom 26.05.2016, möge diese auch in erster Linie innenpolitisch motiviert sein - für den Senat nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht plausibel dargelegt, dass in absehbarer Zeit überhaupt noch Überstellungen in nennenswertem Umfang, die in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtzahl der zu überstellenden Personen stehen, durchgeführt werden können. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte zur Vermeidung weiterer unzumutbarer dem Beschleunigungsprinzip und der Effektivität des Europäischen Asylsystems zuwider laufender Verzögerungen, verpflichtet, ohne Ermessensspielraum sofort von dem Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, ohne den sich abzeichnenden Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abwarten zu dürfen.
50 
Nach alledem wird die Beklagte im weiteren Verfahren zu entscheiden haben, ob der am 03.06.2014 gestellte Antrag ein Erstantrag oder Zweitantrag ist. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er seines Wissens nach keinen Asylantrag gestellt hat, jedenfalls aber, sollte er bei seiner Festnahme und dem anschließenden Verhör durch die ungarischen Behörden unbewusst einen Asylantrag gestellt haben, keinen Ablehnungsbescheid erhalten und noch weniger eine Klage angestrengt zu haben.
III.
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. § 83b AsylG).
52 
Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
19 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
20 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründet. Insoweit ist der Senat an die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts gebunden (vgl. § 144 Abs. 6 VwGO).
21 
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
22 
Die Voraussetzungen des durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 (BGBl I 1939) am 06.08.2016 in Kraft getretenen und auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwendenden § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 - 1 C 6.16 -, juris) liegen nicht vor mit der Folge, dass auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu Unrecht erlassen wurde und der Bescheid insgesamt aufzuheben ist (vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) war Ungarn nicht der für die Durchführung des Verfahrens zuständige Mitgliedstaat. Denn eine Überstellung des Klägers nach Ungarn ist gem. § 3 Abs. 2 Dublin III-VO wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen, die für ihn die konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, nicht zulässig (vgl. I.). Ungeachtet dessen ist die Zuständigkeit jedenfalls übergangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werden wird (II.).
I.
23 
1. Die Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 604/2013 vom 26.06.2013 (im Folgenden Dublin III-VO). Diese Verordnung ist im Hinblick auf deren Art. 49 Abs. 2, zwar nicht anzuwenden für die Beurteilung, ob Ungarn bei der Einreise des Klägers dort zuständiger Mitgliedstaat war; sie ist im vorliegenden Fall allerdings hinsichtlich des Überstellungsverfahrens anzuwenden.
24 
Zwar war der Kläger über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist, der Senat geht hier aber als gerichtsbekannt davon aus, dass Griechenland jedenfalls damals seinerseits systemische Schwachstellen aufgewiesen hatte (vgl. EGMR, Entscheidung vom 21.01.2011 -Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413); das wurde von den Beteiligten auch zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt. Der Senat kann daher offen lassen, ob die Zuständigkeit Griechenlands nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO nicht ohnehin infolge der Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten (nach Mazedonien und Serbien) entfallen war, nachdem der Kläger dort keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (vgl. weiterführend Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 27a Rn. 209). Ob eine Zuständigkeit anderer Mitglied- oder Vertragsstaaten bestand, kann offen bleiben, da sämtliche Fristen für die Stellung eines Übernahmeersuchens mittlerweile abgelaufen sind, zumal die Beklagte seit der Antragstellung über den Reiseweg im Wesentlichen informiert war.
25 
2. Dass bereits in der Vergangenheit, aber namentlich auch zum heutigen Zeitpunkt, die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO vorliegen, ergibt sich aus Folgendem:
26 
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417; vgl. dazu auch Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi -, NVwZ 2014, 208; vgl. auch EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413) kann ein Mitgliedstaat dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen und von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
27 
Dabei kann einerseits jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (vgl. Buchholtz, NVwZ 2016, 1353 <1357>, m.w.N.). Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System - etwa auch in der Rechtsanwendungspraxis (Buchholtz, a.a.O.) - in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
28 
Ein „blindes Vertrauen“ in die Gleichwertigkeit der regulatorischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten widerspräche dem Anspruch auf einen wirksamen Grundrechtsschutz. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die aktuelle Situation in den anderen Mitgliedstaaten einzuschätzen und müssen das Risiko systemischer Schwachstellen dort bewerten und ggf. dem wirksamen Schutz zentraler Grundrechte Vorrang geben (vgl. Canor, ZaöRV 2013, 249 <271>; Buchholtz, a.a.O.).
29 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht schon ein vereinzelter Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts im Einzelfall durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid -, NVwZ 2014, 129).
30 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1093, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677).
31 
Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von - etwa durch ein gemeinsames Merkmal verbundenen - Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.; Canor, a.a.O., 277; Franzius, ZaöRV 2015, 383 <407> und schon Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77), bzw. - nach einem etwas engeren Verständnis, das vorliegend jedoch zu keiner abweichenden Bewertung führt - dann, wenn solche Umstände die Rechtsstaatlichkeit bedrohen, da sie zur Folge haben, dass eine signifikante Anzahl sozialer Akteure in wichtigen Feldern aufhört, auf öffentliche Einrichtungen zur Bestätigung ihres (berechtigten) normativen Erwartens zu setzen und ein Rechtssystem damit aufhört, seiner Kernfunktion - der Unterstützung normativer Erwartungen - zu genügen (v. Bogdandy/Ioannidis, ZaöRV 2014, 283 <300>).
