Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2016 - StB 29/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:220916BSTB29.16.0
bei uns veröffentlicht am22.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 29/16
vom
22. September 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:220916BSTB29.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 22. September 2016 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. August 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte wurde am 13. März 2013 vorläufig festgenommen. Mit Haftbefehl vom 14. März 2013 ordnete das Amtsgericht Dortmund die Untersuchungshaft an. Nach Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt am 18. März 2013 erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 4. April 2013 einen neuen Haftbefehl, der am 10. April 2013 in Vollzug gesetzt wurde. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, er habe sich mit den drei Mitangeklagten G. , B. und D. zu einer konspirativ handelnden radikal-islamistischen inländischen terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen , die sich zum Ziel gesetzt habe, arbeitsteilig unter Verwendung von Sprengmitteln und Schusswaffen führende Mitglieder der Partei Pro NRW zu töten und damit die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. In Ausübung dieses Vorhabens hätten sie Schusswaffen und Schalldämpfer erworben und besessen, andere im Umgang mit diesen Waffen unterwiesen bzw. sich im Umgang mit diesen Waffen unter- weisen lassen sowie verabredet, den Vorsitzenden der Partei Pro NRW am Morgen des 13. März 2013 zu töten (Verbrechen und Vergehen, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 2, § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 52 StGB, § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG).
2
Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 10. März 2014 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2014 die Anklage im Wesentlichen unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 8. September 2014 begonnen und dauert derzeit noch an.
3
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 10. Oktober 2013 (AK 17-19/13), 23. Januar 2014 (AK 1-3/14), 8. Mai 2014 (AK 8-10/14) und 7. August 2014 (AK 20-22/14) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hatte dabei auf den Vorwurf der Verabredung zum Mord an dem Vorsitzenden der Partei Pro NRW abgestellt und offen gelassen, ob der Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig ist, die weiteren in dem Haftbefehl aufgeführten Straftaten begangen zu haben.
4
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016 beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, mit Blick auf die bisherige Beweisaufnahme und insbesondere auf die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 27. Juni 2016 abgegebene Einlassung, die von den Mitangeklagten B. und D. bestätigt worden sei, könne ein dringender Tatverdacht nicht mehr bejaht werden. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 1. August 2016 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der die Begründungstiefe der angefochtenen Entscheidung beanstandet, weiterhin den dringenden Tatverdacht bestreitet und einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel gemäß Beschluss vom 26. August 2016 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen dieses Beschlusses zu verwerfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit Schriftsatz vom 14. September 2016, mit dem geltend gemacht wird, die Ausführungen des Oberlandesgerichts seien nach wie vor zu pauschal, um einen dringenden Tatverdacht zu konkretisieren. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Außerdem sei keine Fluchtgefahr gegeben; bei deren Annahme reiche es aus, den Haftbefehl gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.
5
II. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin jedenfalls der dringende Tatverdacht der Verabredung zum Mord an dem Vorsitzenden der Partei Pro NRW (§ 30 Abs. 2, § 211 StGB).
7
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 14; vom 28. August 2014 - StB 22/14, juris Rn. 5; vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, JR 2013, 419, 420; vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Es muss deshalb allerdings in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, BVerfGK 17, 517, 523 f.) ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung sind den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Weiter entspricht es der Natur der Sache, dass die vom Tatgericht vorzunehmende Würdigung vorläufigen Charakter hat und für sich genommen nicht geeignet ist, etwa den Vorwurf der Voreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, JR 2013, 419, 420).
8
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs wird die erforderliche Begründungstiefe durch die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2016 noch nicht erreicht. Das Oberlandesgericht hat insoweit im Wesentlichen - was grundsätzlich in geeigneten Fällen zur Vermeidung ausschließ- licher und damit überflüssiger Schreibarbeit nicht zu beanstanden ist - auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts zu dem Beschwerdevorbringen Bezug genommen. Diese handeln die für die Haftfortdauer wesentlichen Gesichtspunkte allerdings nicht derart substantiiert ab, dass sie allein als Grundlage einer Haftfortdauerentscheidung genügen.
9
Das Oberlandesgericht hat jedoch in seinem ausführlich begründeten Nichtabhilfebeschluss vom 26. August 2016 in ausreichender Weise dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung den dringenden Tatverdacht belegen. Dabei hat es ausgeführt, dies ergebe sich aus der "Gesamtheit der bisher durchgeführten Beweisaufnahme". Insbesondere hätten die den Anklagevorwurf betreffenden überwachten Gespräche den ihr von der Anklageschrift und den Vermerken der beteiligten Polizeibehörden beigelegten Inhalt. Hieraus und aus den Ergebnissen der Observation ergebe sich, dass der Angeklagte in die Gruppe um die Mitangeklagten eingebunden gewesen sei, mit diesen in fortlaufendem Kontakt gestanden habe, sich an der konspirativen Vorgehensweise der Gruppe beteiligt habe, über die Bedeutung verwendeter Tarnbegriffe informiert gewesen sei, gemeinsam mit dem Mitangeklagten D. eine die Wohnorte mehrerer Mitglieder der Partei Pro NRW betreffende Ausspähfahrt unternommen und in der Zeit ab dem 1. März 2013 der Gruppe seine Wohnung in E. zur Verfügung gestellt habe. Ausweislich des Beweisergebnisses habe die Gruppe Vorbereitungen zur Durchführung eines konkreten Anschlags zur Tötung des Vorsitzenden der Partei Pro NRW getroffen. Das Oberlandesgericht hat in seine Erwägungen auch die in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassungen der Angeklagten einbezogen und nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum diese im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führen. Dies gilt ebenfalls, soweit das Oberlandesgericht angenommen hat, bei dem Angeklagten zeige sich eine radikal- islamistische Grundhaltung. Der Senat sieht auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen , das insoweit im Wesentlichen die Einlassungen der Angeklagten abweichend würdigt, keinen Anlass, diese Beurteilung insgesamt im Rahmen der - wie dargelegt - eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit in Zweifel zu ziehen.
10
2. Das Oberlandesgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO auch derzeit noch vorliegt. Dem nach wie vor insbesondere aus der bei einer Verurteilung auch allein wegen Verabredung zum Mord drohenden erheblichen Straferwartung folgenden hohen Fluchtanreiz stehen keine ausreichend belastbaren privaten Bindungen und sozialen Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber. Die gegebenen Umstände schließen zudem eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus.
11
3. Die Fortdauer der nunmehr etwas mehr als dreieinhalb Jahre andauernden Untersuchungshaft ist mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Insoweit gilt:
12
a) Bei Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
13
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig vom Tatvorwurf und von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.
14
Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 11 ff.).
15
b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Das Verfahren ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung ausreichend zügig geführt worden. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen in seinen Haftfortdauerentscheidungen Bezug. Es betrifft komplexe Sachverhalte, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, und richtet sich nach wie vor gegen insgesamt vier Angeklagte. Mit Blick auf den teilweise identischen Tatvorwurf und die zumindest ähnliche Beweislage ist nicht ersichtlich, dass eine Abtrennung des den Angeklagten betreffenden Verfahrens sachdienlich wäre und zu einer wesentlichen Beschleunigung beitragen könnte.
16
Der Fortdauer der Untersuchungshaft steht - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch der Verlauf der Hauptverhandlung nicht entgegen. Bislang ist an mehr als 130 Tagen verhandelt worden. Dabei wurden mehr als 150 Zeugen vernommen, mehr als 30 Sachverständige gehört und zahlreiche Urkunden verlesen. Der Senat sieht im Übrigen keinen Anlass, die Ausführungen des Oberlandesgerichts in dessen Nichtabhilfebeschluss in Zweifel zu ziehen , wonach dieses seit dem Frühjahr 2016 wiederholt darauf hingewiesen hat, dass die nach der Aufklärungspflicht aus seiner Sicht gebotene Beweisaufnahme weitgehend abgeschlossen ist. Das Oberlandesgericht hat anschaulich dargelegt, dass die Beweisaufnahme seitdem zumindest weit überwiegend der Bearbeitung von Beweisbegehren der Verteidigung dient, die etwa zahlreiche Beweisanträge - u.a. auf Einholung eines phonetischen Sachverständigengutachtens - gestellt und erklärt hat, diese teilweise noch erweitern zu wollen. Danach beruht der bisherige konkrete Verlauf der Hauptverhandlung zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger. Dies ist bei der Prüfung der Fortdauer der Untersuchungshaft sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.), als auch nach derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung vom 6. November 2014 - Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, NJW 2015, 3773, 3775) und des Senats (vgl. Beschluss vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 25) zu berücksichtigen, ohne dass es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um sachdienliches Verteidigungsverhalten handelt oder dessen Grenzen überschritten sind. Was die von der Beschwerde in eher pauschaler Form gerügte Dauer der einzelnen Hauptverhandlungstage angeht, so hat das Oberlandesgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass vor allem der Zeitraum, der für die Befragung von Zeugen erforderlich ist, stark von dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten abhängt und deshalb im voraus nur schwer einzuschätzen ist.