32 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urteile vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413, vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris, und Entscheidung vom 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande -, juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. zu den Anforderungen ausführlich Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).
33 
Hinzukommen muss, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh im konkreten Einzelfall gegebenenfalls vorrangig dadurch "vorgebeugt" werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 -Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 -, juris und vom 17.04.2015 - 2 BvR 602/15 -, juris).
34 
b) Nach den vom Senat verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. v.a. Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report by Nils Muiznieks vom 16.12.2014 Rn 148 ff. - im Folgenden CHR I; UNHCR, Anmerkungen und Empfehlungen des UNHCR zum Entwurf zur Änderung migrations- und asylbezogener sowie weiterer in diesem Zusammenhang stehender Vorschriften zwecks Rechtsharmonisierung vom 07.01.2015, S. 14 ff - im Folgenden UNHCR I) ist seit Jahren die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft bzw. einer Art von Sicherungshaft gegenüber Asylbewerbern durch schwerwiegende verfahrensrechtliche und inhaltliche Mängel gekennzeichnet und ist seit langer Zeit national wie auch v.a. international heftiger Kritik ausgesetzt (vgl. ausführlich CHR I, Rn. 151 insbesondere auch mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR zur Inhaftierungspraxis aus den Jahren 2011 und 2012; vgl. auch schon die deutliche, wenn auch diplomatisch eher zurückhaltend formulierte Kritik bei UN General Assembly - Human Rights Council - Report of the Working Group on Arbitrary Detention Mission to Hungary v. 03.07.2014, Rdn. 102 ff.). Diese Praxis ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa seit dem Jahre 2010 die ganz überwiegende Zahl der Antragsteller inhaftiert wurde und die gerichtlichen Entscheidungen, auf denen die Inhaftierungen beruhten, vollständig intransparent waren und ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu dem individuellen Einzelfall standen. Hinzu kam, dass nach der früheren Rechtslage die Haftgründe in hohem Maße vage und unbestimmt formuliert waren und damit in besonderer Weise eine rechtstaatlich unvertretbare gerichtliche Praxis begünstigten. Zwar wird für die Zeit bis zum Jahre 2014 zunächst von gewissen Verbesserungen gesprochen (vgl. CHR I, Rn. 153), was wohl zur Folge hatte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 03.07.2014 (Nr. 71932/12) nicht mehr zu erkennen vermochte, dass das Inhaftierungssystem in Ungarn noch durch so schwerwiegende Mängel gekennzeichnet gewesen sei, dass die erfolgte Inhaftierung des Betroffenen eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausgemacht hätte. Neuere, dem Gerichtshof damals noch nicht vorliegende Erkenntnisse seit dem Jahre 2014 zur Situation in Ungarn, wie der Bericht des Menschrechtskommissars vom 16.12.2014, der seinerseits auf einer Reihe aktueller Erkenntnismittel und auch eigener Anschauung beruhte, sowie die grundlegende Einschätzung von UNHCR vom 07.01.2015 (UNHCR I) gebieten jedoch auch in Ansehung gewisser Verbesserungen gleichwohl auch für das Jahr 2014 und bis heute eine abweichende Einschätzung. Hinzu kommt, dass selbst der Oberste Gerichtshof Ungarns (Kuriá) in seinem Bericht (Report on the Court’s Refugee Law-related Jurisprudence vom 20.10.2014; zitiert nach UNHCR I, S. 13 f.) die gravierenden Mängel der ungarischen Rechtsprechungspraxis bestätigt und praktische Hinweise zu deren unverzüglichen und notwendigen Behebung gegeben hatte (vgl. zu alledem auch Lehnert, NVwZ 2016, 896, 899). Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 05.07.2016 (Nr. 9912/15) belegt aber eindrucksvoll, dass sich an der Inhaftierungspraxis auch im Jahre 2014 nichts Grundlegendes geändert hatte. Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt entspricht geradezu exemplarisch den Fakten, wie sie der Senat aus den verwerteten Erkenntnismitteln entnommen hat.
35 
Besonders besorgt war der Menschrechtskommissar über die unverändert festzustellende Willkür bei der Anordnung von Haft, namentlich vermisste er jede Individualisierung der Anordnung und deren Verhältnismäßigkeit, was die Dauer betrifft. Verschärft wurde dieser Zustand dadurch, dass es - gewissermaßen als Korrektiv - keinerlei effektive richterliche Kontrolle gab, was auch vom Obersten Gerichtshof festgestellt und kritisiert worden war.