17
Schließlich ist nach alldem die zu erwartende Gesamtdauer der Untersuchungshaft bis zu dem voraussichtlichen Abschluss des Verfahrens auch vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Straferwartung und einer möglichen Reststrafenaussetzung zur Bewährung noch nicht als unverhältnismäßig zu bewerten. Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Strafrests bereits nach deren hälftiger Verbüßung (§ 57 Abs. 2 StGB) vorliegen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Somit käme allenfalls eine Aussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs. 1 StGB) in Betracht. Mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat ist der hierfür maßgebende Zeitpunkt noch nicht erreicht.
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(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

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(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat


(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 od

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(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.

(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

14
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2014 - StB 22/14, juris Rn. 5; 8. Oktober 2012 - StB 9/12 JR 2013, 419, 420; 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrens- stand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.
5
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN; vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, NStZ-RR 2013, 16, 17). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob und hinsichtlich welcher Taten der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand (noch) besteht. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 9/12
vom
8. Oktober 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 8. Oktober 2012
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 17. November 2009 in Untersuchungshaft , zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09), sodann aufgrund des diesen ersetzenden Haftbefehls des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2011. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, in 26 Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie in 39 Fällen Kriegsverbrechen, jeweils in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, begangen zu haben. Er soll seit Juni 2004 1. Vizepräsident der "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (im Folgenden: FDLR), einer vor allem im Osten der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC) operierenden paramilitärischen Milizenorganisation, gewesen sein und es von Januar 2008 bis zu seiner Festnahme als militärischer Befehlshaber unterlassen ha- ben, seine Untergebenen daran zu hindern, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 7. Dezember 2010 Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 4. Mai 2011 begonnen. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 hat das Oberlandesgericht Anträge der Verteidigung, den Haftbefehl aufzuheben, zurückgewiesen.
2
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 17. Juni 2010 (AK 4/10), 28. Oktober 2010 (AK 14/10) und 8. Februar 2011 (AK 3/11) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hatte dabei auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland abgestellt und offen gelassen, ob der Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig ist, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch begangen zu haben.
3
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 erneut die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die bisherige Hauptverhandlung genüge nicht dem Beschleunigungsgebot; zudem stützten die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel den Anklagevorwurf nicht. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29. Juni 2012 zurückgewiesen. Es hat den Gang der Hauptverhandlung näher dargelegt und ausgeführt, der Angeklagte sei weiterhin dringend verdächtig, die ihm im Haftbefehl und in der Anklage zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der weiterhin einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht und vorträgt, ein dringender Tatverdacht bestehe nicht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel gemäß Vermerk vom 10. August 2012 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die bisher durchgeführte Beweisaufnahme habe das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen ganz überwiegend bestätigt. Es bestehe weiterhin der dringende Verdacht, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig sei sowie die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ungeachtet einer bestehenden Verantwortlichkeit nach § 4 VStGB - insoweit über die rechtliche Würdigung in Haftbefehl und Anklageschrift hinaus - in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen begangen habe.
4
II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zu neuer Bescheidung durch das Oberlandesgericht ; denn die dem Senat bislang unterbreiteten tatsächlichen Grundlagen reichen für eine abschließende Beurteilung des dringenden Tatverdachts bezüglich der dem Angeklagten vorgeworfenen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und damit der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht aus.
5
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB). Demgegenüber kann der Senat derzeit nicht abschließend bewerten, ob der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6, 8, 9, Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 4 Satz 1, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VStGB), sei es in Verbindung mit der Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber oder anderer Vorgesetzter (§ 4 VStGB), sei es in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen (§ 25 Abs. 1 Alt. 2, § 13 Abs. 1 StGB), begangen hat.
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.
7
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, wie es in der Anklageschrift zusammengefasst ist, ausreichend dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht in Frage stellen, den der Senat auf der Grundlage des jeweiligen Ermittlungsergebnisses in seinen Haftprüfungsentscheidungen ebenfalls bejaht hatte. Es besteht auch bei sachgerechter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass anzunehmen, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die FDLR eine auf die Begehung der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Verbrechen gerichtete ausländische Vereinigung ist und der Angeklagte sich an dieser als 1. Vizepräsident und damit als hochrangiges Mitglied beteiligte, liege nicht mehr vor.
8
c) Demgegenüber kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen des Oberlandesgerichts auch mit Blick auf den Inhalt der Anklageschrift und den Beschluss vom 21. Dezember 2011 nicht abschließend beurteilen , ob der Angeklagte dringend verdächtig ist, sich wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar gemacht zu haben. Die Zurechnung der in der DRC begangenen Verbrechen über § 4 VStGB setzt u.a. voraus, dass der Angeklagte die Möglichkeit hatte, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (vgl. im Einzelnen, BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168). Damit der Senat diese - in seinen Haftprüfungsentscheidungen offen gelassene - Frage in einer die Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten tragenden Weise bewerten kann, bedarf es einer substantiierteren Darlegung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Oberlandesgericht, als dies bislang geschehen ist. Von besonderem Belang sind dabei Ausmaß und Inhalt der Kontakte des Angeklagten zu den vor Ort in der DRC agierenden Einheiten der FDLR sowie das Maß der Verbindlichkeit eventueller Vorgaben bzw. Anweisungen. Zu der - soweit für den Senat ersichtlich vom Generalbundesanwalt in seiner Erwiderung auf die Beschwerde erstmals aufgeworfenen - Frage, ob der Angeklagte mit großer Wahrscheinlichkeit sogar darüber hinaus als mittelbarer Täter für die vor Ort begangenen Verbrechen strafrechtlich verantwortlich ist, verhält sich die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts naturgemäß ebenfalls nicht.
9
Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass er als Beschwerdegericht ohne eigene Erkenntnismöglichkeiten bezüglich des Inhalts der Hauptver- handlung zwar in die Lage versetzt werden muss, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 23) ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung sind den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Weiter entspricht es der Natur der Sache, dass die vom Tatgericht vorzunehmende Würdigung vorläufigen Charakter hat und für sich genommen nicht geeignet ist, etwa den Vorwurf der Voreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen.
10
2. Da der Senat den dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht abschließend zu beurteilen vermag, ist derzeit auch eine endgültige Entscheidung darüber nicht möglich, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) zu vereinbaren ist.
11
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegt allerdings ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht vor.
12
aa) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Nach dem verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 GG verankerten Beschleunigungsgebot in Haftsachen haben die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG aaO, juris Rn. 19 ff.). Bei der danach gebotenen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung des Verfahrensablaufs sind etwa der Umfang und die Komplexität der Rechtssache, die Anzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.).
13
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist - im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung - die Planung und Durchführung der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden. Vielmehr ist angesichts der maßgebenden konkreten Umstände die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts als angemessen zu bewerten.
14
Das Oberlandesgericht hat die (ohne Anlage) 189 Seiten umfassende Anklageschrift vom 7. Dezember 2010 mit Beschluss vom 1. März 2011 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Vorsitzende hat bereits am 17. März 2011 Termine zur Hauptverhandlung ab dem 4. Mai 2011 bestimmt, und zwar regelmäßig auf montags sowie mittwochs. Insgesamt sind bis zum 29. Juni 2012 84 Hauptverhandlungstage durchgeführt worden, die im Wesentlichen mehr als fünf, teilweise auch mehr als acht Stunden andauerten. Somit sah nicht nur die Planung der Hauptverhandlung mehr als einen Verhandlungstag pro Woche vor, sondern es ist durchschnittlich auch an mehr als einem Tag pro Woche verhandelt worden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvR 1847/07, BVerfGK 12, 166). Es widerspricht dem Beschleunigungsgebot nicht, dass in der ersten Aprilhälfte 2012 und Ende Mai/Anfang Juni 2012 im Hinblick auf die Ostertage bzw. das Pfingstfest keine Verhandlungen stattfanden; denn dieses lässt Unterbrechungen für eine angemessene Zeit bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198).