36 
Die aktuell seit 01.08.2015 geltenden gesetzliche Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Anordnung von „Asylhaft“, die nach ungarischem Recht seit 2013 von der Abschiebungshaft „Immigration Detention“ unterschieden wird (vgl. aida, „Country Report: Hungary“ vom November 2015, S. 64 - im Folgenden aida II), stehen allerdings nunmehr im Wesentlichen formal in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013, ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 96) in deren Art. 8 (vgl. auch aida II, S. 60). Als höchst problematisch wird hingegen unverändert auch heute noch die praktische Handhabung der Bestimmungen geschildert. Als Haftgründe werden am häufigsten „Fluchtgefahr“ und „ungeklärte Identität“ genannt (aida II, S. 60; amnesty international, Stranded Hope, Hungary’s sustained attack on the rights of refugees and migrants, 2016, S. 24 ff. im Folgenden ai, Stranded Hope). Mittlerweile kommt als weiterer oft herangezogener Grund die „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ hinzu (vgl. aida II, S. 61). Dem liegt zugrunde, dass Ungarn nunmehr alle Antragsteller, die nicht offiziell über eine Grenzstation einzureisen versuchen bzw. versucht haben, der illegalen Einreise beschuldigt und diese deshalb grundsätzlich auch strafrechtlich verfolgt werden können, was aber in dieser Pauschalität offensichtlich mit den Vorgaben in Art. 31 GFK unvereinbar ist, zumindest dann, wenn kein weiteres Begleitdelikt begangen wird, wie etwa die Beschädigung der Grenzanlagen (vgl. zu alledem UNHCR; Hungary as a country of asylum, vom Mai 2016, Rn. 59 - im Folgenden UNHCR II; Human Rights Watch “Hungary: Locked Up for Seeking Asylum“ vom 01.12.2015, S. 2 und 4 mit dem weiteren Hinweis, dass deshalb insbesondere abgelehnte Antragstellers häufig in „Immigration Detention“, d.h. praktisch in Strafanstalten inhaftiert sind, - im Folgenden HRW; so auch aida II, S. 61 f. und 64). Ungeachtet dessen wird wiederum einhellig - auch für das Jahr 2015 - nach wie vor beanstandet, dass Haftgründe immer noch nicht individualisiert und einzelfallbezogen geprüft und beurteilt werden, wobei wiederum noch hinzu kommt, dass unverändert die Begründungen der Entscheidungen in höchstem Maße defizitär sind und für die Betroffenen nicht erkennen lassen, weshalb sie in Haft genommen werden (vgl. aida II, S. 61 und 68; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, vom 17.12.2015, Rn. 16 ff. und 22 - im Folgenden CHR II). Dass eine spezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wurde, lässt sich in der Regel den Entscheidungen immer noch nicht entnehmen (aida II, S. 68). Entgegen den Vorgaben des Unionsrechts wird bei gerichtlichen Haftanordnungen immer wieder nicht sorgfältig erwogen, ob es hierzu Alternativen gibt (aida II, S. 61; UNHCR I S. 22). Obwohl es, worauf bereits hingewiesen wurde, in der Vergangenheit eine ausdrückliche Beanstandung durch den Obersten Gerichtshof gegeben hatte, sind - mit einer gewissen Ausnahme beim Gericht in Debrecen - auch weiterhin kaum sichtbaren Änderungen eingetreten.
37 
Die wesentlichen Verfahrensabläufe stellten sich und stellen sich nach wie vor wie folgt dar: Am Beginn der Haft steht eine maximal 72 Stunden geltende behördliche Haftanordnung, gegen die es mit Rücksicht auf völlig defizitäre Informationen, erhebliche sprachlich bedingte Kommunikationsprobleme und völlig unzureichenden Zugang zu fachkundiger Hilfestellung nur einen theoretischen, aber praktisch kaum wirksamen Rechtsschutz gibt (vgl. aida II, S. 69 und zum Ablauf des Verfahrens Rn. 67 f.) mit der Folge, dass die Betroffenen jeder denkbaren Willkür ausgeliefert sein können. Hieran schließt sich auf Antrag der Asylbehörde (OIN) eine förmliche gerichtliche Verlängerungsentscheidung an, die zunächst maximal 60 Tage gelten kann (bis insgesamt maximal 6 Monate). Die Verlängerungen erfolgen aus Gründen der „Verfahrensbequemlichkeit“ in aller Regel (wenn auch nicht ausnahmslos) pauschal und ohne Bezug zum Einzelfall um die jeweils zulässige Höchstdauer, ohne dass es insoweit nach der Einschätzung der Stellungnahmen ein effektives Rechtsmittel oder eine effektive Abhilfemöglichkeit für die Betroffenen gibt (aida II, S. 67 ff. insbes. Rn. 69 f. und schon UNHCR I, S. 13 und 17); ob überhaupt ein Rechtsbehelf gegen die richterliche Haftanordnung eröffnet ist, ist nicht völlig klar (verneinend und im Einzelnen begründet aida II, S. 67 f. Rechtsschutz nur in Bezug auf die behördlich Anordnung bis zu 72 Stunden; bejahend AA v. 21.06.2016 an VG Potsdam). Die Gerichte stützen sich nach wie vor häufig allein auf die Angaben der Asylbehörde, ohne die Angaben der Betroffenen angemessen zu würdigen (aida II, S. 68; ecre/aida, „Crossing Boundaries“ vom 01.10.2015, S. 27 f.). Bereits in der Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass die Gerichte die vorgeschriebene Anhörung jedenfalls teilweise als „Massenanhörung“ durchführten, sodass - wenn überhaupt - nur ein Minimum an Zeit für jeden Betroffenen blieb (vgl. aida II, S. 68). Zwar besteht an sich freier Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, die Beiordnung von Anwälten erwies sich aber als weitgehend unzureichend, da diese völlig passiv blieben und die Interessen ihrer Mandanten nicht ernsthaft vertraten (aida II, S. 70). Die vom Auswärtigen Amt (Auskunft vom 27.01.2016) behauptete genaue Einzelfallprüfung konnte schwerlich stattgefunden haben, wenn regelmäßig in der Haft unbegleitete Minderjährige angetroffen bzw. festgestellt worden waren. Es wird nämlich übereinstimmend berichtet, dass keine umfassende und vor allem einigermaßen zuverlässige Alterskontrolle und -feststellung stattfand bzw. gewährleistet war mit der Folge, dass immer wieder unbegleitete minderjährige Antragsteller in Haft kamen und später durch Mitarbeiter humanitärer Organisationen dort angetroffenen wurden (aida II, S. 62; UNHCR I, S. 18; CHR II, Rn. 27). Nichts anderes galt für sog. vulnerable Personen (vgl. auch HRW, S. 6 ff.), was insoweit folgenschwerer ist, weil keinerlei psychosoziale Betreuung in den Haftanstalten stattfindet (aida II, S. 65; HRW, S. 8). Eine psychologische Behandlung kommt allenfalls in einer Klinik in Betracht (vgl. AA v. 27.01.2016, S. 7). Grundsätzlich können nunmehr - wohl anders als noch im Jahre 2014 - auch Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 60 Tagen wieder inhaftiert werden, was auch tatsächlich und nicht nur in Ausnahmefällen geschieht (vgl. aida II, S. 62; UNHCR I, S. 21 f.), aber schwerlich mit Art. 37 Kinderkonvention und Art. 11 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) vereinbar sein wird.