15
In Bedacht zu nehmen ist daneben, dass das Verfahren sich gegen zwei Angeklagte richtet und u.a. die Aufklärung der sich über mehrere Jahre erstreckenden Tätigkeit des Angeklagten für die FDLR sowie von 15 verschiedenen Überfällen in der DRC erfordert. Das Oberlandesgericht hat bis zum Zeitpunkt seiner angegriffenen Entscheidung u.a. 27 Zeugen und Sachverständige vernommen , wovon 15 aus dem Ausland, vornehmlich Ruanda angereist waren. Daneben wurden zahlreiche SMS, E-Mails und sonstige Urkunden verlesen sowie Telefonate und Videoaufzeichnungen von teilweise erheblicher Dauer in Augenschein genommen. Da ein Großteil der Beweismittel nur mit Hilfe eines Übersetzers für die Sprache Kinyarwanda in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte, musste bei der Bestimmung der Verhandlungszeiten auf des- sen Belange angemessen Rücksicht genommen werden. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass diese Komplexität des Verfahrensstoffs insbesondere eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstage notwendig macht.
16
Vor diesem Hintergrund lässt eine vorausschauende Verhandlungsplanung es zudem gerade sinnvoll erscheinen, jeweils Freiräume zwischen den einzelnen Verhandlungstagen auch deshalb einzuplanen, damit diese für notwendige Zwischenberatungen etwa über zu bescheidende Anträge zur Verfügung stehen und auf diese Weise das geplante Hauptverhandlungsprogramm ohne Änderung im zeitlichen Ablauf durchgeführt werden kann. Die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens zeigt sich beispielsweise daran, dass das Oberlandesgericht - abgesehen von sonstigen Anträgen - bisher über wenigstens acht Ablehnungsgesuche wegen der Besorgnis der Befangenheit zu befinden hatte.
17
b) Die Frage, ob der weitere Vollzug der Untersuchungshaft im Übrigen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, kann der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen. Dies hängt - wenn auch nicht ausschließlich, so doch - wesentlich von der für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB - vom hypothetischen Strafende ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, juris Rn. 25). Hierfür ist von maßgeblicher Bedeutung, ob der Angeklagte - möglicherweise auch - wegen der ihm zur Last liegenden Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu verurteilen sein wird. Die Prüfung des diesbezüglichen dringenden Tatverdachts ist dem Senat jedoch - wie dargelegt - zurzeit nicht möglich.
18
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine abschließende Sachentscheidung des Senats ausnahmsweise aus. Die vorliegende Fallkonstellation entspricht derjenigen, bei der ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht beheben kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 309 Rn. 8 mwN). Das Begehren des Angeklagten bedarf deshalb insgesamt neuer Befassung und Entscheidung durch das Oberlandesgericht, das dabei ebenfalls über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben wird.
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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 9/12
vom
8. Oktober 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 8. Oktober 2012
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 17. November 2009 in Untersuchungshaft , zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09), sodann aufgrund des diesen ersetzenden Haftbefehls des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2011. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, in 26 Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie in 39 Fällen Kriegsverbrechen, jeweils in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, begangen zu haben. Er soll seit Juni 2004 1. Vizepräsident der "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (im Folgenden: FDLR), einer vor allem im Osten der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC) operierenden paramilitärischen Milizenorganisation, gewesen sein und es von Januar 2008 bis zu seiner Festnahme als militärischer Befehlshaber unterlassen ha- ben, seine Untergebenen daran zu hindern, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 7. Dezember 2010 Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 4. Mai 2011 begonnen. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 hat das Oberlandesgericht Anträge der Verteidigung, den Haftbefehl aufzuheben, zurückgewiesen.
2
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 17. Juni 2010 (AK 4/10), 28. Oktober 2010 (AK 14/10) und 8. Februar 2011 (AK 3/11) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hatte dabei auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland abgestellt und offen gelassen, ob der Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig ist, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch begangen zu haben.
3
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 erneut die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die bisherige Hauptverhandlung genüge nicht dem Beschleunigungsgebot; zudem stützten die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel den Anklagevorwurf nicht. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29. Juni 2012 zurückgewiesen. Es hat den Gang der Hauptverhandlung näher dargelegt und ausgeführt, der Angeklagte sei weiterhin dringend verdächtig, die ihm im Haftbefehl und in der Anklage zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der weiterhin einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht und vorträgt, ein dringender Tatverdacht bestehe nicht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel gemäß Vermerk vom 10. August 2012 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die bisher durchgeführte Beweisaufnahme habe das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen ganz überwiegend bestätigt. Es bestehe weiterhin der dringende Verdacht, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig sei sowie die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ungeachtet einer bestehenden Verantwortlichkeit nach § 4 VStGB - insoweit über die rechtliche Würdigung in Haftbefehl und Anklageschrift hinaus - in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen begangen habe.