38 
Die Haftanstalten waren und sind entgegen früherer Befürchtungen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Building als Legal Fence, vom 07.08.2015, S. 5) nicht überfüllt, allerdings jedenfalls teilweise nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand, so v.a. die Haftanstalt in Nyirbátor (vgl. aida II, S. 65; HRW, S. 2 f. und 9), in der im Winter 2014/15 die Häftlinge bei Temperaturen von 5°C in der Haftanstalt ohne ausreichende Kleidung längere Zeit leben mussten, sie ist außerdem trotz mehrfacher Abhilfeversuche nach wie vor völlig verwanzt. Andere bauliche Mängel waren vorhanden, waren aber wohl nicht so gravierend. Schwangere, begleitete und unbegleitete Kinder und Menschen mit Behinderungen werden immer wieder auch für lange Zeit mit alleinstehenden Männern zusammen untergebracht (HRW, S. 2). Typisch ist weiterhin ein hohes Maß an alltäglicher Brutalität, die von dem Personal in den Haftanstalten ausgeht (vgl. ecre/aida, a.a.O.,S. 27; vgl. auch ausführlich ai, Stranded Hope, S. 25 ff., insbesondere auch zu Selbstmordversuchen und Selbstverletzungen). Die Betroffenen werden wie Kriminelle behandelt und nur mit Handschellen und untereinander angeleint ausgeführt (aida II, S. 65; CHR II, Rn. 21, dessen Ausführungen darauf schließen lassen, dass es sich nicht um einen Ausreißer gehandelt haben kann; vgl. auch AA vom 21.06.2016). Die ärztliche Basisversorgung für nicht vorbelastete Insassen ist theoretisch wohl gewährleistet (aida II, S. 65; AA v. 27.01.2016). Deren Effektivität leidet aber mit Rücksicht auf fehlende Dolmetscher erheblich unter den Kommunikationsschwierigkeiten, die oftmals eine sachgerechte Behandlung unmöglich machen (vgl. CHR II, Rn. 20).
39 
Jedenfalls waren im Frühjahr 2014 noch etwa 25 v.H. aller Antragsteller und 42 v.H. aller männlichen ledigen Antragsteller in Haft (vgl. CHR I, Rn. 155 f.; aida, „Country Report: Hungary“ vom April 2014, S. 48 - im Folgenden aida I). Für das gesamte Jahr 2013 wird - nicht aufgeschlüsselt nach der Gesamtzahl einerseits und der Zahl alleinstehender Männer andererseits - die Quote mit knapp 25 v.H. angegeben (vgl. UN General Assembly - Human Rights Council - Report oft the Working Group on Arbitrary Detention Mission to Hungary v. 03.07.2014).
40 
Allerdings legten neuere Erkenntnismittel zunächst die Schlussfolgerung nahe, dass die Inhaftierungsquote möglicherweise in der Folge nicht mehr das gleiche hohe Ausmaß hatte wie dieses noch in den Jahren 2013 und 2014 der Fall war. Zwar nennt aida (II, S. 60) eine Zahl von 52 v.H. Inhaftierten bezogen auf den 02.11.2015, ohne dieses genauer zu erläutern; in diesem Zusammenhang wird aber sodann noch die Gesamtzahl der zwischen 01.01. bis 30.09.2015 inhaftierten Antragsteller mit 1.860 angegeben, was aber in Anbetracht der vom Auswärtigen Amt dem Senat auf die Anfrage des Senats am 27.06.2016 mitgeteilten Zahl von rund 179.000 Antragstellern im Jahre 2015 eine Quote von 52 v.H. nicht ohne weiteres plausibel erscheinen lässt (vgl. aber auch völlig widersprüchlich AA v. 03.07.2015: 01.01.2015 bis 31.05.2015 1.078 inhaftierte Personen einerseits, AA vom 28.09.2015: 01.01.2015 bis 30.06.2015 492 Personen andererseits). Gegenüber dem Senat hat das Auswärtige Amt am 27.06.2016 die Gesamtzahl der Inhaftierungen im 1. Halbjahr 2015 mit 1.258, im 2. Halbjahr mit 1.145 und in der Zeit zwischen dem 01.01.2016 bis 22.06.2016 mit 1.648 Personen angegeben, was in Einklang mit der von aida genannten Gesamtzahl von 1.860 Personen stehen könnte. Geht man von der hohen Zahl der Antragstellungen im Jahre 2015 aus, so könnte hieraus auf eine deutlich geringere Inhaftierungsquote als im Jahre 2014 zu schließen sein, auch wenn dem Senat nicht bekannt ist, wie viele Antragsteller tatsächlich überhaupt noch im Land geblieben waren. Sollte, wie zu vermuten ist, der ganz überwiegende Teil der Antragsteller das Land im Jahre 2015 aber bereits wieder verlassen haben, so würde dieses unmittelbar die Inhaftierungsquote nicht unerheblich erhöhen. Dafür, dass die meisten Antragsteller wieder das Land verlassen hatten, sprach der Umstand, dass regelmäßig der Anteil der sog. Einstellungsentscheidungen der ungarischen Asylbehörde signifikant hoch war (vgl. Eurostat, „Asylum and first time asylum applicants, Last update 06.07.2016“ für Ungarn 177.135 Antragsteller im Jahre 2015 einerseits; „Asylum applications withdrawn, Last update 08.07.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 103.015 Einstellungsentscheidungen andererseits; vgl. auch „Final decisions on applications Last update 22.06.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 nur 480 endgültige Sachenentscheidungen).
41 
Auch zum heutigen Zeitpunkt ist nach wie vor von einer hohen Inhaftierungsquote auszugehen. Amnesty international teilt unter Berufung auf das Hungary Helsinki Committee mit, dass zum 01.08.2016 noch etwa 1200 registrierte Flüchtlinge in Ungarn geblieben seien, von denen etwa 700 inhaftiert gewesen seien (ai, Stranded Hope, S. 24 ff.).
42 
Diese Quoten begründeten nach Überzeugung des Senats in Anbetracht der erheblichen und einschneidenden Folgen einer Inhaftierung für die Betroffenen die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“. Ausgehend von diesen Zahlen muss der Kläger dann, wenn er nach Ungarn zurückkehren würde, um dort ein (weiteres) Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, als alleinstehender Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen in Haft zu kommen. Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung aussetzt, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen werden, verstößt nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 - Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris; vom. 05.07.2016 - Nr. 9912/15), sondern auch - jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung - gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass angesichts der schweren Mängel des Haftanordnungsverfahrens der Kläger keine effektive und faire Chance haben wird, seine Belange in das Verfahren einzubringen und damit gehört zu werden, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn ein (weiteres) Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde.
43 
Das ungarische Asylsystem weist ungeachtet dessen auch in anderer Hinsicht weitere schwere systemische Mängel auf, worauf es aber nicht mehr entscheidend ankommt. So behandelt Ungarn u.a. Serbien als sicheren Drittstaat (vgl. aida II, S. 43 f.; vgl. auch eccre/aida, Crossing Boundaries, October 2015, 34 ff. auch zur rückwirkenden Anwendung der Drittstaatenregelung), womit die massenhaften Einreiseverweigerungen und Zurückschiebungen an der serbisch-ungarischen Grenze zu erklären sind (vgl. u.a. aida II, S. 30 ff.; Hungarian Helsinki Committee, No Country for Refugees, 28.09.2015; ai, Stranded Hope, S. 14 f.). Serbien seinerseits sieht u.a. Griechenland, Mazedonien und die Türkei als sichere Drittstaaten an (aida, Country Report: Serbia März 2016, 23 f.). Dass Griechenland kein sicherer Drittstaat sein kann, wurde bereits erwähnt. Für die Türkei gilt nichts anderes. Denn zum einen wendet die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nur auf europäische Flüchtlinge an. Rein faktisch beachtet sie aber insbesondere auch gegenüber syrischen Flüchtlingen das Refoulement-Verbot nicht. Es gibt zahlreiche glaubhafte Berichte, dass es immer wieder zu Push-Backs in größerem Umfang an der syrisch-türkischen Grenze kommt (vgl. zu alledem ai, Turkey - Illegal Mass Returns of Syrian Refugees, 01.04.2016; pro asyl, Turkey: Syrians Pushed Back at the Border, 23.11.2015), was schon in Anbetracht der fehlenden völkervertraglichen Bindungen der Türkei dazu führen muss, dass die Türkei nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden kann. Hinzu kommt, dass das serbische Asylverfahren massiver Kritik ausgesetzt und jedenfalls faktisch nicht geeignet ist, effektiven Flüchtlingsschutz zu gewährleisten; aida spricht davon, dass die gravierenden Mängel v.a. in der mangelnden Implementierung des Flüchtlingswesens in die Gesetzgebung und in der weitgehenden Unkenntnis flüchtlingsrechtlicher Fragestellungen bei den Akteuren im System bestehen (vgl. aida, Country Report: Serbia, S. 12; vgl. auch UNHCR, Serbia as a country of asylum, August 2012). Aus alledem folgt, dass Ungarn ein System der flüchtlingsrechtlichen Verantwortungslosigkeit betreibt und sehenden Auges Kettenabschiebungen ermöglicht. In diesem Sinn hat auch am 20.04.2016 das Oberste Verwaltungsgericht Finnlands entschieden (vgl. KHO: 2016: 53), dass Ungarn zu Unrecht Serbien als einen sicheren Drittstaat behandelt und deshalb sein Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass es nachvollziehbare und glaubhafte aktuelle Schilderungen über die Behandlung von gestrandeten Flüchtlingen an der ungarischen Grenze gibt, die deutlich machen, dass Ungarn nicht nur ständig das Refoulement-Verbot verletzt, sondern dabei auch exzessive Gewalt anwendet. Minimale menschenrechtliche Standards werden auch dadurch verletzt, dass im Rahmen des Grenzregimes wiederholte erfolgreiche Versuche gegeben hat, ungarische NGOs daran zu hindern, durch eigene Hilfsmaßnahmen und Hilfsprojekte die äußerst schlechten Lebensbedingungen der an der Grenze ausharrenden Menschen zu lindern (amnesty international, So schlecht wie möglich, August 2016). Diese bei den handelnden staatlichen Organen offensichtlich vorherrschende ablehnende bis gar feindliche Grundeinstellung gegenüber Flüchtlingen, die in vielfach geschilderten Gewaltexzessen und in der inhumanen Verhinderung von Hilfseinsetzen von ungarischen NGOs exemplarisch zum Ausdruck kommt, lässt nach Überzeugung des Senats auch Rückschlüsse auf die oben geschilderte Schlechtbehandlung in der Asylhaft zu. Die Plausibilität und Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Berichte wird dadurch untermauert. Diese Feststellungen haben daher indirekt auch Relevanz für die Einschätzung der (künftigen) Situation des Klägers.