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II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zu neuer Bescheidung durch das Oberlandesgericht ; denn die dem Senat bislang unterbreiteten tatsächlichen Grundlagen reichen für eine abschließende Beurteilung des dringenden Tatverdachts bezüglich der dem Angeklagten vorgeworfenen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und damit der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht aus.
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1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB). Demgegenüber kann der Senat derzeit nicht abschließend bewerten, ob der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6, 8, 9, Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 4 Satz 1, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VStGB), sei es in Verbindung mit der Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber oder anderer Vorgesetzter (§ 4 VStGB), sei es in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen (§ 25 Abs. 1 Alt. 2, § 13 Abs. 1 StGB), begangen hat.
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.
7
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, wie es in der Anklageschrift zusammengefasst ist, ausreichend dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht in Frage stellen, den der Senat auf der Grundlage des jeweiligen Ermittlungsergebnisses in seinen Haftprüfungsentscheidungen ebenfalls bejaht hatte. Es besteht auch bei sachgerechter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass anzunehmen, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die FDLR eine auf die Begehung der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Verbrechen gerichtete ausländische Vereinigung ist und der Angeklagte sich an dieser als 1. Vizepräsident und damit als hochrangiges Mitglied beteiligte, liege nicht mehr vor.
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c) Demgegenüber kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen des Oberlandesgerichts auch mit Blick auf den Inhalt der Anklageschrift und den Beschluss vom 21. Dezember 2011 nicht abschließend beurteilen , ob der Angeklagte dringend verdächtig ist, sich wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar gemacht zu haben. Die Zurechnung der in der DRC begangenen Verbrechen über § 4 VStGB setzt u.a. voraus, dass der Angeklagte die Möglichkeit hatte, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (vgl. im Einzelnen, BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168). Damit der Senat diese - in seinen Haftprüfungsentscheidungen offen gelassene - Frage in einer die Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten tragenden Weise bewerten kann, bedarf es einer substantiierteren Darlegung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Oberlandesgericht, als dies bislang geschehen ist. Von besonderem Belang sind dabei Ausmaß und Inhalt der Kontakte des Angeklagten zu den vor Ort in der DRC agierenden Einheiten der FDLR sowie das Maß der Verbindlichkeit eventueller Vorgaben bzw. Anweisungen. Zu der - soweit für den Senat ersichtlich vom Generalbundesanwalt in seiner Erwiderung auf die Beschwerde erstmals aufgeworfenen - Frage, ob der Angeklagte mit großer Wahrscheinlichkeit sogar darüber hinaus als mittelbarer Täter für die vor Ort begangenen Verbrechen strafrechtlich verantwortlich ist, verhält sich die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts naturgemäß ebenfalls nicht.
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Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass er als Beschwerdegericht ohne eigene Erkenntnismöglichkeiten bezüglich des Inhalts der Hauptver- handlung zwar in die Lage versetzt werden muss, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 23) ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung sind den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Weiter entspricht es der Natur der Sache, dass die vom Tatgericht vorzunehmende Würdigung vorläufigen Charakter hat und für sich genommen nicht geeignet ist, etwa den Vorwurf der Voreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen.
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2. Da der Senat den dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht abschließend zu beurteilen vermag, ist derzeit auch eine endgültige Entscheidung darüber nicht möglich, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) zu vereinbaren ist.
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a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegt allerdings ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht vor.
12
aa) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Nach dem verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 GG verankerten Beschleunigungsgebot in Haftsachen haben die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG aaO, juris Rn. 19 ff.). Bei der danach gebotenen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung des Verfahrensablaufs sind etwa der Umfang und die Komplexität der Rechtssache, die Anzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.).
13
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist - im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung - die Planung und Durchführung der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden. Vielmehr ist angesichts der maßgebenden konkreten Umstände die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts als angemessen zu bewerten.