44 
Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass am 10.12.2015 die Europäische Kommission gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat (vgl. Presserklärung der Europäischen Kommission vom 10.12.2015). Dieses hat im Wesentlichen die Effektivität des Rechtsschutzes zum Gegenstand. Erstens befürchtet die Kommission im Hinblick auf die Asylverfahren, dass es im Rahmen von Rechtsbehelfen nicht möglich sei, auf neue Fakten und Umstände zu verweisen, und dass Ungarn Entscheidungen im Falle der Einlegung von Rechtsbehelfen nicht automatisch aussetze, sondern dass Antragsteller bereits vor Verstreichen der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder vor der Prüfung des Rechtsbehelfs effektiv gezwungen würden, ungarisches Hoheitsgebiet zu verlassen. In der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie seien gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und klare Vorschriften für die Beantragung von Asyl festgelegt. Sie gelte für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet - auch an den Grenzen, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen - der Mitgliedstaaten gestellt werden. Sodann befürchtet die Kommission im Hinblick auf das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen, dass das ungarische Gesetz über beschleunigte Strafverfahren wegen irregulären Grenzübertritts gegen die Vorschriften der Richtlinie über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren verstoße, die sicherstelle, dass jede verdächtige oder angeklagte Person, die die Verfahrenssprache nicht verstehe, eine schriftliche Übersetzung aller wichtigen Dokumente, auch eines etwaigen Urteils, erhalte. Schließlich bestünden im Hinblick auf das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht nach Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bedenken hinsichtlich der Tatsache, dass gemäß den neuen ungarischen Vorschriften zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen über die Ablehnung eines Asylantrags eine persönliche Anhörung der Antragsteller fakultativ sei. Zudem könne der Umstand, dass gerichtliche Entscheidungen von Gerichtssekretären auf vorgerichtlicher Ebene getroffen werden, einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie und Artikel 47 der Grundrechtecharta begründen. Gerade der erste Punkt wird aus der Sicht des Senats eindringlich durch verschiedene Erkenntnismittel, die ihm vorliegen, untermauert (vgl. etwa amnesty international, Trampling on the rights of refugees and asylumseekers, May 2016; UNHCR II, Rdn. 38 ff.; amnesty international, So schlecht wie möglich, August 2016).
II.
45 
Die angegriffenen Verfügungen waren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) auch aus einem weiteren Grund aufzuheben.
46 
1. Die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsanordnung setzt nach § 34a Abs. 1 AsylG voraus, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen kannund dies auch alsbald der Fall sein wird. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, ist die Beklagte ggf. darlegungspflichtig, dass diese Voraussetzungen gleichwohl (noch) vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum einen ergab sich schon aus dem von der Beklagten selbst dem Senat bereits im Verfahren A 11 S 976/16 vorgelegten Quartalsbericht IV 2015 zum Mitgliedstaat Ungarn vom 27.01.2016, dass im gesamten Jahr 2015 von 33.220 Zustimmungsfällen tatsächlich nur 1.402 nach Ungarn überstellt worden waren, was einer Quote von 4,2 v.H. entsprach; im 4. Quartal war die Quote sogar auf 3,3 v.H. gesunken. Die mittlerweile vorliegende Dublin-Statistik für das 1. Halbjahr und das von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte statistische Material zeichnen ein vergleichbares Bild; die Überstellungsquote betrug im gesamten 1. Halbjahr 2016 lediglich 7,14 v.H. (vgl. BAMF: Dublin-Statistik 1. Jahreshälfte 2016), was unübersehbar zu einem enormen Rückstau von Überstellungen geführt haben muss. Erst um die Jahresmitte 2016 hat sich die Quote deutlich verbessert, was ersichtlich auf die gesunkene Zahl von Zustimmungen Ungarns zurückzuführen ist. Die Zahlen der erfolgten Überstellungen liegen aber immer noch deutlich unter der Zahl der Zustimmungen. An der sehr niedrigen Überstellungsquote und dem infolge dessen entstandenen extremen Rückstau hat sich somit nichts Grundlegendes geändert, er wächst sogar weiter ständig an. Allerdings finden durchaus regelmäßig Überstellungen statt, obwohl offizielle ungarische Verlautbarungen etwas anderes nahe legen. Soweit die Beklagte darauf abhebt, dass bei der Beurteilung und der Bewertung der Überstellungsquote berücksichtigt werden müssen, dass „viele“ Abschiebungen aus mancherlei Gründen nicht durchgeführt werden könnten, etwa weil sich die Betroffenen verweigern oder entziehen würden, so ist dieses zweifellos richtig. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Aspekt, insbesondere die naheliegende Frage, was unter „viele“ zu verstehen ist erörtert, von der Beklagten aber nicht beantwortet oder erläutert, da sie ohne vorherige Mitteilung der Verhandlung fern geblieben ist. Auch hatte die Beklagte auf die Anfrage des Senats, kein bestimmtes Handlungsmuster darlegen können, nach dem die Überstellungen durchgeführt und v.a. der Rückstau abgearbeitet werden soll, wobei hier nochmals darauf hinzuweisen ist, dass dieser gegenwärtig noch weiter zunimmt. Allein deshalb ist Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung aufzuheben. Der Senat sieht sich in seiner Einschätzung, dass der erhebliche Rückstau nicht in absehbarer Zeit abgebaut werden kann und wird, darin bestätigt, dass das für die Aufenthaltsbeendigung in ganz Baden-Württemberg zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf die Anfrage des Senats am 12.10.2016 mitgeteilt hat, dass im gesamten Jahre 2016 bislang 12 Überstellungen nach Ungarn durchgeführt worden sind. Bereits aufgrund dessen ist die Abschiebungsanordnung aufzuheben.
47 
2. Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt - ungeachtet der Ausführungen unter I - die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war.
48 
Steht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinreichend sicher fest, dass innerhalb der nächsten sechs Monate eine Überstellung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird oder durchgeführt werden kann, so gebietet der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - C-4/11 -, NVwZ 2014, 129, Rn. 33 ff.), dass bereits jetzt von einer Unmöglichkeit der Überstellung und damit dem künftigen Zuständigkeitsübergang auszugehen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO). Bei diesen Überlegungen muss - ausgehend von der Annahme, dass die Ziffer 1 sonst an keinen Rechtsfehlen leidet und der Senat als maßgeblichen Zeitpunkt den der mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen hat (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) - die Prognose zum Ausgangspunkt nehmen, dass die Überstellungsfrist aktuell zu laufen beginnt, weil der Kläger sein Begehren nicht weiter verfolgen wird. Andernfalls wäre zu Lasten der Betroffenen und unter Vernachlässigung des Beschleunigungsgedankens ein zuverlässiger Ausgangs- und Fixpunkt der Prognose nicht festzulegen mit der Folge, dass die hier bestehende Überstellungsproblematik nicht in einer den berechtigten Interessen der Betroffenen gemäßen Art und Weise sachgerecht bewältigt werden könnte. Bei einer anderen Sichtweise könnte eine Prognoseentscheidung erst dann getroffen werden, wenn die Entscheidung des Senats zu einem jetzt noch ungewissen Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist und damit die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 UA 1) in Lauf gesetzt wurde. Der Senat würde dann auch - gesetzeswidrig - einen anderen (späteren) und gerade nicht den den Vorgaben des § 77 Abs. 1 AsylG entsprechenden Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen. Weshalb in diesem Zusammenhang (wohl vor dem Hintergrund des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO) generell von einem Prognosehorizont von 18 Monaten auszugehen sein sollte, wie die Beklagte im Verfahren A 11 S 976/16 vorgetragen hat, erschließt sich dem Senat nicht. Denn weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass alle zu Überstellenden flüchtig sind oder sein werden, noch dass solches beim Kläger der Fall sein wird.
49 
Angesichts des oben dargestellten enormen und weiter wachsenden Rückstaus von Überstellungen (allein aus dem Jahr 2015 und der 1. Jahreshälfte 2016) und bei einer nur verschwindend geringen Überstellungsquote ist -auch angesichts der aktuellen offiziellen Äußerungen der ungarischen Regierung vom 26.05.2016, möge diese auch in erster Linie innenpolitisch motiviert sein - für den Senat nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht plausibel dargelegt, dass in absehbarer Zeit überhaupt noch Überstellungen in nennenswertem Umfang, die in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtzahl der zu überstellenden Personen stehen, durchgeführt werden können. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte zur Vermeidung weiterer unzumutbarer dem Beschleunigungsprinzip und der Effektivität des Europäischen Asylsystems zuwider laufender Verzögerungen, verpflichtet, ohne Ermessensspielraum sofort von dem Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, ohne den sich abzeichnenden Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abwarten zu dürfen.
50 
Nach alledem wird die Beklagte im weiteren Verfahren zu entscheiden haben, ob der am 03.06.2014 gestellte Antrag ein Erstantrag oder Zweitantrag ist. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er seines Wissens nach keinen Asylantrag gestellt hat, jedenfalls aber, sollte er bei seiner Festnahme und dem anschließenden Verhör durch die ungarischen Behörden unbewusst einen Asylantrag gestellt haben, keinen Ablehnungsbescheid erhalten und noch weniger eine Klage angestrengt zu haben.
III.
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. § 83b AsylG).