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Das Oberlandesgericht hat die (ohne Anlage) 189 Seiten umfassende Anklageschrift vom 7. Dezember 2010 mit Beschluss vom 1. März 2011 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Vorsitzende hat bereits am 17. März 2011 Termine zur Hauptverhandlung ab dem 4. Mai 2011 bestimmt, und zwar regelmäßig auf montags sowie mittwochs. Insgesamt sind bis zum 29. Juni 2012 84 Hauptverhandlungstage durchgeführt worden, die im Wesentlichen mehr als fünf, teilweise auch mehr als acht Stunden andauerten. Somit sah nicht nur die Planung der Hauptverhandlung mehr als einen Verhandlungstag pro Woche vor, sondern es ist durchschnittlich auch an mehr als einem Tag pro Woche verhandelt worden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvR 1847/07, BVerfGK 12, 166). Es widerspricht dem Beschleunigungsgebot nicht, dass in der ersten Aprilhälfte 2012 und Ende Mai/Anfang Juni 2012 im Hinblick auf die Ostertage bzw. das Pfingstfest keine Verhandlungen stattfanden; denn dieses lässt Unterbrechungen für eine angemessene Zeit bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198).
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In Bedacht zu nehmen ist daneben, dass das Verfahren sich gegen zwei Angeklagte richtet und u.a. die Aufklärung der sich über mehrere Jahre erstreckenden Tätigkeit des Angeklagten für die FDLR sowie von 15 verschiedenen Überfällen in der DRC erfordert. Das Oberlandesgericht hat bis zum Zeitpunkt seiner angegriffenen Entscheidung u.a. 27 Zeugen und Sachverständige vernommen , wovon 15 aus dem Ausland, vornehmlich Ruanda angereist waren. Daneben wurden zahlreiche SMS, E-Mails und sonstige Urkunden verlesen sowie Telefonate und Videoaufzeichnungen von teilweise erheblicher Dauer in Augenschein genommen. Da ein Großteil der Beweismittel nur mit Hilfe eines Übersetzers für die Sprache Kinyarwanda in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte, musste bei der Bestimmung der Verhandlungszeiten auf des- sen Belange angemessen Rücksicht genommen werden. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass diese Komplexität des Verfahrensstoffs insbesondere eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstage notwendig macht.
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Vor diesem Hintergrund lässt eine vorausschauende Verhandlungsplanung es zudem gerade sinnvoll erscheinen, jeweils Freiräume zwischen den einzelnen Verhandlungstagen auch deshalb einzuplanen, damit diese für notwendige Zwischenberatungen etwa über zu bescheidende Anträge zur Verfügung stehen und auf diese Weise das geplante Hauptverhandlungsprogramm ohne Änderung im zeitlichen Ablauf durchgeführt werden kann. Die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens zeigt sich beispielsweise daran, dass das Oberlandesgericht - abgesehen von sonstigen Anträgen - bisher über wenigstens acht Ablehnungsgesuche wegen der Besorgnis der Befangenheit zu befinden hatte.
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b) Die Frage, ob der weitere Vollzug der Untersuchungshaft im Übrigen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, kann der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen. Dies hängt - wenn auch nicht ausschließlich, so doch - wesentlich von der für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB - vom hypothetischen Strafende ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, juris Rn. 25). Hierfür ist von maßgeblicher Bedeutung, ob der Angeklagte - möglicherweise auch - wegen der ihm zur Last liegenden Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu verurteilen sein wird. Die Prüfung des diesbezüglichen dringenden Tatverdachts ist dem Senat jedoch - wie dargelegt - zurzeit nicht möglich.
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III. Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine abschließende Sachentscheidung des Senats ausnahmsweise aus. Die vorliegende Fallkonstellation entspricht derjenigen, bei der ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht beheben kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 309 Rn. 8 mwN). Das Begehren des Angeklagten bedarf deshalb insgesamt neuer Befassung und Entscheidung durch das Oberlandesgericht, das dabei ebenfalls über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben wird.
Becker Schäfer Spaniol

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bereits knapp sechs Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Die Haftfortdauer steht angesichts der Besonderheiten des Verfahrens auch nicht außer Verhältnis zu der erwarteten Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Insoweit gilt:
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2014 - StB 22/14, juris Rn. 5; 8. Oktober 2012 - StB 9/12 JR 2013, 419, 420; 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrens- stand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.