52 
Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
7
a) Diese Voraussetzungen ergeben sich, was das Beschwerdegericht auch nicht verkennt, nicht schon bindend aus der - mit der unerlaubten Einreise des Betroffenen und seinem fehlenden Aufenthaltsrecht begründeten - Zurückschiebungsverfügung der gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zuständigen Beteiligten zu 2. Zwar hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt (Senat, BGHZ 78, 145, 147; 98, 109, 112; BVerfG, Beschl. v. 1. April 1999, 2 BvR 400/99, juris Rdn. 3; BVerwGE 62, 325, 328), denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei einer auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützten Haftanordnung liegt dies insofern anders, als die sofort vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise den unmittelbaren Haftgrund bildet. Ergibt sich diese weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (vgl. KG NVwZ 1997, 516; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 13). Es würde der Bedeutung des Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 GG; vgl. BVerfGE 105, 239, 248; BVerfGK 7, 87, 98) und den Anforderungen in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen richterlicher Haftentscheidungen (vgl. BVerfGE 70, 297, 308) nicht gerecht, wenn dem Haftrichter im Rahmen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG durch eine noch nicht bestandskräftige Verfügung über die Zurückschiebung nach § 57 AufenthG bereits die wesentlichen Voraussetzungen für die Haftanordnung vorgegeben wären.
19
Nicht zu prüfen hat er jedoch, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt; denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 m.w.N.). Ergibt sich die Ausreisepflicht aus einer bestandskräftigen Abschiebungs - bzw. Zurückschiebungsverfügung, erstreckt sich die Prüfung des Richters im Verfahren nach § 62 AufenthG daher nicht darauf, ob die von der Behörde betriebene Abschiebung oder Zurückschiebung durchgeführt werden kann (BVerfG NJW 1987, 3076).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
13
ee) Die Haftanordnung war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Vorinstanzen verkannt haben, dass der Haftrichter bei der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG anzustellenden Prognose, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen muss. Wird solchen Eilanträgen - wie dies im Hinblick auf die Verhältnisse in Griechenland derzeit der Fall ist (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 25 f., juris, m.w.N.; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, Rdn. 15, juris) - regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, die Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen. Eine bereits angeordnete Haft ist auf die Beschwerde des Betroffenen nach § 426 FamFG aufzuheben (Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 24 ff., juris). Da das einem baldigen Vollzug des Zurückschiebungsbescheides entgegenstehende Hindernis nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG mit der dem Gericht zur Kenntnis gebrachten Antragstellung bei dem Verwaltungsgericht entsteht (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, Rdn. 15, juris), eine solche Mitteilung aber nach dem Vortrag der Betroffenen frühestens mit dem Faxschreiben vom 2. Dezember 2009 erfolgt ist, ist die Haftanordnung auch insoweit nicht zu beanstanden.
16
Zwar kommt nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG die Anordnung von Abschiebungshaft bereits in Betracht, wenn zunächst eine zuverlässige Prognose über den Zeitpunkt der Zurückschiebung nicht gestellt werden kann (vgl. BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). So liegt es hier aber nicht. Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der Dublin IIVerordnung - den bei den Verwaltungsgerichten gestellten Anträgen nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung des Vollzugs der Zurückschiebung in der Regel entsprochen, hat der Haftrichter, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, auf die Beschwerde des Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, InfAuslR 2010, 249, 251 f.). In diesen Fällen muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, aaO). An der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Praxis in den sogenannten Griechenlandfällen hat sich bislang nichts geändert (vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 2010 - 2 BvR 1036/10, juris, Rn. 4ff.; VG Saarbrücken, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 2 L 424/10, juris, Rn. 7f.; VG Hannover, Beschluss vom 7. Januar 2010 - 7 B 6258/09, juris, Rn. 25; VG Leipzig, Beschluss vom 10. Februar 2010 - A 1 L 18/10, juris, Rn. 7; VG Minden, Beschluss vom 17. Februar 2010, juris, Rn. 16ff.).
9
Wäre das Beschwerdegericht dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte es sich ihm aufgedrängt, dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Betroffenen stattgeben und dessen Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Denn solchen Anträgen wurde bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 Dublin II-Verordnung angesichts der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) schon im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung regelmäßig stattgegeben (vgl. näher Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, aaO, Rn. 26 f.; Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510 Rn. 15). Dies hätte zur Aufhebung der Haftanordnung führen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 10/10, juris Rn. 13; Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, AuAS 2011, 8 Rn. 15; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, juris Rn. 16).
20
Dieser Aufklärungspflicht ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Allerdings rechtfertigt nicht schon dieser Verfahrensmangel die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Unzureichende Ermittlungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu treffenden Prognose entziehen der Haftanordnung nicht von vorneherein jede Grundlage und drücken der vollzogenen Haft nicht ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsent- ziehung auf (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, Rn. 11, juris). Vielmehr bedarf es der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers (§ 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Daran fehlt es hier. Anders als in den von dem Senat entschiedenen Fällen, in denen Betroffene mit Eilanträgen bei den Verwaltungsgerichten ihre Zurückschiebung nach Griechenland verhindern wollten und diesen Anträgen durch die Verwaltungsgerichte regelmäßig stattgegeben wurde (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 12/10, Rn. 9, juris mwN), legt die Rechtsbeschwerde eine solche Praxis der Verwaltungsgerichte bei Eilanträgen, die sich gegen die Abschiebung in die Russische Förderation richten, nicht dar. Hierfür ist auch nach dem zu berücksichtigenden späteren tatsächlichen Geschehensablauf, aus dem auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden kann (vgl. Senat , Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 19, juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 24), nichts ersichtlich.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.